GrEStG, Kommentar 9783504386535

Für die steuerliche Beratung von Grundstückstransaktionen und Grundstücke betreffenden Anteilsgeschäften. Deckt die gesa

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GrEStG, Kommentar
 9783504386535

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Behrens ⁄ Wachter · Grunderwerbsteuergesetz · Kommentar

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GrEStG Grunderwerbsteuergesetz Kommentar herausgegeben von

Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt a. M.

Dr. Thomas Wachter Notar in München

2. Auflage

2022

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Bearbeiter Prof. Dr. Roberto Bartone

Karlheinz Konrad

Richter am Finanzgericht, Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken

Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in München, Lehrbeauftragter an der Universität Augsburg

Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt a.M.

Milena Berke

Lutz Koppermann, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt a.M.

Regierungsdirektorin, Juristin, Dozentin an der Hochschule für Finanzen NRW in Nordkirchen

Dipl.-Fw. (FH) Dr. Bettina Lieber

Dipl.-Fw. (FH) Prof. Dr. Elke Böing

Dipl.-Fw. (FH) Veit Nienhaus

Juristin, Professorin an der Hochschule für Finanzen NRW in Nordkirchen

Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung in Herne

Dipl.-Fw. (FH) / Dipl.-Jur. Sascha Drees Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung in Dortmund

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Düsseldorf

Dipl.-Fw. (FH) Nico Schley Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Köln

Dr. Thomas Wachter Notar in München

Zitierempfehlung: Autor in Behrens/Wachter, 2. Aufl., § … GrEStG Rz. … Bartone in Behrens/Wachter, 2. Aufl., GrEStG, Anhang Verfahrensrecht Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-24010-3 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Eberl & Kœsel FinePrints, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Das Grunderwerbsteuergesetz ist zuletzt im Jahr 2021 erheblich geändert worden, insbesondere durch das zum 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) zu dem Zweck, die Besteuerung sog. share deals zu verschärfen. Wie die öffentliche Anhörung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Änderung des GrEStG am 14.10.2019 (vgl. Deutscher Bundestag, Finanzausschuss, Protokoll-Nr. 19/53, Wortprotokoll der 53. Sitzung), die anschließende faktische Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. Pressemitteilung der CDU/CSU- und SPD-BundestagsFraktionen v. 24.10.2019 „Effektive und rechtssichere Lösung für Share Deals“ betr. Verschiebung der sog. Grunderwerbsteuer-Reform) und beispielsweise auch die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats vom 28.4.2021 (BR-Drucks. 320/1/21 v. 28.4.2021) nach Fortsetzung des Gesetzgebungsverfahrens im April 2021 zeigten, ist mit den am Ende der ausgelaufenen Legislaturperiode dann doch noch umgesetzten Verschärfungen der sog. share-deal-Besteuerung kaum jemand zufrieden. Dass im Vergleich zum Regierungsentwurf 2019 mit der sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG und der zeitlichen Anwendungsregelung für § 1 Abs. 2b in § 23 Abs. 23 GrEStG noch gewisse (vom Bundesrat bereits im Herbst 2019 vorgeschlagene – vgl. BR-Drucks. 355/1/19 v. 9.9.2019) Erleichterungen geschaffen worden sind, ändert daran nach unserer Wahrnehmung wenig. Im Gegenteil ist es mit der Streichung der im Regierungsentwurf 2019 noch vorgesehenen Vertrauensschutzregelungen im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu weiteren verfassungsrechtlich kaum akzeptablen Verschärfungen gekommen. Der für den Vollzug von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG erforderliche Sachverhaltsermittlungsaufwand ist – was auch in der öffentlichen Anhörung am 14.10.2019 zum Ausdruck gebracht worden war – riesig und trotz Börsenklausel in unüberschaubar vielen Fällen nicht zu bewältigen. Auch wegen der Absenkung der bisherigen 95 %-Beteiligungsschwellen auf 90 % haben verfassungsrechtliche Fragen erheblich an Brisanz gewonnen. Auf den gesetzlichen Verschärfungen der sog. share-deal-Besteuerung beruhende Bescheide werden (u.E. mit Ausnahme von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG n.F.) in der Praxis in vielen Fällen zumindest zunächst durch Einlegung von Rechtsbehelfen, später ggf. auf Grundlage entsprechender Vorläufigkeitsvermerke nach § 165 AO offengehalten werden müssen, um von etwaigen zugunsten der Steuerpflichtigen begünstigenden Entscheidungen des BVerfG profitieren zu können. Bereits durch das JStG 2020 waren die Kappung des Verspätungszuschlags bei der verspäteten Abgabe von Grunderwerbsteuer-Anzeigen auf maximal EUR 25.000 und der Höhe des Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe von Feststellungserklärungen i.S.v. § 17 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG auf „nur“ EUR 25 pro angefangenem Monat der Verspätung in § 152 Abs. 6 AO durch Einfügung von § 19 Abs. 6 GrEStG abgeschafft worden; diese Verschärfungen des Verspätungszuschlags gelten erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.2020 (vgl. § 23 Abs. 17 GrEStG) verwirklicht worden sind bzw. werden. Der Verspätungszuschlag beträgt nun mithin bei verspäteter Abgabe von Feststellungserklärungen für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens EUR 25 für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht aufgrund des enormen gesetzgeberischen Zeitdrucks im zweiten Quartal 2021 geschuldeter redaktioneller Fehler bei den Änderungen von §§ 5, 6 GrEStG durch das ebenfalls zum 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG), das ebenso wie das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG) – u.E. unter Missachtung des Folgerichtigkeitsprinzips – die Vergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG im Falle der Körperschaftsbesteuerung von Personenhandelsgesellschaften erheblich einschränkt bzw. ausschließt. Außerdem besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf wegen des am 17.8.2021 veröffentlichten Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das am 1.1.2024 in Kraft treten und das bisher den Personengesellschaftern zugeordnete Gesamtheitsvermögen von Personenaußengesellschaften gem. § 713 BGB n.F. durch ein eigenes Gesellschaftsvermögen bzw. ein der Gesellschaft als solcher zugeordnetes Gesamtheitsvermögen ersetzen wird. Welche Änderungen das GrEStG in dieser Hinsicht zum 1.1.2024 erfahren wird, scheint derzeit noch völlig offen. Sollte es nicht spätestens zum 1.1.2024 zu einem auf Rechtsformneutralität ausgerichteten Systemwechsel im GrEStG gekommen sein, ist zu hoffen, dass rechtzeitig durch Gesetzesänderung geregelt werden wird, dass allein VII

Vorwort

durch die Aufgabe des Gesamtheitsprinzips bei Personengesellschaften keine Verletzung der MindestNachbehalte-Fristen in § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG anzunehmen ist (entsprechend den BREXIT-bezogenen Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das JStG 2020). Mit erneuten Änderungen des GrEStG ist auch aufgrund des Koalitionsvertrags vom 24.11.2021 zu rechnen. Darin ist vorgesehen, den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z.B. durch einen Freibetrag zu ermöglichen, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung will die neue Bundesregierung „das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (share deals) nutzen“. Völlig aus dem Blick geraten ist dem Gesetzgeber im Jahr 2021 das Ziel der Vereinfachung des GrEStG. Die nun um § 1 Abs. 2b um einen weiteren Tatbestand erweiterten Ergänzungstatbestände haben keine in sich schlüssige Systematik. Obwohl die Absätze 2a und 2b von § 1 GrEStG den Übergang von mindestens 90 % der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar innerhalb von zehn Jahren anscheinend unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft der Steuer unterwerfen wollen, bleibt es bei den Regelungen zum mittelbaren Anteilsübergang bei der Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften als intransparent und Personengesellschaften als transparent. Die Autoren danken dem Otto-Schmidt-Verlag für die Ermöglichung und insbesondere Frau Dr. Sabine Kick und Frau Eva Müller samt Team für die sorgfältige und geduldige Betreuung der 2. Auflage dieses Kommentars und freuen sich auf die weitere Zusammenarbeit bei der möglicherweise in Abhängigkeit vom Gesetzgeber relativ kurzfristig anstehenden 3. Auflage. Stefan Behrens Thomas Wachter

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Frankfurt am Main/München, im Januar 2022

Vorwort der 1. Auflage Das Grunderwerbsteuerrecht ist in den letzten Jahren immer bedeutsamer und komplizierter geworden. Die Bedeutung der Grunderwerbsteuer hat nicht zuletzt wegen der Einführung des Steuersatz-Bestimmungsrechts der Bundesländer zum 1.9.2006 erheblich zugenommen. Der ab 1.1.1997 geltende Steuersatz von 3,5 % gilt nur noch in Bayern und Sachsen; in Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen beträgt er sogar 6,5 %. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer betrugen 2016 knapp 12,5 Mrd. Euro (2002: rund 4,75 Mrd. Euro). Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer fließt den Bundesländern zu. Die Grunderwerbsteuer macht zwar nur 3,7 % der Gesamtsteuereinnahmen der Bundesländer aus; ihr Anteil an den reinen Landessteuern liegt jedoch über 50 %. Vom zum 1.1.1983 in Kraft getretenen Rechtszustand (damals von 7 % auf 2 % abgesenkter Steuersatz und Abschaffung aller zweckbestimmten Vergünstigungen) ist so gut wie nichts übrig geblieben. Die Erhöhungen der Steuersätze um in fünf Bundesländern mehr als das Dreifache seit 1983 gingen mit der Einführung eines neuen Tatbestands (seit 7.6.2013: § 1 Abs. 3a GrEStG) und neuer Steuerbefreiungen (z.B. in § 4 Nr. 4 und § 6a GrEStG) einher. Der Anstieg der Bedeutung der Grunderwerbsteuer ist auch durch die Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 GrEStG ausgelöst worden, die das BVerfG am 23.6.2015 grds. rückwirkend für die Zeit nach dem 31.12.2008 für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber zur Neuregelung gezwungen (Az. 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11) hat. Durch das StÄndG 2015 wurden die schon seit dem 1.1.2009 für die Erbschaftsteuer geltenden Bewertungsregeln nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG auch für die Grunderwerbsteuer in Kraft gesetzt, was in der Mehrzahl der Fälle der Ersatzbemessungsgrundlage zu einer deutlichen Erhöhung der Steuerbelastung geführt hat. Zum Anstieg der Komplexität trug auch (in Teilbereichen ganz erheblich) die Rechtsprechung des BFH bei. Völlig überraschend entschied der BFH am 12.3.2014 (II R 51/12) gegen die bisherige die sog. Pro-Kopf-Betrachtung auf allen Ebenen anwendende Rechtspraxis, dass bei einer zwischengeschalteten, unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Personengesellschaft als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG – wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend sei. Dem Gesellschafter ist danach der Anteilsbesitz der zwischengeschalteten Personengesellschaft zuzurechnen, wenn er mindestens i.H.v. 95 % am Gesellschaftskapital dieser Personengesellschaft beteiligt ist. Ohne aus unserer Sicht tragfähige Begründung änderte er damit seine frühere Rechtsprechung (II R 66/98). Mit Urteil vom 27.9.2017 (II R 41/15) lehnte der BFH zudem einen Schutz des Vertrauens auf den Bestand der langjährigen Praxis ab, weil mit Ausnahme des Urteils vom 8.8.2001 keine „Jahrzehnte währende höchstrichterliche Rechtsprechung“ vorgelegen habe, „die Eingang in die Richtlinie der Finanzverwaltung (Art. 108 Abs. 7 GG) gefunden hätte und bei der der BFH ähnlich einem Normgeber tätig geworden wäre“. Immer wieder wird die Verfassungsmäßigkeit der mittelbare Anteilsgeschäfte besteuernden Regelungen in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG wegen möglichen Vollzugsdefizits infrage gestellt. Der BFH hatte solche Zweifel zwar früher abgelehnt (II B 23/05). Wegen verbesserter Auskunftsrechte und Amtshilfemöglichkeiten stellt sich diese Frage jedoch neu, auch wenn die Finanzverwaltung versucht, in einer wohl länderübergreifend abgestimmten Vorgehensweise durch Vorfeldermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO dem Vorwurf des Vollzugsdefizits entgegenzuwirken. In der Beratung ist festzustellen, dass die Bedeutung mittelbarer Anteilsbewegungen für die deutsche Grunderwerbsteuer immer noch weitgehend nicht bekannt und schwer vermittelbar ist, was nicht zuletzt damit erklärt werden kann, dass die Erfassung mittelbarer Anteilsbewegungen international eine Ausnahme darstellt. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung zum sog. einheitlichen Erwerbsgegenstand bzw. einheitlichen Vertragswerk sollen die Baukosten unabhängig davon zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage gehören, ob das Zusammenwirken von Grundstücksverkäufer und Bauunternehmer für den Erwerber erkennbar war. Ausreichend sei, dass dieses Zusammenwirken anhand äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden könne (BFH v. 19.6.2013 – II R 3/12; anders noch das FG Düsseldorf in erster Instanz). Der BFH wich damit von seiner früheren Rechtsprechung ab (z.B. II R 62/91) und hat eine Rechtslage geschaffen, die es Erwerbern unbebauter Grundstücke mit Bauabsicht unmöglich macht, bei Vertragsabschluss sicher vorherzusehen, in welcher Höhe sie Grunderwerbsteuer werden IX

Vorwort der 1. Auflage

bezahlen müssen. Dies passt auch nicht zur vom BFH an anderer Stelle aufgestellten Forderung, dass die Rechtslage so beschaffen sein müsse, „dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können“ (II R 17/10). Mit Urteil vom 30.8.2017 (II R 48/15) entschied der BFH außerdem, dass der Veräußerer in den Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs die Grunderwerbsteuer in voller Höhe auch dann schuldet, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Grundstücksverkäufer die Höhe des in die Bemessungsgrundlage einzubeziehenden Werklohns kennt oder in Erfahrung bringen kann. Auch für Grundstücksverkäufer ist es daher schwieriger geworden, mögliche Grunderwerbsteuerbelastungen sicher vorherzusehen. Komplexitätssteigernd wirkt außerdem die zwischenzeitlich zutage getretene Bedeutung des Europarechts. Infolge des Vorlage-Beschlusses des BFH vom 30.5.2017 (II R 62/14) besteht derzeit ein nicht nur geringfügiges Risiko, dass § 6a GrEStG als EU-rechtswidrige und nicht genehmigungsfähige Beihilfe eingeordnet werden wird (was man kaum glauben mag, weil dann doch letztlich alle abstrakt-generellen Steuervergünstigungs-Vorschriften Beihilfen wären; so auch der BFH in Tz. 63 des VorlageBeschlusses). Derzeit muss davon abgeraten werden, Umstrukturierungen im Vertrauen auf die Anwendung von § 6a GrEStG durchzuführen (d.h. Durchführung nur dann, wenn die Beteiligten bereit sind, bei ungünstiger Entscheidung durch EuGH und EU-Kommission die Grunderwerbsteuer zu bezahlen, die Umstrukturierung also in jedem Fall durchgeführt werden soll). Eine Absenkung der 95 %Grenzen in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (wie derzeit diskutiert) würde ebenfalls EU-rechtliche Fragen aufwerfen. Nach dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 7.2.2018 (S. 110) prüft die neue Bundesregierung „einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von hohen Grundstücken für Familien ohne Rückwirkung beim Länderfinanzausgleich“. Nach Abschluss der Prüfarbeiten durch Bund und Länder werde man „eine effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung umsetzen, um missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden“. Die gewonnenen Mehreinnahmen sollen von den Bundesländern zur Senkung der Steuersätze verwendet werden. Diese Ankündigung belegt, dass das Grunderwerbsteuerrecht in Bewegung bleiben wird und dass man sich wohl keine allzu großen Hoffnungen machen sollte, dass das Grunderwerbsteuerrecht in Bezug auf die Besteuerung von Anteilsgeschäften grundlegend vereinfacht werden wird. Um in dieser vielfach unklaren Lage und in Zeiten wachsender Bedeutung des Grunderwerbsteuerrechts Antworten auf zahlreiche – teils lange umstrittene, teils immer neue – Fragen zu bieten, haben wir uns dazu entschlossen, diesen neuen Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz herauszugeben. Verfasst von Vertretern der Beraterschaft, der Notariate, der Finanzverwaltung und der Finanzgerichtsbarkeit werden als verlässliche Grundlage für die praktische Arbeit die Sichtweisen von Beratung, Verwaltung und Rechtsprechung dargestellt und die herrschende Meinung erläutert. In einigen besonders relevanten Teilbereichen werden dem Leser aber auch neue Denkansätze an die Hand gegeben, was eine größere Argumentationsbreite ermöglicht. Besonderheiten, die sich auf verfahrensrechtlichem Gebiet ergeben, sind in einem Anhang übersichtlich erläutert. Die Autoren danken dem Otto-Schmidt-Verlag für die Ermöglichung und insbesondere Frau Dr. Sabine Kick und Frau Eva Müller samt Team für die sorgfältige und geduldige Betreuung dieses Kommentars und freuen sich auf die weitere Zusammenarbeit bei der möglicherweise in Abhängigkeit vom Gesetzgeber relativ kurzfristig anstehenden zweiten Auflage. Stefan Behrens Thomas Wachter

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Frankfurt a.M./München, im März 2018

Bearbeiterverzeichnis Prof. Dr. Roberto Bartone Richter am Finanzgericht, Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken

§§ 13, 14, 15, 23 Abs. 1-17 und 28 GrEStG; Anhang: Verfahrensrecht

Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt a.M.

§ 1 Abs. 2 bis 6 und § 23 Abs. 18-24 GrEStG

Milena Berke Regierungsdirektorin, Juristin, Dozentin an der Hochschule für Finanzen NRW in Nordkirchen

§ 3 Nr. 1 und 2 GrEStG

Dipl.-Fw. (FH) Prof. Dr. Elke Böing Juristin, Professorin an der Hochschule für Finanzen NRW in Nordkirchen

§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG; § 3 Einleitung und Nr. 3 bis 8 GrEStG

Dipl.-Fw. (FH) und Dipl.-Jur. Sascha Drees Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung in Dortmund

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG; §§ 11, 22a GrEStG

Karlheinz Konrad Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in München

§ 9 GrEStG

Lutz Koppermann, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt a.M.

§§ 7, 16 GrEStG

Dipl.-Fw. (FH) Dr. Bettina Lieber Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Düsseldorf

§§ 2, 6a GrEStG

Dipl.-Fw. (FH) Veit Nienhaus Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung in Herne

§§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4; §§ 4, 8, 12 GrEStG

Dipl.-Fw. (FH) Nico Schley Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Köln

§§ 5, 6 GrEStG

Dr. Thomas Wachter Notar in München

§§ 17, 18, 19, 20, 21, 22 GrEStG

XI

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . Vorwort der 1. Auflage . Bearbeiterverzeichnis . . Abkürzungsverzeichnis . Literaturverzeichnis . . .

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VII IX XI XV XXV

Grunderwerbsteuergesetz Erster Abschnitt Gegenstand der Steuer (§§ 1–2) §1 §2

Erwerbsvorgänge (Drees/Nienhaus/Böing/Behrens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücke (Lieber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 403

Zweiter Abschnitt Steuervergünstigungen (§§ 3–7) §3 §4 §5 §6 § 6a §7

Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung (Böing/Berke) . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Ausnahmen von der Besteuerung (Nienhaus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang auf eine Gesamthand (Schley) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang von einer Gesamthand (Schley) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (Lieber) . . . . . . . . . . . . Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum (Koppermann)

425 495 509 561 605 627

Dritter Abschnitt Bemessungsgrundlage (§§ 8–10) §8 §9 § 10

Grundsatz (Nienhaus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenleistung (Konrad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

641 655 707

Vierter Abschnitt Steuerberechnung (§§ 11–12) § 11 § 12

Steuersatz, Abrundung (Drees) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pauschbesteuerung (Nienhaus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

709 713

XIII

Inhaltsverzeichnis

Fünfter Abschnitt Steuerschuld (§§ 13–15) Seite

§ 13 § 14 § 15

Steuerschuldner (Bartone) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Steuer in besonderen Fällen (Bartone) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit der Steuer (Bartone) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

715 733 749

Sechster Abschnitt Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (§ 16) § 16

Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (Koppermann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

761

Siebenter Abschnitt Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Anzeigepflichten und Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§§ 17–22) § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22

Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Wachter) . Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare (Wachter) . . . . . . . . . . Anzeigepflicht der Beteiligten (Wachter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Anzeigen (Wachter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urkundenaushändigung (Wachter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbedenklichkeitsbescheinigung (Wachter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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811 829 873 915 939 947

Ermächtigung (Drees) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

961

Achter Abschnitt Durchführung (§ 22a) § 22a

Neunter Abschnitt Übergangs- und Schlussvorschriften (§§ 23–28) § 23 Anwendungsbereich (Bartone/Behrens) §§ 24 bis 27 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . § 28 (Inkrafttreten) (Bartone) . . . . . . . . . Anhang Verfahrensrecht (Bartone) . . . . . . . .

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. 963 . 1002 . 1003 . 1005

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017

XIV

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. Abt. abw. AcP a.E. AEAO AEUV a.F. AfA AG AktG Alt. a.M. AMBLFin. amtl. AMVO ÄndG Anh. Anl. Anm. AO AOA Art. AStG Aufl. ausf. AWD Az.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Abteilung abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative anderer Meinung Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen amtlich Altbaumietenverordnung Änderungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Artikel Außensteuergesetz Auflage ausführlich Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen

BAnz. BAO Bad.-Württ. BauGB BauNVO Bay./bay. BayObLG BB BBauG BBEV BBl. Bd. Bdb. BdF BDI Begr. Beschl.

Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Baden-Württemberg Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbaugesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Bundesblatt (Schweiz) Band Brandenburg Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss XV

Abkürzungsverzeichnis

BeSt betr. BetrKV BeurkG BewÄndG BewDB BewDV BewG BewRGr

BFH BFHE BFH/NV Bf(in) BgA BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BimSchG BIS BKleingG BKSt BMF BMietG BNotO Bp. BR BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BuW BV BVerfG BVerfGE BVerwG BVo BW BWaldG BWNotZ bzgl. BZSt bzw.

Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) betreffend Betriebskostenverordnung Beurkundungsgesetz Bewertungsänderungsgesetz (Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes) Bewertungsdurchführungsbestimmungen Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens v. 19.9.1966, BStBl. I 1966, 890 Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Teile 1–4 u. 8 veröffentlicht in BStBl. I 1967, 397; Teile 5–7 veröffentlicht in BStBl. I 1968, 223 Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH BFH/NV (Zeitschrift) Beschwerdeführer(in) Betrieb gewerblicher Art Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bundes-Immissionsschutzgesetz Der Bau- und Immobiliensachverständige (Zeitschrift) Bundeskleingartengesetz Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Loseblatt Bundesministerium der Finanzen Bundesmietengesetz Bundesnotarordnung Betriebsprüfung Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages Buchstabe Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Berechnungsverordnung/Betriebsvermögen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Betriebsvorrichtung(en) Baden-Württemberg Bundeswaldgesetz Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

Coop Corp

Coöperatie Corporation

DB DBA dgl.

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen dergleichen

BewRL

XVI

Abkürzungsverzeichnis

DGStZ d.h. dies. DIN DK DM DNotZ DRiZ Drucks. DStJG DStR DStRE DStZ DStZ/A DStZ/E DSWR DurchfBest. DV DVR -E EAS EC EFG EG EGV EHFV Einf. EinfG EinhW(EW) FortschrG EMZ Entsch. EnWG ErbbauVO ErbBstg. ErbSt. ErbStÄndG ErbStAnpG ErbStB ErbStDV ErbStG Erl. ERVGBG ESt. EStB EStDV EStER EStG EStH

Deutsche Gemeindesteuer-Zeitung (Zeitschrift) das heißt dieselbe(n) Deutsche Industrie-Norm Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Drucksache Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht; bis 1961 Deutsche Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Eildienst = Ausgabe B) (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Durchführungsbestimmung Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift) (Gesetzes-)Entwurf Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Tax Review European Communities Tax Review (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) Erbhoffortbildungsverordnung Einführung RealStG Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen Einheitswertfortschreibungsgesetz Ertragsmesszahl Entscheidung Energiewirtschaftsgesetz Verordnung über das Erbbaurecht Erbfolgebesteuerung (Zeitschrift) Erbschaftsteuer Erbschaftsteueränderungsgesetz Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.11.2016 Erbschaft-Steuerberater (Zeitschrift) Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erlass Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften Einkommensteuer Ertrag-Steuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise XVII

Abkürzungsverzeichnis

EStR EStRG ET et al. EU EuGH EuGHE EuGH-Urep EuZW e.V. EW EWG EWR EWS

Einkommensteuer-Richtlinien Einkommensteuer-Reformgesetz European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH EuGH-Umsatzsteuerreport Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein Einheitswert Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f. FA FamRZ Fass. FELEG ff. FG FGG FGO FinBeh. FinMin. FinSen. FinVerw. FMBl. FMStG Fn. FortschrG FoStoG FR FRL FS FusionsRL FVerlV FVG FZA

folgend (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift) Fassung Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit folgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Finanzbehörde Finanzministerium Finanzsenat Finanzverwaltung Finanz-Ministerial-Blatt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Fortschreibungsgesetz Fondsstandortgesetz Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Fusions-Richtlinie Funktionsverlagerungsverordnung Finanzverwaltungsgesetz Freizügigkeitsabkommen

GA GAV GBl. GBO GbR GBV gem. GemVO GenG Ges. GewSt. GewStDV GewStG

Generalanwalt Gewinnabführungsvertrag Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundbuchverfügung gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesetz Gewerbesteuer Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

GewStR GG ggf. GKKB gl.A. GmbH GmbHR GmbH-StB GP GrBewV GrESt. GrEStG GrEStGÄndG GrESWG GrS GrSt. GrStÄndG GrStDV (GrStDurchfVO) GrStG GrStR GS GStB GuG GuV GVBl./GVOBl. GwG GwGMeldVImmobilien GW-StRK

Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift) General Partnership Grundvermögensbewertungsverordnung Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuergesetz Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes Bayer. Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau Großer Senat Grundsteuer Grundsteuer-Änderungsgesetz Grundsteuer-Durchführungsverordnung Grundsteuergesetz Grundsteuer-Richtlinie Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Geldwäschegesetz Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform

H Halbs. Hess./hess. HFR HGB h.M. HMdF HöfeVfO HRR Hrsg. hrsg.

Hinweis Halbsatz Hessen/hessisch Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Hessisches Ministerium der Finanzen Höfeverfahrensordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift) Herausgeber herausgegeben

IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS IFSt i.H.v. Inc.

International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Institut Finanzen und Steuern in Höhe von Incorporated XIX

Abkürzungsverzeichnis

INF insb. InsO Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPrax IRS i.S. i.S.d. IStR i.S.v. ITPJ i.V.m. IWB

Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe

JbFStR JR JStG jurisPR JV JW JZ

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Rundschau Jahressteuergesetz juris Praxisreport Joint Venture Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAGG Kap. KarStVO KBV KFR KG KGA KGaA KirchSt. Kj. Komm. KöMoG KÖSDI KRG krit. KSt. KStDV KStG KStH KStR KStZ KUG KVG KVLG KVSt. KVStG (KapVerkStG) KWG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kartellsteuerverordnung Kleinbetragsverordnung Kommentierte Finanzrechtsprechung Kommanditgesellschaft Kreditgewinnabgabe Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchensteuer Kalenderjahr Kommentar Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kontrollratsgesetz kritisch Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuerzeitschrift (Zeitschrift) Kunsturhebergesetz Kapitalverwaltungsgesellschaft Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte Kapitalverkehrsteuer Kapitalverkehrsteuergesetz

XX

Gesetz über das Kreditwesen

Abkürzungsverzeichnis

LAG LBO LdErl. LFA Lfg. LG lit. LLC LLLP LLP LP LPartG LPG LSt. LStDV lt. Ltd. LuF, luf. LuftVG

Lastenausgleichsgesetz Leveraged Buy-Out Ländererlass Landesfinanzamt Lieferung Landgericht litera Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Lohnsteuer Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut Private Company Limited by Shares, Limited Land- und Forstwirtschaft, land- und forstwirtschaftlich Luftverkehrsgesetz

MA MABl. MA-InfAust mit Anm. m.a.W. MBl. MDR m.E. MinBlFin. Mio. MittBayNotK MittRhNotK MTR MV m.w.N. MwStSystRL m.W. m.W.v.

Musterabkommen Ministerialamtsblatt OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen mit Anmerkung(en) mit anderen Worten Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens, mit Einschränkung Ministerialblatt des Bundesfinanzministers Million(en) Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer (Zeitschrift) Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Zeitschrift) Mutter-Tochter-Richtlinie Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie mit Wirkung mit Wirkung vom

Nds., nds. n.F. NJW NJW-RR Nr. nrkr. NSt. nv. NW NWB NZB NZG NZM

Niedersachsen, niedersächsisch neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer nicht rechtskräftig Neues Steuerrecht von A-Z (Loseblatt) nicht veröffentlicht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Nichtzulassungsbeschwerde Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Miet und Wohnungsrecht (Zeitschrift)

o.a. OFD

oben angegeben (-e, -er, -en) Oberfinanzdirektion XXI

Abkürzungsverzeichnis

OFH OFPräs. OHG OLG OVG

Oberster Finanzgerichtshof Oberfinanzpräsident offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht

p.a. PartGG PBefG PIStB plc PStG PTLP

pro anno Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Personenbeförderungsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Personenstandsgesetz Publicly Traded Limited Partnership

R. RabelZ

Rechtsspruch Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Rechtsbeschwerde Runderlass Reichsminister der Finanzen Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift) Rundverfügung Rückerstattungsgesetz Real Estate Investment Trust Reichserbhofgesetz Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rechnungsjahr rechtskräftig Richtlinie Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis Randzahl, Randziffer

RAP Rb. RdErl. RdF RdL RdVfg. REG REIT RErbhG Rev. RFH RFHE RG RGBl. RGZ Rh.-Pf. RIW Rj. rkr. RL RPflG Rs. Rspr. RStBl. RWP Rz. s. S. S.A. Sa.-Anh. Saarl. Sachs., sächs. Schl.-Holst. Schr. SE SEStEG

XXII

siehe Seite Société anonyme; Sociéta a accomandita Sachsen-Anhalt Saarland Sachsen, sächsisch Schleswig-Holstein Schreiben Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Abkürzungsverzeichnis

SGB Slg. s.o. sog. Sp. StÄndG StAnpG StB StBereinG Stbg StbJb StBp StbW StEd StEK StEL StEntlG SteuK StFG StGB StKl. StLex str. st. Rspr. StuB StUmgBG StuW StW s.u. SWI SZ

Sozialgesetzbuch Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen siehe oben so genannt Spalte Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerbereinigungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) SteuerberaterWoche (Zeitschrift) Steuereildienst (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform Steuerrechtliche Entscheidungen zur Land- und Forstwirtschaft Steuerentlastungsgesetz Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Stabilisierungsfondsgesetz Strafgesetzbuch Steuerklasse Steuerlexikon (Loseblatt) streitig ständige Rechtsprechung Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Die Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung

T Tab. Thür., thür. TMTP TNI TPIR Tz.

Tausend Tabelle Thüringen, thüringisch Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u. u.a. u.Ä. Ubg u.E. UmwG UmwStG UR Urt. USt. UStG usw. u.U.

und unter anderem und Ähnliche(s) Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) unseres Erachtens Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau Urteil Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

v. VAT VerkSt. VermG VerschG Vfg. VG (VerwG) vGA VGH vgl. v.H. VO VOBl. v.T. VVG VwGO VwV VZ

vom, von Value added Tax Verkehrsteuer Vermögensgesetz Verschollenheitsgesetz Verfügung Verwaltungsgericht verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Verordnung Verordnungsblatt vom Tausend Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Allgemeine Verwaltungsvorschrift Veranlagungszeitraum

WEG WertR WertV WFA WG Wj. WM WoFlV Wpg

Wohnungseigentumsgesetz Wertermittlungs-Richtlinie Wertermittlungs-Verordnung Wertermittlungs-Forum Aktuell (Zeitschrift) Wirtschaftsgut Wirtschaftsjahr Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wohnflächenverordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

z.B. ZErb ZEV ZfZ ZGR ZHR Ziff. ZIP ZNotP ZPO ZSKG

zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtpraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz) Zeitschrift für Steuern und Recht zum Teil zustimmend Zwangsversteigerungsgesetz zurzeit

ZSteu z.T. zust. ZVG z.Z., zzt.

XXIV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Bartone/von Wedelstädt2 Beck’sches Notarhandbuch7 Beermann/Gosch Blersch/Goetsch/Haas Boruttau19 Demharter32 Erman16 Flume, AT II4 Frenz/Miermeister 5

Frotscher/Drüen G/B/B/S6 Griesar/Jochum Grüneberg81 Grunewald11 Haase/Jachmann HHSp Hofmann11 Klein15 Koenig4 Kopp/Ramsauer22 Kühn/von Wedelstädt22 Lippross Medicus/Petersen11 Meincke/Hannes/Holtz18

Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017 Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, hrsg. von Heckschen/ Herrler/Münch Beermann/Gosch, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) Blersch/Goetsch/Haas, Berliner Kommentar Insolvenzrecht (Loseblatt) Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz: GrEStG, Kommentar, 19. Aufl. 2019 Demharter, GBO, Kommentar, 32. Aufl. 2021 Erman, BGB, Kommentar, 16. Aufl. 2020 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band: Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992 Frenz/Miermeister (ehemals Eylmann/Vaasen), Bundesnotarordnung, Beurkundungsgesetz: BNotO BeurkG, Kommentar, 5. Aufl. 2020 Frotscher/Drüen, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz (Loseblatt) Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer, Handbuch, 6. Aufl. 2021 Griesar/Jochum, eKomm GrEStG Grüneberg (vormals Palandt), Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, Kommentar, 81. Aufl. 2022 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2020 Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020 Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl. 2016 Klein, Abgabenordnung: AO, Kommentar, 15. Aufl. 2020 Koenig, Abgabenordnung: AO, Kommentar, 4. Aufl. 2021 Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, Kommentar, 22. Aufl. 2021 Kühn/von Wedelstädt, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 22. Aufl. 2018 Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, Kommentar (Loseblatt) Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl. 2016 Meincke/Hannes/Holtz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: ErbStG, Kommentar, 18. Aufl. 2021

XXV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

MüKo8

Müller/Detmering/Lieber11 Neuner12 Oetker7 Osterloh-Konrad/Heber/Beuchert Pahlke6 Plückebaum/Malitzky Rödder/Herlinghaus/Neumann Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3 Rüthers/Stadler19 Schöner/Stöber16 Schütze9 T/G/J/G Tipke, StRO II2

Tipke/Lang24 T/K von Oertzen/Loose2 Wäger Waza/Uhländer/Schmittmann13 Weilbach Widmann/Mayer Wilms/Jochum Winkler19

XXVI

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1: Allgemeiner Teil, §§ 1–240, AllgPersönlR, ProstG, AG, 8. Aufl. 2018; Band 3: Schuldrecht – Allgemeiner Teil II, §§ 311–432, 8. Aufl. 2019; Band 4: Schuldrecht, Besonderer Teil I §§ 433–534, Finanzierungsleasing, CISG, 8. Aufl. 2019; Band 6: Schuldrecht – Besonderer Teil IV, §§ 705–853, 8. Aufl. 2019; Band 8: Sachenrecht, §§ 854–1296, WEG, ErbbauRG, 8. Aufl. 2020 Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl. 2020 Neuner, Allgemeiner Teil des BGB, 12. Aufl. 2020 Oetker, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl. 2021 Osterloh-Konrad/Heber/Beuchert, Anzeigepflichten für Steuergestaltungen in Deutschland, 2017 Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz: GrEStG, Kommentar, 6. Aufl. 2018 Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz – Mehrwertsteuer, Kommentar (Loseblatt) Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 1. Aufl. 2015 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz: UmwStG, Kommentar, 3. Aufl. 2019 Rüthers/Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 19. Aufl. 2017 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Handbuch, 16. Aufl. 2020 von Wulffen/Schütze, SGB X – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, Kommentar, 9. Aufl. 2020 Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: ErbStG, Kommentar (Loseblatt) Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II: Band II: Steuerrechtfertigungstheorie, Anwendung auf alle Steuerarten, sachgerechtes Steuersystem, 2. Aufl. 2003 Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021 Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung: AO, FGO, Kommentar (Loseblatt) von Oertzen/Loose, ErbStG, Kommentar, 2. Aufl. 2020 Umsatzsteuergesetz (UStG), 2020 Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 13. Aufl. 2021 Weilbach, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz: GrEStG (Loseblatt) Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar (Loseblatt) Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) Winkler, Beurkundungsgesetz: BeurkG, Kommentar, 19. Aufl. 2019

Grunderwerbsteuergesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 26.2.1997 (BGBl. I 1997, 418, 1804), zuletzt geändert durch Art. 11 Ges. v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2056)

Erster Abschnitt Gegenstand der Steuer (§§ 1–2)

§ 1 Erwerbsvorgänge (1) Der Grunderwerbsteuer unterliegen die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen: 1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet; 2. die Auflassung, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet; 3. 1der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. 2Ausgenommen sind a) der Übergang des Eigentums durch die Abfindung in Land und die unentgeltliche Zuteilung von Land für gemeinschaftliche Anlagen im Flurbereinigungsverfahren sowie durch die entsprechenden Rechtsvorgänge im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren und im Landtauschverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung bis zur Höhe des Sollanspruchs, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Flurbereinigungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist; in diesen Fällen ist auch der den Sollanspruch auf Zuteilung übersteigende Teil der Zuteilung (Mehrzuteilung) ausgenommen, wenn der Wert des dem neuen Eigentümer zugeteilten Grundstücks seinen sich aus dem Wert des eingebrachten Grundstücks ergebenden Sollanspruch auf Zuteilung nicht um mehr als 20 vom Hundert übersteigt, b) der Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz in seiner jeweils geltenden Fassung bis zur Höhe des Sollanspruchs, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist; in diesen Fällen ist auch der den Sollanspruch auf Zuteilung übersteigende Teil der Zuteilung (Mehrzuteilung) ausgenommen, wenn der Wert des dem neuen Eigentümer zugeteilten Grundstücks seinen sich aus dem Wert des eingebrachten Grundstücks ergebenden Sollanspruch auf Zuteilung nicht um mehr als 20 vom Hundert übersteigt, c) der Übergang des Eigentums im Zwangsversteigerungsverfahren; 4. das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren; 5. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder der Rechte aus einem Meistgebot begründet; 6. 1ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet. 2Dem Kaufangebot steht ein Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann; 7. die Abtretung eines der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Rechte, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte begründet. (2) Der Grunderwerbsteuer unterliegen auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. (2a) 1Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

1

§ 1 Erwerbsvorgänge dass mindestens 90 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. 2Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. 3Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. 4Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. 5Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. 6Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes bleibt der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht. 7Hat die Personengesellschaft vor dem Wechsel des Gesellschafterbestandes ein Grundstück von einem Gesellschafter oder einer anderen Gesamthand erworben, ist auf die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ermittelte Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang, für den auf Grund des § 5 Abs. 3 oder des § 6 Abs. 3 Satz 2 die Steuervergünstigung zu versagen ist, mit dem entsprechenden Betrag anzurechnen. (2b) 1Gehört zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. 2Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile der Gesellschaft anteilig berücksichtigt. 3Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. 4Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. 5Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. 6Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes bleibt der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht. (2c) Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes im Sinne von Absatz 2a Satz 1 und Absatz 2b Satz 1 bleiben Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Betracht, die zum Handel an einem im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenen organisierten Markt nach § 2 Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes oder einem Drittlandhandelsplatz, der gemäß Artikel 25 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erfolgt. (3) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt, außerdem: 1. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden; 2. die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 1 vorausgegangen ist; 3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft begründet; 4. der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 3 vorausgegangen ist. (3a) 1Soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a, 2b und 3 nicht in Betracht kommt, gilt als Rechtsvorgang im Sinne des Absatzes 3 auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger un2

Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

Erwerbsvorgänge

§1

mittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 90 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. 2Die wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft. 3Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren. (4) Im Sinne des Absatzes 3 gelten als abhängig 1. natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zusammengeschlossen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtet sind; 2. juristische Personen, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert sind. (5) Bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, unterliegt der Steuer sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils. (6) 1Ein in Absatz 1, 2, 3 oder Absatz 3a bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. 2Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . .

. . . .

1 3

. . . .

5 6

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1) I. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inländische Grundstücke . . . . . . . . III. Rechtsträger im GrEStG 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bruchteilseigentümer . . . . . . . . . 3. Gesamthandsgemeinschaften a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Die Personengesellschaften . . . . c) Die Partnerschaftsgesellschaft . . d) Die Erbengemeinschaft . . . . . . e) Der nichtrechtsfähige Verein, § 54 BGB (bis zum 31.12.2023) . f) Verein ohne Rechtspersönlichkeit (ab 1.1.2024) . . . . . . . . . . . . g) Die (fortgesetzte) Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . h) Die Partenreederei . . . . . . . . . i) Die Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . 4. (Nichtrechtsfähige) Vermögensmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grunderwerbsteuerliche Organschaft – der Organkreis . . . . . . . . . . . . 6. Der Konzern . . . . . . . . . . . . . . 7. Ausländische Gesellschaften . . . . .

7 8 9 10 11 13 14 15 16 16.1 17 18 19 20 22 23 24

8. Europäische Gesellschaften . . . . . . 9. Briefkastengesellschaften – Basisgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . IV. Kaufvertrag oder anderes einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft (Abs. 1 Nr. 1) 1. Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . 2. Stellvertretung (Boten, Stellvertreter) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirksame Rechtsgeschäfte a) Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . b) Mängel in der Geschäftsfähigkeit c) Mängel in der Stellvertretung . . d) Anfechtung aa) Wirkung der Anfechtung . . bb) Irrtumsanfechtung . . . . . . cc) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung . . . . . . . . e) Schein- und Scherzgeschäfte . . . f) Formmangel . . . . . . . . . . . . g) Verstoß gegen Verbotsgesetze . . h) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit und Wucher . . . . . . . . . . i) Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . 4. Durchsetzbarkeit des Anspruchs . . . 5. Erhaltung von nichtigen Rechtsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anspruch auf Übereignung a) Abgrenzung des Anspruches auf Übereignung . . . . . . . . . . . . b) Bestellung und Verlängerung von Erbbaurechten . . . . . . . .

Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

26 32

33 38 39 40 42 43 44 45 46 47 49 50 52 53 54

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3

§ 1 Erwerbsvorgänge c) Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschaftsrechtliche Vorgänge . e) Leistung an Erfüllungs statt und erfüllungshalber . . . . . . . . . . . f) Vertragsübernahme und -beitritt . g) Stiftungsgeschäft unter Lebenden, § 81 BGB . . . . . . . . . . . . . . . h) Flächenerwerbe nach dem Ausgleichsleistungsgesetz . . . . . 7. Umgehungsgeschäft und Anwendung des § 42 AO . . . . . . . . . . . . V. Auflassung ohne vorausgegangenes Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 1 (Abs. 1 Nr. 2) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . 2. Auflassung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet a) Vorausgegangenes Rechtsgeschäft b) Aufhebung und Heimfall eines Erbbaurechtes sowie dessen Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragung auf den Auftraggeber oder auf einen uneigennützigen Treuhänder . . . . . . . . d) Grundstücksvermächtnis . . . . . e) Hausverlosung . . . . . . . . . . . f) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . VI. Übergang des Eigentums, wenn kein den Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es keiner Auflassung bedarf (Abs. 1 Nr. 3) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 1 und 2 . . 2. Der Übergang des Eigentums nach Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . c) Formen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbfall . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung von Erbteilen . . cc) Umwandlungsvorgänge (1) Formen . . . . . . . . . . . . . (2) Umwandlungsvorgänge nach ausländischem Recht . . . . . dd) Anwachsung . . . . . . . . . . ee) Gütergemeinschaft . . . . . . ff) „Gescheiterte“ Ein-MannGmbH . . . . . . . . . . . . . . gg) Enteignung . . . . . . . . . . . hh) Flurbereinigungsverfahren . . ii) Umlegungsverfahren . . . . . 3. Ausnahmen von der Besteuerung gem. Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 . . . . . . . . a) Eigentumsübergang im Flurbereinigungsverfahren (Buchst. a) . . .

4

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b) Eigentumsübergang im Umlegungsverfahren nach dem BauGB (Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwerbsvorgänge, die vor dem 29.12.2020 verwirklicht wurden . . . . . . . . . . . . . bb) Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . c) Eigentumsübergang im Zwangsversteigerungsverfahren (Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . VII. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Abs. 1 Nr. 4) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines zum Tatbestand . . . . . 3. Versteigerungen nach dem ZVG . . . a) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksame Stellvertretung . . . . . c) Freiwillige Versteigerung . . . . . . VIII. Zwischengeschäfte (Abs. 1 Nrn. 5 bis 7) 1. Vorüberlegungen zu den sog. Zwischengeschäften . . . . . . . . . . 2. Schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung bzw. die Abtretung eines Übereignungsanspruchs a) Abtretung eines Übereignungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt . . . . . . . . . . . c) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . d) Bemessungsgrundlage und Steuerentstehung . . . . . . . . . . 3. Schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung bzw. die Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot (Abs. 1 Nr. 5 und 7) . . . . . . . . . . 4. Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot oder gleichgestellten Angebot (Abs. 1 Nr. 6 und 7) a) Vorüberlegungen zu Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Behandlung von Kaufangeboten und Ankaufsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtswirksames Kaufangebot . . d) Abtretung eigener Rechte aus dem Kaufangebot . . . . . . . . . . e) Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch den Berechtigten . . f) Bemessungsgrundlage . . . . . . . g) Steuerentstehung . . . . . . . . . . h) Steuerschuldner . . . . . . . . . . . i) Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . j) Verhältnis zu Abs. 2 . . . . . . . . .

123 127 130 133

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Erwerbsvorgänge C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2) I. Überblick 1. Zweck von Abs. 2 . . . . . . . . . . . 2. Keine Mehrfachzuordnung ein und desselben Grundstücks als Rechtsfolge des Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . 3. Abs. 2 ist nicht der „eigentliche Grundtatbestand“ des GrEStG . . . . 4. Abgrenzung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG vom wirtschaftlichen Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO . . . . . . . . . 5. Unanwendbarkeit von § 42 AO . . . II. Rechtsvorgänge 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlich-rechtliche Rechtsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unwirksame Rechtsvorgänge . . . . . III. Rechtliche oder wirtschaftliche Ermöglichung, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten 1. Beteiligung an der Substanz des inländischen Grundstücks . . . . . . 2. Erforderliche Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung auf eigene Rechnung . . 4. Rechtliche oder wirtschaftliche Ermöglichung . . . . . . . . . . . . . IV. Ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formnichtiger Grundstückskaufvertrag oder sonstiges formnichtiges Verpflichtungsgeschäft . . . . . . . . 3. Bei der Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit ist die spätere Übereignung des Grundstücks geplant . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Angebot zum Verkauf eines Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . 5. Angebot zum Kauf eines Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zweiseitige Vorverträge über einen Grundstückserwerb . . . . . . . . . . V. Miet-, Pacht- und Nießbrauchsverhältnisse, Immobilien-Leasing 1. Miete, Pacht . . . . . . . . . . . . . . 2. Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . 3. Immobilien-Leasing . . . . . . . . . . VI. Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft dem Werte nach (quoad sortem)

200

204 VIII. 205

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IX. X.

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XI.

1. Erfordernis der Einigung über die Verteilung möglicher Wertsteigerungen und -minderungen . . . . . . . . 2. Recht der Personengesellschaft, die Verwertung herbeizuführen . . . . . 3. Keine Einbringung quoad sortem in eine Innengesellschaft . . . . . . . Gesellschaftsrechtliche Beteiligung 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenaußengesellschaften (mit Gesamthandsvermögen) . . . . 3. Innengesellschaften . . . . . . . . . . 4. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . 5. Irrelevanz gesellschaftsvertraglicher Sonderregelungen . . . . . . . . . . . 6. Unterbeteiligungen . . . . . . . . . . Grundpfandrecht . . . . . . . . . . . . . Grundstücksbezogene Treuhandverhältnisse und Auftragserwerb 1. Definition des Begriffs „Treuhandverhältnis“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auftragserwerb a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Unerheblichkeit des Zeitpunkts der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs des Treugebers (Auftraggebers) . . . . . . . . . . . c) Gegenleistung für den Erwerb der Verwertungsbefugnis beim Auftragserwerb . . . . . . . . . . . d) Mehrfacher Erwerb der Verwertungsbefugnis in einer Auftragskette . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rettungserwerb durch Verwertungsgesellschaften von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarungstreuhand . . . . . . . . 4. Veräußerung des Grundstücks durch den Treuhänder an einen Dritten . . 5. Begründung einer sog. eigennützigen oder sog. uneigennützigen Treuhand durch Übertragung durch den bisherigen Eigentümer/Treugeber . . . . . 6. Verzicht des Treugebers auf den Anspruch auf Herausgabe des das Treugut bildenden Grundstücks . . . 7. Abtretung der Treugeberrechte (Treugeber-Wechsel) . . . . . . . . . 8. Grundstücksübereignung auf einen neuen Treuhänder (TreuhänderWechsel) . . . . . . . . . . . . . . . . Verwertungsbefugnis an Gebäuden auf fremdem Boden 1. Gebäude, die wesentliche Grundstücksbestandteile sind . . . . . . . . 2. Gebäude, die Scheinbestandteile sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Photovoltaikanlagen . . . . . . . . .

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§1

240 241 244 245 246 247 249 250 251 252

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270

271 273 275

5

§ 1 Erwerbsvorgänge

XII. XIII.

XIV.

XV. D.

I.

II.

6

4. Gebäude, das abgebrochen werden soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mit einem Gesellschaftsanteil verbundenes reales Grundstück . . . . . . . . . Verkaufsermächtigung 1. Grundsatz a) Berechtigter muss Grundstücksveräußerung selbst herbeiführen können . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundstücksveräußerung muss tatsächlich erfolgen . . . . . . . . . c) Teilhabe des Berechtigten am Veräußerungserlös . . . . . . . . . d) Zivilrechtliche Wirksamkeit der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . e) Atypischer Maklervertrag . . . . . 2. Bevollmächtigung zur Grundstücksveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwilligung des Eigentümers nach § 185 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . 4. Mittelbare Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstücks . . . . . Von einer KVG verwaltetes Immobilien-Sondervermögen 1. Mögliche Eigentumsverhältnisse bei Immobilien-Sondervermögen . . . . 2. Sog. Treuhandlösung: Keine Verwertungsbefugnis der Anteilsscheininhaber an den im Eigentum der KVG stehenden Grundstücken . . . . . . . 3. Sog. Miteigentumslösung: Keine Verwertungsbefugnis der KVG an den im Eigentum der Anteilinhaber stehenden Grundstücken . . . . . . . Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. einheitlichen Vertragswerk . . . . . Mindestens 90%iger, bis 30.6.2021 und danach subsidiär bis maximal 30.6.2026 mindestens 95 %iger Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Personengesellschaften (Abs. 2a) Überblick 1. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . 2. Verhältnis von Abs. 2a zu den übrigen Ergänzungstatbeständen in Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a . . . . . . 3. Gesetzeshistorie . . . . . . . . . . . . . 4. Zweck des Abs. 2a: Typisierende Beschreibung des missbrauchsindizierenden Sachverhalts . . . . . . 5. Verhältnis zu § 42 AO . . . . . . . . . 6. Zweifel an der Sinnhaftig- und Verfassungsmäßigkeit von Abs. 2a . . . . Grundtatbestand des mind. 90 %igen, bis 30.6.2021 und danach bis 30.6.2026 subsidiär mind. 95 %igen Gesellschafterwechsels bei grundbesitzender Personengesellschaft (Satz 1)

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1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . 2. Personengesellschaft a) Inländische Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgemeinschaften . . . . . . . d) Innengesellschaften . . . . . . . . . e) Erben- und Gütergemeinschaften 3. Anteil am Vermögen der Personengesellschaft a) Bedeutungsidentität mit Anteil am Vermögen der Gesamthand i.S.v. §§ 5, 6 GrEStG . . . . . . . . b) Quantifizierung des Anteils in Prozent (Vom Hundert) . . . . . . c) Eigene Meinung: Maßgeblichkeit der Auseinandersetzungsquote . . d) „Schleichende“ Veränderungen im prozentualen Beteiligungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . e) Zeitpunkt der Quantifizierung des Anteils in Prozent . . . . . . . f) Anteil am Gesellschaftsvermögen bei Investmentfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . g) Irrelevanz des Zeitpunkts der Zahlung der Einlage . . . . . . . . h) Kein Anteil am Gesellschaftsvermögen aufgrund stiller Beteiligung, Darlehen oder Genussrechten . . . . . . . . . . . . . . . . i) Bestimmung des Anteils am Gesellschaftsvermögen ausländischer Personengesellschaften . . . . . . . 4. Inländische Grundstücke . . . . . . . 5. Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Personengesellschaft im Anwendungsbereich von Abs. 2a a) Maßgeblichkeit grunderwerbsteuerrechtlicher Grundsätze . . . . . . b) Keine Zurechnung von Grundstücken auf Grundlage von Abs. 3 und Abs. 3a . . . . . . . . . . . . . c) Auf Grundlage der h.M.: Irrelevanz einer früheren Verwirklichung von Abs. 3 oder Abs. 3a durch die Personengesellschaft . . 6. Änderung des Gesellschafterbestands a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbarer Anteilsübergang aa) Maßgeblichkeit ausschließlich des Zivilrechts nach BFH und Finanzverwaltung . . . . bb) Derivative und originäre Anteilsübergänge . . . . . . .

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339 345

§1

Erwerbsvorgänge cc) Anteilsübergang bei bloßem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . c) Mittelbarer Anteilsübergang aa) Formen des mittelbaren Anteilsübergangs . . . . . . . bb) Mittelbarer Anteilsübergang durch dinglichen Übergang der Rechtsinhaberschaft an Anteilen vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 . . . . . . . . . cc) Mittelbarer Anteilsübergang durch Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen bzw. der Wertteilhabe nach Inkrafttreten des StÄndG 2015 (1) Sachverhalt und Grundsätze von BFH II R 49/12 . . . . . . (2) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen im Zusammenhang mit Anteilskäufen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) . . . . . . . . . . . (3) Mittelbare Anteilsübergänge bei Treuhandverhältnissen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 AO) . . . . . . . . . . . d) Irrelevanz von Anteilsübergängen auf Altgesellschafter aa) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Alt- und Neugesellschafter . . . . . . . bb) Altgesellschafter . . . . . . . . cc) Beschränkung der Altgesellschafter-Eigenschaft auf unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft Beteiligte? . . . . . . . . . . . dd) Wegfall der AltgesellschafterEigenschaft . . . . . . . . . . ee) Altgesellschafter-Eigenschaft für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch das GrEStÄndG v. 12.5.2021 bei Erreichen der 90 %-Schwelle, aber Unterschreitung der 95 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 . . . . . . . e) Neue Gesellschafter . . . . . . . . f) Kein Anteilsübergang bei Verzicht des Treugebers auf seine Treugeberrechte . . . . . . . . . . . . . 7. Zehn-Jahres-Zeitraum („… innerhalb von zehn Jahren …“) a) Sukzessive Anteilsübergänge . . . b) Geltung der Fünf-Jahres-Frist oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . .

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c) Mehrfache Übertragung desselben Anteils zählt nur einmal . . . . . . d) Übergang der bis zu 10 % weiteren Anteile nach Erreichung der 90 %-Grenze . . . . . . . . . . . . e) Erfassung nur solcher Anteilsübergänge, bei denen sämtliche Erwerber im Zeitpunkt der Erreichung der 90 %-Grenze noch Neugesellschafter sind . . . . . . . 8. Kein (unmittelbarer oder mittelbarer) Anteilsübergang durch Formwechsel eines Gesellschafters der grundbesitzenden Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtsfolge der Verwirklichung von Abs. 2a a) Fingierter Grundstückserwerb durch fingiert neue Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . d) Nicht-Erhebung nach Abs. 2a angefallener Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG . . III. Multiplikation der Vomhundertsätze (Satz 2) 1. Vom Gesetzeswortlaut erfasste Fallkonstellation . . . . . . . . . . . . 2. Vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Fallkonstellationen a) Gesellschafterwechsel bei einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) An einer beteiligten Kapitalgesellschaft beteiligte Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . c) Doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur oberhalb einer beteiligten Kapitalgesellschaft . . d) Übertragung der Anteile an einer beteiligten Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft . . . . . IV. Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft (Satz 3) . . V. Unmittelbar an einer Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft (Satz 4) 1. Fiktion einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin bei mind. 90%igem Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . 2. Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter i.S.v. Satz 4 . . . . . . .

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7

§ 1 Erwerbsvorgänge

VI. VII. VIII.

E.

I.

8

3. Sonderfall: Einziehung von Anteilen an beteiligter Kapitalgesellschaft . . . 4. Altgesellschafter-Eigenschaft einer beteiligten Kapitalgesellschaft bei vor dem 1.7.2021 erfolgtem (unmittelbarem und/oder mittelbarem) Wechsel der Gesellschafter dieser beteiligten Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . Mehrstufige Beteiligung mittelbar beteiligter Kapitalgesellschaften (Satz 5) . Erwerb von Anteilen von Todes wegen (Satz 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirklichung von Abs. 2a nach Grundstückserwerb von einem Gesellschafter (Satz 7) 1. Bemessungsgrundlagen-Anrechnung bei rückwirkendem Wegfall der Befreiung nach §§ 5, 6 GrEStG . . . . . 2. Unanwendbarkeit von Satz 7 bei Aufrechterhaltung der Befreiung nach §§ 5, 6 GrEStG aufgrund teleologischer Reduktion . . . . . . . 3. Abhängigkeit der Anwendung von Satz 7 von der Reichweite der teleologischen Reduktion von §§ 5, 6 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestens 90%iger Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (Abs. 2b) Überblick 1. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den übrigen Ergänzungstatbeständen in Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a . . . . . . . . . . . 3. Gesetzeshistorie und zeitlicher Anwendungsbereich a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . b) Änderungen im unmittelbaren Gesellschafterbestand . . . . . . . . c) Änderungen im mittelbaren Gesellschafterbestand . . . . . . . . d) Kein Vertrauensschutz bei Verpflichtung zur Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres vor dem 1.7.2021 und dinglichem Vollzug der Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres nach dem 30.6.2021 . 4. Zweck des Abs. 2b . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu § 42 AO . . . . . . . . . 6. Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Verfassungsmäßigkeit von Abs. 2b a) Fiktion eines Grundstücksübergangs auf eine neue Kapitalgesellschaft nur aufgrund von Gesellschafterwechseln . . . . . . . . . . b) Fiktion eines Grundstücksübergangs schon bei 90%igem Gesellschafterwechsel . . . . . . . .

Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

454

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c) Verstoß gegen das Gebot folgerichtiger Besteuerung . . . . . . . . d) Sog. strukturelles Vollzugsdefizit aa) Voraussetzungen für das Vorliegen eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits . . . . . . . . . bb) Keine Belastungsgleichheit . . cc) Keine ausreichenden Vollzugsinstrumente . . . . . . . . dd) Zurechenbarkeit der zu erwartenden Vollzugsmängel . . II. Grundtatbestand des mindestens 90%igen Gesellschafterwechsels bei grundbesitzender Kapitalgesellschaft (Satz 1) 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalgesellschaft a) Begriff der „Kapitalgesellschaft“ . b) Einordnung ausländischer Gesellschaften . . . . . . . . . . . . 3. Anteile der Gesellschaft a) Wortlautidentität mit § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Anteile . . . . . . . . . . . . 4. Inländische Grundstücke . . . . . . . 5. Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Kapitalgesellschaft im Anwendungsbereich von Abs. 2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Änderung des Gesellschafterbestands a) Unmittelbare und mittelbare Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbarer Anteilsübergang . . c) Mittelbarer Anteilsübergang . . . . aa) Anwendungsbereich und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . (1) Schuldrechtliche Bindung des zivilrechtlichen Gesellschafters der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . (2) Schuldrechtliche Bindung des zivilrechtlichen Gesellschafters einer über der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zwischengeschalteten Gesellschaft . . . . . . . . . . . bb) Maßstäbe der wirtschaftlichen Anteilszurechnung . . . cc) Mittelbarer Anteilsübergang durch die Übertragung von American Depositary Receipts (ADRs, Aktienhinterlegung) . 7. Begriff des neuen Gesellschafters bzw. sog. Neugesellschafters . . . . . . a) Bestimmung von Altgesellschaftern auf unmittelbarer Beteiligungsebene . . . . . . . . . . . . .

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Erwerbsvorgänge

III.

IV.

V.

VI. VII.

b) Bestimmung von Altgesellschaftern auf mittelbarer Beteiligungsebene aa) Altgesellschaftereigenschaft von an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . bb) Altgesellschaftereigenschaft von an einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . Übergang von Anteilen an Personengesellschaften, die an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind (Multiplikation der Vomhundertsätze, Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Kapitalgesellschaft (Satz 3) . . . Unmittelbar (oder über eine Personengesellschaft) an einer Kapitalgesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft (Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrstufige Beteiligung mittelbar beteiligter Kapitalgesellschaften (Satz 5) Erwerb von Anteilen von Todes wegen (Satz 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F. Börsenklausel (Abs. 2c) I. Zweck der sog. Börsenklausel . . . . . II. Keine Bedeutung für die Fälle der Anteilsvereinigung . . . . . . . . . . . . III. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung 1. Praktische Auswirkungen . . . . . . . 2. Feststellungslast des Finanzamts . . . 3. Keine generelle Tatbestandslosigkeit im Effekten-Giroverkehr erfolgender Übergänge börsennotierter Aktien . 4. Im Zusammenhang mit Abs. 2c bestehende Rechtsrisiken . . . . . . . V. Rechtsfolge 1. Tatbestandslosigkeit des unmittelbaren Übergangs an qualifizierenden Börsen notierter Aktien . . . . . . . . 2. Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft des gem. Abs. 2c tatbestandslos Anteile Erwerbenden . . . . . . . 3. Tatbestandsmäßigkeit des mittelbaren Übergangs börsennotierter Aktien bei Gesellschafterwechseln auf Ebene an der börsennotierten AG/KGaA beteiligter Aktionäre, die ihrerseits Gesellschaften sind . . . . .

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4. Tatbestandslosigkeit durch den unmittelbaren Übergang börsennotierter Aktien ausgelöster mittelbarer Anteilsübergänge . . . . . . . . . . . 5. Beispiel zu den Rechtsfolgen von Abs. 2c . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Tatbestandsmerkmale 1. Anteile an Kapitalgesellschaften . . . 2. Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG oder äquivalenten DrittlandHandelsplatz a) Zweck der Beschränkung der sog. Börsenklausel in Abs. 2c auf MiFID-II-Handelsplätze . . . . . b) Ausreichende Streuung als Zulassungsvoraussetzung . . . . . . . . c) Im Inland, einem EU- oder EWRMitgliedsstaat betriebener organsierter Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . d) Drittland-Handelsplatz, der gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurde . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonderfall der schweizerischen Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . f) Multilaterales Handelssystem i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 . g) Herausnahme des Freiverkehrs aus dem Kreis der qualifizierenden Börsen . . . . . . . . . . . . . h) Kritik an der Beschränkung von Abs. 2c auf MiFID-II-Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . i) Erfolgen des Anteilsübergangs aufgrund eines Geschäfts am geregelten Markt oder äquivalenten Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) Nr. 600/2014 . . . . . . . . . j) Börslich abgewickelte Aktienübertragungen aufgrund öffentlicher Übernahmeangebote . . . . . . . k) Exkurs: Drittbankenvereinbarung bei öffentlichen freiwilligen Übernahmeangeboten nach WpÜG . . G. Anteilsvereinigung (Abs. 3) I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . 2. Zweck des Abs. 3 . . . . . . . . . . . 3. Ergänzungstatbestand a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Erwerbsvorgänge b) Insbesondere: Nachrangigkeit von Abs. 3 gegenüber Abs. 1 Nr. 3 bei Anwachsung . . . . . . . c) Ebene der Verwirklichung von Abs. 3 in Beteiligungsketten . . . 4. Gegenstand der Besteuerung . . . . . 5. Gesetzeshistorie a) GrEStG 1940 und 1983 . . . . . . b) Absenkung auf 95 % mit Wirkung ab 1.1.2000 . . . . . . . c) Ausdrückliche Erfassung mittelbarer Anteilsvereinigungen im Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . d) Absenkung auf 90 % mit Wirkung ab 1.7.2021 . . . . . . . 6. Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht a) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 100 % der Anteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . b) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 95 % der Anteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . c) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 90 % der Anteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . d) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 75 % der Anteile in einer Hand . . . . . . . . . . . . . e) Empfehlung für die Praxis . . . . 7. Vereinbarkeit mit EU-Recht . . . . . 8. Rechtliche Vereinigung von mindestens 90 %/95 % der Anteile a) Keine wirtschaftliche Anteilszurechnung . . . . . . . . . . . . . b) Keine Anteilsvereinigung in Anwendung von § 41 Abs. 1 AO . . c) Bewegung eines Anteils als Voraussetzung einer steuerbaren Anteilsvereinigung . . . . . . . . . 9. 90 %/95 %-Beteiligungsschwelle und eigene Anteile . . . . . . . . . . 10. Unmittelbare und/oder mittelbare Anteilsvereinigung . . . . . . . . . . 11. Wechselseitige Beteiligungen . . . . . II. Einleitungssatz 1. Tatbestandsmäßige Nachrangigkeit gegenüber Abs. 2a und Abs. 2b a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfragen . . . . . . . . . . . . 2. Zugehörigkeit eines inländischen Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft a) Inländisches Grundstück . . . . . b) Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . c) Zum Vermögen einer Gesellschaft gehörendes Grundstück . . . . . . III. Anteil der Gesellschaft 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . .

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3. Personengesellschaften, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personengesellschaften, zu deren Vermögen kein inländisches Grundstück gehört . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . . IV. Erstmalige Vereinigung von mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile durch schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 1) 1. Rechtsgeschäft i.S.v. Abs. 3 Nr. 1, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet a) Begründung eines Anteilsübertragungsanspruchs . . . . . . b) Kein Abs. 3 Nr. 1 bei Sachgründung einer Gesellschaft . . . . . . . c) Keine Verwirklichung von Abs. 3 Nr. 1 bei Sachgründung einer Gesellschaft mit Treuhänder . . . . 2. Anspruch auf Übertragung von Anteilen der Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört . . . . . . . . . . . . . . . 3. „… wenn durch die Übertragung … mindestens 90 (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95) vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers … vereinigt werden würden“ a) Anspruchsinhaber muss auch der Anteilserwerber sein . . . . . . . . b) Wegfall der Steuerbarkeit bei Grundstücksveräußerung vor dinglichem Anteilsübergang . . . . 4. Unmittelbare und/oder mittelbare Anteilsvereinigung . . . . . . . . . . . 5. Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erstmalige Vereinigung von mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 2) 1. Wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. Nr. 1 vorausgegangen ist a) Subsidiarität von Abs. 3 Nr. 2 gegenüber Abs. 3 Nr. 1 . . . . . . . . b) Beteiligungs-, nicht grundstücksbezogener Gesetzeswortlaut . . . . c) Auslegung von Abs. 3 Nr. 2 vor dem Hintergrund von Abs. 3 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb eigener Anteile . . . . . . . . . 3. Einziehung von Anteilen . . . . . . . 4. Anteilsvereinigung durch Anteilserwerb von Todes wegen und durch Schenkungen . . . . . . . . . . . . . .

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Erwerbsvorgänge

VI.

VII.

VIII. IX.

X.

XI.

5. Anteilsvereinigung durch Übergang von Anteilen im Wege übertragender oder quotenverschiebender formwechselnder Umwandlungen . . . . . 6. Keine Anteilsvereinigung durch quotenwahrenden Formwechsel . . . . . 7. Anteilsvereinigung durch Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgeschäftlicher Anspruch auf Übertragung bereits vereinigter Anteile (Nr. 3) 1. Besteuerung der Begründung des Anspruchs auf Übertragung bereits zu 90 % oder mehr vereinigter Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Anteilsvereinigung im Organkreis nach Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 . . . . . 3. Auswirkungen der Fiktion des Übergangs unmittelbar des Gesellschaftsgrundstücks auf Befreiungen und Steuerschuldnerschaft . . . . . . . . . Übertragung bereits vereinigter Anteile ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 4) 1. Subsidiarität von Nr. 4 gegenüber Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wenn kein Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 3 vorausgegangen ist . . . . . . . . . . 3. Fiktion des Übergangs des Gesellschaftsgrundstücks vom Anteilsveräußerer auf den Anteilserwerber . . . Unanwendbarkeit bei anteilsbezogenen Zwischengeschäften . . . . . . . . . Verkürzung von Beteiligungsketten 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . 2. BFH-Rechtsprechung zur Verkürzung von Beteiligungsketten . . . . . 3. Die Verwaltungsansicht zur Verkürzung von Beteiligungsketten . . . . . Mittelbare Anteilsvereinigung über Treuhänder 1. Auftragserwerb . . . . . . . . . . . . . 2. Anteilsübertragung vom Treugeber auf den Treuhänder . . . . . . . . . . Anteilsvereinigung im Organkreis 1. Anwendungsbereich und Zweck . . 2. Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Selbständigkeit des einzelnen Organkreismitglieds . . . . . . . . . . . 3. Subjekt der Grundstückszurechnung bei der Anteilsvereinigung im Organkreis a) Der Organträger, die an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Organkreismitglieder oder der Organkreis als solcher als Zurechnungssubjekt? . . . . .

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b) Vereinigung oder Übertragung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile an einen Organträger (d.h. an einem herrschenden Unternehmen i.S.v. Abs. 3 Nr. 1 letzte Varianten in der Rechtsform einer Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . c) Abschwächung der Beteiligung von mindestens 90 % auf Beteiligungen unter 90 % an eingegliederten Gesellschaften . . . 4. Keine GrESt bei Anteilserwerb und erst nachfolgender Begründung eines Organschaftsverhältnisses . . . . 5. Keine GrESt durch die Begründung eines Organschaftsverhältnisses unter Beibehaltung der bestehenden Anteilsverhältnisse . . . . . . . . . . 6. Keine GrESt bei Erfüllung der Eingliederungsvoraussetzungen nach Anteilserwerb . . . . . . . . . . . . . 7. Verhältnis zwischen der Anteilsvereinigung im Organkreis und der mittelbaren Anteilsvereinigung aufgrund mindestens 90%iger Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Das einzelne Organkreismitglied und (nach Verwaltungsansicht) der Organkreis als separate Zuordnungssubjekte . . . . . . . . . . . . . 9. Umfang des Organkreises . . . . . . 10. Bloße Verstärkung von Beteiligungen an Grundstücks-Gesellschaften im Organkreis oberhalb von 90 % (bzw. 95 %) . . . . . . . . . . . . . . XII. Abs. 3 und Anwendbarkeit von §§ 5, 6 GrEStG 1. Vereinigung aller Anteile einer Grundstücks-KG in einer Hand und Nichterhebung der Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG . . . . 2. Nachversteuerung nach § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG führende Anteilserwerbe . . XIII. Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 . . . . . . . . . . . 3. Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 . . . . . . . . . . .

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H. Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung von mind. 90 % bzw. bis 30.6.2021 und gem. § 23 Abs. 22 GrEStG subsidiär ab 1.7.2021 95 % (Abs. 3a) I. Überblick

Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

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§ 1 Erwerbsvorgänge

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

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1. Erweiterung der Anteilsvereinigung gegenüber Abs. 3 . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzeshistorie . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenhang mit Abs. 3 . . . . . . Grundtatbestand (Satz 1) 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiarität gegenüber Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 . . . . . . . . . . 3. Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . 4. Sog. wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 (bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95) vom Hundert an einer Gesellschaft . . . . . . . . . 5. Innehaben . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsvorgang . . . . . . . . . . . . . 7. Geltung als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 a) Verhältnis von Abs. 3a zu Abs. 3 . b) Rechtsgrund-, keine Rechtsfolgenverweisung . . . . . . . . . 8. Unmittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung . . . . . 9. Mittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung . . . . . . . 10. Teils unmittelbares, teils mittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 11. Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 12. Zugehörigkeit eines inländischen Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 13. Keine Grunderwerbsteuer bei Verkürzung der Beteiligungskette . . . . Sog. wirtschaftliche Beteiligung (Satz 2) 1. Legaldefinition der sog. wirtschaftlichen Beteiligung . . . . . . . . . . . . 2. Schuldrechtlicher Absprachen zwischen mehreren Gesellschaftern der Grundstücksgesellschaft im Rahmen von Abs. 3, Abs. 3a . . . . . . . . . . . Quantifizierung mittelbarer Beteiligungen (Satz 3) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wechselseitige Beteiligungen . . . . . Rechtsfolge des erstmaligen Innehabens einer sog. wirtschaftlichen Beteiligung i.H.v. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) . . . . . . . . . . Nachversteuerung nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG führende Anteilserwerbe . . . . . . . . . Keine Relevanz von Treuhandgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Unanwendbarkeit bei anteilsbezogenen Zwischengeschäften 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispielfall in Anlehnung an den Sachverhalt von BFH II R 26/14 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . b) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis Anteilsverkäufer/MG . . . . . . . . . . . c) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis MG/TG . . d) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis Anteilsverkäufer/TG . . . . . . . . . . .

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J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991 II. Bergrechtliche Gewerkschaften (Nr. 1 a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 993 III. Abhängige natürliche Personen (Nr. 1 n.F.) 994 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingliederung einer einzelnen abhängigen Person . . . . . . . . . . . 995 3. Eingliederung zusammengeschlossener natürlicher Personen . . . . . . . 997 IV. Abhängige juristische Personen (Nr. 2) 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 998 2. Juristische Personen . . . . . . . . . . 999 3. Keine Abhängigkeit i.S.v. Abs. 4 Nr. 2 von Personengesellschaften . . . . . . 1000 4. Eingliederung juristischer Personen in ein Unternehmen a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 1005 b) Voraussetzungen für die Einordnung als herrschendes Unternehmen (Organträger) aa) Unternehmereigenschaft . . . 1006 bb) Keine Mehrmütter-Organschaft . . . . . . . . . . . . . . 1008 cc) Abhängige Unternehmen . . . 1009 dd) Abhängige Person . . . . . . . 1010 ee) Keine Organschaft bei Gleichordnungskonzern i.S.v. § 18 Abs. 2 AktG . . . . 1010.1 c) Eingliederungsvoraussetzungen aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . 1011 bb) Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . 1012 cc) Finanzielle Eingliederung . . . 1013 dd) Wirtschaftliche Eingliederung . . . . . . . . . . . . . 1014 ee) Organisatorische Eingliederung . . . . . . . . . . . . . 1015 K. Tausch (Abs. 5) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tauschvertrag in Bezug auf inländische Grundstücke . . . . . . . . . . . .

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Erwerbsvorgänge III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis von § 1 Abs. 5 zu § 7 Abs. 1 GrEStG . . . . . . . . . . . . V. Auflösung bestehender Wohneinheiten, Angleichung der Miteigentumsanteile und flächenmäßige Neuaufteilung in eine neu entstehende WEG . . L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6) I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . 2. Gesetzeshistorie . . . . . . . . . . . . II. Aufeinanderfolge mehrerer Rechtsvorgänge (Satz 1) 1. Zeitliche Aufeinanderfolge der unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallenden Erwerbe a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel: Erst Vereinigung der Anteile an Grundstücks-KG, dann Anwachsung . . . . . . . . . . . . c) Keine Anteilsvereinigung nach Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gesellschaftsgrundstück . . .

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d) Keine Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigungen nach Abs. 3 und Abs. 3a . . . . . . . . . . . . . 2. Von Abs. 6 Satz 1 nicht erfasste Fallkonstellationen a) Verwirklichung mehrerer im selben Absatz geregelter Tatbestände b) Nichterfassung nach Abs. 2a und nach Abs. 2b steuerbarer Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . III. Steuer vom Unterschiedsbetrag (Satz 2) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfordernis der Identität des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erfordernis der Identität des Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenzeitliche Bemessungsgrundlagen-Erhöhungen . . . . . . . IV. Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden und Übernahme des Gebäudes durch den Sicherungsnehmer im Sicherungsfall . . . . . . . .

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Literatur: Armbrüster, Wirksamwerden beurkundungsbedürftiger Willenserklärungen gegenüber Abwesenden, NJW 1996, 438; Behrens, Vorkaufsrechte im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2019, 1047; Behrens/Seemaier, Treuhandverhältnisse in Bezug auf Grundstücke und Gesellschaftsanteile bei der Grunderwerbsteuer, BB 2018, 1111; Bruschke, Die Behandlung von Erbbaurechten bei der Grunderwerbsteuer, ErbStB 2021, 191; Bruski, Der einheitliche Ländererlass über Grundstücksgeschäfte mit Domizilgesellschaften, IStR 1994, 473; Giesen, Grundsätze der Konfliktlösung bei fehlerhaften Rechtsgeschäften, JURA 1989, 57; Fleischer, Ein Rundgang durch den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, DStR 2021, 430; Hübner, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt im Grunderwerbsteuerrecht, BB 1994, 2044; Jenner, Wann entsteht die Grunderwerbsteuer bei nichtigen Kaufverträgen?, DStR 1986, 634; Klass, Grunderwerbsteuer bei aufschiebend bedingten Kaufverträgen – Zur Sperrwirkung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, DStR 2005, 1717; Kliebisch, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft – Das Verbraucherschutzrecht gilt nicht absolut, JuS 2010, 958; Köhler, Einschränkung der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, JuS 2010, 665; Köhler, Grundstücksschenkung an Minderjährige – ein „lediglich rechtlicher Vorteil“?, JZ 1983, 225; Kottke, Strategien des Steuerzahlers zur Verhinderung der unberechtigten Anwendung des Mißbrauchsparagraphen, DB 1995, 1836; Kottke, Das unechte Tatbestandsmerkmal des ungewöhnlichen Weges in § 42 der Abgabenordnung, BB 1983, 1146; Lipp, Das Verbot des Selbstkontrahierens im Minderjährigenrecht, JURA 2015, 477; Lorenz/Mehren, Das neue Stiftungsrecht ist da – Kernpunkte der gesetzlichen Neuregelungen und deren Bedeutung für bestehende und noch zu errichtende Stiftungen, DStR 2021, 1774; Martini, Die steuerliche Einordnung von Scheinauslandsgesellschaften, IStR 2021, 37; Mayer/Manz, Der Brexit und seine Folgen auf den Rechtsverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich seit dem 1.1.2021, BB 2021, 451; Petersen, Der Tatbestand der Willenserklärung, JURA 2006, 178; Philipowski, Doppelte Grunderwerbsteuer? Ersteigerung von Grundstücken durch die Verwertungsgesellschaft eines Kreditinstituts, DStR 2008, 1413; Potsch, Grundstücks-GbR und Grunderwerbsteuer, NZG 2012, 176; Schmidt, Ein neues Zuhause für das Recht der Personengesellschaften, ZHR 2021, 16; Schmidt, Beseitigung der schwebenden Unwirksamkeit durch Verweigerung einer Genehmigung, AcP 1989, 1; Schmidt, Fehlerhafte Gesellschaft und allgemeines Verbandsrecht, AcP 1986, 421; Schreiber, Die Nichtigkeit von Verträgen, JURA 2007, 25; Singer, Geltungsgrund und Rechtsfolgen der fehlerhaften Willenserklärungen, JZ 1989, 1030; Sterzinger, Zulässigkeit von Hausverlosungen im Internet und steuerliche Konsequenzen, NJW 2009, 3690; Voigt de Oliveira/Becker, Können Vereine stiften gehen?, DStR 2013, 2554; Wachter, Briefkastengesellschaften und Grunderwerbsteuer, NotBZ 2019, 205; Wachter, Stiftungsgründung und Grunderwerbsteuer, DStR 2012, 1900; Zimmermann, Sittenwidrigkeit und Abstraktion, JR 1985, 48.

Drees/Nienhaus/Böing/Behrens

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§ 1 Rz. 1 Erwerbsvorgänge

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 1 GrEStG beinhaltet die grunderwerbsteuerlichen Tatbestände. Die als Erwerbsvorgänge bezeichneten Tatbestände zielen auf den Grundstückswechsel zwischen zwei Rechtsträgern ab (s. Rz. 9 ff.). Es kann sich hierbei sowohl um zivilrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Vorgänge handeln1. So führt z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG u.a. den Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB an, wohingegen § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG auf das Meistgebot des ZVG abstellt. Im Umkehrschluss kann ohne einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG keine Grunderwerbsteuer ausgelöst werden2. Da das GrEStG sich auf den reinen Rechtsverkehr bezieht, ist unbeachtlich, ob damit auch ein wirtschaftlicher Umsatz einhergeht3. Grunderwerbsteuerlich wird der Rechtsträgerwechsel an jedem Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG besteuert4. Damit handelt es sich bei jedem betroffenen Grundstück um einen eigenen Grunderwerbsteuerfall, der je für sich zu besteuern ist und dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale je für sich zu beurteilen sind5. Somit ist die grunderwerbsteuerliche Systematik auf jedes einzelne Grundstück anzuwenden, das durch einen Rechtsvorgang den Rechtsträger (vgl. Rz. 9 ff.) wechselt. Nur auf dieser Grundlage sind z.B. die § 1 Abs. 6 Satz 1 und § 16 GrEStG anwendbar. Eine Zusammenfassung im Sinne eines einheitlichen Erwerbs bzw. einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise verbietet sich6.

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Entscheidend für die Besteuerung der Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG ist der tatsächlich gewählte Weg7. Unerheblich ist daher, ob durch eine andere mögliche Gestaltung Grunderwerbsteuer angefallen wäre oder nicht. Hypothetische Verläufe haben im Rahmen der Grunderwerbsteuer keinen Raum8. Darüber hinaus ist es für das GrEStG als Rechtsverkehrsteuer ohne Bedeutung, ob ein vorausgehender Rechtsvorgang bereits Grunderwerbsteuer ausgelöst hat. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber Zwischenerwerbe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG ausdrücklich unter den Erwerbsvorgängen aufgeführt hat. Gleichzeitig erfordert die Definition des Erwerbsvorgangs, dass es sich um tatsächliche Rechtsvorgänge handeln muss. Da Erwerbsvorgänge zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen, handelt es sich bei der Grunderwerbsteuer um eine Stichtagssteuer. Somit sind die Verhältnisse zu diesem Stichtag entscheidend (vgl. § 8 Rz. 33, § 9 Rz. 22 ff. und § 14 Rz. 10).

II. Bedeutung und Telos 3

Obwohl das GrEStG seinen ersten Paragraphen mit „Erwerbsvorgänge“ betitelt, ist der Besteuerungsgrund der Erwerb eines inländischen Grundstücks, somit der durch zivilrechtliche Gestaltung objektiv bewirkte Erfolg9. Diese Sichtweise findet sich in der Ausgestaltung des § 14 GrEStG wieder, der

1 BFH v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796. 2 BFH v. 13.2.1968 – II R 134/66, BFHE 91, 447. 3 BFH v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526; v. 21.1.2004 – II R 1/02, BFH/NV 2004, 1120; v. 10.7.2002 – II R 87/00, BFH/NV 2002, 1494; v. 5.2.1969 – II R 29/66, BStBl. II 1969, 400. 4 BVerfG v. 13.6.1983 – 1 BvR 801/82, HFR 1983, 532. 5 BFH v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292; v. 29.10.1986 – II R 59/85, BStBl. II 1987, 133; v. 28.4.1970 – II R 119/65, BStBl. II 1970, 670 = BFHE 99, 402. 6 BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932 (Vorlagebeschluss an das BVerfG, entschieden durch Beschl. v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, NJW 2015, 3221). 7 BFH v. 10.2.1988 – II R 145/85, BStBl. II 1988, 547. 8 FG Münster v. 28.5.2008 – 8 K 1597/06 GrE, EFG 2008, 1998; FG Hess. v. 28.10.1999 – 5 K 3537/96, JurionRS 1999, 20010; BFH v. 30.8.1978 – II R 28/73, BStBl. II 1979, 81. 9 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 5 § 1

die Entstehung der Grunderwerbsteuer von einem wirksamen Rechtsgeschäft abhängig macht (vgl. § 14 Rz. 2). Die Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 GrEStG sind vom Erwerb zu unterscheiden. Beim Erwerb handelt es sich um den auf der Erwerberseite eintretenden Erfolg des Rechtsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG1. Während in Fällen, in denen Tatbestände auf das Erfüllungsgeschäft abstellen, wie § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG sowie in entsprechenden Fällen des Abs. 3a GrEStG, Erwerbsvorgang und Erwerb zusammenfallen, ist dies beim § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG sowie in den entsprechenden Fällen des Abs. 3a GrEStG nicht der Fall. In den letztgenannten Fällen ist der Erfolg des Rechtsgeschäftes noch nicht eingetreten. Das GrEStG besteuert bereits das vorausgehende Verpflichtungsgeschäft (s. Rz. 33). Konsequenz des Rechtsträgerwechsels ist das zwingende Bestehen eines Rechtsträgers, dessen Recht am Grundstück übertragen wird. Dieser sog. derivative Erwerb ist vom originären Erwerb eines Grundstücks zu unterscheiden. Lediglich der derivative, also der abgeleitete Grundstückserwerb eines inländischen Grundstücks, fällt unter das GrEStG. Beispiele für einen originären Erwerb sind die Erwerbe herrenloser Grundstücke oder die Buchersitzung. Sowohl die Aneignung eines herrenlosen Grundstücks durch den aneignungsberechtigten Fiskus, § 928 Abs. 2 BGB, als auch die Aneignung nach Verzicht des Fiskus unterliegen daher nicht der Grunderwerbsteuer. Ebenso handelt es sich bei der Buchersitzung nach § 900 Abs. 1 BGB um einen originären Erwerb. Hier existiert zwar noch ein Eigentümer. Aufgrund der Verjährung seines Anspruchs auf Herausgabe nach § 985 BGB kann er ihn jedoch gegenüber dem Bucheigentümer nicht mehr geltend machen. Mit dem Ersitzungserwerb tritt im Interesse der Rechtssicherheit eine endgültige Regelung ein, indem der Bucheigentümer originär das Eigentum erwirbt2.

4

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Grundlegend für das Grunderwerbsteuerrecht ist das Zivilrecht, dem viele Tatbestandsmerkmale ent- 5 nommen sind3. Das GrEStG stellt auf Vorgänge des Rechtsverkehrs ab, so dass man das GrEStG nicht unabhängig vom Zivilrecht sehen kann. Nichtsdestotrotz stellen Zivil- und Steuerrecht nach Auffassung des BVerfG nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete dar4. Infolge des Abstellens auf den Rechtsverkehr sind wirtschaftliche Aspekte im Grunderwerbsteuerrecht unbeachtlich5. Das gilt letztendlich auch für die Zurechnungsvorschrift des § 39 AO6. Dies wird auch durch die neuere Rechtsprechung des BFH bestätigt, obwohl man in den Urteilen eine Tendenz erkennen kann, zumindest den Inhalt des § 39 AO für die Grunderwerbsteuer nutzbar zu machen7. Letztendlich greift der BFH jedoch auf die dem GrEStG innewohnenden Grundsätze zurück. Diese Sichtweise ist nicht nur entscheidend für die Auslegung des § 1 GrEStG, sondern auch für die Begrifflichkeiten der Verwirklichung i.S.d. § 23 GrEStG sowie des § 14 GrEStG8.

1 BFH v. 17.9.1986 – II R 136/84, BStBl. 1987, 35; v. 5.3.1968 – II 165/64, BStBl. II 1968, 416; v. 21.12.1961 – II 146/61 U, BStBl. III 1962, 162. 2 BGH v. 22.1.2016 – V ZR 27/14, BGHZ 208, 306. 3 BFH v. 21.3.1968 – II 35/64, BFHE 92, 245. 4 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270. 5 BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. 2005, 146; v. 8.8.2000 – II B 134/99, BFH/NV 2001, 66; v. 3.4.1974 – II 186/65, BStBl. II 1974, 643. 6 BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148; v. 12.4.1978 – II R 149/73, BStBl. II 1978, 422; v. 23.10.1974 – II R 87/73, BStBl. II 1975, 152. 7 BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, DStR 2016, 242; v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 8 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 8 ff.; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 7 f.

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§ 1 Rz. 5 Erwerbsvorgänge Im Umsatzsteuerrecht sind Vorgänge, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, steuerfrei, § 4 Nr. 9 UStG.

IV. Rechtsentwicklung 6

Seit dem GrEStG vom 29.3.19401 stellt der Gesetzgeber hinsichtlich des steuerauslösenden Tatbestands auf den Erwerbsvorgang eines inländischen Grundstücks ab. Davor hing die Steuerentstehung maßgeblich vom Erwerb selbst ab. Die Tatbestände des Abs. 1, 2 und 3 GrEStG haben sich seit dem GrEStG 1940 nicht wesentlich verändert.

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1) I. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen 7

Für die Entstehung der Grunderwerbsteuer ist die Erfüllung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestands ausschlaggebend. Nach § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Damit führt in der Regel die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG zur Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestands. In Fällen des § 14 GrEStG ist der grunderwerbsteuerliche Tatbestand jedoch nach § 38 AO erst bei Eintritt der Bedingung oder Genehmigung erfüllt2. Denn unter Tatbestand versteht § 38 AO die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen eintreten. Damit entstehen die Ansprüche kraft Gesetzes in dem Augenblick, in dem alle Tatbestandsmerkmale für die Entstehung verwirklicht sind3. Entscheidend für den Steuersatz ist die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 23 GrEStG (vgl. § 23 Rz. 8). Hierunter wird nach ständiger Rechtsprechung verstanden, dass das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht4. Daher ist zwingend zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs, der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs sowie der Entstehung der Grunderwerbsteuer zu unterscheiden. Diese Differenzierungen sind außerdem für die Begünstigungen in den §§ 5 bis 7 GrEStG entscheidend sowie bei der Frage des Bewertungsstichtags für die Gegenleistung gem. § 8 GrEStG (vgl. § 5 Rz. 64; § 6 Rz. 20 f.; § 6a Rz. 49; § 7 Rz. 17; § 8 Rz. 33).

II. Inländische Grundstücke 8

Als Rechtsverkehrsteuer für Grundstücke bezieht sich das GrEStG nur auf inländische Grundstücke (§ 1 Abs. 1 GrEStG). Das GrEStG erfasst, erweitert und beschränkt den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff im § 2 GrEStG. Für die Erläuterungen zum Grundstück im Sinne des GrEStG wird daher im Einzelnen auf die Kommentierung zu § 2 GrEStG verwiesen.

1 2 3 4

RGBl. I 1940, 585. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rz. 3. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; v. 20.12.1989 – II R 31/88, BStBl. II 1990, 234; v. 17.9.1986 – II R 136/84, BStBl. II 1987, 35.

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§ 1 Rz. 5 Erwerbsvorgänge Im Umsatzsteuerrecht sind Vorgänge, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, steuerfrei, § 4 Nr. 9 UStG.

IV. Rechtsentwicklung 6

Seit dem GrEStG vom 29.3.19401 stellt der Gesetzgeber hinsichtlich des steuerauslösenden Tatbestands auf den Erwerbsvorgang eines inländischen Grundstücks ab. Davor hing die Steuerentstehung maßgeblich vom Erwerb selbst ab. Die Tatbestände des Abs. 1, 2 und 3 GrEStG haben sich seit dem GrEStG 1940 nicht wesentlich verändert.

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1) I. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen 7

Für die Entstehung der Grunderwerbsteuer ist die Erfüllung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestands ausschlaggebend. Nach § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Damit führt in der Regel die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG zur Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestands. In Fällen des § 14 GrEStG ist der grunderwerbsteuerliche Tatbestand jedoch nach § 38 AO erst bei Eintritt der Bedingung oder Genehmigung erfüllt2. Denn unter Tatbestand versteht § 38 AO die Gesamtheit der in den materiellen Rechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkretem Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen eintreten. Damit entstehen die Ansprüche kraft Gesetzes in dem Augenblick, in dem alle Tatbestandsmerkmale für die Entstehung verwirklicht sind3. Entscheidend für den Steuersatz ist die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 23 GrEStG (vgl. § 23 Rz. 8). Hierunter wird nach ständiger Rechtsprechung verstanden, dass das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht4. Daher ist zwingend zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs, der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs sowie der Entstehung der Grunderwerbsteuer zu unterscheiden. Diese Differenzierungen sind außerdem für die Begünstigungen in den §§ 5 bis 7 GrEStG entscheidend sowie bei der Frage des Bewertungsstichtags für die Gegenleistung gem. § 8 GrEStG (vgl. § 5 Rz. 64; § 6 Rz. 20 f.; § 6a Rz. 49; § 7 Rz. 17; § 8 Rz. 33).

II. Inländische Grundstücke 8

Als Rechtsverkehrsteuer für Grundstücke bezieht sich das GrEStG nur auf inländische Grundstücke (§ 1 Abs. 1 GrEStG). Das GrEStG erfasst, erweitert und beschränkt den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff im § 2 GrEStG. Für die Erläuterungen zum Grundstück im Sinne des GrEStG wird daher im Einzelnen auf die Kommentierung zu § 2 GrEStG verwiesen.

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RGBl. I 1940, 585. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rz. 3. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; v. 20.12.1989 – II R 31/88, BStBl. II 1990, 234; v. 17.9.1986 – II R 136/84, BStBl. II 1987, 35.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 10 § 1

Da neben den Grundstücken im Sinne des bürgerlichen Rechts auch Erbbaurechte, Gebäude auf fremden Boden1, Wohnungs- und Teileigentum gezählt werden, hat dies z.B. hinsichtlich der Formvorschriften für das Rechtsgeschäft Bedeutung (vgl. Rz. 47).

III. Rechtsträger im GrEStG 1. Allgemeines Nur sofern Rechtsvorgänge sich auf inländische Grundstücke beziehen, können sie Erwerbsvorgänge 9 i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG auslösen. An einem solchen Rechtsvorgang sind zwingend mindestens zwei Rechtsträger beteiligt, so dass ohne die Existenz von Rechtsträgern das Tatbestandsmerkmal des Rechtsvorgangs nicht erfüllt werden kann (vgl. Rz. 1). Rechtsträger im zivilrechtlichen Sinne sind auch Rechtsträger im grunderwerbsteuerlichen. Daher gehören die natürlichen Personen sowie die juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts zu den grunderwerbsteuerlichen Rechtsträgern. Die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen beginnt erst mit der Geburt, § 1 BGB. Somit ist es nicht möglich, dass der Nasciturus, die Leibesfrucht, schon Rechtsträger bei einem Grundstückserwerb sein kann2. Auf der anderen Seite endet die Rechtsfähigkeit mit dem Tod oder der Todeserklärung nach § 9 VerschG der natürlichen Person. Zu den nationalen juristischen Personen des Privatrechts sind die AG, die GmbH, die UG, der eingetragene Verein, die KGaA, die Genossenschaft, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sowie die Stiftungen des Privatrechts zu zählen. Dem gegenüber stehen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, zu denen die Körperschaften, die Anstalten und die Stiftungen des öffentlichen Rechts gehören. Grunderwerbsteuerlich wird die Rechtsträgereigenschaft darüber hinaus erweitert. Somit gehören Gesamthandsgemeinschaften in weiten Teilen grunderwerbsteuerlich ebenfalls zu den Rechtsträgern. Hier ist jedoch zu differenzieren (vgl. Rz. 11 ff.). Problematisch sind noch nicht existente Rechtsträger. Sie selbst können noch nicht Träger von Rechten und Pflichten sein, so dass sie auch noch nicht Teil eines Rechtsvorgangs sein können. Aber es ist zivilrechtlich möglich, einen noch nicht existenten Rechtsträger zu vertreten3. Dabei kann es sich sowohl um eine noch nicht geborene natürliche Person handeln als auch um eine noch nicht existente juristische Person. Der Vertreter handelt konsequenterweise ohne Vertretungsmacht, so dass der im Namen der noch nicht existierenden Person abgeschlossene Vertrag bis zur Genehmigung gem. § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam ist. In diesen Konstellationen kann im Einzelfall der Vertreter jedoch selbst die Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG erlangen oder ein steuerbares Zwischengeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG vollziehen (vgl. Rz. 156). 2. Bruchteilseigentümer Nach den zivilrechtlichen Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft in den § 741 f. BGB kann der Bruchteilseigentümer über seinen Anteil an einem Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG frei verfügen. Es handelt sich um einen ideellen Anteil, aber es ist in seinem Umfang beschränktes Volleigentum, das zivilrechtlich auch als solches behandelt wird. Daher ist der Bruchteilseigentümer Rechtsträger im Sinne des GrEStG4.

1 BFH v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305; FG Nds. v. 2.3.1999 – VII (III) 101/97, JurionRS 1999, 19477. 2 BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292. 3 BFH v. 22.1.2003 – II R 76/01, BFH/NV 2003, 1137; BGH v. 14.3.1973 – VIII ZR 114/72, NJW 1973, 798. 4 BFH v. 23.6.1976 – II R 139/71, BStBl. II 1976, 693.

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§ 1 Rz. 11 Erwerbsvorgänge 3. Gesamthandsgemeinschaften a) Allgemeines 11

Grunderwerbsteuerlich werden diverse Gesamthandsgemeinschaften als Rechtsträger angesehen. Grundsätzlich existieren lediglich die gesetzlich zugelassenen Gesamthandsgemeinschaften. Eine Ausnahme bildet lediglich die güterrechtliche Vereinbarung in einem Ehevertrag, wenn ein Ehegatte einem anderen Staat angehört oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 15 Abs. 2 EGBGB). Das GrEStG geht von einer möglichen Rechtsträgerschaft von Gesamthandsgemeinschaften aus, da ansonsten die Begünstigungsvorschriften der §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG leerlaufen würden. Zu den Gesamthandsgemeinschaften gehören: – Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 705 ff. BGB, – die offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB, – die Kommanditgesellschaft, §§ 161 ff. HGB, – die Partnerschaftsgesellschaft, §§ 1, 7 PartG, – die Erbengemeinschaft, §§ 2032 ff. BGB, – der nichtrechtsfähige Verein, § 54 BGB (bis zum 31.12.2023), – der Verein ohne Rechtspersönlichkeit, § 54 BGB (ab dem 1.1.2024)1, – die Gütergemeinschaft bzgl. des Gesamtgutes, §§ 1415 ff. BGB, – die fortgesetzte Gütergemeinschaft bzgl. des Gesamtgutes, §§ 1483 ff. BGB, – die Partenreederei, § 489 HGB, – die EWIV (Rz. 26 f.).

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Keine Gesamthandsgemeinschaften sind: – Die Zugewinngemeinschaft, § 1363 Abs. 2 BGB, – die (atypisch/typisch) stille Gesellschaft, – die Unterbeteiligung an einer Gesellschaftsbeteiligung. Die stille Gesellschaft ist allein schon infolge ihrer Legaldefinition in § 335 HGB kein Gesamthandsvermögen. Sie ist kein dinglich gebundenes Sondervermögen, sondern stellt lediglich ein Rechtsverhältnis obligatorischen Inhalts dar2. Dass ertragsteuerlich noch eine Unterscheidung in eine typische und eine atypische stille Gesellschaft getroffen wird und der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gesehen wird, ist grunderwerbsteuerlich irrelevant. Das GrEStG knüpft hier an die zivilrechtliche Rechtslage an. Entsprechend wird auch die Unterbeteiligung an einer Gesellschaftsbeteiligung behandelt. Auch bei ihr handelt es sich lediglich um ein obligatorisches Rechtsverhältnis. b) Die Personengesellschaften

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Die nationalen Personengesellschaften, die oHG, die KG, die GbR und die Partnerschaftsgesellschaft (Rz. 14), sind selbstständige Rechtsträger im Sinne des GrEStG. Personengesellschaften sind in der Folge auch Steuerschuldner3. Für die GbR war die Rechtsträgereigenschaft zivilrechtlich lange Zeit nicht geklärt. Ausgehend von der traditionellen Gesamthandslehre hatte sich im letzten Drittel des 20. Jahrhundert herauskristallisiert, dass das durch die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit entstandene Sondervermögen nicht nur Zuordnungsobjekt und Inhaber der zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände ist, sondern ein von den Gesellschaftern abzugrenzendes Zuordnungsobjekt von Rechten und Verbindlichkeiten. Danach war die GbR als solche (teil-)rechtsfähig und unabhängig von einem 1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 (3437). 2 BFH v. 2.8.1979 – V R 111/77, BStBl. II 1980, 20. 3 BFH v. 22.10.1986 – II R 118/84, BStBl. II 1987, 183.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 14 § 1

Wechsel der Gesellschafter1. Der BGH erkannte dann 2001 die Außengesellschaft der GbR als rechtsfähig an2. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts3 kommt es zu einer gesetzlichen Klarstellung4. Es wird bei den Personengesellschaften mit Wirkung zum 1.1.2024 nur noch zwischen der rechtsfähigen Außengesellschaft und der nicht rechtsfähigen Innengesellschaft unterschieden, § 705 BGB i.d.F. ab 1.1.20245. Ging man bisher von einem gesamthänderisch gebundenen Vermögen aus, ist es mit Wirkung zum 1.1.2024 das Vermögen der Gesamthand, § 713 BGB i.d.F. ab 1.1.20246. Am Rechtsverkehr und insb. an Rechtsgeschäften mit Grundstücken nimmt somit eine rechtsfähige Außengesellschaft teil7. Ab dem 1.1.2024 bedarf eine GbR für die Eintragung ins Grundbuch einer Eintragung in ein noch zu schaffendes GbR-Register. Es besteht zwar grundsätzlich ein Eintragungswahlrecht, § 707 BGB i.d.F. ab 1.1.2024. Grundbuchrechtliche Eintragungen sind für eine GbR jedoch nur mit Registereintragung möglich, § 47 Abs. 2 GBO i.d.F. ab 1.1.2024, so dass die Registereintragung verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Eintragung von Rechten ins Grundbuch ist. An der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ändert dies jedoch nichts8. In der Regel ist auch die fehlerhafte Gesellschaft Rechtsträger. Ihr ist eigen, dass der Gesellschaftsvertrag einen Fehler aufweist, der die Anfechtbarkeit, wenn nicht gar die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge haben kann9. Aufgrund der Gläubigerschutzes und des Schutzes des Rechtsverkehrs ist zivilrechtlich eine fehlerhafte Gesellschaft nicht von Beginn an als nicht bestehend anzusehen, sondern nur für die Zukunft. Alle Rechtsgeschäfte sind bis zur Geltendmachung des Fehlers voll wirksam. Ausnahmen bestehen lediglich bei gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder die Interessen bestimmter besonders schutzwürdiger Personen stehen dem entgegen10. Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind für die grunderwerbsteuerliche Rechtsträgereigenschaft zu übernehmen, da sie im Rechtsverkehr bis zu ihrer Auflösung wie eine Personengesellschaft angesehen wird. Demnach kann auch ein fehlerhafter Beitritt zu einer Personengesellschaft den § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen11. c) Die Partnerschaftsgesellschaft Die Partnerschaftsgesellschaft wurde mit dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz vom 25.7.1994 ermöglicht und richtet sich an Angehörige freier Berufe, die sich zusammenschließen wollen (vgl. § 1 PartGG). Gesellschaftsrechtlich ist sie, soweit das PartGG nichts anderes vorgibt, nach den Vorschriften für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts, § 1 Abs. 4 PartGG, ausgestaltet. Somit ist sie entsprechend zu den vorgenannten Personengesellschaften ein Rechtsträger im grunderwerbsteuerlichen Sinne.

1 Schäfer in MüKo8, Vor § 705 BGB Rz. 10 f. 2 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 311/00, BGHZ 146, 341. 3 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 4 Schmidt, ZHR 2021, 16 (20). 5 Schmidt, ZHR 2021, 16 (21). 6 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 (3440). 7 Fleischer, DStR 2021, 430 (435). 8 Fleischer, DStR 2021, 430 (434). 9 Grunewald, Gesellschaftsrecht11, § 1 Rz. 169 ff. 10 BGH v. 16.12.2002 – II ZR 109/01, BGHZ 153, 214; Kliebisch, JuS 2010, 958 (959); EuGH v. 15.4.2010 – Rs. C-215/08 Rz. 49, Slg. 2010, I-2947. 11 BFH v. 20.10.2004 – II R 54/02, BStBl. II 2005, 299.

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§ 1 Rz. 14 Erwerbsvorgänge Daran wird auch das am 1.1.2024 in Kraft tretende MoPeG1 nichts ändern. Vielmehr wird darin das Recht der Handels-Personengesellschaft für die Angehörigen der freien Berufe eröffnet, § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB i.d.F. ab 1.1.2024. d) Die Erbengemeinschaft 15

Die Erbengemeinschaft ist ein Sonderfall innerhalb der Gesamthandsgemeinschaften. Begründet durch den Todesfall des Erblassers entsteht sie gesetzlich, ohne Zutun der Beteiligten. Gesamthänderisch gebundenes Vermögen fällt bei den Miterben an (§ 2032 Abs. 1 BGB). Aufgrund der erzwungenen Entstehung der Ebengemeinschaft besteht für den Miterben nach § 2033 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, seinen Miterbenanteil zu übertragen. Gehört zum Erbe ein Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG, wird daraus gefolgert, dass mit der Übertragung eines Anteils der Erbengemeinschaft ein Anteil am Grundstück übertragen wird2. In der Erbengemeinschaft sind somit sowohl die Erbengemeinschaft als auch die Miterben bzw. Erbteilskäufer Rechtsträger im grunderwerbsteuerlichen Sinne. Diese differenzierte Betrachtungsweise ist gerechtfertigt, da die Erbengemeinschaft im Gegensatz zu den anderen Gesamthandsgemeinschaften auf Auseinandersetzung ausgerichtet ist, §§ 2032 Abs. 2, 2042 BGB. Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist die Erbengemeinschaft weder rechts- noch parteifähig3. Grunderwerbsteuerlich ist sie jedoch als Rechtsträger anerkannt4. Mit Inkrafttreten des MoPeG5 zum 1.1.2024 wird sich daran nichts ändern. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird die Besonderheit der Erbengemeinschaft als spezifische erbrechtliche Regelung eines gebundenen Gesamthandsvermögens hervorgehoben6. Bei der Übertragung eines Grundstücks von einer Erbengemeinschaft auf eine Bruchteilsgemeinschaft bedarf es der Mitwirkung sämtlicher Miterben, die sich über die dingliche Auseinandersetzung und die Umwandlung in Bruchteilseigentum einig sind. Ein gesetzlicher Anspruch auf Umwandlung nach Bruchteilen im Falle einer Auseinandersetzung steht ihnen nicht zu7. e) Der nichtrechtsfähige Verein, § 54 BGB (bis zum 31.12.2023)

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Anders als beim rechtsfähigen Verein handelt es sich beim nichtrechtsfähigen Verein um eine Gesamthandsgemeinschaft. Nach § 54 Satz 1 BGB findet auf den nichtrechtsfähigen Verein das Recht für die Gesellschaft nach §§ 705 ff. BGB Anwendung. Lediglich die Eintragung unterscheidet den nichtrechtsfähigen Verein vom rechtsfähigen Verein. Da eine rechtliche Konkretisierung des nichtrechtsfähigen Vereins fehlt, ist die Abgrenzung zur GbR schwierig und fließend. Im Gegensatz zum Ertragsteuerrecht ist die Abgrenzung für die Grunderwerbsteuer jedoch unerheblich8. Trotz der gewählten Nichtrechtsfähigkeit ist der nichtrechtsfähige Verein im Sinne des GrEStG rechtsfähig. Problematisch gestaltet sich aber die Grundbucheintragung. Der nichtrechtsfähige Verein ist grundbuchfähig; er kann jedoch nicht allein unter seinem Vereinsnamen eingetragen werden, sondern es bedarf der Nennung seiner gesamten Mitglieder9. Hinsichtlich der Steuer- bzw. der Haftungsschuldnerschaft der Vereinsmitglieder wird auf § 13 GrEStG verwiesen. Auf sie sind die Ausführungen zu Gesellschaftern einer GbR übertragbar (s. § 13 Rz. 47).

1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 BFH v. 4.2.2004 – II B 147/02, BFH/NV 2004, 813; v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159. 3 BGH v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715. 4 BFH v. 18.11.2015 – II B 33/15, BFH/NV 2016, 234; v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536. 5 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 6 BR-Drucks 59/21, 216. 7 BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229; RG v. 24.4.1904 – Rep. IV. 35/04, RGZ 57, 432. 8 Vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, § 3 KStG Rz. 11. 9 BGH v. 21.1.2016 – V ZB 19/15, NZG 2016, 666.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 17 § 1

f) Verein ohne Rechtspersönlichkeit (ab 1.1.2024) Die verwirrende Bezeichnung „nichtrechtsfähiger Verein“ für Vereine, die heute als rechtsfähig ange- 16.1 sehen werden, wird durch das MoPeG1 mit Wirkung zum 1.1.2024 durch den Begriff „Verein ohne Rechtspersönlichkeit“ ersetzt2. Daraus ergeben sich für den Verein ohne Rechtspersönlichkeit grunderwerbsteuerlich keine Änderungen. § 54 Abs. 1 BGB i.d.F. ab 1.1.2024 nimmt zwar eine Unterteilung in nicht-wirtschaftliche und wirtschaftliche nicht-rechtsfähige Vereine vor, grunderwerbsteuerlich können jedoch beide Rechtsträger sein. Anders als beim rechtsfähigen Verein handelt es sich beim Verein ohne Rechtspersönlichkeit in seiner Form als wirtschaftlich nichtrechtsfähiger Verein, dem keine Rechtspersönlichkeit nach § 22 BGB verliehen worden ist, um eine Gesamthandsgemeinschaft. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BGB i.d.F. ab 1.1.2024 finden auf ihn die Vorschriften für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder der Vorschriften für die offenen Handelsgesellschaft Anwendung3. Inwiefern das MoPeG4 die Probleme bei der Grundbucheintragung beseitigt, ist unklar (vgl. Rz. 16). Die GbR ist zukünftig nur grundbuchfähig, wenn sie sich in ein noch zu schaffendes GbR-Register eintragen lässt, § 47 Abs. 2 GBO i.d.F. ab 1.1.2024 (vgl. Rz. 13). Hinsichtlich der Steuer- bzw. der Haftungsschuldnerschaft der Vereinsmitglieder wird auf § 13 GrEStG verwiesen. Auf sie sind die Ausführungen zu Gesellschaftern einer GbR übertragbar (s. § 13 Rz. 47). g) Die (fortgesetzte) Gütergemeinschaft Der Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft stellt eine Gesamthandsgemeinschaft bestehend aus den 17 beiden Eheleuten dar. Mit wirksamer Vereinbarung des Güterstandes verschmelzen die Vermögensmassen der beiden Eheleute zu einem gemeinschaftlichen Vermögen, dem Gesamtgut, § 1416 Abs. 1 BGB. Zum Übergang der Grundstücke bei Begründung der Gütergemeinschaft wird auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwiesen (vgl. Rz. 99 ff.; Universalsukzession). Das MoPeG5, das zum 1.1.2024 in Kraft tritt, ändert daran nichts. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird die Besonderheit der Gütergemeinschaft als spezifische eherechtliche Regelung eines gebundenen Gesamthandsvermögens hervorgehoben6. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG auch dem Vorbehaltsgut zugeordnet werden können, § 1418 BGB. In dem Fall sind sie dem jeweiligen Ehepartner und nicht der Gesamthandsgemeinschaft zuzuordnen. Werden Grundstücke nach der Wahl des Güterstandes erworben, fallen sie in das Gesamtgut. Ist für den Fall des Todes eines Ehegatten im Ehevertrag vorgesehen, dass die Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Teil und den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt wird, spricht man von fortgesetzter Gütergemeinschaft, §§ 1483 ff. BGB. Die Gütergemeinschaft ist grunderwerbsteuerlich nicht rechtsfähig. Wenn die beiden Eheleute gemeinsam ein Grundstück zum Gesamtgut erwerben, sind beide laut der Rechtsprechung Erwerber, und nicht die Gütergemeinschaft bestehend aus den Eheleuten7. Sie werden daher so behandelt, als wären sie Bruchteilseigentümer. Grunderwerbsteuerlich besteht dahingehend kein Unterschied. Erwirbt ein Ehegatte als Teil einer Gütergemeinschaft ein Grund-

1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 BT-Drucks 19/27635 v. 17.3.2021, 123. 3 Schmidt, ZHR 2021, 16 (46). 4 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 5 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 6 BR-Drucks. 59/21, 216. 7 BFH v. 12.10.1994 – II R 63/93, BStBl. II 1995, 174.

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§ 1 Rz. 17 Erwerbsvorgänge stück, ist nur er Vertragspartner. Das Grundstück wird jedoch im Rahmen des Erwerbes kraft Gesetzes Gesamtgut. Gleiches gilt für die nach Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB fortgeführten Güterstände der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach dem Familiengesetzbuch der ehemaligen DDR. Gemäß Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften über das durch die beiden Ehegatten verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung. Zu beachten sind jedoch die Regelungen im Art. 234 § 4 Abs. 2 EGBGB bzgl. der Voraussetzungen für eine Anwendung der Vorschriften der Gütergemeinschaft. Wurde eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben, handelt es sich um Bruchteilseigentum, Art. 234 § 4a Abs. 1 EGBGB. h) Die Partenreederei 18

Mit dem Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 25.4.20131 können keine neuen Partenreedereien mehr gegründet worden. Bei der Partenreederei handelt es sich laut Definition nach § 489 HGB a.F. um ein Schiff, das mehreren Personen gemeinschaftlich zusteht und zum Erwerbe durch die Seefahrt verwendet wird. Sie ist eine Seehandelsgesellschaft die Rechtsträger im grunderwerbsteuerlichen Sinne ist2. i) Die Wohnungseigentümergemeinschaft

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Grundsätzlich kann auch eine Wohnungseigentümergesellschaft Rechtsträger im Sinne des GrEStG sein, vgl. § 9a WEG. Problematisch ist hierbei weniger ihre Eigenschaft als Rechtsträger, sondern ihre Beschlusskompetenz. Der Erwerb eines Grundstücks muss im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung erfolgen3. 4. (Nichtrechtsfähige) Vermögensmassen

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Grundsätzlich ist zwischen rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Vermögensmassen zu unterscheiden. Vermögensmassen des öffentlichen Rechts, wie die Stiftung des öffentlichen Rechts oder die Anstalt, wird die Rechtsfähigkeit verliehen. Aber auch Stiftungen des privaten Rechts können nach § 80 Abs. 2 BGB Rechtsfähigkeit erlangen. Dazu ist die Genehmigung der Stiftungsbehörde erforderlich, § 80 Abs. 1 BGB4. Nach herrschender Meinung bedarf das Stiftungsgeschäft, auch wenn es die Übereignung von Grundbesitz betrifft, keiner notariellen Genehmigung i.S.d. § 311b BGB5. Der mit der Reform des Stiftungsrechts mit Wirkung vom 1.7.2023 eingeführte § 81 Abs. 3 BGB6 ändert an der Schriftformvoraussetzung des Stiftungsgeschäfts nichts. Rechtsfähige Vermögensmassen sind unproblematisch Rechtsträger im Sinne des GrEStG. Eine Legaldefinition für nichtrechtsfähige Vermögensmassen gibt es nicht. Man könnte aus § 3 Abs. 1 KStG ableiten, dass es sich um Zweckvermögen handelt7. Zu ihnen werden u.a. Anstalten und Stiftungen, die keine Rechtsfähigkeit erlangt haben, gerechnet. Zu den nichtrechtsfähigen Vermögensmassen gehören auch die Sammelvermögen; hier werden zu einem vorübergehenden Zweck Mittel aufgebracht. Aus der Rechtsprechung heraus lassen sich nichtrechtsfähige Vermögensmassen zumindest typisieren: Es muss sich bei ihnen um ein vom Vermögen des Widmenden separiertes Vermögen handeln. Eine 1 2 3 4

BGBl. I 2013, 813. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 30. BGH v. 18.3.2016 – V ZR 75/15, MDR 2016, 577. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, BGBl. I 2021, 2947, ist dies in § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelt. 5 Weitemeyer in MüKo8, § 81 BGB Rz. 8; a.A. Ellenberger in Palandt80, § 81 BGB Rz. 3; OLG Köln v. 5.8.2019 – 2 Wx 220/19, ZEV 2019, 729. 6 Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, BGBl. I 2021, 2947. 7 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 3 KStG Rz. 14.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 20.2 § 1

eigene Rechtspersönlichkeit ist letztendlich nicht entscheidend, jedoch darf der Widmende das Vermögen nicht mehr für eigene Zwecke verwenden, sondern nur für die Widmungszwecke. Gleichzeitig muss ausgeschlossen sein, dass der Eigentümer die Zweckbindung widerrufen kann1. Er nimmt im Ergebnis die Rolle eines Treuhänders ein. Ertragsteuerlich handelt es sich um ein besonderes Treuhandverhältnis, da der Treuhänder nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Zweckvermögens ist2. Grunderwerbsteuerlich sind grundsätzlich keine Besonderheiten in Bezug auf die Treuhänderschaft zu berücksichtigen (s. Rz. 61 ff., Rz. 78). Die nichtrechtsfähige Vermögensmasse ist zwar wirtschaftlich selbstständig, sie ist aber nicht Rechtsträger. Daher sind auch die ihr zuzurechnenden Grundstücke grundbuchrechtlich auf ihren Träger eingetragen. Neben den inländischen Zweckvermögen existieren auch ausländische Zweckvermögen, z.B. sog. Trusts nach amerikanischem Recht. Zu den inländischen nichtrechtsfähigen Zweckvermögen gehören auch die Sondervermögen der Kapitalanlagegesellschaften. Nach § 92 Abs. 1 KAGB existieren zwei Alternativen in Bezug auf das Sondervermögen, die Treuhand- und die Miteigentumslösung. Im Rahmen der Miteigentumslösung bleiben der oder die Anleger Eigentümer des Grundbesitzes. Bei der Treuhandlösung wird die Kapitalanlagegesellschaft zivilrechtliche Eigentümerin des Grundbesitzes. In beiden Fällen ist das Sondervermögen selbst weder Rechtsträger im zivil- noch im grunderwerbsteuerlichen Sinne (Rz. 289). Ebenso existieren nach ausländischem Recht derartige Sondervermögen. Die Einordnung dieser Sondervermögen in die Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes stellt den Anwender vor nicht unerhebliche Probleme. Problematisch ist weniger die Rechtsträgerstellung als die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Sondervermögens. Während nach dem KAGB die Eigentumszuordnung klar geregelt ist und etwaige anderweitige Zurechnungen auf die Kapitalanlagegesellschaft im Falle der Miteigentumslösung bzw. der Treuhandlösung geklärt sind (Rz. 289 ff.), ist dies bei ausländischen Sondervermögen bisher nicht der Fall. Zwar bestimmt sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach den Regelungen des ausländischen Staates, sofern sich statutarischer Sitz und Geschäftsleitung dort befinden, jedoch schließt ein Mangel an Rechtsfähigkeit nicht per se eine Besteuerung nach inländischem Recht aus3. Aus nationaler Sicht wird nicht die ausländische Einordnung der betroffenen Organisationsform übernommen, sondern es hat ein Typenvergleich zwischen der ausländischen Organisationsform und ihrem inländischen Pendant stattzufinden4. Dieser erfolgt in einem zweistufigen Verfahren, in dem auf der ersten Stufe nach den ausländischen gesetzlichen Regelungen eine vergleichbare inländische Organisationsform zu finden ist. Gelingt dies nicht, ist auf einer zweiten Stufe diese Prüfung am konkreten Einzelfall vorzunehmen5.

20.1

Die Problematik soll am Beispiel eines Luxemburger Fonds Commun des Placement (FCP) verdeut- 20.2 licht werden: Nach Luxemburger Recht handelt es sich beim FCP um ein Investmentvermögen in Vertragsform, dessen Investmentvermögen von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltet wird6. Dabei liegt eine besondere Form des Miteigentums vor, da es von den grundsätzlichen Regelungen des Miteigentums nach luxemburgischem Zivilrecht abweicht. Zu unterscheiden sind drei Varianten des FCP. Die erste Variante ist in Teil I und die zweite in Teil II des Gesetzes vom 17.12.2010 über die Organismen für gemeinsame Anlagen geregelt. Die Regelungen zur dritten Variante finden sich im Gesetz vom 13.2.2007 über die Spezialfonds. Während der FCP nach Teil I für ein breites Anlegerspektrum geöffnet ist7, handelt es sich beim FCP nach Teil II eher um alternative Investments und Investments für speziell strukturierte Produkte. Dabei ist bei direkten und indirekten Immobilieninvestments ein al-

1 2 3 4 5 6 7

Rengers in Blümich, § 1 KStG Rz. 107. BFH v. 29.1.2003 – I R 106/00, BFHE 201, 287 = FR 2003, 678. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK InvStG 2004, Rz. 11.7. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 32. Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 33.

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§ 1 Rz. 20.2 Erwerbsvorgänge ternatives Investment anzunehmen, so dass diese FCP in der Regel unter Teil II einzuordnen sind1. In der dritten Variante besteht die Möglichkeit, dass die Anteile von nur einem einzigen Anleger gehalten werden2. In allen Fällen handelt es sich um ein ungeteiltes Vermögen, das für Rechnung seiner Gesamthandseigentümer nach dem Grundsatz der Risikostreuung zusammengesetzt und verwaltet wird, wobei die Haftung der Gesamthandseigentümer auf die Einlage beschränkt ist und ihre Rechte in Anteilen verkörpert werden3. Bei einem Typenvergleich verbleibt für eine Einordnung nach nationalen Organisationsformen lediglich die Übereinstimmung mit dem deutschen Sondervermögen nach dem InvG bzw. KAGB4. Hierbei handelt es sich jedoch um ein nicht rechtsfähiges Zweckvermögen, so dass aus nationaler Sicht als geklärt angesehen werden kann, dass die FCP kein Rechtsträger im grunderwerbsteuerlichen Sinne sein kann. Somit verbleiben die Anleger oder die Kapitalanlagegesellschaft als mögliche Rechtsträger für die Zuordnung des Grundbesitzes. Daher ist zu prüfen, ob die Luxemburger Regelung der deutschen Miteigentums- oder Treuhandlösung entspricht. Es wird die Auffassung vertreten, dass eine Vergleichbarkeit mit der Miteigentumslösung vorläge, da insb. nach luxemburgischem Recht ein Miteigentum besonderer Art gegeben sei5. Dieses Argument hilft nicht weiter, weil es nach luxemburgischem Recht bereits kein reines Miteigentum ist, sondern eines besonderer Art6. Dem steht die Auffassung gegenüber, dass die luxemburgische Regelung des Sondervermögens mit der Treuhandlösung des KAGB vergleichbar sei7. Dabei beruft sie sich u.a. auf die ergangene ertragsteuerliche Rechtsprechung zum FCP, die in ihm ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen sieht und seine Vermögensgegenstände der Kapitalverwaltungsgesellschaft zuordnet8. Außerdem trete lediglich die Kapitalanlagegesellschaft nach außen hin für Rechnung des FCP in Erscheinung, und lediglich sie sei auch registerfähig9. Dieser Auffassung kann zwar entgegengehalten werden, dass sie von der formalen Eintragung im Grundbuch aufs Eigentum schließt, jedoch entspricht die Eintragung in der Regel den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen, was auch durch die gesetzliche Vermutung im § 891 Abs. 1 BGB untermauert wird. So ging auch das FG Münster von der Eigentümerstellung der Kapitalanlagegesellschaft am Grundbesitz aufgrund der Grundbucheintragung aus10. Bei der Miteigentumslösung hingegen bleibt der Anleger Eigentümer des Grundstücks; es findet keine Übertragung des Eigentums auf die Kapitalverwaltungsgesellschaft statt (Rz. 293). Daher wäre demnach grunderwerbsteuerlich das Vermögen der FCP der Kapitalanlagegesellschaft zuzurechnen. 21

Den Hauptteil der Vermögensmassen machen Stiftungen aus. Es existieren sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Stiftungen. Entscheidend für die Einordnung ist die Gesamtheit aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere ihre Entstehung11. Nicht entscheidend ist die Zugehörigkeit des Trägers zum öffentlichen oder privaten Recht. Die nichtrechtsfähige Stiftung, auch unselbständige, treuhänderische oder fiduziarische Stiftung genannt, ist kein Rechtsträger im Sinne des GrEStG.

1 Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 45. 2 Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 51. 3 Art. 89 Abs. 1 des Luxemburger Gesetzes vom 17.12.2010 über Organismen für gemeinsame Anlagen; Art. 1 Abs. 1 des Luxemburger Gesetzes vom 13.2.2007 über die Spezialfonds. 4 Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 104. In einer dezidierten Auseinandersetzung mit der Personengesellschaft, der juristischen Person und dem nichtrechtsfähigen Verein verbleibt nur eine Übereinstimmung mit dem nationalen Sondervermögen nach KAGB. 5 Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408 (409). 6 Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408 (409). 7 Spranger, RdF 2016, 57 (64). 8 FG Hess. v. 23.3.2011 – 4 K 419/10. 9 Spranger, RdF 2016, 57 (64). 10 FG Münster v. 20.4.2017 – 10 K 3059/14, EFG 2017, 1110 Rz. 80 f. 11 BFH v. 29.1.2003 – I R 106/00, BFHE 201, 287 = FR 2003, 678.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 25 § 1

5. Grunderwerbsteuerliche Organschaft – der Organkreis Diverse Steuerarten kennen das Institut der Organschaft. Es gibt die umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), die körperschaftsteuerliche Organschaft (§ 14 f. KStG), die gewerbesteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 GewStG) und die grunderwerbsteuerliche Organschaft (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG), die sich an der umsatzsteuerlichen Organschaft anlehnt (vgl. Rz. 1011). Nichtsdestotrotz kennt das Steuerrecht kein allgemeines Institut der Organschaft1. Die Selbständigkeit der an den Organschaften beteiligten Gesellschaften wird davon nicht berührt und ist grunderwerbsteuerlich zu beachten2. Im Umkehrschluss stellt der grunderwerbsteuerliche Organkreis keinen eigenen Rechtsträger dar3. Ihm kommt lediglich Bedeutung im Rahmen der Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zu (vgl. Rz. 837). Davon zu trennen ist die Frage der Steuerschuldnerschaft, § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG (vgl. § 13 Rz. 31 f.)4.

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6. Der Konzern Ein Konzern, unabhängig von seiner letztendlichen Definition (analog oder gem. § 18 AktG), besteht aus einer Vielzahl von Gesellschaften. Somit liegen auch entsprechend viele Rechtsträger vor5. Es würde dem Grundprinzip der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer widersprechen, würde man einen Konzern als einen (fiktiven) Rechtsträger annehmen. Will man daher Grundstückübertragungen bzw. Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns nicht mit Grunderwerbsteuer belasten, ist es keine Frage der Steuerbarkeit, sondern systemkonform eine Frage, ob derartige Vorgänge von der Grunderwerbsteuer befreit sind (vgl. § 6a Rz. 1).

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7. Ausländische Gesellschaften Ausländische Gesellschaften können ebenfalls Rechtsträger im Sinne des GrEStG sein6. Bei Grund- 24 besitz veräußernden ausländischen Gesellschaften ist zudem § 50a EStG zu beachten. Die Antwort auf die Frage der Rechtsträgereigenschaft ausländischer Gesellschaften sowie deren Rechtscharakter kann davon abhängen, welchen Blickwinkel man ihnen gegenüber einnimmt, anders ausgedrückt, ob man die Frage nach deutschem Recht oder nach dem Recht des Sitz- bzw. Gründungsstaates beurteilt. Bei ausländischen juristischen Personen ist darüber hinaus zu beachten, dass sie nur in der Rechtsordnung existieren können, in der sie begründet wurden. Es haben sich zwei Theorien herausgebildet: – die Sitztheorie und – die Gründungstheorie. Nach der sog. Sitztheorie bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Dabei wird unter dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Ort verstanden, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäfte umgesetzt werden7. Im Gegensatz dazu stellt die Gründungstheorie auf das Statut des Gründungsstaates ab. Danach genügt für die Geltung des Rechtsstatus, dass die Gesellschaft dort ordnungsgemäß registriert ist, wo sie ihren Satzungssitz hat. Die Gründungstheorie orientiert sich daher an rein formalen Kriterien. Nach nationaler Rechtsauffassung bestimmt sich die Rechtsträgereigenschaft einer ausländischen Gesellschaft nach der Sitztheorie. Bei Erwerben von Grundstücken spielt die Frage der Rechtsträger-

1 BFH v. 12.4.1978 – II R 149/73, BStBl. II 1978, 422; v. 8.3.1972 – II R 2/71, BStBl. II 1972, 676; v. 7.3.1967 – II 100/64, BStBl. III 1967, 346. 2 BFH v. 7.9.2007 – II B 5/07, BFH/NV 2007, 2351. 3 FinMin. NW v. 19.9.2018 – S 4501 – 8 – V A 6, BStBl. I 2018, 1056 Rz. 1. 4 FinMin. NW v. 19.9.2018 – S 4501 – 8 – V A 6, BStBl. I 2018, 1056 Rz. 7. 5 BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320. 6 BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306; v. 22.8.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505. 7 BFH v. 12.6.1995 – II S 9/95, BStBl. II 1995, 605; BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269.

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§ 1 Rz. 25 Erwerbsvorgänge eigenschaft in der Regel keine große Rolle; eine Ausnahme bilden jedoch die sog. Brief- bzw. Basisgesellschaften (vgl. Rz. 32). In manchen Rechtsordnungen werden Gesellschaften gelöscht, wenn sie gesetzliche Anforderungen nicht erfüllen. Beispielsweise hat die englische Limited gewisse Publikationspflichten zu erfüllen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, führt dies zur Löschung der Limited im englischen Register und zur Beendigung der Gesellschaft. Hat die Limited in Deutschland Grundbesitz, fällt dies nicht der englischen Krone zu, wie es bei englischen Vermögen der Fall wäre. Für den in Deutschland befindlichen Grundbesitz wird die gelöschte Limited als Rest- oder Spaltgesellschaft fortgesetzt1. Es kommt zu einem nicht identitätswahrenden Formwechsel in eine offene Handelsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Falle des Vorhandenseins nur eines Gesellschafters geht das Gesellschaftsvermögen auf die natürliche Person über. 25.1

Ähnlich verhält es sich bei in Großbritannien gegründeten Gesellschaften, die in Deutschland ihren Verwaltungssitz haben. Bisher waren diese durch die europarechtlich geltende Gründungstheorie geschützt. Der Austritt Großbritanniens aus der EU mit Ablauf des 31.1.2020 führt dazu, dass die grundsätzlich geltende Sitztheorie wieder greift und die Gesellschaften dem in Deutschland geltenden Gesellschaftsstatut unterliegen. Nach § 1 des Brexit-Übergangsgesetz wird das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland im Zeitraum vom 1.2.2020 bis zum 31.12.2020 jedoch wie ein Mitgliedstaat der Europäischen Union behandelt2. Aufgrund dieses Übergangszeitraums findet die Sitztheorie erst ab dem 1.1.2021 wieder Anwendung. Daran ändert das zwischen der EU und Großbritannien abgeschlossenen Trade and Cooperation Agreement nichts, da es keine spezifischen gesellschaftsrechtlichen Regelungen enthält3. Bei den in Großbritannien gegründeten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland handelt sich dann um sog. Scheinauslandsgesellschaften4. Nach der Rechtsprechung des BGH führt die in Deutschland geltende Sitztheorie dazu, dass das hiesige Gesellschaftsstatut anzuwenden ist. Damit ist die bisherige Limited in eine deutsche Gesellschaftsform zu überführen5. Hat die Limited mehrere Gesellschafter, wird sie identitätswahrend in eine offene Handelsgesellschaft oder in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts überführt. Im Falle nur eines Gesellschafters tritt dieser an die Stelle der Limited; es kommt somit zu einem Rechtsträgerwechsel. Um die grunderwerbsteuerlichen Folgen zu vermeiden, sind §§ 4 Nr. 6, 5 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 3 Satz 3, 6a Satz 5 GrEStG eingefügt worden (vgl. § 4 Rz. 66 ff., § 5 Rz. 70.4, § 6 Rz. 95.1, § 6a Rz. 52)6. 8. Europäische Gesellschaften

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Europarechtlich wurden verschiedene Gesellschaftsformen geschaffen; es handelt sich dabei um: – die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, – die Societas Europaea, – die Societas Cooperativa Europaea. Diese Gesellschaftsformen wurden in verschiedenen Verordnungen der EU geregelt. Nie umgesetzt wurde die Societas Privata Europaea.

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Seit dem 1.1.1989 besteht die Möglichkeit der europäischen Rechtsform der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV). Sie sollte die grenzüberschreitende Kooperation von Unternehmen ermöglichen. Rechtsgrundlage sind die EWIV-Verordnung vom 25.7.19857 und die jeweiligen nationalen Ausführungsgesetze, das deutsche EWIV-Ausführungsgesetz ist vom 14.4.19888.

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OLG Thüringen v. 22.8.2007 – 6 W 244/07, GmbHR 2007, 1109. BGBl. I 2019, 402. Mayer/Manz, BB 2021, 451 (451). Martini, IStR 2021, 37 (39). BMF v. 30.12.2020 – IV A 3 - S 0284/20/10006:003, BStBl. I 2021, 46. BGBl. I 2019, 357. ABl. EG Nr. L 199 v. 31.7.1985, 1. BGBl. I 1988, 514.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 32 § 1

Aufgrund der Verwendungsbeschränkungen und der persönlichen Haftung der Gesellschafter ist die EWIV nicht weit verbreitet. Nach § 1 EWIV-AG ist die EWIV nach deutschem Recht als eine besondere Form der OHG ausgestaltet, für die, soweit das EWIV-AG keine besonderen Vorschriften bereithält, das Handelsgesetzbuch gilt. In Art. 1 Abs. 2 EWIV-VO ist geregelt, dass die EWIV Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann und berechtigt ist, Verträge und Rechtsgeschäfte abzuschließen, so dass sie somit grunderwerbsteuerlicher Rechtsträger ist. Bei der Societas Europaea (SE) handelt es sich um eine europäische Form einer Aktiengesellschaft. Rechtliche Grundlage ist die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.20011. Ihr Sitz muss im Mitgliedstaat der Hauptverwaltung liegen. Da sie als juristische Person ausgestaltet ist, ist sie auch Rechtsträgerin im grunderwerbsteuerlichen Sinne.

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Ein europäisches Rechtsstatut der Genossenschaft, die Societas Cooperativa Europaea, wurde mit der Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft vom 22.7.2003 geschaffen2. Ihre nationale Umsetzung erfolgte durch das Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft vom 14.8.20063. Aufgrund ihrer genossenschaftlichen Struktur ist sie Rechtsträgerin im grunderwerbsteuerlichen Sinne.

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Die Europäische Privatgesellschaft war die geplante Rechtsform einer europäischen Kapitalgesellschaft für kleine und mittlere Unternehmen. Sie stellte eine Ergänzung zur SE dar. Das 2009 initiierte Projekt der Schaffung einer „Societas Privata Europaea“ (SPE) wurde durch die EU-Kommission am 2.10.2013 zugunsten des Projektes der Schaffung einer Societas Unius Personae (SUP) aufgegeben.

30

Die europäische Einpersonengesellschaft, die Societas Unius Personae, sollte eine Gesellschaft mit einem einzigen Gesellschafter sein, bei der die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt sein sollte. Sie ist über die Planungsphase nicht hinausgekommen. Inzwischen ist der Vorschlag der Kommission zurückgenommen worden4.

31

9. Briefkastengesellschaften – Basisgesellschaften Bei einer im Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft beurteilt sich ihre Rechtsfähigkeit nach herr- 32 schender deutscher Rechtsauffassung nach dem Recht am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes5. Liegt dieser, abweichend vom Sitz der Kapitalgesellschaft, in einem Land, das die Sitztheorie vertritt (vgl. Rz. 24), wie dies in Deutschland der Fall ist, dann besitzt die Kapitalgesellschaft keine Rechtsfähigkeit. Wird eine solche nicht rechtsfähige Gesellschaft Partei eines Vertrages über ein Grundstück, ist der Vertrag grundsätzlich wirksam. Er wird jedoch wirksam gegenüber den hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschaftern als Gesamthändern6. Für den Fall, dass lediglich ein Gesellschafter existiert, wird der Vertrag mit ihm abgeschlossen7. Zu einer anderen Beurteilung kommt man jedoch, wenn der statuarische Sitz im EU- bzw. EWRRaum liegt. Dann findet die sog. Gründungstheorie Anwendung (vgl. Rz. 24), und die Rechtsfähigkeit beurteilt sich nach dem Ort, an dem die Gesellschaft ihren statuarischen Sitz hat8. Im vom BFH zu entscheidendem Fall wurde der liechtensteinischen Domizilgesellschaft die Rechtsfähigkeit nicht

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ABl. EG Nr. L 294, 1. ABl. EU Nr. L 79, 42. BGBl. I 2006, 1911. ABl. EU C 233/7 v. 4.7.2018. BFH v. 8.1.2019 – II B 62/18, BFH/NV 2019, 293; v. 12.6.1995 – II S 9/95, BStBl. II 1995, 605, Tz. II.2.c. BFH v. 8.1.2019 – II B 62/18, BFH/NV 2019, 293; Bruski, IStR 1994, 473. BFH v. 8.1.2019 – II B 62/18, BFH/NV 2019, 293. BFH v. 29.6.2016 – II R 14/12, BFH/NV 2017, 1 Rz. 38.

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§ 1 Rz. 32 Erwerbsvorgänge aberkannt, da sie nach liechtensteinischem Recht wirksam gegründet wurde. Somit war es unbeachtlich, dass der statuarische Sitz der Gesellschaft und ihr Verwaltungssitz auseinanderfielen. Ebenso können völkerrechtliche Verträge zu einer Geltung der Gründungstheorie führen, z.B. aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29.10.19541. Die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung stellt keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage der Anerkennung der Gesellschaft dar (s. § 22 Rz. 44)2.

IV. Kaufvertrag oder anderes einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft (Abs. 1 Nr. 1) 1. Rechtsgeschäft 33

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen Kaufverträge und andere Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks im Sinne des GrEStG begründen der Grunderwerbsteuer. Bei diesen Rechtsgeschäften handelt es sich um Verpflichtungsgeschäfte. Aufgrund der Zielrichtung des GrEStG im Hinblick auf die Besteuerung des Erwerbes muss es sich um wirksame Verpflichtungsgeschäfte handeln. Unerheblich ist, ob auch alle Befugnisse eines Eigentümers übergehen sollen, da der Rechtsträgerwechsel entscheidend ist3. Nicht erfasst von der Nr. 1 sind Rechtsvorgänge, in denen ein Vermögen auf dem Wege der (teilweisen) Gesamtrechtsnachfolge übergehen soll, wie bei Umwandlungen im Sinne des UmwG. Diese Rechtsvorgänge fallen unter § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Um den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu verwirklichen, bedarf es demnach eines wirksamen Verpflichtungsgeschäfts, das einen (durchsetzbaren) Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet4. Anders ausgedrückt, aus dem Vertrag heraus muss auf die Verpflichtung zur Auflassung geklagt werden können5. Bei der Übertragung von Erbbaurechten ist anstelle der Verpflichtung zur Auflassung auf die Verpflichtung zur dinglichen Einigung i.S.d. § 11 Abs. 1 ErbbauRG abzustellen.

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Rechtsgeschäfte, wie das Verpflichtungsgeschäft, sind auf das Erreichen einer bestimmten Rechtsfolge ausgerichtet. Darin unterscheiden sie sich von rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen. Bei einem Vertrag handelt es sich um ein mindestens zweiseitiges Rechtsgeschäft, in dem sich die abgegebenen Willenserklärungen der Beteiligten, Angebot und Annahme, decken6. Ohne die Deckung der Willenserklärung der Beteiligten mangelt es bereits an einem Rechtsgeschäft, so dass eine Tatbestandsverwirklichung nicht erreicht werden kann. Ob dies der Fall ist, hängt wiederum vom Parteiwillen der Vertragschließenden ab, so dass Verträge gegebenenfalls ausgelegt werden müssen, vgl. §§ 133, 157 BGB. Ob das Gewollte unzweckmäßig ist, ist unbeachtlich7. Vor dem Finanzgericht stellt die Auslegung von Verträgen eine Tatsachenfeststellung dar8.

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Das Verpflichtungsgeschäft ist auf Verschaffung eines Anspruchs gerichtet; es beinhaltet den Grund für einen Anspruch bzw. für das Behalten einer Sache, daher wird es auch Kausalgeschäft genannt. Im Gegensatz zum Verfügungsgeschäft muss der Gegenstand, auf den sich das Geschäft bezieht, noch nicht konkret sein, es reicht aus, wenn er bestimmbar ist. Bezogen auf das übergehende Grundstück muss dieses somit hinreichend bestimmt sein, was sich aus dem Rechtsvorgang selbst ergeben muss. Ein maßstabsgerechter Plan, eine Skizze, auf die der Vertrag Bezug nimmt und die diesem beigefügt

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Wachter, NotBZ 2019, 205 (207 f.) m.w.N. FG Köln v. 19.12.2007 – 5 K 4403/03, EFG 2009, 610; Rev. BFH v. 23.9.2009 – II R 61/08 (NV). BFH v. 24.10.1990 – II R 68/88, BFH/NV 1991, 624. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/NV 2014, 579; v. 19.5.1993 – II R 23/92, BStBl. II 1993, 628. BFH v. 27.1.1972 – II 73/65, BStBl. II 1972, 496. Stadler, Allgemeiner Teil des BGB20, § 19 Rz. 1. BFH v. 30.8.1978 – II R 28/73, BStBl. II 1979, 81. BFH v. 21.12.1966 – II 149/63, BStBl. III 1967, 189.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 37 § 1

ist, reicht dazu aus1. Eine spätere Bestimmung durch die Parteien oder einer Partei des Vertrages reicht grundsätzlich nicht aus2. Sind sich die Vertragsparteien jedoch einig über die Größe, die Lage und den Zuschnitt der Fläche entsprechend einer zeichnerischen – nicht notwendig maßstabsgerechten – Darstellung in einem der Kaufvertragsurkunde beigefügten Plan und über die spätere Konkretisierung der Fläche durch eine genaue Grenzziehung und hat dieser Wille in der Urkunde seinen Niederschlag gefunden, ist ein wirksamer Vertrag zustande gekommen3. Gleiches gilt, wenn das Grundstück in einem Prospekt, den die Vertragsbeteiligten zur Grundlage ihrer Vertragsbeziehungen gemacht haben, hinreichend konkretisiert worden ist4. Es ist unbeachtlich, dass ein Grundstück im Zeitpunkt des Kaufvertrages noch nicht vermessen oder parzelliert ist5. Diesem Gedanken folgt § 2 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, der klarstellt, dass Teile von Grundstücken Grundstücke im Sinne des GrEStG sind (vgl. § 2 Rz. 89 f.). Entsprechendes gilt für noch nicht entstandenes Wohnungs- oder Teileigentum bzw. Erbbaurecht. Wohnungs- und Teileigentum entstehen erst bei Anlegen der Wohnungs- bzw. Teileigentumsgrundbücher (vgl. § 2 Rz. 72) und das Erbbaurecht erst bei Eintragung (vgl. § 2 Rz. 46). Dennoch führen darüber abgeschlossene Rechtsgeschäfte zur Entstehung von Grunderwerbsteuer6. Der Erwerber eines Grundstücks muss ebenfalls hinreichend bestimmbar bezeichnet sein7. Ein Irrtum hinsichtlich der Person des Erwerbers ist nur unbeachtlich, wenn der Veräußerer ebenfalls nicht mit der im Vertrag genannten, sondern der nicht genannten Person abschließen wollte8. In der Regel sind dann aber die Voraussetzung einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB gegeben (s. Rz. 44). Letztendlich reicht es für den vereinbarten Kaufpreis ebenfalls aus, wenn er zumindest hinreichend bestimmbar ist9. Mangelt es an der hinreichenden Bestimmtheit des Vertragsgegenstandes, des Kaufpreises oder des Erwerbers, kommt kein wirksamer Vertrag zustande. Eine besondere Bedeutung erlangt dies bei Grundstücksverträgen aufgrund der Formbedürftigkeit nach § 311b BGB (s. Rz. 47). Eine Verfügungsbefugnis ist für den Abschluss eines Kaufvertrages nicht erforderlich. Daher ist es möglich einen Grundstückskaufvertrag abzuschließen, ohne Eigentümer zu sein10. Da Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft getrennt und abstrakt, also unabhängig voneinander sind, können mehrere Verpflichtungsgeschäfte über ein und dasselbe Grundstück abgeschlossen werden. Dass der dadurch Verpflichtete nur einmal die Möglichkeit der Übertragung hat, ist unbeachtlich. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen derartiger Rechtsgeschäfte unterliegen sie dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung nach § 311b BGB i.V.m. § 127 BGB. Der notariellen Beurkundung gleichgestellt ist der gerichtliche Vergleich nach § 127a BGB. In der Regel bedarf beim gerichtlichen Vergleich die Auflassung wiederum der notariellen Beurkundung.

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Eine schwebende Unwirksamkeit eines Vertrages, wie der fehlende Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, verhindert ebenfalls die Tatbestandsverwirklichung. Da ein unter einer Bedingung stehendes Verpflichtungsgeschäft bzw. eines, in dem die Genehmigung noch aussteht, ein schwebend unwirk-

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1 BGH v. 23.4.1999 – V ZR 54/98, DNotZ 2000, 121. 2 BFH v. 17.10.1990 – II R 42/88, BStBl. II 1991, 144 = BFHE 162, 478; v. 20.4.1971 – II 11/65, BStBl. II 1971, 751. 3 BGH v. 19.4.2002 – V ZR 90/01, BGHZ 150, 334. 4 BFH v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680. 5 BFH v. 17.10.1990 – II R 42/88, BStBl. II 1991, 144 = BFHE 162, 478; v. 27.8.1975 – II R 40/73, BStBl. II 1976, 32. 6 BFH v. 12.10.1988 – II R 6/86, BFHE 154, 387; v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667; v. 28.11.1967 – II R 37/66, BStBl. II 1968, 223. 7 BFH v. 21.12.1966 – II 149/63, BStBl. III 1967, 189. 8 BFH v. 24.6.1969 – II R 132/66, BStBl. II 1972, 22. 9 BFH v. 30.3.2009 – II R 1/08, BFH/NV 2009, 1666. 10 BFH v. 16.4.2009 – II B 171/08, JurionRS 2009, 18182; v. 8.11.1995 – II R 93/94, BStBl. II 1996, 27.

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§ 1 Rz. 37 Erwerbsvorgänge sames ist, kommt § 14 GrEStG letztendlich nur deklaratorische Bedeutung hinsichtlich der Entstehung der Steuer zu1. Solange ein Verpflichtungsgeschäft noch schwebend unwirksam bzw. noch nicht wirksam ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG noch nicht erfüllt2. Eine Steuerentstehung vor der Tatbestandsverwirklichung schließt § 38 AO aus (vgl. Rz. 7). 2. Stellvertretung (Boten, Stellvertreter) 38

Beide Vertragschließenden können sich Boten bzw. Stellvertreter bedienen. Während der Bote lediglich eine Willenserklärung überbringt, gibt der Stellvertreter eine eigene ab. Nach § 164 Abs. 1 BGB gibt der Vertreter die Willenserklärung im Namen des Vertretenen ab bzw. empfängt sie für den Vertretenen (§ 164 Abs. 3 BGB). Im Falle einer wirksamen Stellvertretung wirkt die Willenserklärung für und gegen den Vertretenen. Der Vertretene muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkretisiert sein3. Steht er jedoch objektiv noch nicht fest, liegt keine Stellvertretung vor4. Anders jedoch, wenn im Namen einer erst künftig entstehenden Gesellschaft ein Kaufvertrag abgeschlossen wird. Hier tritt der Vertreter offen in einem fremden Namen auf 5. Im Vertretungsfall ist zwischen einem Vertreter mit und ohne Vertretungsmacht zu unterscheiden. Die Erklärung über die Erteilung einer Vollmacht bedarf nach § 167 Abs. 2 BGB nicht der Form des Rechtsgeschäfts, auf die sie sich bezieht6. Somit gilt für sie bei Grundstücksgeschäften grundsätzlich nicht das Formerfordernis nach § 311b BGB. Anders sieht es die höchstrichterliche Rechtsprechung nur, wenn es sich um eine unwiderrufliche Vollmachtserteilung handelt7 oder aber, wenn die Vollmacht zwar widerrufen werden kann, aber trotzdem eine Bindungswirkung eintreten soll, weil das Rechtsgeschäft ausschließlich den Interessen des Bevollmächtigten dient und dieser die Möglichkeit hat, die erteilte Vollmacht zu seinen Gunsten zu verwerten8. Auf den Willen des Vollmachtgebers zum Widerruf kommt es nicht an9, ebenso wenig wie auf den Entscheidungsspielraum, den er dem Bevollmächtigten lässt10. Bei Vertretern ohne Vertretungsmacht, also ohne Vertretungsvollmacht bei Vertragsschluss, muss der Vertretene für die Wirksamkeit erst die abgegebene Willenserklärung gem. § 177 Abs. 1 BGB genehmigen. Die Genehmigung bedarf nach § 182 Abs. 2 BGB ebenfalls nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form11. Verständlicherweise handelt es sich bei einem für eine erst künftig entstehende Gesellschaft auftretenden Gesellschafter um einen Vertreter ohne Vertretungsmacht. Es tritt jedoch steuerlich keine Rückwirkung der Genehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein. Der grunderwerbsteuerliche Tatbestand wird im Zeitpunkt der wirksamen Genehmigung verwirklicht12. Auf die Zugangsproblematik von Willenserklärungen wird nicht näher eingegangen.

1 A.A. evtl. Pahlke6, § 1 Rz. 136. Er stellt auf die Rechtsgültigkeit ab im Sinne des BFH. Dieser versteht aber in seinen aktuellen Entscheidungen unter der Rechtsgültigkeit die Rechtswirksamkeit eines Rechtsgeschäfts. 2 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 3 BFH v. 22.12.1959 – II 228/56 U, BStBl. III 1960, 233. 4 FG MV v. 13.9.2001 – 1 K 500/99, EFG 2001, 1618 (rkr.). 5 BFH v. 17.7.1974 – II R 18/69, BStBl. II 1975, 242. 6 BFH v. 28.3.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537. 7 BGH v. 11.11.1983 – V ZR 211/82, BGHZ 89, 41 (47); v. 13.11.1964 – V ZR 179/62, DNotZ 1965, 549; Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 20. 8 BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, NJW 1996, 1467 m.w.N. 9 BFH v. 28.3.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007/1537; v. 23.2.1979 – V ZR 171/77, NJW 1979, 2306. 10 BGH v. 1.4.1998 – XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239. 11 BFH v. 28.5.2003 – II R 38/01, BFH/NV 2003, 1449; BGH v. 25.2.1994 – V ZR 63/93, JZ 1995, 97; Bayreuther in MüKo8, § 182 BGB Rz. 22; a.A. Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 976; Flume, AT II § 54, 6 b. 12 FG Schl.-Holst. v. 30.6.1999 – III 1513/98, EFG 1999, 1247 (rkr.).

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 40 § 1

Liegt keine Stellvertretung vor, wird der Vertreter selbst Vertragspartei (vgl. § 164 Abs. 2 BGB), und eine Übertragung der Ansprüche aus dem Vertrag unterliegt ggf. nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG der Grunderwerbsteuer (vgl. Rz. 156)1. 3. Wirksame Rechtsgeschäfte a) Wirksamkeit Grundlage für die Tatbestandsverwirklichung ist ein wirksames Rechtsgeschäft. Der Wirksamkeit können aber entgegenstehen: – Mängel in der Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB), – Mängel in der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB), – Irrtümer (§§ 119 ff. BGB), – arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung (§§ 123 f. BGB), – Formmangel (§§ 125 ff. BGB), – Verstoß gegen Verbotsgesetze (§ 134 BGB), – sittenwidrige Rechtsgeschäfte (§ 138 BGB) sowie – Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

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b) Mängel in der Geschäftsfähigkeit Mängel in der Geschäftsfähigkeit ergeben sich zum einen aufgrund des Alters der Person oder einer 40 nicht nur vorübergehenden krankhaften Beeinträchtigung der Geistestätigkeit. Bei beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen bedarf es grundsätzlich für den Abschluss wirksamer Rechtsgeschäfte der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters gem. § 107 BGB. Bei betreuten Personen stellen Grundstücksgeschäfte besonders schwerwiegende Geschäfte dar, die einer Genehmigung des Betreuungsgerichtes bedürfen, § 1908i i.V.m. § 1821 Abs. 1 BGB. Bis zur Genehmigung liegt kein wirksames Rechtsgeschäft vor, es sei denn, es bedeutet für den Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil, § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB. Im Falle eines beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen, somit nach Vollendung des siebten Lebensjahres bis zur Volljährigkeit, bedarf es einer Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter jedoch nur, wenn das Rechtsgeschäft nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil für ihn bedeutet (§ 107 BGB). Bloß mittelbare Nachteile, wie die Grunderwerb- oder Schenkungsteuer, sollen nicht darunter fallen bzw. nach anderer Ansicht wegen Geringfügigkeit vernachlässigt werden können2. In der Regel fällt bei Grundstücksübertragungen zwischen Verwandten in gerader Linie keine Grunderwerbsteuer an (vgl. § 3 Rz. 236 f.). Verallgemeinern kann man den Gedanken der Vernachlässigung der Grunderwerbsteuer in Anbetracht der aktuellen Grunderwerbsteuersätze zwischen 3,5 % und 6,5 % jedoch nicht. Grundstücksverkäufe an einen beschränkt Geschäftsfähigen stellen jedoch immer einen rechtlichen Nachteil dar. Mit Abschluss des Kaufvertrages geht er eine Kaufpreisverbindlichkeit ein, der Grundstücksveräußerer hat ihm gegenüber also einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Belastungen, die sich auf das Grundstück beschränken (wie Grundschuld oder ein Wohnungsrecht), stellen keinen Nachteil dar. Hingegen ist ein vereinbarter Rücktrittsvorbehalt in einem Schenkungsvertrag grundsätzlich als Nachteil zu werten3. Bei einer Geltendmachung des Rücktritts wäre der Minderjährige Schadensersatzforderungen ausgesetzt. Hinsichtlich eines vorbehaltenen Nießbrauchs ist bisher lediglich der Fall entschieden, dass der Nießbraucher abweichend von §§ 1041 Satz 2, 1047 BGB auch die Kosten der außergewöhnlichen Ausbesserung und Erneuerung sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat4. Ansonsten ist wohl von einem rechtlichen Nachteil auszugehen5. 1 2 3 4 5

BFH v. 10.7.1974 – II R 103/72, BStBl. II 1975, 47. Lipp, JURA 2015, 477 (484); BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170. Ellenberger in Palandt80, § 107 BGB Rz. 2; BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170. BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 = MittBayNot 2005, 408 (411). Spickhoff in MüKo8, § 107 BGB Rz. 83.

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§ 1 Rz. 40 Erwerbsvorgänge Ebenso ist die Übertragung von Vermietungs- oder Verpachtungsobjekten mit dem rechtlichen Nachteil verbunden, dass der Minderjährige nach § 566 BGB in die bestehenden Mietverträge eintreten muss. Aber auch der Schenkung von Wohnungseigentum wohnt bereits der Nachteil inne, dass der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige kraft Gesetzes Mitglied in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird und anteilig für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft haftet (§ 9a Abs. 4 WEG), sowie anteilig die Kosten zu tragen hat (§ 16 Abs. 2 WEG). 41

Wollen Eltern Grundstücke auf ihre minderjährigen Kinder übertragen und bedeutet die Übertragung für diese nicht nur einen rechtlichen Vorteil, sind die Eltern an einer wirksamen Einwilligung gehindert, weil das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB entgegensteht. Im Falle eines nur rechtlichen Vorteils wird § 181 BGB teleologisch reduziert, da eine Interessenkollision ausgeschlossen werden kann1. Ansonsten bedarf es für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts eines vom Familiengericht bestellten Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 BGB. Die Erforderlichkeit eines Ergänzungspflegers ist dem Familiengericht unverzüglich anzuzeigen (§ 1909 Abs. 2 BGB). Die Anwendung des § 181 BGB bzw. die Thematik des lediglich rechtlichen Vorteils insgesamt ist seit Jahrzehnten umstritten. Es stehen sich drei Meinungen gegenüber. Während die erste eine formale Sichtweise dahingehend verfolgt, dass ein rechtlicher Nachteil durch die Willenserklärung des Minderjährigen ausgelöst werden muss2, stellt eine zweite Meinung auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab3. Letztendlich lässt sich noch eine dritte Meinung ausmachen, die einen sorgerechtlichen Betrachtungswinkel einnimmt4. Danach wäre auch die unentgeltliche Grundstücksübertragung zustimmungsbedürftig5. Während eine wirtschaftliche Betrachtung nicht trennscharf genug ist und dadurch letztendlich die Rechtssicherheit behindert, hat die sorgerechtliche Betrachtungsweise das Problem, den Rechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern zu sehr zu behindern. Daher ist der ersten Meinung der Vorzug zu geben, auch wenn sie manchmal nicht ganz stringent ist, da einige Nachteile nicht bereits im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts eintreten oder wirtschaftliche Aspekte in die Überlegungen zumindest mit einfließen. Bei Grundstücksschenkungen ist jedoch zu beachten, dass selbst im Fall einer wirksamen, dem beschränkt Geschäftsfähigen nur lediglich einen rechtlichen Vorteil bringenden Schenkung die anschließende Auflassung evtl. einer Beteiligung eines Ergänzungspflegers bedarf. Zwar wird mit der Übereignung des Grundstücks lediglich eine Verbindlichkeit erfüllt, so dass grundsätzlich das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB nicht greifen würde, jedoch erfolgt in diesen Fällen eine teleologische Reduktion des § 181 Halbs. 2 BGB aus Gründen des Minderjährigenschutzes, sofern das Erfüllungsgeschäft einen rechtlichen Nachteil beinhaltet6. Ein Verstoß gegen das Selbstkontrahierungsverbot führt lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; es ist damit noch einer Genehmigung zugänglich7. Bei der Veräußerung von Grundstücken, die im Eigentum eines Kindes stehen, bedürfen die Eltern ebenfalls der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643, 1821 BGB). c) Mängel in der Stellvertretung

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Ein Vertreter muss nach § 164 Abs. 1 BGB deutlich machen, dass er im Namen eines Dritten auftritt, ansonsten handelt es sich um ein Eigengeschäft (vgl. Rz. 38). Eine Offenlegung der Vertretung kann ausdrücklich geschehen oder sich aus den Umständen ergeben. Handelt der Vertreter, ohne vom Vertretenen dazu ermächtigt worden zu sein, fehlt ihm die benötigte Vertretungsmacht. Dem gleichgestellt ist die Überschreitung einer bestehenden Vertretungsmacht8. Er handelt dann als sog. falsus 1 2 3 4 5 6

BGH v. 25.4.1985 – IX ZR 141/84, BGHZ 94, 232 (235); v. 27.9.1972 – IV ZR 255/69, BGHZ 59, 236 (240). Lipp, JURA 2015, 477 (487). Köhler, JZ 1983, 225; Stürmer, AcP 1973, 402 (417). Köhler, JZ 1983, 225. Köhler, JZ 1983, 225 (230). BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137, MittBayNot 2005, 413 mit Anm. Feller/Lipp, JURA 2015, 477 (490). 7 BGH v. 8.10.1975 – VIII ZR 115/74, BGHZ 65, 123 (125 f.); v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229. 8 Giesen, JURA 1989, 57 (61).

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 44 § 1

procurator. Ein so abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam. Durch die Genehmigung des Vertretenen kann es wirksam werden (§ 177 Abs. 1 BGB). Zivilrechtlich tritt die Wirksamkeit rückwirkend ein, d.h. von Beginn an, grunderwerbsteuerlich jedoch erst im Zeitpunkt der wirksamen Genehmigung. Ein bewusstes Überschreiten der Vertretungsmacht im Einvernehmen des Vertragspartners, die sog. Kollusion, führt nicht zu einer schwebenden Unwirksamkeit, sondern zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 138 BGB (s. Rz. 50)1. Ansonsten sind die Rechtsfolgen des Überschreitens der Vertretungsmacht umstritten. Die Ansichten unterscheiden sich aber lediglich in der Begründung zur Anwendung der Vorschriften des §§ 177 ff. BGB. d) Anfechtung aa) Wirkung der Anfechtung Die Anfechtung von Willenserklärungen steht einem wirksamen Rechtsgeschäft entgegen, denn die Rechtsfolge einer wirksamen Anfechtung ist eine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Beginn an (ex tunc). Bis zu diesem Zeitpunkt handelt es sich jedoch um ein wirksames Rechtsgeschäft, das zur Tatbestandsverwirklichung führt2. Eine wirksame Anfechtung stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, das zur Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung führt. § 16 GrEStG wäre für diesen Fall nicht erforderlich. Anders ist dies jedoch in Fällen, in denen eine Rückübertragung des Grundstücks zu erfolgen hat. Ohne § 16 GrEStG käme es zur Grunderwerbsteuerfestsetzung für die Rückabwicklung (vgl. § 16 Rz. 2). Nichtsdestotrotz müssen sich die Vertragsbeteiligten etwaige erbrachte Leistungen zurückgewähren, ansonsten steht § 41 Abs. 1 AO der Aufhebung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entgegen3. Im bürgerlichen Recht bestehen zwei grundsätzliche Anfechtungsgründe: die Anfechtung wegen Irrtums und die damit einhergehende Anfechtung wegen falscher Übermittlung (§§ 119, 120 BGB) und zum anderen die Anfechtung wegen Täuschung und Drohung (§ 123 BGB).

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bb) Irrtumsanfechtung Auf die Details der Irrtumsanfechtung wird nicht näher eingegangen, da der im allgemeinen Teil des BGB stehende § 119 Abs. 2 BGB nach herrschender Auffassung ein lex generalis zu den Spezialvorschriften des Gewährleistungsrechts im Kauf- und Werkvertragsrecht (§§ 434 ff., 633 ff. BGB) darstellt. Die in § 119 Abs. 2 BGB befindliche Möglichkeit der Anfechtung wegen eines Identitäts- oder Eigenschaftsirrtums steht hinter den §§ 437 ff. BGB zurück. Da die letztgenannten Vorschriften jedoch erst ab Übergang von Nutzen, Lasten und Gefahr gelten, ist im Vorfeld wiederum § 119 Abs. 2 BGB einschlägig4. Darüber hinaus ist denkbar, dass eine Eigenschaft des Grundstücks nicht Teil des Vertrages geworden ist, jedoch objektiv als wesentliche Eigenschaft eines Grundstücks angesehen wird. Hier soll eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB ebenfalls möglich sein; sie wird nicht von § 437 BGB verdrängt5. Da der Anfechtung wegen der Bedeutung der Erklärung sowie der Erklärungshandlung, § 119 Abs. 1 BGB, im Schuldrecht keine Spezialregelung gegenübersteht, ist sie bei Vorliegen der Voraussetzungen anwendbar6. Festzuhalten ist, dass ein Irrtum bei der Willensbildung, der sog. Motivirrtum, grundsätzlich nicht unter §§ 119 ff. BGB fällt. Bei der Einbindung eines Vertreters kommt es darauf an, ob der Vertreter einem relevanten Irrtum unterlag (§ 166 Abs. 1 BGB). 1 2 3 4 5 6

BGH v. 18.4.1969 – V ZR 176/65, NJW 1969, 1245 (1247). BFH v. 9.3.1971 – II R 94/67, BStBl. II 1971, 597; v. 11.12.1969 – II B 51/69, BStBl. II 1970, 132. BFH v. 27.1.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425. Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse2, Rz. 478. Huber, Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, 26. Stadler, Allgemeiner Teil des BGB20, § 25 Rz. 70.

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§ 1 Rz. 45 Erwerbsvorgänge cc) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung 45

§ 123 BGB ermöglicht die Anfechtung einer Willenserklärung, wenn ihre Abgabe auf arglistiger Täuschung beruhte oder widerrechtlich durch Drohung erfolgte. Dabei wird hier unter Täuschung die bewusste (vorsätzliche) Erregung eines Irrtums verstanden1. Es kann aber auch aufgrund einer Aufklärungspflicht bei einem bestehenden Irrtum ein Anfechtungsgrund bestehen. So kann ein Käufer eines bebauten Grundstücks davon ausgehen, dass eine Baugenehmigung erteilt worden ist, ohne den Verkäufer danach gefragt zu haben2. Jedoch besteht keine Offenbarungspflicht gegenüber dem Käufer, dass das Gebäude mit Schwarzarbeit erstellt3 oder ehemals als Industriegelände genutzt worden ist4. Bei einer Kontaminierung des Grundstücks mit Öl besteht jedoch eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Erwerber5. Es reicht jedoch nicht, wenn eine Täuschung erfolgte; sie muss auch kausal für die abgegebene Willenserklärung geworden sein. Daher entfällt die Anfechtungsmöglichkeit, wenn der Getäuschte die Täuschung kennt und trotzdem das Rechtsgeschäft abschließt. Eine Drohung ist definiert als das Inaussichtstellen eines Übels, dessen Verwirklichung vom Willen des Drohenden abhängen soll6. Ein Hinweis auf ein drohendes Insolvenzverfahren, um jemanden zum Verkauf eines Grundstücks zu veranlassen, stellt keine Drohung dar, sondern lediglich eine Warnung7. Im Gegensatz zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB besteht bei der Anfechtung nach § 123 BGB kein Vorrang des Gewährleistungsrechts. Beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar. e) Schein- und Scherzgeschäfte

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Scheingeschäfte i.S.d. § 117 Abs. 1 BGB führen nicht zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, weil sie nichtig sind. In der Regel soll dann das verdeckte Geschäft gelten. Dies wird jedoch bei Grundstücksgeschäften an der Formvorschrift des § 311b BGB scheitern, so dass das verdeckte Geschäft nach § 125 BGB nichtig ist (s. Rz. 47). Durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch ist dieser Formmangel jedoch heilbar, so dass es bei Durchführung des Grundstücksgeschäfts zu einer Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kommt. Entsprechend dem Scheingeschäft führt auch eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung zur Nichtigkeit, von der der Antragende angenommen hat, dass die fehlende Ernsthaftigkeit vom Empfänger erkannt worden ist, sog. Scherzgeschäft (§ 118 BGB). Diese Form der Nichtigkeit ist jedoch äußerst selten und – aufgrund der in der Regel vor dem Notar stattfindenden Grundstücksgeschäfte – nahezu auszuschließen. f) Formmangel

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Für Verpflichtungsgeschäfte, die die Übertragung oder den Erwerb eines Grundstücks betreffen, sieht § 311b Abs. 1 BGB die notarielle Beurkundung vor. Zweck der Formvorschrift ist neben der Beratungs- und Beweisfunktion vor allem der Übereilungsschutz der Vertragspartner, da es sich beim Erwerb von Grundstücken um bedeutende Rechtsgeschäfte handelt. Ein Verstoß gegen die Formvorschrift durch Unterlassen der notariellen Beurkundung führt zur Nichtigkeit des Vertrags nach § 125 BGB. Nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB besteht noch die Möglichkeit einer Heilung des Formmangels durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch. Dadurch wird der zugrundeliegende Vertrag im Nachhinein wirksam. Zeitpunkt der Verwirklichung ist die Eintragung ins Grundbuch8. Eine übereinstimmende bloße Falschbezeichnung des Erwerbers führt zumindest dann nicht zur Formnichtigkeit des Vertrages, wenn er in der Urkunde selbst hinreichend bestimmt ist9. Selbst wenn

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 788. Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 797. BGH v. 2.3.1979 – V ZR 157/77, NJW 1979, 2243. BGH v. 14.10.1993 – III ZR 156/92, NJW 1994, 253. BGH v. 22.2.2002 – V ZR 113/01, NJW 2002, 1867. BGH v. 22.11.1995 – XII ZR 227/94, NJW-RR 1996, 1281 (1282). Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 814. FG Sachs. v. 11.9.2002 – 3 K 2406/00, BeckRS 2002, 260220347 (rkr.). BFH v. 21.12.1966 – II 149/63, BStBl. III 1967, 189.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 48 § 1

die beiden Vertragsparteien bei voller Willensübereinstimmung versehentlich ein falsches Grundstück in den Kaufvertrag aufnehmen, kommt der Vertrag mit dem gewollten Inhalt zustande1. Ein formnichtiger Grundstückskauf allein löst den § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht aus2. Ein Verstoß gegen formelle Vorschriften des BeurkG führt nicht zur Nichtigkeit nach § 125 BGB3. Die Form ist gewahrt, wenn das Angebot von einem Notar beurkundet worden ist und die Annahme von einem anderen Notar (§ 128 BGB). Eine Anwesenheit beider Vertragsparteien wie bei der Auflassung nach § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht erforderlich. Die Übersendung des Angebots bzw. der Annahme hat aber in der Form einer Ausfertigung der notariell beglaubigten Urkunde i.S.d. § 47 BeurkG zu erfolgen. Eine beglaubigte Abschrift reicht grundsätzlich nicht aus4. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn die Vertragsparteien zumindest konkludent auf den formwirksamen Zugang der Willenserklärung verzichten. Hinsichtlich der Annahme ist gesetzlich schon vorgesehen, dass der Vertrag bereits bei Beurkundung der Annahme zustande kommt, § 152 BGB. Beim Angebot ist es ebenfalls möglich, auf den formwirksamen Zugang zu verzichten5. Es kommt auch kein wirksamer Vertrag zustande, wenn die Formvorschrift lediglich aus Unachtsamkeit nicht eingehalten wird6. Die Bevollmächtigung eines Vertreters bedarf grundsätzlich nicht die Form des vorzunehmenden Rechtsgeschäfts, § 167 Abs. 2 BGB. Im Ausnahmefall ist sie trotzdem erforderlich, wenn die Vollmacht unwiderruflich ist7. Ein in der Form mangelhafter Vertrag unterliegt auch nicht gem. § 41 Abs. 1 AO der Steuer nach § 1 48 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG8. Das nach § 41 Abs. 1 AO erforderliche „wirtschaftliche Ergebnis“ ist etwas Reales, das sich nicht in einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, wiederfindet9. Etwas anderes soll jedoch bei einem infolge unvollständiger Beurkundung unwirksamen Rechtsgeschäft der Fall sein, da hier der Anschein eines wirksamen Rechtsgeschäfts erweckt würde, das die tatsächliche Übertragung möglich erscheinen lässt. Der BFH stellt dabei auf § 925a BGB ab, der eine Erklärung einer Auflassung nur zulassen soll, wenn ein formwirksamer Vertrag nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vorgelegt wird oder gleichzeitig errichtet wird10. Dies überzeigt m.E. nicht, denn teilweise oder gänzliche Formungültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts kann zumindest nicht allein entscheidend für die Anwendung des § 41 Abs. 1 AO sein, vielmehr ist auf das Verhalten der Vertragsparteien abzustellen. In dem Fall, in dem es tatsächlich zur Übereignung kommt, ist § 41 Abs. 1 AO unnötig, da aufgrund der Heilung des Verpflichtungsgeschäfts nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB ein tatbestandsverwirklichendes Rechtsgeschäft vorliegt. Kommt es nicht zur Übereignung, müssen die Vertragsparteien durch ihr Verhalten auf das wirtschaftliche Ergebnis einer Grundstücksübertragung hinsteuern. Tritt hier das wirtschaftliche Ergebnis der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück sogar ein, dürfte bereits der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein. Es bleibt damit lediglich ein sehr kleiner Anwendungsbereich für § 41 Abs. 1 AO. Letztendlich sind nur die Fälle denkbar, in denen der Anschein eines Eintritts der Erfüllung des Rechtsgeschäfts gewahrt wird, es aber tatsächlich nicht zur Erfüllung kommt. So war es auch im vom BFH entschiedenen Fall. Nach einem „Bauherrenmodell“ sollte eine Eintragung des Klägers unterbleiben, und im Rahmen des Kaufvertrages wurde gleichzeitig ein Angebot zum Rückkauf erteilt, das aber nicht vor Ablauf von acht Jahren angenommen werden konnte. In diesem Sonderfall, in dem sich die Klägerseite auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages aufgrund eines nicht ebenfalls notariell beurkundeten Vermittlungsvertrages berief, hat der entscheidende Senat sich zu1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 12.11.1975 – II R 116/75, BStBl. II 1976, 168; RG v. 13.12.1924 – V 652/23, RGZ 109, 334. BFH v. 17.12.1975 – II R 35/69, BStBl. II 1976, 465; v. 26.5.1970 – II R 184/66, BStBl. II 1970, 673. BFH v. 28.5.2003 – II R 38/01, BFH/NV 2003, 1449. Armbrüster, NJW 1996, 438 (438). BGH v. 7.6.1995 – VIII ZR 125/94, BGHZ 130, 71. Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 633. RG v. 20.3.1925 – VI 440/24, RGZ 110, 319 (320). BFH v. 18.3.2005 – II R 19/02, BFH/NV 2005, 1368; v. 17.12.1975 – II R 35/69, BStBl. II 1976, 465; Jenner, DStR 1986, 634 (637). 9 BFH v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989. 10 BFH v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698; v. 5.6.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267; v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989.

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§ 1 Rz. 48 Erwerbsvorgänge treffend auf § 41 Abs. 1 AO berufen und auf das „wirtschaftliche Ergebnis“ eines Rechtsgeschäfts abgestellt, so dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG trotz Formnichtigkeit anwendbar ist1. Nehmen beide Vertragsparteien Abstand vom nicht vollständig beurkundeten Verpflichtungsgeschäft und gewähren sich gegenseitig die ausgetauschten Leistungen zurück, erlischt der Steueranspruch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Abs. 1 AO2. g) Verstoß gegen Verbotsgesetze 49

Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 134 BGB). Umfasst ist jede Rechtsnorm, die ein Verbot begründet, Art. 2 EGBGB. Da § 134 BGB ohnehin schon eine sehr begrenzte Bedeutung hat, nimmt diese im Rahmen von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit Grundstücken noch weiter ab. Bekannt sind allenfalls nichtige Werkverträge aufgrund Verstoßes gegen das SchwarzArbG vom 1.8.2004. Die Veräußerung einer Arztpraxis, bei der die Patienten- und Beratungskartei ohne vorherige Zustimmung der betroffenen Patienten erfolgt, verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG, § 203 StGB. Der Verstoß gegen § 203 StGB reicht für die Nichtigkeit der Veräußerung nach § 134 BGB aus3. h) Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit und Wucher

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Im Zivilrecht gilt die Sittenwidrigkeit als Nichtigkeitsgrund von Rechtsgeschäften (§ 138 BGB). Als Annäherung an eine Definition der Sittenwidrigkeit wird auf das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden abgestellt. Sittenwidrig ist beispielsweise die Übertragung eines Grundstücks, wenn mit ihr die Ehefrau zur Einreichung der Klage auf Ehescheidung bewegt werden soll4. Ebenso ist die Verleitung zum Vertragsbruch sittenwidrig. Dabei ist nicht jedes Einwirken auf einen fremden Vertrag verwerflich, sondern erst, wenn „in dem Eindringen des Dritten in die Beziehung der Vertragspartner ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Betroffenen, ein Mangel an ‚Loyalität‘ im Rechtsverkehr […] hervortritt, und deshalb eine Berufung auf die relativen Bindungswirkungen von Verträgen als missbräuchliches Einspannen der Rechtsordnung für die eigenen Interessen erscheint“5. Im konkreten Fall hatte die Bundesbahn einem Landwirt das von ihm als Ersatzland gekaufte Grundstück entzogen, indem sie dem Grundstücksverkäufer durch das Versprechen sofortiger Kaufpreiszahlung und des Freihaltens von allen Schadensersatzansprüchen zum Vertragsbruch verleitet hatte. Eine ähnliche Motivlage besteht bei einem Überschreiten der Vertretungsmacht in Absprache mit dem Vertragspartner, der sog. Kollusion. Hier ist das Rechtsgeschäft ebenfalls nach § 138 BGB nichtig6.

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Ein Spezialfall der Sittenwidrigkeit ist der Wucher. Voraussetzungen für den Wucher sind ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sowie die in § 138 Abs. 2 BGB genannten Komponenten, die Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des mangelnden Urteilsvermögens. Bei Grundstückskäufen liegt ein besonders grobes Missverhältnis bereits dann vor, wenn der Kaufpreis für ein Grundstück nur etwa die Hälfte des Grundstückswertes ausmacht. Für die Annahme einer verwerflichen Gesinnung genügt es dann schon, dass sich der Begünstigte der Einsicht in die Schwäche des anderen Teils „bewusst oder grob fahrlässig verschließe“7. Die Frage der Sittenwidrigkeit wurde auch bei sog. Time-Sharing-Verträgen gestellt, in denen viele Erwerber Miteigentümer eines Ferienhauses in einem Ferienpark werden mit der Berechtigung, diese Ferienwohnung für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen (im konkreten Fall eine konkrete Kalen1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 5.6.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267. BFH v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698; v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989. BGH v. 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 (774). RG v. 17.9.1934 – IV 75/34, RGZ 145, 152. BGH v. 2.6.1981 – VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184 (2185). BGH v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26. BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 54 § 1

derwoche im Jahr). Der Preis für den Anteil betrug in etwa das Sieben- bis Zehnfache einer Eigentumswohnung1. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob die Sittenwidrigkeit auch das Verfügungsgeschäft umfasst, ob ein Fall der sog. Fehleridentität vorliegt. Ansonsten ist lediglich das Verpflichtungsgeschäft nichtig, und ggf. ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG verwirklicht. Bei Annahme des Wuchers wird in der Regel von einer Fehleridentität ausgegangen. Anders ist dies jedoch bei sittenwidrigen Geschäften i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB, da Verfügungen sittlich neutral sind2. Daneben ist § 40 AO zu beachten. Wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und es bestehen lassen, könnte § 1 Abs. 2 GrEStG einschlägig sein (vgl. Rz. 213). i) Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage Nunmehr für das Schuldrecht in § 313 BGB normiert ist der Wegfall bzw. die Störung der Geschäfts- 52 grundlage. Nach § 313 Abs. 3 BGB ist aber zunächst eine Anpassung des Vertrages zu prüfen, bevor die Möglichkeit des Rücktritts besteht und sich der Vertrag in ein Rückgewährsschuldverhältnis umwandelt. Grunderwerbsteuerliche Konsequenz ist in diesen Fällen eine Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 16 GrEStG vorliegen. Der verwirklichte Tatbestand bleibt zunächst unberührt. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt demnach vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen, wenn sie diese Änderung vorausgesehen hätten. Entsprechend ist beim Wegfall die Geschäftsgrundlage des Vertrages entfallen. Eine Geschäftsgrundlage wird gemäß der Rechtsprechung gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Parteien oder durch die dem anderen Teil erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut3. 4. Durchsetzbarkeit des Anspruchs Weiterhin muss der Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks durchsetzbar sein, 53 ihm darf somit keine Einrede entgegenstehen. Der BFH geht jedoch in seinem Urteil vom 21.4.1999 noch davon aus, dass die Durchsetzbarkeit des Anspruchs die Entstehung des Steueranspruches nicht berührt4. Im Urteil vom 11.12.2014 wird die Durchsetzbarkeit jedoch ohne nähere Begründung als Voraussetzung für die Steuerentstehung angeführt5. Die Durchsetzbarkeit war im letztgenannten Urteil nicht streitentscheidend, daher ist es fraglich, ob das Urteil tatsächlich eine Änderung der Rechtsprechung bedeutet. Für die Praxis dürfte dies kaum von Bedeutung sein. 5. Erhaltung von nichtigen Rechtsgeschäften Im Zivilrecht ist die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts die ultima ratio. Daher lässt es im eng begrenz- 54 ten Umfang die Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts gem. § 140 BGB bzw. die geltungserhaltende Reduktion zu. Voraussetzung ist aber in Abgrenzung zu § 117 Abs. 2 BGB, dass die Vertragsbeteiligten die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nicht kannten. Eine Umdeutung i.S.d. § 140 BGB erfolgt kraft Gesetzes und bedarf keiner entsprechenden Erklärung der Parteien6.

1 BGH v. 25.2.1994 – V ZR 63/93, BGHZ 125, 218. 2 Zimmermann, JR 1985, 48 (51 f.). 3 BGH v. 24.11.1995 – V ZR 164/94, ZIP 1996, 252 (254); v. 10.10.1984 – VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 (314). 4 BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493. 5 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 6 BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 310/00, NJW 2002, 2972 (2973).

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§ 1 Rz. 54 Erwerbsvorgänge Ebenso muss eine Teilnichtigkeit eines Vertrags nicht zwingend zur gänzlichen Nichtigkeit führen (§ 139 BGB). Soweit die Möglichkeit einer Erhaltung des Restvertrages besteht, soll dieser aufrechterhalten werden. Ausdruck des Erhaltungswunsches seitens der Vertragsparteien sind salvatorische Klauseln. So ist auch bei der Auslegung der Willenserklärungen der Vertragschließenden im Zweifel anzunehmen, dass eine Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht gewollt ist1. Eine weitere Möglichkeit zur Aufrechtrechterhaltung des Rechtsgeschäfts ist die Bestätigung nach § 141 BGB. Die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts nach § 141 BGB führt nicht zum nachträglichen Wegfall der Nichtigkeit, sondern ist als Neuvornahme zu beurteilen. Die Bestätigung eines Grundstücksgeschäfts muss ebenfalls der Formvorschrift des § 311b BGB genügen. Ob dies auch gelten soll, wenn die Nichtigkeit des Grundgeschäfts nicht auf einem Formmangel beruht, ist umstritten2. Unabhängig davon, ob die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts zur rückwirkenden Wirksamkeit führt, ist grunderwerbsteuerlich eine Rückwirkung nicht zulässig. 6. Anspruch auf Übereignung a) Abgrenzung des Anspruches auf Übereignung 55

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen nur solche Rechtsgeschäfte der Grunderwerbsteuer, die den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründen. Der Erwerber muss einen Eigentumsverschaffungsanspruch haben. Der explizit genannte Kaufvertrag ist der Hauptanwendungsfall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Durch einen Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer, eine Sache zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen. Im Gegenzug hat der Käufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die Sache abzunehmen (vgl. § 433 BGB). Besteht die Gegenleistung für ein Grundstück zumindest teilweise in einem anderen Grundstück, liegt ein Tausch i.S.d. § 1 Abs. 5 GrEStG vor (vgl. Rz. 1020 ff.). Der Erwerb eines bestehenden Erbbaurechts ist ein Rechtskauf, in dem der Verkäufer verpflichtet wird, dem Käufer das Recht zu verschaffen und, da das Erbbaurecht in der Regel zum Besitz einer Sache berechtigt, den Besitz an der Sache zu übergeben (§ 453 Abs. 1, 3 i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei der freiwilligen Versteigerung kommt es ebenfalls zu einem Kaufvertrag. Dieser kommt nach § 156 BGB erst durch den Zuschlag zustande, mit dem der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Der dadurch abgeschlossene Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung3.

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In der Regel begründen Vorverträge keinen Anspruch auf Übereignung. Sie enthalten lediglich einen Anspruch auf Abschluss eines Hauptvertrages4. Erst der Abschluss des Hauptvertrages, wenn dieser einen Anspruch auf Grundstücksübereignung begründet, führt zur Tatbestandsverwirklichung. Gleiches gilt für einen „Bewerbervertrag“, der lediglich die Beziehung zwischen Erwerber und dem Wohnungsunternehmen festlegen soll und beide Vertragsteile verpflichtet, noch einen Kaufvertrag nach einem bestimmten Muster abzuschließen5. Nur ausnahmsweise, wenn aus dem Vorvertrag direkt auf Erklärung der Auflassung geklagt werden kann, liegt ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor6. Auch aufgrund eines unwiderruflichen Angebots auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages wird noch kein § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht7. 1 BFH v. 16.6.1999 – II R 20/98, BFH/NV 2000, 80. 2 BGH v. 6.5.1985 – VIII ZR 119/84, NJW 1985, 2579; Busche in MüKo8, § 141 BGB Rz. 15; a.A. Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB11, Rz. 532; Schmidt, AcP 1989, 1 (9). 3 BGH v. 24.4.1998 – V ZR 197/97, NJW 1998, 2350. 4 BFH v. 11.10.1989 – II R 147/85, BStBl. II 1990, 188; v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828; BGH v. 17.12.1987 – VII ZR 307/86, BGHZ 102, 384. 5 BFH v. 11.10.1989 – II R 147/85, BStBl. II 1990, 188; ähnlich bereits BFH v. 26.5.1970 – II R 184/66, BStBl. II 1970, 673, in der Begründung ließ man es aber an der mangelnden Form scheitern. 6 BFH v. 22.4.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. 7 BFH v. 13.2.1968 – II R 134/66, BFHE 91, 447.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 59 § 1

Entsprechend sind sog. Optionsverträgen zu beurteilen. Die Parteien haben lediglich die Möglichkeit, den Abschluss eines Hauptvertrages zu wählen. Ein solcher Optionsvertrag erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Erst die Ausübung des Optionsrechts führt zu einem Verpflichtungsgeschäft mit einem Anspruch auf Übereignung1. Eine andere Variante stellen Ankaufsrechte dar. Da sie in unterschiedlichster Form ausgestaltet sein 57 können, ist auf den Einzelfall abzustellen. Wird in einem Leasingvertrag ein Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks verankert, ohne dass ein weiteres Gestaltungsrecht erforderlich ist, dann erfüllt ein derartiger Vertrag die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG2. Anderenfalls unterliegt erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer3. Das gilt selbst für den Fall, dass bereits mit dem Ankaufsrecht eine bewilligte Auflassungsvormerkung einhergeht, die dieses absichert4. Erst der Zugang der wirksamen Erklärung über die Ausübung des Ankaufsrechts führt zur Tatbestandsverwirklichung. Eine Verlängerung der Leasingdauer ist unbeachtlich5. In diesem Zusammenhang kann aber der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht werden (vgl. Rz. 225 ff.). Bei der Übertragung eines Ankaufsrechts könnte es sich um ein Zwischengeschäft handeln (vgl. Rz. 174 f.). Die Einräumung eines Vorkaufsrechts unterliegt nicht der GrESt. Die Einräumung eines Vorkaufs- 58 rechts kann kraft Gesetzes oder aufgrund eines Rechtsgeschäfts erfolgen. Man unterscheidet dingliche, schuldrechtliche und öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte6. Bei der vertraglichen Einräumung eines Vorkaufsrechts bzgl. eines Grundstücks ist § 311b Abs. 1 BGB zu beachten7. Unter einem Vorkaufsrecht versteht man die Befugnis, einen geschlossenen Kaufvertrag zu übernehmen, und zwar zu den Bedingungen, die im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufs gelten8. Das Bestehen eines Vorkaufsrechts hat keinen Einfluss auf den abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag9. Erst die Ausübung des Vorkaufsrechts führt zu einem Rechtsgeschäft zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verkäufer (§ 464 Abs. 2 BGB)10. Ist im Vertrag zwischen Verkäufer und Erstkäufer keine auflösende Bedingung bzgl. der Ausübung des Vorkaufsrechts enthalten, bleibt der Eigentumsverschaffungs- bzw. Auflassungsanspruch des Erstverkäufers davon (zunächst) unberührt11. Die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts gem. § 456 BGB stellt einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag dar12. Zu beachten ist, dass die Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht der Formvorschrift des Kaufvertrages bedarf, also nicht einer notariellen Beurkundung (§ 456 Abs. 1 Satz 2 BGB). Erst die Ausübung des Wiederkaufsrechts führt zur Entstehung der Grunderwerbsteuer. Im Zusammenhang mit dem Wiederkauf kann § 16 GrEStG einschlägig sein (vgl. § 16 Rz. 48). Klarstellend ist anzumerken, dass allein durch die Aufhebung eines Kaufvertrages kein weiterer grunderwerbsteuerlicher Tatbestand verwirklicht wird. Der bereits verwirklichte Tatbestand bei Abschluss des Kaufvertrages bleibt davon unberührt13. Schenkungsverträge nach § 516 BGB, Vergleiche von Gericht, Auflösung von Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaften oder sonstige schuldrechtliche Vereinbarungen, die einen Anspruch auf Über1 BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. 2 BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. 3 BFH v. 15.3.2006 – II R 11/05, BFH/NV 2006, 1704; v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630; v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. 4 BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. 5 BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818. 6 Ausführliche Darstellung in Bruschke, UVR 2019, 244. 7 RG v. 24.1.1910 – Rep. V. 324/08, RGZ 72, 385. 8 RG v. 7.7.1927 – VI 10/27, RGZ 118, 5. 9 BFH v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305 Rz. 3. 10 BFH v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305 Rz. 3; v. 8.10.2008 – II R 15/07, BStBl. II 2009, 245; v. 20.12.2000 – II R 13/99, BFH/NV 2001, 937. 11 Behrens, BB 2019, 1047 (1049). 12 BFH v. 12.12.1979 – II R 15/76, BStBl. II 1980, 162; BGH v. 19.12.1962 – V ZR 190/60, BGHZ 38, 369; v. 17.12.1958 – V ZR 51/57, BGHZ 29, 107. 13 BFH v. 22.6.2010 – II R 24/09, BFH/NV 2010, 2300.

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§ 1 Rz. 59 Erwerbsvorgänge tragung eines Grundstücks begründen, erfüllen den Tatbestand des Rechtsgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ebenfalls. So führt auch ein Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag, der den Gesellschaftern einer GbR einen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Wohn- oder Teileigentums verschafft, zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG1. Gleiches gilt für einen Vertrag zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter, mit dem ein Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet wird2. Es reicht aus, wenn das Grundstück nur u.a. Vertragsgegenstand ist, weil eine sog. Sachgesamtheit übergeht, z.B. ein Betrieb im Ganzen. Entsprechendes gilt beim Erbschaftskauf (§§ 2371 ff. BGB) bzw. beim Erbteilskauf (§ 1922 Abs. 2 i.V.m. §§ 2371 ff. BGB) oder beim Vermögenskauf (§ 311b Abs. 3 BGB). b) Bestellung und Verlängerung von Erbbaurechten 60

Da die Erbbaurechte gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken im Sinne des bürgerlichen Rechts gleichgestellt sind, unterliegt neben der Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts3 bereits die Bestellung der Grunderwerbsteuer4. Bestellen zwei Grundstückeigentümer an ihren Grundstücken ein Gesamterbbaurecht, liegen zwei grunderwerbsteuerliche Vorgänge gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Daran ändert auch nichts, dass dinglich nur die Bestellung eines Gesamterbbaurechts erfolgt5. Darüber hinaus unterliegt ebenfalls die Ausübung des Vorrechts auf Verlängerung des Erbbaurechts nach § 31 ErbbauRG sowie eine Vereinbarung über die Verlängerung der Grunderwerbsteuer6. Die Vereinbarung über die Verlängerung verwirklicht erneut den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und führt nicht zur Änderung der bisherigen Grunderwerbsteuerfestsetzung. Zur Beendigung des Erbbaurechts s. auch Rz. 77. c) Treuhandgeschäfte und Auftragserwerbe

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Treuhandgeschäft und Auftragserwerb sind keine Sonderfälle der Grunderwerbsteuer, sondern ihre vertragliche Ausgestaltung zieht die systemgerechten grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen nach sich. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Vereinbarungen einen öffentlich-rechtlichen oder einen privatrechtlichen Charakter haben7. Anders als ein Kaufvertrag ist ein Treuhandvertrag nicht normiert und lässt sich daher lediglich in seiner Typologie beschreiben. Bei einem Treuhandverhältnis handelt es sich um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem Treuhänder und dem Treugeber, in der dem Treuhänder Vermögensrechte übertragen werden, die er im Rahmen der Vereinbarung nutzen soll. Typisch für eine Vollrechtstreuhand (echte Treuhand)8 ist, dass sie neben der schuldrechtlichen eine dingliche Komponente aufweist, indem die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm zugleich in der Weise anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer inhaltlich mit

1 BFH v. 22.5.2019 – II R 20/17, BStBl. II 2020, 159. 2 BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555. 3 FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 2.2.1, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827; BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135; v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136 m.w.N. 4 FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 2.2.2, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827; BFH v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 71; v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136 m.w.N.; FG München v. 23.11.2011 – 4 K 2267/08 (rkr.). 5 BFH v. 24.4.2013 – II R 53/10, BStBl. II 2013. 755 = AO-StB 2013, 266. 6 Bruschke, ErbStB 2021, 191 (193); BFH v. 23.4.2020 – II B 80/19, BFH/NV 2020, 925; FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 2.2.3, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827; v. 18.8.1993 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766. 7 BFH v. 28.9.1988 – II R 244/85, BStBl. II 1989, 157. 8 Bei der Vollmachts- und Ermächtigungstreuhand (unechte Treuhand) mangelt es an dieser dinglichen Komponente, der Treugeber bleibt Vollrechtsinhaber am Treugut.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 62 § 1

dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben darf 1. Entsprechend der dinglichen Komponente unterscheidet man drei Formen: – Die Übertragungstreuhand: der Treugeber überträgt das Treugut auf den Treuhänder, – die Erwerbstreuhand: der Treuhänder erwirbt das Treugut im Auftrag des Treugebers und – die Vereinbarungstreuhand: der Treuhänder ist zivilrechtlicher Eigentümer des Treugutes und vereinbart mit dem Treugeber, dass er zukünftig Treuhänder für ihn sein will2. Ob eine Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treuhänders als typisierendes Merkmal besteht, wird kritisch gesehen, da es den Zweck diverser Treuhandgestaltungen widerspricht3. So ist gerade eine Sicherungstreuhand nicht darauf ausgerichtet, einem jederzeitigen Herausgabeanspruch des Sicherungsgebers gegenüberzustehen. Gleiches gilt für gesetzlich geregelte Fälle der Treuhand, wie z.B. den Nachlass- und Insolvenzverwalter. Der BFH geht für die Annahme eines Treuhandverhältnisses wohl von einem jederzeitigen Herausgabeanspruch aus4. Aber das scheint auch nur im Grundsatz zu gelten5, obwohl er auf das grundlegende Urteil vom 15.7.1997 verweist, in dem die Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes noch uneingeschränkt gefordert wird6. Im Umkehrschluss kann es begründete Ausnahmen dafür geben, dass ein Treuhandverhältnis angenommen werden kann und muss, ohne einen jederzeitigen Herausgabeanspruch zu fordern, wie bei der Sicherungstreuhand oder der Testamentsvollstreckung. Die Finanzverwaltung trifft hinsichtlich der Grunderwerbsteuer dazu keine Aussage7. Ferner ist zivilrechtlich seitens der Rechtsprechung für ein Treuhandverhältnis das Unmittelbarkeitsprinzip entscheidend. Danach hat der Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers zu erhalten. Eine Vereinbarungstreuhand würde demnach zivilrechtlich zu keiner wirtschaftlichen Zuordnung zum Treugeber führen8. Steuerrechtlich ist die Vereinbarungstreuhand jedoch anerkannt9. Gleiches gilt für die Erwerbstreuhand10. Ein Treuhandverhältnis ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn die mit der rechtlichen Eigentümerbzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als „leere Hülle“ erscheint. Dies ist der Fall, wenn der Treugeber das Treuhandverhältnis sowohl aufgrund der getroffenen Absprachen als auch im tatsächlichen Vollzug beherrscht. Wesentliches Merkmal dieser Beherrschung ist die Weisungsbefugnis des Treugebers in Bezug auf die Behandlung des Treugutes. Die Vereinbarung eines Treuhandentgeltes sowie die bilanzielle Behandlung haben lediglich indizielle Bedeutung11. Der Treuhänder darf nur innerhalb dieser übertragenen Rechte wirken (Innenverhältnis). Nach au- 62 ßen hin unterliegt der Treuhänder hingegen keinen Beschränkungen. Er tritt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf. In der Regel ist das Treuhandverhältnis im Außenverhältnis nicht zu erkennen. Dadurch unterscheidet es sich von der Stellvertretung. Der Stellvertreter tritt im fremden Namen auf (vgl. Rz. 38). Der Treuhänder eines Grundstücks ist in der Regel dessen zivilrechtlicher Eigentümer. Im Falle einer Insolvenz erfahren Treuhandverhältnisse Einschränkungen. So resultiert aus der schuldrechtlichen Vereinbarung der Treuhand allein kein Aussonderungsrecht des Treugebers an einem Grundstück nach § 47 InsO bei Insolvenz des Treuhänders12. Im umgekehrten Fall, bei der Insolvenz des Treugebers, hat

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227. BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 131. BFH v. 24.4.2013 – II R 32/11, BStBl. II 2013, 962. BFH v. 20.1.1999 – I R 69/97, FR 1999, 806 mit Anm. Fischer = BFH/NV 1999, 1261. BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152 = FR 1997, 913. FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, BStBl. I 2007, 757. BGH v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213. BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152. BFH v. 6.10.2009 – IX R 14/08, BStBl. II 2010, 460; v. 22.10.2014 – II R 41/13, BFH/NV 2015, 232. BFH v. 24.11.2009 – I R 12/09, BStBl. II 2010, 590. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227.

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§ 1 Rz. 62 Erwerbsvorgänge der Insolvenzverwalter im Falle einer uneigennützigen Treuhand ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO, bei der eigennützigen jedoch nur ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO1. Das GrEStG setzt auf die zivilrechtliche Vereinbarung auf, die Regelungen des § 39 Abs. 2 AO sind in Treuhandfällen in der Regel nicht anwendbar2. 63

Ferner ist bei der Treuhand die uneigennützige von der eigennützigen Treuhand zu unterscheiden. Die eigennützige Treuhand liegt im Interesse des Treuhänders. Dem Treuhänder selbst ist daran gelegen, die Vermögensrechte am Treugut zu erlangen. Das eingängigste Beispiel dazu ist die Sicherungstreuhand. Hier ist der Treuhänder in der Regel gleichzeitig Darlehensgeber und erhält im Gegenzug Sicherheiten für das hingegebene Darlehen. Aus der eigennützigen Treuhandvereinbarung bzgl. eines Grundstücks zwischen dem Grundstückseigentümer als Treugeber und dem Dritten als Treuhänder resultiert ein Anspruch auf Übereignung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG3. Sollte im Treuhandvertrag für den Treugeber bereits ein aufschiebend bedingter Rückübertragungsanspruch vereinbart worden sein, was in der Regel geschieht, so wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Zu beachten ist jedoch, dass eine etwaige Grunderwerbsteuer nach § 14 Nr. 1 GrEStG erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung entsteht. Zu Fragen einer etwaigen Steuerbefreiung vgl. § 3 Rz. 263 ff.

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Im Gegensatz dazu besteht bei der uneigennützigen Verwaltungstreuhand kein Anspruch auf Übereignung des Treuguts. Hier erhält der Treuhänder lediglich den Auftrag oder die Geschäftsbesorgung für das Treugut. Der schuldrechtliche Vertrag zwischen Treuhänder und Treugeber ist nicht auf eine Übertragung gerichtet, so dass der Treuhänder, anders als bei der eigennützigen Treuhand, keinen Anspruch auf Übertragung ableiten kann4. Als Beispiel ist der Testamentsvollstrecker als uneigennützige Verwaltungstreuhand zu nennen. Mangels Anspruchs auf Übereignung im Falle einer uneigennützigen Verwaltungstreuhand an einem Grundstück ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG daher nicht verwirklicht. Ist im Fall der uneigennützigen Treuhand eine Übertragung angestrebt, erfolgt sie in einem separaten Vertrag, der bei einem Grundstück lediglich die Auflassung beinhaltet (s. Rz. 78). Dieser führt zur Entstehung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Ein Grund für eine Ausnahme von der Besteuerung im Wege einer teleologischen Reduktion besteht nicht5. In der Konsequenz des Auftragscharakters besteht für den Treugeber mit Übereignung ein kraft Gesetzes entstehender durchsetzbarer Anspruch aus § 667 BGB auf Rückübereignung. Für Fragen einer etwaigen Steuerbefreiung vgl. § 3 Rz. 263 ff. Da dieser Anspruch kraft Gesetzes und nicht rechtsgeschäftlich entsteht, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt6. Die Auflassung aufgrund dieses Herausgabeanspruches unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG (vgl. Rz. 78).

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Weil der Treuhänder in der Regel Eigentümer des Grundstücks ist, verwirklicht der Treuhänderwechsel den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG, da das Grundstück auf den neuen Treuhänder übertragen wird7. Bzgl. der Wechsel von Treugebern sowie der Auflösung von Treuhandverhältnissen wird auf die Ausführungen zu § 1 Abs. 2 GrEStG verwiesen (Rz. 268 f.). Im Falle einer Vereinbarungstreuhand, bei der der Eigentümer eines Grundstücks vereinbart, nunmehr Treuhänder für einen Dritten zu sein, erhält der Dritte als Treugeber eine Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. Rz. 254 ff.).

66

Der Auftragserwerb kann als Treuhandverhältnis ausgestaltet sein (vgl. Rz. 61 ff.), oder es handelt sich um ein reines Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis. 1 2 3 4 5 6

Krönert in Blersch/Goetsch/Haas, § 47 InsO Rz. 38 und 40. BFH v. 30.11.2020 – II B 41/20; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19 § 1 GrEStG Rz. 134. FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, Tz. 1.1., BStBl. I 2007, 757. FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, Tz. 1.1., BStBl. I 2007, 757. BFH v. 30.11.2000 – II B 41/20, BFH/NV 2021, 447. Behrens/Seemaier, BB 2018, 1111 (1112); a.A. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 139, mit einer anderen Begründung kommt sie zum gleichen Ergebnis. 7 FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, Tz. 1.3.5., BStBl. I 2007, 757.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 69 § 1

Unter „Auftrag“ ist nach § 662 BGB ein unvollkommen zweiseitiger unentgeltlicher Vertrag zu verstehen, durch den sich der Beauftragte verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen. Wurde ein Entgelt vereinbart, handelt es sich nicht mehr um einen Auftrag. Es könnte dann ein Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 Abs. 1 BGB vorliegen. Bezieht sich der Auftrag auf den Erwerb eines Grundstücks, ist er grundsätzlich formbedürftig1. Ob ein Auftrag bzw. ein Geschäftsbesorgungsvertrag vorliegt, muss im Einzelfall entschieden und festgestellt werden. Die Feststellung einer lediglich wirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen oder personellen Verflochtenheit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer reicht dazu nicht aus2. Der Übertragungsanspruch des Auftraggebers bzw. Geschäftsherrn unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, da der Anspruch nach § 667 BGB kraft Gesetzes entsteht (vgl. Rz. 78). Jedoch ist § 1 Abs. 2 GrEStG zu beachten (vgl. Rz. 219 ff.). Der Grundstückserwerb des Beauftragten bzw. des Geschäftsbesorgers von einem Dritten führt natürlich zu einem grunderwerbsteuerbaren Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Sicherungsübereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden, das Scheinbestandteil ist, unterliegt nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer3. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob vertraglich vereinbart ist, dass das Gebäude nach vollständiger Rückzahlung des gewährten Kredits ohne Weiteres an den Sicherungsgeber zurückfällt und der Sicherungsnehmer das Gebäude nur dann verwerten darf, wenn der Sicherungsgeber seinen Verpflichtungen nicht pünktlich nachkommt. Entscheidend für den grunderwerbsteuerlichen Vorgang ist aber, ob die Rückübertragung als auflösend bedingter Erwerb oder als Vereinbarung zur Rückübertragung nach Vertragserfüllung ausgestaltet ist.

67

d) Gesellschaftsrechtliche Vorgänge Der Einbringungsvertrag eines Gesellschafters, der die Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks für die Gewährung von Gesellschaftsrechten beinhaltet, begründet einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks und verwirklicht damit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG4. Gleiches gilt auch für die Einbringung von Bruchteilseigentum an einem Grundstück5. Umgekehrt unterliegt auch die „Auskehrung“ eines Grundstücks aus einer Personengesellschaft auf einen Gesellschafter der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG6.

68

e) Leistung an Erfüllungs statt und erfüllungshalber Bei einer Leistung an Erfüllungs statt hat der Vertragsschuldner laut Vertrag oder aufgrund Rechtsvorschrift eine bestimmte Leistung zu erbringen; statt dieser Leistung erbringt er eine andere Leistung (§ 364 Abs. 1 BGB). Vereinbaren die Parteien, dass statt der zu erbringenden Leistung ein Grundstück zu übertragen ist, dann stellt diese Vereinbarung ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar, da der Gläubiger nunmehr einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks erhält7. Dies gilt auch bei der Vereinbarung zur Übertragung eines Grundstücks zur Abgeltung eines Nachabfindungsanspruchs aus § 13 HöfO. Sofern das Grundstück bereits hinreichend bestimmt ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht8.

1 Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 18; BFH v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419. 2 BFH v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419. 3 FinMin. NW v. 29.4.1985 – S 4543 – 16 – V A 2; BFH v. 1.2.1956 – II 162/55 S, BStBl. III 1956, 93; v. 22.10.1952 – II 67/52 U, BStBl. III 1952, 310. 4 BFH v. 4.5.2011 – II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 153. 5 FG Düsseldorf v. 14.1.2015 – 7 K 3532/14 GE, EFG 2015, 583 (rkr.). 6 FG Münster v. 24.1.2008 – 8 K 4378/05 GrE, EFG 2008, 971 (rkr.). 7 BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775. 8 BFH v. 29.9.2015 – II R 23/14, BStBl. II 2016, 104.

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§ 1 Rz. 69 Erwerbsvorgänge Entsprechendes gilt für Grundstücke, die lediglich erfüllungshalber übertragen werden. Im Unterschied zur Übertragung an Erfüllungs statt bleibt die ursprüngliche Forderung bestehen. Der Gläubiger erhält ersatzweise z.B. ein Grundstück, um sich daraus zu befriedigen. Eine derartige Vereinbarung erfüllt ebenso die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. f) Vertragsübernahme und -beitritt 70

Die Vertragsübernahme ist vom Vertragsbeitritt abzugrenzen. Unter einer Vertragsübernahme versteht man zivilrechtlich die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen, damit tritt jemand an die Stelle einer Vertragspartei1. Aufgrund der erheblichen Bedeutung für die verbleibenden Vertragsbeteiligten bedarf ein solch schuldrechtliches Geschäft der Zustimmung der Beteiligten. Der Rechtsträgerwechsel findet zwischen dem bisherigen Erwerber und dem neuen Erwerber statt. Im Falle eines Vertragsbeitritts hingegen tritt ein weiterer Erwerber neben den Ersterwerber. Es kommt somit ein neuer Vertragsbeteiligter, ein weiterer Steuerschuldner, hinzu (vgl. § 13 Rz. 14). Im Gegensatz zu einer Vertragsübernahme bzw. einem Vertragsbeitritt ändert sich bei einem Neuabschluss mehr als nur die Person des Käufers2. Daher ist im Einzelfall die Vertragsübernahme vom Neuabschluss abzugrenzen. Im Falle eines Grundstückskaufes wird bei einem Neuabschluss ein weiterer Vertrag zwischen dem Veräußerer und dem Dritten abgeschlossen, der zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG führt3. Bei der Abgrenzung handelt es sich um eine Vertragsauslegung, für die die allgemeinen Grundsätze der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen sind. In allen Fällen ändert sich an der Steuerbarkeit des ersten Vertrages nichts4. Hinsichtlich der Aufhebbarkeit des ersten Vertrages vgl. § 16 Rz. 56 f. Sowohl bei Vertragsübernahme bzw. -beitritt als auch beim Neuabschluss kommt es zu einem Rechtsträgerwechsel. Bei ersteren besteht die rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem bisherigen Erwerber und dem neuen Käufer. Es wird jedoch nicht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG (vgl. Rz. 152)5. In allen Fällen bedarf es der Form des § 311b BGB. Ansonsten sind die Vereinbarungen wegen Formmangels nach § 125 BGB nichtig (vgl. Rz. 47). g) Stiftungsgeschäft unter Lebenden, § 81 BGB

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Die einseitige Verpflichtung eines Stifters, das sog. Stiftungsgeschäft, zur Übertragung eines Grundstücks auf eine Stiftung beinhaltet laut FG Schleswig-Holstein einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks und verwirklicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Ist das Grundstück noch nicht genau bestimmt, führt dies jedoch noch nicht zur Entstehung der Grunderwerbsteuer6. Eine derartige Verpflichtung wird mit Bekanntgabe der Stiftungsurkunde durch die zuständige Landesbehörde wirksam. Eine fehlende notarielle Beurkundung des Stiftungsgeschäfts steht dem nicht entgegen7. § 311b BGB greift in diesem Fall nicht8. Dies wird in der Gesetzesbegründung zum ab dem 1.7.2023 geltenden § 81 BGB ausdrücklich klargestellt9. Der BFH hat in der Revision zum Urteil des FG Schleswig-Holstein die Frage offengelassen, ob die Verpflichtung des Stifters zu einer Tatbestandsverwirklichung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG führt10. Pahlke lehnt dies ohne nähere Begrün1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Grüneberg in Palandt80, § 398 BGB Rz. 41. BFH v. 22.9.2010 – II R 36/09, BFH/NV 2011, 304. BFH v. 12.6.2002 – II S 1/01, BFH/NV 2002, 1343. BFH v. 13.5.1992 – II B 118/91, BFH/NV 1993, 326. BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526; FinMin. Sachs. v. 5.9.1995 – S 4543 – 3/10 – 47915. BFH v. 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/NV 2014, 579; FG Schl.-Holst. v. 8.3.2012 – 3 K 118/11, EFG 2012, 1184. FG Schl.-Holst. v. 8.3.2012 – 3 K 118/11, EFG 2012, 1184. Weitemeyer in MüKo8, § 81 BGB Rz. 8; a.A. Ellenberger in Palandt80, § 81 BGB Rz. 3; OLG Köln v. 5.8.2019 – 2 Wx 220/19, ZEV 2019, 729. Lorenz/Mehren, DStR 2021, 1774 (1775). BFH v. 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/NV 2014/579.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 73 § 1

dung ab und unterwirft erst die Auflassung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG1. Dem ist mit Wachter zuzustimmen. Das Stiftungsgeschäft sei ein einseitiges Rechtsgeschäft und begründe auch keinen unmittelbaren Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks. Von der staatlichen Anerkennung sei lediglich das Entstehen der Stiftung, nicht jedoch das Entstehen des Rechtsgeschäfts abhängig. Dies sei nicht mit dem Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts durch Genehmigung vergleichbar2. Daher unterliegt erst die Auflassung eines Grundstücks auf eine Stiftung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. h) Flächenerwerbe nach dem Ausgleichsleistungsgesetz Ziel des Ausgleichsleistungsgesetzes3 ist es, für den Sonderbereich der staatlichen Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, eine Grundlage zu schaffen. Dem darin enthaltenen Wiedergutmachungsgedanken steht nicht entgegen, dass Erwerbe aufgrund dieses Gesetzes der Grunderwerbsteuer unterliegen4. An der Grunderwerbsteuerpflicht hat auch das Zweite Flächenerwerbsgesetz v. 21.3.20115 nichts geändert6. Ein ergänzender Flächenerwerb nach dem Ausgleichsleistungsgesetz, der im Rahmen einer vertraglichen Nachtragsvereinbarung erfolgt, stellt keinen eigenen grunderwerbsteuerlichen Vorgang dar, wenn er als Einheit mit dem früheren Erwerb angesehen werden kann7.

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7. Umgehungsgeschäft und Anwendung des § 42 AO Der Erwerb eines GbR-Anteils stellt grundsätzlich kein Rechtsgeschäft dar, das den Anspruch auf 73 Übertragung eines Grundstücks begründet. Aufgrund der schuldrechtlichen Vertragsfreiheit ist es jedoch zulässig, einen GbR-Anteil derart mit einem Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks, z.B. von Wohnungseigentum, zu verknüpfen, dass darin eine Steuerumgehung zu sehen ist. Es ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO erfüllt. Voraussetzung dafür ist, dass die gesellschaftsrechtliche Konstruktion dem Erwerb eines Grundstücks im grunderwerbsteuerlichen Sinne entspricht. Dies ist gegeben, wenn der Gesellschaftsanteil mit einer besonderen Berechtigung an einem Gesellschaftsgrundstück untrennbar verknüpft ist und die Gesellschafterstellung jederzeit durch einseitige Erklärung in einen Übereignungsanspruch übergehen kann8. Entscheidend ist aber, dass der Gesellschafter die Übereignung herbeiführen kann. Die bloße Möglichkeit, über eine Grundstücksübertragung zu verhandeln, reicht nicht aus9. Für den Fall der Anwendung des § 42 AO ist zu beachten, dass er eine zivilrechtlich wirksame Gestaltung erfordert. Im Hinblick auf den Erwerb eines Übereignungsanspruchs an einem Grundstück bedeutet dies, dass das Rechtsgeschäft einer notariellen Beurkundung bedarf. Liegt diese nicht vor, ist

Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 127. Wachter, DStR 2012, 1900 (1900 f.). BGBl. I 2004, 1665. BFH v. 15.3.2007 – II R 80/05, BStBl. II 2007, 611; v. 26.10.2006 – II R 49/05, BStBl. II 2007, 324. BGBl. I 2011, 450. BFH v. 22.11.2018 – II B 51/18, BFH/NV 2019, 205. FG MV v. 5.6.2014 – 3 K 413/12; die Entscheidung des FG wurde vom BFH mit Urteil v. 17.5.2017 – II R 7/15, BStBl. II 2018, 23, bestätigt. 8 FG Hamburg v. 21.2.2014 – 3 K 66/13, EFG 2014, 1214; BFH v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539; v. 1.12.2004 – II R 23/02, BFH/NV 2005, 721; v. 2.2.1994 – II R 84/90, BFH/NV 1994, 824; v. 10.5.1989 – II R 86/86, BStBl. II 1989, 628, v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680; v. 24.1.1990 – II R 138/87, BFH/NV 1991, 119. 9 BFH v. 7.2.2001 – II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144; v. 18.8.1993 – II R 51/91, BStBl. II 1993, 879; v. 27.3.1991 – II R 82/87, BStBl. II 1991, 731. 1 2 3 4 5 6 7

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§ 1 Rz. 73 Erwerbsvorgänge das Rechtsgeschäft nach § 125 BGB nichtig, so dass eine Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht möglich ist1. Dem wird mit der Meinung entgegengetreten, dass für die Begründung bzw. den Beitritt zu einer Grundstückspersonengesellschaft eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich ist und man aus diesem Grund die für § 1 Abs. 2a GrEStG anerkannten Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwenden könnte mit dem Ergebnis, dass der Formverstoß keine Rolle spielen dürfe2. Diese Meinung überzeugt nicht, weil die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aus Gründen des Verkehrsschutzes für Dritte und des Bestandschutzes für die übrigen Gesellschafter entwickelt worden sind. Danach wird eine Gesellschaft ex nunc als nichtig angesehen3. Dass diese Grundsätze auf § 1 Abs. 2a GrEStG übertragbar sind, dessen Verwirklichung die Veränderung einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren zugrunde liegt, ist konsequent. Dies ist aber nicht vergleichbar mit der Begründung eines Anspruchs auf Grundstücksübertragung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Bei § 1 Abs. 2a GrEStG resultiert aus der Anerkennung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft für die Tatbestandsverwirklichung, dass eine neue Personengesellschaft entstanden ist im Sinne des GrEStG und fingiert daraufhin einen Rechtsträgerwechsel. Die Übertragung dieser Grundsätze auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG würde jedoch zu einer Ausschaltung der Schutzfunktion von § 311b BGB führen, was das Rechtsinstitut der fehlerhaften Gesellschaft nicht beabsichtigt. Daher ist in diesen Fällen die notarielle Beurkundung zur Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO zwingend erforderlich. Beim Erwerb von Anteilen einer ausschließlich Grundbesitz haltenden Domizilgesellschaft, der auf die Übertragung von (Mit-)Eigentum an konkreten Grundstücken gerichtet ist, liegt ebenfalls ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO vor4. Das FG Münster nahm einen Gestaltungsmissbrauch deshalb an, weil der Verkauf der Anteile an einer nicht als rechtsfähig anzuerkennenden ausländischen Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung von Grundbesitz entsprach5.

V. Auflassung ohne vorausgegangenes Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 1 (Abs. 1 Nr. 2) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 1 74

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt die Auflassung der Grunderwerbsteuer. Damit nicht bereits der gewöhnliche Grundstückserwerb aufgrund des deutschen Trennungsprinzips zweimal der Grunderwerbsteuer unterliegt, fallen nur diejenigen Auflassungen unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, bei denen kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Somit schließen § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sich aufgrund der gesetzlichen Systematik aus6. Sobald ein Rechtsgeschäft vorliegt, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks i.S.d. § 2 GrEStG begründet, ist die Anwendung der Nr. 2 ausgeschlossen. Somit führt die Heilung eines formnichtigen Grundstücksübertragungsvertrages nicht zur Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, weil nunmehr ein Verpflichtungsgeschäft existiert (s. Rz. 47). Unbeachtlich ist es auch, wenn die Beteiligten des Verpflichtungsgeschäfts und des Erfüllungsgeschäfts nicht identisch sind7. Ein typischer Fall ist ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB). Der Dritte erwirbt das Recht, die Leistung einzufordern, unmittelbar. Schließen beispielsweise in einem Vertrag zugunsten Dritter zwei Personen einen Kaufvertrag über ein Grundstück und lässt der Veräußerer das Grundstück gegenüber dem begünstigten Dritten direkt auf, so stellt der abgeschlossene Kaufver1 BFH v. 23.11.2011 – II R 64/09, BStBl. II 2012, 355; v. 2.2.1994 – II R 84/90, BFH/NV 1994, 824; v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680. 2 Potsch, NZG 2012, 176 (178). 3 Kliebisch, JuS 2010, 958 (959). 4 FG Münster v. 27.6.2000 – 8 K 1858/95 GrE, EFG 2002, 1106 (Rev. BFH v. 27.8.2003 – II R 18/02, AO-StB 2004, 9 = BFH/NV 2004, 203 wurde wegen Unzulässigkeit der Klage abgewiesen). 5 FG Münster v. 27.6.2000 – 8 K 1858/95 GrE Rz. 29 ff., EFG 2002, 1106. 6 BFH v. 16.6.1999 – II R 20/98, BFH/NV 2000, 80. 7 FG Bremen v. 11.6.2003 – 2 K 639/02 (1), EFG 2003, 1323 (rkr.).

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 76 § 1

trag ein § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ausschließendes vorausgehendes Rechtsgeschäft dar. Hinsichtlich der Anwendung der Befreiungsvorschriften vgl. § 3 Rz. 136. Unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG fallen alle Auflassungen von Grundstücken i.S.d. § 2 GrEStG. Umfasst sind damit auch Auflassungen über Wohnungs- und Teileigentum sowie Erbbaurechte, wenn ihnen kein Verpflichtungsgeschäft vorausgegangen ist. 2. Auflassung Unter Auflassung versteht der Gesetzgeber die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück 75 nach § 873 BGB erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers, § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist nur wirksam bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile bei der notariellen Beurkundung. Erforderlich ist hier die notarielle Beurkundung vor einem inländischen Notar, da nach herrschender Meinung die Beurkundung der Auflassung vor einem ausländischen Notar weder innerhalb der EU noch in einem Drittstaat zulässig ist1. Durch die Auflassung muss es zu einem Rechtsträgerwechsel kommen. Erfolgt die Auflassung lediglich zur Grundbuchberichtigung und ändert sich nichts an den Eigentumsverhältnissen am Grundstück, ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht erfüllt2. Eine Auflassung in einem Testament durch den Erblasser bzgl. eines Vermächtnisnehmers ist wirkungslos und ersetzt die Auflassung durch den oder die Erben nicht3. Gebäude auf fremdem Boden, § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, sind zivilrechtlich bewegliche Sachen. Da nur die Übertragung von Grundstücken im Sinne des BGB der Auflassung nach § 925 BGB bedarf, tritt die Einigung nach § 929 BGB an ihre Stelle. 3. Kein vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet a) Vorausgegangenes Rechtsgeschäft Um eine Abgrenzung zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu gewährleisten, darf der Auflassung kein Rechts- 76 geschäft vorausgegangen sein, das einen Anspruch auf Übereignung begründet4. Der Gesetzeswortlaut äußert sich nicht zur Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Es reicht völlig aus, wenn es noch nicht wirksam i.S.d. § 14 GrEStG ist. Eine erklärte Auflassung führt nicht zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, wenn das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung steht5. Gleiches gilt, wenn eine Auflassung entgegen den ursprünglichen Vertragsvereinbarungen erfolgt und der Kaufvertrag noch unter einer aufschiebenden Bedingung steht6. Das FG Düsseldorf überdehnte die Tatbestandsanforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG in seinem Urteil vom 23.9.20027 sowie in seinem Beschluss vom 28.7.20048, weil es für das vorausgegangene Rechtsgeschäft eine Steuerentstehung verlangte. Der BFH bot dem ebenfalls keinen wirklichen Einhalt, da er für den Vorrang des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG annahm, dass durch Vereinbarungen sichergestellt ist, dass die Auflassung erst nach Bedingungseintritt im Verpflichtungsgeschäft und nach dem Wirksamwerden des bis dato schwebend unwirksamen Verpflichtungsgeschäftes und nur durch den beurkundenden Notar vorgenommen wird9. In diesen Fällen hätte aber im Zeitpunkt der Auflassung immer ein unbedingtes, wirksames Verpflichtungsgeschäft bestanden. Letztendlich sollte diese Abgrenzung erreichen, dass der tatsächliche Erwerb des Grundstücks nicht bereits vor Tatbestandsverwirklichung erfolgen kann, d.h. die Eigentumseintragung schon erfolgt, bevor der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden ist. Diese Meinung hat der BFH aber nunmehr offenbar

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Thorn in Palandt80, IPR Rom I 4 Rz. 16; Ruhwinkel in MüKo8, § 925 BGB Rz. 15. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 160. OLG Rostock v. 13.8.2018 – 3 W 160/16, NJW-RR 2019, 6. BFH v. 16.6.1999 – II R 20/98, BFH/NV 2000, 80. BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; a.A. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 159. FG Düsseldorf v. 23.9.2002 – 7 K 7145/01 GE, EFG 2003, 181 (rkr.). FG Düsseldorf v. 28.7.2004 – 3 V 2717/04 A (GE), EFG 2004, 1786. BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139, DStR 2005, 1857.

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§ 1 Rz. 76 Erwerbsvorgänge mit Urteil vom 11.12.2014 aufgegeben bzw. klargestellt, dass auch eine Auflassung vor Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht zur Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führt1. Nicht anderes kann bei einer noch ausstehenden Genehmigung gelten. Ansonsten ist § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG zu berücksichtigen (vgl. Rz. 151). Zum Begriff „Rechtsgeschäft“ gelten die unter Rz. 33 ff. zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufgestellten Voraussetzungen entsprechend. b) Aufhebung und Heimfall eines Erbbaurechtes sowie dessen Verzicht 77

Führt der Heimfall eines Erbbaurechts zur Übertragung auf den Grundstückseigentümer, so wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG verwirklicht. Anders liegt der Fall, wenn das Erbbaurecht im Rahmen des Heimfalls auf einen Dritten übertragen wird, dann ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einschlägig2. Die vorzeitige Aufhebung oder der vorzeitige Verzicht auf ein Erbbaurecht führen ebenfalls zur Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG3. Weder das Erlöschen des Erbbaurechts nach § 27 Abs. 1 ErbbauRG durch Zeitablauf noch der damit verbundene Eigentumsübergang an dem auf dem Erbbaurecht von dem Erbbauberechtigten errichteten Bauwerk auf den Grundstückeigentümer verwirklicht keinen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand4. c) Übertragung auf den Auftraggeber oder auf einen uneigennützigen Treuhänder

78

Wird seitens eines Auftragnehmers ein im Auftrag des Auftraggebers erworbenes Grundstück auf diesen übertragen, unterliegt die Auflassung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG5. Bei Erwerb des Grundstücks durch den Auftragnehmer von einem Dritten ist kraft Gesetzes ein Anspruch des Auftraggebers nach § 667 BGB entstanden. Diesen Anspruch erfüllt der Auftragnehmer durch die Auflassung an den Auftraggeber. Die Entstehung des Anspruches nach § 667 BGB kraft Gesetzes führt nicht zu einer Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (vgl. Rz. 64). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Erwerb des Grundstücks durch den Auftragnehmer bereits Grunderwerbsteuer beim Auftraggeber nach § 1 Abs. 2 GrEStG auslöst. § 1 Abs. 6 GrEStG ist in diesem Zusammenhang bei der Übertragung des Grundstücks auf den Auftraggeber zu beachten (vgl. Rz. 254, 1032). Nicht anders ist der Fall zu beurteilen, wenn das Grundstück durch einen Treuhänder im Zwangsversteigerungsverfahren erworben wird6. Da der uneigennützige Treuhänder keinen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks aus dem Treuhandvertrag hat, unterliegt erst die Auflassung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG (vgl. Rz. 64 ff.). Aus der obligatorischen Komponente der Treuhandvereinbarung, die auf den Vorschriften des Auftrags (§ 662 BGB) bzw. der Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) basiert, hat der Treuhänder grundsätzlich nur die Pflicht zur Entgegennahme des Grundstücks, jedoch keinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks7. Bei Übertragung des Grundstücks vom Treugeber auf den uneigennützigen Treuhänder entsteht kraft Gesetzes ein Rückübertragungsanspruch nach § 667 BGB. Dies stellt keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar (vgl. Rz. 64)8.

1 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 2 BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130; FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 2.2.4, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827. 3 BFH v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136; v. 5.3.1976 – II R 93/75, BStBl. II 1976, 470; FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 2.2.3, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827. 4 BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BStBl. II 1995, 334; FinMin. NW v. 16.9.2015, Punkt 3.7, S 4521 – 10 – V A 6, BStBl. I 2015, 827. 5 BFH v. 14.5.2003 – II B 70/02, BFH/NV 2003, 1448; v. 5.11.1986 – II R 66/84, BFH/NV 1988, 390. 6 FG Sachs. v. 30.12.2009 – 6 V 1770/09 (rkr.). 7 FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, Tz. 1.1., BStBl. I 2007, 757. 8 FinMin. NW v. 12.10.2007 – S 4501 – 2 – V A 2, Tz. 1.2., BStBl. I 2007, 757.

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Drees

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 81 § 1

Jedoch unterliegt die Auflassung im Rahmen der Rückübertragung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG (vgl. § 3 Rz. 263). d) Grundstücksvermächtnis Beim Grundstücksvermächtnis wird der Vermächtnisnehmer nicht unmittelbar durch den Erbfall Eigentümer des Grundstücks, sondern erst durch Auflassung seitens des Erben bzw. der Erbengemeinschaft. Diese Auflassung erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG1. In der Regel ist der Erwerb jedoch grunderwerbsteuerfrei (vgl. § 3 Rz. 96 ff.). Abzugrenzen ist das Grundstücks- vom Kaufrechtsvermächtnis. Bei einem Kaufrechtsvermächtnis erwirbt der Vermächtnisnehmer lediglich den Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrages. Wird dieser Anspruch geltend gemacht und kommt es zum Abschluss eines Kaufvertrages zwischen dem Erben bzw. der Erbengemeinschaft und dem Vermächtnisnehmer, liegt ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor2.

79

e) Hausverlosung Bei Hausverlosungen existiert ebenfalls kein vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Hierbei ist es unbeachtlich, ob der Spielvertrag wegen § 134 BGB nichtig ist, da aus ihm kein Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks resultiert. Beim Gewinner wiederum mangelt es in der Regel an einem durchsetzbaren Anspruch nach § 762 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 763 Satz 2 BGB auf Übereignung eines Grundstücks3. Somit verwirklicht erst die Auflassung an dem erspielten Grundstück einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand.

80

f) Anwachsung Die Anwachsung von Gesamthandsvermögen nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters 81 beim verbleibenden Gesellschafter einer Gesamthandsgemeinschaft bedarf keiner Auflassung und fällt daher nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Auch ist ihm kein Rechtsgeschäft vorausgegangen. Der Übergang erfolgt gem. § 738 BGB kraft Gesetzes und verwirklicht daher den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG4. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts5 ist der Übergang des Gesellschaftsvermögens bei Austritt des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft mit Wirkung zum 1.1.2024 in § 712a BGB als Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter geregelt. An der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung ändert dies jedoch nichts. Allerdings ist zu beachten, dass § 712a Abs. 1 BGB eine formlose Gestaltungserklärung gegenüber dem vorletzten Gesellschafter verlangt6.

1 2 3 4

BFH v. 21.7.1993 – II R 118/90, BStBl. II 1993, 765. BFH v. 16.1.2019 – II R 7/16, BStBl. II 2019, 617. Sterzinger, NJW 2009, 3690 (3692). BFH v. 26.10.2006 – II R 32/05, BStBl. 2007, 323; v. 16.7.1997 – II R 27/95, BStBl. II 1997, 663; v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903; v. 16.2.1977 – II R 89/74, BStBl. II 1977, 671. 5 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 6 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 (3440); BT-Drucks. 19/27635, 147.

Drees

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§ 1 Rz. 82 Erwerbsvorgänge

VI. Übergang des Eigentums, wenn kein den Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es keiner Auflassung bedarf (Abs. 1 Nr. 3) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 1 und 2 82

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer, wenn dem Übergang des Eigentums kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist (dann Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und es bzgl. des Eigentumsübergangs auch keiner Auflassung (dann Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) bedarf. 2. Der Übergang des Eigentums nach Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 a) Allgemeines

83

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Eigentumsübergang am Grundstück kraft Gesetzes oder kraft behördlichen bzw. gerichtlichen Ausspruchs der Grunderwerbsteuer. Beiden ist gemeinsam, dass der Rechtsgrund zur Eigentumsänderung nicht auf einer Willenserklärung zur Übertragung des Grundstückseigentums beruht, sondern der Eigentumsübergang als zwangsläufige Folge einer Rechtsänderung am Grundstück angeordnet wird. Letzten Endes vollzieht sich die Eigentumsänderung am inländischen Grundstück damit „außerhalb des Grundbuches“, da der Grund für die Änderung des Eigentums am Grundstück auf einem Rechtsvorgang, welcher selbst nicht die Übertragung des Grundstückeigentums zum Gegenstand hat, beruht. Der neue Grundstückseigentümer ist im Wege einer Grundbuchberichtigung1 einzutragen. b) Umfang

84

Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG knüpft wie alle Tatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG ausschließlich an die zivilrechtliche Eigentumsänderung an einem inländischen Grundstück an2. Die ggf. einem Rechtsträger nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG „gehörenden“ Grundstücke (s. Rz. 727) sind nicht Bestandteil einer zivilrechtlichen Eigentumsänderung, sondern ausschließlich nach einer streng grunderwerbsteuerlichen Sichtweise bei einem aufgrund einer Rechtsänderung kraft Gesetzes oder kraft behördlichen bzw. gerichtlichen Ausspruchs verwirklichtem Erwerbsvorgang nach §§ 1 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG zu berücksichtigen. Die A-GmbH ist grundbuchrechtliche Eigentümerin inländischen Grundbesitzes. Daneben gehört zum Vermögen der A-GmbH auch eine 95%ige Beteiligung an der B-GmbH. Zum Vermögen der B-GmbH gehört ebenfalls inländischer Grundbesitz. Das Vermögen der A-GmbH wird im Wege der Verschmelzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf die das Vermögen aufnehmende C-GmbH zum (steuerlichen) Stichtag 31.12.2020/1.1.2021 übertragen. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der aufnehmenden C-GmbH erfolgt am 14.6.2021. Mit Eintragung der Verschmelzung bei der aufnehmenden C-GmbH am 14.6.2021 geht das Vermögen der A-GmbH auf die C-GmbH kraft Gesetzes über (§ 20 Abs. 1 UmwG). Dieser Übergang ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG insoweit steuerbar, als sich das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken der bisherigen Eigentümerin A-GmbH ändert. Bzgl. des der B-GmbH gehörenden Grundbesitzes tritt keine Eigentumsänderung aufgrund der Verschmelzung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein. Vor wie nach der Verschmelzung ist zivilrechtliche Eigentümerin des Grundbesitzes die B-GmbH. Jedoch gehen aufgrund der Verschmelzung mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden B-GmbH i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG von der A-GmbH auf die C-GmbH über. § 1 Abs. 2b GrEStG ist wegen § 23 Abs. 18 und 23 GrEStG am 14.6.2021 noch nicht anwendbar.

85

Grundbesitz, welcher vor dem Eigentumsübergang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG bereits schuldrechtlich gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an einen Dritten veräußert worden ist, ist grundsätzlich mit ein-

1 § 894 BGB, § 22 GBO. 2 BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866; v. 20.12.2000 – II B 53/00, BFH/NV 2001, 817; v. 19.8.2002 – II B 177/01, BFH/NV 2003, 200.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 88 § 1

zubeziehen1. Die Verwaltung sieht in derartigen Sachverhalten aber von einer Einbeziehung dieser Grundstücke in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage ab, in dem diese Grundstücke mit einem Wertansatz von 0 Euro berücksichtigt werden2. Steht bei der Veräußerung durch den bisherigen Eigentümer im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG eine erforderliche Genehmigung des Kaufvertrags jedoch aus, ist die Steuer für den Eigentumsübergang gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festzusetzen, wobei auch hier in der Regel ein Wertansatz für den veräußerten Grundbesitz i.H.v. 0 Euro zu berücksichtigen ist3. Bei Veräußerungen von Grundbesitz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nach dem 30.6.2021 zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums i.S.d. §§ 2, 20 Absatz 6 oder § 24 Absatz 4 UmwStG sind die Besonderheiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage gem. § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG zu beachten (vgl. Ausführungen bei § 8 Rz. 32). c) Formen Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Eigentumsübergang am Grundstück kraft Gesetzes oder kraft behördlichen bzw. gerichtlichen Ausspruchs der Grunderwerbsteuer. Der neue Grundstückseigentümer wird im Wege einer Grundbuchberichtigung4 eingetragen. Hierzu zählen vor allem die nachstehend aufgeführten und in der Praxis am häufigsten vorkommenden Sachverhalte, deren Aufzählung nicht abschließend ist: – Erbfall – Übertragung von Erbteilen – Vorgänge nach dem UmwG – Anwachsung – Begründung einer Gütergemeinschaft bzw. Erwerb im Rahmen einer Gütergemeinschaft – „gescheiterte“ Ein-Mann-GmbH – Enteignung – Flurbereinigungsverfahren – Umlegungsverfahren.

86

aa) Erbfall Der Erbfall (§ 1922 Abs. 1 BGB) und damit der Übergang des Grundstückseigentums auf den oder die gesetzlichen oder aufgrund Testaments oder Erbvertrages (§ 1922 i.V.m. §§ 1937, 1941 BGB) bestimmten Erben als Gesamtrechtsnachfolger unterliegt zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Steuer. Der Eigentumsübergang ist jedoch stets nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei (vgl. § 3 Rz. 75).

87

bb) Übertragung von Erbteilen Die Übertragung eines Erbteils und damit die Verfügung eines Erben über seinen Erbteil (§ 2033 BGB) beziehen sich nicht auf die einzelnen Nachlassgegenstände, sondern auf seinen Anteil an der ungeteilten Erbengemeinschaft. Gehört zum Vermögen der Erbengemeinschaft Grundbesitz, so geht in Höhe des veräußerten Erbteils das Eigentum am Grundstück kraft Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf den Erwerber des Erbteils über. Hinsichtlich etwaiger Steuerbefreiungen bei der Übertragung von Erbteilen vgl. § 3 Rz. 176.

1 2 3 4

BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866, v. 20.12.2000 – II B 53/00, BFH/NV 2001, 817. FinMin. NW v. 30.9.2003, GrESt-Kartei NW, § 1 Abs. 1 GrEStG, Karte 7. FinMin. NW v. 30.9.2003, GrESt-Kartei NW, § 1 Abs. 1 GrEStG, Karte 7. § 894 BGB, § 22 GBO.

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§ 1 Rz. 89 Erwerbsvorgänge cc) Umwandlungsvorgänge (1) Formen 89

Bei der Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 UmwG) handelt es sich um einen Umwandlungsvorgang, bei dem das gesamte Vermögen eines Rechtsträgers als Gesamtheit auf andere bestehende (übernehmende) Rechtsträger oder dadurch neu gegründete Rechtsträger übertragen wird. Der übertragende Rechtsträger wird ohne Abwicklung gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers aufgelöst.

90

Bei der Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 1 UmwG) handelt es sich um einen Umwandlungsvorgang, bei dem das Vermögen eines Rechtsträgers in selbständige Vermögensteile aufgeteilt wird und die Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf andere bestehende (übernehmende) Rechtsträger oder dadurch neu gegründete Rechtsträger übertragen werden. Der übertragende Rechtsträger wird ohne Abwicklung gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers aufgelöst.

91

Bei der Abspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.§ 123 Abs. 2 UmwG) handelt es sich um einen Umwandlungsvorgang, bei dem das Vermögen eines Rechtsträgers teilweise in Vermögensteile aufgeteilt wird und die Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf einen oder mehrere bestehende (übernehmende) Rechtsträger oder dadurch neu gegründete Rechtsträger übertragen wird. Der übertragende Rechtsträger bleibt bestehen. Gegenleistung ist dann die Gewährung von Anteilen des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.

92

Bei der Ausgliederung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.§ 123 Abs. 3 UmwG) werden ein Teil oder mehrere Teile aus dem Vermögen eines übertragenden Rechtsträgers jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder neugegründeten Rechtsträger übertragen, jedoch gegen Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden oder an den neugegründeten Rechtsträgern. Bei der Ausgliederung bleibt somit wie bei der Abspaltung der übertragende Rechtsträger bestehen. Der Unterschied zur Abspaltung liegt darin, dass nicht die Anteilseigner des übertragenen Rechtsträgers mit Anteilen oder Mitgliedschaften abgefunden werden, sondern dass dem übertragenen Rechtsträger Anteile oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträger gewährt werden.

93

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 190 UmwG kann ein Rechtsträger durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten, wobei die Aufzählung in § 191 UmwG abschließend ist1. Eine formwechselnde Umwandlung führt gem. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nicht zum Erlöschen des ursprünglich bestehenden und zum Entstehen eines neuen Rechtsträgers. Vielmehr besteht vor und nach dem Formwechsel ein und dasselbe Rechtssubjekt2. Kennzeichnend für eine formwechselnde Umwandlung ist, dass an ihr nur ein Rechtsträger beteiligt ist und es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen Rechtsträgers kommt noch es der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände bedarf. Die formwechselnde Umwandlung wird durch das Prinzip der Identität des Rechtsträgers (rechtliche Identität), der Kontinuität seines Vermögens (wirtschaftliche Identität) und der Diskontinuität seiner Verfassung bestimmt3. Bei einem Formwechsel innerhalb derselben Normstruktur liegt ein sog. „homogener Formwechsel“ vor (z.B. Personengesellschaft OHG in Personengesellschaft KG oder Kapitalgesellschaft AG in Kapitalgesellschaft GmbH). Erfolgt der Formwechsel in eine Rechtsform anderer Normstruktur (z.B. Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft oder Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft), spricht man von einem sog. „heterogenen Formwechsel“. Der Formwechsel begründet keinen steuerbaren Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, da kein Rechtsträgerwechsel vorliegt. Der Formwechsel kann allerdings Wirkungen auf die Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG haben (vgl. § 5 Rz. 101; § 6 Rz. 33).

94

Die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 174 UmwG) ist eine besondere Form der Umwandlung, da zum einen keine Anteile an einen übernehmenden Rechtsträger gewährt werden und 1 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.12. 2 BGH v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708; BFH v. 30.9.2003 – III R 6/02, BStBl. II 2004, 85 = FR 2004, 371; v. 8.10.2008 – I R 3/06, BStBl. II 2010, 186 = FR 2009, 539. 3 BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 97 § 1

zum anderen nach § 175 UmwG die Vermögensübertragung nur auf wenige Rechtsträger (u.a. Bund, Land, Gebietskörperschaft) beschränkt anwendbar ist. (2) Umwandlungsvorgänge nach ausländischem Recht Umwandlungsvorgänge, die nicht auf Grundlage des nationalen § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UmwG erfol- 95 gen, können bei zivilrechtlicher Vergleichbarkeit dieselben grunderwerbsteuerlichen Folgen nach sich ziehen. Ausländische Vorgänge in diesem Sinne sind Umwandlungen, bei denen auf den übertragenden Rechtsträger oder auf den übernehmenden Rechtsträger das UmwG nach den allgemeinen Grundsätzen kollisionsrechtlich keine Anwendung findet. Das für die Umwandlung maßgebende Recht bestimmt sich regelmäßig nach dem Gesellschaftsstatut des Staats, in dem der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen ist. Ist er nicht oder noch nicht in ein öffentliches Register eingetragen, ist das Gesellschaftsstatut des Staats maßgebend, nach dem er organisiert ist. Ausländische Vorgänge sind auch grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung von Rechtsträgern, die dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegen. Für ausländische Vorgänge gilt wie bei den inländischen Umwandlungen der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts. Der ausländische Vorgang muss nach dem jeweiligen Gesellschaftsstatut der beteiligten Rechtsträger gesellschaftsrechtlich zulässig und wirksam sein. Für die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit und Wirksamkeit einer ausländischen Umwandlung ist regelmäßig von der Entscheidung der ausländischen Registerbehörden auszugehen. Das gilt nicht bei gravierenden Mängeln der Umwandlung. Der Vergleichbarkeitsprüfung unterliegt grundsätzlich der jeweilige ausländische Umwandlungsvor- 96 gang in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung und nicht das ausländische Umwandlungsrecht als solches. Maßgebend ist, dass der nach ausländischem Umwandlungsrecht abgewickelte konkrete Vorgang ungeachtet des Sitzerfordernisses in § 1 Abs. 1 UmwG auch nach den Regelungen des UmwG wirksam abgewickelt werden könnte. Ein ausländischer Umwandlungsvorgang ist vergleichbar, wenn er seinem Wesen nach einer Umwandlung i.S.d. UmwG entspricht. Für die Beurteilung des ausländischen Vorgangs sind demnach – die beteiligten Rechtsträger, – die Rechtsnatur bzw. Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (Strukturmerkmale) und – sonstige Vergleichskriterien zu prüfen. Hierzu können auch die im BMF-Schreiben vom 11.11.20111 gemachten Ausführungen Berücksichtigung finden. Ein(e) den nationalen Vorschriften entsprechende(r) – Verschmelzung liegt vor, wenn im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Anteile an die Anteilsinhaber des oder der übertragenden Rechtsträger gewährt werden; – Auf- oder Abspaltung liegt vor, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Anteile der übernehmenden Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden; – Ausgliederung liegt vor, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Teile des Vermögens eines Rechtsträgers als Gesamtheit auf übernehmende Rechtsträger übertragen und Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt werden; – Formwechsel liegt vor, wenn nur ein Rechtsträger beteiligt ist und es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen Rechtsträgers kommt noch es der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände bedarf. dd) Anwachsung Scheidet der vorletzte Gesellschafter einer aus zwei Personen bestehenden Personengesellschaft aus und übernimmt der andere vereinbarungsgemäß das Geschäft ohne Liquidation zwecks Fortführung mit allen Aktiva und Passiva, geht bei gleichzeitigem Untergang der Personengesellschaft das Eigen1 BStBl. I 2011, 1314, Rz. 01.20–01.42.

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§ 1 Rz. 97 Erwerbsvorgänge tum einschließlich inländischer Grundstücken in einem einheitlichen Akt kraft Gesetzes im Wege der Anwachsung gem. § 738 BGB auf den Verbliebenden über1. 98

Die Übernahme mit allen Aktiva und Passiva ohne Liquidation begründet weder einen Übereignungsanspruch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bzgl. der Grundstücke noch zielt eine derartige Vereinbarung auf den Erwerb aller Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, da die Personengesellschaft durch diese Vereinbarung untergeht und demnach keine Anteile an einer Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG mehr übergehen können2. ee) Gütergemeinschaft

99

Wird eine eheliche Gütergemeinschaft (§ 1416 Abs. 2 BGB) begründet, so unterliegt der Übergang des Grundstückseigentums auf die eheliche Gütergemeinschaft der Steuer § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Hinsichtlich etwaiger Steuerbefreiungen s. § 3 Rz. 199.

100

Wird die eheliche Gütergemeinschaft beendet, führt dies in Anlehnung an die Regeln der Gemeinschaft zur Auseinandersetzung (§§ 1471 ff., 752 ff. BGB), welche nach § 3 Nr. 5 GrEStG (s. § 3 Rz. 224) befreit sein kann.

101

Geht Grundbesitz auf Mitglieder der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB) über, so ist dies steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, grundsätzlich aber nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit (§ 3 Rz. 255). ff) „Gescheiterte“ Ein-Mann-GmbH

102

Erwirbt eine Ein-Mann-GmbH in Gründung von einem Dritten ein Grundstück und scheitert anschließend die Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister, führt die Auflösung der Gesellschaft in Gründung zu einem Rechtsträgerwechsel am Grundstück gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf den alleinigen Gründungsgesellschafter3. Entsprechendes gilt bei „scheitern“ einer Ein-Mann-AG. gg) Enteignung

103

Enteignungen sind aufgrund landesrechtlicher Gesetze zur Enteignung und einzelner bundes- wie landesgesetzlicher Vorschriften wie § 85 BauGB, § 19 FStrG bzw. § 11 LBG und § 12 EnWG zulässig, wenn diese dem „Wohl der Allgemeinheit“ (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zu dienen bestimmt sind. Der im Wege einer Enteignung kraft Gesetzes eintretende Übergang von Grundstückseigentum unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Steuer. hh) Flurbereinigungsverfahren

104

Eine Flurbereinigung ist nach § 1 FlurbG die Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes zu Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und Landesentwicklung im Wege eines behördlich angeordneten oder geleiteten Grundstücktauschverfahrens.

105

Die zu einem Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke werden zu einer Teilnehmergemeinschaft zusammengefasst. Jeder Grundstückseigentümer dieses Gebietes hat entsprechend seinem „eingebrachten“ Grundstückswert abzgl. der für gemeinschaftliche oder öffentliche Anlagen erforderlichen Flächen einen Anspruch auf Zuteilung von Land im gleichen Wert.

106

Der durch Anordnung eintretende Wechsel des Eigentums am Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Steuer und ist nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG von der Besteuerung ausgenommen (s. Rz. 115).

1 BFH v. 16.2.1977 – II R 89/74, BStBl. II 1977, 671. 2 BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359; v. 30.8.1978 – II R 28/73, BStBl. II 1979, 81; v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903. 3 BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 113 § 1

Die gleichen Grundsätze gelten auch für das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren i.S.d. § 86 FlurbG1, dem beschleunigtes Zusammenlegungsverfahren gem. §§ 91 ff. FlurbG und dem Landtauschverfahren gem. § 103b FlurbG2.

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ii) Umlegungsverfahren Eine Umlegung nach dem BauGB ist eine behördliche Maßnahme zur (Neu-)Ordnung des Bodens, bebaute und unbebaute Grundstücke in der Weise neu zu ordnen, dass Grundstücke entstehen, die nach Lage, Form und Größe eine bauliche oder sonstige Nutzung besser möglich machen.

108

Die zu einem Umlegungsgebiet gehörenden Grundstücke werden zu einer Masse (= Umlegungsmasse i.S.v. § 55 Abs. 1 BauGB) zusammengefasst. Hieraus sind vorneweg die öffentlichen Verkehrsflächen (§ 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB), die Flächen für Anlagen i.S.d. BImSchG3 sowie die in §§ 5 Abs. 2 Satz 2 BauGB genannten Flächen auszuscheiden und der die Umlegung durchführenden Gemeinde oder dem sonstigen Erschließungsträger vorweg zuzuteilen. Aus der verbleibenden Verteilungsmasse können noch sonstige Flächen für eine öffentliche Nutzung oder zum Ausgleich nach § 1a Abs. 3 BauGB ausgeschieden und ebenfalls dem Bedarfs- oder Erschließungsträger zugeteilt werden, sofern dieser entsprechendes Ersatzland in die Verteilungsmasse einbringt (§ 55 Abs. 5 BauGB). Die hiernach verbleibende Verteilungsmasse ist den Eigentümern im Umlegungsgebiet entsprechend der Zielsetzung des Umlegungsverfahrens nach Wert- oder Flächenanteil zuzuteilen (§ 59 i.V.m. §§ 56 ff. BauGB).

109

Der durch das Umlegungsverfahren eintretende Wechsel des Eigentums am Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Steuer und ist nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG von der Besteuerung ausgenommen (s. Rz. 123).

110

Für Beschlüsse nach dem 20.7.20044 gelten für „vereinfachte Umlegungen“ (vormals: Grenzregelungsverfahren nach §§ 80 ff. BauGB) dieselben Grundsätze5.

111

Abzugrenzen hiervon ist eine „freiwillige Baulandumlegung“, da diese nicht den förmlichen Bestimmungen des BauGB unterliegt. Im Rahmen einer freiwilligen Umlegung werden zuerst die Grundstücke auf eine aus den Teilnehmern bestehenden GbR übertragen und von dieser entsprechend des Zuteilungsbeschlusses wieder an die Teilnehmer zugeteilt. Die Grundstücke gehen grunderwerbsteuerlich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf die Teilnehmer über, wofür ggf. eine Befreiung nach § 7 Abs. 2 GrEStG und nicht § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG in Betracht kommt6. Die unterschiedliche grunderwerbsteuerliche Behandlung der gesetzlichen und der freiwilligen Baulandumlegung ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar7.

112

3. Ausnahmen von der Besteuerung gem. Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Auch wenn die Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a und b GrEStG in den steuerlichen Tatbeständen des § 1 GrEStG enthalten sind und damit den Schluss nahe legen, hierunter fallende Erwerbsvorgänge würden keinen grunderwerbsteuerlichen Steuertatbestand darstellen, so sind diese nach ständiger Rechtsprechung8 „nur“ von der Steuer befreit. Hinsichtlich der Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c GrEStG gelten hiervon abweichende Besonderheiten (s. Rz. 133).

Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 61. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 186. BGBl. I 2013, 1274 in der zuletzt durch BGBl. I 2020, 2873 geänderten Fassung. § 239 BauGB. FinMin. NW v. 18.1.2005, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 I. FinMin. NW v. 13.10.1997, GrESt-Kartei NW, § 7 GrEStG, Karte 1, ersetzt durch gleichlautenden Ländererlass v. 18.2.2020, BStBl. I 2020, 282. Für nach dem 28.12.2020 verwirklichte Erwerbsvorgänge sind die Ausführungen im gleichlautenden Ländererlass v. 3.6.2021, BStBl. I 2021, 733 zu beachten. 7 BVerfG v. 24.3.2015 – 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, 622. 8 BFH v. 28.7.1999 – II R 25/98, BStBl. II 2000, 206; v. 21.1.2004 – II R 1/02, BFH/NV 2004, 1120.

1 2 3 4 5 6

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113

§ 1 Rz. 114 Erwerbsvorgänge 114

Eine Steuerbarkeit ist jedoch stets und nur insoweit in dem Umfang zu verneinen, wie die in das jeweilige Verfahren eingebrachten und später zugeteilten Grundstücke flächen- und deckungsgleich sind, das Eigentum an diesen Flächen sich damit vor wie nach dem Verfahren auf denselben abgegrenzten Teil der Erdoberfläche bezieht1. Nur soweit eine Steuerbarkeit für nicht flächen- und deckungsgleich zugeteilte Grundstücke dem Grunde nach in Betracht kommt, können, sind die Befreiungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a und b GrEStG in Betracht zu ziehen.

115

Durch Art. 32 des Jahressteuergesetzes 20202 und Art. l6 des Fondsstandortgesetzes3 wird in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a und b GrEStG gesetzlich geregelt, dass der Übergang des Eigentums bis zur Höhe des Sollanspruchs von der Besteuerung ausgenommen ist, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im jeweiligen Gebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Eine Mehrzuteilung ist ausgenommen, wenn der Wert des zugeteilten Grundstücks den sich aus dem Wert des eingebrachten Grundstücks ergebenden Sollanspruch nicht um mehr als 20 % übersteigt. Die Neuregelung ist auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht werden (vgl. § 23 Abs. 17 GrEStG). Dies gilt auch für die durch das Fondsstandortgesetz erfolgte „redaktionelle Änderung“, die nach der Gesetzesbegründung4 mit begünstigender (Rück-)Wirkung zum 29.12.2020 erfolgte. a) Eigentumsübergang im Flurbereinigungsverfahren (Buchst. a)

116

Der Eigentumsübergang im Wege eines Flurbereinigungsverfahrens unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG (s. Rz. 106), auch wenn eine „ungebrochene Fortsetzung des Eigentums an einem verwandelten Grundstück“5 vorliegt.

117

Die Steuerbefreiung gilt für Landabfindungen nach dem FlurbG – § 44 Abs. 1 (wertgleiche Landabfindung) – § 44 Abs. 6 und 7 (Austausch in einem anderen Bodenordnungs- oder Umlegungsverfahren) – § 48 (Teilung oder Bildung von gemeinschaftlichem Eigentum) – § 49 Abs. 1 bzw. § 73 (Ausgleich für aufgehobene beziehungsweise in Land abzufindende Rechte an einem Grundstück) – § 50 Abs. 4 (nicht unter § 50 Abs. 1 FlurbG fallende wesentliche Grundstücksbestandteile) und unvermeidbare Mehrausweisungen nach dem FlurbG – § 44 Abs. 3 (unvermeidbare Mehrausweisungen) – § 103b Abs. 1 FlurbG (wertgleicher Grundstückstausch einschl. unvermeidbarer Mehrausweisungen).

118

Unvermeidbare Mehrausweisungen ergeben sich aus der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsverfahren und sind als solche für alle Beteiligten bindend6.

119

Unentgeltliche Landzuteilungen für gemeinschaftliche Anlagen i.S.d. § 39 Abs. 1 FlurbG an die Teilnehmergemeinschaft oder die Gemeinde nach §§ 40, 42 Abs. 2 FlurbG sind ebenfalls begünstigt.

120

Grunderwerbsteuerpflichtig sind im Fall der Überschreitung der 20 %-Sollanspruchsgrenze nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a und der Freigrenze nach § 3 Nr. 1 GrEStG (s. § 3 Rz. 23) a) privatrechtliche Erwerbsvorgänge, auch solche nach § 26c Abs. 1 FlurbG (Bodenbevorratung durch einen Verband der Teilnehmergemeinschaft oder andere Stelle), gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sowie

1 2 3 4

BFH v. 28.7.1999 – II R 25/98, BStBl. II 2000, 206. Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Fondsstandortgesetz (FoStoG) v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. Siehe hierzu die Gesetzesbegründung zur Änderung des GrEStG durch Art. 6 des FoStoG (BT-Drucks. 19/28868, S. 129). 5 BGH v. 13.2.1969 – III ZR 123/68, BGHZ 51, 341; BFH v. 29.10.1997 – II R 36/95, BStBl. II 1998, 27. 6 FG Nürnberg v. 19.7.2001 – IV 233/2000, EFG 2001, 1515, FinMin. NW v. 16.3.2016, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 6 II.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 126 § 1

b) Landzuteilungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nach dem FlurbG gem. – § 40 (soweit keine gemeinschaftlichen Anlagen nach § 39 Abs. 1 FlurbG vorliegen) – § 54 Abs. 2 (Zuteilung von Land, das zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigt wird) – § 55 Abs. 1 (Zuteilung von Land an Siedler) – § 88 Nr. 4 (Zuteilung von Land an den Unternehmensträger). Hinsichtlich der Landzuteilungen nach § 54 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 FlurbG aufgrund Landverzichts- 121 erklärung i.S.d. § 52 Abs. 1 FlurbG gelten Besonderheiten. Die Erklärung eines Teilnehmers am Flurbereinigungsverfahren nach § 52 Abs. 1 FlurbG, auf den Landabfindungsanspruch zugunsten der übrigen Teilnehmer zu verzichten, stellt als solches keinen steuerbaren Rechtsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG dar. Auch erwirbt ein Dritter, zu dessen Gunsten auf den Landabfindungsanspruch verzichtet werden kann, weder einen Übereignungsanspruch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG noch eine Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG1. Erst die an die Verzichtserklärung gem. § 52 Abs. 1 FlurbG anschließende Eigentumszuweisung an einen der übrigen Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens oder eines Dritten ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar und nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG befreit2. Die im Umlegungsverfahren für verwirklichte Erwerbsvorgänge vor dem 29.12.2020 (vgl. § 23 Abs. 17 GrEStG) geltenden Regelungen für „Mehrzuteilungen“, welche ggf. nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG befreit sein können (vgl. Rz. 128 und 129), können wegen des bis dahin abweichenden Gesetzeswortlauts in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG nicht übernommen werden. Für nach dem 28.12.2020 verwirklichte Erwerbsvorgänge sind ausschließlich die vorstehenden Ausführungen zu berücksichtigen, d.h. die im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens als von der Grunderwerbsteuer befreite Landzuteilungen (vgl. Rz. 117) bleiben bei der Berechnung der den Sollanspruch übersteigenden Mehrzuteilung (weiterhin) außer Betracht.

122

b) Eigentumsübergang im Umlegungsverfahren nach dem BauGB (Buchst. b) Der Eigentumsübergang im Wege eines Umlegungsverfahrens nach dem BauGB unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG (s. Rz. 110), auch wenn wie bei einem Verfahren nach dem FlurbG eine „ungebrochene Fortsetzung des Eigentums an einem verwandelten Grundstück“3 vorliegt.

123

Wesentliche Voraussetzung zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG ist, dass der 124 spätere Eigentümer, dem Grundstücke im Wege des Umlegungsverfahrens zugeteilt werden, zuvor als Eigentümer „eines im Umlegungsgebiet liegenden Grundstücks“ als Beteiligter am Umlegungsverfahren teilnimmt und das Grundstück damit von vornherein zur Umlegungsmasse (vgl. Rz. 109) gehört hat4. Maßgebend für diese Betrachtung ist dabei das einzelne Umlegungsverfahren und damit das jeweilige Umlegungsgebiet nach § 52 BauGB. Die Belegenheit des später zugeteilten Grundstücks ist keine (zusätzliche) Voraussetzung, d.h. dieses kann innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Umlegungsgebietes belegen sein. Steuerpflichtig sind in jedem Fall sämtliche Rechtsvorgänge im Rahmen eines Umlegungsverfahrens nach dem BauGB, die auf einen rechtsgeschäftlichen Übereignungsanspruch i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zurückzuführen sind und nur „verdeckt“ unter dem Mantel eines Umlegungsverfahrens enthalten sind5.

125

Hinsichtlich einer am Umlegungsverfahren kraft Gesetzes6 beteiligten „Gemeinde“ und „Mehrzuteilungen“ gelten Besonderheiten, wobei aufgrund der erfolgten Gesetzesänderung (vgl. Rz. 115) sowie

126

1 BFH v. 17.5.2000 – II R 47/99, BStBl. II 2000, 627; v. 22.10.2014 – II R 10/14, BStBl. II 2015, 401; FinMin. NW vom 16.3.2016, Tz. 1.7.1, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 6 II. 2 BFH v. 23.8.2006 – II R 41/05, BStBl. II 2006, 919. 3 BGH v. 13.1.1983 – III ZR 118/81, BGHZ 86, 226. 4 BFH v. 1.8.1990 – II R 6/88, BStBl. II 1990, 1034. 5 FG BW v. 13.10.2004 – 2 K 22/04, EFG 2005, 891. 6 § 48 Abs. 1 Nr. 4 BauGB.

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§ 1 Rz. 126 Erwerbsvorgänge der geänderten Verwaltungsauffassung1 zwischen Erwerbsvorgängen vor dem 29.12.2020 und nach dem 28.12.2020 unterschieden werden muss. aa) Erwerbsvorgänge, die vor dem 29.12.2020 verwirklicht wurden 127

Einer Gemeinde als Bedarfsträger i.S.d. § 55 Abs. 5 BauGB im Umlegungsverfahren zugeteilte Flächen, für die eine Nutzung für öffentliche Zwecke (vgl. Rz. 109) vorgesehen ist, sind nur dann begünstigt, wenn die Gemeinde selbst als Eigentümerin eines Grundstücks am Umlegungsverfahren beteiligt ist2. Nicht begünstigt sind Grundstückszuteilungen an Gemeinden und sonstige Bedarfsträger auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 BauGB, denen Flächen zur Nutzung für öffentliche Zwecke deshalb zugeteilt werden, weil sie außerhalb des Umlegungsgebiets liegendes Ersatzland eingebracht haben3.

128

Die Steuerbefreiung soll auch die Grundstückszuteilungen, für die der neue Eigentümer eine Geldleistung an die Gemeinschaft des Umlegungsverfahrens aufgrund wert- bzw. flächenmäßiger Mehrzuteilungen zu entrichten hat, erfassen. Mehrzuteilungen ergeben sich aus der Ausführungsanordnung zum Umlegungsverfahren und sind als solche für alle Beteiligten bindend. Nach der Rechtsprechung des BFH4, welcher sich die Verwaltung5 angeschlossen hat, sind hiervon sämtliche Mehrzuteilungen erfasst, da aufgrund der komplexen Gegebenheiten in einem Umlegungsverfahren den Grundsätzen einer wert- und verhältnismäßigen Zuteilung selten entsprochen werden kann und somit auch das BauGB eine Vorteilsausgleichung (in Geld) statuiert. Diese extensive Betrachtung der Begünstigung sämtlicher Mehrzuteilungen ist aufgrund konkreter Gestaltungen und Finanzgerichtsrechtsprechung6 dahingehend einzuschränken, dass nunmehr auch nach Verwaltung7 nur noch „umlegungsbedingte Mehrzuteilungen“ einzubeziehen sind. Hiernach sind nicht umlegungsbedingt8 – wesentliche Mehrzuteilungen von mehr als 30 % über dem Sollanspruch (§ 56 Abs. 1 BauGB), – Einbringung eines kleinen Grundstücks und Zuteilung eines wesentlich größeren Grundstücks.

129

Eine Besonderheit besteht hier bei wesentlichen Mehrzuteilungen an eine Gemeinde. Werden einer Gemeinde erheblich über ihrem Sollanspruch liegende Grundstücksflächen zugeteilt, ist diese wesentliche Mehrzuteilung ebenfalls dahingehend zu überprüfen, ob sie umlegungsbedingt ist. Von der Besteuerung einer wesentlichen Mehrzuteilung kann unabhängig von ihrem Umfang abgesehen werden, wenn die Gemeinde (z.B. durch eine Bestätigung der Umlegungsbehörde) nachweist, dass die ihr zustehende Mehrzuteilung umlegungsbedingt notwendig war9. bb) Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht werden

130

Durch die Neuregelung (Rz. 115) von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b für nach dem 28.12.2020 verwirklichte Erwerbsvorgänge (vgl. § 23 Abs. 17 GrEStG) sowie der hieran angepassten Verwaltungsauffassung10 sind die vorstehenden Ausführungen zu den „umwandlungsbedingten Mehrzuteilungen“ (Rz. 128 und 139) entfallen und nach Ansicht der Verwaltung nicht mehr zu berücksichtigen.

1 Gleichlautender Ländererlass v. 3.6.2021, BStBl. I 2021, 733, welcher an die Stelle des gleichlautenden Ländererlasses v. 18.2.2020, BStBl. I 2020, 282 getreten ist. 2 Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 442 a.E; FinMin. NW v. 9.8.2010, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 II. 3 FinMin. NW v. 9.8.2010, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 II. 4 BFH v. 28.7.1999 – II R 25/98, BStBl. II 2000, 206. 5 FinMin. NW v. 18.1.2005, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 I. 6 FG BW v. 13.10.2004 – 2 K 22/04, EFG 2005, 891; FG Rh.-Pf. v. 16.5.2013 – 4 K 1074/10, EFG 2014, 64 – BFH, Revisionsverfahren II R 43/13. 7 FinMin. NW v. 9.8.2010, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 II. 8 FinMin. NW v. 9.8.2010, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 II. 9 FinMin. NW v. 9.8.2010, GrESt-Kartei NW, § 1 GrEStG, Karte 5 II. 10 Gleichlautender Ländererlass v. 3.6.2021, BStBl. I 2021, 733, welcher an die Stelle des gleichlautenden Ländererlasses v. 18.2.2020, BStBl. I 2020, 282 getreten ist.

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Rz. 136 § 1

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Nach den nunmehr die Verwaltung bindenden Regelungen in dem gleichlautenden Ländererlass v. 3.6.20211 ist der Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem BauGB in seiner jeweils geltenden Fassung bis zur Höhe des Sollanspruchs grunderwerbsteuerfrei (= Minderzuteilung und wertgleiche Zuteilung), wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Übersteigt der Wert des dem neuen Eigentümer zugeteilten Grundstücks seinen sich aus dem Wert des eingebrachten Grundstücks ergebenden Sollanspruch auf Zuteilung, liegt eine Mehrzuteilung vor. Die Mehrzuteilung umfasst den Teil der Zuteilung, der den Sollanspruch übersteigt. Eine Mehrzuteilung ist grunderwerbsteuerfrei, wenn der Wert des dem neuen Eigentümer zugeteilten Grundstücks seinen sich aus dem Wert des eingebrachten Grundstücks ergebenden Sollanspruch nicht um mehr als 20 % übersteigt (= unwesentliche Mehrzuteilung). Erfolgt dagegen eine Zuteilung, die den Sollanspruch um mehr als 20 % übersteigt (wesentliche Mehrzuteilung), ist die gesamte Mehrzuteilung, d.h. die Differenz zwischen der Zuteilung und dem Sollanspruch, grunderwerbsteuerpflichtig.

131

Eine weitergehende Differenzierung der Mehrzuteilung (vgl. Rz. 129) erfolgt für nach dem 28.12.2020 132 verwirklichte Erwerbsvorgänge nicht mehr, was sich insbesondere für die an dem Umlegungsverfahren zumeist beteiligten Gemeinden nachteilig auswirken kann, da auch für diese ausschließlich auf die den Sollanspruch übersteigende Mehrzuteilung abgestellt wird. Für alle Umlegungsteilnehmer nachteilig wirkt sich ferner aus, dass die „umlegungsbedingte“ und damit von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b erfasste Mehrzuteilung von 30 % auf 20 % des Sollanspruches abgesenkt wurde. c) Eigentumsübergang im Zwangsversteigerungsverfahren (Buchst. c) Der Eigentumsübergang im Wege eines Zwangsversteigerungsverfahrens ist zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c von der Besteuerung ausgenommen. Jedoch ist diese Reglung im Zusammenhang mit dem Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG zu sehen, wonach der Zeitpunkt der Verwirklichung auf die Abgabe des Meistgebotes vorverlegt und nicht erst der tatsächliche Übergang des Eigentums auf den Ersteher besteuert wird.

133

VII. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Abs. 1 Nr. 4) 1. Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c Der Eigentumsübergang im Wege eines Zwangsversteigerungsverfahrens ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c von der Besteuerung ausgenommen. Jedoch ist diese Ausnahme von der Besteuerung kausal mit dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG zu sehen, der den Zeitpunkt der Verwirklichung auf die Abgabe des Meistgebotes vorverlegt und nicht erst den tatsächlichen Übergang des Eigentums auf den Ersteher besteuern will.

134

2. Allgemeines zum Tatbestand § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG knüpft die Steuerbarkeit des Erwerbs von Grundstückseigentum im Wege der Zwangsversteigerung an die Abgabe des Meistgebotes. Dies ergibt sich aus dem dem Grunderwerbsteuergesetz innewohnenden Grundgedanken, den Anspruch auf Übereignung zu besteuern2, denn mit Abgabe des Meistgebotes hat der der Meistbietende einen Anspruch auf Erwerb des versteigerten Grundstücks durch Erteilung des Zuschlages erworben.

135

Da § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG explizit auf die Zwangsversteigerung verweist, sind neben der grunderwerbsteuerlichen Würdigung vor allem die zivilrechtlichen Begrifflichkeiten und Definitionen des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) zu berücksichtigen und im diesem Sinne auszulegen3.

136

1 BStBl. I 2021, 733, Tz. 1.3 und 2.3. 2 BFH v. 6.6.1984 – II R 184/81, BStBl. II 1985, 261. 3 BFH v. 19.11.1968 – II 112/65, BStBl. II 1969, 92; v. 14.10.2008 – II B 65/07, BFH/NV 2009, 214.

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§ 1 Rz. 136 Erwerbsvorgänge Grundstückeigentum im Zwangsversteigerungsverfahren wird durch Zuschlag1, welcher durch Verkündung des Zuschlagbeschlusses wirksam wird, erworben2. Der Zuschlag ist dem Meistbietenden3 oder einem Dritten, der die Verpflichtungen aus dem Meistgebot übernommen hat oder diesem abgetreten wurden („Zwischengeschäfte“; vgl. Rz. 162)4, zu erteilen. 137

Hat der Meistbietende im Zwangsversteigerungstermin gegenüber dem Zwangsversteigerungsgericht wirksam (s. Rz. 141.1) erklärt, nicht im eigenen, sondern fremden Namen zu bieten, so ist der Zuschlag dem Vertretenen zu erteilen. 3. Versteigerungen nach dem ZVG

138

Zu den Versteigerungen, die nach dem ZVG durchgeführt werden können, gehören: – die Zwangsversteigerung (§§ 15 bis 145a ZVG); – die Zwangsversteigerung im Insolvenzverfahren (§§ 172 bis 174a ZVG); – die Zwangsversteigerung eines Nachlassgrundstücks auf Antrag des Erben (§§ 175 bis 179 ZVG); – die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft (§§ 180 bis 184 ZVG). a) Umfang

139

Nur Grundstücke im Sinne des BGB (vgl. § 2 Rz. 6) und grundstücksgleiche Rechte wie das Erbbaurecht unterliegen der Zwangsversteigerung nach dem ZVG. Ebenso Bruchteile an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Wohnungs- und Teileigentum nach dem WEG.

140

Gebäude auf fremden Grund und Boden, welche nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG den Grundstücken gleichstehen, unterliegen der Zwangsvollstreckung nach der ZPO, da nach § 95 BGB Gebäude auf fremden Grund und Boden bewegliche Sachen sind, welche nach den Vorgaben der §§ 808 bis 827 ZPO der Zwangsvollstreckung unterliegen. Bzgl. der Zwangsvollstreckung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist ebenfalls mit Zuschlag an den Meistbietenden5 Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG gegeben6, da grunderwerbsteuerlich diese Gebäude auf fremdem Grund und Boden den Grundstücken gleichstehen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).

141

Nach §§ 15, 55 Abs. 1 ZVG umfasst die Zwangsversteigerung in erster Linie das Grundstück und seine Bestandteile. Zu den Bestandteilen eines Grundstücks i.S.d. ZVG gehören Maschinen, Inventar, Zubehör und sonstige Betriebsvorrichtungen, auch wenn diese im Eigentum eines Dritten stehen. Dem Dritten steht aber nach §§ 55 Abs. 2, 37 Nr. 5 ZVG vor Erteilung des Zuschlags das Recht zu, für diese ihm gehörenden Gegenstände die einstweilige Einstellung oder Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens herbeizuführen. Hinsichtlich der Bestimmung der Gegenleistung wird auf die Ausführungen zu § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG verwiesen (vgl. § 9 Rz. 183). b) Wirksame Stellvertretung

141.1

Hat der Meistbietende im Zwangsversteigerungstermin gegenüber dem Zwangsversteigerungsgericht wirksam erklärt, nicht im eigenen, sondern im fremden Namen bieten zu wollen, so ist der Zuschlag dem Vertretenen zu erteilen.

141.2

Wirksame Stellvertretung bedeutet in diesem Fall, dass dem Form- und Inhaltserfordernis des § 71 Abs. 2 ZVG Rechnung getragen werden muss. Das ZVG lässt es u.a. nicht zu, im Namen eines unbekannten Dritten bieten zu wollen. Ebenso ist zu beachten, dass die Vertretung in öffentlich-beglaubigter Form nachgewiesen werden muss.

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§ 90 Abs. 1 ZVG. § 89 ZVG. § 81 Abs. 1 ZVG. § 81 Abs. 2 ZVG. § 817 ZPO. Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 469.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 142 § 1

Ergibt sich aus dem Protokoll über den Zwangsversteigerungstermin1, dass der Meistbietende nicht 141.3 im eigenen, sondern fremden Namen bieten wollte und weist das Versteigerungsgericht trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten das abgegebene Gebot nicht zurück, so wird das Meistgebot dem Vertretenen zugerechnet2. Wird im Rahmen des Versteigerungstermins jedoch nicht kenntlich gemacht, dass das Meistgebot nicht im eigenen, sondern fremden Namen abgegeben werden sollte, und erklärt der Meistbietende erst im Nachhinein, dass er für einen Dritten geboten hat, so ist der Meistbietende der Ersteher des Grundstücks3. Sollte er die sich aus der Zwangsversteigerung ergebenden Rechte auf den Dritten übertragen, so wird hierdurch ein weiterer Tatbestand („Zwischengeschäfte“; vgl. Rz. 162) verwirklicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vertretene im Versteigerungstermin oder nachträglich in der Form des § 81 Abs. 3 ZVG erklärt, dass das Meistgebot in seinem Namen abgegeben wurde. In diesem seltenen Fall ist der Vertretene Meistbietender4.

141.4

c) Freiwillige Versteigerung Die freiwillige Versteigerung ist keine Zwangsversteigerung nach dem ZVG und ist daher nicht von 141.5 § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG erfasst. Vielmehr kommt es zwischen dem Grundstücksveräußerer und dem „Ersteher“ zu einem Kaufvertrag, welcher nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG mit „Zuschlag“ verwirklicht wird. Der dadurch abgeschlossene Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung5 (vgl. Rz. 55).

VIII. Zwischengeschäfte (Abs. 1 Nrn. 5 bis 7) Literatur: Behrens, Vorkaufsrechte im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2019, 1047; Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer beim Unternehmenskauf mit noch nicht feststehender Akquisitionsstruktur, DB 2005, 2491; Böing, Grunderwerbsteuer durch die Ausübung von Ankaufsrechten beim Immobilienleasing, UVR 2010, 369; Bruschke, Zwischengeschäfte und Grunderwerbsteuer, UVR 2004, 335; Bruschke, Grunderwerbsteuerliche Behandlung von Kaufangeboten, UVR 1994, 363; Gottwald/Steer, Neuabschluss von Verträgen bzw. Vertragsübernahmen im Grunderwerbsteuerrecht, MittBayNot 2004, 166; Heine, Zwischenerwerb und doppelte Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG?, GmbHR 2007, 467; Heine, Zwischengeschäfte und Handel mit Kaufangeboten bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2000, 57; Holland, Grunderwerbsteuer bei Verkaufsangeboten, ZNotP 1999, 90; Hübner, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt im Grunderwerbsteuerrecht, BB 1994, 2044; Kraft/Jung, Grunderwerbsteuerliche Aspekte der Disposition über ein Grundstücksvermächtnis, ZEV 2021, 16.

1. Vorüberlegungen zu den sog. Zwischengeschäften Die in § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG normierten Tatbestände werden üblicherweise als Zwischengeschäfte bezeichnet und sollen Umgehungsgeschäfte der Besteuerung unterwerfen, mit denen die Grunderwerbsteuer für eine Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch vermieden werden soll, dass stattdessen mit dem Anspruch auf eine Grundstücksübertragung oder aber einem Recht aus einem Kaufangebot bzw. einem Meistgebot gehandelt wird6. Sie können aus diesem Grund auch als „Zwischenhandelsgeschäfte“ bezeichnet werden. Wird ein Grundstück an einen Erwerber verkauft und veräußert dieser das Grundstück an einen Zweiterwerber weiter, so liegen zwei einander nachfolgende Erwerbsvorgänge gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, die jeweils grunderwerbsteuerbar sind. Nach der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes soll eine zweifache Besteuerung ebenfalls ausgelöst werden, wenn der Erwerber nicht ins Grundbuch eingetragen wird, aber seinen (Übereignungs- oder Auflassungs-) Anspruch aus dem Kaufvertrag an den Zweiterwerber abtritt. Diese Doppelbesteue-

1 2 3 4 5 6

§§ 78, 80 ZVG. BFH v. 14.1.1969 – II 137/64, BFHE 95, 113. BFH v. 26.1.2006 – II S 14/05 (PKH), BFH/NV 2006, 979; v. 19.11.1968 – II 112/65, BStBl. II 1969, 92. BFH v. 13.10.1965 – II 80/62 U, BStBl. III 1965, 712. BGH v. 24.4.1998 – V ZR 197/97, NJW 1998, 2350. BFH v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411.

Nienhaus und Böing

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142

§ 1 Rz. 142 Erwerbsvorgänge rung ist nach Auffassung des BFH durch die gegebene Rechtsposition, das Grundstück „gleichsam weiterzuveräußern“, gerechtfertigt1. 143

Der doppelte Anfall von Grunderwerbsteuer kann dadurch vermieden werden, dass der erste Rechtsvorgang, im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG der Grundstückskaufvertrag zwischen dem Eigentümer und dem Ersterwerber (dem Zwischenhändler) i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht wird, und der Kaufvertrag sodann direkt zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Dritten abgeschlossen wird. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kann die Steuerfestsetzung für einen Erwerbsvorgang aufgehoben werden, wenn dieser innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung des Steueranspruchs rückgängig gemacht wird. Allerdings gelten für eine Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG strenge Voraussetzungen: Der Erwerbsvorgang muss vollständig und tatsächlich rückgängig gemacht worden sein. Dazu gehört auch, dass dem Ersterwerber keine tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit verbleiben darf, bei der Weiterveräußerung des Grundstücks an einen Dritten wirtschaftliche Ziele zu verfolgen, die er sonst nur als Eigentümer erreichen könnte2 (vgl. § 16 Rz. 65).

144

Von einem steuerpflichtigen Zwischengeschäft kann – von den Fällen der Abtretung eines Kaufangebots, dessen Begründung in der Regel nicht steuerbar ist, abgesehen – nur dann ausgegangen werden, wenn die Begründung der weiterübertragenen Rechtsposition auf einem Rechtsgeschäft beruhte und der Grunderwerbsteuer unterlegen haben kann3. Nur in den Fällen, in denen die Steuerpflicht bereits auf das auf Eintritt der Eigentumsänderung zielende Rechtsgeschäft vorverlegt ist, ist es zur Vermeidung einer Besteuerungslücke notwendig, auch die vor Eintritt der Eigentumsänderung erfolgende Weiterübertragung dieser Rechtsposition ihrerseits der Steuer zu unterwerfen. Unterliegt dagegen die Begründung der auf Eigentumsänderung abzielenden Rechtsposition selbst nicht der Steuer, so besteht keine Notwendigkeit, die Weiterübertragung dieser Rechtsposition der Steuer zu unterwerfen. Nach diesen Grundsätzen unterliegt auch die Abtretung des Rückübertragungsanspruchs nach dem VermG nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG4. Nicht der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG unterliegt außerdem der Übergang eines Auflassungsanspruchs im Wege der Verschmelzung auf einen neuen Rechtsträger. Besteuert werden können nur Rechtsgeschäfte, und zwar in Gestalt der sog. Zwischengeschäfte. Bei einer Verschmelzung geht aber der Anspruch nicht durch Rechtsgeschäft, sondern kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über5.

145

Die Zwischengeschäfte in § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG beinhalten insgesamt vier verschiedene Tatbestände. Erfasst werden durch die Vorschriften solche Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs (Nr. 5 Alt. 1 GrEStG), eines Rechts aus einem Meistgebot (Nr. 5 Alt. 2) oder aus einem Kaufangebot (Nr. 6) begründen sowie die Abtretungen dieser Rechte ohne vorausgegangenes Rechtsgeschäft (Nr. 7). Wie auch in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG knüpft das Gesetz die Steuerbarkeit zunächst an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 GrEStG) an und nur hilfsweise an die Abtretung selbst, wenn kein schuldrechtliches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG).

146

Die in § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG angesprochenen Rechtsgeschäfte stehen jeweils im Zusammenhang mit einem anderen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Unterschied zwischen § 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 GrEStG ist insbesondere in der zeitlichen Abfolge bezogen auf das eigentliche Grundstücksgeschäft zu sehen. Bei § 1 Abs. 1 Nr. 5 (und Nr. 7 Alt. 1) GrEStG kommt es zu einer Abtretung eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks. Der Erwerb dieses Übereignungsanspruchs (z.B. durch einen Grundstückskaufvertrag) hat seinerseits bereits der

1 BFH v. 16.3.1994 – II R 14/91, BStBl. II 1994, 525. 2 BFH v. 17.2.1993 – II B 142/92, BFH/NV 1994, 56; Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 19. 3 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 479; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 216, der aber die Nichtsteuerbarkeit dieser dem Grundstückshandel ähnlichen Erscheinungen im Ergebnis für „durchaus zweifelhaft“ hält. Mangels rechtsgeschäftlicher Anspruchsbegründung soll auch die Übertragung eines Grundstücksvermächtnisanspruchs nicht der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG unterliegen, vgl. dazu ausführlich Kraft/Jung, ZEV 2021, 16 (19). 4 BFH v. 10.12.1997 – II R 27/97, BStBl. II 1998, 159; v. 4.4.2001 – II R 62/99, BFH/NV 2001, 1448; MeßbacherHönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 479. 5 BFH v. 7.9.2005 – II B 55/04, BFH/NV 2006, 123; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 495.

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Böing

B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 150 § 1

Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterlegen, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zeitlich nachfolgt. Anders ist es jedoch bei der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot, § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 Alt. 2 GrEStG. In diesen Fällen ist es durch die Einräumung des Kaufangebots noch zu keinem grunderwerbsteuerbaren Vorgang gekommen, so dass sich der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG vor dem eigentlichen Grundstücksgeschäft vollzieht. Beispiel zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG: B kauft von A mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück. Noch vor Eintragung in das Grundbuch schließt B einen Vertrag mit C ab, in dem er seinen Übereignungsanspruch an diesen abtritt.

147

Lösung: Bereits durch den Abschluss des Kaufvertrags wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt, da B einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erlangt hat. Nachfolgend wird durch den weiteren Vertrag dieser Anspruch an C abgetreten und der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ausgelöst. Beispiel zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG: A hat B ein wirksames Angebot zum Kauf eines bestimmten Grundstücks eingeräumt. In einem wirksamen Vertrag tritt B seine Rechte aus diesem Kaufangebot an C ab. C macht schließlich von seinem erworbenen Recht Gebrauch und erwirbt das Grundstück.

148

Lösung: Durch die Einräumung des Kaufangebots wird zunächst noch kein steuerbarer Tatbestand ausgelöst. Durch die Abtretung des Rechts an C wird § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG verwirklicht (die Steuer für diesen Tatbestand entsteht jedoch erst später (vgl. Rz. 195). Dagegen ist das eigentliche Grundstücksgeschäft erst mit der Annahme des Kaufangebots durch C nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Durch § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG wird die Weiterübertragung einer Rechtsposition der Besteuerung un- 149 terworfen, deren Begründung selbst nicht der Steuer unterliegt. Indem der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG auch die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot als steuerbaren Tatbestand normiert, sollen aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Umgehungen der nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG steuerbaren Abtretung eines Übereignungsanspruchs vermieden werden. Solche Umgehungen wären ansonsten möglich, wenn nicht der Übereignungsanspruch abgetreten würde, sondern lediglich das Recht aus einem Kaufangebot1. Die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot wird daher durch den Gesetzgeber der Abtretung der Rechte aus einem Übereignungsanspruch gleichgestellt. Zu beachten ist, dass § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG nur im Rahmen von Ansprüchen auf Übereig- 150 nung von inländischen Grundstücken Anwendung finden, nicht aber hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften (vgl. § 1 Rz. 801 f.)2. Auch eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG auf die Fälle der Anteilsübertragungen in § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nicht zulässig, da sie gegen das im Steuerrecht geltende Verbot verstoßen würde, über den Wortsinn des Gesetzes hinaus Steuertatbestände auszuweiten oder neue Steuertatbestände zu schaffen3. Wird ein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf eine andere Person übertragen, so kommt auch keine – weitere – Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG in Betracht, da die Abtretung eines solchen Anspruchs von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht erfasst ist. Eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG scheitert wiederum daran, dass der Übertragung des Anspruchs bereits ein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das seinerseits nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlegen hat4.

1 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 217. 2 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748, Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 480; Behrens/Schmitt, DB 2005, 2491 (2493). 3 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 4 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748.

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§ 1 Rz. 151 Erwerbsvorgänge 2. Schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung bzw. die Abtretung eines Übereignungsanspruchs a) Abtretung eines Übereignungsanspruchs 151

Der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks, der z.B. im Rahmen eines Kaufvertrags erworben wird, kann an einen Dritten abgetreten werden, wobei die Abtretung nach § 398 BGB erfolgt. Das den Übereignungsanspruch begründende Verpflichtungsgeschäft unterliegt nach den allgemeinen Grundsätzen der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung oder die Abtretung selbst unterliegen sodann der Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG. Die Abtretung bzw. die schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung unterliegen grundsätzlich keinem Formzwang. Dies gilt auch dann, wenn die abgetretene Forderung auf einem formbedürftigen Rechtsgeschäft basiert, z.B. auf einem Grundstückskaufvertrag, der seinerseits der notariellen Beurkundung nach § 311b BGB bedarf 1. Etwas anderes gilt jedoch für die Abtretung von Ansprüchen auf Rückübertragungen von Grundstücken (sowie Gebäuden oder Unternehmen), die aufgrund der ausdrücklichen Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG der notariellen Beurkundung bedürfen. b) Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt

152

Besonderheiten bestehen im Bereich der Vertragsübernahme bzw. des Vertragsbeitritts. Tritt ein Dritter in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, so kann darin eine Vertragsübernahme zu sehen sein. Eine solche liegt vor, wenn der neue Vertragspartner in die gesamte vertragliche Rechtsposition des Ersterwerbers nachfolgt. Dies bedarf der Zustimmung aller Beteiligten. Es findet auf der Grundlage eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ein Auswechseln des Vertragspartners eines im Übrigen kontinuierlich fortbestehenden Vertrages statt2. Das Schuldverhältnis als Gesamtheit von Rechten und Pflichten wird zwischen den neuen Vertragspartnern fortgesetzt3. Es liegt ein einheitliches dreiseitiges Rechtsgeschäft vor, das sich nicht in einzelne Forderungsabtretungen und Schuldübernahmen zergliedern lässt4. Der zivilrechtliche Eigentumsübergang kann sich nur zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten vollziehen. Aus Sicht des Dritten stellt die Vertragsübernahme auch ein anderes Rechtsgeschäft dar, das „einen Anspruch auf Übereignung“ begründet, so dass man die Erfüllung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Erwägung ziehen könnte. Obwohl in rechtstechnischer Betrachtung keine Abtretung vorliegt, begründet die Vertragsübernahme aber dennoch einen regelmäßig sogleich erfüllten Anspruch auf Übertragung eines Übereignungsanspruchs bezüglich des Grundstücks und führt damit in grunderwerbsteuerlicher Betrachtung zu einem Rechtsträgerwechsel gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem Dritten. Dieser Rechtsträgerwechsel schließt einen nochmaligen grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechsel auf den Dritten – gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – aus5. Für die personenbezogenen Steuerbefreiungen ist somit auf das Verhältnis zwischen Erst- und Zweiterwerber abzustellen, da sich in diesem Verhältnis der grunderwerbsteuerlich maßgebliche Rechtsträgerwechsel vollzieht6. Diese Auffassung teilt auch die Finanzverwaltung7.

153

Von der Vertragsübernahme sind andere ähnliche Rechtsinstitute abzugrenzen. Unter einem Vertragsbeitritt ist der Eintritt eines weiteren Erwerbers in den Vertrag zu verstehen, wobei dieser nicht an die Stelle des bisherigen Erwerbers, sondern neben diesen tritt und mit diesem als Gesamtschuld-

1 Roth/Kieninger in MüKo8, § 398 BGB Rz. 34 m.w.N, dazu auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 490. 2 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 318. 3 BGH v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88. 4 BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526. 5 BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526 unter ausdrücklicher Aufgabe der Auffassung in dem Urt. v. 26.9.1990 – II R 107/87, BFH/NV 1991, 482; außerdem BFH v. 22.9.2010 – II R 36/09, BFH/NV 2011, 304. 6 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 320, 486; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 41; Hübner, BB 1994, 2044 (2047). 7 FinMin. BW v. 10.8.1995 – S 4543/2, DStR 1995, 1309.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 156 § 1

ner für die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen haftet. Auch der Vertragsbeitritt bedarf wie die Vertragsübernahme der Zustimmung aller Beteiligten. Ebenso geht beim Vertragsbeitritt das zivilrechtliche Eigentum von dem ursprünglichen Veräußerer auf den erwerbenden Dritten über. Obwohl auch hier keine Abtretung im eigentlichen Sinn vorliegt, vollzieht sich auch beim Vertragsbeitritt der grunderwerbsteuerliche Rechtsträgerwechsel vom Erst- auf den Zweierwerber, so dass die in diesem Verhältnis geltenden Steuerbefreiungen maßgebend sind1. Von einer Vertragsübernahme bzw. einem Vertragsbeitritt kann nicht mehr gesprochen werden, wenn 154 es zu einem Neuabschluss des Vertrages kommt. Neuabschluss und Vertragsübernahme unterscheiden sich zwar nicht darin, zwischen welchen Personen zivilrechtlich der Eigentumswechsel an den Grundstücken stattfindet, weil sich der Eigentumsübergang in beiden Fällen rechtsnotwendig zwischen dem ursprünglichen Veräußerer als dem bisherigen Grundstückseigentümer und dem Dritten vollzieht. Beide Alternativen unterscheiden sich allerdings darin, zwischen welchen Personen der grunderwerbsteuerrechtlich maßgebliche Rechtsträgerwechsel stattfindet. Dieser verläuft nämlich beim Neuabschluss vom ursprünglichen Veräußerer auf den Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und nicht – wie bei der Vertragsübernahme – vom Ersterwerber auf den Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG). Problematisch ist die Beurteilung eines Neuabschlusses vor allem deshalb, weil dieser in der Regel eine Aufhebung bzw. Rückabwicklung des bisherigen Grundstückskaufvertrags zwischen dem Eigentümer und dem Ersterwerber mit sich bringt. Auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wird, so wird die Auslegung einer Vereinbarung als Neuabschluss des Vertrags mit einem Dritten auch eine Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zwischen dem Verkäufer und dem Ersterwerber mit umfassen2. Die Rückabwicklung des ursprünglichen Vertrags kann zu einer Anwendung von § 16 GrEStG führen, wobei dieser Anwendung durch die Tatbestandsvoraussetzungen enge Grenzen gesetzt sind (vgl. § 16 Rz. 47 ff.). Der Bestimmung, ob eine Vertragsübernahme oder ein Neuabschluss vorliegen, kann daher durch die Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von personenbezogenen Steuerbefreiungen erhebliche grunderwerbsteuerliche Bedeutung zukommen. Bei der Abgrenzung zwischen Neuabschluss und Vertragsübernahme ist auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 ff. BGB abzustellen. Beschränken sich die beteiligten Personen im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite, so liegt eine Vertragsübernahme vor. In diesem Fall kann nicht von einer Abtretung des bisherigen Rechtsverhältnisses durch den Ersterwerber an den Dritten gesprochen werden. Kommt es dagegen zu weiteren Änderungen (z.B. hinsichtlich des Kaufpreises oder des Kaufgegenstandes), so kann dies als Neuabschluss eines Vertrags zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten einzuordnen sein. Allerdings führt nicht jede Vertragsänderung zu einer Einordnung als Neuabschluss. Maßgebend ist vielmehr, ob es sich um unbedeutende Vertragsänderungen handelt (dann ist eine Vertragsübernahme anzunehmen), oder ob es sich um wesentliche Änderungen handelt (dann liegt ein Neuabschluss vor)3. Keine Rolle spielt es, wie die Beteiligten die Änderungsvereinbarungen bezeichnet haben. So können auch der Abschluss einer „Vertragsaufhebung“ und der Abschluss eines neuen „Kaufvertrags“ gleichwohl als Vertragsübernahme und nicht als Neuabschluss anzusehen sein4.

155

c) Stellvertretung Wie eine Abtretung des Anspruchs sind auch die Fälle der mittelbaren (verdeckten) Stellvertretung zu beurteilen. Hierbei erwirbt ein Beauftragter oder Treuhänder ein Grundstück zwar für einen anderen, handelt aber nicht Namen des „Vertretenen“, sondern in eigenem Namen. Dadurch erwirbt der mittelbare Stellvertreter einen eigenen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Steuer unterliegt5. Mit der Übertragung dieses Anspruchs auf den Auftrag-

1 2 3 4 5

Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 41 und 70; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 100; Hübner, BB 1994, 2044 (2047). Gottwald/Steer, MittBayNot 2004, 166 (167). BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526; Gottwald/Steer, MittBayNot 2004, 166. BFH v. 22.9.2010 – II R 36/09, BFH/NV 2011, 304. BFH v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431 mit dem Hinweis auf die zusätzliche Verwirklichung von § 1 Abs. 2 GrEStG; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 116.

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§ 1 Rz. 156 Erwerbsvorgänge geber wird sodann ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Tatbestand (nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG bzw. 7) ausgelöst1. 157

Anders ist die Rechtslage in den Fällen der unmittelbaren Stellvertretung, bei der der Vertretene durch das Handeln des Vertreters unmittelbar Rechte und Pflichten erwirbt, § 164 BGB. In diesen Fällen kann es nicht zu einer Abtretung des Übereignungsanspruchs kommen, da er unmittelbar in der Person des Vertretenen entsteht. Schließt jemand als Stellvertreter einen Kaufvertrag für „einen oder mehrere von ihm zu benennende Dritte“, so kann eine unmittelbare Stellvertretung (ohne Zwischenhandel) nur dann angenommen werden, wenn eine bestimmte, bei Vertragsabschluss schon feststehende dritte Person vertreten wird und wenn nach dem gesamten Vertragsinhalt nicht der Handelnde, sondern nur der Dritte selbst als die Vertragspartei anzusehen ist2. Dass dieser Dritte dem Veräußerer erst nach Vertragsabschluss benannt wird, ist unschädlich3.

158

Probleme können auch entstehen, wenn für eine noch in Gründung befindliche Gesellschaft gehandelt wird. Zwar ist rechtsgeschäftliches Handeln namens einer erst künftig entstehenden juristischen Person grundsätzlich möglich, insbesondere kann im Namen einer noch nicht entstandenen Kapitalgesellschaft mit der Maßgabe gehandelt werden, dass erst die entstandene Gesellschaft aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet sein soll4. Bis zur Genehmigung durch die Gesellschaft ist der Vertrag schwebend unwirksam, er kann durch – auch stillschweigend mögliche – Genehmigung rückwirkend wirksam werden. Bleibt eine Gründung aus, haftet der Handelnde zwar nach § 179 Abs. 1 BGB, er wird aber nicht seinerseits zum Erwerber. Es kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG in Betracht kommen5.

159

Der BFH zieht außerdem eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG in Erwägung, wenn der Vertrag nicht nur mit einem zunächst noch nicht existenten, aber eindeutig bestimmbaren Käufer schwebend unwirksam war, sondern die Person des Käufers bis zu ihrer Bestimmung offenbleiben sollte. In solchen Fällen stehe der Vertrag grunderwerbsteuerlich einem Verkaufsangebot des Grundstücksverkäufers gleich6. d) Bemessungsgrundlage und Steuerentstehung

160

Die Bemessungsgrundlage für die Abtretung eines Übereignungsanspruchs und das ggf. vorgeschaltete Verpflichtungsgeschäft ist in § 9 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ausdrücklich geregelt. Danach gilt als Gegenleistung die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, einschließlich der besonderen Leistungen, zu denen sich der Übernehmer dem Abtretenden gegenüber verpflichtet. Die Vorschrift, die auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 keine Anwendung findet, deckt sich weitgehend mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG.

161

Die Steuer entsteht erst, wenn der Abtretende tatsächlich einen wirksamen Übereignungsanspruch erlangt hat. Die Steuer für einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG kann nicht früher entstehen als die Steuer für einen unmittelbaren Erwerb des Grundstücks durch den Abtretenden. Wird ein aufschiebend bedingter oder ein genehmigungsbedürftiger Anspruch abgetreten, so kann die Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG erst in dem Zeitpunkt entstehen, den § 14 GrEStG bestimmt – unabhängig davon, ob die Abtretung selbst genehmigungsbedürftig oder aufschiebend bedingt ist7.

1 BFH v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 55. 2 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 118; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 55; Bruschke, UVR 2004, 335 (336). 3 BFH v. 22.12.1959 – II 228/56 U, BStBl. III 1960, 233; a.A. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 70. 4 BFH v. 22.1.2003 – II R 76/01, BFH/NV 2003, 1137. 5 BFH v. 17.7.1974, II R 18/69, BStBl. II 1975, 242. Etwas anderes gilt in den Fällen der gescheiterten Gründung einer Ein-Mann-GmbH, s. dazu Rz. 102. 6 BFH v. 17.7.1974 – II R 18/69, BStBl. II 1975, 242; dazu Behrens/Schmitt, DB 2005, 2491; Heine, UVR 2000, 57 (58). 7 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 220; G/B/B/S6, Kap. 2 Rz. 95.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 166 § 1

3. Schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung bzw. die Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot (Abs. 1 Nr. 5 und 7) Das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG der 162 Grunderwerbsteuer (vgl. Rz. 134 ff.), wobei der Meistbietende als Steuerschuldner anzusehen ist, § 13 Nr. 4 GrEStG. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Meistbietende das Gebot für einen Dritten abgegeben hat (es sei denn, es liegt ein Fall unmittelbarer Stellvertretung vor, wobei hier besondere Formerfordernisse gelten1). Wenn der Meistbietende in eigenem Namen für einen Dritten gehandelt hat und die erworbenen Rechte aus dem Meistgebot auf den Dritten überleitet, so ist darin ein zweiter steuerbarer Vorgang zu erblicken, der von § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG erfasst wird, sofern der Ersteher nicht die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erlangt hat. Die aufeinanderfolgende zweimalige Besteuerung unterliegt nach Auffassung des BFH keinen verfassungsrechtlichen Bedenken2. Der Anspruch auf den Zuschlag steht im Zwangsversteigerungsverfahren zunächst dem Meistbietenden zu, § 81 Abs. 1 ZVG, auch wenn er für einen Dritten geboten hat. Zivilrechtlich sind zwei Möglichkeiten gegeben, den Anspruch auf den Zuschlag auf einen Dritten überzuleiten. Zunächst besteht gem. § 81 Abs. 2 ZVG die Möglichkeit, die Rechte aus dem Meistgebot gem. § 398 BGB an den Dritten abzutreten mit der Folge, dass anstelle des Meistbietenden der Zessionar den Zuschlag erhält. Die Verpflichtung zur Abtretung des Rechts auf den Zuschlag unterliegt dann gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Hilfsweise kommt eine Besteuerung der Abtretung selbst gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG in Betracht.

163

Daneben ist es gem. § 81 Abs. 3 ZVG möglich, einem anderen den Zuschlag zu erteilen, wenn das Meistgebot in verdeckter Vollmacht abgegeben worden ist und der Meistbietende dies im Termin oder nachträglich in einer öffentlich beglaubigten Urkunde erklärt. Diese Erklärung gem. § 81 Abs. 3 ZVG steht der Erklärung nach § 81 Abs. 2 ZVG in ihren rechtlichen Wirkungen weitgehend gleich und ist daher ebenfalls als steuerbares Zwischengeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG zu beurteilen3.

164

Die Steuer entsteht gem. § 38 AO in dem Zeitpunkt, in dem der Dritte einen Anspruch auf Erteilung 165 des Zuschlags erlangt. In den Fällen des § 81 Abs. 2 ZVG ist dies anzunehmen, wenn die Abtretungserklärung und die Übernahmeerklärung in der erforderlichen Form dem Versteigerungsgericht angezeigt worden sind. Liegt eine verdeckte Vertretung nach § 81 Abs. 3 ZVG vor, entsteht die Steuer, wenn die Erklärung des Meistbietenden, dass er das Meistgebot in fremdem Namen abgegeben hat, sowie die Zustimmungserklärung des Vertretenen dem Versteigerungsgericht angezeigt worden sind. 4. Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot oder gleichgestellten Angebot (Abs. 1 Nr. 6 und 7) a) Vorüberlegungen zu Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 Aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 Alt. 2 GrEStG folgt eine Grunderwerbsteuerpflicht der Weiterleitung bzw. Übertragung von Kaufangeboten. Ziel dieser Vorschriften ist die Erfassung des Grundstückshandels, der der Grunderwerbsteuer für die Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zu deren Verkauf handelt4. Obwohl § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG als einzige Vorschrift im Grunderwerbsteuerrecht den Begriff des „Kaufangebots“ aufgreift, regelt sie dennoch nur die Fälle des Handels mit solchen Angeboten. Für die Beurteilung der Einräumung von Kaufangeboten ist dagegen auf die allgemeinen Grundsätze abzustellen (vgl. Rz. 56).

1 Siehe dazu G/B/B/S6, Kap. 2 Rz. 89; Bruschke, UVR 2004, 335 (336). 2 BFH v. 16.3.1994 – II R 14/91, BStBl. II 1994, 525; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 213. 3 BFH v. 13.10.1965 – II 80/62 U, BStBl. II 1965, 712; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 214; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 509. 4 BFH v. 5.7.2006 – II R 7/05, BStBl. II 2006, 765.

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166

§ 1 Rz. 167 Erwerbsvorgänge 167

Ebenso wie § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ist auch § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG immer im Zusammenhang mit einem zweiten Erwerbsvorgang, dem Haupt-Grundstücksgeschäft, zu sehen. Anders als bei § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG kommt es hier jedoch zu einem steuerbaren Zwischengeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, noch bevor der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch das Hauptgeschäft erfüllt wurde (vgl. die Beispiele in Rz. 147, 148). In beiden Fällen handelt ein Nichteigentümer; im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG sogar ohne einen Übereignungsanspruch. Kennzeichnend ist daher, dass der Abtretungsempfänger nicht vom Abtretenden, sondern unmittelbar vom Eigentümer des Grundstücks erwirbt. Da das GrEStG das Ziel verfolgt, Grundstücksumsätze zu besteuern, sind die Tatbestände § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG erst und nur dann erfüllt, wenn der Kauf zwischen dem Dritten und dem Grundstückseigentümer auch tatsächlich zustande kommt1.

168

Da es zu einer Dritteinwirkung eines Nichteigentümers ohne Übereignungsanspruch kommt, wäre § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG unter systematischen Gesichtspunkten eigentlich eher bei § 1 Abs. 2 GrEStG anzusiedeln2. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG knüpft jedoch – anders als § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. Rz. 215) – die Steuerpflicht nicht an eine Substanzbeteiligung des Dritten am Grundstück.

169

Um den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG zu erfüllen, muss ein rechtswirksames Kaufangebot vorliegen (vgl. Rz. 174 ff.), das eigene Rechte eines Zwischenhändlers begründet, die dieser an einen Dritten „abtritt“ (vgl. Rz. 177 ff.). Als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss der Berechtigte das Kaufangebot außerdem zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwerten (vgl. Rz. 183 ff.). b) Grundsätzliche Behandlung von Kaufangeboten und Ankaufsrechten

170

§ 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG unterwirft die Weiterleitung von Rechten und damit den Handel mit Kaufangeboten der Grunderwerbsteuer. Systematik und Regelungsgehalt der Vorschrift werden deutlich, wenn man sich die grundsätzliche grunderwerbsteuerliche Behandlung von Kaufangeboten vor Augen führt:

171

Die Einräumung eines Kaufangebots oder die Vereinbarung eines Ankaufsrechts löst für sich allein betrachtet grundsätzlich noch keinen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang aus. Eine Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG scheidet aus, weil aus einem solchen Angebot oder Ankaufsrechts noch nicht auf die Erklärung der Auflassung geklagt werden kann3. Zu einer Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 2 GrEStG kommt es nur bei Hinzutreten besonderer Umstände (vgl. Rz. 225 ff.). Ein grunderwerbsteuerlicher Rechtsträgerwechsel liegt bei Kaufangeboten erst dann vor, wenn das Ankaufsrecht ausgeübt wird und der Kaufvertrag tatsächlich zustande kommt. Wird das Ankaufsrecht durch den Berechtigten selbst ausgeübt (liegt also nur ein Zwei-Personenverhältnis vor), so kommt es im Zeitpunkt der Ausübung zu einer Verwirklichung des Tatbestands § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft wird in zwei Teile gesplittet4 und findet zeitlich gestreckt statt (zunächst das Angebot und – teilweise deutlich später – die Annahme des Angebots). Erst im Zeitpunkt der notariellen Annahme des Angebots findet der für die Grunderwerbsteuer maßgebende Rechtsträgerwechsel, so dass in diesem Zeitpunkt die Grunderwerbsteuer entsteht. Es entsteht also nur einmal Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die im Zeitpunkt der Annahme, also des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags entsteht.

172

Anders ist die Beurteilung im Drei-Personenverhältnis zu sehen. Wenn der Berechtigte zulässigerweise einen Dritten als Erwerber benennt, der das Angebot annimmt, so wird zunächst wieder der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt, indem der Kaufvertrag – in diesem Fall zwischen Veräußerer und Drittem – durch die Annahme zustande kommt. Außerdem kann in der Übertragung der Rechte aus dem Kaufangebot an den Dritten ein Zwischengeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG zu sehen sein, so dass in diesen Fällen doppelt Grunderwerbsteuer anfällt. Für § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG sind

1 BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 224; G/B/B/S6, Kap. 2 Rz. 97; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 535. 2 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 217. 3 Heine, UVR 2000, 57 (59). 4 Bruschke, UVR 2004, 335 (337).

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 175 § 1

also nur Fälle im Drei-Personenverhältnis von Bedeutung, bei denen dem Ankaufsberechtigten ein Recht zur Benennung eines Dritten eingeräumt wurde und dieser dieses Benennungsrecht auch zugunsten eines Dritten ausübt. In besonderen Fällen kann bereits die Vereinbarung eines Ankaufsrechts eine Steuerpflicht auslösen. 173 Wird dem Berechtigten auch die Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks im Sinne einer Substanzbeteiligung eingeräumt, wird durch die Vereinbarung eines Ankaufsrechts bereits der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst (vgl. Rz. 232 ff.). Davon ist z.B. beim Abschluss eines Vollamortisationsleasingvertrags mit Ankaufsrecht auszugehen, da der Leasingnehmer im Rahmen eines solchen Vertrags in der Regel bereits uneingeschränkt nach seinem Belieben über das Grundstück verfügen und sich einen Wertzuwachs jederzeit verschaffen kann1. Anders ist die Rechtslage beim Teilamortisationsvertrag. Für diesen Vertragstypus hat der BFH entschieden, dass aufgrund fehlender Beteiligung des Leasingnehmers an der Substanz des Grundstücks die Verwertungsbefugnis nicht bereits mit Abschluss des Leasingvertrags auf den Leasingnehmer übergeht2. In diesen Fällen bleibt es also bei dem normalen Grundsatz, dass die Grunderwerbsteuer erst mit der Annahme des Ankaufsrechts entsteht. Sofern die Rechte aus dem Vertrag auf einen Dritten übergeleitet werden, kommt in diesen Fällen ein Zwischengeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG in Betracht. c) Rechtswirksames Kaufangebot Es muss zunächst ein „Kaufangebot“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 GrEStG vorliegen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 GrEStG steht dem Kaufangebot das Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann. Obwohl der Begriff des Kaufangebots dem Zivilrecht fremd ist, ist darunter jedenfalls auch der einseitige Vertragsantrag i.S.d. § 145 BGB zu verstehen, also das verbindliche Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags. Dass § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG den Begriff des Kaufangebots verwendet und nicht den des „Antrags“ i.S.d. § 145 BGB, zeigt, dass die Begriffe Kaufangebot und „Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 GrEStG) nicht nur im Sinne eines einseitigen Vertragsangebots zu verstehen sind3. Nach der Rechtsprechung des BFH umfasst dieser Begriff daher nicht nur das als Festofferte ausgestaltete Vertragsangebot, sondern auch das in die Rechtsform des Vertrags gekleidete Angebot, z.B. aus einem Ankaufsrecht oder einem Optionsvertrag, obwohl diese Verträge im Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG heute nicht mehr erwähnt werden. Ohne Bedeutung für die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ist es auch, wie man das dort genannte Recht aus einem Kaufangebot zivilrechtlich beurteilt, ob man es als Gestaltungsrecht ansieht oder nur als bloße rechtliche Möglichkeit4. Grunderwerbsteuerrechtlich kommt es nur darauf an, dass jemand aufgrund der Rechte, die ihm im Zusammenhang mit einem Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags eingeräumt worden sind, einem Dritten den Kauf des Grundstücks ermöglicht und dass dieser Kauf auch zustande kommt5. Von den vorgenannten Fällen ist die Übertragung eines Vorkaufsrechts abzugrenzen. Ein Vorkaufsrecht ist weder als Kaufangebot noch als Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrages anzusehen, so dass die Abtretung eines solchen Rechts (bzw. die Verpflichtung dazu) keine Grunderwerbsteuer auslösen kann6.

174

Ankaufsrechte, die sich auf Grundstücke beziehen, sind vor allem im Bereich des Immobilienleasings 175 anzutreffen und haben dort eine erhebliche praktische Bedeutung7. Zu beachten ist, dass die „Abtretung“ von Rechten aus Vertragsangeboten – anders als bei der Abtretung von Übereignungsansprüchen – nur mit Zustimmung des Anbietenden erfolgen kann, wobei diese Zustimmung häufig bereits antizipiert ist8.

1 2 3 4 5 6 7 8

Böing, UVR 2010, 369 (370). BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. BFH v. 10.7.1974 – II R 89/68, BStBl. II 1975, 86; Heine, UVR 2000, 57 (59). BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. Dazu ausführlich Behrens, BB 2019, 1047 (1051). Dazu Böing, UVR 2010, 369. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 71.

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§ 1 Rz. 176 Erwerbsvorgänge 176

Um den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG auszulösen, ist ein rechtswirksames Kaufangebot erforderlich. Nur dann, wenn das Angebot rechtsverbindlich ist und den Verkäufer bindet, besteht auch die Möglichkeit, mit diesem Kaufangebot zu handeln. Die Rechtswirksamkeit eines den Veräußerer bindenden Kaufangebots und ebenso des in einen Vertrag gekleideten Ankaufs- oder Optionsrechts setzt voraus, dass es der Form des § 311b BGB genügt, auch wenn es sich nur um eine einseitige Verpflichtung handelt1. Ein der Form des § 311b BGB nicht genügendes (privatschriftliches oder gar nur mündliches) Vertragsangebot bzw. in die Rechtsform des Vertrags gekleidetes Angebot entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber dem Veräußerer und erfüllt deshalb nicht die tatbestandlichen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nrn. 6, 7 GrEStG2. d) Abtretung eigener Rechte aus dem Kaufangebot

177

Wird einer Person ein Angebot zum Kauf eines Grundstücks gemacht, so kann diese Person das Angebot zwar annehmen oder ablehnen, es kann jedoch in rechtstechnischer Betrachtung nicht „abgetreten“ werden. Der Begriff der „Abtretung“ in § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ist also nicht inhaltsgleich mit dem in § 398 BGB verwendeten Abtretungsbegriff. Gleichwohl können Rechte aus Kaufangeboten auf einen Dritten übergeleitet werden, wenn die Abtretbarkeit vereinbart war3. Grunderwerbsteuerrechtlich kommt es nur darauf an, dass jemand aufgrund der Rechte, die ihm im Zusammenhang mit einem Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags eingeräumt worden sind, einem Dritten den Kauf des Grundstücks ermöglicht und dass dieser Kauf auch zustande kommt4.

178

Um den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG zu erfüllen, ist jedoch die Rechtsmacht des Berechtigten erforderlich, kraft eigenen Rechts die Rechte aus dem Kaufangebot an den Dritten weiterzuleiten. Davon ist zunächst auszugehen, wenn die Rechte aus dem Kaufangebot dem Berechtigten selbst zustehen und er berechtigt ist, diese an Dritte weiterzuleiten. Gleiches gilt, wenn dem Berechtigten ein Benennungsrecht zusteht, da es keinen Unterschied machen kann, ob dem Berechtigten ein Kaufangebot mit dem Recht auf Übertragung oder ein Benennungsrecht eingeräumt wird5. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ist also auch dann erfüllt, wenn das Kaufangebot alternativ an den Angebotsempfänger oder einen von diesem zu benennenden Dritten gerichtet ist und der Dritte das Kaufangebot infolge der Benennung durch den Angebotsempfänger (unmittelbar) annimmt (sog. „Oder-Angebot“)6. Auch in diesen Fällen steht dem Berechtigten die Macht zu, mit dem Kaufangebot zu handeln7. Problematisch ist es jedoch, wenn der Zwischenhändler gar kein eigenes Recht zur Annahme des Kaufangebots hat, die Selbstbenennung also ausgeschlossen ist. Der RFH hatte die Auffassung vertreten, dass eine Steuerpflicht (nach der Vorgängernorm § 5 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG 1919) nur dann angenommen werden könne, wenn (auch) die Mittelsperson ein eigenes Recht zur Annahme des Vertragsantrags erwerben sollte mit der Befugnis, einen Dritten zu benennen, der an ihrer Stelle den Antrag sollte annehmen können8. Hiervon wurden jedoch Ausnahmen zugelassen, wenn von vornherein feststand, dass ein schon fest bestimmter Dritter das Angebot annehmen werde, für den der Angebotsempfänger nur als Stellvertreter aufgetreten sei oder wenn die Person des Vertretenen dem Anbietenden nicht bekannt war, es aber objektiv feststand, dass der Angebotsempfänger nur in Stellvertretung eines Dritten handeln wollte.

179

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es nunmehr nicht mehr darauf an, ob dem Zwischenhändler ein Selbstbenennungsrecht zusteht. Maßgebend ist danach allein, ob dem Benennungsberechtigten die Rechtsmacht zukommt, mit dem Kaufangebot zu handeln9. Zur Begründung führt der BFH an, 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Ruhwinkel in MüKo8, § 311b BGB Rz. 33. BFH v. 5.7.2006 – II R 7/05, BStBl. II 2006, 765; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 226. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 519. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828; FG Berlin-Bdb. v. 25.2.2009 – 11 K 1190/05 B, EFG 2009, 1325; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 226f. Holland, ZNotP 1999, 90 (91). BFH v. 27.4.2005 – II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 477. BFH v. 10.7.1974 – II R 69/68, BStBl. II 1975, 86. RFH v. 5.1.1923 – II A 276/22, RFHE 11, 153. BFH v. 16.12.1981 – II R 109/80, BStBl. II 1982, 269; v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359; zust. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 227, Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 515.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 183 § 1

dass von § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG gerade die Fälle erfasst würden, in denen ein Selbstbenennungsrecht nicht ausgeübt wird. Es hänge weitgehend vom Zufall ab, ob der Benennungsberechtigte ein Selbstbenennungsrecht hat oder nicht. Außerdem führe eine derartige Auslegung nicht zu einer dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechenden Anwendung des Gesetzes. Für denjenigen, der mit Kaufangeboten handeln will, könne es keinen Unterschied machen, ob ihm das Kaufangebot in Person mit dem Recht der Übertragung gemacht wird oder ob ihm lediglich das Benennungsrecht eingeräumt werde. In allen Fällen habe er die Macht, mit dem Kaufangebot zu handeln. Das Selbstbenennungsrecht könne nur dann Bedeutung haben, wenn der Benennungsberechtigte beabsichtigen sollte, das Grundstück selbst zu erwerben. Diese Fälle seien jedoch für § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ohne Bedeutung1. Dagegen wurde in der Literatur teilweise eingewandt, dass die Auslegung des BFH durch den mögli- 180 chen Wortsinn des Gesetzes nicht gedeckt sei. Das Tatbestandsmerkmal „Abtretung“ impliziere einen abgeleiteten (derivativen) Rechtserwerb, der nicht vorliegen könne, wenn die Mittelsperson ihrerseits gar nicht das Recht habe, sich selbst als Angebotsempfänger zu benennen2. Dieser formalen Betrachtungsweise ist der BFH jedoch wie dargestellt nicht gefolgt, so dass es im Ergebnis keinen Unterschied (mehr) macht, ob dem Berechtigten ein Selbstbenennungsrecht zusteht3. Noch nicht umfassend geklärt ist die Frage, ob auch der Verzicht des Benennungsberechtigten auf das eingeräumte Ankaufsrecht einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG steuerpflichtigen Tatbestand auslösen kann:

181

Beispiel (Verzicht auf ein Ankaufsrecht gegen Entgelt): Zugunsten der X-GmbH wurde vor einigen Jahren ein Ankaufsrecht für ein bestimmtes Grundstück eingeräumt. Die X-GmbH verzichtet später auf die Ausübung ihres Ankaufsrechts und erhält dafür von der Y-GmbH ein Entgelt. Diese erwirbt sodann durch Kaufvertrag das Grundstück von dem Eigentümer. Der XI. (Umsatzsteuer-) Senat des BFH hat in diesem Fall eine Steuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG verneint, da in dem Verzicht auf das Ankaufsrecht keine Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot zu sehen sei4. Der durch den BFH entschiedene Fall wies allerdings die Besonderheiten auf, dass der Ankaufsberechtigte gar nicht das Recht hatte, einen Dritten zur Ausübung zu benennen und das Ankaufsrecht außerdem erst einige Jahre später ausgeübt werden konnte. Ob der Verzicht auf ein Ankaufsrecht stets als nicht grunderwerbsteuerpflichtiger (und damit als umsatzsteuerpflichtiger) Vorgang anzusehen ist, ist noch ungeklärt. Die Frage ist in der Literatur bisher wenig problematisiert worden5. Die weitere Rechtsprechungsentwicklung bleibt abzuwarten; etwaige Gestaltungen sollten derweil durch eine verbindliche Auskunft abgeklärt werden.

182

e) Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch den Berechtigten Da der Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG sehr weit gefasst ist, wurde durch die Rechtsprechung ein weiteres – ungeschriebenes – Tatbestandsmerkmal entwickelt, das auf einer am Zweck der Vorschrift orientierten wortlautbegrenzenden Auslegung beruht6. Danach muss der Benennungsberechtigte das Kaufangebot zum Nutzen eigener wirtschaftlicher Interessen verwertet haben, da nur dann die Interessenlage der Parteien mit dem Fall eines Weiterverkaufs des Grundstücks vergleichbar ist. Nach Auffassung des BFH ist das Vorliegen des Ausnutzens und des Verwertens des Benennungsrechts aus dem Kaufangebot zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falls zu bestimmen, wobei sich die Begriffe „Verwerten“ und „Ausnutzen“ der Rechtsposition aus dem Kaufangebot nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen7.

1 BFH v. 10.7.1974 – II R 69/68, BStBl. II 1975, 86. 2 Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 483. 3 So auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 227; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 72, zust. nunmehr auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 515. 4 BFH v. 3.9.2008 – XI R 54/07, BStBl. II 2009, 499 = UR 2009, 18 = UStB 2009, 30. 5 Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 60 und Walkenhorst, UStB 2009, 30 (31) sehen den entgeltlichen Verzicht ohne weitere Differenzierung als nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG steuerbar an. 6 BFH v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 73. 7 BFH v. 30.1.2019 – II B 79/17, BFH/NV 2019, 415.

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§ 1 Rz. 183 Erwerbsvorgänge Besteuerungswürdig sind nur solche Gestaltungen, in denen der Benennungsberechtigte wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfährt und sich einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschafft. Ihm braucht allerdings nicht die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG zustehen1. Eine Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils kann in erster Linie vorliegen, wenn der Benennungsberechtigte für die Benennung des Dritten von diesem unmittelbar ein Entgelt erhält. Ein wirtschaftlicher Vorteil kann auch darin bestehen, dass der Benennungsberechtigte an den Einnahmen beteiligt wird, die durch den Betrieb eines Gewerbes erzielt werden, das der benannte Dritte auf dem erworbenen Grundstück betreibt. Eigene wirtschaftliche Interessen sind darüber hinaus bereits dann anzunehmen, wenn der Benennungsberechtigte seine Stellung dazu benutzt oder benutzen kann, den benannten Angebotsempfänger zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, die ihm finanzielle Vorteile bringen2. Hierbei kommen insbesondere Bauerrichtungs- und Baubetreuungsverträge3, Dienst- und Steuerberatungsverträge4 oder auch Kreditverträge5 in Betracht. Vorausgesetzt ist jedoch auch in diesen Fällen, dass der Benennungsberechtigte – verdeckt – an den neuen Verträgen „verdient“ und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhat6. 184

Maßgebend für die Frage, ob ein wirtschaftliches Interesse vorliegt, sind die Gesamtumstände des Falles, wobei die objektiven Möglichkeiten des Berechtigten zur Verfolgung seiner wirtschaftlichen Interessen, aber auch sein tatsächlich zum Ausdruck gebrachtes Interesse zu berücksichtigen sind7. Ob der erhoffte wirtschaftliche Vorteil durch den Berechtigten am Ende auch tatsächlich erzielt wird, ist unerheblich, sofern der Erfolg auch in derartigen Fällen jedenfalls erhofft oder angestrebt war8. Nach Auffassung des BFH besteht kein Anlass, die erfolglose wirtschaftliche Betätigung abweichend vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG aus der Steuerbarkeit herauszunehmen; zur Erfüllung des Steuertatbestands sei es daher ausreichend, wenn der Berechtigte sich das Kaufangebot einräumen lässt, um damit eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Dass der angestrebte wirtschaftliche Erfolg nicht tatsächlich eintreten müsse, ergebe sich bereits aus dem Wesen der Grunderwerbsteuer, die als Rechtsverkehrsteuer regelmäßig nicht auf einen wirtschaftlichen Erfolg für den Betroffenen abstelle9.

185

Ein wirtschaftliches Interesse ist nicht anzunehmen und damit eine Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ausgeschlossen, wenn sich das Tätigwerden des Berechtigten allein auf die Vermittlung des Grundstücks oder auf eine reine Stellvertretung beschränkt10. Aus diesem Grund lösen Maklerverträge über Grundstücke i.d.R. keine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG aus, da der Makler seine Provision aufgrund des Maklervertrages schon dafür erhält, dass der Kaufvertrag zustande kommt (§ 652 BGB) und sein Interesse daher nicht über den Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinausgeht11. Der reine Maklervertrag ohne weitere vertragliche Besonderheiten löst darüber hinaus auch keine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG aus12. Allerdings ist das Tätigwerden eines Maklers nicht allein deshalb nicht steuerbar, weil er Makler ist. So kann auch das Grundstücks1 BFH v. 16.4.1980 – II R 141/77, BStBl. II 1980, 525; v. 16.12.1981 – II R 109/80, BStBl. II 1982, 269; v. 18.12.2002 – II R 12/00, BStBl. II 2003, 717: Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 73. 2 BFH v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984. 3 BFH v. 16.4.1980 – II R 141/77, BStBl. II 1980, 525; v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984. 4 BFH v. 3.3.1993 – II R 89/89, BStBl. II 1993, 453. 5 BFH v. 27.4.2005 – II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050; im entschiedenen Fall schied allerdings eine Steuerbarkeit dennoch aus, da es an Feststellungen fehlte, ob Zusatzgeschäfte im Streitfall überhaupt tatsächlich angestrebt worden waren. 6 BFH v. 18.12.2002 – II R 12/00, BStBl. II 2003, 357. 7 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 228. 8 BFH v. 27.4.2005 – II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050 m.w.N.; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 73; Bruschke, UVR 2004, 335 (338). 9 BFH v. 6.8.1986 – II B 53/86, BStBl. II 1986, 858; v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984. 10 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 230. 11 BFH v. 16.12.1981 – II R 109/80, BStBl. II 1982, 269; v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984; Bruschke, UVR 2004, 335 (338); ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 530, allerdings mit der Begründung, dass dem Makler kein eigenes Benennungsrecht zustünde, so dass eine Steuerbarkeit aus diesem Grund ausscheide. 12 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 230; G/B/B/S6, Kap 2. Rz. 104.

72

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 189 § 1

geschäft eines Maklers nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG steuerbar sein, wenn er „nicht innerhalb der Grenzen seines Gewerbes geblieben, sondern wie ein Grundstückshändler aufgetreten ist“1. Der Benennungsberechtigte muss nicht unbedingt eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Es 186 reicht auch aus, wenn der Benennungsberechtigte wirtschaftliche Interessen eines Dritten wahrnimmt, dem gegenüber er im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden ist oder als deren Hilfsperson er fungiert2. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Berechtigte nur im Interesse des Grundstücksveräußerers oder des (präsumtiven) Grundstückserwerbers handelt3. Denn in diesen Fällen kommt es gerade nicht zu einer Umgehung der Besteuerung durch einen Handel mit einem Kaufangebot. Der Benennungsberechtigte wird dann gerade nicht wie ein Grundstücksveräußerer tätig, da er keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Gleiches gilt, wenn der benennungsberechtigte Grundpfandgläubiger nur in dem Interesse tätig wird, die Forderungen aus bestehenden Darlehensverbindlichkeiten des Grundstückseigentümers zu realisieren4. Problematisch ist die Beurteilung der wirtschaftlichen Interessen, wenn der Benennungsberechtigte und der benannte Dritte gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sind.

187

Beispiel (Benennung einer Schwestergesellschaft): Zugunsten der X-GmbH oder einem von ihr zu benennenden Dritten wurde vor einigen Jahren ein Ankaufsrecht für ein bestimmtes Grundstück eingeräumt. Die X-GmbH macht schließlich von diesem Ankaufsrecht Gebrauch und benennt ihre Schwestergesellschaft Y-GmbH, die das Grundstück erwirbt. Für die Benennung erhält die X-GmbH kein Entgelt von der Y-GmbH. Für den Erwerb des Grundstücks durch die Y-GmbH entsteht zunächst Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Benennung löst jedoch keine weitere Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG aus, obwohl der Wortlaut der Vorschrift zunächst erfüllt ist. Allerdings hat die X-GmbH das Ankaufsrecht nicht zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet. Mangels eigener Verdienstmöglichkeiten hat sie keine unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die X-GmbH mit der Y-GmbH gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Durch die Förderung der Schwestergesellschaft entsteht bei der X-GmbH kein eigener wirtschaftlicher Vorteil, weil sie selbst keine Vorteile durch ein möglicherweise positives wirtschaftliches Ergebnis der Y-GmbH erwirbt5. Auch der mögliche wirtschaftliche Vorteil bei den gemeinsamen Gesellschaftern der Schwestergesellschaften reicht für eine Bejahung des Tatbestandes nicht aus, da er lediglich auf der Gesellschafterstellung und den sich hierdurch notwendigerweise einstellenden wirtschaftlichen Reflexen beruht. Es muss vielmehr durch die Ausübung des Benennungsrechts ein konkreter Vermögensvorteil bei den Gesellschaftern eintreten, der über ihr Interesse als Gesellschafter hinausreicht6. Obwohl dem angesprochenen Urteil des BFH ein Fall zugrunde lag, bei dem eine Schwestergesellschaft benannt wurde, ist davon auszugehen, dass diese Grundsätze auch anzuwenden sind, wenn nicht eine Schwester- sondern eine Tochtergesellschaft als Erwerberin benannt wird, sofern kein Entgelt für die Benennung gezahlt wird. Auch in diesen Fällen entsteht bei der benennungsberechtigen Muttergesellschaft durch eine positive Entwicklung allenfalls ein mittelbarer Vorteil allein aufgrund ihrer Gesellschafterstellung7. Durch die Benennung der Y-GmbH wird daher kein weiterer Grunderwerbsteuertatbestand ausgelöst. Davon losgelöst ist jedoch zu beachten, dass das fehlende Entgelt zu ertragsteuerlichen Konsequenzen führen kann. Für die steuerliche Planung sind daher die grunderwerbsteuerlichen Vorteile und die möglichen ertragsteuerlichen Nachteile umfassend abzuwägen.

188

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass das Tatbestandsmerkmal der Verfolgung der ei- 189 genen wirtschaftlichen Interessen indiziert ist, wenn der Benennungsberechtigte die uneingeschränkte Möglichkeit hat, das Grundstück zu seinem Vorteil weiterzugeben8. Diese Indizwirkung entfällt, wenn der Benennungsberechtigte ausschließlich im Interesse des Grundstücksveräußerers oder des präsumtiven Erwerbers tätig geworden ist. Für das Vorliegen eines solchen Sachverhalts – der die Verfolgung 1 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 485; zust. Holland, ZNotP 1999, 90 (91). 2 BFH v. 3.3.1993 – II R 89/89, BStBl. II 1993, 453; v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 74. 3 BFH v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359. 4 BFH v. 19.11.2008 – II R 24/07, BFH/NV 2009, 788; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 230; Bruschke, UVR 2004, 335 (338). 5 BFH v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359; die Vorinstanz weist allerdings darauf hin, dass etwas anderes gelten kann, sofern die Gesellschaften über einen Gewinnabführungsvertrag miteinander verbunden sind: FG Bdb. v. 10.2.1998 – 3 K 595/96 GE, EFG 1998, 1086. 6 BFH v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359. 7 So auch G/B/B/S6, Kap. 2 Rz. 106; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 57; Behrens/Schmitt, DB 2005, 2491. 8 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 231.

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§ 1 Rz. 189 Erwerbsvorgänge eigener wirtschaftlicher Interessen des Benennungsberechtigten ausschließt – trägt dieser die Feststellungslast1. Liegt dagegen ein Sachverhalt vor, in dem sich das wirtschaftliche Interesse eines benennungsberechtigten Grundpfandgläubigers nur auf den Mittelzufluss beim Schuldner zur Bedienung eines möglichst großen Teils ausstehender Darlehensverbindlichkeiten beschränkt, greift die vorgenannte Indizwirkung nicht ein. In solchen Fällen verbleibt es vielmehr hinsichtlich der die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG begründenden Tatsachen bei der Feststellungslast des Finanzamts2. Um die durch die Indizwirkung gegebenen grunderwerbsteuerlichen Risiken auszuschließen, kann die Einholung einer verbindlichen Auskunft in Erwägung gezogen werden. f) Bemessungsgrundlage 190

Als Bemessungsgrundlage für einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ist nicht der Kaufpreis anzusetzen, den der Benannte an den Grundstücksveräußerer zu zahlen hat, da dieser nicht als Gegenleistung für die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot zu sehen ist3. Als Bemessungsgrundlage kommt auch nicht das Entgelt in Betracht, das der Berechtigte von dem Dritten für die Benennung erhält. Diese Zahlung stellt keine – etwa dem Preis für das Grundstück vergleichbare – Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG dar. Die für die Abtretung des Kaufangebots nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG festzusetzende Steuer ist daher trotz der Zahlung eines Entgelts gem. § 8 Abs. 2 GrEStG nach dem Grundbesitzwert des Grundstücks zu bemessen4.

191

Das für die Abtretung geleistete Entgelt ist jedoch nicht etwa grunderwerbsteuerlich bedeutungslos. Der BFH vertritt die Auffassung, dass das Entgelt gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG die Bemessungsgrundlage für den zweiten grunderwerbsteuerbaren Vorgang, den Grundstückskauf, erhöht. Die Abtretung eines Kaufangebots, das der Abtretende selbst hätte annehmen können, schließe bei der Besteuerung des Grundstückskaufvertrages gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks in seiner eigenen Person ein, so dass der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfüllt sei5.

192

Beispiel (Benennung eines fremden Dritten gegen Entgelt): Zugunsten der X-GmbH oder einem von ihr zu benennenden Dritten wurde vor einigen Jahren ein Ankaufsrecht für ein bestimmtes Grundstück eingeräumt. Die X-GmbH macht schließlich von diesem Ankaufsrecht Gebrauch und benennt die fremde Z-GmbH, die sodann das Grundstück erwirbt. Für die Benennung erhält die X-GmbH von der Z-GmbH ein Entgelt.

193

Durch die entgeltliche Benennung der Z-GmbH als Käuferin des Grundstücks erfüllt die X-GmbH den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, wobei die Steuer jedoch erst mit der Ausübung des Ankaufsrechts entsteht. Als Bemessungsgrundlage für diesen Vorgang ist mangels Gegenleistung der Grundbesitzwert des Grundstücks anzusetzen. Durch den Abschluss des Grundstückskaufvertrags entsteht außerdem Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Steuer bemisst sich zunächst nach dem Kaufpreis für das Grundstück, der bereits bei Einräumung des Ankaufsrechts vereinbart worden ist. Nach Auffassung des BFH6 erhöht das gezahlte Entgelt die Bemessungsgrundlage gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, da die X-GmbH das Kaufangebot selbst hätte annehmen können und sie durch die Abtretung auf den Erwerb des Grundstücks in ihrer eigenen Person verzichtet hat. Es ist zweifelhaft, ob in der Benennung des Dritten tatsächlich ein konkludenter Verzicht des Berechtigten zu sehen ist. Als problematisch ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand anzusehen, dass der Vorgang der „Benennung“ dadurch letztlich doppelt der Grunderwerbsteuer unterliegt7.

1 BFH v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411; v. 18.12.2002 – II R 12/00, BStBl. II 2003, 356; Heine, UVR 2000, 57 (60). 2 BFH v. 19.11.2008 – II R 24/07, BFH/NV 2009, 788; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 74. 3 BFH v. 6.5.1969 – II R 131/64, BStBl. II 1969, 595. 4 BFH v. 11.6.2008 – II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059 m.w.N. 5 BFH v. 11.6.2008 – II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059. 6 BFH v. 11.6.2008 – II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059; so auch Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 56 Beispiel. 7 Dazu genauer: Böing, UVR 2010, 369 (372); krit. ebenfalls Behrens in Wäger1, § 4 Nr. 9a UStG Rz. 95.

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B. Der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge (Abs. 1)

Rz. 197 § 1

Zu beachten ist, dass die Steuerbarkeit der Vorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG nicht etwa zu einer Anrechnung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 6 GrEStG führt. Neben der Problematik, ob hier eine Erwerberidentität angenommen werden kann, scheitert die Anwendung schon daran, dass nicht zwei Erwerbsvorgänge vorliegen, die in „anderen Absätzen“ des § 1 GrEStG bezeichnet sind. Es bleibt damit bei einer endgültigen Doppelbelastung der Vorgänge.

194

g) Steuerentstehung Die Steuer entsteht nicht schon mit der Benennung des Dritten, sondern erst dann, wenn dieser das abgetretene Recht auch ausgeübt hat, also das Vertragsangebot angenommen hat, und der Grundstückskaufvertrag zustande kommt1. Die Abtretung des Kaufangebots allein ist zwar ein notwendiger, zur Tatbestandsverwirklichung jedoch noch nicht ausreichender Sachverhaltsteil2. Kommt also ein Grundstückskaufvertrag trotz der Abtretung nicht zustande, kann auch keine Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG erhoben werden.

195

h) Steuerschuldner Als Steuerschuldner für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG kommt allein der 196 Zwischenhändler in Betracht3. Dass der das Grundstück erwerbende Dritte nicht als Steuerschuldner (auch nicht als Gesamtschuldner mit dem Zwischenhändler) in Betracht kommt, wird deutlich, wenn man sich die beiden relevanten Erwerbsvorgänge vor Augen führt: Der benannte Dritte erwirbt das Grundstück nicht von dem Zwischenhändler, sondern von dem Grundstücksveräußerer. Da dieser Vorgang bereits gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar ist und eine Steuerschuldnerschaft des Dritten nach § 13 Nr. 1 GrEStG auslöst, kann nicht noch zusätzlich in derselben Person eine weitere Steuerschuld für den Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG entstehen; denn der Dritte „erwirbt“ das Grundstück nur einmal, und zwar aufgrund des Kaufvertrags und nicht aufgrund der Ausübung des Benennungsrechts durch den Abtretenden4. Für das Zwischenhandelsgeschäft ist somit nur der Benennungsberechtigte als alleiniger Steuerschuldner anzusehen. Dieser ist daher nach § 19 Abs. 1 S. 2 GrEStG verpflichtet, den Vorgang bei dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen und an ihn allein ist der Grunderwerbsteuerbescheid zu richten. i) Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen Fraglich ist, inwieweit auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG die Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG und die Vergünstigungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG Anwendung finden. Die Steuerbefreiungen in § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG stellen auf das persönliche Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber als altem bzw. neuem Rechtsträger ab. Da der Zwischenhändler im Falle der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot aber weder als Veräußerer noch als Erwerber auftritt, wären die Steuerbefreiungen nach dem reinen Wortlaut nicht anwendbar. Da der Gesetzgeber den Abtretenden im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG aber genauso behandelt, wie denjenigen, der seinen Eigentumsverschaffungsanspruch nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG abtritt, ist allgemein anerkannt, dass die personenbezogenen Steuerbefreiungen in § 3 GrEStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG Anwendung finden5. Tritt also ein Kaufangebotsinhaber seine Rechte aus diesem Kaufangebot an seinen Ehegatten oder einen Verwandten in gerade Linie ab, so greift die Befreiung nach § 3 Nr. 4 bzw. 6 GrEStG ein. Dies dürfte mit derselben Argumentation auch für die Anwendung der §§ 5

1 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 233. 2 BFH v. 10.7.1974 – II R 12/70, BStBl. II 1974, 772. 3 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 535; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 233. 4 BFH v. 10.7.1974 – II R 12/70, BStBl. II 1974, 772. 5 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 233; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 31.

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§ 1 Rz. 197 Erwerbsvorgänge bzw. 6 GrEStG gelten1. Zu beachten ist allerdings, dass diese Frage bislang durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist. j) Verhältnis zu Abs. 2 198

§ 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG stehen in einem engen Verhältnis zu § 1 Abs. 2 GrEStG, die Tatbestände sind jedoch nicht deckungsgleich. Während § 1 Abs. 2 GrEStG eine Verwertungsmöglichkeit am Grundstück voraussetzt (also eine Beteiligung an der Substanz des Grundstücks), reicht es aus, wenn der Benennungsberechtigte im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt2. Die reine Möglichkeit, den Grundstückskäufer zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, begründet noch keine Substanzbeteiligung am Grundstück3. Werden die Tatbestände des § 1 Abs. 2 und des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG durch denselben Lebenssachverhalt verwirklicht, so darf neben der Grunderwerbsteuer für den erwerbenden Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) nur eine weitere Steuer anfallen4. Diese ist auf der Basis der höheren Bemessungsgrundlage zu ermitteln, die sich dadurch ergibt, dass bei § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG der Grundbesitzwert, bei § 1 Abs. 2 GrEStG jedoch die Gegenleistung heranzuziehen ist5.

199

Einstweilen frei.

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2) Literatur: Behrens, Grunderwerbsteuer bei der Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden, UVR 2017, 152; Berg-Mosel/Jacob/Ilka, Grunderwerbsteuerlicher Ersatztatbestand nach § 1 Abs. 2 GrEStG bei Public Private Partnership-Verträgen, BB 2005, 1478; Berninger, Vermögenszuordnung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bei der Einbringung quoad sortem (dem Wert nach), DStR 2010, 874; Böing, Grunderwerbsteuer durch die Ausübung von Ankaufsrechten beim Immobilienleasing, UVR 2010, 369; Brinkhaus/Grandpierre, Grunderwerbsteuerrechtliche Folgen der sog. Miteigentumslösung bei Immobilien-Sondervermögen, Zugleich Anmerkungen zum Urteil des FG Köln v. 12.4.2016, DStR 2017, 707; Bruschke, Die grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände nach § 1 Abs. 2 GrEStG, UVR 2014, 308; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer, Handbuch für die Gestaltungs- und Beratungspraxis, 6. Aufl. 2021, S. 62–81; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; GrEStG – eKommentar, Stand 2.8.2021; Hick, Grunderwerbsteuerliche Folgen der Errichtung eines Contractual Trust Arrangements (CTA), DK 2016, 416; Hoffmann, Unangemessene Grunderwerbsteuerpflicht bei der Veräußerung von Kapitalgesellschaften, BB 2001, 757; Jacobsen, Die grunderwerbsteuerliche Gestaltung von Umstrukturierungen mit Grundstücken, UVR 2009, 150; Kahsnitz, Grunderwerbsteuerrechtliche Verwertungsbefugnis in Miet- und Pachtverträgen, DStR 2018, 1585; Loose, Grunderwerbsteuerliche Risiken des Immobilienleasings, FS Spiegelberger, S. 360 ff.; Martin, Grunderwerbsteuerpflicht beim Erwerb der Verwertungsbefugnis an Gebäuden, die nicht Scheinbestandteile nach § 95 BGB sind, BB 1983, 1982; Moroni, FG Köln: Keine Grunderwerbsteuer bei Einbringung von Immobilien in Miteigentumsfonds, RdF 2016, 246; Philipowski, Ersteigerung von Grundstücken durch die Verwertungsgesellschaft eines Kreditinstituts, DStR 2008, 1413; Potsch, Grundstücks-GbR und Grunderwerbsteuer, NZG 2012, 176; Ropohl, Grunderwerbsteuerneutrale Übertragung von sicherungsübereigneten Gebäuden auf fremdem Grund und Boden im Rahmen von Unternehmensumwandlungen, DB 2005, 972; Schneck/Pirkl/Erhardt, Vermeidung der Grunderwerbsteuerbelastung beim Immobilienleasing, BB 2004, 1658; Siebert, Die Freigabe sicherungsübereigneter Gebäude im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2007, 2198; Stoschek/Sommerfeld/Mies, Grunderwerbsteuer und Immobilienleasingverträge, DStR 2008, 2046; Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 1. Aufl. 2000, Stand 1.9.2019.

1 Ebenso Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 233; a.A. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75 mit der Begründung, dass die Vergünstigungen auf die wertmäßige Teilhabe am Grundstück abstellen, die bei dem Zwischenhändler jedoch nicht gegeben sei. 2 BFH v. 16.4.1980 – II R 141/77, BStBl. II 1980, 525; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 232. 3 BFH v. 29.7.2009 – II R 2/08, BFH/NV 2009, 1833. 4 BFH v. 6.5.1969 – II 131/64, BStBl. II 1969, 595. 5 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 232; Heine, UVR 2000, 57 (60).

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Böing und Behrens

§ 1 Rz. 197 Erwerbsvorgänge bzw. 6 GrEStG gelten1. Zu beachten ist allerdings, dass diese Frage bislang durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden worden ist. j) Verhältnis zu Abs. 2 198

§ 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG stehen in einem engen Verhältnis zu § 1 Abs. 2 GrEStG, die Tatbestände sind jedoch nicht deckungsgleich. Während § 1 Abs. 2 GrEStG eine Verwertungsmöglichkeit am Grundstück voraussetzt (also eine Beteiligung an der Substanz des Grundstücks), reicht es aus, wenn der Benennungsberechtigte im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt2. Die reine Möglichkeit, den Grundstückskäufer zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, begründet noch keine Substanzbeteiligung am Grundstück3. Werden die Tatbestände des § 1 Abs. 2 und des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG durch denselben Lebenssachverhalt verwirklicht, so darf neben der Grunderwerbsteuer für den erwerbenden Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) nur eine weitere Steuer anfallen4. Diese ist auf der Basis der höheren Bemessungsgrundlage zu ermitteln, die sich dadurch ergibt, dass bei § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG der Grundbesitzwert, bei § 1 Abs. 2 GrEStG jedoch die Gegenleistung heranzuziehen ist5.

199

Einstweilen frei.

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2) Literatur: Behrens, Grunderwerbsteuer bei der Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden, UVR 2017, 152; Berg-Mosel/Jacob/Ilka, Grunderwerbsteuerlicher Ersatztatbestand nach § 1 Abs. 2 GrEStG bei Public Private Partnership-Verträgen, BB 2005, 1478; Berninger, Vermögenszuordnung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bei der Einbringung quoad sortem (dem Wert nach), DStR 2010, 874; Böing, Grunderwerbsteuer durch die Ausübung von Ankaufsrechten beim Immobilienleasing, UVR 2010, 369; Brinkhaus/Grandpierre, Grunderwerbsteuerrechtliche Folgen der sog. Miteigentumslösung bei Immobilien-Sondervermögen, Zugleich Anmerkungen zum Urteil des FG Köln v. 12.4.2016, DStR 2017, 707; Bruschke, Die grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände nach § 1 Abs. 2 GrEStG, UVR 2014, 308; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer, Handbuch für die Gestaltungs- und Beratungspraxis, 6. Aufl. 2021, S. 62–81; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; GrEStG – eKommentar, Stand 2.8.2021; Hick, Grunderwerbsteuerliche Folgen der Errichtung eines Contractual Trust Arrangements (CTA), DK 2016, 416; Hoffmann, Unangemessene Grunderwerbsteuerpflicht bei der Veräußerung von Kapitalgesellschaften, BB 2001, 757; Jacobsen, Die grunderwerbsteuerliche Gestaltung von Umstrukturierungen mit Grundstücken, UVR 2009, 150; Kahsnitz, Grunderwerbsteuerrechtliche Verwertungsbefugnis in Miet- und Pachtverträgen, DStR 2018, 1585; Loose, Grunderwerbsteuerliche Risiken des Immobilienleasings, FS Spiegelberger, S. 360 ff.; Martin, Grunderwerbsteuerpflicht beim Erwerb der Verwertungsbefugnis an Gebäuden, die nicht Scheinbestandteile nach § 95 BGB sind, BB 1983, 1982; Moroni, FG Köln: Keine Grunderwerbsteuer bei Einbringung von Immobilien in Miteigentumsfonds, RdF 2016, 246; Philipowski, Ersteigerung von Grundstücken durch die Verwertungsgesellschaft eines Kreditinstituts, DStR 2008, 1413; Potsch, Grundstücks-GbR und Grunderwerbsteuer, NZG 2012, 176; Ropohl, Grunderwerbsteuerneutrale Übertragung von sicherungsübereigneten Gebäuden auf fremdem Grund und Boden im Rahmen von Unternehmensumwandlungen, DB 2005, 972; Schneck/Pirkl/Erhardt, Vermeidung der Grunderwerbsteuerbelastung beim Immobilienleasing, BB 2004, 1658; Siebert, Die Freigabe sicherungsübereigneter Gebäude im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2007, 2198; Stoschek/Sommerfeld/Mies, Grunderwerbsteuer und Immobilienleasingverträge, DStR 2008, 2046; Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 1. Aufl. 2000, Stand 1.9.2019.

1 Ebenso Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 233; a.A. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75 mit der Begründung, dass die Vergünstigungen auf die wertmäßige Teilhabe am Grundstück abstellen, die bei dem Zwischenhändler jedoch nicht gegeben sei. 2 BFH v. 16.4.1980 – II R 141/77, BStBl. II 1980, 525; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 232. 3 BFH v. 29.7.2009 – II R 2/08, BFH/NV 2009, 1833. 4 BFH v. 6.5.1969 – II 131/64, BStBl. II 1969, 595. 5 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 232; Heine, UVR 2000, 57 (60).

76

Böing und Behrens

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 203 § 1

I. Überblick 1. Zweck von Abs. 2 Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Erfasst werden sollen solche Rechtsvorgänge „unterhalb der Ebene eines Eigentümerwechsels“1, die einem anderen ohne Begründung eines Übereignungsanspruchs eine eigentümerähnliche Rechtsposition am Grundstück verschaffen. Die von § 1 Abs. 2 GrEStG erfassten Fälle kommen den Erwerbsvorgängen i.S.v. § 1 Abs. 1 GrEStG so nahe, dass sie es wie diese dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen2.

200

In den Fällen von § 1 Abs. 2 GrEStG kommt es zwischen dem Grundstückseigentümer und dem zur Verwertung des Grundstücks Befugten zwar zu keiner Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis, jedoch räumt der Eigentümer einem anderen im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks ein, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann3. Grundstücksgeschäfte, die zwar nicht auf den Erwerb des Eigentums selbst gerichtet sind, die in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis jenem aber im Wesentlichen gleichkommen, sollen vom Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfasst werden4. Auf die Beweggründe oder Absichten der Beteiligten kommt es nicht an5.

201

§ 1 Abs. 2 GrEStG setzt eine Verwertungsmacht des Berechtigten voraus, deren rechtlicher Gehalt in § 1 Abs. 2 GrEStG im Einzelnen nicht definiert ist. Es ist nicht erforderlich, dass der andere wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen kann6, was schon daraus ersichtlich ist, dass § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 die Worte „über das Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen“ anders als zuvor § 6 GrEStG 1919 nicht enthält7. Der Eigentümer kann das Grundstück besitzen, verwalten, nutzen, belasten und veräußern; die Verwertungsbefugnis kann erlangt sein, auch wenn das eine oder andere dieser Rechte dem Verwertungsbefugten nicht eingeräumt worden ist8. Ob dem Grundstückseigentümer Risiken oder mögliche Nachteile seines Eigentums verbleiben, ist für die Besteuerung aus § 1 Abs. 2 GrEStG kein wesentliches Entscheidungskriterium9.

202

Nach einem BFH-Beschluss vom 6.8.1986 ist die Frage danach, ob der Erwerbsvorgang für den Erwerber wirtschaftlich vorteilhaft ist, grundsätzlich nicht gestattet. Dies gelte nicht nur für die in § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge, sondern auch für den Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG10.

203

1 Vgl. BFH v. 1.3.2000 – II R 53/98, BStBl. II 2000, 357, wonach die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG für den Alleingesellschafter begründet, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten; daran ändert sich auch durch das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der GmbH mit dem Alleingesellschafter nichts, weil eine auf Weisung erfolgende Grundstücksveräußerung dennoch auf Rechnung der Gesellschaft erfolgt und es deshalb an einem Wechsel in der Grundstückszuordnung fehlt. 2 Vgl. BFH v. 3.5.1973 – II R 37/68, BStBl. II 1973, 709; v. 17.5.2000 – II R 47/99, BStBl. II 2000, 627. 3 Vgl. BFH v. 20.4.2016 – II R 54/14, BFH/NV 2016, 1231. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 76. 5 Vgl. BFH v. 19.6.1975 – II R 86/67, BStBl. 1976, 27; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 61, Lfg. 42/Juli 2015. 6 Vgl. FG München v. 28.4.2004 – 4 K 4545/03, EFG 2004, 1856, rkr. 7 Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251. 8 Vgl. BFH v. 19.6.1975 – II R 86/67, BStBl. II 1976, 27; v. 26.5.1976 – II R 128/71, BStBl. II 1976, 724; v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; v. 17.2.1993 – II B 118/92, BFH/NV 1994, 123. 9 Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251. Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 80: Ob den Verwertungsbefugten Wertverluste belasten, ist unerheblich, weil § 1 Abs. 2 GrEStG den Erwerb einer Machtstellung in Bezug auf ein bestimmtes inländisches Grundstück der Grunderwerbsteuer unterwirft. 10 Vgl. BFH v. 6.8.1986 – II B 53/86, BStBl. II 1986, 858.

Behrens

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§ 1 Rz. 204 Erwerbsvorgänge 2. Keine Mehrfachzuordnung ein und desselben Grundstücks als Rechtsfolge des Abs. 2 204

§ 1 Abs. 2 GrEStG erfasst Vorgänge, die einen Wechsel in der Grundstückszuordnung – allerdings unterhalb der Ebene des Eigentümerwechsels – auslösen1. Obwohl das Eigentum nicht übergeht, ist bei der Einräumung der Verwertungsbefugnis durch den Grundstückseigentümer zugunsten eines anderen das Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich nur dem Verwertungsbefugten und nicht mehr dem Grundstückseigentümer zuzurechnen. Begründet eine Gesellschaft zugunsten eines anderen die Verwertungsbefugnis an einem Gesellschaftsgrundstück, gehört dieses Grundstück für die Zwecke von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG nicht mehr zum Vermögen dieser Gesellschaft2. Die Finanzverwaltung ist jedoch anderer Ansicht3. 3. Abs. 2 ist nicht der „eigentliche Grundtatbestand“ des GrEStG

205

Nach einer Literaturmeinung4 soll es sich bei § 1 Abs. 2 GrEStG um den „eigentlichen Grundtatbestand“ des GrEStG handeln. Dies ist abzulehnen. Als Rechtsverkehrssteuer knüpft das GrEStG in § 1 Abs. 1 GrEStG bei der Festlegung seiner steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge ausdrücklich an zivilrechtliche Tatbestände an. § 1 Abs. 2 GrEStG gibt (wenn auch nicht eindeutig beschriebene, so doch) spezielle Voraussetzungen für eine davon abweichende Betrachtung vor5. Zwar liegt die grunderwerbsteuerrechtliche Erfassung von Geschäften, die im wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums am Grundstück nahekommen, im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung, so dass es nach BVerfG6 gerechtfertigt ist, zivilrechtliche Ordnungsgrundsätze zu durchbrechen. Für eine über § 1 Abs. 2 GrEStG hinausgehende Anwendung der Rechtsfigur des wirtschaftlichen Eigentums i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist angesichts der abschließenden Regelung der Erwerbsvorgänge durch § 1 Abs. 1 GrEStG kein Raum7. Dies belegt den Ausnahmecharakter von § 1 Abs. 2 GrEStG8. Schon für den 1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 79. 2 Vgl. Hess. FG, Gerichtsbescheid v. 12.11.2020 – 5 K 2582/11, EFG 2021, 477; Rev. anhängig beim BFH unter Az. II R 40/20. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 868: „Bei Einräumung einer Verwertungsbefugnis über ein der Personengesellschaft zivilrechtlich gehörendes Grundstück gehört dieses nicht mehr i.S.v. § 1 Abs. 2a zum Vermögen der Personengesellschaft“. Meßbacher-Hönsch verweist auf BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. In Rz. 909 der 16. Aufl. 2007 sowie in Rz. 992 der 17. Aufl. 2011 hatte auch Fischer unter Hinw. auf die RFH- und BFH-Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft gehört, „wenn sie vor der Vereinigung der Anteile das Grundstück verkauft hat oder einem Dritten die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 verschafft hat“. Anders (und damit widersprüchlich) aber in Rz. 993 in Boruttau, 17. Aufl. 2011: „Bei der grundsätzlichen Anknüpfung des GrESt-Rechts (§ 1 Abs. 1) an zivilrechtliche Begriffe – auch § 1 Abs. 2 setzt einen Rechtsvorgang voraus und für § 1 Abs. 3 gilt nichts anderes – ist ein Grundstück auch dann noch als der Gesellschaft „gehörend“ zu betrachten, wenn diese durch einen unter § 1 Abs. 2 fallenden Vorgang einem anderen die Verwertungsbefugnis verschafft hatte. Denn ihre eigene Verwertungsmöglichkeit war dadurch nicht schlechthin beseitigt. Darum besteht in Treuhandverhältnissen und bei Erwerben im Auftrag eines anderen eine doppelte Zurechnung sowohl auf den Treuhänder oder beauftragten Erwerber als auch auf den Treugeber oder Auftraggeber. Dem entspricht, dass ein Grundstück, das im Eigentum der Gesellschaft steht, noch zu deren Vermögen „gehört“, wenn sie einem anderen die Verwertungsmöglichkeit, nicht aber einen Anspruch auf Übereignung verschafft hat, andererseits aber bereits zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, wenn sie an diesem auch nur die Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 erlangt hat“. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 3. 4 Vgl. Reiß in Tipke/Lang21, § 15 Rz. 5, 8; vgl. auch Happel, DStR 2021, 1193 (1198): „Der Gegenstand der Grunderwerbsteuer ergibt sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG, wonach Rechtsvorgänge erfasst werden, die es einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten“; vgl. Jochum in Wilms/Jochum (Stand Mai 2020), Einführung zum GrEStG Rz. 1: „Der Gegenstand der GrESt ist etwas versteckt in § 1 Abs. 2 GrEStG beschrieben“; anders aber Englisch in Tipke/Lang24, § 18 Rz. 18.26; „Auffangtatbestand“. 5 Vgl. FG Sachs. v. 11.9.2002 – 3 K 2406/00, juris. 6 Vgl. BStBl. II 1971, 382. 7 Vgl. BFH v. 3.4.1974 – II 186/65, BStBl. II 1974, 643; v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 23.10.1974 – II R 87/73, BStBl. II 1975, 152. 8 Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 236, nach dessen Ansicht bereits die Konturenarmut der einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 2 der Einordnung dieser Vorschrift als „eigentlichem Grundtatbestand des GrEStG“ entgegensteht.

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Behrens

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 208 § 1

Gesetzgeber des GrEStG 1940 war es „ausgeschlossen, den festen Boden der Besteuerung des Eigentumswechsels zu verlassen und den wenig bestimmten und wenig offen liegenden Vorgang des Umsatzes zum Haupttatbestand zu machen“1. 4. Abgrenzung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG vom wirtschaftlichen Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO Welchem Rechtsträger das wirtschaftliche Eigentum am Grundstück zusteht, ist für die Frage nach 206 der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 GrEStG nicht unmittelbar rechtserheblich2. Dem wirtschaftlichen Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wird jedoch indizielle Bedeutung für die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG zugesprochen3. Dass § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG bedeutungslos ist, ist daraus abzuleiten, dass die Besteuerungstatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG an das Zivilrecht anknüpfen und diesem die Vorstellungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO fremd sind4. Der Leasingnehmer ist, wenn er nicht jederzeit, sondern nur zu bestimmten Zeitpunkten den Verkauf des Grundstücks an sich verlangen kann, zwar ggf. wirtschaftlicher Eigentümer i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, jedoch nicht verwertungsbefugt i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. Rz. 232)5; denn die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen dann nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander6. Für die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG genügt es nicht, dass das Grundstück in der Bilanz aufgenommen und einkommensteuerrechtlich sowie bewertungsrechtlich als Betriebsvermögen angesehen wird7. Im Urteil vom 4.9.19968 nahm der BFH in einem Fall die Begründung der Verwertungsbefugnis i.S.v. 207 § 1 Abs. 2 GrEStG an, in dem der relevante Rechtsvorgang – notarieller Abschluss eines sog. Zuordnungsvertrags zwischen der Grundstückseigentümerin und einem Immobilienfonds in der Rechtsform der GbR – das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück auf die GbR übertrug. Gleichzeitig erwarb die GbR einen aufschiebend bedingten Anspruch auf Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums9. Außerdem hatte die Grundstückseigentümerin die Fondsgesellschaft nach dem Wortlaut des sog. Zuordnungsvertrags so zu stellen, als wäre diese Eigentümerin des Grundbesitzes. M.E. reichen diese Sachverhaltsfeststellungen nicht aus, die Übertragung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG anzunehmen. Erforderlich wäre die Feststellung der Berechtigung der Fondsgesellschaft, jederzeit die Übereignung des Grundstücks zu verlangen. 5. Unanwendbarkeit von § 42 AO § 42 AO hat im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 GrEStG keine Bedeutung. Ob der Berechtigte aufgrund eines Rechtsvorgangs die Rechtsmacht hat, ein im Eigentum eines anderen stehendes Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, richtet sich ausschließlich nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Bei

1 Vgl. Begründung RStBl. 1940, 387 (388). 2 BFH v. 10.3.1970 – II 135/68, BStBl. II 1970, 522; v. 24.7.1974 – II R 32/67, BStBl. II 1974, 773; v. 2.7.1975 – II R 49/74, BStBl. II 1975, 863. 3 Vgl. z.B. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 640: Die Behandlung des Grundstücks oder Gebäudes bei der Ertragsbesteuerung könne grunderwerbsteuerrechtlich entscheidungserhebliche Punkte aufdecken. Demgegenüber Meßbacher-Hönsch in Bouttau19, § 1 GrEStG Rz. 554: „§ 1 Abs. 2 stellt nicht auf das wirtschaftliche Eigentum ab“; vgl. auch a.a.O., Rz. 590. 4 Vgl. BFH v. 23.10.1974 – II R 87/73, BStBl. II 1975, 152; v. 18.3.1987 – II R 135/84, BFH/NV 1988, 393; v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148. 5 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 640; Meßbacher-Hönsch in Bouttau19, § 1 GrEStG Rz. 590. 6 Vgl. z.B. BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. Nach Bruschke, UVR 2014, 308, ist der wesentliche Unterschied der, dass bei § 1 Abs. 2 GrEStG alle für die Verwertungsbefugnis relevanten Elemente zum bestimmten Zeitpunkt vorliegen müssen, während bei § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO die Perspektive mit einzubeziehen sei. 7 Vgl. OFD Hannover v. 3.3.2008 – S 4501-1-StO 261, juris. 8 BFH v. 4.9.1996 – II R 62/94, BFH/NV 1997, 308. 9 Worin die aufschiebende Bedingung bestand, wird aus der Darstellung des Sachverhalts in BFH/NV 1997, 308, nicht ersichtlich. Darüber, dass die Fonds-Gesellschaft (GbR) die Verwertungsbefugnis hinsichtlich des ihr zugeordneten Grundstücks erworben hatte, wurde vor dem BFH nicht gestritten; strittig war die Anwendung der Grundsätze zum sog. einheitlichen Vertragswerk; vgl. dazu Rz. 298.

Behrens

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208

§ 1 Rz. 208 Erwerbsvorgänge Sachverhaltskonstellationen, die vom BFH in Anwendung von § 42 AO entschieden worden sind, hätte m.E. die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG nähergelegen (vgl. Fallkonstellationen betr. mit Gesellschaftsanteilen verbundene reale Grundstücke, vgl. Rz. 277).

II. Rechtsvorgänge 1. Grundsatz 209

Die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit, das Grundstück zu verwerten, muss – soll § 1 Abs. 2 GrEStG anwendbar sein – durch einen Rechtsvorgang erlangt werden.

210

Handlungen, die nicht zugleich Rechtsvorgänge sind, können den Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllen1. Der Rechtsvorgang muss den Berechtigten in die Lage versetzen, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeiführen zu können2. Das Tatbestandsmerkmal „Rechtsvorgang“ kann auch dadurch erfüllt sein, dass eine Mehrzahl von Rechtsvorgängen die rechtliche oder wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit begründet3. „Rechtsvorgänge“ i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG kann mithin eine Mehrheit in innerem Zusammenhang stehender Rechtsgeschäfte sein, z.B. ein Vermittlungsauftrag in Verbindung mit einem Verkaufsangebot und einer Veräußerungsvollmacht4.

211

Nach Fischer5 muss die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis grundsätzlich mittels formwirksamen Rechtsakts verschafft werden. Die Rechtsstellung des Berechtigten müsse von der Rechtsordnung anerkannt werden. Ein formnichtiger Kaufvertrag sei in der Regel auch nicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbar, weil es an einer Rechtsmacht fehle. Abschließend geklärt ist diese Frage nicht: Im Urteil vom 26.5.19706 lässt der BFH dahingestellt, ob durch einen privatschriftlichen „Bewerbervertrag“ die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft werden kann. Im Urteil vom 10.10.19627 wird es für möglich gehalten, dass mit privatschriftlichem Vertrag die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt wird. Durch privatschriftlichen Vertrag vom 1.9.1954 hatten die Eigentümer ei-

1 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 647 betr. eigenmächtige widerrechtliche Handlungen, unter Hinw. auf ÖsterVwGH v. 29.4.1965 – Z 1 1857/64, Slg Nr. 3265 F. Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Bouttau19, § 1 GrEStG Rz. 561 ff.; Griesar in GrEStG – eKommentar (Stand 2.8.2021) Rz. 183. 2 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 84 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251 zum Erwerb der Verwertungsbefugnis aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit einem beurkundeten, für 24 Jahre bindenden Verkaufsangebot zu einem festen Kaufpreis, Auflassungsvormerkung, Darlehensgewährung und sofortiger Nutzungsüberlassung mit der Befugnis zur Vermietung und Verpachtung; vgl. BFH v. 19.6.1975 – II R 86/67, BStBl. II 1976, 27: „Die Gesamtheit der mit dem Grundstückseigentümer zugunsten des Verwertungsberechtigten getroffenen Vereinbarungen bestand u.a. aus der notariell beurkundeten Zusage des Verwertungsberechtigten, alle oder die noch nicht verkauften Grundstücke an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Kaufpreis zu übernehmen, der Auswahl und Benennung der Käufer, der Auskehrung eines eventuellen Mehrerlöses an den Verwertungsberechtigten, der Verpflichtung des Verwertungsberechtigten, Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen, der Vereinbarung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Verwertungsberechtigten“; BFH v. 19.3.1980 – II R 26/75, BStBl. II 1980, 522, wonach kein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder § 1 Abs. 2 GrEStG zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter verwirklicht wird, wenn eine Personenhandelsgesellschaft ein Grundstück gemäß nicht notariell beurkundeter Vereinbarung mit einem Gesellschafter an dessen Sohn veräußert, selbst wenn der Gesellschafter das Grundstück zu einem früheren Zeitpunkt in die Gesellschaft „zum Einheitswert eingelegt“ hatte und es zum „gleichen Betrag“ wieder entnehmen durfte. 4 Vgl. BFH v. 21.7.1965 – II 78/62 U, BStBl. III 1965, 561. 5 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 646. So auch Meßbacher-Hönsch in Bouttau19, § 1 GrEStG Rz. 563. 6 Vgl. BFH v. 26.5.1970 – II R 184/66, BStBl. II 1970, 673, wonach kein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegt, die Erfüllung von § 1 Abs. 2 GrEStG jedoch für möglich gehalten wird, wenn in einem nicht in der Form des § 313 BGB abgeschlossenen „Bewerbervertrag der Bewerber beabsichtigt, eines der geplanten Kaufeigenheime zu erwerben, und sich die Vertragschließenden verpflichten, zu gegebener Zeit auf Verlangen des Wohnungsunternehmens einen Kaufvertrag abzuschließen“; § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG könne erst durch einen späteren (endgültigen) Kaufvertrag verwirklicht werden. Ob der Bewerber ab dem Tage des Einzugs aufgrund des Bewerbervertrags die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG erhalten hatte, ließ der BFH dahingestellt. 7 BFH v. 10.10.1962 – II 84/59 U, BStBl. III 1963, 15.

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Behrens

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 214 § 1

nes Ruinengrundstücks mit einem Bauunternehmer vereinbart, dass sie ihm dieses Grundstück zur Erstellung eines Wohn- und Geschäftsgebäudes überließen (gegen Gewährung eines auf fünfzehn Jahre befristeten unentgeltlichen Wohnungsrechts an einer der Wohnungen des zu erstellenden Gebäudes). Der Bauunternehmer sollte das Gebäude auf eigene Kosten errichten. Am 10.2.1956 wurde ein notariell beurkundeter Kaufvertrag abgeschlossen, der inhaltlich der Vereinbarung vom 1.9.1954 entsprach. Der BFH hält es für erwägenswert, dass der Bauunternehmer schon vor Abschluss des Vertrags vom 10.2.1956, d.h. bereits aufgrund der privatschriftlichen Vereinbarung vom 1.9.1954, die Verwertungsbefugnis an dem Gebäude erlangt hatte1. 2. Öffentlich-rechtliche Rechtsvorgänge Nicht nur privatrechtliche Rechtsvorgänge, sondern auch Rechtsvorgänge öffentlich-rechtlicher Natur können zur Einräumung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG führen2. Auch völkerrechtliche Nutzungsverhältnisse3 können den Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllen.

212

3. Unwirksame Rechtsvorgänge Zwar ist ein formnichtiger Kaufvertrag i.d.R. auch nicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbar, weil der 213 Käufer keine Rechtsmacht erlangt hat. Allerdings genügt es nach der Rechtsprechung für die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG, dass die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des unwirksamen Vertrags eintreten und bestehen lassen, obwohl der Grundstückseigentümer mangels notarieller Beurkundung an die Verkaufsverpflichtungen nicht gebunden ist und auch die Verpflichtung zum Schadenersatz entfällt4. Im Falle der Durchführung eines formnichtigen atypischen Maklervertrags soll Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG anfallen, wenn der Makler sich entsprechend dem Inhalt des formungültigen Vertrags erfolgreich um den Verkauf des Grundstücks bemüht hat. Streng genommen wird in solchen Fällen nach der BFH-Rechtsprechung § 1 Abs. 2 GrEStG allerdings nicht durch den formunwirksamen Maklervertrag erfüllt, sondern durch seine erfolgreiche Abwicklung, wenn die Parteien das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen5. Dass keine Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entsteht, wenn der Kaufvertrag mangels notarieller Beurkundung insgesamt unwirksam ist6, soll dem nicht entgegenstehen. Denn der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verlange, dass der Kaufvertrag oder das andere Rechtsgeschäft „den Anspruch auf Übereignung begründet“. § 1 Abs. 2 GrEStG verlangt seinem Wortlaut nach demgegenüber nur, dass es ein Rechtsvorgang einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Diese Möglichkeit müsse nicht auf wirksamen Rechtspositionen beruhen7. Dass unwirksame Rechtsvorgänge zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2 GrEStG führen sollen, überzeugt nicht. Eine Rechtsmacht im Hinblick auf das Grundstück, um deren Einräumung es bei § 1 Abs. 2 GrEStG geht, ist nicht vorhanden, wenn der Rechtsvorgang unwirksam und der angeblich Berechtigte auf das Dulden des Eigentümers angewiesen ist und tatsächlich keine von der Rechtsordnung anerkannte Berechtigung hat. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG, dass § 41 Abs. 1 Satz 1 AO nicht gilt.

1 Kritisch zu diesem Urteil Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 646: „Bedenklich ist die Entscheidung insofern, als diese Rechtswirkung auch einem privatschriftlichen Vertrag zugesprochen wird“. 2 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 32/11, BStBl. II 2013, 962 betr. BergSiedlG v. 2.5.1934. 3 Vgl. BFH v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796 betr. NATOTrStat. 4 Vgl. BFH v. 10.11.1976 – II R 95/71, BStBl. II 1977, 166; v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; v. 7.12.1999 – II B 64/99, BFH/NV 2000, 746. 5 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206, m.w.N. 6 Vgl. BFH v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989. 7 Vgl. BFH v. 7.12.1999 – II B 64/99, BFH/NV 2000, 746; Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 744.

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§ 1 Rz. 215 Erwerbsvorgänge

III. Rechtliche oder wirtschaftliche Ermöglichung, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten 1. Beteiligung an der Substanz des inländischen Grundstücks 215

Der Rechtsvorgang muss es dem Berechtigten ermöglichen, „sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen“1. Er muss an der Substanz des Grundstücks beteiligt werden, d.h. an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach teilhaben2; dafür genügt es, dass der Berechtigte etwaige Wertsteigerungen gesichert realisieren kann3. Die zur Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2 GrEStG erforderliche Beteiligung an der Grundstückssubstanz erfolgt bei der Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung durch Teilhabe am Erlös. Soweit die Rechtsprechung den Erwerb einer wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis durch Nutzung „durch Wertbeteiligung in anderer Weise“ für denkbar hält4, ist damit m.E. nicht der Erwerb eines Abbaurechts grundeigener Bodenschätze (z.B. das Recht zum Abbau der vorhandenen Kalksteinvorräte) gemeint. Weil der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff dem des bürgerlichen Rechts entspricht, umfasst er grundsätzlich auch grundeigene Bodenschätze (ausgenommen Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG)5. Die Berechtigung zum Abbau grundeigener Bodenschätze ist wie die Berechtigung zur Ziehung von Sachfrüchten des Grundstücks zu behandeln6. Das Fruchtziehungsrecht ist gem. §§ 581 bzw. 1030 BGB Bestandteil des Nutzungsrechts des Pächters oder Nießbrauchers. Wegen der Einordnung als Nutzungsrecht scheidet die Klassifizierung der Einordnung des Erwerbs von Abbaurechten als Erwerb einer Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG aus. 2. Erforderliche Einwirkungsmöglichkeiten

216

Grundsätzlich muss der Berechtigte neben der Teilhabe an der Substanz des Grundstücks auch die Besitz- und Nutzungsberechtigung erhalten (Ausnahmen: Treuhand7, Ermächtigung zum Verkauf des Grundstücks auf eigene Rechnung)8. Diese Einwirkungsmöglichkeiten müssen gleichzeitig und „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen“9. 3. Verwertung auf eigene Rechnung

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Der Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks muss ganz oder teilweise unmittelbar dem Berechtigten zustehen. Dies ist z.B. beim Inhaber eines Grundpfandrechts, der die Verwertung des Grundstücks betreibt, nicht der Fall (vgl. Rz. 252). 4. Rechtliche oder wirtschaftliche Ermöglichung

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Nach der Rechtsprechung des BFH kennzeichnet die Unterscheidung zwischen „rechtlich“ und „wirtschaftlich“ nur die Art und Weise der infolge des Rechtsvorgangs oder der infolge der mehreren Rechtsvorgänge möglichen Grundstücksverwertung10. Im Ergebnis hat diese Unterscheidung keine Bedeutung, denn die „rechtliche“ Verwertung ist zugleich eine wirtschaftliche, die „wirtschaftliche“ 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10

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Vgl. BFH v. 3.5.1973 – II R 37/68, BStBl. II 1973, 709; v. 17.5.2000 – II R 47/99, BStBl. II 2000, 627. Vgl. BFH v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 80. Vgl. BFH v. 29.7.2009 – II R 2/08, BFH/NV 2009, 1833, Rz. 10 a.E. wobei allerdings unklar bleibt, welche Fälle gemeint sind; vgl. auch BFH v. 21.2.2013 – V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635, Rz. 36, wonach die Überlassung eines Grundstücks an eine Gemeinde zur Nutzung für Zwecke des Naturschutzes, der Landschaftspflege bzw. Forstwirtschaft die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt. Vgl. BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613, Rz. 9 m.w.N. Vgl. Mausel in Jauernig18, § 99 BGB Rz. 2, wonach den Erzeugnissen der Sache wie etwa Milch, Wolle, Getreide, Kälber, Obstsowie die sonstige Ausbeute wie z.B. Sand, Kohle, Kies gleichgestellt ist. Vgl. Rz. 253 ff. Vgl. Rz. 278 ff. Vgl. BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. Vgl. BFH v. 19.6.1975 – II R 86/67, BStBl. II 1976, 27; v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251; v. 26.5.1975 – II R 128/71, BStBl. II 1976, 724.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 220 § 1

Verwertung zugleich eine rechtliche oder zumindest eine auf einem Rechtsvorgang beruhende Verwertung1.

IV. Ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung 1. Grundsatz § 1 Abs. 2 GrEStG setzt als Negativabgrenzung zu § 1 Abs. 1 GrEStG voraus, dass kein Anspruch auf Übereignung des inländischen Grundstücks begründet wird. Ist ein Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen, d.h. ein Anspruch auf Übertragung des Grundstückseigentums begründet worden, wird nur § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht, auch wenn in Erfüllung der den Verkäufer treffenden Vertragspflichten dem Erwerber vorab Rechtspositionen übertragen werden, die für sich gesehen den Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllen2. § 1 Abs. 2 GrEStG wird jedoch erfüllt, wenn z.B. ein Kaufvertrag unter eine Genehmigung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG gestellt wird, die dann jedoch bewusst nicht eingeholt wird3.

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2. Formnichtiger Grundstückskaufvertrag oder sonstiges formnichtiges Verpflichtungsgeschäft Weil § 1 Abs. 2 GrEStG voraussetzt, dass kein Anspruch auf Übereignung begründet wird, schließt es der Wortlaut des § 1 Abs. 2 GrEStG nach einer Literaturmeinung nicht aus, dass § 1 Abs. 2 GrEStG durch einen formnichtigen Kaufvertrag erfüllt wird4. Den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG können demgegenüber grundsätzlich nur rechtsgültige Verpflichtungen erfüllen5, denn ein unwirksamer Vertrag kann keinen Anspruch auf Übereignung begründen6. Auf einen Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks, der insgesamt7 nicht beurkundet ist, kann § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht angewandt werden, auch nicht in Anwendung von § 41 Abs. 1 Satz 1 AO8. Das in § 41 Abs. 1 Satz 1 AO vorausgesetzte „wirtschaftliche Ergebnis“, dem Erwerber einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zu verschaffen, ist bei Fehlen jeglicher Beurkundung objektiv nicht erreichbar9. Das „wirtschaftliche Ergebnis“ eines „Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet“, ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht10. In Fällen, in denen die Beteiligten ein vergleichbares „wirtschaftliches Ergebnis“ herstellen, kann nach der Rechtsprechung der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG er1 Vgl. Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 61, Lfg. 50/Dezember 2018 mit dem Hinw. darauf, dass die Unterscheidung „rechtlich oder wirtschaftlich“ allein die Art und Weise der möglichen Verwertung betreffe. Vgl. auch Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 648, wonach die scheinbar alternative Hervorhebung in § 1 Abs. 2 GrEStG nur als Widerspruch zur Auslegung des § 6 GrEStG 1919/1927 erklärbar sei (unter Hinw. auf Begr. RStBl. 1940, 387, 391 f. zu RFH v. 11.5.1926, StuW 1926 Nr. 372). 2 Vgl. BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579; v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818. Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 77. 3 Vgl. BFH v. 12.12.1968 – II B 42/68, HFR 1969, 130. Zust. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 77 mit dem Hinw. darauf, dass bei einer solchen Konstellation kein Eigentumsverschaffungsanspruch, sondern nur die Verwertungsbefugnis begründet werden soll; der „Kaufvertrag“ verdecke lediglich die Einräumung der Verwertungsbefugnis. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 32, Rz. 77. 5 Vgl. BFH v. 9.3.1960 – II 247/58 U, BStBl. III 1960, 175; v. 19.5.1993 – II R 23/92, BStBl. II 1993, 628. 6 Vgl. Begründung zum GrEStG 1940, RStBl. 1940, 387 (390). 7 Anwendbar ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Abs. 1 AO nach Ansicht des BFH allerdings auf infolge unvollständiger Beurkundung unwirksame (nichtige) Rechtsgeschäfte; vgl. BFH v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989, Rz. 11: „Denn hier wird der Anschein eines beurkundeten (und folglich wirksamen) Geschäftes erweckt, und zwar in einer Weise, die den damit verfolgten Zweck – nämlich den Eigentumswechsel – nach dem erweckten Anschein als eintretbar erscheinen lässt, weil die Beteiligten durch § 925a BGB nicht gehindert werden, die Übereignung (§ 344 Abs. 1, § 925, § 873 Abs. 1 BGB) herbeizuführen“. 8 Vgl. BFH v. 17.12.1975 – II R 35/69, BStBl. II 1976, 465; v. 21.12.1981 – II R 124/79, BStBl. II 1982, 330; v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989; v. 18.3.2005 – II R 19/02, BFH/NV 2005, 1368. 9 Vgl. BFH v. 17.12.1975 – II R 35/69, BStBl. II 1976, 465. 10 Vgl. BFH v. 19.7.1989 – II R 83/85, BStBl. II 1989, 989.

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§ 1 Rz. 220 Erwerbsvorgänge füllt sein. Ist in einem nicht beurkundeten Gesellschaftsvertrag (ausdrücklich oder stillschweigend) die Verpflichtung eines Gesellschafters enthalten, ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück der Gesellschaft wie Eigentum zu überlassen, liegt nach der Rechtsprechung des BGH eine Einbringung des Grundstücks dem Werte nach vor (vgl. Rz. 240 bis 244)1. 221

Grundsätzlich ist, wenn z.B. ein Grundstückskaufvertrag nur privatschriftlich abgeschlossen, jedoch entgegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht notariell beurkundet wird, nicht nur § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, sondern auch § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt2. § 1 Abs. 2 GrEStG ist auch dann nicht anwendbar, wenn der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums am Grundstück vereinbart ist und der Käufer die ihm schon vorab überlassene wirtschaftliche Macht an dem Grundstück nach Aufhebung des Kaufvertrags zugunsten des Eigentümers aufgibt; die zunächst erfolgte Einräumung der später aufgegebenen Befugnisse erfüllt nicht die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 GrEStG, weil diese Einräumung nicht das Endziel der Vereinbarung war3.

222

Begründet ein Vorvertrag – etwa weil er entgegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht beurkundet worden ist – keinen Eigentumsverschaffungsanspruch, wird auf seiner Grundlage dem Erwerber nach Ansicht des BFH jedoch vorweg eine die Anforderungen von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllende Rechtsmacht verschafft, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG nach Ansicht des BFH ohne Rücksicht darauf erfüllt, ob das Endziel aller Vereinbarungen die Eigentumsübertragung ist4. 3. Bei der Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit ist die spätere Übereignung des Grundstücks geplant

223

Nach früherer Rechtsprechung war die Verschaffung der Verwertungsbefugnis nicht steuerbar, wenn die Einräumung der Verwertungsbefugnis nicht das Endziel der Parteivereinbarungen war, diese Befugnis vielmehr nur in Erfüllung einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Vertragspflicht schon vorab überlassen wurde5. Für die Besteuerung nach § 1 Abs. 2 GrEStG müsse der eigentumsähnliche Zustand von den Beteiligten als endgültiger gewollt sein; es genüge nicht, wenn er etwa nur die Übertragung des Eigentums vorbereiten solle. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH jedoch wird § 1 Abs. 2 GrEStG nicht dadurch ausgeschlossen, dass schon bei der Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit die spätere Übereignung des Grundstücks geplant ist6. Zwar tritt die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG hinter die des § 1 Abs. 1 GrEStG zurück („ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung“); jedoch wird die Besteuerung gem. § 1 Abs. 2 GrEStG nicht dadurch ausgeschlossen, dass schon bei der Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit die spätere Übereignung des Grundstücks geplant war7. Mit welchem Ergebnis die Aufeinanderfolge des Haupttatbestands auf den Ersatztatbestand grunderwerbsteuerlich behandelt werden müsse, sei in § 1 Abs. 6 GrEStG geregelt8. Im Fall eines Pachtvertrags mit Verkaufsangebot (mit der Abrede, dass auf den dann zu entrichtenden Kaufpreis die Hälfte der bis dahin gezahlten Pachtzinsen in Anrechnung zu bringen seien) und nachfolgendem Verkauf des Grundstücks hat der BFH im Urteil vom 30.8.1961 einen Erwerb i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG nicht in Frage gestellt und einen nachfolgenden Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

1 Vgl. BGH v. 10.1.1955 – II ZR 294/53, BB 1955, 203. 2 Vgl. FG Sachs. v. 11.9.2002 – 3 K 2406/00, juris, Rz. 31: „Die [formunwirksame] Vereinbarung der Gesellschafter der Klägerin [einer GbR] war … auf den (Voll-)Erwerb des Eigentums durch die Klägerin gerichtet. Hierfür stellt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die speziellere Regelung dar, eine Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG scheidet daneben aus“. 3 Vgl. BFH v. 9.5.1962 – II 159/60, BStBl. III 1962, 313. 4 Vgl. BFH v. 27.8.1975 – II R 52/70, BStBl. II 1976, 30; FG Nds. v. 19.6.1987, EFG 1988, 192. 5 Vgl. z.B. RFH v. 14.7.1923, RStBl. 1934, 20, mit dem Hinw. darauf, dass anderenfalls die Steuerpflicht an die Besitzübertragung statt an den Eigentumsübergang anknüpfe, was mit dem grundsätzlichen Standpunkt des Gesetzes, d.h. der Steuerbarkeit des Eigentumsübergangs, nicht vereinbar wäre; vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Tz. 625 f. m.w.N. Vgl. BFH v. 1.4.1981 – II R 87/78, BStBl. II 1981, 488, wonach § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Abtretung des Aneignungsrechts nach § 928 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. 6 Vgl. bereits BFH v. 10.10.1962 – II 84/59 U, BStBl. III 63, 15; v. 26.5.1970 – II R 184/66, BStBl. II 1970, 673. 7 Vgl. BFH v. 27.8.1975 – II R 52/70, BStBl. II 1976, 30. 8 Vgl. BFH v. 27.8.1975 – II R 52/70, BStBl. II 1976, 30.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 225 § 1

bejaht1. Mit Urteil vom 24.10.1956 nahm der BFH im Fall eines privatschriftlichen Gesellschaftsvertrags, durch den ein Gesellschafter sich zur Einbringung seines Einzelunternehmens in die Gesellschaft verpflichtete und die Vertragsparteien sich über den Eigentumsübergang an den Gegenständen des Betriebsvermögens einig erklärten, einen steuerpflichtigen Grunderwerb i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an, obwohl ein notariell beurkundeter Übertragungsvertrag mit Auflassung nachfolgte2. Wenn die Verschaffung der Verwertungsbefugnis eine im Rahmen der Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts transitorische Bedeutung hat, ist nach BFH § 1 Abs. 2 GrEStG unanwendbar3. 4. Angebot zum Verkauf eines Grundstücks Ein notariell beurkundetes, für drei Monate unwiderrufliches Angebot eines Kaufinteressenten auf 224 Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ist noch kein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang4. Dies gilt auch im Hinblick auf § 1 Abs. 2 GrEStG, weil die Abgabe eines Kaufangebots keinerlei Befugnisse hinsichtlich des Grundstücks für den Anbietenden zur Entstehung bringt. 5. Angebot zum Kauf eines Grundstücks Auch wenn der Grundstückseigentümer einem anderen ein bindendes Verkaufsangebot unterbreitet, erlangt der andere allein dadurch keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG5. Für den Fall des im Wege eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags eingeräumten Ankaufsrechts hat der BFH mit Urteil vom 27.1.19656 ausdrücklich entschieden: „Ob im Ankaufsrecht nur die Einräumung eines rein persönlichen Anspruchs zu sehen ist, den Gegenstand innerhalb einer bestimmten Frist zu einem bestimmten Preis erwerben zu können …, oder ob in der (durch die Annahme – nur des Angebots über die Einräumung eines Ankaufsrechts – durch den Berechtigten zustande gekommenen) Vereinbarung über das Ankaufsrecht bereits ein formgerechter Verkaufsantrag liegt, z.B. wenn zulässigerweise eine Auflassungsvormerkung bestellt ist …: in jedem Fall ist erst in der Erklärung über die Ausübung des Ankaufsrechts die Annahme der Verkaufsangebots und damit der den Anspruch auf Übereignung begründende Kaufvertrag i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu erblicken. Selbst dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles – etwa bei genügender Bestimmtheit und Vollständigkeit bereits festgelegter Verkaufsvoraussetzungen – in der Vereinbarung des Ankaufsrechts bereits ein bedingt abgeschlossener Kaufvertrag (bedingt durch die Erklärung des Berechtigten, dass er den Ankauf ausübe) angenommen werden muss …, hat dies grunderwerbsteuerrechtlich keine andere Bedeutung. Auch in diesem Fall entsteht die Grunderwerbsteuerschuld erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung …, d.h. mit dem Zugang (§ 130 BGB) der Erklärung des Ankaufsberechtigten beim Verpflichteten, dass er 1 Vgl. BFH v. 30.8.1961 – II 15/60 U, BStBl. III 1961, 519, betr. § 1 Abs. 5 GrEStG 1940 (§ 1 Abs. 6 GrEStG 1983). 2 Vgl. BFH v. 24.10.1956 – II 60/56 U, BStBl. III 1956, 464. 3 Vgl. BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818: „Hat ein Leasingnehmer einen Anspruch auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück nach Ablauf der Leasingzeit oder hat er die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erworben, weil sich der Leasinggeber gegen Zahlung von Leasingraten verpflichtet hat, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten, dem Leasingnehmer das wirtschaftliche Eigentum zu verschaffen, es ihm zur Nutzung zu überlassen und ihm das Recht einzuräumen, das Grundstück nach Ablauf der Leasingzeit unentgeltlich zu erwerben, so führt die Verlängerung der Leasingdauer, d.h. die Verlängerung der Frist, nach deren Ablauf der Leasingnehmer die Eigentumsübertragung verlangen kann, nicht zu einer Änderung der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung“. Vgl. auch FG Sachs. v. 11.9.2002 – 3 K 2406/00, juris, Rz. 31: Ist die Vereinbarung auf den Erwerb des Volleigentums gerichtet, ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die speziellere Regelung und § 1 Abs. 2 GrEStG nicht anwendbar. 4 Vgl. BFH v. 13.2.1968 – II R 134/66, BFHE 91, 447. 5 Zu Drittbenennungsrechten vgl. G/B/B/S6 Rz. 148 ff. 6 BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. Die Ankaufsberechtigten bewohnten nur einen Teil des Objekts als Mieter, die Übergabe des gesamten Objekts sollte erst bei Ausübung des Ankaufsrechts erfolgen. Zu diesem BFH-Urteil v. 27.1.1965 vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 361; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 129, 130; inhaltlich entsprechend, wenn auch ohne Hinw. auf das Urteil v. 27.1.1965, auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 30 und Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 36 (50. Lfg./Dezember 2018). Weilbach weist allerdings auf die Möglichkeit hin, dass es sich bei der Vertragsgestaltung um einen Missbrauch bürgerlich-rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO handeln könnte.

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225

§ 1 Rz. 225 Erwerbsvorgänge sein Ankaufsrecht ausübe“1. Nach diesem Urteil ist auch die Bewilligung und Eintragung der das Ankaufsrecht sichernden Auflassungsvormerkung unschädlich2. 226

Der BFH grenzt den im Urteil II 60/60 U vom 27.1.1965 behandelten, keine Grunderwerbsteuer auslösenden Sachverhalt von der Fallgestaltung des BFH-Urteils II 175/60 U vom 22.11.19623 ab, in dem der BFH den Anfall von Grunderwerbsteuer bei Vereinbarung eines Bindungsentgelts i.H.v. einem Drittel des bei Ausübung des Ankaufsrechts zu zahlenden Kaufpreises in Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 6 StAnpG (heute § 42 AO) bejahte, weil der Grundstücksvertrag dort bei Vereinbarung des Ankaufsrechts bereits „beschlossene Sache“ und der Ankaufsberechtigte ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Ausübung des Ankaufsrechts verpflichtet gewesen sei.

227

Die Verwertungsbefugnis kann einem vom Grundstückseigentümer verschiedenen Rechtsträger verschafft werden, wenn das Verkaufsangebot mit anderen Rechtsgeschäften im Zusammenhang steht, die die Rechtsposition des Angebotsempfängers in Bezug auf das Grundstück stärken. So hat der BFH im Falle eines notariell beurkundeten, für 24 Jahre bindenden Verkaufsangebots zu einem festen Kaufpreis den Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Angebotsempfänger bejaht, weil der Angebotsempfänger durch eine Auflassungsvormerkung gesichert wurde, ihm mit der Befugnis zur Vermietung und Verpachtung sofort die Nutzung des Grundstücks überlassen wurde und er dem Anbietenden ein Darlehen gewährte4. Maßgebend war, dass sich der Angebotsempfänger den Übereignungsanspruch jederzeit durch förmliche einseitige Erklärung hätte verschaffen können und ihm zugleich das Besitz- und das Nutzungsrecht eingeräumt waren. Dass der Angebotsempfänger zu wesentlichen baulichen Änderungen nicht befugt war, hielt der BFH für unbeachtlich5. 6. Zweiseitige Vorverträge über einen Grundstückserwerb

228

Zweiseitige Vorverträge über einen Grundstückserwerb vermögen eine Grunderwerbsteuerpflicht nur dann zu begründen, wenn weitere Sachverhaltsmomente hinzukommen6. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist erfüllt, wenn ausnahmsweise aus dem Vorvertrag bereits auf Auflassung des Grundstücks geklagt werden kann7. Im tatsächlichen Vollzug eines Vorvertrags, aus dem nicht mittelbar auf Auflassung des Grundstücks geklagt werden kann, soll der Erwerb der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG liegen können, wenn Besitz, Nutzungen und Lasten bereits auf den künftigen Erwerber übergehen8. Erwirbt der spätere Grundstückskäufer schon mit Abschluss und Durchführung des Rahmenvertrags die Verwertungsbefugnis am späteren Kaufgrundstück und wird später durch notarielle Beurkundung des Kaufvertrags § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht, liegen zwei jeweils selbständige zu beurteilende Erwerbsvorgänge vor9. Die Aufeinanderfolge beider Erwerbsvorgänge führt zur Begrenzung der Steuererhebung gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, wenn für den vorausgegangen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.

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Vgl. BStBl. III 1965, 265, Rz. 14. Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 129. Vgl. BStBl. III 1963, 46. Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251. Nach BFH ist es unzulässig, in der Gewährung des zinslosen Darlehens und der Übernahme des Zinsendienstes für die Hypotheken (d.h. die Übernahme der Tilgung der Zinsen einer Hypothek oder laufenden sog. Verwaltungskosten bei zwei anderen Hypotheken) sowie in der Tragung der insbesondere öffentlich-rechtlichen Grundstückslasten eine Gegenleistung für die Einräumung der Verwertungsbefugnis zu sehen. Diese Leistungen korrespondierten ersichtlich nicht mit der Verwertungsmöglichkeit im Ganzen. Wenn nach Art und Inhalt der getroffenen Vereinbarungen eine Gegenleistung für das, was als Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung unterliegt, schlechthin nicht ermittelbar ist, ist die Grunderwerbsteuer nach dem sog. Grundstückswert zu bemessen. Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 127 und § 23 GrEStG Rz. 12. Vgl. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 12 unter Hinw. auf das BFH v. 13.12.1983 – VIII R 16/83, BStBl. II 1984, 311 betr. Veräußerung i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch Abschluss eines bürgerlich-rechtlich wirksamen, beide Vertragsparteien bindenden Vorvertrags. Vgl. BFH v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137, Rz. 13, im Hinblick auf § 23 GrEStG.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 233 § 1

V. Miet-, Pacht- und Nießbrauchsverhältnisse, Immobilien-Leasing 1. Miete, Pacht Auch langfristig abgeschlossene Miet- bzw. Pachtverhältnisse erfüllen den Tatbestand von § 1 Abs. 2 229 GrEStG grundsätzlich nicht, weil dem Mieter bzw. Pächter die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit fehlt, das Grundstück seiner Substanz nach durch Veräußerung oder Belastung mit einem Grundpfandrecht zu verwerten. Der Mieter bzw. Pächter hat als solcher keine Möglichkeit, sich die Grundstücks- oder Gebäudesubstanz wirtschaftlich wie ein Eigentümer nutzbar zu machen. Er ist auf die bloße Nutzung, also nur eine der dem Eigentümer zustehenden Verwertungsmöglichkeiten, beschränkt; von der Möglichkeit, die Substanz durch Veräußerung oder Belastung zu verwerten und an einer Wertsteigerung des Grundstücks teilzuhaben, ist der Mieter sowie der Pächter ausgeschlossen. § 1 Abs. 2 GrEStG ist allerdings erfüllt, wenn in einem Miet- oder Pachtvertrag vereinbart wird, dass der Mieter bzw. Pächter jederzeit die Gebäude- oder Grundstückssubstanz verwerten kann1. § 1 Abs. 2 GrEStG ist nicht erfüllt, wenn ein verpachtetes Grundstück dem Pächter zum Kauf angeboten wird, der Pächter das Angebot jedoch nicht während des langlaufenden Pachtvertrags, sondern erst bei dessen Beendigung annehmen kann2. § 1 Abs. 2 GrEStG ist auch dann nicht erfüllt, wenn nach den Wünschen und im Interesse des Pächters auf dem von ihm gepachteten Grundstück ein Gebäude errichtet wird, auch wenn der Pächter ein Vorkaufsrecht für das zu bebauende Grundstück eingeräumt erhält3. 2. Nießbrauch Nießbrauch ist die Belastung einer Sache in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (vgl. §§ 1030 ff. BGB). Die Verfügungsbefugnis über den Belastungsgegenstand kann nicht dinglicher Rechtsinhalt sein4. Durch die Einräumung eines Nießbrauchs wird mithin keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft5.

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Von den Fällen des Treuhandeigentums und der sog. Verkaufsermächtigung abgesehen setzt die Verwirklichung von § 1 Abs. 2 GrEStG nach h.M. voraus, dass der Berechtigte nicht nur an der Substanz des Grundstücks beteiligt wird, sondern dass er auch besitz- und nutzungsberechtigt ist6. Daraus folgt, dass die Einräumung eines Nießbrauchs – unabhängig davon, ob es sich um einen dinglichen oder nur schuldrechtlichen Nießbrauch handelt – im Rahmen der von der h.M. grundsätzlich für erforderlich gehaltenen Gesamtbildbetrachtung für die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG Bedeutung erlangt.

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3. Immobilien-Leasing Beim Immobilien-Leasing wird dem Leasingnehmer nur dann die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt, wenn er vertraglich gegenüber dem Leasinggeber berechtigt wird, jederzeit während der Laufzeit des Vertrags den Abschluss eines Kaufvertrags über das (bebaute) Grundstück zu verlangen7. § 1 Abs. 2 GrEStG ist jedoch nicht erfüllt, wenn dem Leasingnehmer nur das Recht eingeräumt wird, zu bestimmten Zeitpunkten oder zum Ablauf des Leasingvertrags den Abschluss eines Kaufvertrags zu verlangen8, auch wenn das dem Leasingnehmer eingeräumte Ankaufsrecht durch Vormerkung gesichert ist.

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Der BFH begründet dies damit, dass der ankaufsberechtigte Leasingnehmer ohne jederzeit ausübbares Ankaufsrecht nicht an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt sei, dass er an der

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Vgl. FG Hamburg v. 25.3.1993 – II 29/91, EFG 1993, 706. Vgl. FG Bad.-Württ. v. 7.2.1962 – I 169/61, EFG 1962, 312. Vgl. BFH v. 3.12.1975 – II R 122/70, BStBl. II1976, 299. Vgl z.B. Bayer in Erman16, § 1030 BGB, Rz. 12. Eine Ausnahme gilt für den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen, vgl. § 1067 BGB. Der Eigentümer kann generell den Nießbraucher gem. § 185 BGB ermächtigen, über Nießbrauchsgegenstände zu verfügen. So auch Berg-Mosel/Jacob/Ilka, BB 2005, 1478 (1479). Vgl. z.B. BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158. Vgl. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630. Vgl. BFH v. 11.4.2006 – II R 28/05, MittBayNot 2007, 163; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 80.

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§ 1 Rz. 233 Erwerbsvorgänge ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach teilhaben soll, ggf. also auch die Substanz soll angreifen können. Der Ankaufsberechtigte sei nicht in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach eigenem Belieben zu verwerten1. Eine solche Verwertungsmöglichkeit nimmt der BFH insbesondere dann an, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann2. Könne der Leasingnehmer dagegen die Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des – ggf. um eine weitere Mietperiode verlängerten – Leasingvertrags herbeiführen, bestünde diese Verwertungsmöglichkeit nicht. Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestünden in einem solchen Fall nicht gleichzeitig, sondern folgten zeitlich aufeinander3. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass dem Leasingnehmer ggf. während der Vertragslaufzeit ein außerordentliches Ankaufrecht zusteht, dieses aber nur unter im Vertrag näher bestimmten Voraussetzungen ausgeübt werden kann, denn dann könne der Leasingnehmer nicht nach seinem Belieben wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen. 234

Ist das Ankaufsrecht nicht nur am Ende der Mietzeit ausübbar, kann vielmehr die Ausübung des Ankaufrechts z.B. zum Ende des zehnten Mietjahres, zum Ende des fünfzehnten Mietjahres und zum Ende der Mietzeit erklärt werden, liegt ebenfalls keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG vor. Soweit ersichtlich ist eine solche Fallkonstellation in der Rechtsprechung des BFH bisher nicht beurteilt worden4. Wenn das Ankaufrechts jedoch nicht jederzeit ausübbar ist, räumt der Leasinggeber in solchen Fällen dem Leasingnehmer keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG ein. Die Grunderwerbsteuer entsteht erst mit tatsächlicher Erklärung über die Ausübung des Ankaufsrechtes, und zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG5.

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Weder in der Rechtsprechung noch in der Kommentar-Literatur wird (soweit ersichtlich) ausdrücklich auf die Frage eingegangen, ob dadurch, dass das Ankaufsrecht durch Zeitablauf ausübbar wird, zugunsten des Ankaufsberechtigten eine Verwertungsbefugnis entsteht und dieses allein auf Zeitablauf beruhende Entstehen nach § 1 Abs. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer auslöst. Eine Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2 GrEStG allein durch Zeitablauf (d.h. durch Erreichen der Zeitpunkte, zu denen das Ankaufsrecht ausgeübt werden kann) ist ausgeschlossen6. Zeitablauf ist kein Rechtsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG.

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Die Verlängerung der Leasingdauer, d.h. die Verlängerung der Frist, nach deren Ablauf der Leasingnehmer die Eigentumsübertragung verlangen kann, führt zu keiner Änderung der grunderwerbsteu1 Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491. 2 Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251; v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. 3 Vgl. BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. 4 Eine gewisse Ähnlichkeit besteht allerdings mit der zeitlichen Gestaltung des Ankaufsrechts im Fall des Urteils des FG Köln v. 26.2.2003 – 5 K 7923/98, EFG 2004, 837, das nach Ablauf von zunächst zehn Jahren und nach Ablauf von weiteren 20 Jahren zu einem vorher festgelegten Kaufpreis ausübbar war. Das FG Köln lehnte die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG ab, u.a. weil der Leasingnehmerin kein Recht zugestanden hätte, im Vorgriff auf das ihr eingeräumte Ankaufsoptionsrecht das Grundstück zu belasten bzw. zu veräußern. 5 Nach der BFH-Rechtsprechung können dann bei der Ermittlung der Gegenleistung neben dem Kaufpreis noch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als „sonstige Leistung“ i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen sei. Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, spreche der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig sei; vgl. das obiter dictum im BFH v. 15.3.2006 – II R 29/04, BFH/NV 2006, 1702, Rz. 19. Dieser Ansicht steht entgegen, dass die Leasingraten unabhängig davon zu zahlen sind, ob der Leasingnehmer das Ankaufsrecht ausübt oder nicht, außerdem die erheblichen praktischen Schwierigkeiten bei der Aufteilung der Leasingraten in Entgelt für die Nutzungsüberlassung, Entgelt für die Einräumung des Ankaufsrechts und Entgelt für die Übereignung des Leasingobjekts. 6 Auf Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit Ankaufsrechten beim Immobilien-Leasing weist Böing, UVR 2010, 369 hin (vgl. insb. auf S. 375: „Eine rechtssichere Beratung in diesem Bereich wird häufig nur nach Einholung einer verbindlichen Auskunft möglich sein“), allerdings nur in recht allgemeiner Weise, d.h. nicht konkret in Bezug auf die hier diskutierte Rechtsfrage. Die Empfehlung, vorher eine verbindliche Auskunft einzuholen, gibt auch Loose in FS Spiegelberger, S. 367.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 239 § 1

errechtlichen Zuordnung1, begründet mithin ebenfalls keine Verwertungsbefugnis des Leasingnehmers. Wird im Leasingvertrag vereinbart, dass das Entstehen der Übereignungsverpflichtung an die Bedin- 237 gung geknüpft ist, dass der Berechtigte erklärt, sein Recht auf Eigentumsübertragung ausüben zu wollen, ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt; in Betracht kommt der Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Wird der Leasingnehmerin vertraglich ein grundbuchmäßig abgesichertes Recht eingeräumt, jederzeit die Übereignung des Grundstücks zu verlangen, ist die Leasingnehmerin in der Lage, letztlich über das Grundstück nach ihrem Belieben zu verfügen. Regelt der Leasingvertrag zudem, dass die Leasingnehmerin alle mit dem Grundstück verbundenen wirtschaftlichen Vor- und Nachteile haben soll, sie insbesondere die Lasten und die Gefahr für das Objekt übernimmt und die Leasingnehmerin die Kosten der Instandhaltung zu tragen hat, sie zudem zu einer uneingeschränkten und auch nicht durch Kündigung entziehbaren Nutzung des Objekts berechtigt ist, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt2. Alle Leistungen, zu denen sich in dem Leasingvertrag die Leasingnehmerin gegenüber dem Leasinggeber verpflichtet, damit dieser auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet, der Leasingnehmerin das wirtschaftliche Eigentum verschafft, es der Leasingnehmerin zur Nutzung überlässt und dieser das Recht einräumt, das Grundstück unentgeltlich zu erwerben, stellen grunderwerbsteuerrechtlich die Gegenleistung dar3. Im Urteil vom 15.3.20064 hielt es der BFH in einem Fall, in dem dem Leasingnehmer durch Abschluss 238 des Leasingvertrags keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft worden war, für möglich, dass zur Bemessungsgrundlage bei Ausübung des zum Vertragsablauf ausübbaren Ankaufrechts durch den Leasingnehmer neben dem vereinbarten Kaufpreis für das Grundstück auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als sonstige Leistung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören könnten. Dies sei der Fall, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist5. Weil die Ausübung des Ankaufrechts am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags keine Voraussetzung oder zwingende Folge für den Abschluss des Leasingvertrags ist, kann dem nicht gefolgt werden6.

VI. Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht Das Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht ist die dingliche Belastung eines Grundstücks oder Erbbaurechts in der Weise, dass der durch sie Begünstigte berechtigt ist, unter Ausschluss des Eigentümers eine Wohnung bzw. nicht zu Wohnzwecken dienende Räume zu nutzen7. Der Erwerb eines Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrechts ist ein Rechtskauf. Es liegt kein den Miet- oder Pachtverhältnissen entsprechendes Nutzungsverhältnis vor8. Weil das Dauerwohn- und auch das Dauernutzungsrecht kein Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts und mangels Gleichstellung mit einem Grundstück in § 2 Abs. 2 GrEStG auch kein Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist, unterliegen 1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818. Vgl. BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 576. Vgl. BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. Vgl. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630. Vgl. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630 mit dem Hinw. darauf, dass für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, der Umstand spreche, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig sei. 6 Vgl. Stoschek/Sommerfeld/Mies, DStR 2008, 2046 (2048). A.A., d.h. wie der BFH allerdings Loose in Boruttau18, § 9 GrEStG Rz. 481; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 204. Vgl. auch BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. 7 Vgl. § 31 WEG. Gemäß § 33 Abs. 1 WEG ist das Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht veräußerlich und vererblich. Es gehört zu den Dienstbarkeiten. Von den persönlich beschränkten Dienstbarkeiten (vgl. insbesondere § 1093 BGB) und dem Nießbrauch unterscheidet es sich dadurch, dass es nicht höchstpersönlich ist, von anderen Dienstbarkeiten dadurch, dass es nicht subjektiv-dinglich ist. Die rechtliche Ausgestaltung des Dauerwohnbzw. Dauernutzungsrechts lehnt sich in Einzelfällen an das Erbbaurecht an; vgl. z.B. § 33 WEG. Beim Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht gibt es allerdings keinen verdinglichten Anspruch auf Entgelt. 8 Vgl. BGH v. 9.7.1969 – V Z R 190/67, BGHZ 52, 243.

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§ 1 Rz. 239 Erwerbsvorgänge Rechtsvorgänge, die ein Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht betreffen, als solche nicht der Grunderwerbsteuer1. Nach h.M. kann in extremen Einzelfällen wegen Einräumung oder Übertragung der Verwertungsbefugnis am mit dem Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrecht belasteten Grundstück § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein, z.B. wenn sich das Recht bei einem Einfamilienhaus (Reihenhaus) auf die einzige Wohnung des Gebäudes erstreckt und nach seiner Ausgestaltung der Eigentümer von der Teilhabe an der Substanz des Gebäudes auf Dauer bzw. unbegrenzte Zeit ausgeschlossen ist2. Das Dauerwohn- oder Nutzungsrecht muss nach FG München3 ganz besonders extrem ausgestaltet sein, um den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG, d.h. die Verschaffung der Verwertungsbefugnis am mit diesem Recht belasteten Grundstück, zu erfüllen. Bei der Bewertung des beim FG München streitbefangenen Dauerwohnrechts und Nutzungswohnrechts sind nach Ansicht des FG München weder eine unbefristete Einräumung noch das Nicht-Erfordernis einer Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Vermietung oder Veräußerung noch die Vereinbarung über Instandhaltung, Versicherung und Wiederaufbau dem Wesen des Dauerwohnrechts und Nutzungswohnrechts fremd, weshalb die Aufgabe eines solchen Dauerwohnrechts nach Ansicht des FG München nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Im Grundsatz erhält der Erwerber mit dem Erwerb eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts keine Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG am belasteten Grundstück4.

VII. Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft dem Werte nach (quoad sortem) 1. Erfordernis der Einigung über die Verteilung möglicher Wertsteigerungen und -minderungen 240

Die Einbringung eines Grundstücks dem Werte nach (quoad sortem) begründet nur die schuldrechtliche Verpflichtung des Gesellschafters, das Grundstück der Gesellschaft so zur Verfügung zu stellen, als ob es Gesellschaftsvermögen wäre. Diese Einbringung lässt die dingliche Rechtsstellung des Gesellschafters und seine Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis unberührt5. Für die Einräumung bzw. Übertragung der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG auf die Gesellschaft reicht es nicht aus, dass der Gesellschafter der Gesellschaft das Grundstück bzw. das Gebäude zur Fruchtziehung und Lastentragung zur Verfügung stellt. Vielmehr müssen alle Wertsteigerungen und Wertminderungen des Grundstücks bzw. des Gebäudes der Gesellschaft und nur vermittels des Gesellschaftsverhältnisses den einzelnen Gesellschaftern zugutekommen. Das Grundstück muss also im Innenverhältnis wie Eigen-

Vgl. auch Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 289. Vgl. Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 45; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 61 (Lfg. 50/Dezember 2018). Vgl. FG München v. 11.9.2000 – 4 K 3863/97, juris. Vgl. BFH v. 13.6.1957 – V 259/56 U, BStBl. III 1957, 269, wonach die Einräumung eines Dauerwohnrechts gem. §§ 31 ff. WEG weder nach § 4 Nr. 9 noch nach § 4 Nr. 10 UStG a.F. umsatzsteuerfrei ist. Der BFH führt aus, dass das Dauerwohnrecht nicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, weil der Erwerber eines solchen Wohnungsrechts nicht die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit erwirbt, ein inländisches Grundstück oder einen Grundstücksteil auf eigene Rechnung zu verwerten; auch das zeitlich unbeschränkte Dauerwohnrecht ist weder ein Grundstück noch (wie ein Erbbaurecht) einem Grundstück gleichgestellt. Dass der Erwerber des Wohnrechts dieses Recht übertragen (verkaufen) kann, erfüllt nach BFH den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG deshalb nicht. Auch Dauerwohnrechte, die für die Zwecke der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung gem. § 7b Abs. 4 EStG a.F. wirtschaftlich einem Wohnungseigentum gleichstehend behandelt werden, unterliegen nicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer; vgl. dazu aus ertragsteuerlicher Sicht z.B. BFH v. 22.10.1985 – IX R 48/82, BStBl. II 1986, 258. 5 Vgl. BGH v. 15.6.2009 – II ZR 242/08, DStR 2009, 2015. Die Einbringung einer Sache quoad sortem entfaltet keine Rechtswirkungen gegenüber einem Dritten, der nur das Eigentum des Gesellschafters an der Sache erworben hat, ohne zugleich dessen Gesellschafterstellung zu übernehmen. Ein solcher Dritter erwirbt wirksam das (Mit-)Eigentum an dem vom veräußernden Gesellschafter dem Werte nach in die Gesellschaft eingebrachten Grundstück(-santeil), ohne zugleich dessen Gesellschafterstellung zu übernehmen; dies bedeutet, dass der Dritte das (Mit-)Eigentum an dem Grundstück unbelastet von der den veräußernden Gesellschafter treffenden Verpflichtung erwirbt, der Gesellschaft das Grundstück wertmäßig zu überlassen. Vgl. Berninger, DStR 2010, 874: Bei Ausscheiden des Gesellschafters Anspruch auf Rückgabe in natura und Anrechnung auf den Abfindungsanspruch. 1 2 3 4

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 241 § 1

tum der Gesellschaft behandelt werden1. Auch wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser ein ihm gehörendes Grundstück mit Gebäude zur Fruchtziehung und Lastentragung zur Verfügung stellt, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt, auch wenn das Grundstück als wirtschaftliches Eigentum in der Bilanz der Personengesellschaft aktiviert wird und die Personengesellschaft ertragsteuerlich die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf etwaige Gebäude als Betriebsausgaben abzieht2. Die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG ist noch nicht eingeräumt bzw. übertragen, wenn sich die Gesellschafter für den Fall der Veräußerung des Grundstücks, des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Liquidation der Gesellschaft noch nicht über die Verteilung der stillen Reserven oder möglichen Wertminderungen geeinigt haben3. 2. Recht der Personengesellschaft, die Verwertung herbeizuführen § 1 Abs. 2 GrEStG ist nicht erfüllt, wenn die Vereinbarung lediglich besagt, dass das Grundstück beim 241 Ausscheiden des Gesellschafters und bei Auflösung der Gesellschaft wie Gesellschaftsvermögen behandelt wird; insoweit nicht eindeutig die OFD Hannover in der Verfügung vom 11.5.19994. Die Verpflichtung eines Gesellschafters, der Personengesellschaft ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück nicht nur zur Nutzung zu überlassen, sondern darüber hinaus das Grundstück im Innenverhältnis der Gesellschafter so zu behandeln, als gehöre es zum Gesellschaftsvermögen, führt nur dann zur Verwertungsbefugnis der Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn die Personengesellschaft durch Vollmacht oder Einwilligung zur Verfügung über das dem Werte nach eingebrachte Grundstück ermächtigt und nicht nur am Ergebnis einer vom Willen des Gesellschafters abhängigen etwaigen Verwertung beteiligt ist5. Nach anderer Ansicht6 ist es nicht erforderlich, dass die Gesellschaft zu einer Verfügung über das dem Werte nach eingebrachte Grundstück ermächtigt wird; die Wertteilhabe an der Substanz des Grundstücks über gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, die es dem „Einbringenden“ aufgrund seiner Treuepflicht verwehren, das Grundstück selbst – quasi an der Gesellschaft vorbei – während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft durch Veräußerung auf seine eigene Rechnung zu verwerten, reiche zur – nach § 1 Abs. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer auslösenden – Einräumung von Substanzteilhabe aus. Diese Auffassung widerspricht dem Gesetzeswortlaut, wonach der andere (d.h. der Rechtsträger, dem die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt wird, hier die Per1 Vgl. BFH v. 24.7.1974 – II R 32/67, BStBl. II 1974, 773; v. 10.3.1970 – II R 135/68, BStBl. II 1970, 522. 2 Vgl. BFH v. 24.7.1974 – II R 32/67, BStBl. II 1974, 773. Der BFH weist auf die sich aus der damaligen ertragsteuerlichen Rechtsprechung zum Begriff des notwendigen Betriebsvermögens ergebende Verpflichtung hin, das einem Gesellschafter allein gehörende, aber der Gesellschaft dienende Vermögen in den Vermögensvergleich der Gesellschaft einzubeziehen. Dies löst für sich genommen keine grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen aus; vgl. BFH v. 8.12.1965 – II 148/62 U, BStBl. III 1966, 148. Die Gesellschaft erwirbt die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG nur dann, wenn die Gesellschafter vereinbart haben, dass sich Wertschwankungen, die das Grundstück möglicherweise während der Zeit erfährt, in der es der Gesellschaft dient, auf Rechnung der Gesellschaft und erst mittelbar nach Maßgabe der Beteiligungsquoten auf Rechnung der einzelnen Gesellschafter vollziehen sollen. Der Eigentümer des Grundstücks muss sich des Rechts auf einen etwaigen Veräußerungsgewinn begeben und die Gesellschaft muss die Verpflichtung übernommen haben, einen etwaigen Veräußerungsverlust zu tragen; vgl. BFH v. 24.7.1974 – II R 32/67, BStBl. II 1974, 773. Vgl. auch Jacobsen, UVR 2009, 150. 3 Vgl. BFH v. 27.8.1975 – II R 52/70, BStBl. II 1976, 30. 4 Vgl. Verfügung OFD Hannover v. 11.5.1999, DStR 1999, 1071. Danach löst das sog. „wirtschaftliche Einbringen“ von Grundstücken in Personengesellschaften Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG aus, wenn nicht der einbringende Gesellschafter, sondern „die Gesellschaft“ (und über sie die anderen Gesellschafter) die Nutzungen des Grundstücks zieht und die Lasten trägt, bei einer Grundstücksveräußerung der Erlös in das Vermögen der Gesellschaft fällt sowie beim Ausscheiden eines Gesellschafters und bei Auflösung der Gesellschaft das Grundstück wie Gesellschaftsvermögen behandelt wird“. 5 Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491, mit dem Hinw. darauf, dass die Befugnis, die Veräußerung des Grundstücks herbeizuführen, auch bei einem Dritten liegen kann, soweit gewährleistet ist, dass der Dritte im Interesse desjenigen tätig sein wird, dem das wirtschaftliche Ergebnis der Grundstücksveräußerung zukommt, so dass der Dritte als Hilfsperson des aus der Grundstücksverwertung Begünstigten anzusehen ist; dies ist nach BFH dann der Fall, wenn zwischen dem wirtschaftlich Berechtigten und dem dispositionsbefugten Dritten ein entsprechendes schuldrechtliches (Auftrags-)Verhältnis besteht oder wenn es sich um Gesellschaften handelt, die aufgrund einer Gesellschafter-/Geschäftsführerverflechtung einer einheitlichen Willensbildung unterliegen. 6 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 81; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 257.

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§ 1 Rz. 241 Erwerbsvorgänge sonengesellschaft) rechtlich oder wirtschaftlich in die Lage versetzt werden muss, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Zudem ergäbe sich anderenfalls ein Widerspruch zur unumstrittenen Rechtslage beim Immobilien-Leasing und beim atypischen Makler, wonach es für die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG ebenfalls erforderlich ist, dass der Leasingnehmer bzw. der atypische Makler die Verwertung des Grundstücks selbst aus eigenem Recht herbeiführen kann. 242

Soweit der BFH in den Urteilen II 60/60 U1 und II R 135/682 eine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG auch dann annimmt, wenn die Personengesellschaft nicht zur Veräußerung des Grundstücks berechtigt ist, sind diese BFH-Urteile abzulehnen3.

243

Liegt eine Grundstückseinbringung quoad sortem vor, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt, kommt die Befreiung nach § 5 GrEStG in Betracht. 3. Keine Einbringung quoad sortem in eine Innengesellschaft

244

Auch wenn eine Grundstückseinbringung in eine Personengesellschaft quoad sortem allein durch die Vereinbarung der Gesellschafter erfolgen kann, ist es nicht denkbar, dass eine BGB-Innengesellschaft oder stille Gesellschaft i.S.v. § 230 HGB die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück erlangt. Dies folgt bereits daraus, dass im Falle der Einräumung einer Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG Steuerschuldner neben demjenigen, der die Verwertungsbefugnis einräumt, auch derjenige ist, der diese Befugnis erlangt4. Eine Gesellschaft ohne Gesamthandsvermögen kann nicht Steuerschuldnerin sein5. Nach hier vertretener Ansicht kann eine Innengesellschaft auch deshalb keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG erlangen, weil der Erwerb der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG voraussetzt, dass der Verwertungsbefugte die Veräußerung des Grundstücks aufgrund eigenen Rechts herbeiführen kann. Eine Innengesellschaft ist jedoch kein Träger eigener Rechte. In Innengesellschaften betreffenden Fällen ist zu prüfen, ob dem nach außen auf Rechnung der Innengesellschaft auftretenden Gesellschafter die Verwertungsbefugnis eingeräumt worden ist.

VIII. Gesellschaftsrechtliche Beteiligung 1. Grundsatz 245

Rechtsvorgänge, die sich auf Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften beziehen, verwirklichen den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht. Weil § 1 Abs. 2 GrEStG seinem eindeutigen Wortlaut nach nur Grundstücksgeschäfte, nicht aber Anteilsgeschäfte erfasst, ist die von Hofmann geäußerte Ansicht, in Bezug auf den mittelbaren Anteilsübergang im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG „sollten die grunderwerbsteuerrechtlichen Bordmittel des Ersatztatbestandes des § 1 Abs. 2 … vorzugsweise in Anspruch zu nehmen sein“6, mit dem Gesetz nicht vereinbar. Ebenso als rechtswidrig zurückzuweisen ist die von den Obersten Finanzbehörden der Länder erstmals in den gleichlautenden Ländererlassen vom 9.12.2015 und auch in den gleichlautenden Ländererlassen vom 12.11.20187 geäußerte Ansicht, in Bezug auf Personengesellschaftsanteile abgeschlossene Rechtsgeschäfte könnten zu einem mittelbaren Anteilsübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG führen, weil einem mittelbaren Gesellschafterwechsel „eine Gestaltung (z.B. eine vertragliche) gleich zu stellen sei, die einem anderen als dem an der Gesellschaft Beteiligten – ebenso wie bei der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG bei Treuhandgeschäften und bei Geschäftsbesorgungsverträgen – die Wertteilhabe an den (Gesellschafts-)Grundstücken einräumt“8. Die von den Obersten Finanzbehörden der Länder in diesem Zusammenhang für maß1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. III 1965, 265. Vgl. BFH v. 10.3.1970 – II R 135/68, BStBl. II 1970, 522. So auch Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 689. Vgl. BFH v. 28.5.1998 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523. Vgl. BFH v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311 betr. atypisch stille Gesellschaft, die nicht Steuerschuldner i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG sein kann. 6 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 114 a. 7 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.1.2. 8 Vgl. zuvor auch gleichlautende Ländererlasse betr. mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, Hinw. zum BFH-Urteil v. 9.7.2014 – II R

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 249 § 1

gebend erachteten Kriterien1 entsprechen denjenigen, die auch der BFH im Urteil vom 9.7.20142 in Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO angewandt hat. Hofmann ist nur insoweit zuzustimmen, als der Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (entgegen BFH) „artfremd“ und damit ausgeschlossen ist. Allerdings ist bei Anteilsgeschäften angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts auch der Rückgriff auf § 1 Abs. 2 GrEStG unzulässig (vgl. auch zu § 1 Abs. 2a GrEStG in Rz. 366). 2. Personenaußengesellschaften (mit Gesamthandsvermögen) Die (Teil-)Steuerrechtsfähigkeit der Gesamthandsgemeinschaft bzw. der Gesellschaft verhindert es, in der Erlangung der Gesellschafterstellung die Erlangung der Verwertungsbefugnis an den Gesellschaftsgrundstücken zu sehen3. Zwar vermittelt eine gesamthänderische Beteiligung grundsätzlich einen Anteil am Gesellschaftsgrundstück und die Teilhabe an dessen Wertveränderungen; der einzelne Gesamthänder kann jedoch grundsätzlich keine Verwertung unmittelbar auf seine Rechnung, sondern nur auf Rechnung der Gesamthand, d.h. der Personenaußengesellschaft, herbeiführen. Dies gilt auch bei 100%iger Beteiligung am Gesamthandsvermögen.

246

3. Innengesellschaften Der sog. atypisch stille Gesellschafter erhält keine Verwertungsmacht i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an ei- 247 nem Grundstück, dass der Inhaber des Handelsgeschäfts erwirbt bzw. zu Eigentum hält4. Der BFH stellt im Urteil vom 30.11.1983 entscheidend darauf ab, dass der sog. atypisch stille Gesellschafter keinen Besitz an dem Grundstück hat5. M.E. ist (entgegen BFH) entscheidend, dass eine Verwertung des Grundstücks auf Rechnung des Inhabers des Handelsgeschäfts bzw. der stillen Gesellschaft – nicht aber unmittelbar auf Rechnung des sog. atypisch stillen Gesellschafters – erfolgt. Eine atypisch stille Beteiligung könnte allenfalls dann zur Verschaffung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG führen, wenn der Vertrag über die sog. atypisch stille Gesellschaft ausnahmsweise dem sog. stillen Gesellschafter den Besitz am Grundstück und das Recht, selbst die Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen, einräumte und ausschließlich der sog. atypisch stille Gesellschafter über die Verwertung des Grundstücks entscheiden könnte und wenn der Gesellschaftsvertrag außerdem vorsähe, dass der Veräußerungserlös ganz oder teilweise unmittelbar dem atypisch stillen Gesellschafter zustehen soll. Ein solcher Vertrag wäre aber kein Vertrag über eine atypisch stille Gesellschaft, sondern ein Vertrag sui generis. Auch der sog. typisch stille Gesellschafter erhält ebenso wie andere Innengesellschafter keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an den Grundstücken des Rechtsträgers, an dessen Geschäftsaktivitäten und Vermögensgegenständen die stille Beteiligung besteht6.

248

4. Kapitalgesellschaften Auch der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hat keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an den Gesellschaftsgrundstücken. Dies gilt auch für den Alleingesellschafter einer Kapital-

1

2 3 4 5 6

49/12, BStBl. II 2016, 57 in BStBl. I 2016, 136, aufgehoben und ersetzt durch die Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Durch die Vereinbarung eines festen Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil realisieren sich für den Fall der Ausübung der Kaufoption/Verkaufsoption Wertänderungen nach oben und nach unten beim Anteilserwerber; der Anteilserwerber erhält durch die Abtretung des Gewinnstammrechts die wesentlichen Gesellschafterrechte; durch die Vereinbarung einer jederzeit ausübbaren Kaufoption erhält der Erwerber eine rechtlich geschützte Position auf den Erwerb der Anteile, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Vgl. BFH v. 27.3.1991 – II R 82/87, BStBl. II 1991, 731; v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 649. Vgl. BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158. Vgl. BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158, Rz. 10. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 80 a.E.

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249

§ 1 Rz. 249 Erwerbsvorgänge gesellschaft1, auch bei Vorliegen eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags2. Auch die gesellschaftsrechtliche Verflechtung über die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft löst keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG in Bezug auf die Gesellschaftsgrundstücke aus3. Erst recht gilt dies für die Einräumung eines Pfandrechts am Anteil einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört4. 5. Irrelevanz gesellschaftsvertraglicher Sonderregelungen 250

Daran, dass gesellschaftsrechtliche Beteiligungen grundsätzlich nicht zur Verschaffung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an Gesellschaftsgrundstücken führen, ändern disquotale Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag z.B. bezüglich Stimmrechte, Gewinnbezugsrechte und Recht zur Beteiligung am Liquidationserlös ebenso wie die Einräumung von Sonder- und Vetorechten für einzelne Gesellschafter nichts. Dies gilt auch für Pool- und Stimmbindungsvereinbarungen unter den Gesellschaftern. Auch ein GmbH-Geschäftsführer, dem umfassende Rechte für die Ausübung seiner Geschäftsführung eingeräumt werden, erlangt keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an den Gesellschaftsgrundstücken, auch wenn er über die Veräußerung von Gesellschaftsgrundstücken frei entscheiden kann. Denn in all diesen Fällen erfolgt die Veräußerung von Gesellschaftsgrundstücken auf Rechnung der Gesellschaft, nicht aber auf Rechnung eines oder mehrerer Gesellschafter. 6. Unterbeteiligungen

251

Die Ausführungen zu Innengesellschaften (vgl. Rz. 247 f.) gelten entsprechend.

IX. Grundpfandrecht 252

Zwar hat der Grundpfandrechtsgläubiger die Möglichkeit, das Grundstück bei Eintritt der sog. Pfandreife im Wege der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) verwerten zu lassen und sich aus dem Versteigerungserlös wegen seiner Forderungen zu befriedigen. Jedoch erfolgt die Versteigerung für Rechnung des Schuldners (d.h. in der Regel des Grundstückseigentümers), dessen Verbindlichkeiten durch den an den Gläubiger ausgekehrten Versteigerungserlös getilgt werden. Dies gilt auch, wenn Grundstückseigentümer ein vom Schuldner verschiedener Dritter ist; auch räumt dieser Dritte dem Schuldner dadurch, dass er den Gläubigern im Falle des Ausfalls ihrer Forderungen gegen den Schuldner den Zugriff auf sein Grundstückseigentum gestattet, weder dem Schuldner noch den Gläubigern eine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an dem Grundstück ein. Dass der Gläubiger wegen seiner Forderung aus dem Versteigerungserlös befriedigt wird und er deshalb – besonders, wenn die Höhe seiner Forderung dem Wert des Grundstücks nahekommt oder diesen sogar übersteigt – ein eigenes Interesse daran hat, dass ein möglichst hoher Versteigerungserlös erzielt wird, lässt die Versteigerung noch nicht als solche „für Rechnung“ des Grundpfandrechtgläubigers erscheinen. Entscheidend ist, dass der Pfandrechtsgläubiger nur insoweit auf einen im Zwangsversteigerungsverfahren realisierten Verwertungserlös zugreifen kann, als er Forderungen gegen den Schuldner hat5.

1 Vgl. BFH v. 20.4.2016 – II R 54/14, BFH/NV 20161231; v. 24.4.2013 – II R 32/11, BStBl. II 2013, 962, Rz. 13 mit dem Hinw. darauf, dass Gesamthandgemeinschaften und Kapitalgesellschaften nach der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts als eigene Rechtssubjekte behandelt werden und den Gesellschaftern die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich nur ausnahmsweise zugeordnet würden (und zwar dann, wenn mind. 95 % der Anteile an der Gesellschaft in einer Hand vereinigt sind). 2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 651. 3 Vgl. BFH v. 1.3.2000 – II R 53/98, BStBl. II 2000, 357 betr. Alleingesellschafter einer GmbH, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört. 4 Vgl. BFH v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269 betr. GbR-Gesellschafter und Inhaber eines Pfandrechts am GbR-Anteil. 5 Vgl. BFH v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 254 § 1

X. Grundstücksbezogene Treuhandverhältnisse und Auftragserwerb 1. Definition des Begriffs „Treuhandverhältnis“ Bei Treuhand- und ähnlichen Verhältnissen sind das Grundstückseigentum einerseits und die 253 Verwertungsbefugnis am Grundstück andererseits verschiedenen Rechtsträgern zugeordnet1. Einen „typischen“ Treuhandvertrag gibt es – auch bürgerlich-rechtlich – nicht2. Der Inhalt der zu beurteilenden Treuhandabrede bzw. des Auftrags bzw. Geschäftsbesorgungsvertrags ist stets im Einzelfall sachverhaltsbezogen festzustellen und grunderwerbsteuerrechtlich zu würdigen3. Ein gesichertes Vorstellungsbild über „die Treuhand“ besteht nur insofern, als bei ihr der Treuhänder Träger des subjektiven Rechts (bei Sachen insbesondere des Eigentums) ist, es in dessen Innenverhältnis zu einem anderen – dem Treugeber – aber so angesehen werden soll, als sei dieser der Berechtigte4. Der Treuhänder ist Eigentümer „im Vollsinne des Wortes“. Lediglich obligatorisch (§ 137 Satz 2 BGB) ist er gehalten, von seiner Rechtsmacht nur in der vereinbarten Weise Gebrauch zu machen5. Unerheblich ist, ob im konkreten Fall ein Treuhandverhältnis öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Charakter hat6. 2. Auftragserwerb a) Grundsatz Ist im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch den Treuhänder (Auftragnehmer) von einem 254 Dritten zwischen dem Treuhänder und dem Treugeber (Auftraggeber) bereits vereinbart, dass der Treuhänder das Grundstück auf Weisung und auf Rechnung des Treugebers halten soll, ist (neben der Erfüllung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG im Verhältnis des Treuhänders zum Dritten) im Verhältnis des Treuhänders zum Treugeber § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt7. Der Treugeber erlangt mit dem treuhänderischen Erwerb des Grundstückseigentums durch den Treuhänder im Rahmen der Treuhandabsprache die Möglichkeit, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Die dem Treuhänder nach außen zustehenden Rechte (volles bürgerlich-rechtliches Eigentum an dem Grundstück) sind im Innenverhältnis, d.h. dem Treugeber gegenüber, wesentlich eingeschränkt, weil der Treuhänder mit dem Grundstück nicht nach seinem alleinigen Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen darf. Der Treuhänder ist vielmehr aufgrund der Treuhandabsprache gehalten, die Interessen des Treugebers zu wahren und dessen Weisungen auf dessen Rechnung zu befolgen. Damit erlangt 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757. 2 Vgl. Erlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, vor Anm. 1; so auch Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 199 m.w.N.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 127. 3 Vgl. z.B. FG Hamburg v. 7.6.2007 – 3 K 71/07, EFG 2008, 152: „Ob bei einem Treuhandverhältnis von einer solchen Verwertungsbefugnis ausgegangen werden kann, hängt entscheidend davon ab, wie der Treuhandvertrag ausgestaltet ist. Dabei spielt vor allem eine Rolle, auf wessen Rechnung eine mögliche Verwertung geht und wem deshalb die daraus entstehenden Erlöse und Gewinne zukommen … .“ 4 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 203 ff. 5 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 206, mit dem Hinw. darauf, dass das Eigentum an Grundstücken gem. § 925 Abs. 2 BGB nicht auflösend bedingt werden kann. 6 Vgl. BFH v. 28.9.1988 – II R 244/85, BStBl. II 1989, 157, Leitsatz: „Erwirbt ein Entwicklungsträger (§ 55 StBauFG) als Treuhänder einer Gemeinde ein Grundstück, so erhält die Gemeinde als Treugeber gleichzeitig an dem Grundstück die Verwertungsmacht i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG 1983“. Vgl. dazu Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 209 a. 7 Vgl. BFH v. 23.2.2021 – II R 22/19, BStBl. II 2021, 636. Die Vereinbarung über die Begründung eines Treuhandbzw. Auftragsverhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder unterliegt im Grundsatz keiner Beurkundungspflicht nach § 311b BGB im Hinblick auf den sich hieraus ergebenen Anspruch des Treugebers auf Eigentumsverschaffung. Denn dieser Anspruch ist kein vertraglich begründeter, sondern er ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, vgl. BFH v. 28.5.1998 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523; BGH v. 2.5.1996 – III ZR 50/95, NJW 1996, 1960, Rz. 11: Die Verpflichtung des Treuhänders, dem Treugeber das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, begründet kein Beurkundungserfordernis, wenn es sich insoweit lediglich um die Pflicht zur Herausgabe des aus Geschäftsbesorgung Erlangten gem. § 667 BGB handelt, die nicht auf dem Vertrag, sondern unmittelbar auf dem Gesetz beruht. Vgl. auch BGH v. 7.10.1994 – V ZR 102/93, BGHZ 127, 168 (170) m.w.N.; anderes gilt aber für die Begründung einer Erwerbspflicht des Auftragnehmers; vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 88. Vgl. BFH v. 8.11.2017 – IX R 25/16, BFH/NV 2018, 410.

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§ 1 Rz. 254 Erwerbsvorgänge der Treugeber eine Verwertungsbefugnis, die als steuerpflichtiger Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt1. b) Unerheblichkeit des Zeitpunkts der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs des Treugebers (Auftraggebers) 255

Die Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG entsteht nach h.M. bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch den Beauftragten, nicht erst mit dem Herausgabeverlangen2. Denn sobald der Beauftragte das Grundstück erwirbt, ist dem Auftraggeber die Möglichkeit gegeben, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

256

Dem Entstehen der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG steht es nicht entgegen, wenn der Anspruch des Treugebers, die Herausgabe des Grundstücks zu verlangen, bis zum Eintritt bestimmter Voraussetzungen ausgesetzt ist, auch wenn die Herbeiführung dieser Voraussetzungen nicht vom Willen des Treugebers abhängig sind. Für den BFH ist entscheidend, dass das grundbuchmäßig legitimierte Eigentum des Treuhänders bereits zugunsten des Treugebers entsprechend dem mit dem Erwerb verfolgten Ziel ausgehöhlt ist, d.h. der Treuhänder in Bezug auf jegliche Verfügung über das Grundstück von der Zustimmung des Treugebers abhängt. Maßgebend ist danach, dass sich aus den vertraglichen Absprachen zum Treuhandverhältnis ergibt, dass der Treuhänder seinerseits an jeder Verwertung des Grundstücks auf seine (des Eigentümers) Rechnung verhindert ist. Die Rechtsmacht, das Grundstück der Substanz und dem Werte nach zu verwerten, liegt dann allein beim Treugeber. Unerheblich ist es, wenn der Treugeber nicht berechtigt ist, vom Treuhänder jederzeit eine Verfügung über das Grundstück zu verlangen, das den Wünschen des Treugebers entspricht. Denn für die Verwertungsbefugnis genügt es nach BFH, dass dem Eigentümer im Verhältnis zum Treugeber selbst die Rechtsmacht, über das Grundstück frei zu verfügen, fehlt3. Unerheblich für das Entstehen der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG ist es auch, wenn der Treugeber erst nach Fertigstellung der Bebauung des vom Treuhänder als unbebautes Grundstück erworbenen Grundstücks berechtigt ist, das Treuhandverhältnis zu kündigen und vom Treuhänder eine Verfügung über das Grundstück zu verlangen4. c) Gegenleistung für den Erwerb der Verwertungsbefugnis beim Auftragserwerb

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Hinsichtlich des Erwerbs der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG durch den Auftraggeber gehören zur Gegenleistung alle Leistungen, die dem Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bzw. dem Geschäftsbesorger nach § 670 BGB (ggf. i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) aus der Ausführung des Grundstücksbeschaffungsauftrags obliegen5.

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 7.7.1976 – II R 151/67, BStBl. II 1977, 12; v. 23.2.2021 – II R 22/19, BStBl. II 2021, 636. Vgl. BFH v. 24.11.1970 – II 76/65, BStBl. II 1971, 309. Vgl. BFH v. 17.9.1986 – II R 105/85, BFH/NV 1987, 808. Vgl. BFH v. 28.5.1988 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523 betr. Treuhandverhältnis über ein Erbbaurecht, wonach, wenn der Treuhandvertrag auf die Bebauung des Grundstücks auf Grundlage des Erbbaurechts gerichtet ist, die Verwertungsbefugnis am bebauten Grundstück (Erbbaurecht) verschafft werden soll, so dass bei der Ermittlung der Gegenleistung auch die vom Erwerber zu zahlenden Baukosten zu erfassen sind. Vgl. Rz. 298. 5 Vgl. Tz. 3.1 des gleichlautenden Ländererlasses v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757: „Solche Leistungen sind die Erstattung des Erwerbspreises und der Erwerbskosten (z.B. Grunderwerbsteuer). Beim entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 Abs. 1 BGB gehört auch das vom Geschäftsherrn zu zahlende Entgelt zur Gegenleistung. Nicht in die Gegenleistung einzubeziehen sind jedoch Aufwendungen, die Folge weiterer Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber bzw. dem Geschäftsherrn und dem Auftragnehmer bzw. dem Geschäftsbesorger sind (z.B. Kosten der sich an den Erwerb anschließenden Verwaltung des Grundstücks, für sachliche Verbesserungen u.Ä.)“. Nach BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206 gehören beim Erwerb der Verwertungsbefugnis zur Gegenleistung i.S.v. § 8 Abs. 1 GrEStG „alle Leistungen, die der Berechtigte aufwendet, um die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu erlangen. Aufwendungen, die dem Auftragnehmer nicht durch den Erwerb als solchen entstehen, sondern Folge weiterer Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind (z.B. Finanzierungs- und Verwaltungskosten), gehören nicht zur Gegenleistung“.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 261 § 1

d) Mehrfacher Erwerb der Verwertungsbefugnis in einer Auftragskette Handelt der Auftraggeber gleichzeitig als Beauftragter eines Dritten, so steht dem Dritten gegen sei- 258 nen Beauftragten wiederum der Anspruch auf Herausgabe des durch diesen Erlangten zu. Nach h.M. soll unter den Parteien des zweiten Auftragsverhältnisses gleichzeitig wiederum der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt und diese mehrfache Tatbestandsverwirklichung zwangsläufige Folge der Auftragskette sein1. Auftraggeber

Intermediär

Auftragnehmer D

Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Auftraggeber: § 1 Abs. 2 GrEStG?

Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Intermediär: § 1 Abs. 2 GrEStG?

Erwerb des Auftragnehmers löst GrESt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus.

Der Erwerb der Verwertungsbefugnis setzt nach § 1 Abs. 2 GrEStG voraus, dass der Erwerber die Möglichkeit erhält, „ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten“. Zwar ist eine Befugnis zur Verwertung des Grundstücks „auf eigene Rechnung“ bei entsprechendem zeitlichem Ablauf im Ergebnis nur beim letzten Auftraggeber feststellbar. Der Intermediär hätte jeglichen Erlös aus der Verwertung des Grundstücks an seinen Auftraggeber herauszugeben. Dennoch entsteht Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG entsprechend der h.M. in beiden Auftragsverhältnissen. Jede Rechtsbeziehung ist für sich zu würdigen. Außerdem hat der Auftragnehmer in der Regel keine Kenntnis, ob sein Auftraggeber auf eigene oder auf fremde Rechnung handelt.

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e) Rettungserwerb durch Verwertungsgesellschaften von Kreditinstituten Der BFH stellt an die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Auftrags zum Grundstückserwerb hohe Anforderungen. Soll sich die Rechtsmacht i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG, das inländische Grundstück eines anderen auf eigene Rechnung zu verwerten, aus einem Auftragsverhältnis ergeben, muss nach BFH der Abschluss eines derartigen Vertrags festgestellt sein2. Dazu reiche die Feststellung gesellschaftsrechtlicher, wirtschaftlicher oder personeller Verflechtungen nicht aus. Die Feststellungslast obliegt der Finanzverwaltung.

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Zu beurteilen hatte der BFH in zwei Rechtszügen den Fall der Ersteigerung eines Grundstücks durch 261 die Verwertungsgesellschaft eines Kreditinstituts. Weil die in Versteigerungsterminen abgegebenen Gebote häufig erheblich unter den wirklichen Grundstückswerten bleiben, sorgen Kreditinstitute – um das Risiko, ihre Kreditsicherheiten zu verlieren und trotzdem nur einen Teil ihrer Kreditforderungen zu realisieren – häufig dafür, dass im Versteigerungstermin eine mit dem Kreditinstitut verbundene Verwertungsgesellschaft auftritt, die sich auf die Verwertung von Grundstücken spezialisiert hat. Bei der Bemessung des Gebots, das die Verwertungsgesellschaft im Versteigerungstermin abgibt, und bei der Fremdfinanzierung der Verwertungsgesellschaft durch das Kreditinstitut wird berücksichtigt, welchen Erlös die Verwertungsgesellschaft beim späteren Verkauf des Grundstücks realistischerweise erzielen kann, sowie alle Kosten, die der Verwertungsgesellschaft bei der Ersteigerung und in der Folgezeit voraussichtlich entstehen werden. Die Verwertungsgesellschaft garantiert dem Kreditinstitut für den 1 Vgl. BFH v. 26.4.1989 – II B 153/88, BFH/NV 1990, 322; Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 219; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 88; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 160. 2 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419.

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§ 1 Rz. 261 Erwerbsvorgänge Fall, dass sie das Meistgebot abgibt und den Zuschlag erhält, dass das Kreditinstitut den Betrag erhält, den ihm das Vollstreckungsgericht beim Meistgebot in Höhe der „Freigabegrenze“ aus dem Versteigerungserlös zuteilen würde1.

Bank



Vereinbarung Bank/Verwertungsgesellschaft: Überschüsse aus der Verwertung einzelner Objekte werden mit Unterdeckungen aus der Verwertung anderer Objekte verrechnet, keine Inanspruchnahme der Verwertungsgesellschaft bei negativem Saldo



BFH: Erwerb der Verwertungsbefugnis nur bei Nachweis eines konkreten Auftrags zum Grundstückserwerb, gesellschaftsrechtliche, wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen genügen nicht, Erwerbspflicht ist keine notwendige Voraussetzung für § 1 Abs. 2 GrEStG

Darlehen mit Grundschuld 100 %

Darlehen, Zahlungsgarantie der Verwertungsgesellschaft

Verwertungsgesellschaft Schuldner Meistgebot: § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG 

Erwerb der Verwertungsbefugnis (§1 Abs. 2 GrEStG) durch die Bank?

262

Die Verwertungsgesellschaft hat die vom Kreditinstitut ausgereichten Darlehen samt Zinsen zurückzubezahlen. Dies soll aus den Einnahmen geschehen, die beim Weiterverkauf und bei einer etwaigen zwischenzeitlichen Vermietung erzielt werden. Bei manchen Objekten werden die Einnahmen nach Abzug der Kreditkosten und der sonstigen Aufwendungen zu einem Überschuss führen. Bei anderen Objekten kann es zu einer Unterdeckung kommen. Nach der Vereinbarung zwischen dem Kreditinstitut und der Verwertungsgesellschaft werden Überschüsse aus der Verwertung einzelner Objekte mit Unterdeckungen aus der Verwertung anderer Objekte verrechnet. Sollte sich ein negativer Saldo bilden, so wird das Kreditinstitut insoweit von einer Inanspruchnahme der Verwertungsgesellschaft absehen.

263

Zunächst löst das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG Grunderwerbsteuer aus. Nach früherer Verwaltungsansicht waren in derartigen Fällen zudem die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt, so dass also auch das Kreditinstitut zur Grunderwerbsteuer herangezogen wurde2. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen, personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Kreditinstitut und Verwertungsgesellschaft schloss die Finanzverwaltung auf ein Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis3. Diese Wertung wies der BFH zurück4. Dem BFH ist zuzustimmen, weil in dem Sachverhalt nicht erkennbar ist, weshalb die Bank die Rechtsmacht erhalten haben soll, das von der Verwertungsgesellschaft ersteigerte Grundstück herauszuverlangen oder auf ihre Rechnung verwerten zu lassen5.

1 Die „Freigabegrenze“ bestimmt das Kreditinstitut durch Kalkulation des seines Erachtens angemessenen Gegenwerts, den das Kreditinstitut für die Aufgabe der Grundschuld zu erzielen erstrebt; vgl. Philipowski, DStR 2008, 1413. 2 Vgl. Senator für Finanzen Bremen v. 28.12.1994, DStR 1995, 140. 3 Vgl. FinMin. Bad.-Württ. v. 12.1.1995, BB 1995, 295. 4 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419. Ausführlich dazu vgl. Philipowski, DStR 2008, 1413. 5 Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 89.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 266 § 1

3. Vereinbarungstreuhand Vereinbaren der Treuhänder und der Treugeber erst nach Erwerb des Grundstückseigentums durch 264 den (zunächst nicht als solcher handelnden) Treuhänder, dass der Treuhänder das Grundstück nach den Weisungen und auf Rechnung des Treugebers halten soll, erwächst dem Treugeber mit dem Abschluss dieser Vereinbarung der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 667 BGB und damit eine Rechtsstellung, die es ihm i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten1. Ergibt sich der Herausgabeanspruch bereits aus dem (notariell beurkundeten) Vertrag, ist allerdings nicht § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt2. Die Auflösung bzw. Aufhebung dieser Vereinbarung löst ebenfalls Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG aus; in Betracht kommt die Antragstellung nach § 16 GrEStG, wenn die Anzeige in Erfüllung von § 16 Abs. 5 GrEStG fristgerecht und in allen Teilen vollständig erfolgt ist3. 4. Veräußerung des Grundstücks durch den Treuhänder an einen Dritten Veräußert der Treuhänder das treuhänderisch erworbene Grundstück auf Weisung des Treugebers an einen Dritten, so unterliegt die mit der (nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) der Steuer unterliegenden Weiterveräußerung eintretende Auflösung des Treuhandverhältnisses nicht der Grunderwerbsteuer. Dass diese Veräußerung auf Weisung des Treugebers erfolgt, bedeutet lediglich, dass sich die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht. Der Treugeber verliert mit der entsprechend seiner Weisung vorgenommenen Weiterveräußerung seine Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG; mit der Veräußerung erlangt der Treugeber jedoch keinen bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG4.

265

5. Begründung einer sog. eigennützigen oder sog. uneigennützigen Treuhand durch Übertragung durch den bisherigen Eigentümer/Treugeber Überträgt ein sein Grundstück bisher auf eigene Rechnung haltender Treugeber dieses Grundstück 266 auf einen Treuhänder, liegt ein Rechtsträgerwechsel vor, der entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (so im Falle der eigennützigen Treuhand, bei der der Treuhänder einen Rechtsanspruch auf Übereignung des Grundstückseigentums erlangt) oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG (so bei der uneigennützigen Treuhand5, bei der der Treuhänder nicht berechtigt, sondern nur verpflichtet ist, das Grundstückseigentum zu übernehmen)6 der Grunderwerbsteuer unterliegt7. Im Fall der uneigennützigen Treuhand entsteht mit der Übereignung des Grundstücks vom Treugeber an den Treuhänder für ersteren ein unbedingter Anspruch aus § 667 BGB auf Rückübereignung. Weil dieser Rückübereignungsanspruch die Übereignung lediglich „kompensiere“, die im obligatorischen Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder nur als eine Art der „Verwahrung“ des Eigentums verstanden werden soll, der Treugeber mit Begründung des Rückauflassungsanspruchs also einen Teil der Herrschaft über das 1 Vgl. BFH v. 17.9.1986 – II R 105/85, BFH/NV 1987, 808, Rz. 12; v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152. 2 So auch Hess. FG, Gerichtsbescheid v. 12.11.2020 – 5 K 2582/11, EFG 2021, 477, auch mit dem Hinweis, dass sich die vertragliche Vereinbarung, wonach der Treuhänder unverzüglich nach einem schriftlichen Herausgabeverlangen alle noch zur dinglichen Übertragung und Herausgabe nötigen Erklärungen in gebotener Form abzugeben habe, nicht als eine aufschiebende Bedingung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG darstelle; Rev. anhängig beim BFH unter Az. II R 40/20. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 2.2.1 mit dem Hinw. darauf § 3 Nr. 8 GrEStG nur den Rückerwerb durch den Treugeber begünstigt. M.E. ist § 3 Nr. 8 GrEStG entsprechend anzuwenden. 4 Vgl. BFH v. 7.7.1976 – II R 151/67, BStBl. II 1977, 12. 5 Im Falle der uneigennützigen Treuhand wird die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ausgelöste Steuer gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nach dem sog. Grundstückswert bemessen. 6 Vgl. Beispiele bei Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 310: Treuhänderische Übertragung eines Handelsgeschäfts auf den Testamentsvollstrecker durch den Erben; Liquidationstreuhand; eine GmbH erwirbt Grundbesitz als Treuhänderin einer unselbständigen Stiftung. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 138 f. 7 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 1.1.

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§ 1 Rz. 266 Erwerbsvorgänge Grundstück (i.S.d. grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechungsformen) „behält“, unterliegt das Entstehen dieses Rückübereignungsanspruchs des Treugebers nach h.M. nicht der Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG1. Erst bei Rückübereignung des Grundstücks unterliegt die Auflassung vom (eigennützigen wie uneigennützigen) Treuhänder an den Treugeber der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, und zwar ohne Gegenleistung. Dieser Rechtsvorgang ist – sofern nicht § 16 Abs. 2 GrEStG eingreift – nach § 3 Nr. 8 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die Steuer, die wegen der Grundstücksübereignung auf den Treuhänder angefallen war, entrichtet worden ist2. 267

Übereignet ein Grundstückseigentümer (und späterer Treugeber) sein Grundstück aufgrund eines Treuhandvertrags auf den Treuhänder, verschafft dieser dem Treugeber nicht die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG. Vielmehr verbleibt die Verwertungsbefugnis des Treugebers aufgrund des Treuhandvertrags von vornherein bei diesem. Veranlasst der einzige Kommanditist einer GmbH und Co. KG, der zugleich der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, die KG dazu, ein dieser gehörendes Grundstück ohne Gegenleistung zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung aus einem als Treugeber abgeschlossenen Treuhandvertrag auf den Treuhänder zu übertragen, begründet der Treuhandvertrag keine Verwertungsbefugnis des Kommanditisten i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG3. Die Grundstücksübertragung durch die KG direkt auf den Treuhänder stellt einen Fall des abgekürzten Leistungswegs dar4. Zivilrechtlich liegt eine Entnahme des Grundstücks aus dem Gesellschaftsvermögen durch den Kommanditisten vor, die bei Wahrung der vorgelagerten Fünf-Jahres-Mindesthaltefrist i.S.v. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Der Kommanditist behält die Verwertungsbefugnis im Rahmen der Grundstücksübertragung auf den Treuhänder zurück5. Indem der Kommanditist die KG zu der Grundstücksübereignung ohne Gegenleistung veranlasst, verwendet er die Grundstücke, um damit im Verhältnis zum Treuhänder teilweise seine aus dem Sicherungs-Treuhandvertrag folgende Verpflichtung zur Übertragung von Vermögensgegenständen auf den Treuhänder zu erfüllen. Der Treuhänder erhält die Grundstücke zwar sachenrechtlich von der KG, schuldrechtlich aber aufgrund des Sicherungs-Treuhandvertrags vom zu 100 % an der KG beteiligten Kommanditisten als Leistendem. Dabei behält der Kommanditist die Rechtsposition zurück, die ihm an den Grundstücken aufgrund des Sicherungs-Treuhandvertrags zustand. Ob in dem konkreten Fall diese Rechtsposition eine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG begründete, ließ der BFH dahingestellt. Er hob den gegenüber dem Kommanditisten erlassenen GrESt.-Bescheid, den das FA damit begründet hatte, dass die KG dem Kommanditisten mit Abschluss des Treuhandvertrags die Verwertungsbefugnis an den Gesellschaftsgrundstücken eingeräumt habe, ersatzlos auf 6. Der Zurückbehalt einer Verwertungsbefugnis setzt voraus, dass das Grundstück auf Rechnung des Treugebers auf den Treuhänder übertragen wird. Erwirbt der Treuhänder das Grundstück von einem vom Treugeber verschiedenen Rechtsträger, erwirbt der Treugeber, wenn im Grundstücksübertragungsvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist, dass der andere Rechtsträger das Grundstück auf Rechnung des Treugebers auf den Treuhänder überträgt, die Verwertungsbe-

1 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 144; Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 211. Unverständlich ist, dass beim treuhänderischen Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung – anders als bei Grundstücken – bereits die Begründung des Übertragungsanspruchs i.S.v. § 667 BGB gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen soll; vgl. dazu unten Rz. 593 f. 2 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 212, mit dem Hinw. darauf, dass das Treuhandeigentum ohne diese Bestimmung für das Grunderwerbsteuerrecht ohne jede Besonderheit wäre. 3 Vgl. BFH v. 20.4.2016 – II R 54/14, BFH/NV 2016, 1231, betr. Errichtung eines der Sicherung von Pensionsanwartschaften dienenden CTA-Treuhandverhältnisses, CTA, Rz. 12. 4 Vgl. OFD Nds. v. 19.10.2016 – S 4501-128-St 262, juris: Der Treuhänder habe die Grundstücke zwar sachenrechtlich von der KG, schuldrechtlich aber aufgrund des Sicherungs-Treuhandvertrags vom Kommanditisten als Leistendem erhalten. Die rechtsgeschäftliche Übertragung von der KG auf den Treuhänder ist nach Ansicht der OFD Nds. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Die Steuer bemesse sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG nach den Werten i.S.v. §§ 151 und 157 ff. BewG, da eine Gegenleistung nicht vorhanden sei. 5 Vgl. BFH v. 20.4.2016 – II R 54/14, BFH/NV 2016, 1231, Rz. 14 mit dem Hinw. darauf, dass diese Zurückbehaltung möglich ist, weil die Grundstücksübereignung von der KG auf den Treuhänder nicht auf einer zwischen diesen bestehenden schuldrechtlichen Grundlage beruht. 6 Im Ergebnis so auch bereits in erster Instanz, FG Köln v. 18.12.2013 – 5 K 4091/08, EFG 2015, 581.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 271 § 1

fugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG vom Treuhänder. Maßgebend ist der zivilrechtlich verwirklichte Sachverhalt1. 6. Verzicht des Treugebers auf den Anspruch auf Herausgabe des das Treugut bildenden Grundstücks Verzichtet der Treugeber auf seinen Herausgabeanspruch gegenüber dem Treuhänder, kann darin die 268 Verschaffung der Verwertungsbefugnis zu sehen sein, wenn zuvor ein Treuhandverhältnis bestand, aufgrund dessen der Treugeber sich den Wert des Grundstücks jederzeit nutzbar machen konnte2. Entlässt der Treugeber den Treuhänder aus der Verpflichtung, ihm das Grundstück zurückzuübereignen, unterliegt zwar die Aufhebung der Übereignungspflicht als solche nicht der Steuer (weil ein Rechtsgeschäft, das einen Auflassungsanspruch aufhebt, keinen der Tatbestände von § 1 GrEStG verwirklicht). Wohl aber ist die Verschaffung der Verwertungsbefugnis steuerbar, wenn diese dem Treuhänder unbeschadet seiner formalen Eigentümerstellung bisher gefehlt hat3. Wenn der Treuhänder das Grundstück vom Treugeber durch Auflassung – und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG steuerbar – (zu treuen Händen) erworben hatte, kommt es nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG zur Verrechnung der Bemessungsgrundlagen. Denn in Bezug auf dasselbe Grundstück hat der Treuhänder hintereinander sowohl den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG als auch den von § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht. Die Steuer auf den Verzicht des Treugebers auf die Rückübereignung, d.h. auf den Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Treuhänder, wird nach § 8 Abs. 1 GrEStG vom Wert der Gegenleistung berechnet, wenn der bisher uneigennützige Treuhänder eine Gegenleistung erbringt4. 7. Abtretung der Treugeberrechte (Treugeber-Wechsel) Die Übertragung der Treugeberrechte auf einen neuen Treugeber (m.E. nicht schon die Verpflichtung zur Übertragung) löst Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG aus5. Mit Urteil vom 2.10.19856 entschied der BFH, dass die Übertragung der Treugeberrechte durch einen von mehreren gegenüber dem Treuhänder als Bruchteilsgemeinschaft auftretenden Treugebern auf einen Dritten als Übertragung der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.

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8. Grundstücksübereignung auf einen neuen Treuhänder (Treuhänder-Wechsel) Übereignet der Treuhänder das Grundstück im Einvernehmen mit dem Treugeber auf einen neuen Treuhänder, löst entweder die Entstehung des Übereignungsanspruchs des neuen Treuhänders nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG oder – wenn kein solcher Anspruch begründet wird – die Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Steuer aus7.

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XI. Verwertungsbefugnis an Gebäuden auf fremdem Boden 1. Gebäude, die wesentliche Grundstücksbestandteile sind Gebäude sind zivilrechtlich nicht sonderrechtsfähig, wenn sie nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sind. Weil solche Gebäude nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können, kommt im Falle ihrer Übertragung auf einen anderen Rechtsträger nur eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2 GrEStG in Betracht. Eine Eigentumsübertragung ist rechtlich nicht möglich; ein Dritter, der nicht das Eigentum am Grundstück erwirbt, kann nur die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein solches Gebäude erlangen. Hinsichtlich eines zivilrechtlich im Eigentum des Grundstückseigentümers ste1 Vgl. BFH v. 23.2.2021 – II R 22/19, juris. 2 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 32/11, BStBl. II 2013, 962. Anders beim Verzicht auf die Treugeberrechte, wenn Treugut Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft sind, vgl. Rz. 829. 3 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 32/11, BStBl. II 2013, 962 betr. sog. Bergmannssiedlungsvermögen. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 4. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 1.3.4. 6 BFH v. 2.10.1985 – II R 86/83, BStBl. II 1986, 28. 7 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 1.3.5.

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§ 1 Rz. 271 Erwerbsvorgänge henden Gebäudes kann der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG erfüllt sein, wenn dem Dritten Befugnisse an dem Gebäude (aber nicht auch am Grundstück) eingeräumt werden, die über die Befugnisse eines Mieters oder Pächters hinausgehen und ihm hinsichtlich Nutzung und Veräußerung eine dem Eigentümer nahekommende Stellung geben1. Bei Übertragung des Gebäudes auf einen Dritten kann der Tatbestand von § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein, wenn z.B. der Pächter (d.h. der Dritte) das von ihm auf dem Pachtgrundstück errichtete Gebäude wie ein Eigentümer nutzen und dessen Substanz bei Ende der Pachtzeit durch Übertragung auf den Eigentümer gegen eine Entschädigung verwerten kann2. 272

Überträgt jemand ein von ihm auf dem Grundstück eines anderen kraft Gestattung errichtetes Gebäude gegen Entgelt auf den Grundstückseigentümer, der zivilrechtlich auch Eigentümer des Gebäudes als wesentlichem Bestandteil des Grundstücks ist, verwertet er i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG den Substanzwert des grunderwerbsteuerrechtlich bisher auf fremdem Boden stehenden Gebäudes3. 2. Gebäude, die Scheinbestandteile sind

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Gebäude, die nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet sind, und Gebäude, die in Ausübung eines dinglichen Rechts (z.B. Nießbrauch, Grunddienstbarkeit) an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden sind, sind gem. § 95 BGB keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, sondern Scheinbestandteile, d.h. bewegliche Gegenstände, die Gegenstand besonderer Rechte sein können. Ein Kaufvertrag über solche Gebäude auf fremdem Boden ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG steuerbar4. Dies gilt auch für die auflösend bedingte oder unbedingte Sicherungsübereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden, das ein Scheinbestandteil i.S.v. § 95 Abs. 1 BGB5 ist. Ist die Sicherungsübereignung auflösend bedingt, wird das Gebäudeeigentum mit Erfüllung der besicherten Forderungen (d.h. mit Wegfall des Sicherungszwecks) also automatisch an den Sicherungsgeber zurückfallen, setzt die Finanzverwaltung die Steuer zwar fest, stundet sie jedoch zinslos und hebt den Grunderwerbsteuerbescheid, wenn später der Sicherungszweck tatsächlich entfällt und der Grundstückseigentümer das Gebäudeeigentum zurück erlangt, wieder auf 6. Ohne Bedeutung für die Steuerbarkeit des Verkaufs eines einen Scheinbestandteil darstellenden Gebäudes auf fremdem Boden ist es, ob dem Eigentümer des Grundstücks insoweit ein Vorkaufsrecht zusteht7.

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Erfüllt im Falle einer auflösend bedingten oder unbedingten Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden der Sicherungsgeber seine Verpflichtungen nicht und sieht der Sicherungsnehmer dennoch von einer Verwertung des Gebäudes für Rechnung des Sicherungsgebers ab und übernimmt das Gebäude vereinbarungsgemäß selbst unter Anrechnung eines Betrages in Höhe des Werts des Gebäudes, so liegt ein Erwerb des Gebäudes auf fremdem Boden durch den Sicherungsnehmer nach § 1 Abs. 2 GrEStG vor8. Die Steuer wird vom Wert der Gegenleistung berechnet, die dem Anrechnungsbetrag entspricht. Sie wird nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG jedoch nur insoweit erhoben, als sie den 1 Vgl. BFH v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796; v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2011, 2305, Rz. 4. 2 Vgl. BFH v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526; v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796; v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305; Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 241.7 (Stand 1.6.2019). 3 Vgl. BFH v. 18.9.1974 – II R 92/86, BStBl. II 1975, 245; v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526; v. 20.2.1968 – II 150/64, HFR 1986, 351. Vgl auch Kahsnitz, DStR 2018, 1585. 4 Vgl. Begründung zu § 1 GrEStG 1940, RStBl. 1940, 392, Abs. 22; BFH v. 9.4.1952 – II 250/51 U, BStBl. III 1952, 137; Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 241.6 (Stand 1.6.2019). 5 Vgl. FinMin. Bad-Württ. v. 15.5.1985 – S 4500 A – 16/83; Sächs. Staatsministerium der Finanzen v. 25.1.1993, UVR 1993, 159; BFH v. 22.10.1952 – II 67/52 U, BStBl. III 1952, 310; v. 1.2.1956 – II 162/55 S, BStBl. III 1956, 93, wonach die Grunderwerbsteuer den Rechtsverkehr besteuert und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausscheidet. Ebenso Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 240, Pahlke6, § 2 GrEStG Rz. 118 bis 121. 6 Vgl. Sächsisches Staatsministerium der Finanzen v. 25.1.1993, UVR 1993, 159, mit dem Hinw. darauf, dass auch für den Rückerwerb des sicherungsübereigneten Gebäudeeigentums keine Grunderwerbsteuer festzusetzen sei, weil der ursprüngliche Erwerb als Auswirkung der Anwendung von § 5 Abs. 2 BewG so behandelt werde, als hätte er nicht stattgefunden. Zu dieser Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung vgl. Behrens, UVR 2017, 152. 7 Vgl. BFH v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305. 8 Vgl. FinMin. Bayern v. 14.6.1985, Ziff. 3, StEK GrEStG 1983, § 1 Nr. 20; Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 794; Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 240.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 277 § 1

bei der vorausgegangenen Sicherungsübereignung der Steuerberechnung zugrunde gelegten Betrag übersteigt (vgl. Rz. 1057)1. 3. Photovoltaikanlagen Photovoltaikanlagen, die der Einspeisung der erzeugten Energie in öffentliche Energienetze zwecks 275 Lieferung an Energieversorger dienen, sind – wenn auf dem Dach aufgesetzt – Betriebsvorrichtigen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des GrEStG2. Dachintegrierte Photovoltaikanlagen3 können Gebäudebestandteil oder Außenanlage sein. Werden Photovoltaikanlagen, die der Eigenversorgung oder dem Gewerbebetrieb dienen, als Ersatz für eine ansonsten erforderliche Dacheindeckung oder als Fassadenteil (anstelle von Fassadenelementen oder Glasscheiben) eingebaut bzw. befestigt, werden sie von der FinBeh. Hamburg in entsprechender Auslegung des § 68 BewG als Gebäudebestandteil in das Grundvermögen einbezogen, so dass das hierfür gezahlte Entgelt in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei4; mithin kann sich auch eine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG auf sie erstrecken. Werden Photovoltaikanlagen auf Grundlage dinglicher Dienstbarkeiten installiert, handelt es sich gem. § 95 BGB um Scheinbestandteile und damit bewegliche Sachen, so dass die Verwirklichung von § 1 Abs. 2 GrEStG (weil kein inländisches Grundstück) ausscheidet5. Photovoltaikanlagen, die ausschließlich der Energieversorgung des betroffenen Grundstücks (Eigenbedarf) dienen, gehören als Bestandteile oder Zubehör zum Grundvermögen, so dass sich eine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG auch auf sie erstrecken kann6. 4. Gebäude, das abgebrochen werden soll Der Verkauf eines Gebäudes zum Abbruch bzw. der Kauf eines Gebäudes, das ohnehin abgebrochen werden muss, ist kein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang7.

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XII. Mit einem Gesellschaftsanteil verbundenes reales Grundstück Die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft, der mit einer besonderen Berechtigung 277 an einem der Gesellschaft gehörenden Grundstück untrennbar verknüpft ist, ist nach der Rechtsprechung des BFH gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO steuerbar8. Voraussetzung ist, dass dem Gesellschafter nach der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition eine letztlich eigentümerähnliche Dispositionsbefugnis über ein reales Grundstück oder einen realen Grundstücksteil eingeräumt ist. Dies wird für den Fall bejaht, dass der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung ohne weiteres in einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem bestimmten Grundstück „umwandeln“, d.h. einen konkreten Übereignungsanspruch begründen kann9. 1 Vgl. Sächsisches Staatsministerium der Finanzen v. 25.1.1993, UVR 1993, 159; Ropohl, DB 2005, 972 (973). 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734, Anlage 1, Stichwort „Photovoltaikanlage“. 3 Sog. Indachmontage, d.h. die an die Stelle der Dachziegel tretenden Module bilden wesentliche Gebäudebestandteile, was aber gem. § 68 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbs. BewG die Einordnung als Betriebsvorrichtung nicht ausschließt. 4 Vgl. FinBeh. Hamburg v. 8.7.2008 betr. Umfang der Gegenleistung bei Grundstücksveräußerungen mit Solarbzw. Photovoltaikanlagen, DStR 2008, 1966. 5 Vgl. auch FinMin. Sa.-Anh. v. 18.9.2008, juris, zum Umfang der Gegenleistung bei Grundstücksveräußerungen mit Solar- bzw. Photovoltaikanlagen. 6 Vgl. G/B/B/S6, Kapitel 2, S. 27, Rz. 18. 7 Vgl. BFH v. 31.5.1978 – II R 114/72, BStBl. II 1978, 532. 8 Vgl. BFH v. 10.5.1989 – II R 86/86, BStBl. II 1989, 628; v. 27.3.1991 – II R 82/87, BStBl. II 1991, 731; v. 27.2.1991 – II R 64/89, BStBl. II 1992, 680; v. 18.8.1993 – II R 51/91, BStBl. II 1993, 879; v. 2.2.1994 – II R 84/90, BFH/NV 1994, 824; v. 7.2.2001 – II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144; v. 8.10.2003 – II R 36/01, BFH/NV 2004, 366; v. 1.12.2004 – II R 23/02, BFH/NV 2005/721; v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539; v. 23.11.2011 – II R 64/09, BFH/NV 2012, 292. 9 Vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292.

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§ 1 Rz. 277 Erwerbsvorgänge Diese Voraussetzung kann nur dann erfüllt sein, wenn die auf die Begründung eines Anspruchs auf Übereignung eines bestimmten Grundstücks oder einer bestimmten Wohnungseinheit gerichteten Vereinbarungen gem. § 311b BGB notariell beurkundet worden sind1. Der Steuerbarkeit steht es nach BFH nicht entgegen, wenn die erstmalige Kündigung der Gesellschaft erst nach Ablauf eines mehrjährigen Zeitraums – in der Praxis mit Blick auf §§ 6 Abs. 4, 7 Abs. 3 GrEStG bisher i.d.R. fünf, ab 1.7.2021 grds. zehn2 Jahre – möglich ist3. In der Literatur wird dieser Ansicht schon deshalb zugestimmt, weil der Gesellschafter den Wert seines Gesellschaftsanteils auch ohne weiteres bereits vorher durch Anteilsabtretung realisieren könne4. Die den Übereignungsanspruch begründende Rechtsposition kann sich auch aus einer außergesellschaftsvertraglichen Zusage der Gesellschaft oder einer anderweitigen rechtlichen Bindung aller Gesellschafter ergeben5. Nach Ansicht von Fischer6 folgt die Steuerbarkeit in diesen Fällen aus § 1 Abs. 2 GrEStG. Dem ist zuzustimmen. Eine Anwendung von § 42 AO kommt m.E. nicht in Betracht. Weil der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung in diesen Fällen ohne weiteres in einen Grundstücksübereignungsanspruch „umwandeln“ kann, ist die Anwendung von § 42 AO auch nicht erforderlich.

XIII. Verkaufsermächtigung 1. Grundsatz a) Berechtigter muss Grundstücksveräußerung selbst herbeiführen können 278

Die Ermächtigung eines anderen zur Veräußerung eines Grundstücks auf Rechnung des anderen begründet die Verwertungsbefugnis7, wenn der Berechtigte am wirtschaftlichen Ergebnis der Verwertung des Grundstücks teilhat und er darüber hinaus auch die Verwertung selbst herbeiführen, d.h. die Veräußerung des Grundstücks verlangen oder selbst auf eigene Initiative durchführen kann8. Dass der Verwertungsberechtigte die Verwertung selbst herbeiführen kann, wird auch dann für gegeben gehalten, wenn der Grundstückseigentümer aufgrund schuldrechtlicher Bindungen gegenüber dem Berechtigten zum Grundstücksverkauf auf dessen Weisung verpflichtet ist9. Eine Befugnis des Verwertungsberechtigten zur dinglichen Verfügung über das Grundstück ist mithin für § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erforderlich10. Unschädlich ist, wenn ein Dritter als Hilfsperson des eigentlich Verwertungsberechtigten eingeschaltet ist, d.h. der über das Grundstück Dispositionsbefugte und der Verwertungsbefugte verschiedene Personen sind, vorausgesetzt, zwischen beiden besteht ein entsprechendes schuldrechtliches Auftragsverhältnis oder es (nach Ansicht des BFH) handelt sich um miteinander verflochtene, einer einheitlichen Willensbildung unterliegende Rechtsträger11. b) Grundstücksveräußerung muss tatsächlich erfolgen

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Weitere Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG ist über die Erfüllung dieser beiden Merkmale hinaus, dass das Grundstück in Ausübung der Verkaufsermächtigung 1 Vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292; a.A. Potsch, NZG 2012, 176 mit Hinw. auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft. 2 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 3 und Nr. 5. 3 Vgl. BFH v. 2.2.1994 – II R 84/90, BFH/NV 1994, 824. 4 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 66; zu in absehbarer Zeit entfallendem Verwertungshindernis vgl. BFH v. 26.8.1992 – II R 100/89, BFH/NV 1993, 563. 5 Vgl. BFH v. 7.2.2001 – II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144. 6 Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 777. 7 Vgl. BFH v. 2.12.1971 – II 136/65, BStBl. II 1972, 495; v. 19.6.1975 – II R 86/67, BStBl. II 1976, 27; v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158; v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269. Der BFH bezeichnet den Fall der Ermächtigung eines anderen zum Verkauf der Grundstücke auf dessen Rechnung als stärkste Form der Verwertungsbefugnis. 8 Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491. 9 Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491. 10 Vgl. BFH v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52; v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491; v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556. 11 Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 282 § 1

auch tatsächlich verkauft wird1. Dem ist aufgrund des Wertungszusammenhangs mit § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, wonach Steuer auf das Zwischengeschäft nur ausgelöst wird, wenn die Rechte aus dem Kaufangebot abgetreten werden und dann das Kaufangebot vom Abtretungsempfänger auch tatsächlich angenommen wird2, zuzustimmen. § 1 Abs. 2 GrEStG setzt insoweit nicht zusätzlich die Einräumung von Besitz- und Benutzungsbefugnissen am Grundstück voraus3. c) Teilhabe des Berechtigten am Veräußerungserlös Eine Teilhabe am wirtschaftlichen Ergebnis der Verwertung des Grundstücks liegt nur vor, wenn der zum Verkauf Ermächtigte quasi als Zwischenerwerber einen Mehrerlös nicht an den Eigentümer abzuführen braucht, sondern für sich behalten darf 4. Dass Dritte, z.B. stille Gesellschafter oder Grundpfandgläubiger, am Erlös beteiligt sind, schließt die Verwertung des Grundstücks auf eigene Rechnung des zum Verkauf Ermächtigten nicht aus5. Eine Verkaufsermächtigung i.S.v. § 185 Abs. 2 BGB ist nicht erforderlich.

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d) Zivilrechtliche Wirksamkeit der Ermächtigung Diese Vereinbarungen beinhalten die Bindung des Eigentümers zur Grundstücksveräußerung und 281 sind daher gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtig. Nach der BFH-Rechtsprechung ist, wenn die Vereinbarungen nicht notariell beurkundet werden, § 1 Abs. 2 GrEStG dennoch erfüllt, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis der Vereinbarung eintreten und bestehen lassen6. M.E. ist dem nicht zuzustimmen, weil der „Berechtigte“ dann keine Rechtsmacht hat, was nach dem Gesetzeswortlaut für die Entstehung von Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG jedoch erforderlich ist. Dafür spricht auch der Wertungszusammenhang mit dem Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG, für dessen Erfüllung ebenfalls verlangt wird, dass ein rechtswirksames, der Form des § 311b BGB genügendes Kaufangebot von Seiten des Verkäufers vorliegt7. e) Atypischer Maklervertrag Wird dem Vermittler schuldrechtlich und durch Bevollmächtigung die Möglichkeit eingeräumt, das 282 ihm zivilrechtlich nicht als Eigentümer gehörende Grundstück auf eigene Rechnung zu verkaufen, ist dem atypischen Makler, wenn er von dieser Berechtigung und Vollmacht Gebrauch macht, die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt worden8. Dies gilt auch bei befristeter Vollmacht. Bei vertraglicher Verpflichtung des Grundstückeigentümers gegenüber dem Makler gilt dies auch ohne seine Bevollmächtigung9. Von der Vollmacht bzw. Berechtigung muss tatsächlich Gebrauch gemacht werden10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491. Vgl. BFH v. 6.9.1998 – II R 135/86, BStBl. II 1998, 984. Vgl. BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158; v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269. Vgl. BFH v. 3.12.1968 – II B 39/68, BStBl. II 1969, 170; v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 958; v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491; v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269. Vgl. BFH v. 2.7.1975 – II R 49/74, BStBl. II 1975, 863; v. 8.11.2000 – II R 55/98, BStBl. II 2001, 419 betr. Erlösbeteiligung eines Grundpfandgläubigers bei sog. erweitertem Auftragserwerb im Zwangsversteigerungsverfahren. Vgl. § 41 Abs. 1 AO; BFH v. 10.11.1976 – II R 95/71, BStBl. II 1977, 166; v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556. Vgl. BFH v. 5.7.2006 – II R 7/05, BStBl. II 2006, 765. Vgl. BFH v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52. Vgl. BFH v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52; v. 18.12.1985 – II R 180/83, BStBl. II 1986, 417 betr. befristete Vollmacht. Vgl. BFH v. 18.12.1985 – II R 180/83, BStBl. II 1986, 417: Die (befristete) Vollmacht schafft nur die Chance zur Substanzbeteiligung, § 1 Abs. 2 wird erst durch den Abschluss des Kaufvertrags verwirklicht.

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§ 1 Rz. 283 Erwerbsvorgänge 283

Maklerverträge, die eine ungewöhnlich hohe Provision zugunsten des Maklers vorsehen, verschaffen dem Makler m.E. dennoch keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG, denn eine Verwertung des Grundstücks unmittelbar auf eigene Rechnung ist dem Makler nicht möglich. Vielmehr erfolgt die Verwertung des Grundstücks auf Rechnung des Auftraggebers, der mit dem Veräußerungserlös den ungewöhnlich hohen Provisionsanspruch des Maklers erfüllen muss. In der Praxis besteht bei ungewöhnlich hohen Provisionen das Risiko, dass das Finanzamt ggf. von einer faktischen Erlösbeteiligung des Maklers ausgehen könnte. M.E. sind jedoch die vertraglichen Regelungen ausschlaggebend. Das heißt, jeglicher Anspruch auf Provision stellt keine unmittelbare Beteiligung am Veräußerungserlös dar und schließt daher eine Verwertung auf eigene Rechnung des Maklers aus.

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Werden im Zusammenhang mit dem Abschluss des Maklervertrags weitere Absprachen getroffen, die dem Makler im Falle der erfolgreichen Vermittlung eines Grundstückskäufers Folgeaufträge sichern, wird dem Makler keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft, denn es fehlt an einer Verwertung des Grundstücks unmittelbar auf eigene Rechnung. Derartige weitere Absprachen, die dem Makler bzw. Vermittler die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen ermöglichen, haben (je nach Fallgestaltung) Bedeutung für eine etwaige Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7 GrEStG1. 2. Bevollmächtigung zur Grundstücksveräußerung

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Statt einer Ermächtigung kann auch eine wirksame Bevollmächtigung § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklichen. Auch im Falle einer unbeschränkten Vollmacht zum Verkauf eines Grundstücks ist § 1 Abs. 2 GrEStG allerdings nicht erfüllt, wenn der Verkaufserlös vollständig dem die Vollmacht gebenden Grundstückseigentümer zusteht, d.h. der Bevollmächtigte am Verkaufserlös nicht beteiligt ist, d.h. ihm z.B. kein bestimmter erzielter Mehrerlös zustehen soll2. Soll dem Bevollmächtigten jedoch ein bestimmter Mehrerlös zufließen, ist die Vollmacht Grundlage für die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG, ohne dass es darauf ankommt, ob die Vollmacht widerruflich oder unwiderruflich ist3. Der Anfall von Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG setzt auch im Falle der Vollmacht zur Veräußerung voraus, dass das Grundstück in Ausübung der Vollmacht tatsächlich verkauft wird.

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Allgemeine Vorsorgevollmachten, die u.a. auch zum Verkauf eines Grundstücks, zur Festlegung des Kaufpreises und zur Vereinnahmung des Erlöses berechtigen, können zur Verschaffung der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG führen, wenn der Bevollmächtigte von dieser Vollmacht tatsächlich Gebrauch macht. 3. Einwilligung des Eigentümers nach § 185 Abs. 1 BGB

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Die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG kann auch durch Einwilligung des Eigentümers nach § 185 Abs. 1 BGB zur Grundstücksveräußerung verschafft werden4. 4. Mittelbare Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstücks

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Eine für § 1 Abs. 2 GrEStG ausreichende Verkaufsermächtigung im weiteren Sinne kann nach Ansicht des BFH auch durch einen Vertrag eingeräumt werden, der für den Eigentümer des Grundstücks bestimmte Nachteile (z.B. Vertragsstrafe) für den Fall vorsieht, dass er in die Veräußerung des Grundstücks durch den Vertragspartner nicht einwilligt, vorausgesetzt, der andere ist am Verkaufserlös beteiligt5.

1 Zur Abgrenzung von § 1 Abs. 2 zu § 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7 Var. 2 GrEStG vgl. z.B. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 254 mit dem Hinweis, dass bei atypischen Maklerverträgen § 1 Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7 GrEStG häufig gleichzeitig erfüllt sein werden; BFH v. 29.7.2000 – II R 2/08, BFH/NV 2009, 1833. Vgl. auch Rz. 198. 2 Vgl. BFH v. 17.2.1960 – II 53/58 U, BStBl. III 1960, 254. 3 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – II B 118/92, BFH/NV 1994, 123. 4 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 250. 5 Vgl. BFH v. 2.7.1975 – II R 49/74, BStBl. II 1975, 863.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 290 § 1

XIV. Von einer KVG verwaltetes Immobilien-Sondervermögen 1. Mögliche Eigentumsverhältnisse bei Immobilien-Sondervermögen Beim Sondervermögen i.S.v. § 92 KAGB handelt es sich um ein Investmentvermögen in Vertragsform1, das keine Rechtsperson ist und daher keine Rechtsfähigkeit hat2. Sondervermögen i.S.v. § 92 KAGB können daher weder Eigentümer von Immobilien und sonstiger Vermögensgegenstände noch Rechtsinhaber von Anteilen an Gesellschaften sein, zu deren Vermögen Immobilien gehören. Grundsätzlich können die zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Vertragsbedingungen entweder im Eigentum der KVG3 (Kapitalverwaltungsgesellschaft) oder im Miteigentum der Anleger (Anteilsscheininhaber)4 stehen5. Eine Ausnahme gilt für Immobilien-Sondervermögen: Gemäß § 245 KAGB6 können die zu einem Immobilien-Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände grundsätzlich nur im Eigentum der externen KVG7 stehen. Diese Variante wird als sog. Treuhandlösung bezeichnet, obwohl die KVG keinen Weisungen unterworfen ist8; allerdings verwaltet sie die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände auf Rechnung der Anteilsscheininhaber (d.h. der Anleger).

289

2. Sog. Treuhandlösung: Keine Verwertungsbefugnis der Anteilsscheininhaber an den im Eigentum der KVG stehenden Grundstücken Die Vermögensgegenstände (hier: inländische Grundstücke) stehen im Eigentum der KVG. Die Anteilsscheininhaber sind auf schuldrechtliche Ansprüche gegenüber der KVG beschränkt. Eine grunderwerbsteuerliche Zuordnung der Grundstücke zu den Anteilsscheininhabern kommt nicht in Betracht, es sei denn, die vertraglichen Vereinbarungen beinhalten ausnahmsweise Grundstücksübereignungsansprüche zugunsten der Anteilsscheininhaber, auf deren Grundlage die Anteilsscheininhaber die Herausgabe der Grundstücke fordern könnten. Von diesem Ausnahmefall abgesehen haben die Anteilsscheininhaber keine Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an den zum Sonderver1 Gemäß § 1 Abs. 10 KAGB sind Sondervermögen inländische Investmentvermögen in Vertragsform, die von einer Verwaltungsgesellschaft i.S.v. § 17 KAGB für Rechnung der Anleger nach Maßgabe des KAGB und den Anlagebedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Verwaltungsgesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet werden. 2 Vgl. Moroni in Moritz/Klebeck/Jesch, Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Bd. 1, 2016, § 92 KAGB Rz. 1; Nietsch in Emde/Dornseifer/Dreibus2, § 92 KAGB Rz. 8. 3 Sog. Treuhand-Lösung, die aber mit den in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 ff. und 761 ff. geregelten Treuhand-Konstellationen nichts zu tun hat. 4 Sog. Miteigentums-Lösung. Bei Ein-Anleger-Spezialfonds handelt es sich im Ergebnis um eine „Alleineigentums-Lösung“. Bei zwei oder mehr Anlegern entsteht nach h.M. eine Bruchteilsgemeinschaft eigener Art; vgl. Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl. 1997, § 6 Rz. 12; Baur/Tappen/Lichtenstein, Investmentgesetze, Bd. 2, 4. Aufl. 2019, § 92 KAGB Rz. 17 ff.; Nietsch in Emde/Dornseifer/Dreibus, KAGB, 2. Aufl. 2019, § 92 KAGB Rz. 13. Das KAGB enthält einige Abweichungen von den Regelungen des BGB zur Bruchteilsgemeinschaft. Z.B. können die Anleger abweichend von § 747 Satz 1 BGB nicht über ihren Miteigentumsanteil an den einzelnen zum Sondervermögen gehörenden Vermögenswerten verfügen. 5 Vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 KAGB, seit 1.1.2004 bis 21.7.2013: § 30 Abs. 1 Satz 1 InvG. Stadlter/Mager/Mayer, BB 2021, 408 (410 f.) weisen darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen Treuhand- und Miteigentumslösung bei deutschen Sondermögen historisch begründet sei, weil früher nicht abschließend geklärt gewesen sei, ob Anlegern bei der Treuhandlösung ein Aussonderungsrecht für den Fall des Konkurses (Insolvenz) der KVG zustand; unter Hinw. auf Moroni in Moritz/Klebeck/Jesch, Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Bd. 1, 2016, § 92 KAGB Rz. 14; Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Stand: Erg.-Lfg. 2/2018, § 92 KAGB Rz. 65; Lichtenstein in Baur/Tappen/Mehrkhah, Investmentgesetze, 4. Aufl. 2019, § 92 KAGB Rz. 14. Beim Miteigentumslösungs-Sondervermögen steht den Anlegern aufgrund ihrer Eigentümerstellung ein Aussonderungsrecht und auch ein Drittwiderspruchsrecht. 6 Bis 21.7.2013: § 75 InvG, davor § 30 KAGG. 7 Der Geschäftsbereich von KVGs ist darauf gerichtet, Sondervermögen zu verwalten (grds. Portfolio- und Risikomanagement); vgl. § 17 KAGB, früher § 6 Abs. 1 Satz 1 InvG. Externe KVGs dürfen gem. § 18 Abs. 1 KAGB in der Rechtsform der AG oder der GmbH oder auch in der Rechtsform der KG, bei der persönlich haftender Gesellschafter ausschließlich eine GmbH ist, betrieben werden. 8 Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 2 KAGB ist die KVG verpflichtet, im besten Interesse der von ihr verwalteten Investmentvermögen oder der Anleger dieser Investmentvermögen und der Integrität des Marktes zu handeln.

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290

§ 1 Rz. 290 Erwerbsvorgänge mögen gehörenden Grundstücken, weil sie weder zum Besitz1 noch zur Nutzung der Grundstücke befugt sind und insbesondere nicht über die Grundstücke betreffende Dispositionen entscheiden können2. Überträgt der Anteilsinhaber seine Anteilsscheine an dem Sondervermögen auf einen anderen Anleger, kommt es weder zu einem Übergang eines Anspruchs auf Übereignung der Grundstücke gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 6 GrEStG noch zu einer Übertragung der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG. Der Erwerb von Grundstücken für ein offenes Sondervermögen setzt grundsätzlich voraus, dass die KVG das Grundstück zu Eigentum erwirbt, und zwar auch dann, wenn Veräußerer des Grundstücks ein Anteilsscheininhaber des betreffenden Sondervermögens ist. Sog. Unit Deals, d.h. die Abtretung und der Erwerb von Investmentanteilen an einem nach der sog. Treuhandlösung strukturierten Sondervermögen, unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer3. Ebenso wenig lösen die Ausgabe und die Rücknahmen von Investmentanteilen an einem sog. Treuhandlösung-Sondervermögen, für das die KVG Grundstücke oder Anteile an Immobiliengesellschaften hält, Grunderwerbsteuer aus. Auch die Umbuchung der Vermögensgegenstände von einem bestehenden Treuhandlösungs-Sondervermögen in ein von derselben KVG für andere Anleger neu aufgelegtes Treuhandlösungs-Sondervermögen oder in ein von derselben KVG bereits für andere Anleger verwaltetes Treuhandlösungs-Sondervermögen löst keine Grunderwerbsteuer aus, auch wenn das neu aufgelegte Sondervermögen durch den oder die neuen Anleger mit Liquidität ausgestattet wird, mit der die Grundstücke bzw. Gesellschaftsanteile aus dem bisher diese Vermögensgegenstände haltenden Sondervermögen für das neu aufgelegte oder andere Sondervermögen „gekauft“ wird. Weil diese Vorgänge allesamt innerhalb desselben Rechtsträgers, d.h. der die Treuhandlösungs-Sondervermögen verwaltenden KVG erfolgen, sind sie allesamt grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung4. Das GrEStÄndG vom 12.5.20215 hat an dieser Rechtslage nichts geändert, weil die Erwerbstatbestände des GrEStG nicht grundlegend verändert worden sind6. 3. Sog. Miteigentumslösung: Keine Verwertungsbefugnis der KVG an den im Eigentum der Anteilinhaber stehenden Grundstücken 291

Seit dem 1.1.2008 kann gem. § 284 Abs. 2 KAGB7 bei Spezial-Sondervermögen unter bestimmten Voraussetzungen u.a. von § 245 KAGB8 abgewichen und vereinbart werden, dass die Gegenstände des Spezial-Sondervermögens im (Mit-)Eigentum des bzw. der Spezialfonds-Anleger stehen (sog. Miteigentumslösung). Danach ist die Vereinbarung der Miteigentumslösung zulässig, wenn 1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 150. Der BFH verzichtet lediglich in den Fällen von Treuhandeigentum und der sog. Verkaufsermächtigung auf den Besitz als Voraussetzung der Verwertungsbefugnis; vgl. BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. II 1984, 158. 2 Vgl. G/B/B/S6, Kap. 14, S. 549, Rz. 21 f.; Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408 (410); Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202 (204), auch mit dem Hinweis, dass ebensowenig eine Zurechnung zur Verwahrstelle in Betracht kommt; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Sondervermögen aufgrund der Abwicklung auf die Verwahrstelle übergegangen ist, vgl. § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB, wonach, wenn das Recht der KVG zur Verwaltung des Sondervermögens erlischt, das Sondervermögen auf die Verwahrstelle übergeht, wenn das Sondervermögen im Eigentum der KVG steht. Unter bestimmten engen Voraussetzungen sind Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 GrEStG, die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle gem. § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB ergeben, von der Grunderwerbsteuer befreit. 3 Vgl. Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202 (204); vgl. auch die Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“ v. 4.10.2019, WD 4 – 3000 – 117/19, S. 5: „Beim Anlegerwechsel im Falle der Treuhandlösung fällt grds. keine Grunderwerbsteuer an, weil die Immobilie unverändert im Eigentum der KVG verbleibt“. 4 Zu diesem sog. Umbuchungsmodell vgl. z.B. Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202 (205 f.), auch mit dem Hinweis, dass solche grunderwerbsteuerneutralen Umbuchungen auch zwischen Teilsondervermögen desselben Sondervermögens, von einem Teilsondervermögen eines Sondervermögens in das Teilsondervermögen eines anderen Sondervermögens oder zwischen Teilsondervermögen und Sondervermögen derselben KVG möglich sind. 5 Vgl. BGBl. I 2021, 986. 6 Vgl. auch die Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des deutschen Bundestags „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“ v. 4.10.2019, S. 6. 7 Bis 21.7.2013: § 91 Abs. 3 InvG. 8 Bis 21.7.2013: § 75 InvG.

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Behrens

C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 294 § 1

– die Anteilsscheininhaber der Miteigentumslösung zustimmen und – für das Spezial-Sondervermögen nur die gesetzlich zulässigen Vermögensgegenstände erworben werden und – die besonderen Bestimmungen betr. Darlehensgewährung einer Immobilien-Gesellschaften und betr. Belastung von Grundstückswerten beachtet werden. Neben dem Abschluss des „Einbringungs“-Vertrags ist die Bewilligung zur Eintragung der Verfügungsbeschränkung (ausschließliche Verfügungsbefugnis der KVG unter Zustimmungsvorbehalt der Verwahrstelle)1 erforderlich. Zu stellen ist ein Antrag beim Grundbuchamt auf Eintragung eines Sperrvermerks in Abteilung II. Diese seit dem 1.1.2008 aufgrund von § 91 Abs. 3 InvG, seit dem 22.7.2013 aufgrund von § 284 Abs. 2 KAGB mögliche Miteigentumslösung bei Immobilien-Spezialfonds ist in der Praxis insbesondere in solchen Fällen interessant, in denen der Anleger bisher Eigentümer der Grundstücke ist, die zukünftig in einem Spezialfonds durch eine KVG verwaltet werden sollen.

292

Will ein Anleger bisher in seinem Eigentum stehende Grundstücke auf einen Spezialfonds übertragen, an dem er Anteilsscheine erwirbt bzw. hält, kann diese „Einbringung“ durch schuldrechtliche Vereinbarung, dass die Grundstücke zukünftig zum Sondervermögen gehören sollen, durchgeführt werden. Mangels Rechtsträgerwechsels führt diese „Einbringung“ nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer. Der Anleger bleibt Grundstückseigentümer, lediglich das Verfügungs- und Besitzrecht geht auf die KVG über. Die KVG erwirbt keine Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG, weil sie die Grundstücke nur auf Rechnung des Anteilsscheininhabers, nicht aber auf eigene Rechnung verwerten kann2. Die KVG erlangt kein Recht, das Grundstück auf „eigene Rechnung“ zu verwerten; die Finanzverwaltung vertrat in der Praxis allerdings zunächst die gegenteilige Auffassung3.

293

Im Falle der „Einbringung“ von Grundstücken durch den Anleger in einen offenen Spezial-AIF be- 294 hauptete die Finanzverwaltung zunächst, dass auf die KVG die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG überginge. Im Verfahren Az. 5 K 1872/13 vor dem FG Köln4 argumentierte das beklagte Finanzamt, dass die KVG mit dem Anleger- und Einbringungsvertrag eine Rechtsposition erhalten habe, die der eines Eigentümers vergleichbar sei. Hieran ändere auch die Miteigentümerstellung der Anleger nichts. Denn trotz ihrer formalen Stellung als Miteigentümer an den zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenständen seien die Anleger in der Ausübung ihrer Rechte aus dem Miteigentum beschränkt. So könnten sie gem. § 33 Abs. 2 Satz 3 InvG (seit 22.7.2013: § 93 Abs. 2 Satz 3 KAGB) über ihre Vermögensgegenstände weder verfügen noch hätten sie – § 24 InvG – ein Besitzrecht. Die KVG sei dagegen gem. § 31 Abs. 1 InvG berechtigt (seit 22.7.2013: § 93 Abs. 1 KAGB), im eigenen Namen über die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände zu verfügen und alle Rechte aus ihnen auszuüben. Darüber hinaus sei eine Substanzbeteiligung durch die besonderen Vertragsbedingungen (BVB) darin zu sehen, dass die KVG bei Erwerb ebenso wie bei der Veräußerung an der Wertentwicklung des Grundstücks beteiligt sei5.

1 Vgl. §§ 93 Abs. 1, 84 Abs. 1 KAGB (bis 21.7.2013: §§ 34 Abs. 1, 26 Abs. 1 InvG). 2 Vgl. FG Köln v. 25.6.2014 – 5 K 1872/13, EFG 2014, 1608. Vgl. dazu Brinkhaus/Grandpierre, DStR 2017, 707 und Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“ v. 4.10.2019, S. 6: „Allein die Möglichkeit, aufgrund eingeräumter Rechte ein Grundstück im eigenen Namen zu verkaufen, reiche für eine Verwertungsbefugnis nicht aus“. 3 Vgl. die Sachverhalts-Darstellung samt Argumentation des beklagten Finanzamts in FG Köln v. 25.6.2014 – 5 K 1872/13, EFG 2014, 1608. Zur Frage der Verwertungsbefugnis konnte das FG Köln in diesem Urteil noch nicht entscheiden, weil der GrESt-Bescheid schon wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 GrEStG aufzuheben war. 4 FG Köln v. 25.6.2014 – 5 K 1872/13, EFG 2014, 1608, Rz. 10 bis 15. 5 Danach erhielt die KVG bei Erwerb eines Grundstücks eine Vergütung i.H.v. 1,25 % des Verkehrswertes und bei Veräußerung nochmals eine Vergütung i.H.v. 1 % des Verkehrswertes. Insofern erhalte sie – so das Finanzamt – eine Beteiligung an der ganzen Substanz des Grundstücks, die nur der Höhe nach prozentual eingeschränkt sei. Die Substanz fließe erst einmal dem Fonds und damit der KVG zu, unabhängig davon, dass diese in ihrer Verfügung über die Substanz eingeschränkt sei, § 26 InvG; FG Köln v. 25.6.2014 – 5 K 1872/13, EFG 2014, 1608, Rz. 9.

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§ 1 Rz. 295 Erwerbsvorgänge 295

Der Begründung einer Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG für die KVG steht bereits entgegen, dass die KVG die Verwertung nicht ausschließlich selbst herbeiführen kann, da sie stets die vorherige Zustimmung der Depotbank (Verwahrstelle) gem. § 26 InvG (seit 22.7.2013: § 84 KAGB für AIF-Verwahrstellen) benötigt. Der zugunsten der Depotbank in Abteilung II einzutragende Sperrvermerk stellt insoweit ein relatives Verfügungsverbot dar, so dass Verfügungen, die unter Verstoß gegen dieses Verbot getroffen werden, dem Anleger gegenüber relativ unwirksam sind. Auch wenn die Depotbank von der KVG beauftragt wird (§ 20 InvG), seit 22.7.2013: § 80 KAGB für AIF-Verwahrstellen, handelt diese bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig von der KVG ausschließlich im Interesse der Anleger (§ 22 InvG, seit 22.7.2013: § 70 KAGB). Die Depotbank bzw. die Verwahrstelle muss Weisungen der KVG nur ausführen, sofern diese nicht gegen gesetzliche Vorschriften und Vertragsbedingungen verstoßen. Da die Depotbank mit dieser Kontrollaufgabe dem Schutz des Sondervermögens verpflichtet ist, wird sie vor einer Zustimmung insbesondere prüfen, ob die jeweilige Veräußerung den rechtlichen und vertraglichen Vorgaben entspricht.

296

Außerdem fehlt es an der notwendigen zweiten Komponente für eine Verwertungsbefugnis, nämlich der Verwertung auf eigene Rechnung. Eine Verwertung erfolge nur dann auf eigene Rechnung, wenn der Ermächtigte in der Stellung eines typischen Zwischenerwerbers einen eigenen Mehrerlös nicht an den Eigentümer abzuführen braucht und für sich behalten darf. Nutzen und Wertsteigerung des Grundstücks fließen unmittelbar dem Anleger und zivilrechtlichen Eigentümer der Immobilie zu. Die KVG tritt insoweit lediglich als Verwalter des Grundstücks auf, weil sie zwar im eigenen Namen, aber wirtschaftlich ausschließlich für Rechnung des Sondervermögens und damit für Rechnung des Anlegers handelt. Aufgrund des gesetzlich angeordneten Surrogationsprinzips fließen sämtliche Erträge der laufenden Verwaltung unmittelbar dem Sondervermögen zu. Zum Schutz des Investmentvermögens verbucht die Depotbank den aus dem Verkauf von Vermögensgegenständen erzielten Kaufpreis sowie die anfallenden Erträge und sonstigen dem Investmentvermögen zustehenden Geldbeträge auf ein für das Investmentvermögen eingerichtetes Sperrkonto. Dieses Sperrkonto ist getrennt für jedes von der Depotbank betreute Sondervermögen einzurichten. Die KVG hat durch geeignete Verfahren und Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Gelder, die zur Abwicklung der ausgeführten Aufträge für Rechnung eines Sondervermögens eingegangen sind, direkt auf das Sperrkonto gezahlt und dort verbucht werden. Etwaige Erträge aus der laufenden Verwaltung der Immobilie sowie Veräußerungserlöse und damit die Wertsteigerungen bzw. Wertminderungen des Grundstücks fließen somit wirtschaftlich und rechtlich gesehen unmittelbar dem Anleger, also ohne Durchfluss bei der KVG zu.

297

Ihrer Stellung entsprechend wird die KVG nach §§ 30 ff. InvG (seit 22.7.2013: §§ 92 ff. KAGB) auf der Grundlage des Investmentvertrags als Verwalter und Dienstleister im eigenen Namen für das nichtrechtsfähige Sondervermögen tätig. Als Gegenleistung für diese Dienstleistungen erhält die KVG verschiedene, abhängig von der jeweiligen Tätigkeit gestaffelte vertraglich festgelegte Vergütungen. Die Ansprüche auf diese Vergütungen qualifizieren somit als schuldrechtliche Ansprüche gegenüber dem Sondervermögen bzw. Anleger und berechtigen die KVG nicht, sich unmittelbar aus den zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenständen zu befriedigen. Sowohl die laufenden Erträge als auch ein etwaiger Veräußerungserlös fließen vielmehr in vollem Umfang und unmittelbar dem Sondervermögen zu und sind damit automatisch dem Anleger des Fonds rechtlich zuzuordnen. Erst in einem zweiten Schritt kann die KVG ihre vertraglich begründeten Forderungen gegenüber der Depotbank (Verwahrstelle) geltend machen. Die Ansprüche der KVG auf Vergütung und Aufwendungsersatz sind nach § 31 Abs. 3 InvG (seit 22.7.2013: § 93 Abs. 3 KAGB) jeweils durch Entnahme aus dem Sondervermögen zu befriedigen. Allerdings kann die KVG entsprechende Belastungen des Sondervermögens nicht eigenständig vornehmen, sondern bedarf hierzu nach § 29 InvG der Mitwirkung der Depotbank. Die Depotbank wiederum ist nur berechtigt, der KVG die Verwaltungsvergütung und den Aufwendungsersatz aus den Sperrkonten auszuzahlen. Im zweiten Rechtsgang hat das FG Köln die Ansicht der Finanzverwaltung als rechtswidrig zurückgewiesen1. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen2.

1 Vgl. FG Köln v. 12.4.2016 – 5 K 1346/15, rkr., EFG 2016, 1354. Vgl. dazu Brinkhaus/Grandpierre, DStR 2017, 707; Moroni, RdF 2016, 346. 2 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 90.; G/B/B/S6, Kap. 14, S. 554, Rz. 34.

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C. Verschaffung der Verwertungsbefugnis (Abs. 2)

Rz. 298 § 1

Im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer ist bisher nicht abschließend entschieden, ob es sich bei einem luxemburgischen fonds commun de placement (FCP) um ein nach der sog. Treuhandlösung oder um ein nach der sog. Miteigentumslösung strukturiertes Sondervermögen handelt1. Der FCP ist nicht rechtsfähig2. Es richtet sich nach Luxemburger Recht, ob daraus folgt, dass der FCP deshalb (entsprechend deutschem Zivilrecht) damit keine Rechtsperson ist, die selbst Eigentum an Immobilien oder die Rechtsinhaberschaft an Anteilen an Gesellschaften (oder an sonstigen Vermögensgegenständen) erwerben kann, zu deren Vermögen Grundstücke gehören. In der Literatur wird zum einen die Einordnung als sog. Miteigentumslösungs-Sondervermögen vertreten3; jedoch wird auch die gegenteilige Auffassung vertreten, wonach es sich beim Luxemburger FCP um ein sog. Treuhandlösungs-Sondervermögen handeln soll4. Grund für die Rechtsunsicherheit ist der Gesetzeswortlaut von Art. 89, Abs. 1 des Luxemburger Gesetzes vom 17.12.2010 über Organismen für gemeinsame Anlagen und Art. 4 des Luxemburger SIF-Gesetzes, wonach „als Investmentfonds … jedes ungeteilte Vermögen [gilt], das nach dem Grundsatz der Risikomischung für Rechnung seiner ungeteilten Eigentümer zusammengesetzt und verwaltet wird, wobei die Haftung der Eigentümer auf ihre Einlage beschränkt ist und ihre Rechte in Anteilen verkörpert werden, die zum Vertrieb im Wege eines öffentlichen Angebots oder einer Privatplatzierung bestimmt sind“.

297.1

XV. Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. einheitlichen Vertragswerk Beim Erwerb der Verwertungsbefugnis gehören zur Gegenleistung i.S.v. § 8 Abs. 1 GrEStG alle Leistungen, die der Berechtigte aufwendet, um die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu erlangen5. Auch wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des die Besteuerung nach § 1 Abs. 2 GrEStG auslösenden Rechtsvorgangs noch unbebaut ist, kann der Erwerber unter den Voraussetzungen der Grundsätze zum sog. einheitlichen Vertragswerk bzw. einheitlichen Erwerbsgegenstand6 die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück mit von der Veräußererseite noch zu errichtendem Gebäude erwerben. In diesen Fällen werden die Aufwendungen des Erwerbers zur Errichtung des Gebäudes bzw. zur sonstigen Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks in die Bemessungsgrundlage i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG miteinbezogen7. Zu den Grundsätzen des sog. einheitlichen Vertragswerks bzw. einheitlichen Leistungsgegenstands vgl. § 9 Rz. 43, § 9 Rz. 34 ff.

1 Vgl. allerdings ohne vertiefte Analyse FG Münster v. 20.4.2017 – 10 K 3059/14 K, EFG 2017, 1110, betr. beschränkte Steuerpflicht eines Luxemburger FCP, bei dem das Recht zur Anteilsscheinrückgabe während der Vertragslaufzeit ausgeschlossen ist; vgl. auch die EuGH-Vorlage des BFH I R 33/17 v. 18.12.2019, BFH/NV 2021, 157; vgl. zudem Hess. FG v. 23.3.2011 – 4 K 419/10, juris, betr. nahestehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG a.F.; BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771. 2 Vgl. Petzschke, die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eines Luxemburger FCP, 2012, S. 32; Spranger, RdF 2016, 57 (63); Becker/Cramer/Tröge in Moritz/Helios/Jesch, Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 3: Recht der Asset-Klassen, 1. Aufl. 2019, VII., Rz. 141. 3 Vgl. Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408; Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments eine Luxemburger FCP, 2012, S. 99, 101; Boxberger in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 214, Anh. 2 (AIFMStAnpG) Rz. 229. 4 Vgl. Spranger, RdF 2016, 57, der damit argumentiert, dass die ungeteilte Gemeinschaft der Eigentümer grunderwerbsteuerrechtlich „nicht fassbar“ sei; dagegen allerdings Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408, wonach die Eintragung der Verwaltungsgesellschaft im Register die Eigentumszuordnung nicht determiniere. 5 Vgl. BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 203 ff. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 14.3.2017, BStBl. I 2017, 436. 7 Vgl. BFH v. 4.9.1996 – II R 62/94, BFH/NV 1997, 308.

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§ 1 Erwerbsvorgänge

D. Mindestens 90%iger, bis 30.6.2021 und danach subsidiär bis maximal 30.6.2026 mindestens 95 %iger Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Personengesellschaften (Abs. 2a) Literatur: Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens/Daka/Seemaier, Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG: Gehören inländische Tochtergesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Ober-Gesellschaft?, UVR 2020, 145; Behrens/Hofmann, Geltung des Fünf-Jahres-Zeitraums bei mittelbaren Anteilsübergängen i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2019, 105; Behrens, Anmerkungen zu den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BB 2019, 30; Mittelbarer Gesellschafterwechsel bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach dessen Änderung durch das StÄndG 2015, BB 2017, 1046; Behrens/Bock, Beteiligungsketten-Verkürzungen und –Verlängerungen als Vorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG, DStR 2012, 1307; Behrens, „Dass der BFH beim unmittelbaren Anteilsübergang allein auf das Zivilrecht abstellt, ist nicht gerechtfertigt“, BB 2013, 805; Behrens, Anmerkungen zu den Änderungsvorschlägen zur Grunderwerbsteuer im Gesetzesentwurf der Bundesregierung eines ProtokollerklärungsUmsG vom 27.3.2015, UVR 2015, 138; Behrens, Mittelbarer Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG – Anmerkungen zum BFH-Urteil II R 17/10 vom 24.4.2013, Ubg 2013, 434; Behrens, Anmerkungen zum gleichlautenden Ländererlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 18.2.2014; DStR 2014, 1526; Behrens/Halaczinsky, Steueränderungsgesetz 2015: Änderungen bei der GrESt, der ErbSt sowie bei der Bewertung, UVR 2015, 371; Behrens/Schmitt, Zur Auslegung des Begriffs „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2005, 378; Behrens, Mittelbare Anteilsübergänge nach Änderung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015, BB 2017, 1046; Behrens, Teleologische Redaktion von § 5 Abs. 3 GrEStG, DStR 2016, 518; Behrens, Anmerkungen zum gleichlautenden Ländererlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25.2.2010; DStR 2010, 777; Behrens/Wagner, Praxisfälle zu § 1 Abs. 2a GrEStG – Verschärfungen und Zweifelsfragen nach neuer Erlasslage, DB 2019, 1868; Broemel/Lange, Der neue Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG – Änderungen, Implikationen und offene Fragen, DStR 2019, 185; Brühl, Anmerkung zu einer Entscheidung des FG München, Urteil vom 24. Oktober 2018 (4 K 1101/15) – Zur Zurechnung von Grundstücken an eine Obergesellschaft, GmbHR 2019, 199; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals“ und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749; Fleischer/Keul, Jüngste Erlasse zu Share Deals in der Grunderwerbsteuer, Stbg 2019, 104; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer, Handbuch für die Gestaltungs- und Beratungspraxis, 6. Auflage 2021, S. 82–131; Graessner/El Mourabit, Unsicherheit bei der GrESt-Planung bei mittelbaren Gesellschafterwechseln durch das ZKAnpG, DB 2014, 2797; Graessner, Mittelbarer Anteilseignerwechsel bei § 1 Abs. 2a GrEStG, NWB 31/2017, 2341; Harttrott/Schmidt-Gorbach, Keine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Begründung von Treuhandverhältnissen – Zum Urteil des FG München vom 18.2.2014 unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH, DStR 2014, 1213; Joisten, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG, DStZ 2016, 272; Joisten, Wirtschaftliches Eigentum, Treuhandverhältnisse und die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG – zugleich Anmerkungen zu FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 28.12.2016 – 3 K 172/16 (Az. des BFH: II R 3/17), Ubg 2017, 312; Lange/ Broemel, Zweifelsfragen zum mittelbaren Gesellschafterwechsel in § 1 Abs. 2a GrEStG, DStR 2017, 360; Lange/Broemel, Übertragungen zwischen Altgesellschaftern i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG – Führt die Rechtsprechung des BFH zum mittelbaren Gesellschafterwechsel zu einer neuen Sichtweise?, DStR 2017, 1625; Lettl, Risikoverteilung, Konfliktbewältigung sowie vermögens- und haftungsrechtliche Stellung der Beteiligten bei langfristigen Kooperationen: Die Abgrenzung von Gesellschafts- und Austauschverträgen, DB 2004, 365; Loose, Mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, DB 2013, 1687; Mayer/Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Micker, Typisierungsbefugnis versus Folgerichtigkeit bei § 1 Abs. 2a GrEStG, DStZ 2009, 285; Rutemöller, Rückwirkende Änderung des § 1 Abs. 2a GrEStG – Stand der gesetzgeberischen Überlegungen und verfassungsrechtliche Grenzen, DStZ 2015, 192; Salzmann, Steuerbefreiung für Gesamthandsgemeinschaften nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Fällen der Fiktion eines Grundstücksübergangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG – Zugleich eine Anmerkung zum Urteil des BFH vom 29.2.2012, II R 57/09, DStR 2012, 1314; Schanko, Die Mittelbarkeit bei den Ergänzungstatbeständen des GrEStG in der aktuellen BFH-Rechtsprechung, UVR 2015, 49; Schanko, § 1 Abs. 2a GrEStG: Auswirkung des sukzessiven Anteilseignerwechsels bei einer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft auf die Fünfjahresfrist, UVR 2017, 126; Saecker, Praxisleitfaden zu § 1 Abs. 2a GrEStG, NVW 2019, 738; Scheifele/Müller, Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG – Zugleich Besprechung des BFH-Urteils vom 24.4.2013, II R 17/10; Schmidt-Gorbach/Hartrott, Keine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Begründung von Treuhandverhältnissen, zum Urteil des FG München vom 18.2.2014 unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH, DStR 2014, 1210; Stangl/Aichberger, Keine Erleichterungen konzerninterner Umstrukturierungen durch den Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 18.2.2014, DB 2014, 1509, DStR 2013, 1805; Stegemann, Grunderwerbsteuerrechtliche Zweifelsfragen an der Schnittstelle von § 1 Abs. 2a und §§ 5, 6 GrEStG, Ubg 2009, 194; Ulmer/Löbbe, Zur Anwendbarkeit des § 313 BGB in Personengesellschaftsrecht,

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 300 § 1

DNotZ 1998, 711; Vogel, Die Änderungen bei der Grunderwerbsteuer durch das Steueränderungsgesetz 2015, StuB 2016, 98; Weilbach, Die Auswirkungen des vierten Erlasses zu § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2003, 372; Wischott/Graessner, Zweifelsfragen im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem Hintergrund der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018, Ubg 2019, 84.

I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift Die gleichzeitige Auswechselung aller Gesellschafter einer Personengesellschaft führt nicht zum Ver- 299 lust der Identität dieser Gesellschaft1. Um die vorteilhaften Gestaltungsmöglichkeiten einzudämmen2, die sich aus der selbstständigen Rechtsträgerschaft von Gesamthandsgemeinschaften sonst ergäben, gilt gem. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG – wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von fünf, seit 1.7.2021 zehn Jahren3 der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % (ab 1.7.2021: 90%4) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen – dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Darin, dass die Anwendung der früheren Missbrauchs-Rechtsprechung des BFH, die Grunderwerbsteuer als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO angefallen ansah, wenn in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang sämtliche Gesellschafter einer auf die Verwaltung eigenen Grundbesitzes beschränkten Personengesellschaft wechselten, dadurch vermieden werden konnte, dass ein Zwerganteil zurückbehalten wurde oder ein Gesellschafter nur formal in der Personengesellschaft verblieb, sah der Gesetzgeber eine „Möglichkeit der missbräuchlichen Steuervermeidung“5. Ungeachtet der zivilrechtlich durch den mindestens 95%igen (ab 1.7.2021: 90%igen6) unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafterwechsel nicht berührten Identität der Personengesellschaft fingiert § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ein auf die Grundstücksübertragung gerichtetes Rechtsgeschäft zwischen der bisherigen und einer fingierten neuen Personengesellschaft7. Gegenstand der Besteuerung ist nicht der Gesellschafterwechsel als solcher, sondern der fingierte Grundstückserwerb durch die fingierte neue Personengesellschaft und die damit fingierte grunderwerbsteuerrechtliche Veränderung der Zuordnung des Grundstücks8. Unter bestimmten Voraussetzungen (insb. Belegenheit eines Gesellschaftsgrundstücks außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungs-Finanzamts) ist bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ein gesondertes Feststellungsverfahren durchzuführen; vgl. gleichlautende Erlasse betr. Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG vom 1.3.2016, BStBl. 2016, 282 und § 17 Rz. 72 ff. Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilsübergang vorliegt, war bis zum Inkrafttreten der neuen Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen des StÄndG 2015 für Erwerbsvorgänge, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden9, gesetzlich nicht – und zwar insgesamt überhaupt nicht – geregelt. Mit den durch das StÄndG 2015 mit Wirkung ab 6.11.2015 eingefügten Sätzen 2 bis 5 reagierte der Gesetzgeber auf die durch das BFH-Urteil vom 24.4.201310 offenbar gewordenen grundsätz-

1 Vgl. BGH v. 8.11.1965 – II Z R 223/64, BGHZ 44, 229; v. 12.12.1996 – II R 61/93, BStBl. II 1997, 299; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 92. 2 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 268. 3 Vgl. Art. 1 Nr. 1a des GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Der Fünf-Jahres-Zeitraum bleibt bis maximal zum 30.6.2021 anwendbar, vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG, § 23 Rz. 57 ff. 4 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a, c. 5 Vgl. BT-Drucks. 13/6151, 16. 6 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a, c. 7 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777; v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409. 8 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 269. 9 Vgl. § 23 Abs. 13 GrEStG. 10 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833.

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300

§ 1 Rz. 300 Erwerbsvorgänge lichen Unterschiede der Sichtweisen von Finanzverwaltung1 einerseits und BFH andererseits zu diesem Tatbestandsmerkmal. Die Sätze 2 bis 5 enthalten seit dem 6.11.2015 (vgl. § 23 Abs. 13 GrEStG) Regelungen zum mittelbaren Anteilsübergang. Satz 2 betrifft mittelbar über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, die Sätze 3 bis 5 enthalten Regelungen zu unmittelbar und/oder mittelbar über Kapitalgesellschaften gehaltenen Anteilen am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft. § 1 Abs. 2a GrEStG kann auch durch eine Kombination unmittelbarer und mittelbarer Anteilsübergänge verwirklicht werden2. Nach der Entwurfsbegründung des StÄndG 2015 ist es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, entgegen dem BFH-Urteil vom 24.4.20133, wonach mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen seien, zu einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise zurückzukehren4. 301

Schon durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 hatte § 1 Abs. 2a GrEStG eine neue Fassung erhalten. Seitdem erfasst der Gesetzeswortlaut ausdrücklich mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes5.

302

In Übereinstimmung mit dem Charakter von § 1 Abs. 2a GrEStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift6 regelt § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG, dass der Erwerb von Anteilen von Todes wegen bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht bleibt.

303

§ 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG7 regelt den Fall, dass die Personengesellschaft vor dem Wechsel des Gesellschafterbestands ein Grundstück von einem Gesellschafter oder einer anderen (ganz oder teilweise beteiligungsidentischen) Gesamthand erworben hat; in diesem Fall ist auf die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG ermittelte Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang, für den aufgrund des § 5 Abs. 3 GrEStG oder des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG die Steuervergünstigung zu versagen ist, mit dem entsprechenden Betrag anzurechnen. § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG ist eine Anrechnungsvorschrift, die anders als § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG keine Festsetzung der Steuer voraussetzt8. Die Regelung bezweckt den Ausschluss von Doppelbelastungen, die sonst entstünden, wenn einerseits der Grundstückserwerb der „alten“ Personengesellschaft unter Versagung der Befreiungen nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG in Anwendung von § 5 Abs. 3 GrEStG oder nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG besteuert und andererseits auch der fingierte Grundstückserwerb der fingiert „neuen“ Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a besteuert würde. Wenn sich der mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär9 mindestens 95%ige) Wechsel im Gesellschafterbestand in einem Rechtsakt vollzieht, gelangen § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG aufgrund teleologischer Reduktion nicht zur Anwendung10.

1 Die Finanzverwaltung hat ihr Verständnis insbesondere des mittelbaren Anteilsübergangs in den gleichlautenden Erlassen der Obersten Finanzbehörden der Länder zu § 1 Abs. 2a GrEStG in Teilbereichen von Erlass zu Erlass geändert. Bei nachträglichen Verschärfungen von Verwaltungserlassen wird das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Fortbestand der ursprünglichen Erlassregelung grds. nicht geschützt. Vgl. z.B. FG Bad.Württ. v. 20.1.2015 – 5 K 1652/11, EFG 2016, 1019, Rz. 46 m.w.N. Vgl. auch die Arbeitshilfe zur Abgrenzung von Alt- und Neugesellschaftern i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 29.4.2014, juris, ersetzt durch eine Verfügung v. 27.6.2016, nicht veröffentlicht; vgl. dazu Lange/Broemel, DStR 2017, 1625. 2 Vgl. Vogel, StuB 2016, 99. 3 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 4 Vgl. BT-Drucks. 18/4902, 52 f. 5 Zur bis Ende 1999 gültigen Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. BFH v. 30.4.2003 – II R 79/00, BStBl. II 2003, 890. 6 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 271; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 691. 7 Bis zum Inkrafttreten des StÄndG v. 2.11.2015, § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG; § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG a.F. war erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2001 verwirklicht wurden; vgl. § 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG. 8 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 312; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 125. 9 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 10 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu §§ 5 und 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.8.1.1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 912. Das BFH-Urteil v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557 sollte daran nichts ändern; vgl. Behrens, DStR 2016, 516; Mayer/Wagner, BB 2016, 2519.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 303.2 § 1

2. Verhältnis von Abs. 2a zu den übrigen Ergänzungstatbeständen in Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a Das Verhältnis zwischen § 1 Abs. 2a (und auch Abs. 2b) einerseits und § 1 Abs. 3, Abs. 3a andererseits 303.1 ist durch den Halbsatz in § 1 Abs. 3, Abs. 3a „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ derart geregelt, dass ein Anteilsvereinigungs-Tatbestand durch den Abschluss des auf Übertragung der Anteile gerichteten Verpflichtungsgeschäfts erst dann verwirklicht wird, wenn die Erfüllung dieses Verpflichtungsgeschäfts – bezogen auf das jeweilige konkrete Gesellschaftsgrundstück – endgültig gescheitert ist. M.E. ist das Merkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ ein vollwertiges Tatbestandsmerkmal von § 1 Abs. 3 und Abs. 3a, d.h. erst in dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass in Bezug auf ein konkretes Gesellschaftsgrundstück eine oder mehrere Vollzugsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden oder es aus einem sonstigen Grund nicht zum Vollzug des Anteilskaufvertrags kommt, könnte § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a nach dem Gesetzeswortlaut als verwirklicht angesehen werden. Weil jedoch, wenn feststeht, dass der Anteilskaufvertrag nicht mehr vollzogen werden wird, auf Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG keine Feststellung bzw. Steuer-Festsetzung mehr erfolgen kann bzw. eine bereits erfolgte Feststellung bzw. Steuer-Festsetzung aufgehoben werden muss, ist m.E. § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG derart teleologisch zu reduzieren, dass die Verwirklichung dieser Tatbestände auch dann von vornherein insgesamt ausscheidet, wenn der Vollzug des Anteilskaufvertrags (ggf. in Bezug auf ein oft von mehreren Grundstücken) gescheitert ist. Von den Parteien des Anteilskaufvertrags in diesem Fall zu verlangen, dass sie die Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG erstatten und den Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG stellen, verursacht lediglich administrativen Aufwand, dessen Erledigung überflüssig erscheint. Die hier vertretene Ansicht, dass § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG insgesamt unanwendbar ist, wenn die Erfüllung des Anteilskaufvertrags § 1 Abs. 2a (oder Abs. 2b) verwirklichen würde, beseitigt auch die in dem Fall, dass § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG zunächst für verwirklicht gehalten wird, sich stellenden verfahrensrechtlichen Folgefragen, auf welcher Rechtsgrundlage nach der dinglichen Erfüllung des Anteilskaufvertrags die Feststellung bzw. Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG wieder aufgehoben werden könnte1. Keine Regelung zum Rangverhältnis untereinander enthalten die Tatbestände in § 1 Abs. 2a und 303.2 Abs. 2b GrEStG. Daraus und aus der Ungeklärtheit des Verhältnisses zwischen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b einerseits und § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG andererseits resultieren Rechtsunsicherheiten, die anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden sollen: Ursprünglich ist V zu 100 % am Vermögen der grundbesitzenden KG beteiligter Kommanditist und zugleich Alleingesellschafter der zu 0 % am Vermögen der KG beteiligten Komplementär-GmbH. Am 1.10. verkauft V seine 100 %ige Kommanditbeteiligung unbedingt wirksam an die bisher nicht beteiligte GmbH, deren Alleingesellschafter WV ist. Noch vor dinglicher Erfüllung des Anteilskaufvertrags vom 1.10., und zwar am 1.11., verkauft WV seine 100 %ige Beteiligung an der GmbH an den bisher nicht beteiligten E. Der auf die 100 %ige Beteiligung an der GmbH gerichtete Anteilskaufvertrag wird am 1.12. erfüllt, d.h. am 1.12. geht die dingliche Rechtsinhaberschaft an der 100 %igen GmbH-Beteiligung von WV auf E über. Am 15.12. wird der auf die 100 %ige Kommanditbeteiligung gerichtete Anteilskaufvertrag vom 1.12. erfüllt, d.h. am 15.12. geht die 100 %ige Kommanditbeteiligung dinglich wirksam von V auf die GmbH über.

1 Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870, die sich auf Grundlage der (von ihnen und auch hier abgelehnten, theoretischen) Sichtweise, dass § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG zunächst als erfüllt anzusehen wären, dafür aussprechen, die Erfüllung des Anteilskaufvertrags als auf den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen; vgl. Rz. 716.

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§ 1 Rz. 303.2 Erwerbsvorgänge

WV

E 2.) Anteilskaufvertragsabschluss am 1.11. 3.) Dinglicher Anteilsübergang am 1.12.

100 %

V

100 %

Anspruch auf Abtretung der 100 %-Beteiligung

100 %

Kompl.-GmbH

GmbH

1.) Anteilskaufvertragsabschluss am 1.10. 4.) Dinglicher Anteilsübergang am 15.12.

0% KG

Dadurch, dass die 100 %ige Kommanditbeteiligung am 15.12. dinglich wirksam von V auf die bisher nicht beteiligte GmbH übergeht, wird auf Ebene der KG Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst. Fraglich ist, ob zudem bereits der dingliche Übergang der 100 %igen Beteiligung an der GmbH von WV auf E auf Ebene der KG Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst hat. Dies hängt davon ab, ob der Übergang der 100 %igen Beteiligung an der GmbH als mittelbarer Übergang der 100 %igen Kommanditbeteiligung auf E angesehen werden kann. M.E. ist dies nicht der Fall. § 1 Abs. 2a GrEStG stellt nicht auf Anteilsübertragungsansprüche ab, sondern auf den dinglichen Übergang der Anteile. Die Begründung des unbedingt wirksamen Anspruchs auf Abtretung der 100 %igen Kommanditbeteiligung zugunsten der GmbH gegenüber V führt deshalb nicht dazu, dass 100 %ige Kommanditbeteiligung der GmbH für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG bereits zugerechnet werden kann. Am 1.12. wird daher durch den dinglichen Übergang der 100 %igen GmbH-Beteiligung auf E keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auf Ebene der KG ausgelöst. Bis zum 15.12. ist V noch (teils unmittelbarer, teils mittelbarer) Alleingesellschafter der KG. Fraglich ist außerdem, ob am 1.12. durch den dinglich wirksamen Übergang der 100 %igen GmbHBeteiligung von WV auf E der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. M.E. ist dies zu verneinen, zum einen, weil auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG die rechtsgeschäftliche Begründung eines Anteilsübertragungsanspruchs nicht zur Zurechnung des betreffenden Anteils zur Kapitalgesellschaft führt, zum anderen, weil das zum Vermögen der KG gehörende Grundstück nicht zugleich auch für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG als zum Vermögen der GmbH gehörend angesehen werden kann. Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG (und auch von Abs. 2a1) sind Grundstücke von Tochter- und Enkel- etc. Gesellschaften nicht als zum Vermögen der Muttergesellschaft gehörend zu betrachten, schon weil in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG eine Zurechnung von Gesellschaftsgrundstücken zum Gesellschafter nicht in Rede steht. § 1 Abs. 2b GrEStG wird mithin am 1.12. nicht verwirklicht. § 1 Abs. 2b GrEStG wäre auch in dem Fall nicht verwirklicht, wenn die 100 %ige Kommanditbeteiligung dinglich wirksam auf die GmbH übertragen wird, bevor die 100 %ige GmbH1 Vgl. Rz. 331, 337.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 304 § 1

Beteiligung dinglich wirksam auf E übergeht (dann würde allerdings § 1 Abs. 2a GrEStG am 1.12. erfüllt). Dadurch, dass V und die GmbH am 1.10. den Anteilskaufvertrag über die 100 %ige Kommanditbeteiligung abschließen, werden § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG nicht verwirklicht, weil eine Erfüllung dieses Anteilskaufvertrags und damit die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG in Betracht kommt. Am 1.11. werden § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG auf Ebene von WV und E bzw. auf Ebene von E nicht verwirklicht, weil die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt, die Anwendung von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG also gesperrt ist. 3. Gesetzeshistorie Vor Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG mit Wirkung ab dem 1.1.19971 war nach der BFH-Recht- 304 sprechung der vollständige Wechsel im Personenstand einer lediglich grundstücksbesitzenden Personengesellschaft im Falle eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen den Anteilsübergängen nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO steuerbar2. Weil diese Rechtsprechung vom Gesetzgeber als zu eng empfunden wurde3, knüpfte § 1 Abs. 2a GrEStG bis 30.6.2021 an den mindestens 95%igen Gesellschafterwechsel innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren an4. § 1 Abs. 2a GrEStG ging jedoch auch schon in seiner ursprünglichen Fassung insbesondere auch insoweit erheblich über den Anwendungsbereich der früheren auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO beruhenden BFHRechtsprechung hinaus, als § 1 Abs. 2a GrEStG nach der Rechtsprechung des BFH und der Verwaltungsansicht auch solche Personengesellschaften betrifft, deren Zweck sich nicht im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft5; zwar entspricht dies dem Gesetzeswortlaut; angesichts der Gesetzeshistorie ist m.E. jedoch die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf solche Personengesellschaften angezeigt, deren Zweck ausschließlich aus dem Erwerb, dem Halten und Verwalten sowie der Veräußerung eines oder mehrerer inländischer Grundstücke besteht.

1 Vgl. Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. Gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG war § 1 Abs. 2a GrEStG erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die nach dem 31.12.1996 verwirklicht wurden. Die Einbeziehung von Änderungen des Gesellschafterbestands, die vor dem 1.1.1997 vorgenommen worden waren, ist ausgeschlossen; vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 2 Vgl. z.B. BFH v. 4.3.1987 – II R 150/83, BStBl. II 1987, 394; v. 13.11.1991 – II R 7/88, BStBl. II 1992, 202; v. 31.7.1991 – II R 17/88, BStBl. II 1991, 891. Trotz gleichzeitiger Auswechslung aller Personengesellschafter bleibt die Personengesellschaft zivilrechtlich bestehen; vgl. BGH v. 8.11.1965 – II Z R 223/64, BGHZ 44, 229; BFH v. 12.12.1996 – II R 61/93, BStBl. II 1997, 299. Mit Ausnahme der Fälle gesamtplanmäßiger vollständiger Austausche aller Gesellschafter einer sich im Wesentlichen auf die Verwaltung von Grundstücken beschränkenden Personengesellschaft, die der BFH unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO fasste, war der Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft bis Ende 1996 (außer nach Grundstücksübertragungen auf Gesamthandsgemeinschaften im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG) grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich. 3 Das Zurückbehalten eines Zwerganteils, z.B. der 0%igen Komplementärbeteiligung trotz Wechsel der Gesellschafter der an der Grundstücks-KG beteiligt bleibenden Komplementärin, verhinderte die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO. 4 Vgl. BT-Drucks. 13/6151, 16: Weil nach der BFH-Rechtsprechung „in Fällen, in denen ein Zwerganteil zurückbehalten wurde oder auch nur ein Gesellschafter formal in der Altgesellschaft verblieb, Grunderwerbsteuer in erheblichem Umfang nicht festgesetzt werden“ konnte, sollte durch die Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG „diese Möglichkeit der missbräuchlichen Steuervermeidung … beseitigt werden“. 5 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. Darauf, ob es sich bei der Personengesellschaft um eine lediglich grundstücksbesitzende Personengesellschaft handelt, kommt es nach h.M. nicht an. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nach h.M. auf sämtliche, d.h. auch auf operative Personengesellschaften anzuwenden, die nicht nur ein oder mehrere Grundstücke halten, sondern eine Vielzahl anderer Vermögensgegenstände; vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 1.1. Nach Auffassung von Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 127, 195. Erg.-Lfg./August 2018, der zuzustimmen ist, ließen sich für die Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 2a GrEStG ausschließlich auf Grundstücke verwaltende Personengesellschaften schon wegen des Gesetzeszwecks dieser Vorschrift und der früheren BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile v. 7.6.1978 – II R 112/71, BStBl. II 1978, 605 und v. 25.6.2003 – II R 55/00, BFH/ NV 2003, 1345, gute Gründe anführen. Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 276.

Behrens

117

§ 1 Rz. 305 Erwerbsvorgänge 305

Durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 erhielt § 1 Abs. 2a GrEStG eine neue Fassung. Insbesondere erfasst der Gesetzeswortlaut seit Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 ausdrücklich mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes1. Diese für nach dem 31.12.1999 verwirklichte Erwerbsvorgänge geltende2 Neuregelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass neue Gesellschafter Personengesellschaftsanteile über zwischengeschaltete Gesellschaften erwerben und dadurch die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG vermeiden3. Die Sätze 2 bis 5 regeln seit Inkrafttreten des StÄndG 2015 vom 2.11.2015 am 6.11.2015 das Tatbestandsmerkmal des mittelbaren Anteilsübergangs.

306

Durch das StÄndG 2001 v. 20.12.20014 wurden in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG die Wörter „am Gesellschaftsvermögen“ eingefügt und Satz 3 (seit StÄndG 2015: Satz 7) neu gefasst, und zwar mit Wirkung für alle nach dem 31.12.2001 verwirklichten Erwerbsvorgänge5.

306.1

Durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStÄndG6 wurden in § 1 Abs. 2a Satz 1 und Satz 4 GrEStG die Beteiligungsschwellen mit Wirkung ab 1.7.20217 von 95 % auf 90 % herabgesetzt. Gleichzeitig wurde der bisher fünfjährige Betrachtungszeitraum in § 1 Abs. 2a Satz. 1 GrEStG auf zehn Jahre verlängert. Die Systematik und Funktionsweise des § 1 Abs. 2a GrEStG wird durch diese Anpassungen nicht berührt. Vor dem 1.7.2021 dinglich vollzogene Anteilsübertragungen sind bei Anwendung der Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen. Bei der Berechnung, ob sich der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. um mindestens 90 % geändert hat, sind vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübertragungen, wenn sie nicht ihrerseits bereits die 90% erreicht hatten, mit Anteilsübertragungen, die nach dem 1.7.2021 dinglich vollzogen werden, zusammenzurechnen. Waren vor dem 1.7.2021 bereits mindestens 90%, jedoch weniger als 95% der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen, sind diese Anteilsübergänge bei der Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG ab 1.7.2021 nicht mitzuzählen; jedoch bleibt die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG bis maximal 30.6.2026 weiter anwendbar8. Bei Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gelten die Erwerber der insgesamt mindestens 90 %, aber weniger als 95% der Anteile m.E. als sog. Altgesellschafter9. Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG führt die Verlängerung des Betrachtungszeitraums von fünf auf zehn Jahre nicht dazu, dass Gesellschafter, die aufgrund einer mindestens fünf-, aber am 30.6./1.7.2021 noch nicht zehnjährigen Beteiligung nach der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG Altgesellschafter waren, allein durch die Gesetzesänderung ab 1.7.2021 für die Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG als Neugesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft zu behandeln wären; vielmehr sind sie auch für Zwecke der Neufassung sog. Altgesellschafter, ihre Anteilserwerbe zählen bei Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mit10. Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG gilt die 90 %-Schwelle in § 1 Abs. 2a Satz 3 bis Satz 5 GrEStG n.F. für die Ermittlung, ob eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft als Neugesellschafterin zu qualifizieren ist, bei Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG auch schon in Bezug auf vor dem 1.7.2021 erfolgte mittelbare Anteilsübergänge. Zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften, bei denen es einen mindestens 90 %igen (aber weniger als 95%igen) Gesellschafterwechsel gegeben hat, werden daher allein aufgrund der Gesetzesänderung am 1.7.2021 für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG von Alt- zu Neugesellschaftern11. 1 Zur bis Ende 1999 gültigen Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG (Änderung des Gesellschafterbestands „bei ihr“, „bei wirtschaftlicher Betrachtung“) vgl. BFH v. 30.4.2003 – II R 79/00, BStBl. II 2003, 890. 2 Vgl. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG. 3 Vgl. BR-Drucks. 910/98, 203. 4 BGBl. I 2001, 3794. 5 Vgl. § 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG. 6 BGBl. I 2021, 986. 7 § 23 Abs. 18 GrEStG. 8 § 23 Abs. 20 GrEStG; vgl. dazu § 23 Rz. 46 ff. 9 Vgl. § 23 Rz. 52. 10 Dies bedeutet, dass Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter, die vor dem 1.7.2016 erfolgt waren, für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mitzählen. Zu § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG vgl. § 23 Rz. 50 ff. 11 Die Finanzverwaltung begrenzt diese Rückwirkung in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG zu Recht auf eine Rückschau bis zum 1.7.2016, wobei es allerdings ausreicht, dass am 1.7.2016 der letzte Anteilsübergang auf Ebene der beteiligten Kapitalgesellschaft stattfand, der zur Erreichung eines mind.

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 308 § 1

4. Zweck des Abs. 2a: Typisierende Beschreibung des missbrauchsindizierenden Sachverhalts Die frühere BFH-Rechtsprechung zum zeitnahen Austausch aller Gesellschafter einer lediglich grund- 307 besitzenden Personengesellschaft wird nicht zur Auslegung von § 1 Abs. 2a GrEStG herangezogen. Nach Auffassung des BFH hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 2a GrEStG einen gänzlich neuen Besteuerungstatbestand geschaffen, der den den Missbrauch indizierenden Sachverhalt nur noch typisierend beschreibt1. Dass § 1 Abs. 2a GrEStG der Missbrauchsverhinderung dienen soll, ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien des GrEStÄndG vom 12.5.20212. § 1 Abs. 2a GrEStG wird nahezu einhellig als eigenständiger Steuertatbestand3 gesehen, der aus der selbständigen Rechtsträgerschaft der Gesamthandsgemeinschaften folgende, grunderwerbsteuerrechtlich für die Steuerpflichtigen günstige Gestaltungsmöglichkeiten einschränken soll. § 1 Abs. 2a GrEStG ist danach ein neben § 1 Abs. 3 GrEStG und seit 7.6.2013 § 1 Abs. 3a GrEStG4 und seit 1.7.2021 § 1 Abs. 2b GrEStG5 stehender und diesen gegenüber vorrangiger Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 GrEStG, der die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung einzelner Grundstücke zu einer als neu fingierten Personengesellschaft besteuert. § 1 Abs. 2a GrEStG setzt weder eine Umgehungsabsicht voraus6 noch kann seine Verwirklichung dadurch verhindert werden, dass das Fehlen einer Umgehungsabsicht nachgewiesen wird7. 5. Verhältnis zu § 42 AO Durch § 1 Abs. 2a GrEStG sollen missbräuchliche Steuervermeidungen verhindert werden8. § 1 Abs. 2a GrEStG ist daher eine spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG ist eine Anwendung von § 42 AO ausgeschlossen9. Weil § 1 Abs. 2a GrEStG eine spezialgesetzliche Missbrauchsverhinderungsvorschrift ist, ist ein Rückgriff auf § 42 AO im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG insgesamt ausgeschlossen10. Die Anwendung von § 42 AO ist z.B. unzulässig, wenn innerhalb des Fünf- bzw. Zehn-Jahres-Zeitraums nur 94,9 % bzw. 89,9 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen11 und unmittelbar nach Ablauf des Fünfbzw. Zehn-Jahres-Zeitraums weitere Anteile auf neue Gesellschafter oder als neu gewertete Gesellschafter übergehen, auch wenn dies von vornherein geplant bzw. vereinbart ist. Die Anwendung von § 42 AO ist auch dann von vornherein unzulässig, wenn eine GmbH, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, durch Rechtsformwechsel in eine KG umgewandelt wird und noch vor Eintragung des Formwechsels im Handelsregister Anteile an der GmbH auf bisher nicht Beteiligte übertragen werden, die mit weiteren, nach der Eintragung des Formwechsels in die KG erfolgenden Anteils-

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90%igen Gesellschafterwechsels auf Ebene der beteiligten Kapitalgesellschaft führte; vgl. hierzu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.6.2021 – BStBl. I 2021, 1006, Tz. 2.2 Beispiele 3 und 4, und § 23 Rz. 54. Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 12: „… aus Gründen der Missbrauchsverhinderung …“. Nach Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 268 bewirkt § 1 Abs. 2a GrEStG in seinem Kern einen Systemwechsel in der grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung von Änderungen im Personenstand einer Personengesellschaft. Aus den „soweit“-Halbsätzen in Abs. 3 und in Abs. 3a („Soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a [und Abs. 3] nicht in Betracht kommt“) folgt, dass die Anwendung von Abs. 3 und Abs. 3a gesperrt ist, wenn die zu beurteilenden Vorgänge, d.h. der einheitliche Lebenssachverhalt, die Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft umfasst, den Tatbestand von Abs. 2a erfüllen. Diese Sperre von Abs. 3 und Abs. 3a gilt auch dann, wenn die Steuer z.B. aufgrund einer Befreiungsvorschrift oder wegen der Anrechnung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG nicht erhoben wird; vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 7; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 131; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 270; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 726. Vgl. Art. 1 Nr. 1 b des GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 270. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 96. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 691; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 96. Vgl. z.B. BFH v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 738, mit dem Hinw. darauf, dass daraus, dass ein Vorgang nicht von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst wird, nicht geschlossen werden könne, dass die Gestaltung rechtsmissbräuchlich sei; vgl. auch Wernsmann/Bering, DStZ 2021, 434 (441). Vgl. BFH v. 28.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539. Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 272. Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777.

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308

§ 1 Rz. 308 Erwerbsvorgänge übergängen 95 % oder mehr der Anteile an der Gesellschaft ausmachen. Weil vor Eintragung des Formwechsels in die KG im Handelsregister noch keine Personengesellschaft vorliegt, sind die bis zu diesem Zeitpunkt dinglich wirksam gewordenen Anteilsübergänge im Rahmen von § 1 Abs. 2a nicht tatbestandsmäßig1. Eine Anwendung von § 42 AO ist ausgeschlossen. Den Steuerpflichtigen steht es frei, unter mehreren Durchführungswegen zur Erreichung eines bestimmten Ziels denjenigen umzusetzen, der die geringste Steuerbelastung zur Folge hat. Zu der ab 29.12.2007 gültigen Fassung von § 42 AO2 hat der BFH mit Urteil I R2/18 vom 17.11.20203 entschieden, dass einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, die Anwendung von § 42 AO nicht ausschließen. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i.S.v. § 42 Abs. 2 AO seien jedoch diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen, zu berücksichtigen. Augenfällig würde dieses Berücksichtigungsbedürfnis bei solchen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften, die strikte und Rechtssicherheit gewährleistende Abgrenzungsmerkmale enthalten4. Insbesondere für mittelbare Anteilsübergänge in Form des Übergangs von Anteilen an beteiligten Kapitalgesellschaften enthalten die Sätze 3 bis 5 von § 1 Abs. 2a strikte und damit Rechtssicherheit gewährleistende Abgrenzungsmerkmale. Im Falle des Übergangs von 89,9 % der Anteile unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter und auch des Übergangs von 89,9 % an der in Höhe von 10,1 % an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft bestehenden Anteile auf neue Gesellschafter besteht danach keine Möglichkeit einer Anwendung von § 42 AO, auch wenn der Fortbestand der Beteiligung des an der Kapitalgesellschaft beteiligten Altgesellschafters in Höhe von 10,1 % durchgerechnet lediglich eine Quote der Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft von ca. 1,02 %5 ausmacht. M.E. lässt sich auch aus dem BFH-Urteil I R 2/18 keine Anwendbarkeit von § 42 AO im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a begründen6. 6. Zweifel an der Sinnhaftig- und Verfassungsmäßigkeit von Abs. 2a 309

Die Regelung in § 1 Abs. 2a GrEStG ist in Bezug auf ihre Sinnhaftig- und Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft7, zumal der BFH und die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf Grundstücks-Objekt-Personengesellschaften beschränken, sondern auf alle Personengesellschaften mit Grundbesitz erstrecken, was abzulehnen ist (vgl. Rz. 304). In Bezug auf die Variante „mittelbarer Anteilsübergang“ besteht der Verdacht, dass die Vorschrift wegen strukturellen Vollzugsdefizits und mangels Folgerichtigkeit verfassungswidrig ist8. Einerseits deutet die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG auf das gesetzgeberische Ziel einer rechtsformneutralen Besteuerung hin, andererseits sind mittelbare Anteilsübergänge mit Verweis auf die Rechtsformunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften auch auf Grundlage des GrEStÄndG v. 12.5.2021 weiterhin unterschiedlich geregelt. Dies ist nicht folgerichtig, sondern widersprüchlich bzw. willkürlich. Zudem ist nach § 1 Abs. 2a 1 Erfolgte Übergänge von Anteilen an der später formgewechselten GmbH auf neue Gesellschafter sind im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei § 1 Abs. 2a einerseits und § 1 Abs. 2b andererseits um zwei voneinander unabhängige Tatbestände handelt. 2 Vgl. Art. 97 § 7 EGAO zur erstmaligen Anwendung von § 42 AO in der Fassung des Gesetzes v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 3 Vgl. BStBl. II 2021, 580. 4 Im die Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft betreffenden Urteil I R 2/18 verweist der BFH beispielhaft auf die Sieben-Jahres-Fristen in § 8b Abs. 4 KStG i.d.F.d. StSenkG v. 23.10.2000 und in § 22 UmwStG 2006, die der Festlegung dienten, dass bei Veräußerungen nach Ablauf der Frist keine Umgehungsgestaltung, sondern eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung vorliegt. Diese Wertung dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei einer Veräußerung nach Fristablauf auf der Grundlage von § 42 AO doch von einer Umgehungsgestaltung ausgegangen wird. 5 10,1 % von 10,1 %. 6 Auch Mosler/Münzner, FR 2021, 963 (972), konstatieren, dass, wenn sich die Grundsätze des BFH-Urteils I R 2/18 etablieren sollten, die mit der erneuten Änderung von § 42 AO durch das JStG 2008 verfolgten gesetzgeberischen Ziele, insbesondere der Geltung von § 42 AO neben speziellen Missbrauchsverhinderungsnormen, nicht erreicht würden. 7 Vgl. Behrens, UVR 2014, 147 (148 f.); Micker, DStZ 2009, 285 (291); Weilbach, UVR 2003, 372 (374). 8 Zur entsprechenden Frage bei § 1 Abs. 2b GrEStG vgl. Rz. 506 ff.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 310 § 1

GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer „drittbestimmt“, weil die Steuerschuldnerin sich nicht gegen die Tatbestandsverwirklichung zur Wehr setzen kann; in vielen Fällen wird (und kann) sie (bzw. ihre gesetzlichen Vertreter) gar keine Kenntnis davon haben, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden ist und sie damit Grunderwerbsteuer schuldet. Die Verfassungsgemäßheit von § 1 Abs. 2a GrEStG ist auch deshalb zweifelhaft, weil sich Anteilsübertragungen wegen der Steuerschuldnerschaft der grundbesitzenden Personengesellschaft selbst wirtschaftlich auf die beteiligt bleibenden (unmittelbaren und mittelbaren) sog. Altgesellschafter auswirken, die an den Anteilsübertragungen nicht beteiligt sind1. Allerdings wäre es ohne § 1 Abs. 2a GrEStG mit Hilfe von Personengesellschaften aufgrund der Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG möglich gewesen, Grundstücke mittels Einbringung in eine Gesamthand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren grunderwerbsteuerneutral in neue Hände zu übertragen. Auch liegt es bei Personengesellschaften wegen deren in § 5, 6 GrEStG angeordneten Transparenz näher (als bei Kapitalgesellschaften2), allein dadurch, dass die Anteile an der Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, diese Personengesellschaft in wirtschaftlicher Betrachtung als andere Personengesellschaft anzusehen. Verfassungsrechtlich problematisch sind jedoch der ZehnJahres-Zeitraum und die 90 %-Grenze: Nach Auffassung von Drüen3 „erscheint eine zehnjährige Frist für den alleinigen Zweck einer tatbestandlich nicht näher eingegrenzten Missbrauchsabwehr zu lang“. Eine zehnjährige Frist sei als überschießend anzusehen. In „Orientierung am Umwandlungssteuergesetz mit seinem Konzept einer typisierenden Missbrauchsabwehr in §§ 21 f. UmwStG, die nach einer Einbringung unter Buchwertfortführung eine Sieben-Jahres-Frist mit ratierlicher Abschmelzung im Jahrestakt vorsehen“, erscheint nach Ansicht von Drüen eine Frist von sieben Jahren auch ohne „Rechtsfolgenabwuchs“ als „verhältnismäßig und verfassungsrechtlich unangreifbar“. M.E. ist Drüen insoweit zuzustimmen, als sich über zehn Jahre erstreckende Anteilsübergänge in Höhe von 90 % oder mehr nicht mehr mit einem Missbrauchsvorwurf in Zusammenhang bringen lassen. Ob die auf 90 % abgesenkte Grenze verfassungsrechtlich zulässig ist, erscheint ebenfalls zweifelhalt4. Wie das BVerfG diese Frage entscheiden wird, ist allerdings nicht vorhersehbar. In der Abwehrberatung ist es m.E. zu empfehlen, durch Klage gegen entsprechende Bescheide die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung bei Anteilsübergängen von weniger als 95 % geltend zu machen. Im Falle der Bestandskraft des Bescheids bliebe es bei der Besteuerung, auch wenn das BVerfG später die Absenkung auf 90 % für verfassungswidrig erklären sollte.

II. Grundtatbestand des mind. 90 %igen, bis 30.6.2021 und danach bis 30.6.2026 subsidiär mind. 95 %igen Gesellschafterwechsels bei grundbesitzender Personengesellschaft (Satz 1) 1. Regelungsinhalt Nach Satz 1 von § 1 Abs. 2a gilt es als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich der Gesellschafterbestand dieser grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass innerhalb von zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär5 fünf) Jahren mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2021 subsidiär mindestens 95 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen dieser Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Satz 1 enthält den Grundtatbestand, der gleichermaßen für unmittelbar oder mittelbar beteiligte Gesellschafter gilt.

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Vgl. § 1 Abs. 2b GrEStG, Rz. 509 ff. Zu § 1 Abs. 2b GrEStG vgl. Rz. 506 ff. Vgl. Ubg. 2018, 605 (625). Zur entsprechenden Diskussion bei § 1 Abs. 3 GrEStG vgl. § 1 Abs. 3 GrEStG, Rz. 702 ff. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG.

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§ 1 Rz. 311 Erwerbsvorgänge 2. Personengesellschaft a) Inländische Personengesellschaften 311

Der Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2a GrEStG betrifft nur Personenaußengesellschaften, zu deren gesamthänderisch gebundenem Vermögen ein oder mehrere inländische Grundstücke gehören, und zwar nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung unabhängig davon, ob die Personengesellschaft nur Grundstücke verwaltet oder ob sie operativ tätig ist und neben einem oder mehreren Grundstücken eine Vielzahl anderer Vermögensgegenstände hat. Nach hier vertretener Ansicht betrifft § 1 Abs. 2a GrEStG nur solche Personengesellschaften, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken beschränkt (vgl. Rz. 304). Von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst werden sämtliche Personenaußengesellschaften, d.h. GbR, OHG, KG und die Partnerschaftsgesellschaft. Erfasst werden außerdem die EWIV und die sog. unechte Vorgesellschaft, d.h. die als Kapitalgesellschaft gegründete Gesellschaft, wenn die Gründer von vornherein nicht die Eintragung als Kapitalgesellschaft beabsichtigen; eine solche unechte Vorgesellschaft unterliegt dem Recht der Personengesellschaft1 und ist Gesamthand i.S.v. §§ 5 f. GrEStG2. Auch die fehlgeschlagene Vorgesellschaft ist Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, d.h. die ursprünglich mit Eintragungsabsicht errichtete Gesellschaft, wenn die Gründer die Eintragungsabsicht später aufgeben, die Vorgesellschaft aber nicht abwickeln, sondern fortsetzen3. Auch die mit der Vorgesellschaft nicht identische Vorgründungsgesellschaft ist Personengesellschaft, und zwar GbR zum Zwecke der Gründung der Kapitalgesellschaft4. Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist auch die sog. fehlerhafte Gesellschaft, d.h. die in Vollzug gesetzte Personengesellschaft, deren Gesellschaftsvertrag jedoch fehlerhaft ist5. Bei fehlerhaftem Beitritt bzw. fehlerhafter Übertragung eines Anteils am Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft ist auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Vollzugs abzustellen6.

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Gemäß § 132 KAGB kann der Gesellschaftsvertrag einer offenen Investment-KG die Bildung von Teilgesellschaftsvermögen vorsehen. Bildet eine Investment-KG Teilgesellschaftsvermögen, ist jedes einzelne Teilgesellschaftsvermögen gem. § 132 Abs. 1 KAGB haftungs- und vermögensrechtlich getrennt und wie ein eigenständiges Gesellschaftsvermögen zu behandeln. Die Anleger eines Teilgesellschaftsvermögens beziehen nur Einkünfte aus ihrem Teilgesellschaftsvermögen. Eine Vermischung ihrer Einkünfte mit Einkünften aus anderen Teilgesellschaftsvermögen ist ausgeschlossen. Investmentrechtlich galt jedes Teilgesellschaftsvermögen einer Investment-KG für Zwecke des InvStG gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2017 als eigenständiger OGAW oder AIF (Alternativer Investmentfonds, vgl. § 1 Abs. 3 KAGB). Auf AIF in der Rechtsform der Personengesellschaft sind gem. § 18 InvStG 2017 die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regelungen anwendbar, was dazu führt, dass jeder Teilfonds als eigenständige Personengesellschaft behandelt wird7. Ab 1.1.2018 gilt diese investmentsteuergesetzliche 1 Vgl. BGH v. 28.11.1997 – V ZR 178/96, NJW 1998, 1979. 2 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 97 und Rz. 7. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 7 mit dem Hinw. darauf, dass der Wechsel der Rechtsform von der Vorgesellschaft zur werbenden Personengesellschaft ihre Identität unberührt lässt; vgl. BGH v. 15.3.2004 – II ZR 271/01, ZIP 2004, 1047; v. 31.3.2008 – II ZR 308/06, BB 2008, 1249. 4 Vgl. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BHGZ 80, 129. 5 Zivilrechtlich ist eine fehlerhaft gegründete Gesellschaft aus Gründen des Verkehrsschutzes für Dritte und des Bestandsschutzes für die Gesellschafter wegen eines Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrundes regelmäßig nicht von Anfang an unwirksam, sondern nur für die Zukunft vernichtbar und bis zur Geltendmachung des Fehlers voll wirksam; vgl. z.B. BGH v. 16.12.2001 – II ZR 109/01, BGHZ 153, 214. 6 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 274 mit dem Hinw. darauf, dass die spätere Geltendmachung eines Nichtigkeitsoder Anfechtungsgrundes nicht rückwirkend die ggf. tatbestandserfüllende Wirkung von § 1 Abs. 2a GrEStG beseitigt, sondern allenfalls nach § 16 GrEStG bedeutsam sein kann. Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 693, wonach ein zwar fehlerhaft vollzogener, aber gleichwohl zivilrechtlich voll wirksamer Beitritt zu einer GbR in Bezug auf eine durch ihn etwa bewirkte Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG nach den im Zeitpunkt eines Vollzugs geltenden grunderwerbsteuerrechtlichen Regelungen zu beurteilen ist. 7 Dazu, dass es in der Praxis unter der Geltung des InvStG 2017 anerkannt ist, dass die haftungs- und vermögensrechtliche Trennung der Teilgesellschaftsvermögen und vergleichbarer rechtlich getrennter Einheiten ausländischer OGAW oder AIF Folgewirkungen auch außerhalb des InvStG 2017 hat, weil z.B. §§ 11 Abs. 1, 19 Abs. 1 InvStG 2017 über das InvStG hinausgehende Wirkung entfaltet, vgl. z.B. Gottschling/Schatz in Frankfurter Kommentar, 1. Auflage, § 1 InvStG Rz. 48.

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 313 § 1

Sonderregelung1 nach dem Gesetzeswortlaut für Personengesellschaften nicht mehr2. Solche AIF-Personengesellschaftsverträge berechtigen i.d.R. den Komplementär, nach eigenem Ermessen ohne Zustimmung der Kommanditisten jederzeit einen oder mehrere Teilgesellschaftsvermögen aufzulegen, die jeweils einen separaten Teil des Vermögens des AIF umfassen. Der AIF definiert für jedes Teilgesellschaftsvermögen spezifische Charakteristika und Bestimmungen, insbesondere eine spezifische Anlagepolitik sowie spezifische Anlagebeschränkungen. Gesellschaftsvertraglich ist geregelt, dass sich die Rechte der Gesellschafter (und auch der sonstigen Gläubiger) eines Teilgesellschaftsvermögens und die Rechte, die im Zusammenhang mit der Gründung, der Verwaltung oder der Liquidation eines solchen Teilgesellschaftsvermögen stehen, auf die Vermögenswerte dieses Teilgesellschaftsvermögen beschränken. Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist die offene Investment-KG, nicht das einzelne Teilgesellschaftsvermögen. Für die Anwendung von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG relevanter Anteil am Gesellschaftsvermögen ist jedoch der Anteil am betreffenden Teilgesellschaftsvermögen (vgl. Rz. 318, 324). Seit 20.3.2020 haben auch geschlossene Investment-KGs die Möglichkeit, sog. Teilgesellschaftsver- 312.1 mögen einzurichten3. § 140 Abs. 3 KAGB erklärt seitdem die für Investment-AG mit veränderlichem Kapital (InvAG mvK) geltenden §§ 117 Abs. 1, 2, 4, 6 bis 9 und 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 KAGB als für die Investmentgesellschaft mit fixem Kapital (InvAG mfK) entsprechend anwendbar und § 149 Abs. 2 KAGB die für die offene Investment-KG geltenden §§ 132 Abs. 1, 3 bis 8, 134 Abs. 2 KAGB als für die geschlossene Investment-KG entsprechend anwendbar. Wichtigstes Ausgestaltungsmerkmal geschlossener Teilgesellschaftsvermögen ist deren haftungs- und vermögensrechtliche Trennung von einander, die im Verhältnis der Anleger untereinander dazu führt, dass jedes Teilgesellschaftsvermögen als eigenständiges Gesellschaftsvermögen behandelt wird4. Weil sich die (Vermögens-)Rechte der Personengesellschafter einer InvKG mit Teilgesellschaftsvermögen auf die Vermögensgegenstände des betreffenden Teilgesellschaftsvermögens beschränken, kann für die Bestimmung des Anteils am Vermögen der Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG nur auf die Beteiligung an dem betreffenden Teilgesellschaftsvermögen abgestellt werden. Dass das jeweilige Teilgesellschaftsvermögen zivilrechtlich keine selbständige Personengesellschaft ist, steht dem – obwohl § 1 Abs. 2a Satz 1 seinem Wortlaut nach auf die zivilrechtliche Personengesellschaft abstellt – nicht entgegen. b) Ausländische Personengesellschaften Von § 1 Abs. 2a GrEStG betroffen sind auch ausländische Personengesellschaften. Nach h.M. setzt dies voraus, dass ihre rechtliche Struktur den inländischen Personengesellschaften entspricht5. In den gleichlautenden Ländererlassen zu §§ 5, 6 GrEStG vom 12.11.20186 wird zur Frage, wonach sich richtet, ob die rechtliche Struktur einer ausländischen Gesellschaft den inländischen Gesamthandsgemeinschaften entspricht, auf den Rechtstypenvergleich abgestellt, der grundsätzlich anhand des gesetzlichen Leitbilds der ausländischen Gesellschaft zu erfolgen habe. Verwiesen wird in Bezug auf den 1 Vgl. § 1 Abs. 4 InvStG 2018. 2 Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG 2018 sind Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform (mit Ausnahme von OGAW und Altersvorsorgevermögensfonds) keine Investmentfonds i.S.d. InvStG 2018. Vgl. allerdings BMF-Schreiben zum InvStG 2018 v. 21.5.2019, BStBl. I 2019, 527, Rz. 1.13: „Haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentvermögens in der Rechtsform einer Personengesellschaft sind für die Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen als eigenständige Personengesellschaften zu betrachten. Es ist keine gesonderte Feststellung vorzunehmen, wenn an dem haftungs- und vermögensrechtlich getrennten Teil der Personengesellschaft nur eine Person beteiligt ist, die mit ihren Einkünften in Deutschland einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO)“. 3 Vgl. Gesetz zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des WpHG an die Unterrichtungs- und Nachweispflichten nach den Art. 4a und 10 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 v. 19.3.2020, BGBl. I 2020, S. 529. 4 Vgl. §§ 140 Abs. 2 Satz 1, 117 Abs. 2 Satz 2 analog, § 149 Abs. 2 Satz 1, 132 Abs. 1 Satz 3 KAGB analog. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 2; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 277; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 752. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 2 zweiter Absatz, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Tz. 2, zweiter Absatz.

Behrens

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313

§ 1 Rz. 313 Erwerbsvorgänge Rechtstypenvergleich ausgewählter ausländischer Rechtsformen für ertragsteuerrechtliche Zwecke auf die Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens vom 24.12.19991 sowie auf das LLC-BMF-Schreiben vom 19.3.20042. In der Praxis lösen diese Verwaltungsverlautbarungen insoweit, als sie verlangen, dass die rechtliche Struktur des zu beurteilenden ausländischen Vehikels der Struktur der inländischen Personengesellschaft entsprechen müsse, Rechtsunsicherheit aus3. M.E. sind die zitierten Verwaltungsanweisungen so zu verstehen, dass sich die Finanzverwaltung darauf festgelegt hat, die Einordnung der ausländischen Gesellschaft als Personengesellschaft für ertragsteuerrechtliche Zwecke auch für die Grunderwerbsteuer, und zwar sowohl für § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für §§ 5, 6 und 7 GrEStG, zu übernehmen. Die Gerichte sind an diese Festlegung der Finanzverwaltung nicht gebunden. Soll vollständige Rechtssicherheit erreicht werden, bleibt es den Rechtsanwendern nicht erspart, das Rechtsstatut bzw. den Gesellschaftsvertrag der ausländischen Gesellschaft daraufhin zu untersuchen, ob sie Regelungen entsprechend §§ 718 und 719 BGB enthalten4, bzw. die Einordnung der ausländischen Gesellschaft als Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG bzw. Gesamthand i.S.v. §§ 5, 6 GrEStG mit dem zuständigen Finanzamt vorab im Rahmen eines Antrages auf verbindliche Auskunft abzuklären. 314

Bei ausländischen Personengesellschaften, die als sog. alternative Investmentfonds – wie z.B. die luxemburgische Société en commandite simple SICAV-FIS nach Art. 71 des luxemburgischen Gesetzes von 2007 – Teilfonds auflegen können, ist nicht der einzelne Teilfonds als Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen, sondern unabhängig vom Vorhandensein und der Anzahl von Teilfonds stets die gesamte ausländische Personengesellschaft, d.h. z.B. die Société en commandite simple SICAV-FIS insgesamt. Obwohl jeder Teilfonds im Verhältnis der Gesellschafter untereinander gesellschaftsvertraglich als eigenständige Einheit behandelt wird und ein eigenständiges Teilvermögen hat sowie seine Geschäfte insoweit unabhängig führt, als jedes Teilfondsvermögen zum ausschließlichen Nutzen des betreffenden Teilfonds investiert wird, gibt es keine Rechtsgrundlage, die es gestatten würde, den einzelnen Teilfonds als eigenständige Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG zu behandeln. Wie bei inländischen InvestmentKG ist Anteil am Gesellschaftsvermögen i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG jedoch stets der Anteil am betreffenden Teilfonds (vgl. Rz. 312, 312.1, 324). c) Rechtsgemeinschaften

315

Keine Personengesellschaften sind Rechtsgemeinschaften (Miteigentumsgemeinschaften) i.S.v. §§ 741 ff., 1008 ff. BGB; anders als bei Personengesellschaften fehlt es an der vertraglichen Einigung der Bruchteilseigentümer, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und diesen darüber hinaus durch vermögenswerte Leistungen zu fördern. Die Abgrenzung, unter welchen Voraussetzungen die Einigung auf einen gemeinsamen Zweck und damit eine Personengesellschaft vorliegt, kann in der Praxis schwierig sein5. Entschließen sich die Bruchteilseigentümer, ihre Miteigentumsanteile an einem Grundstück in eine Personengesellschaft, z.B. in eine GbR, einzubringen, bedarf es eines notariell beurkundeten Einbringungs- oder Kaufvertrags zwischen jedem Bruchteilseigentümer für sich und der Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit6; die Miteigentumsanteile werden durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch gem. §§ 925, 873 BGB gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Personengesellschaft. 1 Vgl. BStBl. I 1999, 1076. 2 Vgl. BStBl. I 2004, 411. 3 In vielen Fällen haben ausländische Personengesellschaften kein §§ 718, 719 BGB entsprechendes Gesamthandsvermögen. Die Unsicherheit rührt daher, dass nicht klar ist, ob Finanzämter die die ausländische Personengesellschaftsrechtsform regelnden ausländischen Vorschriften im konkreten Einzelfall darauf hin untersuchen werden, ob sie den §§ 718, 719 BGB entsprechende Vorschriften enthalten. 4 Durch das am 17.8.2021 veröffentlichten Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), BGBl. I 2021, 3436, das am 1.1.2024 in Kraft treten wird, werden §§ 718, 719 BGB mit ihrem bisherigen Inhalt abgeschafft werden. Das bisher den Personengesellschaftern zugeordnete Gesamtheitsvermögen von Personenaußengesellschaften gem. § 713 BGB n.F. wird durch ein eigenes Gesellschaftsvermögen bzw. ein der Gesellschaft als solcher zugeordnetes Gesamtheitsvermögen ersetzen werden. Welche Änderungen das GrEStG in dieser Hinsicht zum 1.1.2024 erfahren wird, scheint derzeit noch völlig offen. 5 Vgl. Lettl, DB 2004, 365. 6 Vgl. Ulmer/Löbbe, DNotZ 1998, 711.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 320 § 1

d) Innengesellschaften Keine Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG sind Innengesellschaften wie die stille Gesellschaft i.S.v. § 230 HGB; Innengesellschaften treten nicht als solche im Rechtsverkehr als Rechtssubjekte auf und haben kein Gesamthandsvermögen, so dass die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen einer Innengesellschaft ausgeschlossen ist.

316

e) Erben- und Gütergemeinschaften Keine Personengesellschaft sind die Erbengemeinschaft1 und die Gütergemeinschaft. Beide verfügen zwar über Gesamthandsvermögen, sind jedoch per definitionem keine Personengesellschaften.

317

3. Anteil am Vermögen der Personengesellschaft a) Bedeutungsidentität mit Anteil am Vermögen der Gesamthand i.S.v. §§ 5, 6 GrEStG Der Prozentsatz betrifft den Anteil am gesamthänderischen Gesellschaftsvermögen, der dem Anteil am Vermögen der Gesamthand in §§ 5, 6 GrEStG entspricht2. Der durch den Prozentsatz ausgedrückte Anteil am Gesellschaftsvermögen ist allerdings nur dann relevant, wenn mit diesem Anteil eine dem Prozentsatz entsprechende Teilhabe am Wert des Gesellschaftsgrundstücks verbunden ist. Ist im Gesellschaftsvertrag z.B. geregelt, dass mit einem bestimmten Anteil keine Teilhabe am Wert und den Wertveränderungen des vom Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks verbunden ist, ist der Übergang dieses Anteils auf einen neuen Gesellschafter im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG irrelevant3.

318

b) Quantifizierung des Anteils in Prozent (Vom Hundert) In der Praxis wird vielfach ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt, in welcher Höhe der jeweilige Gesellschafter am Vermögen der Personengesellschaft (d.h. am Vermögen der Gesamthand) beteiligt ist. Sind die Beteiligungen am Vermögen der Personengesellschaft im Gesellschaftsvertrag prozentual festgelegt, wird in der Praxis von diesen Prozentsätzen (Verhältnis der Festkapitalkonten zueinander) ausgegangen4. Die zivilrechtliche Bedeutung einer derartigen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung der Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen ist für sich genommen unklar. Regelungsbedürftig ist bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrages in vermögensrechtlicher Hinsicht lediglich, welcher Gesellschafter welche Einlagen in das Vermögen der Personengesellschaft zu erbringen hat, zu welchen Anteilen Gewinne und Verluste den einzelnen Gesellschaftern zuzuweisen sind, wie das nach Begleichung der Gesellschaftsschulden verbleibende Vermögen im Falle der Beendigung der Personengesellschaft auf die Gesellschafter aufzuteilen und zu verteilen ist und ob bzw. in welcher Höhe ein Gesellschafter, der vor Beendigung der Personengesellschaft aus der Gesellschaft ausscheidet, eine Abfindung beanspruchen kann. Die ausdrückliche Vereinbarung, wonach der jeweilige Gesellschafter zu einem bestimmten Prozentsatz am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist, hat m.E. lediglich die Bedeutung einer Auslegungshilfe.

319

Regelmäßig werden in der Praxis Kapitalkonten I gebildet, die während des Bestehens der Personengesellschaft unveränderlich sind, d.h. sog. Festkonten darstellen. Im Gesellschaftsvertrag wird ausdrücklich geregelt, dass die Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Personengesellschaft nach dem Verhältnis der Festkapitalkonten (Kapitalkonten I) zueinander richtet.

320

1 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 751. 2 Vgl. Behrens/Schmitt, UVR 2005, 378; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 100, Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 27. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 101 und § 5 GrEStG Rz. 8. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 797.

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§ 1 Rz. 321 Erwerbsvorgänge c) Eigene Meinung: Maßgeblichkeit der Auseinandersetzungsquote 321

Fraglich ist, wonach sich die Höhe des Anteils am Gesellschaftsvermögen bestimmt, wenn hinsichtlich der genannten Regelungsgegenstände unterschiedliche Vereinbarungen getroffen werden. Letztlich entscheidend ist m.E. die Auseinandersetzungsquote, d.h. die Höhe des Anteils des um die Gesellschaftsschulden bereinigten Gesellschaftsvermögens (also des Anteils am Netto-Grundstückswert), der an den betreffenden Gesellschafter auszuzahlen wäre, wenn die Personengesellschaft in dem für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG maßgebenden Zeitpunkt – d.h. im Zeitpunkt des jeweiligen Anteilsübergangs auf einen neuen Gesellschafter (vgl. Rz. 323) – liquidiert würde. Dies stimmt m.E. mit der Verwaltungsansicht überein. Denn danach ist der Anteil am Gesellschaftsvermögen als „der den einzelnen Gesellschaftern zustehende Wertanteil am Reinvermögen als schuldrechtlicher, gesellschaftsvertraglicher Anspruch des einzelnen Gesellschafters gegen die Gesamthand“1 bzw. „die sachenrechtliche Mitberechtigung des grundstücksübertragenden Gesellschafters, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, und die vermögensmäßige Beteiligung an dem in das gesamthänderische Vermögen übergegangenen Grundstück“2 zu verstehen. Die wertmäßige Beteiligung ergäbe sich aus der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Beteiligung am Vermögen (fest oder variabel), hilfsweise aus §§ 722, 734 BGB bzw. §§ 120 bis 122 HGB. Die hier vertretene Ansicht (Maßgeblichkeit der gesellschaftsvertraglichen Auseinandersetzungsquote) ist jedoch nicht die h.M.3, welche mit einem Gegenschluss aus § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2, § 7 Abs. 3 Satz 2 GrEStG argumentiert, die ihrem Wortlaut nach nur solche Fälle regeln, in denen die Gesamthand das Grundstück bei ihrer Auflösung überträgt. Nach dem Gesetzeswortlaut scheint die Auseinandersetzungsquote also nur bei Grundstücksübertragung „bei der Auflösung der Gesamthand“ maßgebend zu sein. Hieraus schließt die h.M., dass die Auseinandersetzungsquote in allen anderen Fällen irrelevant sei. M.E. ist diese Schlussfolgerung nicht richtig. d) „Schleichende“ Veränderungen im prozentualen Beteiligungsverhältnis

322

Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über eine gleichbleibende prozentuale Beteiligung des jeweiligen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen, können sich die Beteiligungsquoten ständig durch Zuschreiben von Gewinnen bzw. Abschreiben von Verlusten, durch Einlagen und Entnahmen verändern. Nach h.M. sind derartige „schleichende“ Veränderungen im Rahmen des Tatbestands von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG irrelevant, d.h. nicht steuerbar4. Wegen des Charakters von § 1 Abs. 2a GrEStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift ist dem zuzustimmen.

1 In diesem Sinne vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 4, und auch schon die gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 1.3. So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 796. Nach einhelliger Auffassung entspricht die Auslegung von „Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft“ in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG der Auslegung von „Anteil am Vermögen der Gesamthand“ in §§ 5, 6 GrEStG; vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 796; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 100. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 3. 3 Vgl. z.B. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 26, wonach für den Umfang der zu gewährenden Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 die Höhe der Beteiligung am Vermögen maßgebend ist, nicht die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesamthand bzw. die Höhe einer vielleicht abweichenden Auseinandersetzungsquote (unter Hinw. auf BFH II B 35/09, BFH/NV 2009, 2003). Vgl. auch Viskorf in Boruttau, 17. Aufl. 2011, § 6 GrEStG Rz. 36. Anders bei § 6 allerdings in der 19. Aufl. 2018, Rz. 17, wonach der Vermögensanteil i.S.v. § 6 GrEStG die nicht summenmäßige, sondern verhältnismäßige (prozentuale) Beteiligung an dem nach einer besonderen Vermögensaufstellung auf den maßgeblichen Stichtag ermittelten Reinvermögen der Gesellschaft sei. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 102, wonach in solchen Fällen auf den verhältnismäßigen Anteil am Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt des wirksamen Übergangs des Anteils auf den neuen Gesellschafter abzustellen ist, weil der neue Gesellschafter nur insoweit durch den Anteilsübergang eine prozentuale Mitberechtigung an dem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstück erhalte; spätere Veränderungen müssten außer Betracht bleiben. Ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 799, wonach bei sich sukzessiv innerhalb von fünf Jahren vollziehenden Übertragungen von Anteilen der verhältnismäßige Anteil am Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der jeweiligen Übertragung des Anteils entscheidend ist und spätere sowie frühere Veränderungen des Kapitalanteils außer Betracht bleiben. Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 286.

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Rz. 323 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

e) Zeitpunkt der Quantifizierung des Anteils in Prozent Welche Beteiligung der betreffende Anteil am Gesellschaftsvermögen vermittelt, ist bezogen auf den 323 Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung zu ermitteln. Dass die Anteilsquoten erst auf den Zeitpunkt des letzten Anteilsübergangs, der zur Erreichung der 90 %- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 31.6.2021 subsidiär 95 %-) Grenze führt, zu bemessen sind, lässt sich zwar dem Wortlaut von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht sicher entnehmen1. Nicht gänzlich klar ist auch die Verwaltungsansicht, nach für die Höhe des Anteils der einzelnen Gesellschafter „auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 23 GrEStG abzustellen“ sei2 bzw. es „auf die Verhältnisse“ im Zeitpunkt der Wirkung der schuldrechtlichen (gesellschaftsrechtlichen) Vereinbarungen ankommen soll; die Wirkung trete frühestens mit dem Vertragsabschluss ein3. Sofern die Finanzverwaltung mit diesen Formulierungen in den nicht mehr gültigen Erlassen vom 18.2.2014 auf den Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts zur Anteilsübertragung abstellen wollte4, war diese Ansicht abzulehnen, denn erfüllt wird der Tatbestand in § 1 Abs. 2a GrEStG durch den dinglichen Übergang der Rechtsinhaberschaft am Anteil. Im Falle von sukzessiven Anteilsübergängen, die in Summe zur Erreichung bzw. Überschreitung der 90 %- (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95%-) Grenze führen, sind für Zwecke der Quantifizierung dieser sog. Zählerwerbe die Beteiligungsprozentsätze jeweils auf Grundlage des Kapitals der grundbesitzenden Gesellschaft im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG zu ermitteln. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: An einer KG, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, sind ursprünglich die beiden Gesellschafter A1 und A2 jeweils zu 50 % beteiligt. Jeder der beiden Altgesellschafter hat eine Einlage in Höhe von EUR 5.000 erbracht, das Gesamtkapital der KG beträgt EUR 10.000. Im Jahr 01 überträgt A1 seinen Anteil mit der Einlage in Höhe von EUR 5.000 auf N1. Im Jahr 04 tritt N2 als weiterer neuer Gesellschafter der KG unter Zeichnung einer Einlage in Höhe von EUR 90.000 bei. Das Gesamtkapital der KG erhöht sich mithin von EUR 10.000 auf EUR 100.000.

Jahr 01: A1 Einlage EUR 5.000

Jahr 04: A2

N1 50 %

50 % Kapital der KG EUR 10.000

50 % KG

Einlage EUR 5.000

N2 Einlage EUR 90.000

A2

N1 Einlage EUR 5.000

90 % Kapital der KG EUR 100.000

5%

Einlage EUR 5.000

5%

KG

Bezogen auf den Zeitpunkt des im Jahr 01 erfolgten Anteilsübergangs ist ein Anteil in Höhe von 50 % auf N1 übergegangen. Bezogen auf das damalige Gesamtkapital der KG in Höhe von EUR 10.000 war A1 zu 50 % an der KG beteiligt.

1 2 3 4

Zuzustimmen ist Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 102. Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 11.12.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 4 a.E. So noch die gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Tz. 1.3. In diesem Sinne Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 9.

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§ 1 Rz. 323 Erwerbsvorgänge Im Jahr 04 erfolgt ein originärer Anteilserwerb durch N2 in Höhe von 90 %. Denn der von N2 übernommene Anteil mit einer Einlage von EUR 90.000 entspricht 90 % des nach Beitritt von N2 bestehenden Gesamtkapitals der KG in Höhe von EUR 100.000. Zur Ermittlung der sog. Neu-Gesellschafterquote ist die prozentuale Höhe der Beteiligung, die im Jahr 01 auf N1 übergegangen ist, bezogen auf das Gesamtkapital der KG im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG neu zu berechnen. Anderenfalls betrüge die sog. Neu-Gesellschafterquote 140 % (Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter in Höhe von 50 % im Jahr 01 zzgl. Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter in Höhe von 90 % im Jahr 04). Weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 04 der Altgesellschafter A2 weiterhin mit einer Einlage in Höhe von EUR 5.000 an der KG beteiligt ist, kann die sog. Neu-Gesellschafterquote jedoch nur 95 % betragen. Daraus folgt, dass die prozentuale Höhe der Anteile, die vor Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG auf neue Gesellschafter übergegangen sind, ohne selbst den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG bereits verwirklicht zu haben, die jedoch mitzählen, bezogen auf des Gesamtkapital im Zeitpunkt der Verwirklichung vom § 1 Abs. 2a GrEStG jeweils neu zu berechnen ist. Dies kann in der Praxis steuerplanerische Überlegungen erheblich komplizieren. Sofern die BFH-Rechtsprechung, wonach mittelbare Anteilsübergänge auch durch Übertragung nur des wirtschaftlichen Eigentums erfolgen können1, für maßgebend erachtet wird2, wäre auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das wirtschaftliche Eigentum am Anteil auf einen neuen Gesellschafter übergeht. f) Anteil am Gesellschaftsvermögen bei Investmentfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft 324

Hat eine offene oder (seit 20.3.2020 auch) geschlossene3 Investment-KG oder ein ausländischer Investmentfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft Teilgesellschaftsvermögen bzw. Teilfonds aufgelegt, ist der Anteil am Gesellschaftsvermögen i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG stets bezogen auf das Teilgesellschaftsvermögen bzw. den Teilfonds zu bestimmen, zu dessen Vermögensgegenständen das Grundstück (oder die Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft) gehört. Denn nur die Anteile an diesem Teilgesellschaftsvermögen bzw. Teilfonds, nicht aber die Anteile an den anderen Teilgesellschaftsvermögen bzw. Teilfonds vermitteln eine Wertteilhabe an diesem Grundstück. g) Irrelevanz des Zeitpunkts der Zahlung der Einlage

325

Der Zeitpunkt der Leistung der Einlagen ist für die Quantifizierung des Anteils des betreffenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft ohne Bedeutung4. Dem ist unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass der Gesellschaftsvertrag die Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Personengesellschaft auch dann vom Verhältnis der Festkapitalkonten zueinander anhängig macht, wenn einzelne Gesellschafter ihre Einlagen (noch) nicht eingezahlt haben.

326

M.E. ist die Leistung der Einlagen unter dieser Voraussetzung insgesamt unerheblich, d.h. auch dann, wenn ein Gesellschafter seine Einlage insgesamt nicht einzahlt, sondern z.B. geregelt wird, dass der Anspruch der Personengesellschaft auf Zahlung der Einlage mit dem Anspruch des betreffenden Gesellschafters auf Auszahlung seines Anteils am Liquidationserlös verrechnet wird. Die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zu Einlage und Anteile am Liquidationserlös des betreffenden (Minderheits-)Personengesellschafters dürfen jedoch nicht so ausgestaltet sein, dass von vornherein feststeht, dass es keine Zahlungen zwischen grundbesitzender Personengesellschaft und diesem Gesellschafter 1 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 2 Nach hier vertretener Ansicht ist diese BFH-Rechtsprechung mit dem Gesetz nicht vereinbar; vgl. Rz. 353, 366, 392 a.E. 3 Vgl. Rz. 312.1. 4 So Rz. 1.3 letzter Satz der außer Kraft getretenen, weil durch die gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, ersetzten gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561.

128

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 330 § 1

geben wird. M.E. muss die Beteiligung dieses Gesellschafters, um als dem Verhältnis der Festkapitalkonten zueinander entsprechender Anteil am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft anerkannt zu werden, eine entsprechende Beteiligung an der Wertentwicklung des Grundstücks der Personengesellschaft vermitteln. h) Kein Anteil am Gesellschaftsvermögen aufgrund stiller Beteiligung, Darlehen oder Genussrechten Eine stille Beteiligung an einer Personenaußengesellschaft vermittelt mangels gesamthänderischer Mitberechtigung unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Qualifizierung keine Gesellschafterstellung i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG1. Dasselbe gilt für Darlehen des Gesellschafters an die Personengesellschaft, auch wenn es gewinnabhängig verzinst ist oder aus sonstigen Gründen ein sog. partiarisches Darlehen darstellt. Auch der Inhaber von von der Personengesellschaft ausgegebenen Genussrechten oder -scheinen hält keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, weil es sich auch bei Genussrechten bzw. -scheinen allein um schuldrechtliche Rechtsbeziehungen handelt, die keine dingliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen vermitteln.

327

i) Bestimmung des Anteils am Gesellschaftsvermögen ausländischer Personengesellschaften Die Bemessung des Anteils am Gesellschaftsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft hat ebenso wie im Falle einer inländischen Personengesellschaft m.E. nach Maßgabe der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Auseinandersetzungsquote zu erfolgen (vgl. Rz. 321).

328

4. Inländische Grundstücke Was inländische Grundstücke sind, ist in § 2 GrEStG geregelt. Nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG – und damit auch nach § 1 Abs. 2a GrEStG – unterliegen der Grunderwerbsteuer nur Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen. § 1 Abs. 2a GrEStG ist „grundstücksbezogen“, d.h. es liegen so viele Steuerfälle vor, wie zum Vermögen der Personengesellschaft während des betreffenden Zehn- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär Fünf-) Jahres-Zeitraums, in dem mindestens 90 % bzw. 95 % der Anteile (unmittelbar und/oder mittelbar) auf neue Gesellschafter übergegangen sind, durchgehend inländische Grundstücke gehören2.

329

5. Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Personengesellschaft im Anwendungsbereich von Abs. 2a a) Maßgeblichkeit grunderwerbsteuerrechtlicher Grundsätze Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG entsteht in Bezug auf solche Grundstücke, die während des Zeitraums, in dem sich der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär3 mindestens 95 %) ändert, durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören4. Die Zugehörigkeit inländischer Grundstücke zum Vermögen einer (Personen-)Gesellschaft richtet sich im Rahmen der Ergänzungstatbestände von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG jeweils ausschließlich nach grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen5. Beim Kauf eines Grundstücks durch die Gesellschaft gehört das Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft, sobald die Grunderwerbsteuer entstanden ist, d.h. alle aufschiebenden Bedingungen eingetreten und alle Genehmigungen erteilt sind; nicht ausreichend ist es, dass die Personengesellschaft den Erwerb eines Grundstücks plant (vgl. Rz. 401). Beim Verkauf des Grundstücks durch die Gesellschaft gehört das Grundstück spiegelbildlich ab dem Zeitpunkt nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, in dem die letzte das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft betreffende auf1 2 3 4 5

Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, BeckVerw 294282; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 46. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 869. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, Rz. 3, 1. Absatz, BStBl. I 2018, 1314. Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 277, 324 f., Rz. 419.

Behrens

129

330

§ 1 Rz. 330 Erwerbsvorgänge schiebende Bedingung eingetreten bzw. die letzte das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft betreffende Genehmigung erteilt worden ist1. Eine vor dem Bedingungseintritt bzw. vor Erteilung der Genehmigung erklärte Auflassung ist ohne Bedeutung, weil § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG hinter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zurücktritt2. Auf eine zivilrechtliche oder auf eine wirtschaftliche Zurechnung des Grundstücks zur Gesellschaft kommt es nicht an3. Auch wenn die Personengesellschaft einem anderen an einem im Gesamthandsvermögen stehenden Grundstück die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft, gehört dieses Grundstück für die Zwecke von § 1 Abs. 2a (und auch Abs. 3, Abs. 3a) GrEStG nicht mehr zu ihrem Vermögen4. b) Keine Zurechnung von Grundstücken auf Grundlage von Abs. 3 und Abs. 3a 331

Nicht abschließend geklärt ist, ob die Tatbestände von § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG insoweit Bedeutung für den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG haben, als es um die Zurechnung der Grundstücke mindestens 90 %iger, bis 30.6.2021 mindestens 95%iger Tochtergesellschaften zur an diesen beteiligten Personengesellschaft geht. Nach dem Wortlaut von Tz. 1.2 der gleichlautenden Ländererlasse vom 18.2.20145 vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass „Grundstücke, die der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen“ seien, ebenfalls zu ihrem Vermögen gehörten, was so verstanden wurde, dass für die Zurechnung des Tochtergesellschaftsgrundstücks auch zur Muttergesellschaft das Halten einer mindestens 95%igen Beteiligung ausreichte6. In den Nachfolge-Erlassen v. 12.11.20187 änderte die Finanzverwaltung den Wortlaut dieser Anweisung: In Tz. 3 heißt es, dass ein Grundstück der Gesellschaft gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.v. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war. Diese Formulierung, die der BFH-Rechtsprechung entspricht8, deutet m.E. darauf hin, dass die Finanzverwaltung ein Gesellschaftsgrundstück nur dann zugleich auch zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft rechnen will, wenn die Mutter-Gesellschaft in Bezug auf dieses Grundstück § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hat. Diese Zurechnung aufgrund Verwirklichung eines der Tatbestände in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG wird auch in der Literatur vertreten9. M.E. kommt im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a (und auch von Abs. 2b) GrEStG die Zurechnung eines Tochtergesellschaftsgrundstücks auch zum Vermögen der Muttergesellschaft unter keinen Umständen in Betracht. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG sind gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG subsidiär; dass sich diese Tatbestände in Bezug auf die Frage nach der Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der beteiligten Personengesellschaft erweiternd auf den Anwendungsbereich des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG auswirken sollen, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen (vgl. auch Rz. 337). Auf Grundlage der gegenteiligen Meinungen ist in Beteiligungsketten, in denen die unterste Gesellschaft ein Grundstück i.S.v. § 2 GrEStG hält, m.E. nicht schlüssig begründbar, warum im Falle des Übergangs von mindestens 90 % der Anteile an der obersten Gesellschaft der Beteiligungskette Grunderwerbsteuer nur einmal (und zwar auf Ebene der tatsächlich grundbesitzenden untersten Gesellschaft) anfällt. Dass ein und derselbe Anteilsübergang in Beteiligungsketten in Bezug auf ein und 1 Ein Grundstück gehört nach der BFH-Rechtsprechung nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war; vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358, Rz. 14. 2 Auch ein bedingter Kaufvertrag ist ein vorausgegangenes Rechtsgeschäft; vgl. BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139; v. 11.12.2014 – II R 26/12; BStBl. II 2015, 402. 3 Vgl. z.B. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 967; BFH v. 20.12.2000 – II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040. 4 So in Bezug auf § 1 Abs. 3 GrEStG auch Hessisches FG v. 12.11.2020 – 5 K 2582/11, EFG 2021, 477. 5 Vgl. BStBl. II 2014, 561. 6 Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 98; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 277; Mayer/Wagner, BB 2016, 2519. 7 Vgl. BStBl. I 2018, 1314. 8 Vgl. z.B. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18. 9 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 967; Viskorf, DStR 2021, 74.

130

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 333 § 1

dasselbe Grundstück mehrfach Grunderwerbsteuer auslösen soll, ist nicht begründbar und wäre ein Verstoß gegen das Verbot übermäßiger Besteuerung1. Ggf. hat der BFH die Möglichkeit, diese Frage im Revisionsverfahren II R 44/18 gegen das Urteil des FG München vom 24.10.20182 zu entscheiden. c) Auf Grundlage der h.M.: Irrelevanz einer früheren Verwirklichung von Abs. 3 oder Abs. 3a durch die Personengesellschaft Nach dem (allerdings zu § 1 Abs. 3 GrEStG ergangenen) Urteil des BFH vom 11.12.20143 und auch der entsprechenden Formulierungen in früheren BFH-Urteilen4 gehört ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft für die Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG, „wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist“. Würde dies wörtlich verstanden und auch für die Frage nach der Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Personengesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG so gesehen, hätte dies zur Folge, dass zur Feststellung der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen der Personengesellschaft ermittelt werden müsste, ob die Beteiligung schon bestand, als die Gesellschaft das Grundstück erwarb, oder ob die Beteiligung erworben wurde, nachdem die Gesellschaft das Grundstück erworben hatte.

332

Beispiel: An der M-KG ist V zu 90 % als Kommanditist und über die Komplementär-GmbH, an der V 100 % hält, zu 0 % beteiligt. Die restlichen 10 % hält ein weiterer Kommanditist („Dritter“). V verkauft und überträgt seine 90 %ige Kommanditbeteiligung auf K. Für die Frage, ob dies Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst, käme es darauf an, in welcher Reihenfolge die M-KG ihre 90 %ige Beteiligung an der T-GmbH und die T-GmbH ihr Grundstück erworben hatte. Hatte die T-GmbH zunächst das Grundstück erworben, bevor die M-KG die 90 %ige Beteiligung an der T-GmbH erwarb, wäre auf Grundlage des Wortlauts von Rz. 18 des BFH-Urteils vom 11.12.20145 die Zugehörigkeit des Grundstücks der T-GmbH zum Vermögen der M-KG anzunehmen6. § 1 Abs. 2a GrEStG würde auf Grundlage der h.M., nicht aber der hier vertretenen Ansicht, durch den Verkauf und die Übertragung der 90 %igen Kommanditbeteiligung an der M-KG auf K verwirklicht werden. Weil es nach dem Wortlaut der betreffenden BFH-Urteile zu § 1 Abs. 3 GrEStG7 – würden sie auf § 1 Abs. 2a GrEStG übertragen – entscheidend darauf ankommt, ob die M-KG das Grundstück der T-GmbH nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG grunderwerbsteuerbar erworben hat, wäre danach zu differenzieren, ob die M-KG die 90 %ige Beteiligung an der T-GmbH vor dem 1.7.2021 oder nach dem 30.6.2021 erworben hat. Bis 30.06.2021 setzte die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG den Erwerb einer mindestens 95 %igen Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft voraus. Eine Zurechnung des Grundstücks der T-GmbH zum Vermögen der M-KG aufgrund der 90 %igen Beteiligung der M-KG an der T-GmbH scheidet also aus, wenn die M-KG die 90 %ige Beteiligung bereits vor dem 1.7.2021 erworben hatte. Auf Grundlage der die Zurechnung kraft Tatbestandsverwirklichung vertretenden Ansicht käme es zur Zurechnung des Grundstücks der T-GmbH zum Vermögen der M-KG nur dann, wenn die M-KG die 90 %ige Beteiligung an der T-GmbH nach dem 30.6.2021 und damit in Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. erworben hat.

333

1 Vgl. auch Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. 2 FG München v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, EFG 2019, 65. Vgl. Brühl, GmbHR 2019, 199; Behrens/Daka/Seemaier, UVR 2020, 145. 3 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18. 4 Vgl. z.B. BFH v. 30.3.1988 – II R 76/87, BStBl. II 1988, 550; v. 20.12.2000 – II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18. 6 Im Falle aufschiebender Bedingungen und/oder Genehmigungsvorbehalte i.S.v. § 14 GrEStG muss – damit der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG auf Grundlage der die Zurechnung kraft Tatbestandsverwirklichung vertretenden Ansicht verwirklicht ist – zunächst der Grundstückskauf durch die T-GmbH unbedingt wirksam geworden sein, bevor der Geschäftsanteilskauf durch K dinglich wirksam erfüllt worden ist; BFH v. 9.3.1960 – II 274/58, BStBl. II 1960, 145; v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719. 7 Vgl. z.B. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18.

Behrens

131

§ 1 Rz. 333 Erwerbsvorgänge

3.

Verkauf und Übertragung der 90 %igen Kommanditbeteiligung an M-KG auf K V

K 100 %

Kompl.-GmbH 90 %

Dritter

0% 10 % 2.

M-KG

Dritter

90 %

Erwerb der 90 %igen Beteiligungen an T-GmbH durch die M-KG

10 % 1.

334

T-GmbH

Erwerb des Grundstücks durch die T-GmbH

Anders wäre nach diesem Verständnis z.B. des BFH-Urteils vom 11.12.20141 die Rechtslage, wenn zunächst die M-KG ihre 90 %ige Beteiligung an der T-GmbH und erst anschließend die T-GmbH ihr Grundstück erworben hätte.

3.

Verkauf und Übertragung der 90 %igen Kommanditbeteiligung am M-KG auf K V

K 100 %

Kompl.-GmbH Dritter

90 % 0% 10 % M-KG

Dritter

90 % 10 % 2.

Erwerb des Grundstücks durch die T-GmbH

T-GmbH

1 Vgl. z.B. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18.

132

Behrens

1.

Erwerb der 90 %igen Beteiligungen an T-GmbH durch die M-KG

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 338 § 1

Weil die M-KG durch den Erwerb der 90%igen Beteiligung an der T-GmbH keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG ausgelöst hat, gehört das Grundstück für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG danach nicht zum Vermögen der M-KG.

335

Eine solche Sichtweise widerspräche allerdings der bisherigen Sichtweise zur Zugehörigkeit von 336 Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG. Denn danach gehört ein Grundstück der Gesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 GrEStG oder seit 7.6.2013 Abs. 3a fallenden Erwerbsvorgangs oder aufgrund einer § 1 Abs. 3 GrEStG (und seit 7.6.2013 Abs. 3a) entsprechenden, bereits bestehenden Beteiligungsstruktur grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Im letztgenannten Fall erfolgt die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft, obwohl die Einrichtung der bestehenden Beteiligungsstruktur keine Grunderwerbsteuer auf das betreffende Grundstück nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG auf Ebene der beteiligten Personengesellschaft ausgelöst hat1. Insoweit würde auf Grundlage der Meinung, die die Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG genauso beurteilen will wie im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG, im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG nichts anderes gelten. M.E. kann die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen einer Personengesellschaft für die 337 Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG insgesamt nicht in Anwendung von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG begründet werden (vgl. Rz. 331). Die gegenteiligen Meinungen (vgl. Rz. 331) sind abzulehnen. Die Tatbestände von § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG folgen systematisch dem Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nach und sind deshalb im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG insgesamt nicht zu beachten2. Außerdem käme es auf Grundlage der anderen Meinungen in Beteiligungsketten wohl zu mehrfachem Anfall von Grunderwerbsteuer in Bezug auf dasselbe Grundstück durch ein und denselben Anteilsübergang bzw. könnte m.E. nicht nachvollziehbar begründet werden, aus welchem Grund es nicht zum mehrfachen Anfall von Grunderwerbsteuer (d.h. in Beteiligungsketten auf allen Ebenen) kommt, wenn die unterste Gesellschaft ein Grundstück hält und die Anteile an der obersten Gesellschaft zu 90 % oder mehr innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergehen3. Auch stellt sich, wenn eine obere Personengesellschaft in Bezug auf ein Grundstück einer unteren Gesellschaft einen der Tatbestände von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hat, nicht die Frage, ob hinsichtlich von Übergängen von Anteilen an der oberen Personengesellschaft auf neue Gesellschafter ein unmittelbarer Anteilsübergang vorliegt; nach hier vertretener Ansicht liegt nur ein mittelbarer Übergang des Anteils an der grundbesitzenden Gesellschaft vor. 6. Änderung des Gesellschafterbestands a) Grundsatz Tatbestandlich relevant sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Gesellschafterwechsel. Denn § 1 338 Abs. 2a Satz 1 GrEStG stellt nach seinem ab 1.1.2000 bzw. ab 1.7.2021 geltenden Wortlaut auf sich innerhalb von fünf bzw. zehn Jahren vollziehende unmittelbare oder mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand dergestalt ab, dass mindestens 95 % bzw. 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Die Frage, ob ein Anteil am Gesellschaftsvermögen auf einen anderen Rechtsträger übergeht, ist von der Frage getrennt zu beurteilen, ob der erwerbende an-

1 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; gleichlautende Erlasse v. 2.12.1999 betr. § 1 Abs. 3 i.d.F. der Bekanntmachung des StEntlG 1999/2000/2002, StEK § 1 GrEStG Rz. 141. 2 Vgl. auch G/B/B/S6, Kapitel 2 Rz. 203 a.E. 3 Vgl. z.B. OFD Rheinland v. 4.2.2011, Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG und Zurechnung von Grundstücken bei mehrfachstöckigen Personengesellschaftsstrukturen, S 4501-1001-St 235, juris. Die OFD Rheinland nimmt an, dass Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auf Ebene der untersten Personengesellschaft in der Kette, die eine mind. 95%ige Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft hält, zu erheben ist; ebenso die Finanzverwaltung im Verfahren 4 K 1101/15 vor dem FG Köln.

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133

§ 1 Rz. 338 Erwerbsvorgänge dere Rechtsträger alter oder neuer Gesellschafter ist1. Nach hier vertretener Ansicht meint Gesellschafterbestand die kapital- oder personengesellschaftsrechtlich an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter. Der Gesellschafterbestand ändert sich, wenn auf der unmittelbaren oder auf einer mittelbaren Beteiligungsebene ein Anteil dinglich auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Ob der andere Rechtsträger neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist, stellt eine davon unabhängige weitere Frage dar. b) Unmittelbarer Anteilsübergang aa) Maßgeblichkeit ausschließlich des Zivilrechts nach BFH und Finanzverwaltung 339

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 Alt. 1 GrEStG liegt nach der BFH-Rechtsprechung2 und Verwaltungsansicht3 vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein bereits bestehendes oder auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft (d.h. auf einen Rechtsträger, der zivilrechtlich bisher nicht Mitglied der Personengesellschaft gewesen ist) übergeht4. Für das Vorliegen eines unmittelbaren Anteilsübergangs ist es erforderlich, dass gesamthänderisches Miteigentum auf einen andern Rechtsträger übergeht. Dies kann rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes erfolgen. Z.B. werden bei einer nichtverhältniswahrenden Abspaltung ohne Kapitalherabsetzung die Anteile derjenigen Gesellschafter, die aus der abspaltenden Gesellschaft ausscheiden oder ihre Anteile an der abspaltenden Gesellschaft verringern, gem. §§ 126 Abs. 1 Nr. 10, 128 UmwG unmittelbar den verbleibenden Gesellschaftern der Gesellschaft zugeordnet; sie gehen mit dem Wirksamwerden der Abspaltung durch HR-Eintragung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ohne Einzelübertragung auf die verbleibenden Gesellschafter über. Dies stellt für die Zwecke von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG einen unmittelbaren Anteilsübergang dar5.

339.1

Tatbestandsmäßig ist dieser unmittelbare Anteilsübergang nur, wenn dieser andere Rechtsträger neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ist. Schon bisher über Kapitalgesellschaften, Gesamthandsgemeinschaften oder Treuhänder, nicht aber unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft dinglich Beteiligte sind zivilrechtlich neue Mitglieder6. Dies gilt auch für den Fall der Übertragung eines unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteils auf eine 1 Die gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 1314, Rz. 5, differenzieren (anders als die Vorgänger-Erlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561) nun ebenfalls zwischen diesen beiden Fragestellungen. 2 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. 3 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Arbeitshilfe zur Abgrenzung von Alt- und Neugesellschaftern i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG Rz. 1.2.1, Beispiel 1. Diese Verfügung wurde durch Verfügung v. 27.6.2016 ersetzt, nicht veröffentlicht. Nach Lange/Broemel, DStR 2017, 1625, hat sich die Meinung der OFD NRW insoweit jedoch nicht geändert. 4 Ob es sich bei dem zivilrechtlich neuen Mitglied um einen Neugesellschafter handelt, ist separat zu prüfen. Nicht jedes zivilrechtlich neue Mitglied der grundbesitzenden Personengesellschaft ist nach hier vertretener Ansicht auch neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. 5 Anders aber, wenn die Anteile der ausscheidenden Gesellschafter durch Kapitalherabsetzung eingezogen werden; vgl. Rz. 454 ff. Offen gelassen von Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 850. 6 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 802, wonach eine durch Anteilsübertragung bewirkte Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG die Übertragung der Mitgliedschaft an der Personengesellschaft durch Abtretung des Gesellschaftsanteils gem. §§ 413, 398 BGB voraussetzt, was zur Folge habe, dass ein bloß mittelbarer Gesellschafter beim Erwerb einer unmittelbaren Beteiligung kein Altgesellschafter, sondern ein im Sinne des Zivilrechts neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft ist. Nach in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018 geäußerter Ansicht, vgl. dort Rz. 5.2.3.1, kann im Rahmen einer unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nur die an der Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft selbst und nicht deren Anteilseigner Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG sein. Diese Ansicht vertrat die FinVerw. auch schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 am 6.11.2015; dagegen aber BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 (gegen FG Düsseldorf v. 29.3.2017 – 7 K 439/10 GE, EFG 2017, 852), LS 1: „Für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 wird zur Berücksichtigung mittelbarer Strukturen auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut“. Wie FG Düsseldorf v. 29.3.2017 – 7 K 439/10 GE auch FG Köln v. 17.4.2019 – 5 K 3132/14, EFG 2020, 544 zum Fall einer sog. Down-stream-Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf die grundbesitzende Personengesellschaft; soweit ersichtlich wurde das zunächst unter II R 35/19 anhängige Revisionsverfahren durch BFH-Beschluss v. 15.9.2021 eingestellt.

134

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 341 § 1

(weitere) Personengesellschaft, an der der übertragende Altgesellschafter gesamthänderisch beteiligt ist, wenn also eine Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer (weiteren) Personengesellschaft vorliegt1. Die sich erstmals an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligende andere Personengesellschaft stellt nach Ansicht von BFH und Finanzverwaltung eine neue Gesellschafterin i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG dar. Eine eventuelle Beteiligungsidentität der bisherigen Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft mit den Gesellschaftern der eintretenden Personengesellschaft soll auf Ebene des Tatbestands von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in der Variante des unmittelbaren Anteilsübergangs unbeachtlich sein2. Bedeutung hat die (vollständige oder teilweise) Beteiligungsidentität auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung jedoch für die Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG, weil im Umfang der fortdauernden Beteiligung von (nunmehr mittelbaren) Altgesellschaftern an der grundbesitzenden Personengesellschaft nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 3 GrEStG evtl. eine Steuervergünstigung zu gewähren ist3. Nach der Rechtsprechung des BFH und der Auffassung der Finanzverwaltung richtet sich die Beantwortung der Frage, ob ein Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergeht, allein nach der zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Rechtslage. Wirtschaftliche Aspekte spielen insoweit keine Rolle. Ein unmittelbarer Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG liegt daher nach Ansicht von BFH und Finanzverwaltung auch dann vor, wenn der bisher unmittelbar beteiligte Gesamthänder (juristische Person) seinen Gesamthandsanteil auf einen seiner Gesellschafter überträgt4. Es soll unerheblich sein, ob der bisher unmittelbar beteiligte ausscheidende Gesamthänder an dem eintretenden Gesamthänder beteiligt ist5. Auch der Übergang eines unmittelbar in der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Gesamthandsanteils auf einen Treuhänder stellt, obwohl der bisher unmittelbar beteiligte Gesamthänder als Treugeber beteiligt bleibt, nach Verwaltungsansicht und Rechtsprechung des BFH einen unmittelbaren Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG dar6. Ebenso soll die Zurückübertragung auf den Treugeber einen unmittelbaren Anteilsübergang darstellen, weil der Treugeber unmittelbarer Neugesellschafter werde7. Dies ist abzulehnen. Nach Ansicht des BFH jedoch sollen wirtschaftliche Gesichtspunkte insgesamt bei der Frage, ob ein unmittelbarer Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter vorliegt, keine Rolle spielen8.

340

Verzichtet der Treugeber gegenüber dem bisher uneigennützigen Treuhänder auf den Anspruch auf Herausgabe von Anteilen am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft, geht kein unmittelbarer an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehender Anteil i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf einen neuen Gesellschafter über. Der Verzicht auf den Herausgabeanspruch ist mithin für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen der Fallgruppe „unmittelbarer Anteilsübergang“ unbeachtlich9.

341

1 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917, Rz. 15; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 103. Nach Behrens/ Bock, DStR 2012, 1307, ist eine solche Personengesellschaft kein neuer Gesellschafter (gegen BFH). Nach Lange/ Broemel, DStR 2017, 1625, ordnet die OFD NRW eine solche neu zwischengeschaltete Personengesellschaft in ihrer Verfügung v. 27.6.2016 (nicht veröffentlicht) als neue Gesellschafterin ein. 2 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 103; OFD Rheinland v. 15.3.2011 in der Fassung v. 15.7.2012, BeckVerw 294283; OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.2. 3 Vgl. gleichlautende Erlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 8.2. 4 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917. A.A. Behrens/Bock, DStR 2012, 1307. 5 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; a.A. Gottwald, BB 2000, 69 (71); Behrens, DStR 2010, 777 (779). 6 Vgl. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, DStR 2013, 360. 7 Vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596; die Rev. beim BFH, Az. II R 3/17 wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet; BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2005, 1341. Nach Ansicht der OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.1, soll dies auch auf mittelbarer Ebene gelten. A.A. Mayer/Wagner, BB 2016, 2519. 8 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II. 2012, 917; v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1431; v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 802. 9 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014 – S 4501-2014/4016 - St 255, Rz. 2.5.1.2, BeckVerw 294282. Anders aber auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung im Rahmen der Fallgruppe „mittelbarer Anteilsübergang“, wenn durch den Verzicht Begünstigter ein nur mittelbarer Gesellschafter ist. Auf Grundlage des einen Fall von § 1 Abs. 3 GrEStG betreffenden BFH-Beschlusses v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, könnte fraglich sein, ob ein bisher schon unmittelbar beteiligter Gesellschafter den von ihm bereits unmittelbar gehaltenen Anteil noch-

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135

§ 1 Rz. 342 Erwerbsvorgänge 342

Auch die Verkürzung der Beteiligungskette, wenn dadurch aus einer mittelbaren eine unmittelbare Beteiligung wird, soll nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung einen Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen1. Zwar geht in diesem Fall ein unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehender Anteil auf einen Rechtsträger über, der bisher nicht unmittelbar an dieser Personengesellschaft beteiligt gewesen ist. Entgegen BFH und Finanzverwaltung kann ein solcher Erwerber nach hier vertretener Ansicht jedoch für die Zwecke von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nicht als neuer Gesellschafter angesehen werden.

342.1

Bei einer Personengesellschafts-Kette folgt dies bereits daraus, dass bei Doppel- bzw. mehrstöckigen Personengesellschaften sowohl die unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft selbst als auch die an ihr beteiligten Gesamthänder als mittelbare Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft gelten2. Ist an einer grundbesitzenden Personengesellschaft eine andere Personengesellschaft 1 und an dieser eine weitere Personengesellschaft 2 gesamthänderisch beteiligt, führt weder die Verschmelzung der Personengesellschaft 1 auf die Personengesellschaft 2 noch die Verschmelzung der Personengesellschaft 2 auf die Personengesellschaft 1 zu einem Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG3. M.E. ergibt sich aus den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, dass die Finanzverwaltung derselben Ansicht ist: Zwar liegt gemäß Tz. 5.1.1 der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.20184 eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht. Auf die Rechtsform des anderen oder neuen Mitglieds der grundbesitzenden Personengesellschaft kommt es nicht an, d.h. auch der Übergang eines unmittelbaren Anteils auf eine Personengesellschaft wird von der Finanzverwaltung als Anteilsübergang angesehen. Wenn die erwerbende Personengesellschaft bisher jedoch bereits an der bisher an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft (oder in einer reinen Personengesellschaftskette an einer höheren Personengesellschaft) beteiligt gewesen ist und gemäß Tz. 5.2.1.2 der Erlasse vom 12.11.2018 als sog. mittelbare Altgesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft gilt, liegt kein Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter und damit auch kein sog. Zählerwerb vor5. Dies ist unabhängig davon, ob die in Reihe beteiligten Personengesellschaft jeweils zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär 95 %) an der jeweils nachgelagerten Personengesellschaft beteiligt sind6. War die bei einer Beteiligungsketten-Verkürzung erwerbende Personengesellschaft also bereits als sog. Altgesellschafterin mittelbar über eine oder mehrere andere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt7, liegt – weil es sich unabhängig von der Quote der Beteiligung um einen unmittelbaren Anteilsübergang auf einen sog. Altgesellschafter handelt – kein sog. Zählerwerb vor8. Dies folgt auch aus dem BFH-Urteil II R 18/17 vom

1

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7 8

mals mittelbar erwerben kann; m.E. sollte dies ausgeschlossen sein, weil er ein und denselben Anteil nicht gleichzeitig unmittelbar und mittelbar halten kann. Ein mittelbarer Anteilsübergang ist abzulehnen, wenn der Erwerber im Anschluss nur unmittelbar an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.6.2.: Durch die Verstärkung zur unmittelbaren Beteiligung trete handelsrechtlich ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft ein, unabhängig davon, ob ihm dieser Anteil grunderwerbsteuerrechtlich bereits mittelbar zuzurechnen war; analoge Anwendung des BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; v. 29.2.2012 – II R 57/99, BStBl. II 2009, 917. Vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.1.2. Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 119. Vgl. die nicht mehr gültige Verfügung der OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.7. Vgl. BStBl. I 2018, 1314. Anders zuvor OFD NRW v. 27.6.2016, Rz. 1.2.1, Beispiel 2, nicht veröffentlicht. Der vorletzte Satz in Tz. 5.2.3.1 der Erlasse v. 12.11.2018 („Bei Personengesellschaften in der Kette ist zu beachten, dass die 95%ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist“) betrifft nur den Fall, dass in der Beteiligungskette Personengesellschaften zwischen Kapitalgesellschaften in der Kette zwischengeschaltet sind. Zur sog. mittelbaren Altgesellschaftereigenschaft in diesen Fällen vgl. Tz. 5.2.1.2 der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (107), halten die Erlasse v. 12.11.2018 zu § 1 Abs. 2a GrEStG insoweit für unklar. Es stünde „zu befürchten, dass die Verkürzung der Beteiligungskette in einem reinen Personengesellschaftskonzern bei unmittelbarer Beteiligung des zuvor mittelbar beteiligten Gesellschafters nach Auffassung der FinVerw im Ergebnis ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang sein soll“. Angesichts der Definition des mittelbar

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 344 § 1

17.6.20201, das zwar zu einem Fall einer unmittelbaren Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft und zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der Fassung vor dem 6.11.2015 erging, jedoch für die mittelbare Altgesellschaftereigenschaft keine Mindest-Beteiligungsquote verlangt. Insoweit hat das BFH-Urteil II R 18/17 für reine Personengesellschaftsketten auch die Rechtslage ab 6.11.2015 Bedeutung. Nach hier vertretener Ansicht können auch die über eine Kapitalgesellschaft beteiligten Rechtsträger 342.2 sog. Altgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein. Deshalb stellt m.E. auch die Verkürzung einer aus Kapitalgesellschaften bestehenden Beteiligungskette, auch wenn die unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft ihren Anteil auf ihren Gesellschafter überträgt, keinen sog. Zählerwerb für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG dar. Anderer Ansicht ist jedoch wiederum die Finanzverwaltung, die die Verkürzung der Beteiligungskette als Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter wertet, auch wenn eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft ihren Anteil auf ihren Gesellschafter (oder einen ihrer Gesellschafter) überträgt, z.B. wenn eine Kapitalgesellschaft als direkte 100 %-Gesellschafterin einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf ihren unmittelbaren 100 %-Gesellschafter verschmolzen wird2. Bei Übertragung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf Grundlage eines Sicherungsabtretungsvertrags liegt, wenn der Sicherungsnehmer bisher an der grundbesitzenden Personengesellschaft nicht (seit mind. zehn bzw. fünf Jahren3 bzw. seit Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft bzw. seit letztmaliger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG) beteiligt ist, auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung ebenfalls ein unmittelbarer Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter vor, unabhängig davon, ob bzw. wann der Sicherungsfall eintritt4. Kein unmittelbarer Anteilsübergang wird durch die Bestellung eines Pfandrechts am Anteil ausgelöst.

343

Unter der Geltung von § 1 Abs. 2a GrEStG in der Fassung vor Inkrafttreten des StÄndG 20155 am 344 6.11.2015 war es mit dem Charakter von § 1 Abs. 2a GrEStG als typisierender Missbrauchsvermeidungsnorm und auch mit der Auslegung der Variante „mittelbare Anteilsübergang“ in § 1 Abs. 2a GrEStG durch den BFH im Urteil II R 17/10 v. 24.4.20136 nicht vereinbar, für das Tatbestandsmerkmal „unmittelbarer Anteilsübergang“ ausschließlich auf die zivilrechtliche Rechtsänderung im unmittelbaren Gesellschafterbestand abzustellen, grunderwerbsteuerrechtliche Wertungen jedoch gänzlich außer Betracht zu lassen. Auch nach Einfügung der Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015 ist insbesondere die Zwischenschaltung einer Gesellschaft, d.h. der Fall, dass ein bisher unmittelbar an der grundstückshaltenden Personengesellschaft Beteiligter seine Beteiligung auf eine Kapital- oder Personengesellschaft überträgt, an der er wiederum selbst beteiligt ist (sog. Beteiligungskettenverlängerung), m.E. nicht tatbestandsmäßig, weil keine objektive Missbrauchsmöglichkeit besteht; denn durch die Verlängerung der Beteiligungskette wird das Grundstück nicht in neue Hände ge-

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5 6

beteiligten Altgesellschafters in Tz. 5.2.1.2 der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018 ist dem zu widersprechen. Denn in Tz. 5.3. Abs. 3 stellt die Finanzverwaltung klar, dass § 1 Absatz 2a Satz 1 GrEStG „keine Änderungen der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Altgesellschafter im Verhältnis zueinander [erfasst]“. Vgl. BStBl. II 2021, 318. Vgl. die gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.3.2, wonach die Gesellschafter einer beteiligten Kapitalgesellschaft nicht sog. Altgesellschafter der Personengesellschaft sind, an der die Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051: Ein neuer Gesellschafter wird nach der bis 30.6.2021 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG erst mit Ablauf von fünf Jahren zum Altgesellschafter. Vgl. FG Münster v. 10.4.2014 – 8 K 306/11 GrE, EFG 2015, 1838, Rz. 34: „Grunderwerbsteuerlich kommt es allein darauf an, wer zivilrechtlich Gesellschafter geworden und damit am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist; § 39 Abs. 2 AO findet keine Anwendung“; ebenso BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, DStR 2017, 1593. Die Übertragung von Personengesellschaftsanteilen erfolgt durch ein Verfügungsgeschäft und bedarf unabhängig davon, dass die Personengesellschaft Eigentümer inländischer Grundstücke ist, keiner besonderen Form. Im Grundsatz ist auch die Eintragung in das Handelsregister keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den dinglich wirksamen Übergang von Kommanditanteilen; anderes gilt jedoch, wenn die dingliche Erlangung der Gesellschafterstellung von der Eintragung im Handelsregister abhängig gemacht wird. Dies ist zum Zwecke der Haftungsbeschränkung häufig der Fall; vgl. § 176 HGB. Zu Sicherungsabtretung und mittelbarem Anteilsübergang vgl. Rz. 353 a.E. Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833.

Behrens

137

§ 1 Rz. 344 Erwerbsvorgänge geben1. Für die Rechtslage vor Inkrafttreten des StÄndG am 6.11.2015 hat der BFH dies im Urteil II R 17/18 v. 17.6.2020 im Ergebnis ebenso beurteilt, was die Finanzverwaltung durch Veröffentlichung im BStBl. Teil II übernommen hat2. Für die Rechtslage ab 6.11.2015 stellt die Finanzverwaltung jedoch strikt darauf ab, ob „ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht“3. bb) Derivative und originäre Anteilsübergänge 345

Ein Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft kann zum einen dadurch auf einen neuen Gesellschafter übergehen, dass ein bisher unmittelbar beteiligter Gesellschafter seine Beteiligung oder einen Teil seiner Beteiligung auf einen bisher nicht oder noch nicht zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär4 fünf) Jahre lang oder nicht spätestens seit Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft oder seit letztmaliger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beteiligten und daher als Neugesellschafter zu qualifizierenden Erwerber5 überträgt oder der Anteilsübergang auf einer übertragenden Umwandlung beruht6 (sog. derivativer Anteilsübergang).

346

Zum anderen liegt, wenn ein bisher nicht beteiligter Gesellschafter in die grundbesitzende Personengesellschaft eintritt und er Anteile an ihren Gesellschaftsvermögen übernimmt, mit zivilrechtlich wirksamem Erwerb der neuen Anteile durch den übernehmenden Gesellschafter ein originärer Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter vor, wenn der übernehmende Gesellschafter bisher nicht beteiligt gewesen ist bzw. seit weniger als zehn bzw. fünf Jahren und erst nach Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft und nach letztmaliger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG an dieser (ohne dass sein Beitritt Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst oder dazu beigetragen hat) beteiligt gewesen ist (sog. originärer Anteilserwerb)7.

347

In der Platzierungsphase von Immobilienfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft kommt es, auch wenn das grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Quantum i.H.v. 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär8 95 %) durch Beitritt weiterer Gesellschafter mehrfach erreicht wird, dennoch nur zur einmaligen Festsetzung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Wenn bei Grundstückserwerb durch eine Personengesellschaft von vornherein ein bestimmtes Gesamtinvestitionsvolumen geplant ist, das durch die Einwerbung weiterer Gesellschafter finanziert werden soll, bezieht die Finanzverwaltung bisher das Quantum von 95 % auf das Gesamtinvestitionsvolumen.9 Zwar fehlt in den Erlassen v. 12.11.2018 (anders als in den Vorgänger-Erlassen vom 18.2.2014) eine explizite Aussage hierzu; dass das StÄndG 2015 oder das GrEStÄndG vom 12.5.2021 hier Anlass für eine Meinungsänderung sein könnten, ist jedoch nicht ersichtlich. Der Finanzverwaltung und dem BFH10 ist 1 2 3 4 5

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7 8 9 10

Behrens/Bock, DStR 2012, 1307; a.A. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 856. Vgl. BStBl. II 2021, 318. Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.1.1. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Ein Neugesellschafter verliert diese Eigenschaft erst nach Ablauf von zehn (bzw. unter der Geltung der bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär geltenden Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG fünf) Jahren. Insoweit unterscheidet sich bei § 1 Abs. 2a Satz 1 Var. 1 GrEStG („unmittelbarer Anteilsübergang“) auch nach Ansicht des BFH die grunderwerbsteuerliche von der zivilrechtlichen Betrachtungsweise; vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. Zum Anteilsübergang aufgrund Abspaltung vgl. z.B. BFH v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855, wonach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auch dann erfüllt ist, wenn die Gesellschafterstellung einer zu 100 % am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten GmbH aufgrund Abspaltung auf eine andere Personengesellschaft übergeht, an deren Vermögen der Alleingesellschafter der GmbH zu 100 % beteiligt ist; die Voraussetzungen für die Nicht-Erhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind in diesem Fall aufgrund Intransparenz der abspaltenden GmbH im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG nicht erfüllt. Vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3.7; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 106, unter Hinw. auf Grundstücksprojektgesellschaften, geschlossene Immobilienfonds etc., bei denen das projektierte Kapital im Zuge von Kapitalerhöhungen aufgebracht wird. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Beispiel 3.6. Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783, Rz. 26: „Soll das Eigenkapital der Personengesellschaft nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zur Finanzierung eines Investitionsvorhabens entsprechend einem Gesamtplan bis zu einem festgelegten Zeitpunkt und bis zu einem bestimmten Betrag erhöht werden

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 350 § 1

darin, dass sie den Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nur in Bezug auf den Vollzug der konzeptionierten Gesamtinvestition prüfen, zuzustimmen1. Originäre und derivative Anteilsübergängen können dadurch kombiniert werden, dass zunächst ein 348 neuer Gesellschafter der Personengesellschaft durch Erwerb eines Anteils von einem der anderen Gesellschafter beitritt und er zu einem späteren Zeitpunkt (vor Ablauf von fünf Jahren seit Anteilserwerb) seinen Anteil im Wege der Kapitalerhöhung disproportional im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern aufstockt2. Sind an einer grundbesitzenden Personengesellschaft noch als Neugesellschafter anzusehende Gesellschafter beteiligt und scheidet ein anderer (Alt-)Gesellschafter z.B. aufgrund Kündigung aus der Gesellschaft aus, stellt das Anwachsen seines Anteils gem. § 738 BGB bei den anderen (Neu-)Gesellschaftern ebenfalls Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter dar. cc) Anteilsübergang bei bloßem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft § 1 Abs. 2a GrEStG setzt den Übergang von Anteilen auf neue oder auf zivilrechtlich zwar schon beteiligte, grunderwerbsteuerrechtlich aber noch als neu geltende Gesellschafter voraus. Scheidet ein Gesellschafter aus der fortbestehenden Personengesellschaft aus, wächst sein Anteil gem. § 738 BGB den übrigen Gesellschaftern zu. M.E. ist dieses An- oder Zuwachsen als Anteilsübergang auf die übrigen Gesellschaften zu werten. Danach wird m.E. im folgenden Sachverhalt der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht3:

349

V ist zunächst alleiniger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH einer grundstücksbesitzenden KG. Zunächst veräußert er eine Kommanditbeteiligung i.H.v. 89,9 % an K. Vor Ablauf von zehn Jahren scheidet V gegen Abfindung in Höhe des Verkehrswerts des ihm zunächst verbliebenen 10,1%igen KG-Anteils aus der KG aus.

350

Ausgangsstruktur: V

89,9 %

Schritt 1: Übergang von 89,9 % auf K K

V

Schritt 2: Ausscheiden des V K

10,1 %

89,9 % 100 %

100 %

KG

K

KG

KG

V scheidet aus der KG gegen Abfindung aus.

Die bisherige Beteiligung des K i.H.v. 89,9 % erstarkt zu 100 %

und sollen die beitretenden Treugeber die Erhöhungen leisten, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG verwirklicht, wenn den Treugebern als neuen Gesellschaftern entsprechend dem vorgefassten Plan bezogen auf das geplante Eigenkapital mind. 95 % der Anteile an der Personengesellschaft zuzurechnen sind (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.3). 1 Ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 888 ff. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3.7. 3 Dies ist allerdings anders im Fall der Einziehung von Anteilen an an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften. Vgl. dazu Rz. 454 bis 456.

Behrens

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§ 1 Rz. 351 Erwerbsvorgänge 351

Zunächst gehen lediglich i.H.v. 89,9 % Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG auf K über. Anschließend gehen dadurch, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens des V aus der KG die restlichen 10,1 % der Anteile an Gesellschaftsvermögen dem K an- bzw. zuwachsen, die restlichen 10,1 % der Anteile auf K über. K ist im obigen Beispiel noch neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, weil seit dinglichem Übergang der ersten 89,9 % auf K noch keine zehn Jahre vergangen sind. c) Mittelbarer Anteilsübergang aa) Formen des mittelbaren Anteilsübergangs

352

§ 1 Abs. 2a GrEStG erfasst seit der Neuregelung durch das StEntlG 1999/2000/2002 auch mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands1. Diese Neuregelung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass neue Gesellschafter Personengesellschaftsanteile über zwischengeschaltete Gesellschaften erwerben und dadurch die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG vermeiden2. Nach Ansicht des BFH wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG durch den Begriff „oder mittelbar“ nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass eine unmittelbare Übertragung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär 95 %) der Anteile nicht steuerbar wäre, wenn mittelbar – bei wirtschaftlicher Betrachtung – die Altgesellschafter weiterhin an der Gesellschaft beteiligt blieben. Denn der Zusatz „oder mittelbar“ solle – so der BFH – den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht etwa einschränken, sondern – im Gegenteil – erweitern3. Es ist unbefriedigend, dass der BFH den Zweck von § 1 Abs. 2a GrEStG (typisierende Missbrauchsvermeidung) nicht erwähnt.

353

Auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH kann sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG mittelbar auf zweierlei Art ändern: – Zum einen kann eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes dadurch eintreten, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft zivilrechtlich ändern4. Nur diese Form des mittelbaren Anteilsübergangs ist Gegenstand der Neuregelung in § 1 Abs. 2a Satz 2 bis 5 GrEStG durch das StÄndG 2015. Eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse aufgrund dinglichen Anteilsübergangs ließ nach der bis zum 5.11.2015 gültigen Gesetzesfassung nach der Auslegung durch den BFH die zwischengeschaltete Kapital- oder Personengesellschaft nur dann fiktiv zu einer neuen Gesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft werden, wenn sich im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum deren Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat5. Für ab 6.11.2015 verwirklichte Erwerbsvorgänge gelten die Regelungen in § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG (vgl. Rz. 426 bis 459). Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung, wonach beim mittelbaren Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft wird, eine Anknüpfung an das Zivilrecht ausscheidet, weil es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht6, kann der dingliche Übergang eines Anteils an einer beteiligten Gesellschaft nur dann ein sog. Zählerwerb für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG sein, wenn das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen oder mehrere neue Gesellschafter übergeht.

1 Zur bis Ende 1999 gültigen Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. BFH v. 30.4.2003 – II R 79/00, BStBl. II 2003, 890. 2 Vgl. BR-Drucks. 910/98, 203. 3 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341, Rz. 17; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917, Rz. 11. 4 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 5 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, Tz. 24. 6 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, Rz. 14: „Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt und bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zivilrechtlich kein Anteil an der Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergeht“ (die Nichtanwendungserlasse v. 9.10.2013, BStBl. II 2013, 1278, wurden mit Erlassen v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822, aufgehoben); zu § 1 Abs. 3 GrEStG vgl. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 15.

140

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 353 § 1

– Zum anderen kann sich nach erstmals im Urteil vom 9.7.20141 zur Altfassung des § 1 Abs. 2a entwickelter und zwischenzeitlich von einzelnen Finanzgerichten2 übernommener Auffassung des BFH die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 (über Treuhandgeschäfte hinaus) auch aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter ergeben3, wobei insoweit das vom BFH für die bis 5.11.2015 gültige Gesetzesfassung aufgestellte Erfordernis der vollständigen Änderung des Gesellschafterbestandes auf der obersten Ebene der Beteiligungskette nicht gelten soll4. Dabei könne unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden, wobei die Grundlage einer solchen Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt sei5. Für das Vorliegen schuldrechtlicher Bindungen der an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter soll es laut BFH nach dem – einen Fall der Vereinbarungstreuhand betreffenden – Urteil vom 25.11.2015 entscheidend auf die Begründung schuldrechtlicher Ansprüche auf Anteilsübertragung ankommen6. Dies kann auch auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung nur für Treuhandgeschäfte so formuliert werden, und zwar für solche, bei denen die Voraussetzungen von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erfüllt sind, d.h. das wirtschaftliche Eigentum dem Treugeber zuzurechnen ist. Insgesamt ignoriert die Sichtweise des BFH jedoch, dass § 1 Abs. 2a GrEStG – anders als § 1 Abs. 3 GrEStG – schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, die Ansprüche auf Anteilsübertragungen begründen, gerade nicht als Tatbestandsmerkmal nennt; die Sichtweise des BFH zum mittelbaren Anteilsübergang durch Begründung schuldrechtlicher Anteilsübertragungsansprüche ist daher abzulehnen. Vor dem BFH-Urteil vom 9.7.20147 wurden mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung ebenfalls bereits angenommen, allerdings nur in den Fällen der Begründung, Übertragung und in bestimmten Fällen der Auflösung von Treuhandverhältnissen8. Seit dem BFH-Urteil vom 9.7.2014 gilt dies nach BFH und Finanzverwaltung9 unabhängig vom Vertragstyp. Gegenstand der durch das StÄndG vom 2.11.2015 mit Wirkung ab 6.11.2015 eingeführten Neuregelung in § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG ist ausschließlich der mittelbare Anteilsübergang infolge sachenrechtlichen Übergangs der Rechtsinhaberschaft an Anteilen, nicht die (angebliche) Be1 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Vgl. dazu die gleichlautenden Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2016, 136, aufgehoben durch die gleichlautenden Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1333; vgl. auch die Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 (1314), Rz. 5.1.2. 2 Vgl. FG Bad.-Württ. v. 9.7.2021 – 5 K 1880/19, juris, Rz. 41: „Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 AO ist vorzunehmen, weil und (nur) soweit eine zivilrechtliche Betrachtung nicht möglich ist. Das bezieht sich auf die Frage des Vorliegens mittelbaren Anteilsbesitzes im Rahmen der vorgenannten Tatbestände“. Vgl. auch Niedersächsisches FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, juris, Rev. beim BFH unter Az. II R 28/21, Rz. 78: „… unter Berücksichtigung der bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach der Rechtsprechung des BFH anzuwendenden grunderwerbsteuerliche Besonderheiten beachtenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise …“. 3 Anderer Ansicht z.B. noch FG München v. 12.2.2014 – 4 K 1537/11, EFG 2014, 948. 4 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. Vgl. auch FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596; die zunächst anhängige Rev. beim BFH, Az. II R 3/17, wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet. 5 So auch die Finanzverwaltung, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1.2. Die Anwendung von § 1 Abs. 2 GrEStG auf Anteilsgeschäfte ist wegen dessen Beschränkung auf Grundstücksgeschäfte unzulässig; vgl. oben Rz. 245. 6 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783, Rz. 22: „Zur Begründung der mittelbaren Gesellschafterstellung der Treugeber reichen ihre schuldrechtlichen Ansprüche auf Anteilsübertragung aus (vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 306; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 113)“. 7 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 8 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; vgl. gleichlautende Ländererlasse zu Erwerbsvorgängen i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 761; vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 18.2.2014, Rz. 2.2, BStBl. I 2014, 561. Gegen die Relevanz von Treuhandgeschäften im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG bereits Behrens/Schmitt, DStR 2005, 1929; Behrens/Schmitt, UVR 2009, 240; Schmidt-Gorbach/Hartrott, DStR 2014, 1210; FG München v. 12.2.2014 – 4 K 1537/11, EFG 2014, 948. 9 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1.2.

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§ 1 Rz. 353 Erwerbsvorgänge gründung mittelbarer Gesellschafterstellungen durch die Begründung schuldrechtlicher Ansprüche auf Anteilsübertragung. Nach Ansicht des BFH gelten die im Urteil vom 9.7.20141 entwickelten Grundsätze auch nach Inkrafttreten des StÄndG 2015 fort2. Dem ist zu widersprechen; denn was ein mittelbarer Anteilsübergang ist, regeln seit dem Inkrafttreten des StÄndG 2015 abschließend die neuen Sätze 2 bis 5, in denen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht angelegt ist3. Mit dem Argument, der Gesetzgeber habe nicht geregelt, was unter einem mittelbaren Anteilsübergang zu verstehen sei, kann die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht (mehr) begründet werden. Wenn allerdings die BFH-Rechtsprechung zur Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO über den 5.11.2015 hinaus fortgelten soll4, muss ein zivilrechtlich vollzogener mittelbarer Gesellschafterwechsel m.E. dann tatbestandslos sein, wenn das wirtschaftliche Eigentum am übertragenen Anteil – wie z.B. bei der Sicherungsabtretung – zurückbehalten wird5. So dürften im Falle der auf Kapitalgesellschaftsanteile bezogenen Wertpapierleihe, wenn die Kapitalgesellschaft z.B. unmittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, tatbestandsmäßig keine mittelbaren Anteilsübergänge angenommen werden, wenn das wirtschaftliche Eigentum beim Verleiher der Anteile verbleibt6. Für mittelbare Anteilsübergänge kommt es auf dieser Grundlage nach der Rechtsprechung des BFH also ausschließlich auf das wirtschaftliche Eigentum an. bb) Mittelbarer Anteilsübergang durch dinglichen Übergang der Rechtsinhaberschaft an Anteilen vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 354

Vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 mit Wirkung ab 6.11.2015 war die Auslegung des Merkmals „mittelbarer Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter“ umstritten. Die Finanzverwaltung ging schon für die Rechtslage vor dem 6.11.2015 davon aus, dass das für die unmittelbaren Änderungen maßgebende Quantum von 95 % auch für mittelbare Änderungen entscheidend und dass dabei zwischen (unmittelbar oder mittelbar) beteiligten Personengesellschaften einerseits und (unmittelbar oder mittelbar) beteiligten Kapitalgesellschaften andererseits zu unterscheiden sei7. Bei mittelbarer Beteiligung über (ggf. mehrstöckige) Personengesellschaften sei auf deren jeweilige Beteiligungsstruktur abzustellen und dementsprechend durchzurechnen. Bei unmittelbarer Beteiligung einer Kapitalgesellschaft liege dagegen eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft nur vor, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar um mindestens 95 % geändert haben. Gingen bei einer Kapitalgesellschaft mindestens 95 % der Anteile auf neue Anteilseigner über, berücksichtigte die Finanzverwaltung die Beteiligung der Kapitalgesellschaft an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft bei der Ermittlung des Prozentsatzes i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in voller Höhe (sog. Stufenbetrachtung). Betrug das Quantum der auf neue Anteilseigner übergehenden Anteile an der Kapitalgesellschaft weniger als 95 %, blieb die Kapitalgesellschaft insgesamt Altgesellschafterin, so dass von der Finanzverwaltung insgesamt kein tatbestandsmäßiger Anteilsübergang angenommen wurde.

355

Der BFH folgte der Verwaltungsansicht mit Urteil vom 24.4.20138 ausdrücklich nicht. Er vertrat vielmehr die Ansicht, dass die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG anders als die unmittelbare Änderung ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen sei und eine mittelbare Änderung des 1 2 3 4 5 6

BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783, Rz. 19. A.A. Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104. So der BFH im Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, Rz. 19, BStBl. II 2018, 783. Dies ist allerdings abzulehnen. So auch Mayer/Wagner, BB 2016, 2519. Zu einem Fall, in dem nur das zivilrechtliche, nach Ansicht des BFH aber nicht das wirtschaftliche Eigentum auf den Entleiher übergegangen ist, vgl. BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BStBl. II 2016, 961 = FR 2016, 369 m. Anm. Ebel; BMF v. 11.11.2016, BStBl. I 2016, 1324; v. 17.7.2017, BStBl. I 2017, Rz. 5. 7 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245, v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561 jeweils Rz. 2.2 und v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5. 8 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; vgl. den Nichtanwendungserlass v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278; aufgehoben mit gleichlautendem Ländererlass v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822.

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 356 § 1

Gesellschafterbestandes nur vorliege, wenn sich im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum der Gesellschafterbestand einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft unverändert beteiligt gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat. Für die Frage, ob es zum Austausch aller Gesellschafter auf den mittelbaren Beteiligungsebenen gekommen ist, kommt es nach BFH – m.E. auch in den Fällen des mittelbaren Anteilsübergangs in Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO1 – nicht auf solche Rechtsträger an, an denen wiederum andere Rechtsträger beteiligt sein können. Sämtliche zwischengeschalteten Gesellschaften, d.h. Rechtsträger, an denen gesellschaftsrechtliche Beteiligungen bestehen können, sind für die Frage nach der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes transparent, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Kapital- oder Personengesellschaften handelt. Entscheidend ist mithin die Änderung der mittelbaren Beteiligungen natürlicher Personen, Stiftungen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts an den oberen Enden der Beteiligungsketten. Die Finanzverwaltung trägt für den vollständigen Wechsel der Beteiligungen dieser Rechtsträger als anspruchsbegründende Tatsache nach BFH die Feststellungslast. Damit setzte sich der BFH über die von der Finanzverwaltung vertretene Vorstellung hinweg, dass bei einer Kapitalgesellschaft nur diese Trägerin ihrer Vermögensgegenstände sei, während bei einer Personengesellschaft deren Gesellschafter über ihre Gesamthandsberechtigungen Träger der Vermögensgegenstände der Personengesellschaft seien. Nach Verwaltungsansicht erlaubt es nur die Sachnähe, die aus diesem sachenrechtlichen Bezug der Zugehörigkeit des Anteils am Vermögen der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft, der unlösbar mit dem Gesellschaftsanteil an ihr verbunden ist, zum Gesamthandsvermögen folgt, Personengesellschaften als transparent anzusehen2. Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften gebe es diesen sachenrechtlichen Bezug nicht. Auch nach Ansicht des BFH waren schon bisher Änderungen im Gesellschafterbestand einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder über weitere Personengesellschaften beteiligten Personengesellschaft stets als mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft anzusehen3. Auf das BFH-Urteil vom 24.4.20134 reagierte die Finanzverwaltung zunächst mit einem sog. Nicht- 356 anwendungserlass vom 9.10.20135. Dieser Nichtanwendungserlass wurde am 16.9.2015 wieder aufgehoben6. Für bis zum 5.11.20157 verwirklichte Anteilsübergänge stellt mithin nun auch die Finanzverwaltung auf die vom BFH im Urteil vom 24.4.2013 vertretenen Grundsätze ab. Grunderwerbsteuerbescheide und Feststellungsbescheide i.S.v. § 17 Abs. 3 GrEStG, denen die Verwaltungsansicht zugrunde liegt, sind – soweit noch nicht bestandskräftig oder soweit unter Vorläufigkeitsvermerk i.S.v. § 165 AO oder soweit unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO erlassen – aufzuheben. Bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch sukzessive Anteilsübergänge, die zum Teil vor dem 6.11.2015 und zum Teil nach dem 5.11.2015 verwirklicht wurden bzw. werden, können nur solche mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand von an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Kapital- und Personengesellschaften, die vor dem 6.11.2015 vollzogen wurden, auf Grundlage der Verwaltungsansicht mit den nach dem 5.11.2015 verwirklichten Anteilsübergängen zusammengerechnet werden, die nach den vom BFH im Urteil vom 24.4.2013 vertretenen Grundsätzen einen mittelbaren Anteilsübergang darstellen8.

1 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 17/14, DStR 2016, 242; anders noch die erste Instanz, FG München v. 12.2.2014 – 4 K 1537/11, EFG 2014, 948. 2 Vgl. Hofmann10, § 1 GrEStG Rz. 111; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 110. 3 Vgl. auch BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917. 4 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; vgl. den Nichtanwendungserlass v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278; aufgehoben mit gleichlautendem Ländererlass v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822. 5 Vgl. BStBl. I 2013, 1278. 6 Vgl. BStBl. I 2015, 822. 7 Nach § 23 Abs. 13 GrEStG in der Fassung des StÄndG 2015 ist § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Datum des Tages der Verkündung des StÄndG 2015 (d.h. nach dem 5.11.2015) verwirklicht werden. 8 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 111 b; Loose in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 93 f.; Behrens, BB 2017, 1046. Der ursprünglich vom Bundesrat unterbreitete Vorschlag, § 1 Abs. 2a GrEStG mit Rückwirkung auf alle nach 2001 verwirklichten Erwerbsvorgänge zu ändern (vgl. BR-Drucks. 184/14, 45; BR-Drucks. 432/14), wurde nicht umgesetzt.

Behrens

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§ 1 Rz. 357 Erwerbsvorgänge 357

Durch die durch das StÄndG 20151 mit Wirkung ab 6.11.2015 in Kraft gesetzte Neuregelung wurde die Tatbestandsvariante „mittelbarer Anteilsübergang“ erstmals gesetzlich geregelt. Die vom BFH im Urteil vom 24.4.20132 zum Merkmal „mittelbarer Anteilsübergang“ i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a.F. entwickelten Grundsätze3 wurden im Grundsatz4 für die Zukunft (nicht aber für die Vergangenheit, d.h. für Vorgänge bis einschließlich 5.11.2015) obsolet; die im Wesentlichen (allerdings mit Abweichungen im Detail) von der Finanzverwaltung zumindest seit den Erlassen vom 25.2.20105 bundesweit vertretene Ansicht zur Auslegung dieses Merkmals erhielt Gesetzeskraft (mit Unterschieden in Bezug auf die Differenzierung zwischen alten und neuen Gesellschaftern).

358

Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO6 sind mittelbare Anteilsübergänge durch dinglichen Übergang der Rechtsinhaberschaft an Anteilen an beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaften nur dann tatbestandsmäßig, wenn zugleich auch das wirtschaftliche Eigentum an diesen Anteilen übertragen wird (vgl. Rz. 353 a.E.). cc) Mittelbarer Anteilsübergang durch Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen bzw. der Wertteilhabe nach Inkrafttreten des StÄndG 2015 (1) Sachverhalt und Grundsätze von BFH II R 49/12

359

Nach Auffassung von BFH7 und Finanzverwaltung8 sollen die vom BFH im Urteil v. 9.7.20149 entwickelten Grundsätze (entgegen der hier vertretenen Ansicht) auch für die nach dem 5.11.2015 gültige Gesetzeslage fortgelten (vgl. Rz. 352 bis 353). Deshalb werden der Sachverhalt und die vom BFH entwickelten Grundsätze im Folgenden detailliert dargestellt: (2) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen im Zusammenhang mit Anteilskäufen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO)

360

Im Urteil vom 9.7.201410 rechnete der BFH in einem Fall, in dem der mit einem Anteil von 5,6 % zivilrechtlich in der Grundstücks-KG verbliebene Altgesellschafter durch weitere Absprachen vollständig zugunsten des neuen 94,4%igen Gesellschafters „entrechtet“ worden war, den 5,6%igen Anteil am Vermögen der grundbesitzenden KG dem Käufer des 94,4%igen Anteils (d.h. einem vom zivilrechtlichen Inhaber des 5,6 %-Anteils verschiedenen Dritten) nach den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 1 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (Siebter Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BR-Drucks. 18/4902 – ProtokollerklärungsUmsG-Entwurf v. 23.9.2015, BT-Drucks. 18/ 6094, 26; Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der AO an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 27.3.2015, vgl. BR-Drucks. 121/15. Vgl. BR-Drucks. 418/15 v. 25.9.2015 S. 10. 2 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 3 Im Urteil II R 17/10 behandelt der BFH an grundbesitzenden Personengesellschaften beteiligte Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen als transparent und verlangt für das Vorliegen eines mittelbaren Anteilsübergangs i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, dass sämtliche Rechtsträger an den oberen Enden der Beteiligungsketten vollständig ausgetauscht werden, und zwar die Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können (natürliche Personen, öffentlich rechtliche Körperschaften, Anstalten öffentlichen Rechts, Stiftungen, etc.). 4 In Bezug auf solche Fallgestaltungen, die vom Wortlaut der Neuregelungen in § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG nicht erfasst sind, wird vereinzelt die Frage aufgeworfen, ob die BFH-Grundsätze des Urteils II R 17/10 auch für nach dem 6.11.2015 stattfindende Vorgänge Gültigkeit haben; vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 360. 5 Vgl. BStBl. I 2010, 245. 6 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 7 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783, Rz. 19. 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 9.12.2015 – S 4501, BStBl. I 2016, 136; Hinw. zu dem BFH-Urteil v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Aufgehoben durch die gleichlautenden Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1333, jetzt in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1.2 enthalten. 9 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 = BFH/NV 2014, 1667; erstinstanzlich: FG Bad.-Württ. v. 27.7.2011 – 2 K 364/08, EFG 2013, 395. 10 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 362 § 1

AO auch für die Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zu. Ein Dritter kann danach mittelbarer Anteilserwerber und damit Neugesellschafter sein, obwohl das Mitgliedschaftsrecht zivilrechtlich beim bisherigen Gesellschafter verbleibt, und zwar dann, wenn dem Dritten aufgrund rein schuldrechtlicher Bindungen das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung sowie die mit dem unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteil verbundenen wesentlichen Rechte zustehen und der Dritte aufgrund bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Anteils gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Nach Ansicht des BFH soll dann eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG gegeben sein1. Ist Gesellschafter der ein Grundstück haltenden Personengesellschaft eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, sind mittelbare Anteilsübergänge danach in der Form denkbar, dass die vom Gesellschafter gehaltene Personengesellschaftsbeteiligung aufgrund schuldrechtlicher Bindungen gegenüber einem bisher nicht beteiligten Dritten diesem Dritten (mittelbar) zuzurechnen ist2. Auf Grundlage dieser Sichtweise sollen die vom BFH im Urteil vom 9.7.20143 entwickelten Grundsät- 361 ze auch nach Ergänzung von § 1 Abs. 2a GrEStG mit Wirkung ab 6.11.2015 weiterhin anwendbar sein4. Gegen diese Sichtweise spricht jedoch, dass bis zum 5.11.2015 im Gesetzeswortlaut nicht geregelt war, unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilsübergang vorliegt. Die Praxis stellte auf den Begriff des mittelbaren Gesellschafters als grunderwerbsteuerrechtlichem Zweckbegriff ab5. Seit dem 6.11.2015 ist jedoch – m.E. abschließend – geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilsübergang anzunehmen ist. Weil der Gesetzgeber nur den Fall der kapital- bzw. personengesellschaftsrechtlichen Änderung des Gesellschafterbestands der zwischengeschalteten Gesellschaft geregelt hat, ist die Fallgruppe „mittelbarer Anteilsübergang“ auf solche kapital- oder personengesellschaftsrechtliche Änderungen der Gesellschafterbestände beschränkt6. BFH und Finanzverwaltung vertreten jedoch ebenso wie Teile des Schrifttums7 die gegenteilige Ansicht8. In dem vom BFH im Urteil vom 9.7.20149 beurteilten Sachverhalt hatte sich ein i.H.v. 5,6 % dinglich an der grundbesitzenden GmbH & Co. KG beteiligt gebliebener Altgesellschafter im Verhältnis zum Neu-Gesellschafter vielfachen Beschränkungen unterworfen (jederzeit ausübbare Call Option des Neugesellschafters unter Vereinbarung eines von vornherein absolut feststehenden Ausübungspreises, Abtretung des aus dem zurückbehaltenen 5,6%igen Anteils resultierenden Gewinnstammrechts an den Neugesellschafter, ggf. Bevollmächtigung eines Anwalts des Neu-Gesellschafters für die Ausübung der Stimmrechte, etc.). Der nach in der Literatur vorgenommener Wertung aggressiv gestaltete10 Sachverhalt lässt sich (angepasst an die neue Rechtslage ab 1.7.2021) wie folgt veranschaulichen:

1 Nach der Formulierung des ersten amtlichen Leitsatzes des Urteils II R 49/12 „ist der Anteil am Gesellschaftsvermögen dem Dritten als Neugesellschafter zuzurechnen“. Erst aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass der BFH hier keinen unmittelbaren, sondern einen mittelbaren Anteilsübergang annimmt. 2 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 141.2, 195. Erg.-Lfg./November August 2018. 3 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 4 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. Vgl. auch Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 145, 195. Erg.-Lfg./August 2018 unter Hinw. darauf, dass sich die Neuregelung auf die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei einer an der grundstückbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft beschränke. 5 Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 843: „Die KapGes kann unmittelbar an der PersGes oder mittelbar, dh über eine andere Ges, an der PersGes beteiligt sein“. 6 Vgl. Behrens, UVR 2015, 138 (142). 7 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 821f; Fleischer/Keul, Stbg 2019, 2014; eher wie hier Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84 (87). 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 9.12.2015 – S 4501, BStBl. I 2016, 136, aufgehoben durch die gleichlautenden Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1333; nun in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1.2 enthalten, mit Hinw. auf das BFH-Urteil v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57, worin zwar nicht auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abgestellt wird, jedoch auf die Einräumung der „Wertteilhabe an den (Gesellschafts-)Grundstücken“, und zwar offensichtlich auch für Erwerbsvorgänge, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden. 9 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 10 So Mayer/Wagner, BB 2016, 2519.

Behrens

145

362

§ 1 Rz. 362 Erwerbsvorgänge

Vorher:

Nachher:

X

Y 82 %

18 %

O.E Ltd. Zypern (Erwerberin)

Kaufoption

Y

Verkaufsoption, wenn Kaufoption nicht bis zum 31.12.2006 ausgeübt wird

100 % Kompl.-GmbH

Kompl.-GmbH

0% 18 %

KG (Klägerin)

0% 82 %

89,4 %

10,6 % KG (Klägerin)

Am 16.10.2000 veräußerte der bisherige Kommanditist X sämtliche von ihm gehaltenen Anteile und der zweite bisherige Kommanditist Y – bis auf einen Anteil von 10,6 % – ebenfalls die von ihm gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden KG und an der Komplementär-GmbH. Die Abtretung der Anteile an den Käufer (die O.E. Ltd. Zypern) erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung, die am 1.11.2001 (Übergabestichtag) fällig war1. Dem Käufer wurde im Kaufvertrag eine jederzeit ausübbare Kaufoption auf den bei dem Altgesellschafter Y verbliebenen 10,6%igen Anteil mit einem Ausübungspreis von DM 1,3 Mio. eingeräumt. Zudem erhielt Y eine Put-Option für den Fall, dass der Käufer die Kaufoption nicht spätestens bis zum 31.12.2006 ausüben würde. Am 16. bzw. 19.11.2001 übertrug Y das „Gewinnstammrecht“ auf den Käufer. Der Käufer gewährte dem Y am 16. bzw. 19.11.2001 ein Darlehen i.H.v. DM 1 Mio., das er sofort an Yauszahlte. Yerteilte dem Vertreter des Käufers am 20.11.2001 eine auf die 10,6%ige Beteiligung an der grundbesitzenden KG gezogene „unwiderrufliche“ Vollmacht. Ob die am 16. bzw. 19.11.2001 vorgenommenen Rechtsgeschäfte bereits am 16.10.2000 geplant worden waren, lässt sich der Darstellung des Tatbestands durch das erstinstanzlich zuständige FG Baden-Württemberg (und auch der des BFH) nicht entnehmen. Tatsächlich betraf der 2000 verwirklichte Sachverhalt einen 5,6%igen Anteil.

363

In erster Instanz hatte das FG Baden-Württemberg entschieden, dass – weil der 5,6%ige Anteil dinglich beim Altgesellschafter verblieben war und weil kein Treuhandverhältnis begründet worden sei – keine Steuer ausgelöst worden sei2. Das Handeln des Treuhänders in fremdem Interesse müsse wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein3. Der Streitfall enthalte jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der bevollmächtige Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung der Rechte von Y nicht an dessen Weisungen, sondern an die Weisungen des Käufers gebunden war. Der Anteilskäufer habe auch nicht die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an den der KG gehörenden Grundstücken erlangt. Der Käufer sei nicht in die Lage versetzt worden, jederzeit die Grundstücke der KG auf sich zu übereignen. Auch wenn Y als Kommanditist von der Führung der Geschäfte der KG ausgeschlossen gewesen sei, hätte er dennoch gem. § 164 Satz 1 HGB jeder Handlung eines persönlich haftenden Gesellschafters widersprechen können, die über den ge1 Das FG hatte den Zeitpunkt der vollständigen Kaufpreiszahlung nicht festgestellt. Der BFH konnte deshalb den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht prüfen und verwies die Sache an das FG zurück, vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; BFH/NV 2014, 1667 Rz. 26: „Bei einer vollständigen Kaufpreiszahlung bis zum 19.11.2001 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG am 19.11.2001 und bei einer späteren Kaufpreiszahlung entsprechend später erfüllt“. Damit bestätigt der BFH, dass es bei § 1 Abs. 2a GrEStG in Bezug auf den Übergang unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehender Anteile nicht auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts, sondern auf den Zeitpunkt der dinglichen Erfüllung ankommt. 2 Vgl. FG Bad.-Württ. v. 27.7.2011 – 2 K 364/08, EFG 2013, 395. 3 Das FG Bad.-Württ. verweist insoweit auf § 159 AO und auf BFH v. 4.12.2007 – VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745.

146

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 366 § 1

wöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehe, wozu die Veräußerung von Immobilien gehöre. Das FG Baden-Württemberg lehnte außerdem eine Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG ab, insbesondere weil erst die Ausübung und nicht bereits die Einräumung eines Optionsrechts die Grunderwerbsteuerpflicht auslöse. Auch die vom FA befürwortete Anwendung von § 42 AO wies das FG Baden-Württemberg unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH1 als rechtswidrig zurück, weil § 1 Abs. 2a GrEStG eine abschließende Spezial-Missbrauchsvermeidungsvorschrift sei. Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf. In Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und der Grundsätze der Ertragsteuer-Senate des BFH in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO rechnet er den 5,6%igen Anteil dem Neu-Gesellschafter zu, weil dieser – wegen der Vereinbarung eines festen Kaufpreises für den 5,6%igen Anteil für den Fall der Ausübung der Kaufoption das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung sowie – wegen der Abtretung des „Gewinnstammrechts“2 die mit dem 5,6%igen Anteil verbundenen wesentlichen Rechte übernommen hätte und – außerdem aufgrund bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts – und zwar wegen der Einräumung der jederzeit ausübbaren Kaufoption – bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des 5,6%igen Anteils gerichtete Position erworben hätte, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr habe entzogen werden können.

364

Im Ergebnis laufen die Entscheidungsgründe des BFH darauf hinaus, dass die Frage nach dem Vorliegen eines mittelbaren Anteilsübergangs in derartigen Fallkonstellationen nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen gleichenden Grundsätzen zu beurteilen ist3. Ein mittelbarer Anteilsübergang kann danach auf zwei Arten verwirklicht werden, und zwar dadurch, dass entweder nur das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO oder dass sowohl das rechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum am Anteil der Gesellschaft, die unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, übergeht. Weil ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte über das Vorliegen einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands entscheiden sollen, stellt die Übertragung nur des rechtlichen Eigentums (d.h. der Rechtsinhaberschaft) unter Zurückbehaltung des wirtschaftlichen Eigentums nach BFH keinen mittelbaren Anteilsübergang dar.

365

M.E. ist dem Urteil des BFH nicht zu folgen: Durch die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 sollte die wirtschaftliche Betrachtungsweise abgeschafft und durch die rechtliche Betrachtungsweise ersetzt werden4. Der rechtlichen Betrachtungsweise entspricht es, nur solche Vorgänge als mittelbare Anteilsübergänge i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu klassifizieren, bei denen Anteile an vermittelnden Gesellschaften sachenrechtlich wirksam auf neue Gesellschafter übertragen werden. In § 1 Abs. 2 GrEStG erfasst der Gesetzgeber die Verwertungsbefugnis ausdrücklich nur in Bezug auf Grundstücke, nicht aber in Bezug auf Anteile an Grundstücke haltenden Gesellschaften. Eine grunderwerbsteuerrechtlich relevante Verwertungsbefugnis in Bezug auf Gesellschaftsanteile ist mithin nicht vorgesehen. Auch ist in § 1 Abs. 2a GrEStG die Begründung eines schuldrechtlichen Anteilsübertragungsanspruchs (anders als in § 1 Abs. 3 GrEStG) nicht tatbestandsmäßig. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird dadurch, dass die Anteilszurechnung nach den ertragsteuerrechtlich relevanten Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgenommen wird, konterkariert5. Auch auf Anteile bezogene Treuhandverhältnisse sind im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG nach hier vertretener Ansicht irrelevant (vgl. Rz. 392 a.E.).

366

1 Vgl. z.B. BFH v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539. 2 Diese deutet der BFH angesichts des sog. Abspaltungsverbots i.S.v. § 717 BGB hilfsweise gem. § 140 BGB in eine Zustimmung aller Gesellschafter zur wirksamen Überlassung des Gewinnstammrechts zur Ausübung durch den Käufer um. Die Frage, wer zur Ausübung der Stimmrechte aus dem 5,6 %igen Kommanditanteil berechtigt war, hielt der BFH im konkreten Fall des Urteils II R 49/12 für nicht entscheidungsrelevant. 3 Vgl. zu den ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zuletzt BFH v. 15.10.2013 – I B 159/12, BFH/NV 2014, 291. 4 Vgl. BT-Drucks. 13/6151, 16; BT-Drucks. 13/5359, 116 einerseits und BT-Drucks. 14/265, BR-Drucks. 910/98, BT-Drucks. 14/442, 42 Anlage 35 andererseits. Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 95; Fischer in Boruttau17, Vor § 1 GrEStG Rz. 96 f. 5 Zu weiteren Gegenargumenten gegen die Entscheidung des BFH vgl. Behrens/Bielinis, DStR 2014, 1369. Gegen den Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch Mayer/Wagner, BB 2016, 2519.

Behrens

147

§ 1 Rz. 367 Erwerbsvorgänge 367

M.E. hätte es im Fall des BFH-Urteils vom 9.7.20141 näher gelegen, im Hinblick insbesondere auf die Übertragung des „Gewinnstammrechts“ zu prüfen, ob unmittelbar dinglich ein Anteil am Vermögen der KG von mehr als 94,4 % auf den Neugesellschafter übergegangen war. Zu der Frage, nach welchen Kriterien sich die prozentuale Höhe des Anteils am Vermögen der Personengesellschaft bemisst, macht der BFH in diesem Urteil keine Ausführungen. Dass der BFH den Übergang eines Anteils von mehr als 94,4 % nicht in Erwägung zieht, mag daran liegen, dass dann die grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz der mit dem Altgesellschafter getroffenen besonderen Absprachen davon abhinge, dass der durch die Absprachen Begünstigte selbst bereits dinglich einen Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft hält. Aufgrund des Gesetzeswortlauts und des Charakters der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer muss m.E. akzeptiert werden, dass – wenn ein nicht selbst zivilrechtlich an der KG beteiligter Dritter der durch die Absprachen Begünstigte ist – insoweit ein Anteilsübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG auf einen neuen Gesellschafter nicht angenommen werden kann.

368

Mit Urteil v. 30.8.20172 lehnt es der BFH im Rahmen eines obiter dictum ab, die Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zu seiner Veräußerung und Abtretung als Anteilübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG anzusehen. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die zunächst einen 6 %igen Anteil zurückbehaltende Altgesellschafterin mit notarieller Urkunde und unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag über den 94 %igen Anteil den beiden Anteilskäufern jeweils einzeln und unter Befreiung von § 181 BGB eine umfassende, unbefristete und unwiderrufliche sowie auch etwaige Rechtsnachfolger bindende Vollmacht (auch) in Bezug auf diesen 6%igen Anteil erteilt.

369

Das FG Baden-Württemberg3 war der Ansicht, wegen dieser Vollmacht hätten die Käufer auch betr. den 6%igen Anteil eine ihnen nicht mehr entziehbare Position erlangt. Insbesondere seien sie berechtigt gewesen, die Gesellschaftsrechte auszuüben, ohne dass Einschränkungen ihrer Befugnisse im Innenverhältnis vereinbart worden wären. Die Bevollmächtigten hätten den restlichen 6 %igen Anteil ohne Gegenleistung an sich selbst veräußern und damit eine eventuelle Wertsteigerung realisieren können. Das FG war zudem überzeugt, dass im Kaufpreis für den Erwerb des 94 %igen Anteils wirtschaftlich der Gesamtkaufpreis für alle Gesellschaftsanteile bereits enthalten gewesen sei, so dass auch das Risiko einer Wertminderung auf die Bevollmächtigten übergegangen sei. Dass die Altgesellschafterin in Höhe von 6% zivilrechtlich zunächst Kommanditistin geblieben sei und es keine verdrängende Vollmacht gebe, stehe der Zuordnung des restlichen 6 %igen Anteils gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 AO zu den Käufern des 94 %igen Anteils nicht entgegen. Denn die Käufer hätten faktisch jegliche für sie nachteilige Maßnahme der KG vereiteln und sich als ultima ratio den Anteil selbst übertragen können. Dass die Käufer für den Fall der Insolvenz der Vollmachtgeberin oder einer Zwangsvollstreckung in deren Vermögen nicht gesichert gewesen seien, spiele ebenfalls keine Rolle, weil die Insolvenz bzw. Zwangsvollstreckung nicht zum typischerweise erwartbaren Verlauf der Dinge gehöre.

370

Der BFH entschied, dass durch die Erteilung der Vollmacht keine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes herbeigeführt worden sei. Dem ist auch auf Grundlage des BFH-Urteils vom 9.7.20144 zuzustimmen. Denn aus dem vom FG festgestellten Tatbestand ergibt sich m.E., dass die Altgesellschafterin den 6 %igen Anteil anderweitig hätte veräußern können und sie auch nicht vertraglich zugesichert hatte, keine derartige Veräußerung vorzunehmen. Die Käufer des 94 %igen Anteils waren dadurch nicht in der Lage, die Altgesellschafterin im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den restlichen 6 %igen Anteil wirtschaftlich auszuschließen.

370.1

Dass die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils für die Annahme einer mittelbaren 1 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 2 BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFH/NV 2018, 291; Anm. Behrens, BB 2018, 231. Die Rev. war schon deshalb begründet, weil der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist, im angefochtenen Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG nicht angegeben war. Mit Urteil v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, hat der BFH für den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG unter Verweis auf das Urteil v. 30.8.2017 – II R 39/15 bestätigt, dass die Einräumung einer Vollmacht nicht für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums von Gesellschaftsanteilen zum Bevollmächtigten spricht. 3 FG Bad.-Württ. v. 20.1.2015 – 5 K 1652/11, EFG 2016, 1019. 4 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

148

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 374 § 1

Änderung des Gesellschafterbestandes nicht ausreicht, hat die Finanzverwaltung in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018 bestätigt1. Durch eine derartige Vollmacht seien die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z.B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen. Auch in der Literatur hat dieses obiter dictum Zustimmung erfahren2. (3) Mittelbare Anteilsübergänge bei Treuhandverhältnissen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 AO) Bis zum BFH-Urteil vom 9.7.20143 waren nach Ansicht des BFH4 und der Finanzverwaltung5 mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG allein aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen nur bei Treuhandverhältnissen möglich. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist Treuhänder bzw. Treunehmer grundsätzlich derjenige, der von einem anderen oder im Auftrag eines anderen Vermögensrechte (an Gesellschaftsanteilen) zu eigenem Recht erworben hat und diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse ausübt. Der Inhalt solcher Treuhandabreden und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisse i.S.v. § 662 BGB bzw. § 675 Abs. 1 BGB sind danach im Einzelfall sachverhaltsbezogen festzustellen und grunderwerbsteuerrechtlich zu würdigen6.

371

Dies hat der BFH im Urteil vom 25.11.20157 bestätigt. Verpflichte sich ein Gesellschafter einer grund- 372 besitzenden Personengesellschaft nach deren Gründung gegenüber einen Dritten, den Gesellschaftsanteil als Treuhänder für den Dritten als Treugeber zu halten (Vereinbarungstreuhand), könne auch dadurch eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG eintreten8. Voraussetzung sei, dass der Gesellschafter als Treuhänder Inhaber des Gesellschaftsanteils mit der Maßgabe sei, die Rechte aus der Beteiligung nur unter Beachtung eines mit dem Treugeber beschlossenen Treuhandvertrages auszuüben. Für die Verwirklichung der steuerauslösenden mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes reiche es aus, dass sich die Vereinbarungstreuhand auf mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG beziehe. Bei der Begründung von Treuverhältnissen am Personengesellschaftsanteil einer unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschaft gehe es darum, ob deren Personengesellschaftsanteil aufgrund der Treuhandvereinbarungen den Treugebern als neuen Gesellschaftern zuzurechnen sei und damit ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Übergang von Anteilen am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft vorliege. Dass die Anteile am Gesellschaftsvermögen den Treugebern vollständig zuzurechnen seien, sei nicht erforderlich. Neue Gesellschafter seien die Treugeber und nicht der zivilrechtlich unverändert beteiligte Rechtsträger, der auch nach dem Beitritt der Treugeber steuerrechtlich als Altgesellschafter anzusehen sei. Insoweit unterschieden sich die Fallgruppen der Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei einer Gesellschafterin der Personengesellschaft und der Begründung von Treuhandverhältnissen am Gesellschaftsanteil der unmittelbar beteiligten Gesellschafterin. Weitere Beispiele zur Bedeutung von Treuhandverhältnissen im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG (nach der abzulehnenden Ansicht von BFH und Finanzverwaltung) in der Fallgruppe „mittelbarer Anteilsübergang“ enthält die (zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte) Verfügung der OFD NRW vom 29.4.2014 (wegen des GrEStÄndG v. 12.5.2021 hier abgewandelt):

373

Beispiel: An einer GbR, zu deren Vermögen ursprünglich zwei Grundstücke gehörten, sind zunächst A zu 10 % und B zu 90 % beteiligt. Am 1.10.01 überträgt B den von ihm bisher auf eigene Rechnung gehaltenen 90%igen GbR-Anteil treuhänderisch auf C, d.h. C erwirbt diesen Anteil als Treuhänder auf Rechnung des bisher selbst dinglich beteiligten B. Am 1.5.08 überträgt C diesen Anteil unter Auflösung des Treuhandverhältnisses auf B zurück. Die GbR verkaufte das Grundstück 2 im Jahr 02 und kaufte im Jahr 07 das Grundstück 3 von F9.

374

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1 a.E. Vgl. z.B. Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84 (87); Behrens, BB 2018, 232. Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 2.2. Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5., BeckVerw 294282. Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. Ebenso gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.4. Aus OFD NRW v. 29.4.2014, dort Beispiel 1.

Behrens

149

§ 1 Rz. 374 Erwerbsvorgänge

1.10.01:

Ausgangsstruktur: A

B 10 %

90 %

1.5.08: 1.

A

B C (Treugeber) (Treuhänder) 10 %

2.

A

B C (Treugeber) (Treuhänder) 90 %

10 %

90 % 90 %

GbR

GbR

1

90 %

2

1

GbR

2

2.

D

1

3

1.

F

B überträgt seinen 90 %-GbR-Anteil am 1.10.01 treuhänderisch auf C.

Im Jahr 07 kauft die GbR das Grundstück 3 von F.

Die GbR verkauft das Grundstück 2 im Jahr 02 an D.

C überträgt den 90 %-GbR-Anteil unter Auflösung des Treuhandverhältnisses am 1.5.08 auf B zurück.

375

Am 1.10.01 wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 in Bezug auf die Grundstücke 1 und 2 auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung1 und Verwaltungsansicht2 ausgelöst, weil der bisher von B auf eigene Rechnung gehaltene 90%ige GbR-Anteil dinglich wirksam auf C als bisher Nicht-Beteiligten und deshalb neuen Gesellschafter überging. Dass C den Anteil nicht auf eigene Rechnung hält, sondern für Rechnung des bisher selbst dinglich beteiligten B, spielt auf Grundlage der formalen Ansicht von BFH und Finanzverwaltung, wonach es für den unmittelbaren Anteilsübergang allein auf die Zivilrechtslage ankommen soll, keine Rolle3.

376

Durch die Rückübertragung des 90 %-GbR-Anteils von C auf B am 1.5.08 wird nach Verwaltungsansicht erneut der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in Form des unmittelbaren Übergangs des 90%igen Anteils verwirklicht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist B neuer Gesellschafter, weil er am 1.10.01 seine dingliche Berechtigung am Gesellschaftsvermögen der GbR verloren hatte. Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist auf den 1.5.08 in Bezug auf die Grundstücke 1 und 3 geschuldet. In Bezug auf das Grundstück 1 kommt die Befreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG analog zur Anwendung, weil das Grundstück 1 bereits am 1.10.01 zum Vermögen der GbR gehörte. Nach § 3 Nr. 8 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses. Auf Anteilsgeschäfte i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG wird § 3 Nr. 8 GrEStG entsprechend angewandt, allerdings nur, wenn das betreffende Grundstück bereits bei der Anteilsübertragung auf den Treuhänder zum Vermögen der Personengesellschaft gehörte und in diesem verblieben war4.

1 Vgl. z.B. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.4. 3 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. A.A. Lange/Broemel, DStR 2017, 360; Behrens/Bock, DStR 2012, 1307; Behrens, BB 2013, 805. 4 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.5.; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 266; a.A. Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45. Dazu, dass die Anwendung von § 3 Nr. 8 GrEStG auch bei Anteilsgeschäften voraussetzt, dass die Steuer für die Übertragung auf den Treuhänder entrichtet worden ist, vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.4 und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 2.2; FG Hamburg v. 20.3.2017 – 3 K 172/16, Rz. 79, EFG 2017, 596; die Rev. beim BFH, Az. II R 3/17 wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet.

150

Behrens

Rz. 378.1 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Beispiel: Ursprünglich sind A und B jeweils hälftig an der GbR beteiligt, zu deren Vermögen die Grundstücke 1 und 2 gehören. Am 1.10.05 überträgt B im Rahmen des Abschlusses einer Vereinbarungstreuhand das wirtschaftliche Eigentum an seinen 50%igen GbR-Anteil auf C. Am 1.8.08 überträgt A sein 50%igen GbR-Anteil auf D. Am 1.9.09 verzichtet C auf seine Treugeberrechte, insbesondere auf seinen Herausgabeanspruch gegen B, so dass B den 50%igen GbR-Anteil wieder auf eigene Rechnung hält. Zum Vermögen der GbR gehört durchgehend das Grundstück 1. Im Jahr 06 verkauft die GbR das Grundstück 2 und kauft das Grundstück 31.

1.8.08:

1.10.05:

377

1.9.09: Verzicht auf Herausgabeanspruch

A

B

50 %

50 %

1.

A

B C (Treu- (Treuhänder) geber) 50 %

D

2.

A

B C (Treu- (Treuhänder) geber)

50 %

50 %

D

B C (Treu- (Treuhänder) geber) 50 %

50 %

50 %

50 %

1

GbR

GbR

GbR

2

1

2

2.

E

B hält seinen 50 %-Anteil an der GbR seit 1.10.05 treuhänderisch für C. Die GbR verkauft das Grundstück 2 im Jahr 06 an E.

1

GbR

3

1.

Die GbR erwirbt das Grundstück 3 im Jahr 06 von F. A überträgt seinen 50 %-Anteil an der GbR am 1.8.08 auf D.

F

1

3

Am 1.9.09 verzichtet C auf seinen Herausgabeanspruch aus der Treuhandvereinbarung, das Treuhandverhältnis wird aufgelöst.

Am 1.10.05 erfolgt nach Ansicht von BFH und Finanzverwaltung ein mittelbarer Übergang des bisher von B unmittelbar gehaltenen 50%igen Anteils auf C als Treugeber. Der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wird nicht erfüllt, weil dies den Übergang von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der GbR voraussetzt. Am 1.8.08 wird allerdings nach Ansicht von BFH und Finanzverwaltung in Bezug auf das Grundstück 1 Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ausgelöst, weil A seinen 50%igen Anteil an der GbR auf einen neuen Gesellschafter überträgt, am 1.10.05 und am 1.8.08 zusammengefasst mithin alle Anteile an der GbR auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Auflösung des Treuhandverhältnisses am 1.9.09 ist nach Verwaltungsansicht für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG unbeachtlich2.

378

Nach Tz. 5.2.4 der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.20183 ist Neugesellschafter – derjenige, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft nach deren Gründung bzw. nach einem Grundstückserwerb durch diese oder

378.1

1 Nach OFD NRW v. 29.4.2014, dort Beispiel 18, juris. Die Verfügung des OFD NRW v. 29.4.2014 wurde durch die (nicht veröffentlichte) Verfügung des OFD NRW v. 27.6.2016 ersetzt. 2 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.5., Beispiel 18, zwar außer Kraft, insoweit aber noch Ansicht der OFD NRW. Vor dem Hintergrund des BFH-Beschlusses v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, allerdings zu § 1 Abs. 3 GrEStG, könnte fraglich sein, ob die Finanzverwaltung an dieser Ansicht festhält; vgl. Behrens, BB 2019, 1639. 3 Vgl. BStBl. I 2018, 1314.

Behrens

151

§ 1 Rz. 378.1 Erwerbsvorgänge nach einer früheren Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Absatz 2a GrEStG dessen Treugeber wird, – der neue Treugeber eines Gesellschafters nach Treugeberwechsel, – der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder übertragen oder rückübertragen werden (zur anteiligen Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenen Anteile auf den Treugeber vgl. § 3 Nummer 8 GrEStG analog) oder – der neue Treuhänder beim Wechsel des Treuhändergesellschafters. Die beiden letztgenannten Punkte betreffen nur den Fall, dass sich das Treuhandverhältnis auf einen unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteil bezieht, weil es insoweit auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Tz. 5.1.1 der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG ausschließlich auf die zivilrechtliche Betrachtung ankommt. Bezieht sich das Treuhandverhältnis auf einen Anteil an einer Gesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, haben die beiden letztgenannten Punkte, weil wirtschaftlich kein Anteil übertragen wird, keine Bedeutung1. d) Irrelevanz von Anteilsübergängen auf Altgesellschafter aa) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Alt- und Neugesellschafter 379

Unter den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG fallen Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter. Nicht tatbestandsmäßig i.S.v. § 1 Abs. 2 a GrEStG sind Anteilsübergänge auf Altgesellschafter2, d.h. Anteilsübergänge von als Neugesellschafter geltenden Gesellschaftern auf Altgesellschafter und Anteilsübergänge von Alt- auf andere Altgesellschafter, auch wenn dabei Altgesellschafter aus der Personengesellschaft, zu deren Vermögen das Grundstück gehört, ausscheiden3.

380

Von BFH und Teilen der Finanzverwaltung wird der Anteilsübergang auf einen Altgesellschafter allerdings insoweit für tatbestandsmäßig gehalten, als ein bisher nur mittelbar über eine Kapital- oder Personengesellschaft Beteiligter einen Anteil unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft erwirbt4. M.E. ergibt sich diese Differenzierung aus dem Gesetzeswortlaut nicht. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG besagt nicht, dass ein bereits seit zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär5 fünf) Jahren oder seit Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft über eine Kapitaloder Personengesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft Beteiligter Anteile unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft nur als Neugesellschafter erwerben kann, weil er bisher nicht unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist. Aus § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG folgt nach hier vertretener Ansicht, dass an Kapitalgesellschaften, die unmittelbar Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft halten, beteiligte Gesellschafter Altgesellschafter sein können. Dass die Altgesellschafter-Eigenschaft nur für diese Beteiligungsebene gilt, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht. Im Gegenteil muss ein solcher Gesellschafter als Altgesellschafter auch dann gelten, wenn er erstmals unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt wird. Seinem Sinn und Zweck nach ist § 1 Abs. 2a GrEStG darauf gerichtet, solche Vorgänge zu besteuern, bei denen innerhalb von fünf Jahren mindestens 90% (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 2026 subsidiär 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in neue Hände gegeben

1 Vgl. Rz. 358. 2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 874; Pahlke6, § 1, Rz. 287, 289; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2. 3 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 764; Pahlke6, § 1, Rz. 287, 289; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5. 4 Anders allerdings Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 855, wonach zu differenzieren sei, ob der Erwerb der mittelbaren Beteiligung den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst hat oder nicht; nur im erstgenannten Fall sei die Verstärkung der mittelbaren zu einer unmittelbaren Gesellschafterstellung nicht steuerbar. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass nach Ablauf von fünf Jahren seit Beitritt zur grundbesitzenden Personengesellschaft die Altgesellschafter-Eigenschaft erlangt wird, auch wenn der ursprüngliche Beitritt nicht steuerbar war; dies muss im Falle des Beitritts zu einer (mittelbar) an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschaft ebenfalls gelten. 5 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG.

152

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 381 § 1

werden. Wer schon bisher mittelbar – und sei es über eine Kapitalgesellschaft – an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gewesen ist, ist keine neue Hand im Sinne der Teleologie von § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. auch Rz. 383). bb) Altgesellschafter Obwohl der Wortlaut von § 1 Abs. 2a GrEStG den terminus technicus „Altgesellschafter“ nicht verwen- 381 det, muss dennoch, weil § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG das Tatbestandsmerkmal „neue Gesellschafter“ enthält, zwischen Altgesellschaftern und Neugesellschaftern differenziert werden1. Altgesellschafter sind2: – Die unmittelbaren Gründungsgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft, unabhängig von ihrer Rechtsform; Gründungsgesellschafter einer Personengesellschaft können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein; als Gründungsgesellschafter und damit Altgesellschafter für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG sind auch die Gesellschafter anzusehen, die im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels einer grundbesitzenden Kapital- in eine Personengesellschaft in das Handelsregister an der Gesellschaft beteiligt sind3. Der Formwechsel ist zwar keine Neugründung der Gesellschaft; jedoch sind gem. § 197 UmwG auf den Formwechsel grundsätzlich die für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften anzuwenden. Zivilrechtlich geht durch die Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister kein Anteil über; vielmehr sind die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers gem. § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG an dem Rechtsträger nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt (soweit ihre Beteiligung nicht nach §§ 190 ff. UmwG entfällt). Das Grunderwerbsteuerrecht folgt den zivilrechtlichen Vorgaben des UmwG4. Die im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels beteiligten Gesellschafter als Neugesellschafter anzusehen, ist unvertretbar, weil der Formwechsel wegen der Identität des Rechtsträgers und seiner Gesellschafter zu keinem Übergang von Anteilen führt5. Neugesellschafter kann aber nur sein, wer einen Anteil erwirbt. Die im Zeitpunkt der Handelsregister-Eintragung des Formwechsels beteiligten Gesellschafter als Neugesellschafter anzusehen, könnte lediglich bedeuten, dass zwar der Formwechsel selbst keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst, jedoch Hinzuerwerbe weiterer Anteile der bei Handelsregistereintragung des Formwechsels beteiligten Gesellschafter für die Zwecke von § 1 Abs. 2a schädliche Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter wären. Weil die Einordnung der bei Eintragung des Formwechsels beteiligten Gesellschafter als neue Gesellschafter der Regelung in § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG widerspricht, wäre eine solche Gesetzesauslegung rechtswidrig; die im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels der grundbesitzenden Kapital- in eine Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter sind vielmehr Altgesellschafter;

1 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 764. 2 Zur Verwaltungsansicht vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2. 3 Vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.1 Abs. 2: „Wird eine grundbesitzende Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt, sind die an ihr beteiligten Gesellschafter Altgesellschafter, da sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Tatbestandes des § 1 Absatz 2a GrEStG beteiligt sind“. 4 Vgl. BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661, Rz. 10, mit Hinw. darauf, dass anderslautende Vorschriften fehlen. 5 Ein solches Ergebnis stünde auch dem BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661 entgegen, dass allerdings das Streitjahr 1995 betrifft, als § 1 Abs. 2a GrEStG noch nicht in Kraft getreten war. In diesem Beschluss wird die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG hinsichtlich der im Eigentum der durch Formwechsel in eine Personengesellschaft umgewandelten Kapitalgesellschaft stehenden Grundstücke abgelehnt; nach dieser Vorschrift ist nur ein Grundstücksübergang zwischen verschiedenen Rechtsträgern steuerbar, der beim Formwechsel – wie der BFH bestätigt – nicht vorliegt.

Behrens

153

§ 1 Rz. 381 Erwerbsvorgänge – Die Gesellschafter (unabhängig von ihrer Rechtsform), die vor Beginn des Zehn- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär Fünf-) Jahres-Zeitraums unmittelbar1 oder mittelbar2 an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt waren; die über eine beteiligte Personengesellschaft begründete (mittelbare) Altgesellschaftereigenschaft soll nach hier abgelehnter Ansicht3 jedoch die Tatbestandsmäßigkeit des Erwerbs eines Anteils unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft nicht hindern4; nach Ablauf von zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär fünf) Jahren seit erstmaliger Beteiligung an der Personengesellschaft wird ein Gesellschafter zum Altgesellschafter dieser Personengesellschaft5; – Die Gesellschafter (unabhängig von ihrer Rechtsform), die seit dem Zeitpunkt des (tatsächlichen oder fiktiven) Erwerbs des Grundstücks durch die Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar über Personengesellschaften (und nach hier vertretener Ansicht mittelbar über Kapitalgesellschaften) an der Personengesellschaft beteiligt gewesen sind6; dies gilt unabhängig davon, ob sein Anteilserwerb zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat (vgl. Rz. 405); – Die Gesellschafter, deren Beitritt oder Hinzuerwerb eines Gesellschaftsanteils schon einmal den Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt hat oder zu dessen Erfüllung beigetragen hat. Änderungen des Gesellschafterbestands, die als Teilakte einer die Übereignungsfiktion i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG begründenden Änderung des Gesellschafterbestands der Besteuerung unterworfen wurden, scheiden als (nochmals) tatbestandsbegründende Teilakte einer später verwirklichten (fingierten) Grundstücksübereignung aus7; – Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft, die bereits – im Zeitpunkt der Gründung der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder über eine oder mehrere Personengesellschaften oder – vor Beginn des Fünf-Jahres-Zeitraums unmittelbar oder über eine oder mehrere Personengesellschaften oder – im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks durch die grundbesitzende Personengesellschaft unmittelbar oder über eine oder mehrere Personengesellschaften – Gesellschafter der beteiligten Personengesellschaft waren oder – deren Beitritt oder Einrücken in die Gesellschafterstellung schon einmal den Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt oder zu dessen Erfüllung beigetragen hat. Bei beteiligten Personengesellschaften sind also auch nach Verwaltungsansicht deren Gesellschafter unter den oben genannten Voraussetzungen Altgesellschafter8. – Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung9 kann auch ein Treugeber, für den ein Treuhänder unmittelbar oder mittelbar einen Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft hält, Altgesellschafter sein. Jedoch soll die Übertragung der Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft durch den Treuhänder auf den Treugeber – weil der Treugeber dadurch erstmals unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt wird – für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG beachtlich sein, d.h. einen Übergang des An-

1 Jeder grunderwerbsteuerliche Rechtsträger, d.h. natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften, können für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG unmittelbarer Gesellschafter sein; vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917. A.A. gleichlautende Erlasse v. 26.3.2006, Tz. 2.1, Tz. 2.2; wie der BFH dann aber gleichlautende Erlasse v. 12.11.2018, Tz. 5.2.1.1. 2 Die Verwaltung betrachtete in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010 unmittelbar, oder über weitere Personengesellschaften mittelbar, an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaften als gänzlich transparent; sie werden in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, Rz. 5.2.1, als mögliche Alt- oder Neugesellschafter angesehen. Vgl. Rz. 339, insb. Fn. zu Rz. 380, Rz. 389. 3 Vgl. Rz. 342.1. 4 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 303. 5 Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BB 2017, 1957. 6 Vgl. auch OFD NRW v. 29.4.2014, BeckVerw 294282. 7 Vgl. BFH v. 16.2.2005 – II R 59/02, BFH/NV 2005, 1369. 8 Vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.1. 9 BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783.

154

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 383 § 1

teils auf einen neuen Gesellschafter – also einen sog. Zählerwerb – darstellen1. Führte die Begründung des Treuhandverhältnisses sowie diese Übertragung auf den Treugeber zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG bzw. trug sie dazu bei, so beanstandet es die OFD NRW dem Rechtsgedanken der Vermeidung der Doppelbesteuerung folgend für diesen konkreten Sachverhalt nicht, wenn die Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 2a GrEStG für den tatsächlichen Erwerb der Beteiligung an der Personengesellschaft nur insoweit festgesetzt wird, wie die Bemessungsgrundlage für diesen Tatbestand die Bemessungsgrundlage übersteigt, die bei der Begründung des Treuhandverhältnisses berücksichtigt wurde2. Altgesellschafter ist – weil personengesellschaftsrechtlich an der grundbesitzenden Personengesellschaft gesamthänderisch beteiligt – auch, wer keine wertmäßige Beteiligung hält, also z.B. zu 0 % als Komplementär beteiligt ist. Die aus der Gesamthandsberechtigung folgende dingliche Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen genügt für die Begründung der Altgesellschafter-Eigenschaft. Erhöht eine bisher zu 0 % am Vermögen der grundbesitzenden KG beteiligte Komplementärin ihren Anteil z.B. auf 10,1 %, liegt kein tatbestandsmäßiger Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter vor3. Dies gilt für die Gesellschafter an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Personengesellschaften entsprechend.

382

cc) Beschränkung der Altgesellschafter-Eigenschaft auf unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft Beteiligte? Nach Verwaltungsansicht können nur an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaften selbst Altgesellschafter sein, deren Anteilseigner jedoch nicht4. Dem ist zwar zivilrechtlich zuzustimmen, weil es mittelbare Beteiligungen der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften an der Personengesellschaft, an der nur die Kapitalgesellschaft beteiligt ist, nicht gibt (was allerdings zivilrechtlich für Personengesellschaftsketten ebenso gilt). Dass sich die Altgesellschafter-Eigenschaft auch grunderwerbsteuerrechtlich auf bestimmte Beteiligungsebenen beschränken könnte, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. In der ab 6.1.2015 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG spricht die Formulierung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nach hier vertretener Auffassung dafür, dass die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften Altgesellschafter sein können. Denn wenn Anteile an der Kapitalgesellschaft auf „neue Gesellschafter“ übergehen können, muss es auch auf dieser Beteiligungsebene auch alte Gesellschafter geben können5. Die Frage, ob Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, 1 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.3.1.; so auch FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596; die Rev. beim BFH, Az. II R 3/17 wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet. 2 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.3.1. mit dem Hinw. darauf, dass dies allerdings nur insoweit gelte, wie die Grundstücke bereits bei der Begründung des Treuhandverhältnisses zum Vermögen der Personengesellschaft gehört haben und sie ihr weiter zuzurechnen waren. 3 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, BeckVerw 294282; OFD Koblenz v. 2.10.2003, StEK § 1 Nr. 167; Niedersächsisches FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, juris, Rz. 75, Rev. beim BFH unter Az. II R 28/21.Vgl. auch Pahlke in Widmann/ Mayer, Anhang 12, Rz. 133.5.2, 195. Erg.-Lfg./August 2018. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, Rz. 5.2.3.1, BStBl. I 2018, 1314; ebenso für die Rechtslage vor dem 6.11.2015 die Vorgänger-Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, Rz. 2.1 a.E., BStBl. I 2014, 561. Vgl. auch OFD NRW v. 29.4.2014, BeckVerw 294282, Rz. 1.2.2.; die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft könne nur der Kapitalgesellschaft selbst zugerechnet werden. Wie die Finanzverwaltung zur Rechtslage vor dem 6.11.2015 auch FG Düsseldorf v. 29.3.2017 – 7 K 439/10GE, EFG 2017, 852; anders aber BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318, allerdings nur zur Rechtslage bis 5.11.2015, vgl. a.a.O. Rz. 21: Vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015 am 6.11.2015 „können … auch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligt sind, mittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein. Die Höhe der Beteiligung ist durch alle Gesellschaftsformen durch zu rechnen“. 5 Vgl. Behrens/Halaczinsky, UVR 2015, 371 (373); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 772, die jedoch in Rz. 773 den erstmaligen Erwerb eines unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteils durch einen bisher über eine Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter nur dann als tatbestandslos ansieht, wenn der Erwerb des Anteils an der Kapitalgesellschaft Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst bzw. zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat; jedoch ist nicht nur derjenige Altgesellschafter, dessen Erwerb § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht bzw. dessen Beitritt zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, sondern auch derjenige, der seit mehr als fünf Jahren beteiligt ist; Hofmann11,

Behrens

155

383

§ 1 Rz. 383 Erwerbsvorgänge ist nach der grammatikalischen Struktur von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG und wegen der Verwendung des Begriffs „neue Gesellschafter“ in Satz 1 und in Satz 4 für unmittelbare und mittelbare Anteilsübergänge einheitlich zu beantworten, d.h. ein Gesellschafter kann nicht für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG in Bezug auf die eine Beteiligungsebene neuer Gesellschafter und in Bezug auf eine andere Beteiligungsebene alter Gesellschafter sein; vielmehr ist er einheitlich für alle Ebenen entweder alter oder neuer Gesellschafter1. 383.1

Die Finanzverwaltung stellt allerdings für die Frage, ob ein Anteilserwerber Alt- oder Neu-Gesellschafter ist, isoliert auf den jeweiligen Beteiligungsstrang und auf die jeweilige Beteiligungsebene ab, d.h. isoliert auf jede Kapitalgesellschaft2. M.E. ist für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG als sog. (unmittelbarer oder mittelbarer) Alt-Gesellschafter anzusehen, wer seit mehr als zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär fünf) Jahren oder seit Gründung der grundbesitzenden Personengesellschaft bzw. seit deren Erwerb des Grundstücks oder seit letztmaliger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG in Bezug auf das relevante Grundstück einen Anteil gehalten hat, unabhängig davon, auf welcher Ebene der Beteiligungskette sich die (Kapital- oder Personen-)Gesellschaft befindet, an der dieser Anteil besteht, und auch unabhängig von der Höhe des Anteils. Dass es zivilrechtlich keine mittelbaren Gesellschafter gibt, steht dem nicht entgegen. Der Begriff des mittelbaren Gesellschafters lässt sich als grunderwerbsteuerrechtlicher Zweckbegriff begreifen3. dd) Wegfall der Altgesellschafter-Eigenschaft

384

Scheidet ein Altgesellschafter aus der grundbesitzenden Personengesellschaft aus, endet nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung seine Altgesellschafter-Eigenschaft. Bei späterem Wiedereintritt in die grundbesitzende Personengesellschaft sei, auch wenn der Wiedereintritt innerhalb des relevanten Zehn- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär Fünf-) Jahres-Zeitraums erfolgt, der ehemalige Altgesellschafter ein neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG, so dass der Anteilsübergang auf ihn tatbestandsmäßig sei4.

385

Zumindest kann diese mit dem Ausscheiden eines Altgesellschafters verbundene (m.E. abzulehnende) Rechtsfolge, wenn man dem BFH und der Finanzverwaltung insoweit folgen wollte, im Falle der Rückgängigmachung unter Wahrung der Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 GrEStG beseitigt werden; wird also das Ausscheiden des Altgesellschafters aus der grundbesitzenden Personengesellschaft analog § 16 Abs. 2 GrEStG – und zwar, weil der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht wird,

1

2 3

4

§ 1 GrEStG Rz. 115, wonach als Altgesellschafter auch mittelbare „Gesellschafter“ anzusehen sind, also diejenigen, die an den unmittelbar oder auch mittelbar beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaften selbst wiederum unmittelbar (oder mittelbar) beteiligt sind und dies seit Gründung der Personengesellschaft oder spätestens ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Grundstückserwerbs durch die Personengesellschaft gewesen sind. Vgl. Behrens, BB 2017, 1046; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 767, argumentiert für bis zum 5.11.2015 verwirklichte Erwerbsvorgänge, dass auf Grundlage des BFH-Urteils v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, wonach Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen als transparent zu betrachten sind, Anteilseigner einer an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft (mittelbare) Altgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein können, so dass auch unmittelbare Anteilsübergänge auf bisher schon mittelbar (seit mind. fünf Jahren oder seit Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft oder seit letztmaliger Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG) über Kapitalgesellschaften Beteiligte nicht tatbestandsmäßig sind; vgl. auch Nds. FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 260; Rev. II R 28/21. Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.1 ff., insbesondere Tz. 5.2.3.2. Vgl. Behrens, BB 2019, 30 (34); Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (108): „Nach zutreffender Ansicht konkretisiert Satz 4 lediglich die in Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Steuerbarkeit von mittelbaren Gesellschafterwechseln. Insofern erscheint es sachgerecht, unter neuen Gesellschaftern auch dieselben Personen zu subsumieren, d.h., die Altgesellschafter i.S.v. Satz 1 sind mit denen in Satz 4 identisch und umgekehrt“. Vgl. BFH v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.1 a.E. Im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG ist das zwischenzeitliche Ausscheiden eines Altgesellschafters irrelevant, weil der Gesellschafterbestand bei Erreichen der 90%- bzw. 95 %-Grenze mit dem Gesellschafterbestand zu Beginn der tatbestandsmäßigen Anteilsübergänge abgeglichen wird.

156

Behrens

Rz. 388 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

unabhängig von der rechtzeitigen und vollständigen Anzeigenerstattung i.S.v. § 16 Abs. 5 GrEStG1 – rückgängig gemacht, lebt die Altgesellschafter-Eigenschaft wieder auf 2. M.E. ist die Ansicht von BFH und Finanzverwaltung, dass die Altgesellschaftereigenschaft eines insgesamt aus der grundbesitzenden Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafters endet, auch wenn er innerhalb des relevanten Fünf-Jahres-Zeitraums (d.h. vor dem nachfolgenden Anteilsübergang, der andernfalls nur Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG führte) wieder eintritt, mit dem Zweck von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht vereinbar und daher als unzulässig abzulehnen. Denn § 1 Abs. 2a GrEStG ist eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift mit dem Ziel, den mindestens 90%igen (bzw. bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär mindestens 95%igen Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von zehn bzw. fünf Jahren auf neue Gesellschafter zu besteuern. Tritt jedoch ein zunächst aus der grundbesitzenden Personengesellschaft ausgeschiedener Gesellschafter vor Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG und vor Ablauf von zehn bzw. fünf Jahren seit seinem Ausscheiden wieder in die Personengesellschaft ein, gehen im Ergebnis nicht mindestens 90% bzw. mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter über.

386

Beispiel:

387 Endstruktur:

Ausgangsstruktur:

C

Übergang in 01

Übergang in 04

A

50 %

B

50 %

G-KG

C

A

50 %

50 %

G-KG

Im Jahr 01 überträgt der Altgesellschafter A seinen 50%igen Anteil an der G-KG auf den bisher nicht beteiligten C und scheidet selbst aus der G-KG aus. Erwirbt er im Jahr 04 von B dessen 50%igen KGAnteil, ist A zwar zivilrechtlichen aus der Perspektive des Jahres 04 beim Erwerb des Anteils des B ein neu in die G-KG eintretender Gesellschafter. Jedoch zeigt die Endstruktur, dass keineswegs mindestens 90 % der Anteile an der G-KG verglichen mit der Ausgangsstruktur auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Der Zweck von § 1 Abs. 2a GrEStG verbietet es daher, den vor Ablauf von zehn Jahren seit seinem Ausscheiden von A verwirklichten Erwerbsvorgang (d.h. den Erwerb des Anteils von B) als Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter zu werten. Es ist nicht ersichtlich, warum der Wiedereintritt eines innerhalb von zehn Jahren zuvor ausgeschiedenen Gesellschafters tatbestandsmäßig sein soll; wenn der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft zu Beginn und bei Beendigung der auf ihre Relevanz für § 1 Abs. 2a GrEStG hin zu überprüfenden Anteilsübergänge zu mehr als 10 % übereinstimmt. Es ist nicht lediglich eine anteilige Befreiung nach § 6 Abs. 3 i.V.m.

1 Zur Verschärfung von § 16 Abs. 5 GrEStG durch das StAnpG Kroatien v. 25.7.2014 vgl. z.B. Heine, UVR 2016, 44 (48). 2 Ebenso Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 115; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 133.5.1, 195. Erg.-Lfg./ August 2018.

Behrens

157

388

§ 1 Rz. 388 Erwerbsvorgänge Abs. 1 GrEStG zu gewähren, sondern bereits die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG zu verneinen. Die Ansicht von BFH und Finanzverwaltung beruht auf der unzulässigen rein formalistischen Beurteilung unmittelbarer Anteilsübergänge. Diese allein auf die Zivilrechtslage abstellende Beurteilung ist abzulehnen, weil sie den Zweck von § 1 Abs. 2a GrEStG außer Betracht lässt. ee) Altgesellschafter-Eigenschaft für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch das GrEStÄndG v. 12.5.2021 bei Erreichen der 90 %-Schwelle, aber Unterschreitung der 95 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 388.1

Gemäß § 23 Abs. 20 ist § 1 Abs. 2a in der am 30.6.2021 geltenden Fassung (sog. Altfassung) auf Änderungen des Gesellschafterbestandes bis max. zum 30.6.2026 weiter anzuwenden, es sei denn, der Rechtsvorgang ist nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung (sog. Neufassung) steuerbar oder ein vorausgegangener Rechtsvorgang war nach § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung steuerbar. Für diese sog. Korridorfälle (d.h. vor dem 1.7.2021 waren mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % die Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen) gilt mithin die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG bis max. zum 30.6.2026 fort. Für die Anwendung der fortgeltenden Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gelten diejenigen Gesellschafter, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem 1.7.2021 erstmals Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft erworben haben, vor Ablauf der jeweiligen Fünf-Jahres-Frist weiterhin als neue Gesellschafter, so dass dadurch, dass sie, bevor sie wegen Ablaufs der Fünf-Jahres-Frist zu sog. Altgesellschaftern werden, weitere Anteile hinzuerwerben, § 1 Abs. 2a GrEStG in der Altfassung verwirklichen können. Im Anwendungsbereich der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG sind jedoch solche Gesellschafter, die vor dem 1.7.2021 insgesamt mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % der Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft als ursprünglich neue Gesellschafter erworben haben, als sog. Altgesellschafter anzusehen. Gesellschafter, die im Zeitpunkt eines nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgangs Gesellschafter sind, gelten nachfolgend als Altgesellschafter1. Die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der vor dem 1.7.2021 noch nicht anwendbaren Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 1.7.2021 hat zur Folge, dass die Anteilserwerber, die, wäre die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 1.7.2021 bereits anwendbar gewesen, zur Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG neue Fassung beigetragen hätten, so dass sie für die Zwecke der Neufassung als sog. Altgesellschafter anzusehen sind. Einerseits ihre vor dem 1.7.2021 erfolgten Anteilsübergänge für die Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG ab dem 1.7.2021 nicht mitzuzählen, sie aber dennoch für die Zwecke der Neufassung als neue Gesellschafter zu betrachten, wäre widersprüchlich2. Beispiel: Der ursprünglich vermögensmäßig zu 100 % gesamthänderisch an der grundbesitzenden KG beteiligte Altgesellschafter („Altg.“) übertrug am 1.7.2016 einen 45 %igen Anteil auf den bisher nicht beteiligten N1. Am 15.6.2021 übertrug er weitere 45 % auf den bisher nicht beteiligten N2. Am 30.6.2026 überträgt N1 seinen am 1.7.2016 erworbenen 45 %igen Anteil auf den bisher nicht beteiligten N3.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.1.1. 2 Zu demselben Ergebnis gelangen Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2386 f.), weil, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung zu Lasten des Steuerpflichtigen Übertragungsvorgänge in den letzten fünf Jahren vor Inkrafttreten der Neufassung einbezieht, es folgerichtig sei, sie bei Erreichen der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 ab 1.7.2021 für die Zwecke der Neufassung als sog. Altgesellschafter anzusehen. Dem Hinw. von Broemel/Mörwald, a.a.O., auf Tz. 14 f. der gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, wonach Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die bei Inkrafttreten der Änderungen von § 1 Abs. 2a GrEStG am 6.11.2015 zu mind. 95 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren, von der Finanzverwaltung als durch die Gesetzesänderung zu Alt-Gesellschaftern in Bezug auf die Kapitalgesellschaft geworden betrachtet werden, ist m.E. nicht zu folgen. Die Beschränkung auf am 6.11.2015 zu mind. 95 % an der beteiligten Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter ist nicht zu rechtfertigen, weil die Vereinigung von mind. 95 % der Anteile bei einem Gesellschafter im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b keine Rolle spielt; vgl. Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105.

158

Behrens

Rz. 388.1 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Ausgangsstruktur:

01.07.2016:

Altgesellschafter

N1

Altg. 100 % ./. 45 % = 55 %

100 %

45 %

G-KG

G-KG

15.06.2021:

30.06.2026:

Altg. 55 % ./. 45 % = 10 %

N2

N1

Altg.

45 %

45 % 45 %

G-KG

N2

N1

N3

45 %

10 %

45 % G-KG

Am 15.6.2021 waren insgesamt 90 % der Anteile am Vermögen der G-KG innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen. § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung war noch nicht in Kraft getreten. § 1 Abs. 2a GrEStG in der Altfassung wurde nicht erfüllt, weil bis zum 15.6.2021 nur 90 %, jedoch weniger als 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der G-KG auf neue Gesellschafter übergingen. Dadurch, dass N1 seinen am 1.7.2016 erhaltenen Anteil am 30.6.2026 auf N3 überträgt, wird die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht. Die Anteilsübergänge vom 1.7.2016 und 15.6.2021 sind, weil sie zusammen 90 % der Anteile an der G-KG betreffen, „verbraucht“1. N1 und N2 sind als sog. Altgesellschafter für die Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG anzusehen. Am 30.6.2026 wird auch die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht, zum einen, weil der Anteilsübergang auf N2 schon länger als fünf Jahre zurückliegt, zum anderen, weil der Altgesellschafter nach wie vor zu 10 % am Gesellschaftsvermögen der G-KG beteiligt ist. Entsprechendes gilt bei mindestens 90 %igem, aber unter 95 %igem Gesellschafterwechsel auf Ebene einer an der grundbesitzenden KG zu mindestens 90 % jedoch zu weniger als 95 % beteiligten Kapitalgesellschaft2.

1 Anderenfalls hätte es der Regelung für die sog. Korridorfälle in § 23 Abs. 20 GrEStG nicht bedurft. 2 Vgl. § 23 Rz. 56, § 23 Rz. 51.

Behrens

159

§ 1 Rz. 389 Erwerbsvorgänge e) Neue Gesellschafter 389

Nach der Rechtsprechung des BFH zur bis zum 5.11.2015 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG konnten natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften unmittelbare neue Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein1. Die Finanzverwaltung, die ursprünglich in ihren gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG die Ansicht vertreten hatte, dass Personengesellschaften, die an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, keine neuen Gesellschafter sein können2, schloss sich dieser Ansicht in den Erlassen vom 18.2.2014 an3. Diese Altfassung hat die Finanzverwaltung in den Erlassen vom 12.11.2018 beibehalten4. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 10.8.20215 am 1.1.2024, wodurch bei Personengesellschaften das Gesamthandsvermögen durch ein eigenes Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft ersetzt werden wird6, wird sich daran, dass Personengesellschaften neue Gesellschafter sein können, nichts ändern.

390

Nach allgemeiner Meinung können nach dem InvG bzw. KAGB gebildete und von einer KVG verwaltete Sondervermögen, weil nicht rechtsfähig und auch nicht partiell Rechtsträger, keine (alten oder neuen) Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft sein; dies gilt auch für rechtlich unselbständige Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die als Sondervermögen geführt werden, und zwar unabhängig davon, ob bei ihren Trägern Organe für diese Einrichtungen bestellt werden7. Demgegenüber kann eine Erbengemeinschaft, weil Gesamthandsvermögen, neue Gesellschafterin einer grundbesitzenden Personengesellschaft sein.

391

Der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 2a GrEStG setzt zwar den Übergang von Anteilen auf mehrere neue Gesellschafter voraus; nach nahezu einhelliger Meinung wird hierunter auch der Singular verstanden, d.h. der Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf nur einen neuen Gesellschafter erfüllt nach ganz h.M.8 ebenfalls den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG.

392

Neue Gesellschafter sind bzw. als neue Gesellschafter werden nach Ansicht der Finanzverwaltung angesehen9: – Diejenigen Rechtsträger, die erst mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung in die Mitberechtigung am Grundstück der Personengesellschaft durch Beitritt oder infolge vollständiger oder teilweiser Abtretung eines Gesellschaftsanteils oder aufgrund von Umwandlungsvorgängen (mit Ausnahme der formwechselnden Umwandlung) eintreten; der bisher nicht beteiligte Anteilserwerber 1 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, Rz. 10 f., mit dem Hinw. darauf, dass auch Personengesellschaften zivilrechtlich selbstständige Rechtsträger sind und als solche Gesellschafter anderer Gesellschaften sein können; Hinw. auf BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291, wonach die (Außen)Gesellschaft bürgerlichen Rechts Kommanditistin einer KG sein kann; neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solcher sind auch die ihr zum Zeitpunkt ihres Beitritts zu der KG angehörenden Gesellschafter mit Namen, Geburtstag und Wohnort (entsprechend § 106 Abs. 2 BGB) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; entsprechendes gilt für jeden späteren Wechsel in der Zusammensetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245, Tz. 2.1 und Tz. 2.2, wo nur natürliche und juristische Personen als mögliche Alt- bzw. Neugesellschafter genannt waren; vgl. Behrens, DStR 2010, 777 (780). 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 18.2.2014, Rz. 2.2, BStBl. I 2014, 561, wonach es auf die Rechtsform der Gesellschafter nicht ankommt; vgl. Behrens, DStR 2014, 1526 (1529). 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.2, wonach es weiterhin auf die Rechtsform der Gesellschafter nicht ankommt. 5 BGBl. I Nr. 53 v. 17.8.2021. 6 Vgl. § 713 BGB n.F.: „Die Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten sind Vermögen der Gesellschaft.“ 7 Dies trifft z.B. auf rechtlich unselbstständige Einrichtungen der Rheinischen Versorgungskassen wie z.B. die Rheinische Zusatzversorgungskasse, den Personalentgeltbereich sowie die Beihilfekasse zu; vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande NRW, GV.NW 1984, S. 694; § 1 Abs. 5 der Satzung der Rheinischen Versorgungskassen v. 19.11.1985; § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die freiwillige Versicherung über die RZVK-Zusatzrente. 8 Vgl. z.B. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 758. Dass dafür seit Inkrafttreten von § 1 Abs. 3a am 7.6.2013 eigentlich kein Bedürfnis besteht, wird nicht als relevant angesehen. 9 Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.2.

160

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 392 § 1

wird neuer unmittelbarer Gesellschafter erst mit dem dinglichen Übergang des Anteils, d.h. dem dinglichen Erwerb der Rechtsinhaberschaft an dem Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft; nach den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 26.3.2003, Tz. 4.3, sah die Finanzverwaltung „Gesellschafter, die bereits vor dem Erwerb des Grundstücks an der Gesellschaft beteiligt waren“, als neue Gesellschafter an, „wenn ihre Beteiligung mit einer Immobilieninvestition nach einem vorgefassten Plan verknüpft ist“; diese Sichtweise hatte keine Grundlage im Gesetz und wurde schon in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010 und auch in den Nachfolge-Erlassen nicht mehr erwähnt1; – diejenigen Mitglieder einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft als Gesellschafterin beteiligten Personengesellschaft, die mit dem Eintritt in diese oder durch Abtretung eines Mitgliedschaftsrechts an dieser oder durch dessen Übertragung nach dem Umwandlungsgesetz in die Mitberechtigung am Grundstück einrücken. Dasselbe sollte nach den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG nach Verwaltungsansicht bei mehrstöckigen Personengesellschaften auf jeder Ebene gelten; in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018 ist diese Aussage nicht mehr enthalten, was m.E. im Ergebnis jedoch keine Änderung der Verwaltungsansicht zum Ausdruck bringt; – in den gleichlautenden Ländererlassen vom 25.2.20102 sah die Finanzverwaltung die an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder über weitere Personengesellschaften mittelbar beteiligte Personengesellschaft als transparent an; sie stellte ausschließlich auf die Änderung des Gesellschafterbestandes der beteiligten Personengesellschaft ab; der Übergang eines Anteils unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf eine weitere Personengesellschaft wurde deshalb nur insoweit als Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter angesehen, als an der weiteren Personengesellschaft bisher nicht an der grundbesitzenden Personengesellschaft oder über Gesamthandsgemeinschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter beteiligt waren; von dieser Ansicht rückte die Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen vom 18.2.2014 ab3. Mit Urteil vom 29.2.20124 hatte der BFH den Übergang einer Kommanditbeteiligung an der grundbesitzenden KG auf eine andere Personengesellschaft als Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter gewertet, obwohl der bisher unmittelbar beteiligte Gesellschafter 100%iger Gesamthänder der zwischengeschalteten Personengesellschaft war. Der BFH und nun auch die Finanzverwaltung betrachten mithin auch unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft sich erstmals beteiligende Personengesellschaften als neue Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG5; Wegen der sich aus dem Rechtsgedanken, der § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zugrunde liegt, ergebenden Transparenz von Personengesellschaften wird die weitere Personengesellschaft, die einen Anteil an der grundbesitzenden Personengesellschaft erworben hat, insoweit nicht mit Ablauf von zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal zum 30.6.2026 subsidiär6 fünf) Jahren seit ihrem Anteilserwerb vollständig zur Altgesellschafterin, soweit in den letzten zehn (bzw. fünf) Jahren Anteile an der weiteren Personengesellschaft auf bisher nicht Beteiligte übergegangen sind. Beispiel: An der O-KG sind je zu 50 % die Altgesellschafter A1 und A2 schon seit mind. 15 Jahren beteiligt. Die O-KG erwirbt am 2.7.2016 einen 89,9%igen Anteil an der G-KG. Am 1.7.2021 überträgt A1 seinen 50%igen Anteil an der O-KG auf N. Am 3.7.2026, d.h. nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Anteilserwerb durch die O-KG am 2.7.2016, erwirbt die O-KG die restlichen 10,1 % an der G-KG.

1 Der unmittelbare Anteilsübergang wird in der BFH-Rechtsprechung und von der Finanzverwaltung ausschließlich zivilrechtlich verstanden. Vgl. Rz. 339 f. Gegen die Relevanz eines vorgefassten Plans vgl. auch Fischer in Boruttau16, § 1 GrEStG Rz. 830d, m.w.N.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 866; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 279. 2 Vgl. BStBl. I 2010, Rz. 2.1, Rz. 2.2; vgl. dazu Behrens, DStR 2010, 777 (780), unter Ziff. 1.8. 3 Vgl. BStBl. I 2014, 561, Rz. 2.1; vgl. dazu Behrens, DStR 2014, 1526 (1529), unter Ziff. 1.4. 4 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917, Anmerkung Behrens, BB 2012, 1714. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.2: „unabhängig von seiner Rechtsform“. Dazu, dass dies für Erwerbe von Anteilen an Personengesellschaften, die an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, durch Personengesellschaften wegen des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zugrundeliegenden Rechtsgedankens nicht gilt, vgl. unten Rz. 426 ff. 6 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG.

Behrens

161

§ 1 Rz. 392 Erwerbsvorgänge

2.7.2016:

1.7.2021:

A1

A2

50 %

50 %

A1

N

50 %

50 %

O-KG D

3.7.2026: A2

A2

50 %

50 %

O-KG D

50 % O-KG

D

89,9 % 100 % – 89,9 % = 10,1%

N

89,9 % + 10,1 % = 100 %

89,9 % 10,1 %

10,1 %

G-KG

G-KG

G-KG

D überträgt 89,9 % an G-KG auf O-KG.

A1 überträgt seinen 50 %igen Anteil auf N.

D überträgt 10,1 % an G-KG auf O-KG.

Am 2.7.2016 wird § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nicht erfüllt, weil nur 89,9 % an der G-KG auf eine neue Gesellschafterin (und zwar die O-KG) übergehen. Auch am 1.7.2021 wird § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nicht erfüllt, weil der unmittelbare Übergang des 89,9%igen Anteils und sein mittelbarer Übergang zur Hälfte nicht zusammengerechnet werden; vielmehr beginnt am 2.7.21 lediglich ein weiterer Zehn-Jahres-Zeitraum. Am 3.7.2026 wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ebenfalls nicht erfüllt. Der Übergang des 10,1%igen Anteils auf die O-KG gilt jedoch zur Hälfte als Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter, der mit dem am 1.7.2021 erfolgten Übergang von 50 % von 89,9 % auf N zusammen zu rechnen ist1; – ursprünglich als Altgesellschafter anzusehende Kapitalgesellschaften, an denen sich die Beteiligungsverhältnisse seit 6.11.2015 gem. Satz 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG unmittelbar (nach mutmaßlicher BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht2: oder mittelbar) zu mindestens 95 % geändert haben (vgl. dazu Rz. 446 bis 459.1), unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse, wenn zu ihrem Vermögen ein Grundstück gehören würde, den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllte. Bei mehrstufigen mittelbaren Beteiligungen wird die Prüfung, ob die 90%- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär3 95%-) Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorzunehmen. Ist die 90%- (bzw. 95%-) Grenze erreicht, dann ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen (nicht nur i.H.v. 90% bzw. 95 %); – derjenige, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft nach deren Gründung bzw. nach einem Grundstückserwerb durch diese oder nach Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG dessen Treugeber wird4; dies ist nach hier vertretener Ansicht abzulehnen (vgl. Rz. 366, 425); – neue Treugeber eines Gesellschafters nach Treugeberwechsel5; dies ist nach hier vertretener Ansicht abzulehnen (vgl. Rz. 366, 425);

1 Am 3.7.2026 wird allerdings eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Abs. 3a GrEStG auf Ebene der O-KG ausgelöst. Die dadurch anfallende Grunderwerbsteuer bleibt jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 GrEStG i.H.v. 50 % von 89,9 % unerhoben, vorausgesetzt, A2 vermindert seine Beteiligung an der G-KG innerhalb des am oder mit Ablauf des 3.7.26 beginnenden Zehn-Jahres-Zeitraums nicht. 2 Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3, Abs. 4. 3 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 4 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.4. erster Spiegelstrich. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.4 zweiter Spiegelstrich.

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Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 393 § 1

– der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen, unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft gehaltenen Anteile vom Treuhänder übertragen oder rückübertragen werden1. Selbst wenn entgegen der hier vertretenen Ansicht Anteilsübergänge zwischen Treuhänder und Treugeber als Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG klassifiziert werden, ist die Einordnung des Treugebers als Neugesellschafter (auch wenn er schon seit mehr als fünf Jahren Treugeber ist) unzulässig. Dass der Übergang auf den Treugeber ein Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter sei, hat der BFH lediglich damit begründet, dass kein Bedürfnis für eine andere Sichtweise bestehe, weil mit §§ 3 Nr. 8 und 16 Abs. 2 GrEStG bereits zwei Regelungen bereitstünden, um im Ergebnis derartige Rückerwerbe freizustellen2. Dies kann nicht überzeugen, weil diese Befreiungsvorschriften nur unter engen Voraussetzungen anwendbar sind; – der neue Treuhänder beim Wechsel des in Bezug auf einen unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteil als Treuhänder fungierenden Gesellschafters; überträgt ein Gesellschafter seine Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf einen Treuhänder, der die Beteiligung für den übertragenden Gesellschafter hält, soll ein unmittelbarer Anteilsübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG vorliegen. Immerhin gesteht die Finanzverwaltung zu, dass der dem Treugeber gleichzeitig mit der Übertragung der Anteile zustehende Rückübertragungsanspruch aus § 667 BGB in diesem Zusammenhang grunderwerbsteuerrechtlich unbeachtlich ist, d.h. die gleichzeitige Zuordnung des Anteils gegenüber dem Treuhänder und Treugeber nicht zu einer mehrfachen Gesellschafterveränderung bzw. Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG führt3. M.E. ist diese von Finanzverwaltung und Rechtsprechung des BFH vertretene Ansicht insgesamt abzulehnen; Treuhandverhältnisse sind im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG insgesamt irrelevant, was der Gesetzgeber dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nur auf den dinglichen Anteilsübergang, nicht aber auf schuldrechtliche Übertragungsansprüche abstellt4. Der BFH und die Finanzverwaltung vertreten jedoch die gegenteilige Auffassung. Ein bisher –nur aufgrund wirtschaftlichen Eigentums am unmittelbar an der grundbesitzenden Per- 393 sonengesellschaft bestehenden Anteil – mittelbar beteiligter Gesellschafter ist, wenn man ihn entgegen der hier vertretenen Ansicht als mittelbaren Gesellschafter ansieht, im Falle des dinglichen Übergangs des unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteils auf ihn kein neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Sähe man dies anders, käme es in der folgenden Fallkonstellation zum doppelten Anfall von Grunderwerbsteuer.

1 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. Die Finanzverwaltung verweist im Erlass v. 12.11.2018, Rz. 5.2.4, insoweit auf die anteilige Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenen Anteile auf den Treugeber auf § 3 Nr. 8 GrEStG analog. Nach dem Erlass des FinMin. Bad.-Württ. v. 14.5.2003, juris, waren der erstmalige Erwerb des Anteils durch den Treugeber ebenso wie der Rückerwerb des Anteils durch den Treugeber vom Treuhänder bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zu berücksichtigen. 2 Vgl. BFH v. 16.1.2013, Rz. 27f: „Es besteht kein Bedürfnis für eine einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG in dem Sinne, dass der Rückerwerb eines zuvor an einen Treuhänder übertragenen Gesellschaftsanteils durch den Treugeber und Altgesellschafter entgegen dem Wortlaut dieses Tatbestands von der Besteuerung auszunehmen ist. Denn das GrEStG enthält bereits zwei Regelungen, die im Ergebnis die Steuerfreistellung derartiger Rückerwerbe bewirken: So ist der Rückerwerb des Anteils durch den Treugeber in analoger Anwendung des § 3 Nr. 8 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, sofern die Steuer für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder den Gesellschaftsanteil erlangt hat, entrichtet worden ist. Diese Steuerbefreiungsvorschrift kommt der Antragstellerin vorliegend allein deshalb nicht zugute, weil sie die Steuer für den ersten Erwerb nicht entrichtet hat. Daneben wird die Möglichkeit einer Steuerbefreiung des Rückerwerbs durch den – auch auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG anwendbaren (vgl. z.B. Hofmann11, § 16 Rz. 47 ff.) – § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG eröffnet. Die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschrift sind im Streitfall allein deshalb nicht erfüllt, weil die Antragstellerin ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist“. 3 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.1. 4 Vgl. Behrens/Schmitt, DStR 2005, 1429; Behrens/Schmitt, UVR 2009, 240; Hartrott/Schmidt-Gorbach, DStR 2014, 1210; FG München v. 12.2.2014 – 4 K 1537/11, EFG 2014, 948; aufgehoben durch BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783.

Behrens

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§ 1 Rz. 394 Erwerbsvorgänge 394

Beispiel: V ist bisher alleiniger Gesellschafter einer grundbesitzenden KG und ihrer Komplementär-GmbH. Er verkauft sämtliche Anteile an K. Es wird vereinbart, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen mit vollständiger Kaufpreiszahlung auf K übergeht. Die dingliche Wirksamkeit des Anteilsübergangs wird von der Eintragung des K als Kommanditist im Handelsregister abhängig gemacht.

V

K Verkauf der 100 %igen Kommanditbeteiligung

100 %



Wegen § 176 Abs. 2 HGB steht die dingliche Wirksamkeit des Anteilsübergangs unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des K als Kommanditist im Handelsregister



Es wird für den Zeitraum zwischen Vollzugstag und HR-Eintragung vereinbart, dass V die Kommanditbeteiligung unentgeltlich als Treuhänder für K hält (auflösend bedingtes Treuhandverhältnis)



Mit der Eintragung des Ausscheidens des V und des Eintritts des K als Kommanditist im Wege der Sonderrechtsnachfolge im HR endet das Treuhandverhältnis.

KG

Wird § 1 Abs. 2a GrEStG zweimal verwirklicht?

395

Hält man den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums für tatbestandsmäßig, wird § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG bereits bei Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Anteil auf K verwirklicht. Durch den dinglichen Anteilsübergang würde § 1 Abs. 2a GrEStG erneut verwirklicht, wenn streng auf die zivilrechtliche Rechtslage abgestellt würde. Auf Grundlage der Entscheidungsgründe des FG Hamburg im Gerichtsbescheid vom 28.12.20161 bliebe die aufgrund des dinglichen Anteilsübergangs ausgelöste Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, soweit K seine 100%ige Beteiligung in den auf den dinglichen Anteilsübergang folgenden zehn Jahren nicht vermindert bzw. wenn K seine 100 %ige Beteiligung durch einen Rechtsakt i.H.v. mindestens 90 % verringert2. Auf Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung, wonach die Anwendung von §§ 5, 6 GrEStG eine gesellschaftsrechtliche Gesamthandsbeteiligung voraussetzt3, ist § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG jedoch nicht anwendbar, so dass in dem Beispiel von vornherein zweimal Grunderwerbsteuer zu zahlen ist. Dieses Ergebnis ist abzulehnen, schon weil es zu einer Übermaßbesteuerung führt. Wenn entgegen der hier vertretenen Ansicht der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums für tatbestandsmäßig gehalten wird, wäre K m.E. in Bezug auf den dinglichen Erwerb des unmittelbaren Anteils an der KG als Altgesellschafter anzusehen, weil er bereits zuvor wegen des Erwerbs des wirtschaftlichen Eigentums am Anteil mittelbar an der KG beteiligt gewesen ist.

396

Nach der hier vertretenen Ansicht ist der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums ohne dinglichen Anteilserwerb im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG bedeutungslos. Dadurch, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2a GrEStG – anders als in den anderen Tatbeständen von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 GrEStG – nicht auf vertragliche Anteilsübertragungsansprüche abstellt, hat er deutlich gemacht, dass im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG allein dingliche Anteilsübergänge den Tatbestand erfüllen können. f) Kein Anteilsübergang bei Verzicht des Treugebers auf seine Treugeberrechte

397

Verzichtet der Treugeber später auf seinen Herausgabeanspruch bzw. auf seinen rechtsgeschäftlich begründeten Rückübertragungsanspruch, kommt es auch nach der Verwaltungsansicht nicht erneut zu

1 Vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596. 2 Die zehnjährige Nachbehaltefrist i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG steht der Aufrechterhaltung der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn das Ereignis, das zur Nichtwahrung dieser Frist führt, selbst grunderwerbsteuerbar ist. 3 Vgl. BFH v. 23.10.1974 – II R 87/73, BStBl. II 1975, 152.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 399 § 1

einem Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter. Dieser Verzicht ist für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG unbeachtlich1. Theoretisch könnte auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht zur Relevanz von Treuhandverhältnissen bei § 1 Abs. 2a GrEStG daran gedacht werden, in dem Verzicht des Treugebers auf seine Treugeberechte den mittelbaren Übergang des Anteils auf den Treuhänder zu sehen; weil allerdings der Treuhänder bereits unmittelbarer Anteilsinhaber ist, erscheint die Annahme eines nochmals den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllenden Übergangs dieses Anteils auf ihn als ausgeschlossen. Dem Verzicht des Treugebers auf seine Treugeberrechte steht die Übertragung der Treugeberrechte auf den Treuhänder, so dass sie durch Konfusion enden, gleich. 7. Zehn-Jahres-Zeitraum („… innerhalb von zehn Jahren …“) a) Sukzessive Anteilsübergänge Mindestens 90% (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär2 95 %) der Anteile am 398 Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft können in einem einzigen Rechtsvorgang oder in Teilakten auf neue Gesellschafter übergehen, die sich über einen Zeitraum von längsten zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär fünf) Jahren erstrecken3. In Bezug auf jeden dinglich – und auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht in der Variante des mittelbaren Anteilsübergangs: wirtschaftlich4 – erfolgten Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter ist, wenn dieser Anteilübergang einen Anteil von weniger als 90 % (bzw. 95 %) betrifft, zum einen für die letzten zehn (bzw. fünf) Jahre vor dem Zeitpunkt dieses Anteilsübergangs und, wenn vergangenheitsbezogen die 90 %- (bzw. 95 %-) Grenze nicht erreicht worden ist, für die folgenden zehn (bzw. fünf) Jahre zu prüfen, ob weitere Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter stattgefunden haben, die zusammen mit dem auf seine grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen zu prüfenden Anteilsübergang (und ggf. davor durchgeführten Anteilsübergängen) zur Erreichung bzw. Überschreitung der 90 % (bzw. 95 %-) Grenze geführt haben bzw. führen. Jeder Übergang eines Anteils auf einen neuen Gesellschafter ist mithin sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogen zu berücksichtigen, so dass sich der im Hinblick auf diesen Anteilsübergang zu überprüfende Zeitraum grundsätzlich auf zwanzig (bzw. im Anwendungsbereich der am 30.6.2021 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG zehn) Jahre erstreckt5. Entscheidend ist der Zeitpunkt des dinglichen Anteilsübergangs bzw. nach Verwaltungsansicht und BFH-Rechtsprechung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums am Anteil bzw. der angeblichen Wertteilhabe am Gesellschaftsgrundstück; dieser Zeitpunkt kann frühestens der Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Anteilsübertragungsvertrags sein6, wird jedoch regelmäßig zeitlich nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses liegen, sofern die Parteien vertraglich vereinbaren, dass bestimmte Bedingungen für den dinglichen bzw. wirtschaftlichen Anteilsübergang (sog. Closing Conditions) erfüllt werden müssen. Vertraglich vereinbarte zeitliche Rückbeziehungen sind unbeachtlich7. Die Zehn- (bzw. Fünf-) Jahres-Frist ist sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft entsprechend §§ 186 ff. BGB zu berechnen8. Die Zehn- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiäre9 Fünf-) Jahres-Frist hat Bedeutung nur im Falle von sukzessiven Anteilsübergängen, bei denen kein einzelner Übergang einen Anteil von 90 % (bzw. 95 %) oder mehr betrifft. Der Übergang eines Anteils i.H.v. mindestens 90 % (bzw. 95 %) in einem einzigen Rechtsakt vollzieht sich in einer logischen Sekunde und damit immer innerhalb eines Zeitraums von zehn (bzw. fünf) Jahren10. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.5.1.2. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963. Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Anteil auf einen neuen Gesellschafter bzw. Übertragung der Wertteilhabe am Gesellschafts-Grundstück auf einen neuen Gesellschafter. Vgl. oben Rz. 352 ff., insb. Rz. 365. OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.3., BeckVerw 294282. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 4. Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, BeckVerw 294282, Rz. 1.3. Abs. 3. Vgl. BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 873; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 282; Behrens/Hofmann, UVR 2004, 27. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 873.

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399

§ 1 Rz. 400 Erwerbsvorgänge 400

Die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG – und damit auch die Frage, ob innerhalb von zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär fünf) Jahren mindestens 90 % (bzw. 95 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergegangen sind – ist separat für jedes einzelne zum Vermögen der Personengesellschaft gehörende Grundstück (wirtschaftliche Einheit) zu prüfen. In Bezug auf das einzelne Grundstück sind solche Anteilsübergänge aus der Betrachtung auszuscheiden, die vor Erwerb dieses Grundstücks durch die Personengesellschaft oder nach Veräußerung dieses Grundstücks durch die Personengesellschaft stattfinden1. Anteilsübergänge, die im Falle des Formwechsels einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft vor dessen Eintragung im Handelsregister stattgefunden haben, sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen, weil der Zehn (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiäre2 Fünf) -Jahres-Zeitraum i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG frühestens mit Eintragung des Formwechsels im Handelsregister – d.h. mit Entstehung der grundbesitzenden Personengesellschaft – beginnt3.

401

Geht ein Anteil am Gesellschaftsvermögen auf einen neuen Gesellschafter in einem Zeitpunkt über, zu dem die Personengesellschaft das Grundstück noch nicht erworben hat, sondern nur plant, das Grundstück zu erwerben, ist der Anteilsübergang für § 1 Abs. 2a GrEStG bedeutungslos; denn ein Grundstück, dessen Anschaffung erst geplant ist, gehört selbst bei Vorliegen eines Gesamtplans nicht zum Vermögen der Personengesellschaft4. b) Geltung der Fünf-Jahres-Frist oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften

402

Nicht ausdrücklich geregelt ist auch nach Inkrafttreten des StÄndG vom 2.11.2015 zum 6.11.2015 und auch noch nach Inkrafttreten des GrEStÄndG v. 12.5.2021 zum 1.7.2021 die Frage nach der Geltung des Fünf-(bzw. seit dem 1.7.2021 Zehn-)Jahres-Zeitraums oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften5. Es wäre hilfreich gewesen, die Geltung des Fünf- (bzw. Zehn-)Jahres-Zeitraums i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG bei Anteilsübergängen oberhalb zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften ausdrücklich zu regeln6. Dass auch auf höherer Ebene oberhalb unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Kapitalgesellschaften stets nur Anteilsübergänge zusammengezählt werden dürfen, die innerhalb ein und desselben Fünf-(bzw. Zehn-)Jahres-Zeitraums erfolgen, der auf allen Ebenen gleichermaßen zu beachten ist, ergibt sich aber aus der Auslegung der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG als spezieller Missbrauchsvermeidungsvorschrift7. Überraschenderweise vertraten die obersten Finanzbehörden der Länder in den Erlassen zur Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.20188 die Ansicht, dass der damalige Fünf-Jahres-Zeitraum nicht für Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 und 5 GrEStG gelte (sog. Ewigkeitsbetrachtung). Ob die Finanzverwaltung hieran – auch für Zwecke der ab 1.7.2021 geltenden – Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG festhalten wird, bleibt abzuwarten. Ausführungen oder Beispiele dazu, wie diese in den Erlassen vom 12.11.2018 überraschend vertretene Verwaltungsansicht genau zu verstehen ist, fehlen in diesen Erlassen. Keine Aussage findet sich ins-

1 Sog. Durchgängigkeit des Grundbesitzes während des Fünf-Jahres-Zeitraums; vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 11.12.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 3; OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.4; das betreffende Grundstück muss während des Zeitraums, in dem der Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden hat, durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören; vgl. gleichlautende Erlasse v. 11.12.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 3. 2 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 3 Alle bei Eintragung des Formwechsels beteiligten Gesellschafter sind sog. Altgesellschafter, vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.1 Abs. 2. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 866; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 289 a.E. Dies hatte die Finanzverwaltung ursprünglich anders gesehen, ihrer Meinung jedoch im gleichlautenden Ländererlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 273, zu Recht aufgegeben. 5 Vgl. auch Schanko, UVR 2017, 126. 6 Vgl. dazu bereits (mit Beispielsfällen) Behrens, UVR 2015, 138. 7 Dazu, dass auf allen Beteiligungsebenen stets derselbe Fünf-Jahres-Zeitraum gilt, vgl. auch Pahlke in Widmann/ Mayer, Anhang 12, Rz. 147.1, 195. Erg.-Lfg./August 2018. Nach Ansicht von Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 305 und 307, ergibt sich dies schon unmittelbar aus § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. 8 Vgl. BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.3.1, Tz. 5.3.3, Tz. 5.3.5, Tz. 6 und Tz. 6.4.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 403 § 1

besondere auch dazu, ob Anteilsübergänge oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften, die vor Inkrafttreten der Sätze 4 und 5 am 6.11.2015 erfolgt waren, ebenfalls „Fünf-Jahres-Zeitraum-unabhängig“ mit nach dem 5.11.2015 durchgeführten Anteilsübergängen zusammengerechnet werden sollen. Die in den neuen Erlassen enthaltenen Beispiele sind – wie schon die Beispiele in den Vorgänger-Erlassen1 – allesamt so gewählt, dass alle Anteilsübergänge unabhängig davon, auf welcher Beteiligungsebene sie erfolgen, stets innerhalb eines für alle Ebenen einheitlichen Zeitraums von fünf Jahren erfolgen. Unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsvermeidung macht es keinen Sinn, hinsichtlich der Länge des zu betrachtenden Zeitraums zwischen unmittelbaren Anteilsübergängen und Anteilsübergängen auf höheren Ebenen zu differenzieren. Im Gegenteil: Wenn auf Ebene der unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteile die Zusammenrechnung sukzessiver Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter auf solche Anteilsübergänge beschränkt ist, die innerhalb von fünf Jahren dinglich wirksam werden, muss dies für mittelbare Beteiligungsebenen erst recht gelten. Die Sätze 4 und 5 regeln lediglich die Zählmechanik in Bezug auf beteiligte Kapitalgesellschaften und sind mit Satz 1 verknüpft, der allgemein den Fünf- (seit 1.7.2021: Zehn-)Jahres-Zeitraum auf unmittelbare wie mittelbare Veränderungen im Gesellschafterbestand als weiteres kumulatives, den gesetzlichen Steuertatbestand erfüllendes Merkmal bestimmt. Dass die Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG den Fünf- bzw. Zehn-Jahres-Zeitraum selbst nicht wiederholen, steht seiner Geltung nicht entgegen. Aus dieser Regelungstechnik ergibt sich vielmehr, dass unabhängig davon, auf welcher Ebene in Beteiligungsketten Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter stattfinden, nur solche Anteilsübergänge berücksichtigt werden dürfen, die innerhalb desselben Fünf- bzw. Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgen. Das Schrifttum ist fast einhellig anderer Ansicht als die Finanzverwaltung2. Wenn § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG tatsächlich so ausgelegt werden müsste, dass der Zehn- bzw. Fünf-Jahres-Zeitraum in Bezug auf Übergänge von Anteilen an beteiligten Kapitalgesellschaften auf neue Gesellschafter nicht gilt, solche Anteilsübergänge also ohne Rücksicht auf die zwischen ihnen liegende Zeit aufzuaddieren wären, spricht der Wortlaut des Satzes 4 des § 1 Abs. 2a GrEStG m.E. dafür, dass es in Bezug auf Übergänge von Anteilen an beteiligten Kapitalgesellschaften auf neue Gesellschafter überhaupt keinen Zeitraumbezug gibt. Bei einer solchen Sichtweise müssten – innerhalb der auf Ebene der grundbesitzenden KG geltenden Zehn- bzw. Fünf-Jahres-Frist – mit einem einzigen Übertragungsvorgang mindestens 90% bzw. 95% der Anteile an der beteiligten Kapitalgesellschaft übergehen, damit diese als Neugesellschafterin gilt3. Die zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der bis 30.6.2021 geltenden Fassung von der Verwaltung vertretene Ansicht zur Nichtgeltung des Fünf-Jahres-Zeitraums oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften bedeutet, dass nach Verwaltungsansicht ein Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft nicht durch Zeitablauf zu einem sog. Altgesellschafter der beteiligten Kapitalgesellschaft werden konnte. Ob die Finanzverwaltung für § 1 Abs. 2a GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung dieselbe Ansicht vertreten wird, bleibt abzuwarten. c) Mehrfache Übertragung desselben Anteils zählt nur einmal Wird ein und derselbe Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb desselben (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiäre4 Fünf-) Jahres-Zeitraums mehrfach übertragen, gilt dieser Anteil bezogen auf jeden Zehn- bzw. Fünf-) Jahres-Zeitraum als nur einmal auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Es ist zur Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.v. von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter

1 Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. 2014, 561. 2 Vgl. z.B. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 747, Rz. 834; Saecker, Praxisleitfaden zu § 1 Abs. 2a GrEStG, NVW 2019, 738; Lange/Broemel, DStR 2017, 360; Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (190); Urbach, kösdi 2019, 21269 [28]; Behrens, BB 2019, 30; Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84; Broemel/Lange, DStR 2019, 185; Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105; Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104, 109 f.; Griesar in GrEStG – eKommentar, § 1 GrEStG Rz. 226. Wie die obersten Finanzbehörden der Länder in den Erlassen v. 12.11.2018 soweit ersichtlich nur Schanko, UVR 2017, 126. 3 Vgl. Behrens/Wagner, DB 2019, 1868 (1874). 4 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG.

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167

403

§ 1 Rz. 403 Erwerbsvorgänge zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen1. Allerdings beginnt mit jedem erneuten Übergang dieses Anteils auf einen neuen Gesellschafter eine weitere Zehn- (bzw. begann bei jedem vor dem 1.7.2021 stattfindenden weiteren Übergang eine weitere Fünf-)Jahres-Frist, innerhalb der weitere Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter mit dem erneuten Übergang des betreffenden Anteils auf einen neuen Gesellschafter zusammengerechnet werden. 404

Beispiel: An der grundbesitzenden KG ist zunächst die V-GmbH zu 100 % gesamthänderisch beteiligt. Am 1.7.2021 überträgt sie einen 89,9%igen Anteil an der KG auf den Erst-Käufer. Am 1.7.2022 überträgt der Erst-Käufer diesen 89,9%igen Anteil auf den Zweit-Käufer.

M-GmbH 100 %

Übergang von 89,9 % am 1.7.22

Übergang von 89,9 % am 1.7.21

V-GmbH

Erst-Käufer

Zweit-Käufer

100 % 10,1 %

89,9 % 89,9 %

KG

405

Durch die zweimalige Übertragung desselben 89,9%igen Anteils an der grundbesitzenden KG wird für sich betrachtet keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst. Allerdings ist in Bezug auf den Übergang des 89,9%igen Anteils auf den Erst-Käufer am 1.7.2021 der Zeitraum vom 2.7.2021 bis 1.7.2031 daraufhin zu überprüfen, ob auch der restliche von der V-GmbH gehaltene 10,1%iger Anteil an dieser KG ganz oder teilweise auf einen neuen Gesellschafter übergegangen ist bzw. übergeht oder aufgrund von Gesellschafterwechseln oberhalb der V-GmbH als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen gilt. In Bezug auf den Übergang des 89,9%igen Anteils auf den Zweit-Käufer am 1.7.2022 ist zu prüfen, ob der von der V-GmbH gehaltene 10,1%iger Anteil innerhalb von zehn Jahren vor dem 1.7.2022 (hier wegen § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG seit dem 1.7.2016) bis zehn Jahre nach dem 1.7.2022 (d.h. bis zum 2.7.2032) auf einen oder mehrere neue(n) Gesellschafter übergeht oder als auf neue Gesellschafter übergegangen gilt, soweit solche Anteilsübergänge, weil mit dem Anteilsübergang vom 1.7.2022 zusammengerechnet, noch nicht als „verbraucht“ zu bewerten sind; mit welchem 89,9 %-Anteilsübergang der Übergang des restlichen 10,1%igen Anteils der V-GmbH z.B. am 30.7.2025 (d.h. nach dem zweiten 89,9 %-Anteilsübergang) im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG zusammenzurechnen ist, ist höchstgerichtlich bisher nicht geklärt.

1 So zu Recht seit den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010, Rz. 3, Satz 1, BStBl. I 2010, 245, auch die Finanzverwaltung. Ebenso in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, Rz. 3 Satz 1, BStBl. I 2014, 561. Ebenso Tz. 6.3 der gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, 1314: „Da die Veräußerung des […] Anteils […] bereits bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes berücksichtigt wurde, kann die Weiterveräußerung desselben Anteils innerhalb des maßgeblichen Fünfjahreszeitraumes […] nicht noch einmal bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes berücksichtigt werden.“

168

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 408 § 1

M.E. hat systematisch zwar eine Zusammenrechnung mit dem zeitlich früheren Übergang des 89,9%-Anteils (d.h. dem Übergang am 1.7.2021) zu erfolgen; dennoch verliert der Übergang des 89,9%-Anteils am 1.7.2022 seine grunderwerbsteuerliche Bedeutung, d.h. er ist nicht mit etwaigen nach dem 30.7.2025(bis zum 1.7.2032) erfolgenden Anteilsübergängen betr. die restlichen 10,1 % zusammenzurechnen: Denn es ist einmal Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG gegenüber der KG auf einen Zeitpunkt festgesetzt worden, zu dem der Zweitkäufer bereits 89,9%iger Gesellschafter der KG geworden war; mit Entstehung der Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG am 30.7.2025 wird der Zweitkäufer zum Altgesellschafter, unabhängig davon, ob sein Anteilserwerb zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat (vgl. Rz. 381).

Frühestmöglicher* Beginn des ersten 10-JahresZeitraums

Übergang des 89,9 %igen KGAnteils auf den Erst-Käufer

Übergang des 89,9 %igen KGAnteils auf den Zweit-Käufer

Letztmögliches** Ende des letzten 10-JahresZeitraums

1.7.2016

1.7.2021

1.7.2022

1.7.2032

406

* Bezogen auf den Anteilsübergang am 1.7.2021 ** Bezogen auf den Anteilsübergang am 1.7.2022

Hätte z.B. die M-GmbH am 1.8.2021 erstmalig einen Anteil (z.B. i.H.v. 89 %) an der V-GmbH er- 407 worben und würde sie ihre 89%ige Beteiligung z.B. am 1.7.2026 auf 100 % aufstocken, würde durch diesen Erwerb des restlichen 11%igen Anteils an der V-GmbH durch die M-GmbH am 1.7.2026 Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auf das durchgehend zum Vermögen der KG gehörende Grundstück ausgelöst. „Verbraucht“ würde m.E. der 89%ige Anteilsübergang am 1.8.2021, nicht etwaige nach dem 1.7.2026 folgende Übergänge des 89%igen Anteils auf neue Gesellschafter. d) Übergang der bis zu 10 % weiteren Anteile nach Erreichung der 90 %-Grenze Wird durch einen Anteilsübergang bzw. mehrere zeitgleich dinglich wirksam werdende Anteilsüber- 408 gänge auf neue Gesellschafter nicht nur die 95 %-Grenze i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erreicht, sondern sind im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG z.B. 100 % der Anteile auf neue Gesellschafterübergegangen, sind die bis zu 5 % Anteile, die über 95 % hinaus auf neue Gesellschafter übergegangen sind, nicht in der Weise separat zu würdigen, dass ein neuer Fünf-Jahres-Zeitraum begänne, für den das steuerneutrale 94,9%igen Übertragungspotential bereits zu maximal 5 % verbraucht wäre. Vielmehr fällt auch der Übergang der letzten 5 % auf neue Gesellschafter noch unter den durch den Übergang von mindestens 95 % verwirklichten Tatbestand. Erfolgen der Übergang der ersten 95 % und der zweiten bis zu 5 % zeitlich nacheinander, hängt die Frage, ob der Übergang der weiteren bis zum 5 % eine neue Fünf-Jahres-Frist in Gang setzt, davon ab, ob der Übergang der weiteren bis zu 5 % sachlich mit dem Übergang der ersten 95 % zusammenhängt. Besteht ein sachlicher Zusammenhang, fällt der Übergang der restlichen bis zu 5 % noch unter die Tatbestandsverwirklichung durch den Übergang der ersten 95 % und es beginnt kein neuer FünfJahres-Zeitraum. Besteht kein sachlicher Zusammenhang, beginnt ein neuer Fünf-Jahres-Zeitraum, d.h. es sind etwaige in den anschließenden fünf Jahren erfolgende weitere Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter mit dem Übergang der restlichen bis zu 5 % der Anteile zusammenzuzählen1.

1 Vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 309; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 891.

Behrens

169

§ 1 Rz. 408.1 Erwerbsvorgänge e) Erfassung nur solcher Anteilsübergänge, bei denen sämtliche Erwerber im Zeitpunkt der Erreichung der 90 %-Grenze noch Neugesellschafter sind 408.1

Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG fällt Steuer auf die zum Vermögen der Personengesellschaft gehörenden inländischen Grundstücke an, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen dieser Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Der Gesetzeswortlaut lässt offen, ob es ausreicht, dass der jeweilige Anteilserwerber im Zeitpunkt seines Anteilserwerbs neuer Gesellschafter war, oder ob sein Anteilserwerb nur dann berücksichtigt werden kann, wenn er auch im Zeitpunkt des letzten Anteilserwerbs noch neuer Gesellschafter der Personengesellschaft ist. M.E. können nur die Anteilserwerbe solcher neuen Gesellschafter für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zusammengerechnet werden, die im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung noch neue Gesellschafter sind. Denn die gesetzliche Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG besteht im Übergang des Grundstücks von einer alten auf eine neue Personengesellschaft. Als neu fingiert werden kann eine Personengesellschaft nur dann, wenn im Zeitpunkt der Tatbestandserfüllung mindestens zu 90% (bezogen auf die Anteile an ihrem Gesellschaftsvermögen) neue Gesellschafter an ihr beteiligt sind. Vor Einführung von § 1 Abs. 2a GrEStG mit Wirkung ab dem 1.1.19971 war nach der BFH-Rechtsprechung der vollständige Wechsel im Personenstand einer lediglich grundstücksbesitzenden Personengesellschaft im Fall eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen den Anteilsübergängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO steuerbar2. Demnach mussten im Zeitpunkt der Tatbestandserfüllung alle Gesellschafter neue Gesellschafter sein. Dass diese Voraussetzung im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG irrelevant sein soll, ist nicht ersichtlich. Im Moment der letzten Anteilsübertragung den vorangegangenen Anteilserwerb durch einen bereits vor mehr als zehn Jahren in die Personengesellschaft eingetretenen und deshalb zwischenzeitlich zum Alt-Gesellschafter gewordenen Gesellschafter dennoch weiter zu berücksichtigen, wäre eine unzutreffende Umsetzung dieser Fiktion3. 8. Kein (unmittelbarer oder mittelbarer) Anteilsübergang durch Formwechsel eines Gesellschafters der grundbesitzenden Personengesellschaft

409

Ein Formwechsel des oder der (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft kann keinen Anteilsübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen4, denn das Tatbestandsmerkmal „Anteilsübergang“ in § 1 Abs. 2a GrEStG wird im Falle eines Formwechsels, der die Identität des formwechselnden Rechtsträgers und der Beteiligungen bzw. Anteile an ihm unberührt lässt, wegen des Fehlens eines Rechtsträgerwechsels nicht verwirklicht. Durch einen Formwechsel können weder mittelbar noch unmittelbar Anteile an einer ein Grundstück haltenden Personengesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übergeben. Nach den gleichlautenden Ländererlassen vom 12.11.20185 behält die seit mindestens fünf (bzw. seit 1.7.2021 seit 30.6.2016 oder davor oder seit mindestens zehn) Jahren beteiligte, ihre Rechtsform wechselnde Gesellschaft trotz des heterogenen Formwechsels ihren Status als sog. Altgesellschafterin. Der Formwechsel kann mittelbar grunderwerbsteuerrechtliche Auswirkungen haben, und zwar auf die Begünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG6

409.1

Die Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft sind nach Verwaltungsansicht, obwohl durch den Formwechsel keine Anteile auf sie übergehen, als Neu-Gesellschafter der durch den Formwechsel entstehenden Personengesellschaft anzusehen7. M.E.

1 Vgl. JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 2 Vgl. z.B. BFH v. 4.3.1987 – II R 150/83, BStBl. II 1987, 394. Trotz gleichzeitiger Auswechslung aller Personengesellschafter bleibt die Personengesellschaft zivilrechtlich bestehen; vgl. BGH v. 8.11.1965 – II Z R 223/64, BGHZ 44, 229; BFH v. 12.12.1996 – II R 61/93, BStBl. II 1997, 299. 3 Ebenso für die am 30.6.2021 geltende Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG Behrens/Wagner, DB 2019, 1868 (1874 f.). 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5 Satz 2. 5 Vgl. BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.1 Abs. 1. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.3. 7 Vgl. gleichlautende Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.2, Abs. 3.

170

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 410 § 1

ist diese Ansicht abzulehnen, wonach im Falle des Formwechsels einer beteiligten Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nur die entstehende Personengesellschaft als Alt-Gesellschafterin angesehen wird, deren Gesellschafter jedoch neue Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein sollen. M.E. können diese Gesellschafter nicht als neue Gesellschafter eingestuft werden, weil bei Gründung einer grundbesitzenden Personengesellschaft und bei Eintragung des Formwechsels der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter als sog. AltGesellschafter eingestuft werden und dies auf höheren Beteiligungsebenen nicht anders gesehen werden kann1. Weil die Finanzverwaltung die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft (m.E. unrichtigerweise) nicht als mittelbare Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft ansieht, ist es aus Sicht der Verwaltung konsequent, sie nach Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als neue Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft einzustufen2. Im Falle des Formwechsels einer unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesell- 409.2 schaft/en am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft führt diese formwechselnde Gesellschaft ihre bisherige Eigenschaft als Altoder Neu-Gesellschafterin fort3. Die an der in eine Kapitalgesellschaft formwechselnden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter werden ab Eintragung des Formwechsels im Handelsregister von der Finanzverwaltung nicht mehr als Alt- oder Neu-Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft angesehen. Die Finanzverwaltung klassifiziert sie als Alt-Gesellschafter nur in Bezug auf die durch Formwechsel entstandene Kapitalgesellschaft, weil sie gesellschaftsrechtlich nur an dieser beteiligt sind. Dies ist auf Grundlage der Verwaltungsansicht, wonach die Gesellschafter einer beteiligten Kapitalgesellschaft nicht als (neue oder alte) Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft angesehen werden können, zwar folgerichtig, nach hier vertretener Ansicht jedoch insgesamt als mit dem Charakter von § 1 Abs. 2a GrEStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift nicht vereinbar anzusehen und deshalb als rechtswidrig abzulehnen4. In Gesellschaftsketten führt der Formwechsel aus der als Gesellschafterin beteiligten Kapital- in die 410 Personengesellschaft dazu, dass es für die Frage, ob ein mittelbarer Übergang eines Anteils an der Grundstücke haltenden Personengesellschaft gegeben ist, nach den Rechtsgedanken von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zukünftig auf sämtliche Übergänge von Anteilen an der durch Formwechsel entstandenen (zwischengeschalteten) Personengesellschaft – also anders als während des Bestehens des zwischengeschalteten Rechtsträgers als Kapitalgesellschaft – unabhängig von der Erreichung der 90 %(bis 30.6.2021 und bis maximal 30.6.2026 subsidiär5 95 %-) Grenze im Kreis der Gesellschafter der zwischengeschalteten (jetzt: Personengesellschaft) ankommt6. Vor Eintragung des Formwechsels im (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafterkreis der vormaligen Kapitalgesellschaft erfolgte Anteilsübergänge, die aufaddiert die 90 %- (bzw. 95 %-) Grenze i.S.v. § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG nicht erreicht haben, sind im Anwendungsbereich vom § 1 Abs. 2a GrEStG – d.h. ab Eintragung des Formwechsels in die Personengesellschaft in das Handelsregister – irrelevant, können also für die Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mit nach der Eintragung des Formwechsels erfolgenden Anteilsübergängen zusammengerechnet oder auf sonstige Weise berücksichtigt werden. Bei aus mehreren Schritten bestehenden Umstrukturierungen ist es unzulässig, den Zeitpunkt der Eintragung des Form-

1 2 3 4 5 6

So auch Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (111). Vgl. auch Behrens, BB 2019, 30. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.5.2, Abs. 4. Ebenso Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (111). Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Veränderungen im Gesellschafterbestand der an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personengesellschaft wurden nach der Rechtslage bis 5.11.2015 (und nach dem Rechtsgedanken von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG wohl auch danach) von der Finanzverwaltung stets als mittelbare Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG berücksichtigt; so OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 2.3., für die Rechtslage vor dem StÄndG v. 2.11.2015. Wegen der Aufhebung des zum BFH-Urteil II R 17/10 zunächst ergangenen Nichtanwendungserlasses v. 9.10.2013 (BStBl. I 2013, 1278) durch Erlass v. 16.9.2015 (BStBl. I 2015, 822) kommt es für vor dem 6.11.2015 verwirklichte Vorgänge auf den vollständigen Austausch aller Gesellschafter an den oberen Enden der Beteiligungsketten an, unabhängig davon, ob es sich bei den zwischengeschalteten Gesellschaften um Personen- oder Kapitalgesellschaften handelt.

Behrens

171

§ 1 Rz. 410 Erwerbsvorgänge wechsels für Zwecke der Grunderwerbsteuer fiktiv vorzuverlegen, um auf Ebene des formgewechselten Rechtsträgers vor Eintragung des Formwechsels im Handelsregister durchgeführte Anteilsübertragungen in die Beurteilung der Frage, ob § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden ist, mit einzubeziehen. Dies gilt auch im Hinblick auf § 42 AO, denn Steuerpflichtige sind nicht gehalten, unter mehreren ihnen zur Verfügung stehenden Wegen denjenigen auszuwählen, der steuerlich am ungünstigsten ist1. 9. Rechtsfolge der Verwirklichung von Abs. 2a a) Fingierter Grundstückserwerb durch fingiert neue Personengesellschaft 411

Entsprechend der früheren BFH-Rechtsprechung zur Anwendung von §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO auf Fälle, in denen, der Gesellschafterbestand einer lediglich grundstücksbesitzenden Personengesellschaft in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang vollständig ausgewechselt wird, fingiert § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang der Gesellschaftsgrundstücke auf eine fingiert neue Personengesellschaft2. b) Schuldner der Grunderwerbsteuer

412

Schuldnerin der Grunderwerbsteuer ist deshalb gem. § 13 Nr. 6 GrEStG die grundbesitzende Personengesellschaft selbst, die gem. § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG auch zur Anzeige des mind. 90%igen (bis 30.6.2021 und bis maximal 30.6.2026 subsidiär3 mind. 95%igen) Gesellschafterwechsels verpflichtet ist4. Weil § 1 Abs. 2a GrEStG nicht die geänderte Sachherrschaft (gesamthänderische Mitberechtigung/Beteiligung am Vermögen der Gesamthand) in der Person des einzelnen Neugesellschafters oder auch mehrerer Neugesellschafter erfasst, sondern die geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Gesellschaftsebene (Gesamthand als eigenständiger Rechtsträger), bestehen an der Verfassungsmäßigkeit von § 13 Nr. 6 GrEStG nach Auffassung des BFH5 keine ernstlichen Zweifel. Weil § 1 Abs. 3 GrEStG die geänderte Sachherrschaft auf Gesellschafterebene besteuere, § 1 Abs. 2a GrEStG jedoch den Übergang des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft fingiere, sei es gerechtfertigt, bei der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG gem. § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG den Erwerber oder gem. § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG die Beteiligten als Steuerschuldner zu behandeln und in den Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG die an dem fiktiven Erwerbsvorgang beteiligte fiktiv neue Personengesellschaft. Dem kann nicht gefolgt werden: Die Personengesellschaft ist zumindest bei derivativen Anteilsübergängen lediglich Objekt der Anteilsgeschäfte. Insbesondere bei mittelbaren Anteilübergängen hat sie in vielen Fällen keine Kenntnis und insbesondere keine Möglichkeit, die Steuerentstehung zu verhindern. Die Annahme des BFH in Rz. 22 des BFH-Beschlusses vom 11.9.20026, dass es nicht zutreffe, dass § 13 Nr. 6 GrEStG mit der Personengesellschaft einen am Erwerbsvorgang unbeteiligten Dritten zum Steuerschuldner bestimme, trifft zumindest in den Fällen, in denen § 1 Abs. 2a GrEStG durch mittelbare Anteilsübergänge oberhalb beteiligter Personen- oder Kapitalgesellschaften verwirklicht wird, nicht zu. Denn insoweit hilft auch die (in diesem Zusammenhang sowieso 1 Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es den Steuerpflichtigen grds. freisteht, „bei der Gestaltung ihrer geschäftlichen Verhältnisse Formen zu wählen, die ihnen die Zahlung von Steuern ersparen“; vgl. BFH v. 6.3.1985 – II R 240/83, BStBl. II 1985, 494. Selbst wenn ein beachtlicher nicht steuerlicher Grund fehlen würde, kann nach Auffassung des BFH eine Steuerumgehung nicht schon allein darin gesehen werden, dass der eingeschlagene Weg nur unter Berücksichtigung der Steuerfolgen sinnvoll ist; vgl. BFH v. 1.3.1974 – VI R 31/71, BStBl. II 1974, 382; v. 24.7.1984 – VIII R 65/84, BStBl. II 1985, 85; v. 15.11.1967 – IV R 139/67, BStBl. II 1968, 152. Eine Rechtsgestaltung ist in der Regel nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Beteiligten mit ihr eine Steuerbegünstigung erreichen wollen; vgl. BFH v. 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272; v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224 = FR 2000, 204 m. Anm. Fischer; v. 17.12.2003 – IX R 11/01, BFH/NV 2004, 1275. 2 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777; v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. 3 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 4 Dazu, dass die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a auch die Aufstockung der Beteiligungsquote eines neuen Gesellschafters erfasst, vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. 5 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 6 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777.

172

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 414 § 1

nicht nachvollziehbare) Erwägung nicht mehr, dass nach § 718 BGB bzw. § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB zivil- und handelsrechtlich das Gesellschaftsvermögen gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter sei, nicht Vermögen der Gesellschaft1. c) Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer Die Grunderwerbsteuer ist eine sog. Stichtagssteuer, d.h. der Steueranspruch entsteht unmittelbar mit der vollständigen Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands2. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nach dem Gesetzeswortlaut mit dem „Übergang“ des Anteils erfüllt, der zur Erreichung der (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiären3 95 %-) Grenze führt. „Übergang“ meint – nach h.M. nur beim mittelbaren Anteilsübergang, nach hier vertretener Ansicht stets – das zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Wirksamwerden des dinglichen Übergangs der Rechtsinhaberschaft bzw. Rechtszuständigkeit am Anteil. Maßgebend ist also der Zeitpunkt, in dem die Anteilsübertragung bzw. der Beitritt eines neuen Gesellschafters zivilrechtlich dinglich wirksam wird4. Im GrEStÄndG v. 12.5.2021 wird für Fälle der Verpflichtung zur Anteilsübertragung vor dem 1.7.2021 und dinglichem Vollzug nach dem 30.6.2021 kein Vertrauensschutz gewährt, was verfassungsrechtlich nicht zulässig ist, weil die vertrauensschutzwürdige Disposition des potentiell Steuerpflichtigen das Verpflichtungsgeschäft ist5. Ändert sich der Gesellschafterbestand in für § 1 Abs. 2a GrEStG tatbestandsverwirklichender Weise (unmittelbar oder nach hier vertretener Ansicht mittelbar) aufgrund einer übertragenden Umwandlung, entsteht die Grunderwerbsteuer im Falle der Verschmelzung im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers6 und im Falle der Auf- oder Abspaltung im Zeitpunkt der Eintragung der Auf- oder Abspaltung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers7. Bei Anteilsübertragungen im Rahmen von Einbringungen ist im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG ebenfalls zu beachten, dass nicht bereits die schuldrechtliche Verpflichtung zur Anteilsübertragung, sondern nach h.M. im Falle eines unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteils, nach hier vertretener Ansicht stets erst der dingliche Anteilsübergang den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt8. Im Hinblick darauf, dass der BFH einen mittelbaren Anteilsübergang in Anwendung der Grundsätze von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO annimmt (vgl. Rz. 360)9, ist auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen10.

413

Dass nach § 1 Abs. 2a GrEStG nur der Übergang von Anteilen tatbestandsmäßig ist, nicht aber bereits die Entstehung des schuldrechtlichen Anteilsübertragungsanspruchs, kann sich für die grundbesitzende Personengesellschaft nachteilig auswirken.

414

1 Ab 1.1.2024 wird es wegen des Inkrafttretens des MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436, kein auf die Personengesellschafter bezogenes Gesamthandsvermögen mehr geben; vgl. § 713a BGB n.F.; fraglich ist, ob der BFH die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von § 13 Nr. 6 GrEStG für die Rechtslage nach 2023 anders beurteilen wird. 2 Vgl. §§ 38 AO, ggf. i.V.m. § 14 GrEStG. 3 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 4 Vgl. auch BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649: „Unmittelbar ändert sich der Gesellschafterbestand bei einem zivilrechtlich wirksamen Übergang eines Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft“. 5 Vgl. Behrens, UVR 2017, 15. Die in 2019 zunächst vorgesehene Vertrauensschutzregelung in § 23 Abs. 22 GrEStÄndG-RegE, BT-Drucks. 19/13437, wurde im März/April 2021 gestrichen, weil es „durch Zeitablauf … keinen Anwendungsbereich für diese Regelung“ gebe; vgl. BT-Drucks. 19/28528 v. 15.4.2023, S. 28. Dies überzeugt nicht, weil Verpflichtungsgeschäfte, die den Anspruch auf Abtretung von mind. 90%, aber weniger als 95% der Anteile an grundbesitzenden Personengesellschaften vor dem 1.7.2021 im Vertrauen darauf abgeschlossen werden durften, dass die spätere dingliche Erfüllung dieses Geschäfts nicht nach einem geänderten § 1 Abs. 2a GrEStG mit einer geringeren Prozent-Grenze der Grunderwerbsteuer unterliegen würde. 6 Vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 UmwG. 7 Vgl. §§ 130, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. 8 Vgl. Rz. 353 ff. 9 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 10 So auch die Finanzverwaltung, vgl. die gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.1.2; vgl. Rz. 360 ff.

Behrens

173

§ 1 Rz. 415 Erwerbsvorgänge 415

Beispiel: Eine Kapitalverwaltungsgesellschaft („KVG“) verwaltet ein gem. § 245 KAGB nach der sog. Treuhandlösung aufgelegtes Sondervermögen, zu dem eine 100%ige Kommanditbeteiligung an einer KG gehört, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Die KVG verkauft für Rechnung des Sondervermögens die formal in ihrer Rechtsinhaberschaft stehende 100%ige Kommanditbeteiligung an K. Vor Erfüllung der Anteilsübertragungsverpflichtung endet das Verwaltungsrecht der KVG aus Gründen der Aussetzung der Rücknahme von Anteilscheinen am Sondervermögen gem. §§ 99 Abs. 1, 257 oder § 257 Abs. 4 KAGB, so dass das Sondervermögen und damit auch die 100%ige Kommanditbeteiligung dinglich auf die Verwahrstelle übergeht. Erst anschließend erwirbt K die dingliche Rechtsinhaberschaft an der 100%igen Kommanditbeteiligung.

KVG

KVG

Verwahrstelle

KVG

100 %

100 %

100 % ImmobilienSondervermögen (SV)

Kompl.GmbH

100 %

ImmobilienSondervermögen (SV)

K

Verwahrstelle

Kompl.GmbH

100 %

ImmobilienSondervermögen (SV)

K

Kompl.GmbH 100 %

K 100 %

0% KG

Die KVG verkauft die 100 %ige Kommanditbeteiligung für Rechnung des SV an K.

416

0%

0% KG

Das Verwaltungsrecht der KVG für das SV endet.

KG

Die Rechtsinhaberschaft an der 100 %igen Kommanditbeteiligung geht auf K über.

Der Verkauf der 100%igen Kommanditbeteiligung selbst erfüllt den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht. Gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB geht diese Kommanditbeteiligung mit Beendigung des Verwaltungsrechts der KVG dinglich auf die Verwahrstelle über, so dass durch die Beendigung des Verwaltungsrechts der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird. Die anschließende dingliche Übertragung der 100%igen Beteiligung an der KG von der Verwahrstelle auf K zwecks Erfüllung des Kaufvertrags löst erneut Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus. Unter der Voraussetzung der fristgerechten und vollständigen Anzeige i.S.v. §§ 18 bis 20 GrEStG kommt es in Betracht, dass der Übergang der 100%igen Kommanditbeteiligung von der KVG auf die Verwahrstelle gem. § 100a KAGB von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die Voraussetzung von § 100a Satz 4 KAGB, wonach die übergegangene Kommanditbeteiligung innerhalb von drei Jahren durch einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang veräußert oder übertragen werden muss, ist erfüllt; denn die dingliche Übertragung der Beteiligung zwecks Erfüllung des noch von der KVG für Rechnung des Sondervermögens abgeschlossenen Kaufvertrags stellt eine innerhalb der Drei-Jahres-Frist erfolgende Übertragung i.S.v. § 100a Satz 4 KAGB dar. Allerdings setzt die Befreiung nach § 100a Satz 5 KAGB außerdem voraus, dass die Verwahrstelle innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf dieser Drei-Jahres-

174

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 420 § 1

Frist den Verbleib aller erhaltenen inländischen Grundstücke sowie der erhaltenen Anteile an Immobilien-Gesellschaften oder Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen von Immobilien-Gesellschaften dem zuständigen Finanzamt nachweist; wird diese Nachweispflicht nicht erfüllt, entfällt die Befreiung gem. § 100a Satz 6 KAGB rückwirkend. Die nach § 1 Abs. 2a GrEStG infolge der Beendigung des Verwaltungsrechts der KVG nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 oder Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer wäre m.E. in entsprechender Anwendung des Billigkeits-Erlasses der Finanzverwaltung aus 2003 nicht zu erheben1.

417

Im Falle zum Sondervermögen gehörender Grundstücke ist im Ergebnis nur einmal Grunderwerbsteuer zu zahlen, ohne dass es auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 100a Satz 6 KAGB ankommt. Dass dies bei zum Sondervermögen gehörenden Anteilen an grundbesitzenden Personen- und seit 1.7.2021 auch Kapital-) Gesellschaften nur durch eine Billigkeitsmaßnahme erreichbar ist, liegt an der abweichenden Systematik des § 1 Abs. 2a (bzw. Abs. 2b) GrEStG, der Rechtsgeschäfte, die schuldrechtliche Anteilsübertragungsansprüche begründen, nicht erfasst.

418

d) Nicht-Erhebung nach Abs. 2a angefallener Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG Bleibt ein unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Altgesellschafter nach Erreichen der 90%- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiären2 95 %-) Grenze des § 1 Abs. 2a GrEStG gesamthänderisch mit einem Vermögensanteil von mehr als 0 % und maximal 10 % (bzw. 5 %) an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt, ist die Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GrEStG in Höhe des vom Altgesellschafter gehaltenen Gesamthandsanteils (maximal 10% bzw. 5 %) nicht zu erheben, vorausgesetzt, – der Altgesellschafter ist seit mindestens zehn bzw. fünf Jahren bzw. seit (ggf. fiktivem) Erwerb des Grundstücks durch die Personengesellschaft mindestens in dieser Höhe an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gewesen3 und – er behält diesen gesamthänderischen Vermögensanteil weitere zehn bzw. fünf Jahre bei, ohne ihn zu vermindern4 (vgl. § 6 Rz. 72 bis 75) und – die Personenhandelsgesellschaft optiert nicht zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG und ist auch keine körperschaftsteuerpflichtige Drittstaat-Personengesellschaft mit inländischem Geschäftsleitungsort5.

419

Ansonsten wird es von der h.M.6 sowie vom BFH7 im Grundsatz abgelehnt, auch die Kapitalgesellschaften, bei denen sich der Gesellschafterbestand i.H.v. 90% (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär8 95 %) oder mehr geändert hat, die jedoch weiterhin an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, für die Zwecke von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG als dieselben ge-

420

1 Vgl. z.B. FinMin. Bad.-Württ. v. 16.9.2003 – 3-S 4500/71, StEK § 1 GrEStG Nr. 165. Wegen der bestehenden Abtretungsverpflichtung ist den Anteilen kein Wert beizumessen (so zur Rechtslage vor 1997 zu entsprechenden Grundstücksgeschäften BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866). Nach der Verfügung der OFD Hannover v. 19. März 2008 8S – 4501 – 36 – StO 261) ist in den genannten Fällen die Steuer auch dann vorläufig unter Berücksichtigung eines Wertansatzes von EUR 0 festzusetzen, wenn im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs eine erforderliche Genehmigung des Kaufvertrages noch aussteht. Das GrEStG will die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer unterwerfen will. In dieser Konstellation hat jedoch der gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 KAGB übernehmende Rechtsträger zu keinem Zeitpunkt die wirtschaftliche Verfügungsmacht inne. 2 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 3 Vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG n.F. bzw. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. 4 Vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG. 5 Vgl. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673. 6 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 159, 195. Erg.-Lfg./August 2018; Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 15 f.; Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 45 f. 7 Vgl. BFH v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917. 8 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG.

Behrens

175

§ 1 Rz. 420 Erwerbsvorgänge samthänderisch beteiligten Kapitalgesellschaften anzusehen1. Würde für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auf die fortbestehende unmittelbare Beteiligung der auch schon bisher beteiligten Kapitalgesellschaft abgestellt, wäre der durch die mittelbaren Anteilsübergänge bewirkte und nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare mittelbare Grundstücksübergang auf die fingiert neue Personengesellschaft in Höhe der von Kapitalgesellschaften, deren Anteile zu mindestens 90% (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär2 mindestens 95 %) innerhalb des FünfJahres-Zeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind, gehaltenen Anteile von der Grunderwerbsteuer befreit. Damit werde im Ergebnis der Steuertatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG neutralisiert. Weil diese Rechtsfolge vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt gewesen sei, seien bei der Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG auch die sich auf zweiter Ebene vollziehenden mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften zu berücksichtigen. Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterbestand sich zu 90% (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär3 95 %) oder mehr ändert, seien daher nicht mehr als i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG am Vermögen der fiktiv neuen Personengesellschaft beteiligt anzusehen4. 421

Überträgt ein bisher unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Altgesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf eine Personengesellschaft, an deren Vermögen er zu 100 % beteiligt ist, wird zwar der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht verwirklicht (vgl. Rz. 344, 395); unter der Voraussetzung der Wahrung der vorgelagerten und nachgelagerten ZehnJahres-Fristen i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 GrEStG bleibt dann die Steuer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG in Höhe des gesamten von dem bisher unmittelbar beteiligten Altgesellschafter übertragenen Anteils unerhoben.

422

Nach Ansicht des FG Hamburg5 sind Treugeber und andere wirtschaftlicher Eigentümer von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften als Gesamthänder i.S.v. § 6 Abs. 3 GrEStG zu behandeln. Wenn der Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft und damit die dingliche Mitberechtigung am Grundstück im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO wirtschaftlich und grunderwerbsteuerrechtlich dem Treugeber zugerechnet wird, sei es systematisch geboten, diese Wertung auch im Rahmen von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vorzunehmen und bei der Frage, inwieweit deckungsgleiche Beteiligungsverhältnisse bestehen, auf den Treugeber abzustellen. Dies sei vergleichbar mit der Situation bei doppelstöckigen Personengesellschaften, bei denen auf die am Vermögen der Obergesellschaft Beteiligten abzustellen ist, denen die dingliche Beteiligung am Vermögen der Untergesellschaft ebenfalls grunderwerbsteuerrechtlich zugerechnet wird6.

423

Beispiel: An der grundbesitzenden KG sind ursprünglich A i.H.v. 10,1 % und der Treuhänder TH treuhänderisch für den Treugeber TG zu 89,9 % beteiligt. Innerhalb von zehn Jahren übertragen A den 10,1 %-Anteil auf B und TH den 89,9 %-Anteil auf den Treugeber TG.

1 Zum seit (auf Grundlage des GrEStG in der vor dem 1.7.2021 geltenden Fassung) mind. fünf Jahren beteiligten Treugeber, der den Anteil dinglich vom Treuhänder erwirbt, vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596. Dazu sogleich Rz. 422. 2 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 3 Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. II 2018, 1334, Tz. 4.1, insbesondere Beispiel 2. 5 Vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596. Vgl. hierzu Joisten, Ubg 2017, 312; Behrens, UVR 2017, 315. Die zunächst beim BFH gegen den Gerichtsbescheid des FG Hamburg v. 28.12.2016 anhängige Rev., Az. II R 3/17, wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet. 6 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BStBl. II 2015, 504; v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917. Danach ist nicht maßgeblich, wer zivilrechtlich unmittelbar dinglich Beteiligter am Vermögen einer Gesamthand ist, sondern wem dieses Vermögens nach Maßgabe des GrEStG zuzuordnen ist; vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714.

176

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Vorher: B

A

Nachher: TH

10,1 %

Rz. 424 § 1

89,9 %

KG

TG

B

TG

10,1 %

89,9 %

KG

TH hält den 89,9 %igen Anteil treuhänderisch für TG

Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung, wonach eine unmittelbare Änderung des Gesellschaf- 424 terbestandes vorliegt, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht1, sieht das FG Hamburg einen tatbestandsmäßigen Anteilsübergang nicht nur Übergang des 10,1%igen Anteils von A auf B, sondern auch darin, dass der bisher zivilrechtlich unmittelbar beteiligte Treuhänder den von ihm aufgrund einer Vereinbarungstreuhand treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil auf den Treugeber überträgt. Jedoch bleibt auf Grundlage des Gerichtsbescheids des FG Hamburg v. 28.12.2016 die Grunderwerbsteuer i.H.v. 89,9 % gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, wenn TG die vorgelagerte und die nachgelagerte Zehn-Jahres-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 GrEStG erfüllt. Zwar würden Kapitalgesellschaften im Rahmen von §§ 5 und 6 GrEStG grundsätzlich nicht als transparent angesehen, weil ihnen als dinglich Berechtigten (und nicht ihren Gesellschaften) grunderwerbsteuerrechtlich das Vermögen der Personengesellschaft selbst zugeordnet werde2. Ausnahmen gelten nach Ansicht des FG Hamburg jedoch nicht nur im Fall des mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär3 95%igen) Gesellschafterwechsels bei einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft4, sondern auch bei einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes aufgrund wirtschaftlichen Eigentums, d.h. beim Übergang des wirtschaftlichen Eigentums oder bei Treuhandvereinbarungen5. Auch wenn es sich bei der Begründung eines Treuhandverhältnisses um eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft handelt, werde die unmittelbare Ebene hierdurch berührt, weil die unmittelbare Beteiligung wirtschaftlich anderweitig zugerechnet werde6. Zudem spreche der Sinn und Zweck von § 1 Abs. 2a GrEStG für die Anwendung von § 6 Abs. 3 GrEStG in diesen Fällen, weil der Gesetzgeber mit Einführung des § 1 Abs. 2a GrEStG die Verhinderung von Missbräuchen in Gestalt nicht 1 2 3 4

Vgl. z.B. BFH v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855. Vgl. z.B. BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329. Vgl. § 23 Abs. 20 GrEStG. Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; gleichlautende Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Rz. 4.1. 5 Vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596, die zunächst beim BFH anhängige Rev., Az. II R 3/17, wurde mit BFH-Einstellungsbeschluss v. 13.2.2020 beendet. 6 Vgl. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596, Rz. 97 mit dem Hinw. darauf, dass es im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG genüge, wenn den Treugebern – ebenso wie bei Veränderungen auf der unmittelbaren Ebene – im (nach dem GrEStG in der vor dem 1.7.2021 geltenden Fassung) maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum mind. 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft zuzurechnen sind, wo hingegen bei mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand nach der früheren, bis inkl. 5.11.2015 geltenden Rechtslage eine vollständige Änderung auf den letzten Beteiligungsebenen erforderlich ist; vgl. Rz. 355.

Behrens

177

§ 1 Rz. 424 Erwerbsvorgänge steuerbarer Überleitungen von zum Gesamthandsvermögen gehörenden Grundstücken auf andere Personengruppen beabsichtigte, Gestaltungen, die im Ergebnis keine grunderwerbsteuerliche Zuordnung auf andere Personen herbeiführten, jedoch nicht in der Zielrichtung des Gesetzgebers lagen. 425

M.E. zeigt gerade das letztgenannte Argument, dass im Falle des Übergangs eines Anteils vom Treuhänder auf den Treugeber schon der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG verneint werden muss. Hier mit § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu helfen, erscheint als Krücke, die zudem bei Nicht-Wahrung der vorgelagerten und nachgelagerten Zehn- bzw. Fünf-Jahres-Fristen versagt, obwohl auch dann im Ergebnis keine grunderwerbsteuerliche Zuordnung auf andere Personen herbeigeführt wird. Wenn entgegen der hier vertretenen Ansicht (vgl. auch Rz. 366, 392) der Treugeber als mittelbarer Gesellschafter angesehen wird, liegt schon auf Tatbestandsebene nur eine unschädliche Verkürzung der Beteiligungskette vor1. Nach hier vertretener Ansicht ist allerdings der Erwerb der Treugeberrechte für § 1 Abs. 2a GrEStG bedeutungslos; nur der dingliche Anteilserwerb wird vom Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst.

III. Multiplikation der Vomhundertsätze (Satz 2) 1. Vom Gesetzeswortlaut erfasste Fallkonstellation 426

Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden nach § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass „bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften durch Personengesellschaften durchzurechnen“2 ist. Dieses Ziel wird vom Gesetzeswortlaut nur für einen (kleineren) Teil der in Betracht kommenden Fallkonstellationen erreicht. Der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ist misslungen.

427

§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG regelt seinem Wortlaut nach lediglich, dass mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt werden.

428

Beispiel: An der grundbesitzenden G-KG ist als alleinige Kommanditistin die Z-KG beteiligt, deren alleinige Kommanditistin die M-KG ist. An der M-KG ist bisher A zu 100 % als Kommanditist beteiligt. Er überträgt eine 90%ige Kommanditbeteiligung auf den bisher nicht beteiligten B.

Vorher: A

Nachher: B

100 %

A

B 10 %

M-KG 100 % Z-KG 100 % G-KG

90 % M-KG

100 % Z-KG 100 % G-KG

1 So bereits Behrens/Bock, DStR 2012, 1307 (1311); unentschieden Joisten, Ubg 2017, 312 (313). 2 Vgl. BT-Drucks. 18/3158 v. 12.11.2014, S. 40.

178

Behrens

Rz. 431 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Das Tatbestandsmerkmal „an einer Personengesellschaft“ ist erfüllt, weil mit „einer Personengesellschaft“ zum einen die Personengesellschaft gemeint ist, zu deren Vermögen das Grundstück gehört. An der grundbesitzenden KG ist im Beispiel die Z-KG beteiligt, deren eigener Gesellschafterbestand unverändert bleibt; jedoch ändert sich der Gesellschafterbestand der Z-KG mittelbar dadurch, dass A einen 90%igen Kommanditanteil auf B überträgt. Mit „mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand“ sind in Satz 2 ausschließlich Anteilsübergänge auf neue – d.h. bisher nicht gesamthänderisch unmittelbar (oder über weitere Personengesellschaften mittelbar) beteiligte1 – Gesellschafter gemeint.

429

Der Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ist auch in der folgenden Fallkonstellation erfüllt:

430

Beispiel: An der G-KG ist neben A, der seinen Anteil i.H.v. 50 % auf X überträgt, in Höhe der restlichen 50 % die O-GmbH beteiligt. Über drei Personengesellschaften hält A bisher mittelbar vermögensmäßig alle Anteile an der O-GmbH. A überträgt einen 90%igen Kommanditanteil an der GM-KG auf B.

Vorher:

Nachher: A

B

A

100 %

10 %

GM-KG

100 %

M-KG

M-KG

100 %

100 %

Z-KG

Z-KG

100 % O-GmbH

A 50 %

50 % G-KG

90 % GM-KG

100 %

X

B

100 % O-GmbH

X 50 %

50 % G-KG

Mit „einer Personengesellschaft“ sind auch solche Personengesellschaften gemeint, die an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind, die ihrerseits den Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft hält. Dadurch, dass A einen Anteil am Gesellschaftsvermögen der GM-KG auf B überträgt, ändert sich auf Grundlage der vom BFH und der Finanzverwaltung bei mittelbaren Anteilsübergängen befürworteten wirtschaftlichen Betrachtung mittelbar der Gesellschafterbestand einer an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG. Weil mittelbar 90 % der Anteile an der O-GmbH auf einen neuen Gesellschafter übergehen, wird im Beispiel, wenn der Übergang des 50%igen Anteils des A auf X und der Übergang des 90%igen Kommanditanteils des A an der GM-KG auf B innerhalb von zehn Jahren stattfinden, auf Grundlage der BFHRechtsprechung zur wirtschaftlichen Beurteilung mittelbarer Anteilsübergänge der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG vermutlich von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung als erfüllt angesehen 1 Stille Gesellschafter gelten in diesem Zusammenhang nicht als gesellschaftsrechtlich beteiligt; vgl. Rz. 327.

Behrens

179

431

§ 1 Rz. 431 Erwerbsvorgänge werden1. Nach hier vertretener Ansicht, wonach es auch auf höheren Beteiligungsebenen darauf ankommt, ob dinglich Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist im Beispiel § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt. Bei zivilrechtlicher Sichtweise lässt der Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG („… an ihr …“) das gegenteilige Ergebnis nicht zu2. Bei der Auslegung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ist m.E. eine wirtschaftliche Betrachtung unzulässig, weil der Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt dafür enthält, dass eine wirtschaftliche Betrachtung zulässig sein soll3. 2. Vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Fallkonstellationen a) Gesellschafterwechsel bei einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft 432

Die Formulierung des Satzes 2, wonach „mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt werden“, erfasst ihrem Wortlaut nach keine Änderungen unmittelbar im Gesellschafterbestand einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Personengesellschaft.

433

Beispiel: An der grundbesitzenden G-KG ist zu 100 % die Z-KG beteiligt, deren vermögensmäßig zu 100 % beteiligter Kommanditist bisher A ist. A überträgt einen 90%igen Kommanditanteil an den bisher nicht beteiligten B.

Vorher: A

100 %

A

B

10 % Z-KG

100 % G-KG

434

Nachher: B

90 % Z-KG

100 % G-KG

Der Gesetzeswortlaut regelt nicht, in welcher Höhe der Übergang der 90%igen Kommanditbeteiligung an der Z-KG auf B auf die Zählquote i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG von 90 % anzurechnen ist. Es kommt daher in Betracht, dass auf Grundlage der vom BFH im Urteil vom 24.4.20134 entwickelten

1 Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3 Abs. 4: „Bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften ist durch Personengesellschaften durchzurechnen und auf der Ebene jeder Kapitalgesellschaft die 95 %-Grenze zu prüfen“. 2 Vgl. auch BFH v. 30.4.2003 – II R 79/00, BStBl. II 2003, 890, Rz. 11: „Satz 1 der Vorschrift setzt danach eine Änderung des Gesellschafterbestandes „bei ihr“ –d.h. bei der grundbesitzenden Gesamthand– voraus. Damit sind Änderungen im Gesellschafterbestand anderer Gesellschaften, die lediglich an der grundbesitzenden Gesamthand beteiligt sind, nicht tatbestandsmäßig“. 3 A.A. aber der BFH, vgl. Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783, die obersten Finanzbehörden der Länder in den Erlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.1.2, und z.T. die Literatur, vgl. z.B. Fleischer/ Keul, Stbg. 2019, 104 (105). 4 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. Die gegen dieses BFH-Urteil zunächst ergangenen Nichtanwendungserlassen v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278 wurde mit gleichlautenden Erlassen v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822 aufgehoben.

180

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 438 § 1

Grundsätze kein schädlicher Übergang von Anteilen an der G-KG auf einen neuen Gesellschafter vorliegt. Denn es sind nicht alle Gesellschafter der Z-KG ausgetauscht worden1. Fraglich ist, ob in dem erstgenannten Beispiel tatsächlich auf die Grundsätze des BFH-Urteils vom 435 24.4.20132 abzustellen ist. Davon, dass der Gesetzgeber von der in Rz. 2.2 zweiter Spiegelstrich der damals geltenden gleichlautenden Ländererlasse vom 18.2.20143 vertretenen Verwaltungsansicht, wonach auch bei unmittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand von unmittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft durchgerechnet werden soll4, abrücken wollte, ist nicht auszugehen5. Der Gesetzgeber wollte vielmehr sowohl unmittelbar als auch mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaften im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „mittelbarer Gesellschafterwechsel“ als transparent behandeln6. M.E. handelt es sich bei der auf mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand beteiligter Personengesellschaften beschränkten Formulierung des neuen Satzes 2 um ein Redaktionsversehen7. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG stellt damit im Ergebnis eine Rechtslage her, die der früheren Verwaltungsansicht, dass beteiligte Personengesellschaften als transparent zu behandeln sind und durch sie hindurchzurechnen ist8, (entgegen BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10) entspricht.

436

Nach dem gesetzgeberischen Willen soll nach § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG n.F. bei doppel- bzw. mehrstöckigen Personengesellschaftsketten durchzurechnen sein, d.h. mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an der Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften sollen durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt werden, ohne Rücksicht darauf, ob auf Ebene der betreffenden Personengesellschaft die 90%- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär 95 %-) Grenze erreicht ist9.

437

b) An einer beteiligten Kapitalgesellschaft beteiligte Personengesellschaft In der folgenden Fallkonstellation ist Satz 2 seinem Wortlaut nach nicht anwendbar, weil ein unmit- 438 telbar an einer Personengesellschaft bestehender Anteil auf einen neuen Gesellschafter übergeht. Zudem ist auch § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht anwendbar, weil diese Regelung ihrem Wortlaut nach

1 Vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 360 (362). A.A. Vogel, StuB 3/2016, 98 (100 f.). 2 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. Die gegen dieses BFH-Urteil zunächst ergangenen Nichtanwendungserlassen v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278 wurde mit gleichlautenden Erlassen v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822 aufgehoben. 3 Vgl. BStBl. I 2014, 561. 4 Rz. 2.2 der gleichlautenden Ländererlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, lautet wie folgt: „Neugesellschafter sind: … – Diejenigen Mitglieder einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft als Gesellschafterin beteiligten Personengesellschaft, die mit dem Eintritt in diese oder durch Abtretung eines Mitgliedschaftsrechts an dieser oder durch dessen Übertragung nach dem Umwandlungsgesetz in die Mitberechtigung am Grundstück einrücken.“ 5 Vgl. S. 61 der Begründung des Referentenentwurfs betr. den neu vorgeschlagenen Satz 2 von § 1 Abs. 2a GrEStG: „Bei unmittelbarer Beteiligung einer Personengesellschaft sowie bei mittelbarer Beteiligung über mehrstöckige Personengesellschaften ist auf deren jeweilige Beteiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen“. Vgl. auch BT-Drucks. v. 12.11.2014 – 18/3158, S. 39. 6 Vgl. BT-Drucks. 18/3158 v. 12.11.2014, S. 40: „Bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften ist durch Personengesellschaften durchzurechnen und auf der Ebene jeder Kapitalgesellschaft die 95 vom Hundert-Grenze zu prüfen. Führen Änderungen im Gesellschafterbestand mittelbar beteiligter Personengesellschaften bei einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft nicht zu einem unmittelbaren oder mittelbaren oder teils unmittelbaren, teils mittelbaren Übergang von mind. 95 vom Hundert ihrer Anteile am Kapital, gilt die Kapitalgesellschaft nicht als neue Gesellschafterin i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG“. Vgl. auch BR-Drucks. 121/15 v. 27.3.2015, S. 61. 7 Vgl. Behrens/Halaczinsky, UVR 2015, 371 (371); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 841. Unklar (im Ergebnis aber wohl übereinstimmend) Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 306. 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, Rz. 2.2, zweiter Spiegelstrich, BStBl. I 2014, 561. Der Begriff des Anteils am Gesellschaftsvermögen ist in § 1 Abs. 2a Satz 1 und §§ 5 und 6 GrEStG gleich auszulegen. 9 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 787, 701.

Behrens

181

§ 1 Rz. 438 Erwerbsvorgänge nur den Übergang von Anteilen „an ihr“, d.h. unmittelbar an der beteiligten Kapitalgesellschaft erfasst.

Vorher: A

Nachher: B

A

100 %

B

10 %

Z-KG

Z-KG

100 % X

O-GmbH

A 50 %

50 % G-KG

90 %

100 % O-GmbH

X 50 %

50 % G-KG

439

§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ist seinem Wortlaut im Beispiel nicht anwendbar, weil keine Personengesellschaft an einer anderen Personengesellschaft beteiligt ist. Weil zivilrechtlich nur die unmittelbaren Gesellschafter an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, handelt es sich bei solchen oberhalb von Kapitalgesellschaften in die Beteiligungskette eingeschalteten Personengesellschaften zivilrechtlich nicht um beteiligte Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG. Wechseln Gesellschafter einer solchen oberhalb einer Kapitalgesellschaft zwischengeschalteten Personengesellschaft, liegt keine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand beteiligter Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG vor.

440

Wegen des Rechtsgedankens von § 1 Abs. 2 Satz 2 GrEStG, wonach beteiligte Personengesellschaften im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „mittelbarer Gesellschafterwechsel“ generell als transparent angesehen werden sollen1, ist Satz 2 von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. m.E. so auszulegen, dass zwischengeschaltete Personengesellschaften generell als transparent zu behandeln sind. Im obigen Beispiel wird, wenn beide Anteilsübergänge innerhalb von zehn Jahren stattfinden, auf Grundlage der BFHRechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtung von mittelbaren Anteilsübergängen der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG n.F. vermutlich von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung als erfüllt angesehen werden2. c) Doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur oberhalb einer beteiligten Kapitalgesellschaft

441

Auch in der folgenden Fallkonstellation ist § 1 Abs. 2a Satz 2 (und auch Satz 4) GrEStG seinem Wortlaut nach nicht anwendbar:

1 Vgl. die Begründung des Referentenentwurfs betr. den neu vorgeschlagenen Satz 2 von § 1 Abs. 2a GrEStG: „Bei unmittelbarer Beteiligung einer Personengesellschaft sowie bei mittelbarer Beteiligung über mehrstöckige Personengesellschaften ist auf deren jeweilige Beteiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen“. Vgl. auch BT-Drucks. v. 12.11.2014 – 18/3158, S. 39. 2 Anders nach hier vertretener Ansicht, vgl. oben in Rz. 431.

182

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Vorher:

Nachher: A

B

A

100 %

B

10 %

100 %

100 %

Z-KG

Z-KG

100 % O-GmbH

A 50 %

50 % G-KG

90 % M-KG

M-KG

X

Rz. 444 § 1

100 % O-GmbH

X 50 %

50 % G-KG

Zwar ist an der Z-KG als alleinige Kommanditistin die M-KG beteiligt und überträgt der bisher zu 100 % an der M-KG beteiligte A eine 90%ige Kommanditbeteiligung auf B. Weil sich das Merkmal „an einer Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft“ im obigen Beispiel auf die M-KG bezieht, wird die Fallkonstellation von Satz 2 nicht erfasst, weil sich in der obigen Fallkonstellation der unmittelbare Gesellschafterbestand einer unmittelbar an einer Personengesellschaft (und zwar der Z-KG) beteiligten Personengesellschaft ändert.

442

Nach den Gesetzesmaterialien soll dieser Fall jedoch von § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG erfasst sein; es handelt sich beim Abstellen nur auf mittelbare Änderungen im § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG m.E. um ein Redaktionsversehen. Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtung von mittelbaren Anteilsübergängen wird von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung vermutlich auch der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG n.F. als erfüllt angesehen werden1.

443

d) Übertragung der Anteile an einer beteiligten Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft Auch darüber hinaus ist die Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zum mittelbaren Anteilsübergang bei zwischengeschalteten Personengesellschaften unvollständig. Im Gesetz nicht geregelt ist z.B. der Fall, dass der Alleingesellschafter einer unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft seine Beteiligung an dieser Kapitalgesellschaft auf eine (ganz oder teilweise) in seinem Anteilsbesitz stehende (weitere) Personengesellschaft überträgt:

1 Anders nach hier vertretener Ansicht, vgl. oben in Rz. 431, Rz. 440.

Behrens

183

444

§ 1 Rz. 444 Erwerbsvorgänge Beispiel:

Vorher:

Nachher:

P

P 100 %

100 %

100 % H-GmbH

Z-KG

100 % G-KG

Z-KG 100 % H-GmbH 100 % G-KG

P überträgt die 100 %ige Beteiligung an der H-GmbH auf die Z-KG.

445

Im zivilrechtlichen Sinne ist die Z-KG eigenständiges Rechtssubjekt und – weil bisher an der H-GmbH und der G-KG nicht beteiligt – neue Gesellschafterin. Auf Grundlage des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zugrunde liegenden Rechtsgedankens, dass Personengesellschaften im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG transparent sind, ist der Übergang der 100%igen Beteiligung an der H-GmbH auf die Z-KG tatbestandslos, d.h. für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG bedeutungslos1. Die Finanzverwaltung vertritt in den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018 jedoch die gegenteilige Ansicht2.

IV. Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft (Satz 3) 446

Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten gemäß Satz 3 die Sätze 4 und 5. Mit dem Tatbestandsmerkmal „Personengesellschaft“ ist zum einen die grundbesitzende Personengesellschaft gemeint, zum anderen an der grundbesitzenden Personengesellschaft (unmittelbar oder mittelbar) beteiligte Personengesellschaften. Dass der letztgenannte Fall tatsächlich in Satz 3 geregelt werden sollte, ergibt sich daraus, dass in BT-Drucks. v. 23.9.20153 der Regelungsgehalt von Satz 3 als „Beteiligung einer Kapitalgesellschaft über eine Personengesellschaft“ beschrieben wird. An Personengesellschaften können – so BT-Drucks. 18/6094 – auch Kapitalgesellschaften als Gesellschafter beteiligt sein. Satz 3 trage dem Unterschied zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft andererseits Rechnung und verweise für Änderungen im Gesellschafterbestand der Kapitalgesellschaft auf die (nach damaligem Recht geltende) 95 %-Grenze

1 Im Ergebnis ebenso Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 305 a.E. Für die Rechtslage bis zum 5.11.2015 hat der BFH im Urt. v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917, entschieden, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a.F. erfüllt sei. 2 Vgl. BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3.5. 3 BT-Drucks. v. 23.9.2015 (18/6094).

184

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 447.1 § 1

der Sätze 4 und 51. Dass dem „Unterschied zwischen einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft andererseits“ auch auf Grundlage des GrEStÄndG v. 12.5.2021 weiterhin „Rechnung getragen wird“, erscheint nicht folgerichtig, weil die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG auf das Ziel einer rechtsformneutralen Besteuerung hindeutet2.

V. Unmittelbar an einer Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft (Satz 4) 1. Fiktion einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin bei mind. 90%igem Gesellschafterwechsel Nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gilt eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft und gilt die von ihr gehaltene Personengesellschaftsbeteiligung mithin als auf eine neue Gesellschafterin übergegangen, wenn an ihr mind. 90 % (nach GrEStG i.d.F. v. 30.6.2021: 95 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen3. Damit wurde durch das StÄndG 2015 mit Wirkung ab 6.11.2015 im Ergebnis eine Rechtslage hergestellt, die der Verwaltungsansicht, die z.B. in den gleichlautenden Ländererlassen vom 18.2.2014, Rz. 2.2, dritter Spiegelstrich, niedergelegt ist (entgegen BFH v. 24.4.2013, vgl. in Rz. 355), entspricht. Zu berücksichtigen sind jeweils auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung, wonach die im Urteil v. 9.7.2014 (II R 49/12) zur Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO entwickelten Grundsätze auch für Vorgänge, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden, gültig sein sollen, nur die im relevanten Fünf-(seit 1.7.2021-Zehn-)Jahres-Zeitraum (vgl. Rz. 398) dinglich und wirtschaftlich oder nur wirtschaftlich wirksam werdenden Anteilsübergänge, auf neue Gesellschafter (vgl. Rz. 389), nach hier vertretener Ansicht kommt es nur auf das dingliche Wirksamwerden von Anteilsübergängen an (Rz. 353 a.E.).

447

Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG ist bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung für die Ermittlung, inwieweit sich der Gesellschafterbestand geändert hat, § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 in der Neufassung auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden. Diese Anwendungsregel soll nach der Gesetzesbegründung klarstellen, dass für Änderungen im Gesellschafterbestand der (un)mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft rückwirkend die abgesenkte Beteiligungsgrenze von 90 % gilt4. Nach in den gleichlautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 12.5.20215 von der Finanzverwaltung vertretener Ansicht muss der 90 %ige Gesellschafterwechsel innerhalb von fünf Jahren vor dem 1.7.2021, d.h. nach dem 30.6.2016 erreicht worden sein6.

447.1

1 Vgl. BT-Drucks. v. 12.11.2014 – 18/3158, S. 40: „Bei Gesellschaftsstrukturen mit Personen- und Kapitalgesellschaften ist durch Personengesellschaften durchzurechnen und auf der Ebene jeder Kapitalgesellschaft die 95 vom Hundert-Grenze zu prüfen. Führen Änderungen im Gesellschafterbestand mittelbar beteiligter Personengesellschaften bei einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft nicht zu einem unmittelbaren oder mittelbaren oder teils unmittelbaren, teils mittelbaren Übergang von mind. 95 vom Hundert ihrer Anteile am Kapital, gilt die Kapitalgesellschaft nicht als neue Gesellschafterin i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG“. Vgl. auch BR-Drucks. v. 27.3.2015 – 121/15, S. 61. 2 Zu den verfassungsrechtlichen Zweifeln vgl. Rz. 309. 3 Kritisch hierzu Englisch in Tipke/Lang24 Rz. 18.31: „Richtigerweise müsste einheitlich quotal durchgerechnet werden, auch bei Kapitalgesellschaften“. M.E. würde dies allerdings die Frage nach dem Vorliegen eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits weiter verschärfen. 4 Vgl. § 23 Rz. 53 ff.; BT-Drucks. 19/13437, S. 16. Fraglich ist, ob § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG gegen das Rückwirkungsverbot verstößt; vgl. Brühl, GmbHR 2021, 749 (754), Rz. 38: „Folge kann ein Zählerwerb sein, an den seinerzeit niemand zu denken brauchte“. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiele 3 und 4. 6 Vgl. § 23 Rz. 54.

Behrens

185

§ 1 Rz. 447.2 Erwerbsvorgänge 447.2

Angesichts des Charakters von § 1 Abs. 2a GrEStG als typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift zählt auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG die Mehrfachübertragung desselben Anteils vor Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mehrfach, sondern nur einmal1. Mit der nur einmaligen Berücksichtigung mehrfacher Anteilsübertragungen zwischen Neugesellschaftern bei der Berechnung des Vomhundertsatzes soll gewährleistet werden, dass Grunderwerbsteuer nur hinsichtlich solcher Anteilsübertragungen anfällt, bei denen sich das Beteiligungsverhältnis zugunsten von Neugesellschaftern und daher zulasten der Altgesellschafter ändert. Dies gilt auch für die Berechnung des Vomhundertsatzes im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Auch bei mittelbaren Anteilsübergängen sind nur solche Übertragungen zu berücksichtigen, bei denen sich das Verhältnis zwischen Altgesellschafter und Neugesellschafter an der Kapitalgesellschaft zulasten der Altgesellschafter verschiebt. Dass mehrfache Übergänge desselben Anteils auf neue Gesellschafter auch bei mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes bei der Berechnung des Vomhundertsatzes nicht berücksichtigt werden sollen, entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur2. 2. Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter i.S.v. Satz 4

448

Der Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG, wonach eine unmittelbar oder über ein oder mehrere andere Kapitalgesellschaften mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft in vollem Umfang als neue Gesellschafterin gilt, wenn an ihr mindestens 90 % (nach GrEStG i.d.F. v. 30.6.2021: 95 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, lässt offen, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, wer „neuer Gesellschafter“ einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft ist. M.E. kann damit nur ein Gesellschafter gemeint sein, der bisher gesellschaftsrechtlich nicht an der betreffenden Kapitalgesellschaft und auch nicht an der betreffenden ein Grundstück haltenden Personengesellschaft beteiligt gewesen ist3. Nach Verwaltungsansicht sind mit „neuer Gesellschafter“ i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nur Gesellschafter gemeint, die bisher gesellschaftsrechtlich nicht an der betreffenden Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sind4.

449

Nach Verwaltungsansicht5 ist Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft, wer im Zeitpunkt – der Gründung der grundbesitzenden Personengesellschaft Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist, wenn die Kapitalgesellschaft Gründungsgesellschafterin ist, – des Erwerbs der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft durch die Kapitalgesellschaft an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, – des Grundstückserwerbs der Personengesellschaft an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder – der nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG erfolgenden Umqualifizierung der Kapitalgesellschaft in eine Neugesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist.

1 Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von mehrfachen Anteilsübertragungen zwischen Neugesellschaftern im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG finden sich in den gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, keine ausdrücklichen Hinweise. Tz. 6 Satz 2 betrifft dem Erlasswortlaut nach nur die Mehrfachübertragung derselben unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteile. 2 Vgl. ausdrücklich: Schnitter in Wilms/Jochum, 1. Aufl. 2000, 100. Lieferung, § 1 GrEStG Rz. 256.3.; Behrens/ Hofmann, UVR 2004, 27; so wohl auch: Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 757; ohne Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Anteilsänderungen: Weilbach in Weilbach, 49. Lfg., Juni 2018, § 1 GrEStG Rz. 86a, S. 76m; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 120. 3 Wie hier Niedersächsisches FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, juris, Rz. 60 ff.; Rev. beim BFH unter Az. II R 28/21. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.3.2: „Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt sind, Alt- oder NeuGesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf grundbesitzende Personengesellschaft“. Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 844. Anders BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318, m.E. allerdings ausschließlich für die bis 5.11.2015 – d.h. vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 v. 2.11.2915 – bestehende Rechtslage. 5 Vgl. Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.3.2. dritter Absatz.

186

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 451 § 1

Derzeit ist nicht geklärt, ob ein neuer Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft durch Zeitablauf sog. Altgesellschafter werden kann, d.h. ob ein neuer Gesellschafter nach Ablauf von zehn Jahren zum sog. Altgesellschafter der beteiligten Kapitalgesellschaft wird. In Tz. 5.2.3.1 der Erlasse vom 12.11.20181 vertrat die Finanzverwaltung die Ansicht, dass für § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in der bis 30.6.2021 geltenden Fassung der Fünfjahreszeitraum nicht galt. Ob die Finanzverwaltung diese Auffassung auf die Rechtslage nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung anwenden wird, ist angesichts der erheblichen Kritik an der von der Verwaltung im Erlass vom 12.11.2018 zur alten Rechtslage vertretenen Ansicht ungewiss. M.E. gilt auf Ebene beteiligter Kapitalgesellschaften seit dem 1.7.2021 für Zwecke der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG in der Fassung des GrEStÄndG vom 12.5.2021 derselbe Zehnjahreszeitraum wie auf Ebene der unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter. Die von der Verwaltung in Tz. 5.2.3.1 der Erlasse vom 12.11.20182 vertretene Ansicht, dass der Fünfjahreszeitraum nicht gelte, ist auch für die bis 30.6.2021 geltende Fassung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG rechtswidrig3. Das Schrifttum ist fast einhellig anderer Ansicht als die Finanzverwaltung4. Wer Altgesellschafter einer beteiligten Kapitalgesellschaft ist, ist m.E. auch als (mittelbarer) Altgesellschafter der das Grundstück haltenden Personengesellschaft anzusehen. Dass auf jeder Beteiligungsebene separat und unabhängig von den anderen Beteiligungsebenen zwischen Alt- und Neugesellschafter differenziert werden müsste, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Zur bis 30.6.2021 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vertritt die Finanzverwaltung allerdings die Ansicht, dass „die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft … nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter [sind], nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft“5.

449.1

Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Anteilseigner der beteiligten Kapitalgesellschaft mangels gesamthänderischer Mitberechtigung nicht als mittelbare Gesellschafter der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft behandelt werden könnten und daher auch nicht Altgesellschafter sein könnten. Deshalb könne eine Anteilsverschiebung im Kreis der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, keine nach § 1 Abs. 2a GrEStG unschädliche Anteilsverschiebung sein6. Dies soll anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden:

450

An der G-KG, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, sind die GmbH 1 zu 10 % GmbH 2 zu 20 % und die GmbH 3 zu 70 % beteiligt. An der GmbH 2 sind die A-GmbH zu 99 % und die B-GmbH zu 1 % beteiligt. Gesellschafter der GmbH 3 sind zu 99 % X und zu 1 % Y. Innerhalb eines Jahres wird die A-GmbH auf die B-GmbH verschmolzen und überträgt X 98 % der Anteile an der GmbH 3 auf Y.

451

1 2 3 4 5 6

Vgl. BStBl. I 2018, 1314. Vgl. BStBl. I 2018, 1314. Vgl. Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105. Vgl. Rz. 402. Vgl. die Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.2.3.2., erster Satz. Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 133.5, 195. Erg.-Lfg./August 2015. Pahlke meint, dass sich dies auch aus dem durch das StÄndG 2015 eingefügten § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ergebe, der den Übergang von mind. 95 % der Anteile der an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft stets als Begründung einer Neugesellschafterstellung qualifiziere. Anders aber in Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 307: Neue Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG könnten „nur Personen oder Gesellschaften sein, die vorher noch nicht unmittelbar oder mittelbar an der KapGes beteiligt waren“. Außerdem ordnet Pahlke a.a.O. schon bisher unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter nicht als neue Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ein.

Behrens

187

§ 1 Rz. 451 Erwerbsvorgänge

Ausgangsstruktur: A-GmbH

99 % GmbH 1

Jahr 01:

B-GmbH

X

1%

99 %

Y

1%

GmbH 3

GmbH 2

A-GmbH

GmbH 1

B-GmbH

100 %

99 %

20 %

X

98 %

1%

Y

99 %

GmbH 3

GmbH 2 20 %

70 %

10 %

99 %

G-KG

Die Ausgangsstruktur besteht seit mehr als zehn Jahren.

70 %

10 % G-KG

Die A-GmbH wird auf die B-GmbH verschmolzen. X überträgt 98 % der Anteile an der GmbH 3 auf Y.

452

Auf Grundlage der Auffassung von Pahlke1 sind sowohl die B-GmbH als auch Y als neue Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG n.F. anzusehen, weil sie nicht gesamthänderisch an der G-KG beteiligt gewesen sind2. Dass sie bereits kapitalgesellschaftsrechtliche Gesellschafter der GmbH 2 bzw. GmbH 3 gewesen sind, sei irrelevant. Dies bedeutet, dass sowohl der durch die Verschmelzung der A-GmbH ausgelöste Übergang der 99%igen Beteiligung auf die B-GmbH als auch der Übergang der 98 % der Anteile an der GmbH 3 auf Y jeweils die Einordnung der zwischengeschalteten GmbH als neue Gesellschafterin der G-KG auslöst, so dass danach sowohl die von der GmbH 2 gehaltenen 20 % als auch die von der GmbH 3 gehaltenen 70 % als auf neue Gesellschafter übergegangen zu werten seien, was bedeute, dass im Jahr 01 nach § 1 Abs. 2a Satz 1 i.V.m. Satz 4 Grunderwerbsteuer auf das Grundstück der G-KG ausgelöst worden ist.

453

M.E. ist dieser Ansicht nicht zu folgen. Schon auf Grundlage des Wortlauts von Satz 4 von § 1 Abs. 2a kann keine Rede davon sein, dass Anteile an der GmbH 2 bzw. GmbH 3 „auf neue Gesellschafter“ übergegangen seien. Weil der Wortlaut von Satz 4 den Begriff „neue Gesellschafter“ kennt, muss es – wie in den Erlassen v. 12.11.2018 auch die Finanzverwaltung anerkennt3 – im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a S. 4 GrEStG auch sog. Altgesellschafter geben. Es ist daher beachtlich, ob der Anteilserwerber bereits sog. Altgesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft gewesen ist oder ob er erstmals kapitalgesellschaftsrechtlicher Gesellschafter der Kapitalgesellschaft wird bzw. er noch nicht seit zehn bzw. fünf Jahren an ihr beteiligt ist; nur in den beiden letztgenannten Fällen liegt ein Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter der Kapitalgesellschaft vor, allerdings nur, wenn dieser Rechtsträger bisher auch nicht anders unmittelbar oder mittelbar an der das Grundstück haltenden Personengesellschaft beteiligt gewesen ist. Das heißt: War er zuvor bereits an der Kapitalgesellschaft oder unmittelbar oder in sonstiger Weise mittelbar an der das Grundstück haltenden Personengesellschaft als sog. Altgesellschafter beteiligt, ist er kein neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Auch vor dem Hintergrund der Charakterisierung von § 1 Abs. 2a

1 Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 133.5, 195. Erg.-Lfg./August 2018. 2 Entsprechend Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 2.1. 3 Vgl. BStBl. 2018, 1314, Tz. 5.2.3.2. Der zweite Satz „Neugesellschafter der Kapitalgesellschaft ist, wer Anteile an der Kapitalgesellschaft erwirbt“ ist allerdings zu weit gefasst, weil der Hinzuerwerb weiterer Anteile an der Kapitalgesellschaft, an der der erwerbende Gesellschafter bereits als sog. Altgesellschafter beteiligt ist, kein Anteilsübergang auf einen Neugesellschafter dieser Kapitalgesellschaft ist.

188

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 455 § 1

GrEStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift erscheint es nicht angemessen, Anteilsübergänge im Kreis der schon bisher an der Kapitalgesellschaft oder an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder anderweitig mittelbar beteiligten sog. Altgesellschafter als tatbestandsmäßige Anteilsübergänge anzusehen. Die Finanzverwaltung wird allerdings nur dann ebenfalls zu der hier vertretenen Ansicht gelangen, wenn – bezogen auf das obige Beispiel – die G-GmbH bzw. Y nach einem der in Tz. 5.2.3.2. dritter Absatz der Erlasse vom 12.11.20181 niedergelegten Kriterien sog. Altgesellschafter der GmbH 2 bzw. der GmbH 3 sind. 3. Sonderfall: Einziehung von Anteilen an beteiligter Kapitalgesellschaft Die Einziehung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft stellt m.E. keinen Übergang von Anteilen an 454 dieser Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter dar. Auf Kapitalgesellschaften ist § 738 BGB nicht anwendbar; weil das Vermögen der Kapitalgesellschaft nur dieser (und nicht ihren Gesellschaftern) gehört, wächst den anderen Gesellschaftern der GmbH nichts zu. Dass sich ihre Beteiligung durch die Einziehung der vom anderen Gesellschafter gehaltenen Anteile prozentual erhöht, bewirkt keinen Übergang von Anteilen i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG2. Beispiel: V ist alleiniger Gesellschafter der M-GmbH, die ihrerseits alleinige Kommanditistin und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH der G-KG ist, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Im ersten Schritt überträgt V jeweils 44 % an der M-GmbH auf die bisher nicht beteiligten K1 und K2. Im zweiten Schritt wird der von V zunächst zurückbehaltene 12%ige Geschäftsanteil an der M-GmbH gegen Abfindung eingezogen, so dass sich die von K1 und K2 gehaltenen Beteiligungen prozentual auf jeweils 50 % erhöhen.

Ausgangsstruktur: V

Schritt 1: V

Schritt 2: K1

12 %

100 % G-KG

K1

K2

44 %

100 %

M-GmbH

K2

44 % M-GmbH

100 %

50 %

50 % M-GmbH

100 %

G-KG

G-KG

V überträgt je einen 44 %-Geschäftsanteil auf K1 und K2.

Der von V zunächst zurückbehaltene 12 %Geschäftsanteil wird gegen Abfindung eingezogen.

1 Vgl. BStBl. I 2018, 1314. 2 Zweifelnd, weil die Einziehung von Anteilen einem Anteilsübergang im wirtschaftlichen Ergebnis sehr nahekomme, aber im Ergebnis offenlassend Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 850.

Behrens

189

455

§ 1 Rz. 456 Erwerbsvorgänge 456

M.E. ist der Tatbestand von § 1 Abs. 2a nicht verwirklicht. Im ersten Schritt gehen nur 88 % der Geschäftsanteile an der M-GmbH auf K1 und K2 als neue Gesellschafter über. Dies löst noch nicht die Fiktion der M-GmbH als Neu-Gesellschafterin der G-KG aus, d.h. die M-GmbH bleibt Alt-Gesellschafterin, so dass die 100%ige Kommanditbeteiligung an der G-KG insgesamt nicht als auf einen Gesellschafter übergegangen gilt. Im zweiten Schritt findet kein Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter statt. Dass die Einziehung von Anteilen zur Erstarkung der jeweils bisher 44%igen Anteile von K1 und K2 auf jeweils 50 % führt, ändert nichts daran, dass K1 und K2 keine weiteren Anteile an der M-GmbH erwerben, mithin kein weiterer Übergang von Anteilen auf K1 und K2 stattfindet. 4. Altgesellschafter-Eigenschaft einer beteiligten Kapitalgesellschaft bei vor dem 1.7.2021 erfolgtem (unmittelbarem und/oder mittelbarem) Wechsel der Gesellschafter dieser beteiligten Kapitalgesellschaft

456.1

Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG n.F. ist bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung für die Ermittlung, inwieweit sich der Gesellschafterbestand geändert hat, § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden. Nach den gleichlautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 12.5.20211 muss der 90 %ige Gesellschafterwechsel innerhalb von fünf Jahren vor dem 1.7.2021, d.h. nach dem 30.6.2016 erreicht worden sein. Dies bedeutet, dass der Übergang eines Anteils an der beteiligten Kapitalgesellschaft, der zur Erreichung oder Überschreitung der zeitlich vorgezogen geltenden 90 %-Grenze geführt hat, nach dem 30.6.2016 erfolgt sein muss. Die übrigen Anteilsübergänge, die zum mindestens 90 %igen Wechsel der Gesellschafter der beteiligten Kapitalgesellschaft beigetragen haben, können auf Grundlage der in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertretenen Verwaltungsansicht jedoch auch schon vor dem 1.7.2016 erfolgt sein2. Für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG hat dennoch eine beteiligte Kapitalgesellschaft, bei der vor dem 1.7.2021 ein mindestens 90 %iger, jedoch weniger als 95 %iger Gesellschafterwechsel erfolgt ist, als sog. Altgesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft zu gelten, wenn der mindestens 90 %ige, jedoch weniger als 95 %ige Gesellschafterwechsel, wäre § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. schon vor dem 1.7.2021 in Kraft gewesen, Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. ausgelöst hätte. Beispiel: In der Ausgangsstruktur hält ein sog. Altgesellschafter alle Anteile an einer MG-GmbH, die 5,1 % der Anteile an der grundbesitzenden G-KG unmittelbar, die restlichen 94,9 % der Anteile an der G-KG über die von ihr zu 100 % gehaltene TG-GmbH hält. Am 30.6.2000 übertrug der Altgesellschafter 45 % der Anteile an der MG-GmbH auf den bisher nicht beteiligten N1. Am 30.6.2021 übertrug der Altgesellschafter weitere 45 % auf den bisher nicht beteiligten N2. Am 30.6.2026 überträgt TG-GmbH ihre 94,9 %ige Beteiligung an der G-KG auf MG-GmbH.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiele 3 und 4. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 6, sogar ohne zeitliche Begrenzung in die Vergangenheit (sog. Ewigkeitsbetrachtung).

190

Behrens

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Ausgangsstruktur:

30.06.2000:

Altg.

N1

Altg. 100 % ./. 45 % = 55 %

100 %

MG-GmbH

100 % 5,1 %

TG-GmbH

94,9 %

G-KG

30.06.2021:

30.06.2026:

N2

5,1 %

94,9 %

G-KG

Altg. 55 % ./. 45 % = 10 %

45 %

MG-GmbH

100 % TG-GmbH

Rz. 456.1 § 1

N1

Altg.

45 % 45 %

MG-GmbH

N2

N1

10 % 45 % 45 %

MG-GmbH

100 % TG-GmbH

5,1 %

100 %

94,9 % G-KG

TG-GmbH

5,1 % + 94,9 % = 100 %

G-KG

Zwar gilt für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. gem. § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG bereits die Neufassung von § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 auch für vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge. Danach wäre MG-GmbH wegen des Übergangs von 90 % der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter neue Gesellschafterin der G-KG (und auch der TG-GmbH). Weil jedoch, hätte § 1 Abs. 2a GrEStG bereits in der Neufassung gegolten, der 90 %ige Gesellschafterwechsel auf Ebene der MG-GmbH am 30.6.2000 und am 30.6.2021 Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. ausgelöst

Behrens

191

§ 1 Rz. 456.1 Erwerbsvorgänge hätte, muss die MG-GmbH für die weitere Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als sog. Altgesellschafterin der G-KG gelten. Der Übergang der bisher von der TG-GmbH gehaltenen 94,9 %igen Beteiligung an der G-KG auf die MG-GmbH stellt daher einen Anteilsübergang auf einen sog. Altgesellschafter dar, so dass am 30.6.2026 keine Steuer ausgelöst wird.

VI. Mehrstufige Beteiligung mittelbar beteiligter Kapitalgesellschaften (Satz 5) 457

Gemäß § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG gilt Satz 4 bei mehrstufigen Beteiligungen auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. Es ist mithin in jedem Beteiligungsstrang von unten nach oben zu prüfen, ob innerhalb des relevanten Zehn- bzw. Fünf-Jahres-Zeitraums mindestens. 90% bzw. 95 % der Anteile an der betreffenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Ausführungen zu § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG (vgl. Rz. 447 ff.) gelten entsprechend.

458

Beispiel: An der G-KG, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, ist bisher die U-GmbH vermögensmäßig zu 100 % als Kommanditistin beteiligt. An der U-GmbH sind die O-GmbH zu 89 % und die Z-KG zu 11 % beteiligt. An der Z-KG sind die O-GmbH zu 89 % und ein Dritter zu 11 % beteiligt. Alleingesellschafterin der O-GmbH ist bisher V, der zum selben Zeitpunkt jeweils 50 % der Anteile an der O-GmbH an K1 und an K2 überträgt.

K2 K1

V

50 % 100 %

50 %

O-GmbH

Dritter

11 %

89 % 89 %

Z-KG 11 %

U-GmbH 100 % G-KG

459

§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ist nicht erfüllt, weil die Anteile an der U-GmbH nicht bewegt werden, sondern unverändert bei O-GmbH und Z-KG verbleiben. Weil derBegriff „mittelbare Beteiligung“ in Satz 3 auch mittelbare Beteiligungen über Kapitalgesellschaften umfasst, ist Satz 5 von § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden. Weil die Anteile an der U-GmbH nicht auf neue Gesellschafter übergehen, sind die Tatbestandsmerkmale von Satz 4 nicht erfüllt. Jedoch gilt gemäß Satz 5 bei mehrstufigen Beteiligungen Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. An der O-GmbH gehen gleichzeitig je 50 % der Anteile auf K1 und auf K2 über, so dass die O-GmbH als neue Gesellschafterin der U-GmbH und der Z-KG gilt, d.h. 192

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 461 § 1

sowohl der 89%ige Geschäftsanteil an der U-GmbH als auch die 89%ige Kommanditbeteiligung an der Z-KG gelten als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Im Gesetzeswortlaut nicht geregelt ist, ob durch die Z-KG hindurchzurechnen ist, so dass 89 % von 11 % (d.h. 9,79 %) der Anteile an der U-GmbH zusätzlich zum von der O-GmbH gehaltenen 89%igen Anteil an der U-GmbH als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen zu werten ist. M.E. ergibt sich aus dem Satz 2 von § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dass Personengesellschaften im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG als transparent anzusehen sind und deshalb die Durchrechnungsmethode (% von %) anzuwenden ist1. Im Ergebnis gilt die U-GmbH als neue Gesellschafterin der G-KG, weshalb der Tatbestand von § 1 Abs. 2a Satz 1 Var. 2 GrEStG im obigen Beispiel verwirklicht ist. In der Literatur wird allerdings unter Verweis auf den Gesetzeswort in Satz 4 („wenn an ihr [d.h. an der beteiligten Kapitalgesellschaft] mind. 90 % bzw. 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen“) unter Zugrundelegung eines streng zivilrechtlichen Verständnisses auch die gegenteilige Ansicht vertreten2, wonach § 1 Abs. 2a GrEStG im obigen Beispiel nur dann als verwirklicht angesehen werden können, wenn § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG den folgenden Wortlaut hätte: „Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar mindestens [90 vom Hundert bzw.] 95 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen“. M.E. ist die Formulierung „an ihr“ vor dem Hintergrund der Formulierung „unmittelbar oder mittelbar“ in § 1 Abs. 2a Satz 1 und Satz 3 GrEStG auszulegen.

459.1

VII. Erwerb von Anteilen von Todes wegen (Satz 6) Gemäß § 1 Abs. 2a Satz 6 (bis zum 5.11.2015: § 1 Abs. 2a Satz 2) GrEStG bleibt der Erwerb von An- 460 teilen von Todes wegen bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht. Dies bedeutet m.E., dass unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel durch Erbfolge im Rahmen von § 1 Abs. 2a Sätze 1 bis 5 GrEStG nicht als Übergang des vererbten Anteils auf einen neuen Gesellschafter angesehen werden, also nicht nur keine sog. Zählerwerbe sind3, sondern dass der von Todes wegen einen Anteil Erwerbende auch sog. Altgesellschafter ist, wenn der Erblasser sog. Altgesellschafter war. Anteilsübergänge durch Erbfolge lösen weder die Rechtsfolge von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG aus noch tragen sie zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG bei4. Der von Todes wegen einen Anteil Erwerbende kann weitere Anteile hinzuerwerben, ohne dass dadurch sog. Zählerwerbe ausgelöst würden (weil er weitere Anteile als Altgesellschafter hinzuerwirbt). Die Tatbestandslosigkeit von Anteilsübergängen durch Erbfolge gilt sowohl auf der unmittelbaren als auch auf allen mittelbaren Beteiligungsebenen5. Satz 6 beruht auf dem Missbrauchsvermeidungscharakter von § 1 Abs. 2a GrEStG. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG gilt nicht bei Anteilsschenkungen, z.B. bei Anteilsübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Insoweit kommen allerdings Befreiungen nach § 3 GrEStG in Betracht (vgl. § 3 Rz. 10). Dies gilt auch, wenn sich der Gesellschafterbestand aufgrund einer Erbbauauseinandersetzung ändert6. Hat der Erwerber für den Anteilserwerb von Todes wegen eine Ausgleichsverpflichtung (Geldzahlung) an Dritte zu erfüllen7, ist die Änderung des Gesellschafterbestands im Umfang der Ausgleichsverpflichtung, weil es insoweit an einem Erwerb von Todes wegen fehlt, nach h.M. bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen8. Begründet wird dies mit einem Hinweis 1 Vgl. BT-Drucks. v. 12.11.2014 – 18/3158, S. 40; BR-Drucks. v. 27.3.2015 – 121/15, S. 61. Ebenso m.E. die Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.3 Abs. 4. 2 Vgl. Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (109). 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. 4 Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 894: „Ein Gesellschafterwechsel durch Erbfolge soll die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2a Satz 1 (fingierter Grundstückserwerb) weder auslösen noch zu einem steuerbaren Vorgang beitragen“. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 894; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 312. 6 Vgl. § 3 Nr. 3 GrEStG. 7 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. 8 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 312; Griesar in GrEStG – eKommentar, § 1 GrEStG, 2.8.2021, Rz. 234 a.E.: „Für den Fall, dass ein Anteilserwerb mit einer Ausgleichsverpflichtung wie etwa einer Geldzahlung an einen Dritten

Behrens

193

461

§ 1 Rz. 461 Erwerbsvorgänge auf § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG; m.E. vermag dies nicht zu überzeugen, weil eine entsprechende Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 6 fehlt. Trotz der dem den Anteil von Todes wegen erwerbendem Erben auferlegten Ausgleichszahlung liegt ein Anteilserwerb von Todes wegen i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 6 vor. Der Anwendung von § 1 Abs. 2a Satz 6 steht auch eine Belastung des Erben mit (den Anteil nicht betreffenden) Vermächtnissen nicht entgegen. Auch Erwerbe von Anteilen an Kapitalgesellschaften von Todes wegen haben bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG außer Betracht zu bleiben, ebenso Treuhänder- bzw. Treugeberwechsel aufgrund Erbfolge1. 461.1

Unklar ist, ob die Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, von einer Erbengemeinschaft an einen der Miterben unter § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG fällt. Nach einer Literaturansicht sollen von § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG nur solche Anteilsübergänge von Todes wegen erfasst sein, die keines Übertragungsaktes bedürfen2. Dies würde bedeuten, dass der Übergang eines Anteils an einer beteiligten Kapitalgesellschaft von der Erbengemeinschaft auf einen der Miterben ein sog. Zählerwerb für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG wäre3 und die Altgesellschaftereigenschaft des Erblassers – wenn er Altgesellschafter war der beteiligten Kapitalgesellschaft war – nicht auf den durch Erbauseinandersetzung erwerbenden Miterben überginge. M.E. spricht jedoch der Missbrauchsvermeidungscharakter von § 1 Abs. 2a dafür, Satz 6 auch auf Anteilserwerbe durch Erbauseinandersetzung anzuwenden und den erwerbenden Miterben als Altgesellschafter anzusehen (wenn der Erblasser Altgesellschafter war), soweit der erwerbende Miterbe keine Ausgleichszahlungen zu leisten hat. Auch die Literaturansicht lässt eine gewisse Rechtsunsicherheit erkennen, indem gesagt wird, dass das Tatbestandsmerkmal „Erwerb von Todes wegen“ auch weiter reichen könnte4.

461.2

Erwerbe von Todes wegen bleiben gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG auch bei unmittelbaren oder mittelbaren Änderungen der Beteiligungsverhältnisse an einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, außer Betracht. Der Erwerb von Todes wegen kann auch bei mittelbaren Beteiligungsänderungen keine Missbrauchsgefahr begründen. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG ist unabhängig davon anzuwenden, auf welcher Beteiligungsebene Anteile von Todes wegen übergehen. Soweit ersichtlich entspricht dem auch die h.M. in der Literatur5.

VIII. Verwirklichung von Abs. 2a nach Grundstückserwerb von einem Gesellschafter (Satz 7) 1. Bemessungsgrundlagen-Anrechnung bei rückwirkendem Wegfall der Befreiung nach §§ 5, 6 GrEStG 462

Gemäß § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG ist, wenn die Personengesellschaft vor dem Wechsel des Gesellschafterbestandes i.H.v. 90 % (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär 95%) oder mehr ein Grundstück von einem Gesellschafter oder einer ganz oder teilweise beteiligungsidentischen Gesamthand erworben hat, auf die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG ermittelte Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage mit dem entsprechenden Betrag anzurechnen, die auf den Erwerbsvorgang zur Anwendung gelangt, für den aufgrund von §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG die Steuervergünstigung für den Grundstückserwerb vom Gesellschafter bzw. von der anderen Gesamthand zu versagen ist. Verbleibt eine Bemessungsgrundlage von nicht mehr als 2.500 Euro für das betreffende Gesellschaftsgrundstück, ist der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wegen § 3 Nr. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Durch § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG soll eine Doppelbelas-

1 2 3 4 5

verbunden ist, ist in diesem Umfang eine Anwendung des Abs. 2a Satz 6 ausgeschlossen. In Anwendung des Gedankens des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ist hier nicht von einem Erwerb von Todes wegen auszugehen und dieser Teil des Anteilserwerbs findet bei der Berechnung des Änderungsumfangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden PersGes Berücksichtigung“. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. Wobei dann die (ggf. nur anteilige) Befreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG zur Anwendung gelangt. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 894; Pahlke6 § 1 GrEStG Rz. 312.

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D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Rz. 463 § 1

tung mit Grunderwerbsteuer ausgeschlossen werden, wenn dem Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft von einem Gesellschafter oder einer ganz oder teilweise beteiligungsidentischen Gesamthand ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Gesellschafterwechsel nachfolgt und der zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG beitragende Gesellschafterwechsel zur rückwirkenden Versagung der Befreiung des Grundstückserwerbs vom Gesellschafter führt1. Es handelt sich um eine Anrechnungsvorschrift, die die Doppelbelastung dadurch ausschließt, dass zwar der Grundstückserwerb durch die „alte“ Personengesellschaft nach § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nachträglich besteuert wird, andererseits jedoch der nach § 1 Abs. 2a GrEStG fingierte Grundstückserwerb der fingiert neuen Personengesellschaft nur in der Weise nach § 1 Abs. 2a GrEStG besteuert wird, dass die Bemessungsgrundlage des ersten Erwerbs von der des (nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG fingierten) zweiten Erwerbs abgezogen wird. Nach den gleichlautenden Ländererlassen betr. die Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG2 (vgl. Rz. 9) soll das Feststellungs-FA, soweit ihm die Tatsache der Anrechnung bekannt ist, das Lage-FA entsprechend unterrichten; m.E. ist die Feststellung, dass § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG anwendbar und damit die Bemessungsgrundlage durch Anrechnung zu verringern ist, in diesem Fall schon im Feststellungsbescheid zu treffen; lediglich die Entscheidung über die Höhe der Anrechnung fällt in den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Festsetzungs-FA (vgl. hierzu auch § 17 Rz. 85). Aufgrund des Gesetzeswortlauts kommt es nicht darauf an, ob auf den ersten Erwerb tatsächlich in Anwendung der §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG Grunderwerbsteuer rückwirkend festgesetzt worden ist3. Zudem hat die Anrechnung unabhängig davon zu erfolgen, ob – wenn eine solche Steuerfestsetzung erfolgt ist – die gem. § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nachzuerhebende Steuer gegenüber dem Gesellschafter oder gegenüber der Personengesellschaft festgesetzt worden ist. Wertsteigerungen des Grundstücks, die im Zeitraum zwischen dem Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft und der mindestens 95%igen Änderung des Gesellschafterbestandes (d.h. des fingierten Grundstückserwerbs durch die neue Personengesellschaft) eingetreten sind, bleiben bei der Ermittlung des Anrechnungsbetrags außer Betracht, denn für die auf § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG beruhende nachträgliche Steuerfestsetzung auf den Grundstückserwerb durch die „alte“ Personengesellschaft sind die (Wert-)Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer auf den Grundstückserwerb durch die „alte“ Personengesellschaft maßgebend4. Wertminderungen des Grundstücks bleiben ebenfalls bei der Berechnung des Anrechnungsbetrags unberücksichtigt. Maximal kann § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG zu einer Bemessungsgrundlage für die nach § 1 Abs. 2a GrEStG festzusetzende Grunderwerbsteuer von Null führen, nicht aber zu einer Erstattung von Grunderwerbsteuer, die auf den Grundstückserwerb durch die „alte“ Personengesellschaft angefallen ist. Bei zwischenzeitlicher Bebauung des Grundstücks ist die Bemessungsgrundlage, die für den vorangegangenen, rückwirkend nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu versteuernden Erwerb des noch unbebauten Grundstücks maßgebend ist, nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht5 nur auf den Teil der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG oder für das zwischenzeitlich bebaute Grundstück für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ermittelten Bemessungsgrundlage anzurechnen, der anteilig auf das unbebaute Grundstück entfällt. Diese Einschränkung ist abzulehnen, weil sie sich nicht aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG ergibt; worauf Veränderungen der Bemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG im Vergleich zur Bemessungsgrundlage für den vorangegangenen Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft im Einzelnen beruhen, ist unerheblich.

1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 124: „innere Verknüpfung der nachträglichen Versagung der Steuerbegünstigung einerseits und dem Wechsel im Gesellschafterbestand andererseits“. 2 Vgl. Erlasse v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282. 3 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 127; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 315. 5 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 127; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 315.

Behrens

195

463

§ 1 Rz. 464 Erwerbsvorgänge 2. Unanwendbarkeit von Satz 7 bei Aufrechterhaltung der Befreiung nach §§ 5, 6 GrEStG aufgrund teleologischer Reduktion 464

Wird § 1 Abs. 2a GrEStG in einem Rechtsakt innerhalb der Zehn- (bzw. bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 subsidiär Fünf-)Jahres-Frist von § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verwirklicht, wird von der nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstückserwerb durch die „alte“ Personengesellschaft in Anwendung von § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verzichtet1. Denn diese Vorschriften werden infolge teleologischer Reduktion nicht angewandt, wenn ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist2. Eine objektive Missbrauchsmöglichkeit ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Vorgang, der zur Nichtwahrung der Fünf-Jahres-Frist führt, selbst grunderwerbsteuerbar ist.

465

Beispiel: An der OHG sind die A-GmbH zu 95 % und die B-GmbH zu 5 % beteiligt. Im Jahr 01 überträgt die A-GmbH ein Grundstück auf die OHG. Im Jahr 03 wird die B-GmbH auf die C-GmbH verschmolzen. Gleichzeitig, d.h. mit dinglicher Wirkung auf den Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der C-GmbH, überträgt die A-GmbH eine 85%ige Beteiligung an der OHG auf die C-GmbH. Die A-GmbH bleibt zu 10 % an der OHG beteiligt.

Erlass vom 12.11.2018, Tz. 7.8.1.1, Beispiel 14 und auch schon Erlass vom 09.12.2015, Tz. 7.8.1.1, Beispiel 12 (jeweils abgewandelt): Jahr 01: A-GmbH

Jahr 03: C-GmbH

B-GmbH

A-GmbH 5%

95 % OHG

5% + 85 % = 90 %

95 % – 85 % = 10 %

B-GmbH 5%

OHG

Die A-GmbH überträgt ein Grundstück auf die OHG.

466

Die B-GmbH wird auf die C-GmbH verschmolzen, gleichzeitig überträgt die A-GmbH eine 85 %ige Beteiligung an der OHG auf die C-GmbH.

Im Jahr 01 wird die Grunderwerbsteuer auf die Grundstücksübertragung gem. § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 95 % nicht erhoben. Im Jahr 03 wird durch die gleichzeitig erfolgenden Anteilsübergänge auf die bisher nicht an der OHG beteiligte C-GmbH der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG in einem Rechtsakt verwirklicht. Dass jeder der beiden Anteilsübergänge bei isolierter Betrachtung den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht, steht der Einordnung des Vorgangs als Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch einen Rechtsakt nicht entgegen, weil dafür die Gleichzeitigkeit der mehreren Anteilsübergänge, die in der Summe die 90%- (bis 30.6.2021 und danach bis maximal 30.6.2026 die 95 %-) Grenze des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erreichen, ausreicht. Denn bei Betrachtung der Verhältnisse im 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.8.1.1. 2 Vgl. z.B. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 14. Daran sollte sich durch das BFH v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557 nichts ändern; vgl. Behrens, DStR 2016, 518. Zum Charakter dieser Vorschriften als Missbrauchsvermeidungsvorschriften vgl. BR-Drucks. 910/98, 203; BT-Drucks. 14/265, 204.

196

Behrens

Rz. 469 § 1

D. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften (Abs. 2a)

Zeitpunkt der Anteilsübergänge im Jahr 03 steht fest, dass eine objektive Missbrauchsmöglichkeit nicht vorliegt1. Es kommt mithin nicht zur nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstücksübergang von der A-GmbH auf die OHG im Jahr 01 i.H.v. 85 %, weil die Verminderung des Gesamthandsanteils der A-GmbH am Vermögen der OHG von 95 % auf 10 % zu dem nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang beigetragen hat und deshalb eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist. Mangels nachträglicher Steuerfestsetzung in Anwendung der §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG scheidet auch eine Anrechnung nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG aus. Die Überwachung nach § 5 Abs. 3 GrEStG endet wegen der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG im Jahr 03. Die im obigen Beispiel nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer bleibt i.H.v. 10 % gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben. Die Aufrechterhaltung dieser Befreiung setzt voraus, dass die A-GmbH ihre 10%ige Beteiligung an der OHG in dem auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 03 folgenden Zehn-Jahres-Zeitraum nicht verringert. Anders ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Rechtslage, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG durch 467 mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Rechtsakte, d.h. durch sukzessive Anteilsübergänge verwirklicht wird. Beispiel: Die A-GmbH, die zu 95 % gesamthänderisch am Vermögen der OHG beteiligt ist, überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf die OHG. Im Jahr 03 überträgt die A-GmbH im Wege der Abspaltung eine 85%ige Gesamthandsbeteiligung an der OHG auf die C-GmbH. Im Jahr 04 wird die B-GmbH, die zu 5 % an der OHG beteiligt ist, auf die C-GmbH verschmolzen.

Jahr 01: A-GmbH

B-GmbH

Jahr 03:

Jahr 04:

C-GmbH

C-GmbH

468

85 % A-GmbH 95 %

B-GmbH

A-GmbH

5%

OHG

Die A-GmbH überträgt ihr Grundstück auf die OHG.

5%

95 % – 85 % = 10 %

10 %

B-GmbH 85 % + 5% = 90 %

OHG

OHG

Die A-GmbH spaltet eine 85 %ige Beteiligung an der OHG auf die C- GmbH ab.

Die B-GmbH wird auf die C-GmbH verschmolzen.

Die Abspaltung der 85%igen Beteiligung von der A-GmbH auf die C-GmbH im Jahr 03 ist selbst nicht grunderwerbsteuerbar. Es besteht mithin im Jahr 03 eine objektive Missbrauchsmöglichkeit. Mithin ist § 5 Abs. 3 anwendbar, d.h. i.H.v. 85 % wird die im Jahr 01 ausgelöste Grunderwerbsteuer nachträglich festgesetzt. Im Jahr 04 kommt es in Folge der Verschmelzung der B-GmbH auf die C-GmbH zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG. Weil die Abspaltung der 85%igen Beteiligung von A-GmbH auf die C-GmbH zur Verwirklichung dieses Tatbestands beigetragen hat, mithin eine innere Verknüpfung der nachträglichen Versagung der für die Grundstücksübertragung im Jahr 01 gewährten 95%igen Steuerbefreiung i.H.v. 85 % mit dem Wechsel im Gesellschafterbestand besteht, wird die Bemessungsgrundlage, nach der die Steuer auf den Grundstücksübergang 1 So auch Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.8.1.1, Beispiel 14, und auch schon die Vorgänger-Erlasse zu §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Rz. 7.8.1.1, Beispiel 12. Vgl. auch Behrens, BB 2016, 340.

Behrens

197

469

§ 1 Rz. 469 Erwerbsvorgänge im Jahr 01 nachträglich festgesetzt wird, entsprechend den 85 % auf die für die Besteuerung des Vorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG relevante Bemessungsgrundlage angerechnet. 3. Abhängigkeit der Anwendung von Satz 7 von der Reichweite der teleologischen Reduktion von §§ 5, 6 GrEStG 470

Überträgt im obigen Beispiel (Rz. 468) die A-GmbH im Jahr 04 die ihr verbliebene 10%ige Beteiligung an der OHG auf die C-GmbH (die Verschmelzung der B-GmbH auf die C-GmbH findet in dieser Variante nicht statt), wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG zwar – weil nur in Zusammenfassung mit der im Jahr 03 wirksam gewordenen Abspaltung – in mehreren Rechtsakten verwirklicht. Im Jahr 03 kommt es i.H.v. 85 % gem. § 5 Abs. 3 GrEStG zur nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstücksübergang im Jahr 01. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist § 5 Abs. 3 GrEStG auch in Höhe der im Jahr 04 übertragenen 10%igen Beteiligung anwendbar, wobei die Anrechnung nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG auch die insoweit nach Verwaltungsansicht nachträglich für den Grundstückserwerb durch die OHG im Jahr 01 relevante Bemessungsgrundlage umfasst1. Dem ist nicht zu folgen: Denn in Bezug auf den Übergang der 5%igen Beteiligung der B-GmbH steht im Jahr 04 fest, dass eine objektive Missbrauchsmöglichkeit nicht besteht. M.E. macht es keinen Sinn, hier § 5 Abs. 3 GrEStG noch anzuwenden, um anschließend die Bemessungsgrundlagen zu verrechnen2.

E. Mindestens 90%iger Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (Abs. 2b) Literatur: Adrian, Neuregelung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer, Das neue Gesetz im Überblick, StuB 2021, 513; Anzinger/Reimer/Jung, Rechtsrahmen und Reformoptionen für die Behandlung von Share Deals im deutschen Grunderwerbsteuergesetz nach dem Vorbild des niederländischen Wertdurchgriffsmodells (Rechtsgutachten), 2019; Behrens/Dworog, Verfassungsrechtliche Zweifel an den Vorschlägen zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes in Bezug auf Share Deals, BB 2018, 1943; Behrens/Waadt, Grunderwerbsteuer bei sog. Share Deals nach dem Referentenentwurf des BMF vom 08.05.2019 – Anmerkungen insb. zu den Übergangsregelungen, BB 2019, 1367; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals am 01.07.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share-Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1114; Broemel/Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelung der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offene Fragen, DStR 2021, 2383; Canz, Die Prüfungserweiterung wegen Grunderwerbsteuer, BB 2017, 791; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605; ders., Ubg 2019, 65; Förster/Mendling, Die Neuregelungen des § 1 Abs. 2b, 2c GrEStG für Share Deals im GrESt-Recht, DB 2021, 1974; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil II, DStR 2021, 1272; Krohn/Schell, Praxisprobleme aus der Betriebsprüfung, Ubg 2015, 303; Lüdicke, Gesetz zur Änderung des GrEStG: Unnötige Gefährdung grundbesitzender Unternehmen durch massive Ausweitung der Steuerersatztatbestände, DB 2019, 1864; Meding/ Müller, Neue grunderwerbsteuerliche Regelungen für KapGes.: Ausgewählte Fragestellungen zu § 1 Abs. 2b GrEStG, DB 2021, 2177; Mörwald, Verfassungswidrigkeit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer, DStZ 2019, 492; Pirner/Könemann, Eine Steuer für Ehrliche und Pechvögel? Zum strukturellen Vollzugsdefizit bei der Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit Umstrukturierungen internationaler Konzerne, IStR 2013, 423; Tappe, Share Deals in der Grunderwerbsteuer, verfassungsrechtliche Spielräume für Regelungen zur Missbrauchsabwehr, StuW 2021, 139; Thiede, Verschärfungen bei sog. Share Deals, NWB-EV Online Beitrag vom 30.04.2021; Viskorf, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? Grenzen der Zurechnung von Grundstücken kraft Tatbestandsverwirklichung bei § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG, DStR 2021, 74; Wachter/Wiedmann, Grunderwerbsteuer bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft, Überblick über den neuen Referentenentwurf zu 31 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.8.1.2 und auch schon die VorgängerErlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Rz. 7.8.1.2: „Erfolgt der Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG schrittweise, ist § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sowohl auf die Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragen, als auch auf solche, die den Tatbestand auslösen, anzuwenden. Eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht, da jeder Teilakt für sich einen Missbrauch nicht objektiv ausschließt“. 2 Vgl. Behrens, BB 2016, 340 (343).

198

Behrens

§ 1 Rz. 469 Erwerbsvorgänge im Jahr 01 nachträglich festgesetzt wird, entsprechend den 85 % auf die für die Besteuerung des Vorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG relevante Bemessungsgrundlage angerechnet. 3. Abhängigkeit der Anwendung von Satz 7 von der Reichweite der teleologischen Reduktion von §§ 5, 6 GrEStG 470

Überträgt im obigen Beispiel (Rz. 468) die A-GmbH im Jahr 04 die ihr verbliebene 10%ige Beteiligung an der OHG auf die C-GmbH (die Verschmelzung der B-GmbH auf die C-GmbH findet in dieser Variante nicht statt), wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG zwar – weil nur in Zusammenfassung mit der im Jahr 03 wirksam gewordenen Abspaltung – in mehreren Rechtsakten verwirklicht. Im Jahr 03 kommt es i.H.v. 85 % gem. § 5 Abs. 3 GrEStG zur nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstücksübergang im Jahr 01. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist § 5 Abs. 3 GrEStG auch in Höhe der im Jahr 04 übertragenen 10%igen Beteiligung anwendbar, wobei die Anrechnung nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG auch die insoweit nach Verwaltungsansicht nachträglich für den Grundstückserwerb durch die OHG im Jahr 01 relevante Bemessungsgrundlage umfasst1. Dem ist nicht zu folgen: Denn in Bezug auf den Übergang der 5%igen Beteiligung der B-GmbH steht im Jahr 04 fest, dass eine objektive Missbrauchsmöglichkeit nicht besteht. M.E. macht es keinen Sinn, hier § 5 Abs. 3 GrEStG noch anzuwenden, um anschließend die Bemessungsgrundlagen zu verrechnen2.

E. Mindestens 90%iger Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (Abs. 2b) Literatur: Adrian, Neuregelung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer, Das neue Gesetz im Überblick, StuB 2021, 513; Anzinger/Reimer/Jung, Rechtsrahmen und Reformoptionen für die Behandlung von Share Deals im deutschen Grunderwerbsteuergesetz nach dem Vorbild des niederländischen Wertdurchgriffsmodells (Rechtsgutachten), 2019; Behrens/Dworog, Verfassungsrechtliche Zweifel an den Vorschlägen zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes in Bezug auf Share Deals, BB 2018, 1943; Behrens/Waadt, Grunderwerbsteuer bei sog. Share Deals nach dem Referentenentwurf des BMF vom 08.05.2019 – Anmerkungen insb. zu den Übergangsregelungen, BB 2019, 1367; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals am 01.07.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share-Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1114; Broemel/Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelung der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offene Fragen, DStR 2021, 2383; Canz, Die Prüfungserweiterung wegen Grunderwerbsteuer, BB 2017, 791; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605; ders., Ubg 2019, 65; Förster/Mendling, Die Neuregelungen des § 1 Abs. 2b, 2c GrEStG für Share Deals im GrESt-Recht, DB 2021, 1974; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil II, DStR 2021, 1272; Krohn/Schell, Praxisprobleme aus der Betriebsprüfung, Ubg 2015, 303; Lüdicke, Gesetz zur Änderung des GrEStG: Unnötige Gefährdung grundbesitzender Unternehmen durch massive Ausweitung der Steuerersatztatbestände, DB 2019, 1864; Meding/ Müller, Neue grunderwerbsteuerliche Regelungen für KapGes.: Ausgewählte Fragestellungen zu § 1 Abs. 2b GrEStG, DB 2021, 2177; Mörwald, Verfassungswidrigkeit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer, DStZ 2019, 492; Pirner/Könemann, Eine Steuer für Ehrliche und Pechvögel? Zum strukturellen Vollzugsdefizit bei der Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit Umstrukturierungen internationaler Konzerne, IStR 2013, 423; Tappe, Share Deals in der Grunderwerbsteuer, verfassungsrechtliche Spielräume für Regelungen zur Missbrauchsabwehr, StuW 2021, 139; Thiede, Verschärfungen bei sog. Share Deals, NWB-EV Online Beitrag vom 30.04.2021; Viskorf, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? Grenzen der Zurechnung von Grundstücken kraft Tatbestandsverwirklichung bei § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG, DStR 2021, 74; Wachter/Wiedmann, Grunderwerbsteuer bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft, Überblick über den neuen Referentenentwurf zu 31 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.8.1.2 und auch schon die VorgängerErlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Rz. 7.8.1.2: „Erfolgt der Gesellschafterwechsel i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG schrittweise, ist § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sowohl auf die Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragen, als auch auf solche, die den Tatbestand auslösen, anzuwenden. Eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht, da jeder Teilakt für sich einen Missbrauch nicht objektiv ausschließt“. 2 Vgl. Behrens, BB 2016, 340 (343).

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Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 475 § 1

Abs. 2b GrEStG, UVR 2019, 211; Wagner, GrESt bei Share Deals: Besonderheiten bei Fondsstrukturen und börsennotierten Gesellschaften, DB 2019, 1409; Wengerofsky, Reform der Grunderwerbsteuer im Bereich der Share-Deals, UVR 2021, 240; Wernsmann/Bering, Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht, DStZ 2021, 434.

I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift § 1 Abs. 2b GrEStG soll aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter gleichen Voraussetzungen wie § 1 Abs. 2a GrEStG bei grundbesitzenden Personengesellschaften Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfassen. Besteuert wird die grundbesitzende Kapitalgesellschaft selbst, die wegen des Anteilseignerwechsels nach Auffassung des Gesetzgebers grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen sei1.

471

In ihrem Aufbau gleicht § 1 Abs. 2b GrEStG der Vorschrift in § 1 Abs. 2a GrEStG betr. grundbesit- 472 zende Personengesellschaften. In Satz 1 wird der Grundsatz geregelt, dass, wenn zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, dies als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft gilt2. Der Wortlaut von Satz 1 ist mit dem Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG identisch, außer dass – statt auf Personengesellschaften – auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften abgestellt wird. Gemäß Satz 2 werden mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Personengesellschaften durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile der Gesellschaft anteilig berücksichtigt. Dieser Satz 2 gleicht dem Satz 2 in § 1 Abs. 2a GrEStG, der durch das Steueränderungsgesetz 2015 mit Wirkung ab 6.11.200215 in § 1 Abs. 2a GrEStG eingefügt worden war3. Satz 3 ordnet an, dass, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, die Sätze 4 und 5 gelten. Nach Satz 4 gilt eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt gem. Satz 5 § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft entsprechend. Obwohl § 1 Abs. 2b GrEStG das Bestreben des Gesetzgebers indiziert, grundbesitzende Kapital- und grundbesitzende Personengesellschaften gleich zu behandeln, werden in den Sätzen 2 bis 5 zwischengeschaltete Personengesellschaften einerseits und zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften andererseits unterschiedlich behandelt. Bei zwischengeschalteten Personengesellschaften gilt die Durchrechnungsmethode, bei zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften das sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip.

473

Gemäß Satz 6 bleibt bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht. Dies entspricht der Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG. Obwohl der Erwerb von Anteilen von Todes wegen sowohl in § 1 Abs. 2a GrEStG als auch in § 1 Abs. 2b GrEStG außer Betracht bleibt, findet sich diese Regelung in beiden Absätzen jeweils als Satz 6, nicht also wie die ebenfalls für beide Ergänzungstatbestände geltende sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG in einem separaten Absatz.

474

Kommt es zum 90%igen Gesellschafterwechsel, greift die Fiktion des Übergangs der von der Kapital- 475 gesellschaft gehaltenen Grundstücke auf eine fingiert neue Kapitalgesellschaft. Gemäß § 13 Nr. 7 GrEStG ist die grundbesitzende Kapitalgesellschaft selbst der Steuerschuldner. Wie bei den anderen Ergänzungsbeständen ordnet auch § 1 Abs. 2b GrEStG die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den (fiktiven) Erwerb des ganzen Grundstücks an4.

1 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019, S. 12. 2 Für die Tatbestandsverwirklichung durch sukzessive Anteilsübergänge setzt § 1 Abs. 2b GrEStG voraus, dass das Grundstück durchgehend (d.h. während der Zeit, in der die Anteilsübergänge erfolgen) zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehört hat. 3 Vgl. StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834, ausgegeben am 5.11.2015. 4 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 12.

Behrens

199

§ 1 Rz. 476 Erwerbsvorgänge 476

Nach der Gesetzesbegründung1 werden in Bezug auf die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände und die Nicht-Erhebungsregelungen die Unterschiede, die aus der unterschiedlichen Rechtsform resultieren, unverändert mit der Folge beachtet, dass diese Regelungen auf Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden.

477

In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass durch die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG für betr. Anteilsgeschäfte in Bezug auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften zwar verkleinert werde, dennoch würden weiterhin Fälle vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG erfasst bleiben. Dies liege beispielsweise an der unterschiedlichen Berechnungsmethode in § 1 Abs. 2b GrEStG einerseits und in § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG andererseits oder an der im Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG erforderlichen Qualifizierung als Alt- oder Neu-Gesellschafter.

478

Nicht aufgenommen hat der Gesetzgeber den neuen Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG in die Bemessungsgrundlagen-Verrechnung in § 1 Abs. 6 GrEStG, wohl in der Annahme, dass es keine Anwendungsfälle mehrerer Erwerbe desselben Grundstücks durch denselben Erwerber nach § 1 Abs. 2b GrEStG und nach einem anderen in § 1 Abs. 6 GrEStG genannten Absatz geben könne. Weil jedoch bei Erwerb von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft durch eine andere Kapitalgesellschaft die Grundstücke der erstgenannten nach Verwaltungsansicht auch zum Vermögen der zweitgenannten Kapitalgesellschaft gerechnet werden (unter bestimmten Voraussetzungen)2, kann dadurch, dass mindestens 90 % der Anteile an der erwerbenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen und danach die grundbesitzende Kapitalgesellschaft auf die andere Kapitalgesellschaft verschmolzen wird, in Bezug auf dasselbe Grundstück Grunderwerbsteuer sowohl nach § 1 Abs. 2b GrEStG als auch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG durch denselben Erwerber, und zwar die andere Kapitalgesellschaft, ausgelöst werden3. Dass keine Anwendungsfälle mehrerer Erwerber desselben Grundstücks durch denselben Erwerber nach § 1 Abs. 2b GrEStG und eines anderen in § 1 Abs. 6 GrEStG genannten Absatz ersichtlich seien, ist auf Grundlage der Verwaltungsansicht zur Zurechnung von Grundstücken der Tochter- zu Muttergesellschaft nicht richtig. M.E. beruht die Nicht-Aufnahme von § 1 Abs. 2b GrEStG (ebenso wie die von § 1 Abs. 2a GrEStG) darauf, dass eine Zurechnung von Grundstücken einer Tochter- zur Muttergesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG (ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG) von vornherein insgesamt ausscheidet.

479

Auf Grundlage der Verwaltungsansicht gilt jedoch Folgendes: Werden zunächst mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft erworben und wird dann diese Kapitalgesellschaft auf den Anteilserwerber verschmolzen, wird von verschiedenen Erwerbern in Bezug auf dasselbe Grundstück zunächst § 1 Abs. 2b GrEStG und anschließend § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Anders noch als bis einschließlich 30.6.2021, als der Erwerb (damals von 95 % oder mehr) der Anteile den Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG auf Ebene des Anteilserwerbers verwirklichte, ist eine Verrechnung der Bemessungsgrundlagen, wenn der Anteilsübergang nach dem 30.6.2021 erfolgt, nicht mehr möglich. 2. Verhältnis zu den übrigen Ergänzungstatbeständen in Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a

480

Insoweit wird auf die Kommentierung zu Abs. 2a GrEStG, Rz. 303.1 f. und zu Abs. 3 GrEStG, Rz. 716 bis 720, verwiesen. 3. Gesetzeshistorie und zeitlicher Anwendungsbereich a) Grundsätze

481

§ 1 Abs. 2b GrEStG wurde erstmals mit Wirkung ab 1.7.2021 in das GrEStG eingefügt. Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG gilt § 1 Abs. 2b GrEStG für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht 1 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 12. 2 Die zweitgenannte Kapitalgesellschaft erwirbt die mind. 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG steuerbar. 3 Vgl. zu derselben Frage bei Abs. 2a Rz. 1044 bis 1046.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 484 § 1

werden. Verwirklicht wird ein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG im Zeitpunkt des Erreichens der 90 %-Grenze, d.h. in dem Zeitpunkt in dem unmittelbar und/oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile, an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind1. Der Vorschlag, einen § 1 Abs. 2a GrEStG entsprechenden Ergänzungstatbestand für grundbesitzende 482 Kapitalgesellschaften zu schaffen, wurde von der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe in ihrem Abschlussbericht Stand 18.4.2018 unterbreitet. Obwohl gegen diesen Regelungsvorschlag erhebliche Zweifel an der Vollziehbarkeit und hinreichenden Ausrichtung an Missbrauchskonstellationen geäußert wurden2, wurde die Vorschrift zum 1.7.2021 in Kraft gesetzt, abgeschwächt lediglich durch die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG und den Ausschluss eines Mitzählens vor dem 1.7.2021 erfolgter Anteilsübergänge in § 23 Abs. 23 GrEStG3 sowie die Anerkennung aller am 30.06./1.7.2021 Beteiligter als sog. Altgesellschafter. Nicht von § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst werden daher solche Sachverhalte, in denen die 90 %-Grenze 483 bereits vor dem 1.7.2021 überschritten wurde. Gemäß § 23 Abs. 23 GrEStG sind nur ab dem 1.7.2021 erfolgende Anteilsübergänge zu berücksichtigen, d.h. es erfolgt auch keine Rückanknüpfung an vor dem 1.7.2021 verwirklichte Anteilsübergänge. Mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, dass eine für den Steuerbürger vorhersehbare Besteuerungsrechtslage verlangt, kann ein ZehnJahres-Beobachtungs-Zeitraum i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG für mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands ebenso wie für unmittelbare Änderungen erstmals nach dem Inkrafttreten des neuen Ergänzungstatbestands, d.h. am 1.7.2021 0 Uhr, beginnen4. § 1 Abs. 2b GrEStG hat keinen Bezug zum bisherigen Recht5. Nicht nur unmittelbare Anteilsübergänge auf Neugesellschafter, sondern auch mittelbare Anteilsübergänge auf Neugesellschafter sind nur tatbestandsmäßig, zählen also für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG nur mit, wenn sie nach dem 30.6.2021 erfolgen, d.h. nach dem 30.6.2021 dinglich bzw. wirtschaftlich wirksam werden6. Dies ist m.E. auch die Meinung der Obersten Finanzbehörden der Länder. In Anm. 3 der gleichlautenden Erlassen vom 29.6.2021 zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29.6.20217 heißt es, dass für die Anwendung von § 1 Abs. 2b GrEStG nur solche Anteilsübergänge zu berücksichtigen sind, die nach dem 30.6.2021 erfolgen. Anteilsübergänge meinen nicht nur Übergänge von Anteilen, die unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft bestehen, sondern auch Übergänge von Anteilen die an Gesellschaften bestehen, die ihrerseits (unmittelbar oder mittelbar) an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Alle am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0 Uhr beteiligten Gesellschafter sind Altgesellschafter, unabhängig davon, wie lange sie ihre Anteile vor dem 1.7.2021 bereits gehalten hatten8, und zwar jeweils in Bezug auf die Gesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt sind.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, Anm. 1, BStBl. I 2021, 1006. 2 Vgl. Presse-Mitteilung der CDU/CSU- sowie der SPD-Bundestagsfraktion v. 24.10.2019 im Anschluss an die öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags v. 14.10.2019; vgl. auch Behrens/Dworog, BB 2018, 1943; Mörwald, DStZ 2019, 492; Lüdicke, DB 2019, 1864. 3 Vgl. BT-Drucks. 19/928528 v. 15.4.2021, S. 27 f. zu § 1 Abs. 2c GrEStG und S. 29 zu § 23 Abs. 23 GrEStG, wonach die Beteiligten bei Anteilsübertragung in der Vergangenheit grds. nicht damit rechnen mussten, dass Veränderungen im Gesellschafterbestand grundbesitzender Kapitalgesellschaften in einem künftigen Steuertatbestand berücksichtigt würden, der auf Änderungen im Gesellschafterbestand abstellt, sie vielmehr von einem steuerlich unerheblichen Handel ausgehen konnten. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sollen nach der Gesetzesbegründung nur solche Änderungen im Gesellschafterbestand berücksichtigt werden, die nach dem 30.6.2021 erfolgen; vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 29. 4 Vgl. zum erstmaligen Lauf der früheren Fünf-Jahres-Frist für mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ab 1.1.2000, FG Nds. v. 3.5.2006 – 7 K 374/03, EFG 2007, 282, rkr., auch unter Hinw. auf BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 5 So die Begründung zum Ref.-E, S. 220. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, Anm. 3, BStBl. I 2021, 1006; Griesar in eKommentar, Stand 2.8.2021, § 1 GrEStG Rz. 288.6. 7 Vgl. BStBl. I 2021, 1006. 8 Vgl. § 23 Rz. 70 ff.; vgl. auch die gleichlautenden Ländererlasse zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, insb. Beispiel 10.

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§ 1 Rz. 485 Erwerbsvorgänge b) Änderungen im unmittelbaren Gesellschafterbestand 485

Gemäß § 23 Abs. 23 GrEStG sind Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter, die bereits vor dem 1.7.2021 dinglich vollzogen wurden, für die Anwendung von § 1 Abs. 2b GrEStG in jeglicher Hinsicht ohne Bedeutung.

486

Zum einen werden damit Anteilsübergänge, die vor dem 1.7.2021 dinglich vollzogen wurden, nicht bei der Ermittlung der 90 %-Quote des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG berücksichtigt.

487

Zum anderen sind alle Gesellschafter, die bei Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, als Altgesellschafter dieser grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zu qualifizieren, unabhängig davon, wann und in welcher Höhe sie einen Anteil an dieser Gesellschaft erworben haben. Altgesellschafter ist auch, wer z.B. am 30.6.2021 einen Anteil in Höhe von 0,0001 % an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft erworben hat und weiterhin an dieser Gesellschaft beteiligt ist1. D.h. Alt-Gesellschafter sind auch solche Gesellschafter, die ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft nach dem 1.7.2011 und damit innerhalb von zehn Jahren vor dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 erworben haben2. Erwerben die Gesellschafter, die bereits vor dem 1.7.2021 an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, nach Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 weitere Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft hinzu, handelt es sich dabei um nicht tatbestandsmäßige Anteilsübergänge auf Altgesellschafter, die bei der Ermittlung der 90 %-Quote des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht zu berücksichtigen sind. c) Änderungen im mittelbaren Gesellschafterbestand

488

Diese Anwendungsgrundsätze gelten nicht nur auf unmittelbarer Beteiligungsebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, sondern ebenfalls auf mittelbarer Beteiligungsebene. Damit sind auch auf mittelbarer Beteiligungsebene Anteilsübergänge nicht zu berücksichtigen, die vor dem 1.7.2021 wirtschaftlich vollzogen wurden3. Gleichermaßen sind daher auch die Gesellschafter auf einer mittelbaren Beteiligungsebene in Bezug auf die jeweils zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft als Altgesellschafter zu qualifizieren, bei zwischengeschalteter Personengesellschaft sowohl auf Ebene der Personengesellschaft als auch auf Ebene der (grundbesitzenden) Kapitalgesellschaft, an der die Personengesellschaft beteiligt ist.

489

Dass der Wortlaut des § 23 Abs. 23 GrEStG bei enger Auslegung nur Übergänge von „Anteilen der Gesellschaft“ bei Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG unberücksichtigt lässt, wenn diese vor dem 1.7.2021 erfolgen4, ist unerheblich. Anderenfalls wäre die Wirkung des § 23 Abs. 23 GrEStG auf die unmittelbare Beteiligungsebene beschränkt, was verfassungsrechtlich nicht vertretbar wäre. In der Begründung zu § 23 Abs. 23 GrEStG differenziert der Gesetzgeber nicht zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Beteiligungsebene. Die Erwägungen, auf die der Gesetzgeber den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 2b GrEStG stützt, gelten vielmehr für die unmittelbare wie auch die mittelbare Beteiligungsebene. Der Gesetzgeber führt aus:

490

„Die Beteiligten mussten bei Anteilsübertragungen in der Vergangenheit grundsätzlich nicht damit rechnen, dass diese Transaktionen in einem künftigen Steuertatbestand berücksichtigt werden, der auf Änderungen im Gesellschafterbestand abstellt. Sie konnten von einem steuerlich unerheblichen Handeln ausgehen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sollen nur solche Änderungen im Gesellschafterbestand berücksichtigt werden, die nach dem 30. Juni 2021 erfolgen.“5

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Anm. 3, Beispiel 10. 2 Vgl. Förster/Mendling, DB 2021, 1974 (1979). 3 Im Regelfall wird der Anteilsübergang durch den dinglichen Übergang des Anteils an der zwischengeschalteten Gesellschaft vollzogen. 4 So auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383. 5 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 29.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 494 § 1

Es sind keine Gründe ersichtlich, warum sich diese Aussage nicht auch auf die mittelbare Beteiligungsebene beziehen sollt. Vergleichbare Fragestellungen wurden von der Rechtsprechung bereits hinsichtlich der zeitlichen Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG bei dessen Einführungen bzw. der Änderungen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG behandelt1.

491

d) Kein Vertrauensschutz bei Verpflichtung zur Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres vor dem 1.7.2021 und dinglichem Vollzug der Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres nach dem 30.6.2021 Die vom Bundesrat am 7.5.2021 gebilligte und am 1.7.2021 in Kraft getretene Fassung des Grund- 492 erwerbsteueränderungsgesetzes enthält keine Begünstigungsvorschrift für Anteilsgeschäfte, die zwar dinglich (bzw. auf mittelbarer Ebene wirtschaftlich) ab dem 1.7.2021 vollzogen werden, aber auf vor dem 1.7.2021 begründeten Verpflichtungsgeschäften beruhen. Daher sind im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG alle Anteilsübergänge zu berücksichtigen, deren Vollzug ab dem 1.7.2021 stattfindet, unabhängig davon, wann das jeweilige Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen wurde. Eine Begünstigung von Anteilsübertragungen, deren Signing vor und Closing nach einem bestimmten 493 Stichtag2 stattfanden, sah hingegen noch der Entwurf des Grunderwerbsteueränderungsgesetzes vom 23.9.2019 vor3. An dieser Regelung hat der Gesetzgeber in der nun verabschiedeten Fassung des Grunderwerbsteueränderungsgesetzes nicht mehr festgehalten. Zur Begründung führte er aus, dass diese Regelung „durch Zeitablauf überholt“ und daher zu streichen gewesen sei4. Besonders ungünstig wirkt sich dies in dem Fall aus, dass vor dem 1.7.2021 die Verpflichtung zur Über- 494 tragung einer mindestens 95%igen Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf einen Erwerber begründet worden war, der dingliche Vollzug jedoch erst nach dem 30.6.2021 stattfand bzw. stattfindet. Nach dem Gesetzeswortlaut erfüllt das Rechtsgeschäft, dass den Anteilsübertragungsanspruch begründete, den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F., während die dingliche Erfüllung dieses Anteilsübertragungsanspruchs zur Erfüllung von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. führt. In § 23 GrEStG wurde keine Regelung eingefügt, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. nicht anzuwenden sei, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG a.F. in Betracht kommt. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG n.F., der gegenüber § 1 Abs. 2b GrEStG zurücktritt, gilt erst ab dem 1.7.2021. Vor dem 1.7.2021 sperrte § 1 Abs. 2b GrEStG-Entwurf die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. dem Gesetzeswortlaut nach nicht. M.E. ist die Steuer auf einen der beiden Erwerbsvorgänge wegen sachlicher Unbilligkeit nach §§ 163, 272 AO zu erlassen oder es ist aus Billigkeitsgründen § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG entsprechend anzuwenden, so dass die Steuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG nur auf eine etwaige Werterhöhung festzusetzen ist. Dass die Veräußerung einer mindestens 95%igen Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft bei Verpflichtung vor dem 1.7.2021 und Erfüllung nach dem 30.6.2021 zum Anfall von Grunderwerbsteuer sowohl auf Ebene des Erwerbers (nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F.) als auch auf Ebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (nach § 1 Abs. 2b GrEStG n.F.) führt,

1 Mit Urteil v. 8.11.2000 zu § 23 Abs. 23 GrEStG stellte der BFH fest, dass eine Rückbetrachtung dergestalt, dass ein Steuertatbestand zwar seine Rechtsfolgen erst nach seiner Verkündung entfaltet, er aber Sachverhalte berücksichtigt, die vor seiner Verkündung stattfanden, nur dann zulässig ist, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer solchen Rückbetrachtung das Vertrauen der Einzelnen auf den Fortbestand der geltenden Rechtslage überwiegt. Jedenfalls sei erforderlich, dass die entsprechende Anwendungsregelung die Rückbetrachtung ausdrücklich vorsieht. Vgl. BFH-Urteil v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 2 Ursprünglich war der 9.8.2019 als Stichtag für diese Zwei-Jahres-Regelung vorgesehen, weil der Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des GrEStG mit BR-Drucks. 355/19 v. 9.8.2019 dem Bundesrat zugeleitet und damit das Gesetzgebungsverfahren offiziell eröffnet worden war. 3 § 23 Abs. 23 GrEStG i.F.d. Entwurfs v. 23.9.2019 (BT-Drucks. 19/13437, S. 8.):“§ 1 Absatz 2b ist auf Übergänge von Anteilen der Gesellschaft nicht anzuwenden, die auf einem vor dem … [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäft beruhen. S. 1 gilt nur, wenn das Verpflichtungsgeschäft innerhalb eines Jahres vor dem … [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossen wurde und innerhalb eines Jahres nach dem … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Tag der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] erfüllt wird.“ 4 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 29.

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§ 1 Rz. 494 Erwerbsvorgänge hatte der Gesetzgeber nach dem Inhalt der Gesetzgebungsmaterialien nicht bedacht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber, hätte er diesen Fall bedacht für die zweifache Erhebung von Grunderwerbsteuer entschieden hätte, auch wenn technisch verschiedene Erwerbsvorgänge auf Ebene verschiedener Erwerber besteuert würden. Dass ein und derselbe Lebenssachverhalt, d.h. die einmalige Veräußerung der mindestens 95%igen Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft an einen Erwerber, im Ergebnis zweimal der Grunderwerbsteuer unterworfen wird, ohne dass es die Möglichkeit der Verrechnung der Bemessungsgrundlagen entsprechend § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG gibt, wäre als Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung anzusehen. M.E. wäre es eine sachgerechte Lösung, auf die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. und § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. die Bemessungsgrundlagen-Verrechnungs-Vorschrift i.S.v. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG entsprechend anzuwenden. Im Falle des Verkaufs der mindestens 95%igen Beteiligung zu einem (vor dem 1.7.2021 liegenden) Zeitpunkt, zu dem das Gesellschaftsgrundstück noch unbebaut ist, und der Erfüllung dieses Anteilskaufvertrags nach Fertigstellung des Gebäudes würde dadurch im Ergebnis einmal Grunderwerbsteuer auf den Grundbesitzwert des bebauten Grundstücks anfallen. 495

Wird sowohl der Anteilsübertragungsanspruch nach dem 30.6.2021 begründet als auch der Anteilsübergang dinglich nach dem 30.6.2021 vollzogen, geht im Ergebnis § 1 Abs. 2b GrEStG dem Tatbestand in § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vor. Denn die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist nur dann einschlägig, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt. Dennoch ist es in der Praxis empfehlenswert, bereits die Begründung des schuldrechtlichen Anteilsübertragungsanspruchs entsprechend § 19 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG anzuzeigen, um mit größtmöglicher Rechtssicherheit den Erwerbsvorgang, sollte es nicht zum dinglichen Vollzug kommen, mit grunderwerbsteuerrechtlicher Wirkung gem. § 16 Abs. 1 GrEStG rückgängig machen zu können1. Sollte das FA (Grunderwerbsteuerstelle) vor dem dinglichen Vollzug auf Grundlage einer m.E. unzulässig engen Auslegung des 1. Halbs. („in Betracht kommt“) Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG festsetzen, stellt der spätere dingliche Vollzug m.E. ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar2, so dass die Festsetzung der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG aufzuheben ist3. Dass der dingliche Vollzug die Tatbestandsmäßigkeit der Begründung des Anteilsübertragungsanspruchs nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG beseitigt, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des ersten Halbsatzes von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG n.F. (solange die Besteuerung nach Abs. 2b noch „in Betracht kommt“). Weil die Einordnung des dinglichen Vollzugs i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG als auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bedeutung der Begründung des Anteilsübertragungsanspruchs rückwirkendes Ereignis bisher höchstgerichtlich nicht bestätigt worden ist, empfiehlt es sich für die Praxis, tatbestandmäßig auf die Aufnahme eines entsprechenden Vorläufigkeitsvermerks i.S.v. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO in den Bescheid über die Festsetzung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG hinzuwirken und die Festsetzung von Grunderwerbsteuer bzw. die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG durch Einspruchseinlegung offenzuhalten. 4. Zweck des Abs. 2b

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Mit § 1 Abs. 2b GrEStG hat der Gesetzgeber einen weiteren sog. grunderwerbsteuerrechtlichen Ergänzungstatbestand zur Erfassung von sog. Share Deals eingeführt. Nach § 1 Abs. 2b GrEStG kommt es im Grundsatz dann zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer, wenn innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmit-

1 Gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften in § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war. 2 Vgl. BFH v. 2.4.1998 – V R 34/97, BStBl. II 1998, 695, Rz. 34: „Ein rückwirkendes Ereignis verändert den Sachverhalt und wirkt steuerschuldrechtlich in die Vergangenheit zurück, wenn ein Bedürfnis besteht, eine schon eingetretene endgültige Regelung an die Sachverhaltsveränderung anzupassen“; vorliegend besteht ein solches Bedürfnis. 3 In der Praxis sollte gegen die Feststellung bzw. Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG Rechtsbehelf eingelegt werden, weil sie, solange der Anteilskaufvertrag noch vollzogen werden kann, eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG also noch „in Betracht kommt“, rechtswidrig ist.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 499 § 1

telbar und/oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen1. In diesen Fällen unterstellt der Gesetzgeber, dass der Austausch des Gesellschafterbestands der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dazu diente, einen steuerbaren sog. Asset Deals zu umgehen. Bei Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2b GrEStG unterstellt der Gesetzgeber daher typisierend eine missbräuchliche Gestaltung, weshalb es sich bei § 1 Abs. 2b GrEStG um einen sog. typisierenden Missbrauchsvermeidungstatbestand handelt2. Eine grundbesitzende Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafterbestand zu mindestens 90 % gewechselt habe, sei wirtschaftlich eine andere Kapitalgesellschaft3. Auf Grundlage des § 1 Abs. 2b GrEStG wird eine Besteuerung allein durch die Änderungen im Gesellschafterbestand und damit durch die Bewegung der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft bzw. an Gesellschaften ausgelöst, die an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt sind. Anders als bei den sog. Anteilsvereinigungstatbeständen der § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG setzt die Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG daher nicht voraus, dass die Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf einen Erwerber oder eine Gruppe kooperierender Erwerber übergehen.

497

Die Dogmatik des § 1 Abs. 2b GrEStG entspricht derjenigen des § 1 Abs. 2a GrEStG. Mit dem GrEStG 498 will der Gesetzgeber alle Rechtsträgerwechsel an Grundstücken der Grunderwerbsteuer unterwerfen4. Den einzelnen in § 1 GrEStG genannten Grunderwerbsteuertatbeständen wird jeweils ein solcher Wechsel des Rechtsträgers eines inländischen Grundstücks und damit der Übergang des Grundstücks von einem Veräußerer auf einen Erwerber entnommen. Weil bei sog. Share Deals das Grundstück selbst nicht bewegt wird, sondern die Besteuerung technisch an Anteilsübergänge angeknüpft wird, operiert der Gesetzgeber bei den Ergänzungstatbeständen mit der Fiktion von Grundstücksübergängen. Im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG (ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG) arbeitet der Gesetzgeber mit einer doppelten Fiktion. Er geht davon aus, dass es sich bei der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft um eine „neue“ Kapitalgesellschaft handelt, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Ungeachtet des Fortbestands ihrer zivilrechtlichen Identität behandelt der Gesetzgeber die Kapitalgesellschaft infolge des mindestens 90%igen Wechsels ihres Gesellschafterbestands fiktiv als neue Gesellschaft. Zudem fingiert der Gesetzgeber einen Grundstücksübergang von der „alten“ Kapitalgesellschaft auf die „neue“ Kapitalgesellschaft5.

1 Tatbestandsmäßig i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG ist auch der einmalige oder sukzessive Übergang von mind. 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf ein- und denselben neuen Gesellschafter. Dies ergibt sich aus den Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum – trotz Einführung von § 1 Abs. 2b verbleibenden – Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG; vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019, S. 12. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019, S. 12: „Die neue Vorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG soll aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter gleichen Voraussetzungen [wie § 1 Abs. 2a GrEStG] Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfassen. Besteuert wird die Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen ist“. 3 Dies ähnelt der Gesetzesbegründung von § 8c Satz 1 KStG a.F., wonach sich die wirtschaftliche Identität einer Verlust-Kapitalgesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners ändere und daher die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste unberücksichtigt bleiben müssten, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfielen; vgl. BT-Drucks. 16/4841, S. 43; BT-Drucks. 16/1545, S. 33 f.; BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082. 4 Vgl. z.B. BFH v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526. 5 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 12, wo dies wie folgt zusammengefasst ist: „§ 1 Absatz 2a GrEStG erfasst Gesellschafterwechsel an Personengesellschaften mit inländischem Grundbesitz in Höhe von mindestens 90 Prozent innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren. Der Tatbestand fingiert die Übertragung der inländischen Gesellschaftsgrundstücke von der Personengesellschaft in „alter“ Zusammensetzung auf die Personengesellschaft in „neuer“ Zusammensetzung. Die neue Vorschrift des § 1 Absatz 2b GrEStG soll aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter gleichen Voraussetzungen Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfassen. Besteuert wird die Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen ist.“

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§ 1 Rz. 500 Erwerbsvorgänge 500

§ 1 Abs. 2b GrEStG soll mithin eine typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift sein1. Dadurch, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar und/oder mittelbar innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergehen, kann keine Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks auf die Ebene der Gesellschafter erfolgen, weil keine Mindestanforderung an die Beteiligungsquote des jeweiligen neuen Gesellschafters gestellt wird, § 1 Abs. 2b GrEStG mithin durch eine Vielzahl von Zwerganteils-Übergängen auf nicht miteinander verbundene und unabhängig voneinander handelnde Erwerber erfüllt werden kann. Die mindestens 90%ige Auswechselung des Gesellschafterbestandes zum Anlass zu nehmen, die grundbesitzende Kapitalgesellschaft als wirtschaftlich neu anzusehen und das Gesellschaftsgrundstück einer fingierten neuen Kapitalgesellschaft steuerbar zuzurechnen, lässt sich m.E. nicht damit begründen, dass es um die Vermeidung von Missbrauch gehe, und zwar aus den folgenden Gründen:

501

Wenn zum Vermögen der Kapitalgesellschaft nicht nur Grundstücke gehören, sondern auch andere Vermögensgegenstände, und wenn es sich bei den Anteilserwerbern um nicht miteinander verbundene Rechtsträger handelt bzw. wenn die Anteilserwerber jeweils unabhängig voneinander handeln, ist nicht ersichtlich, dass ein Grundstücksgeschäft in Form des Erwerbs von mindestens 90 % der Anteile an einer solchen Gesellschaft durchgeführt wird. Grundstücksgeschäfte können in solchen Fällen nicht durch Anteilsgeschäfte ersetzt werden. Eine Umgehung eines Grundstücksgeschäfts durch die Verwirklichung von Anteilsgeschäften ist nicht erkennbar2. 5. Verhältnis zu § 42 AO

502

Gemäß § 42 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO verdrängen einzelsteuergesetzliche Missbrauchsverhinderungsvorschriften und damit auch § 1 Abs. 2b GrEStG die Anwendung von § 42 AO nur dann, wenn sie tatbestandlich einschlägig sind. Dies bedeutet, dass § 1 Abs. 2b GrEStG die Anwendung von § 42 AO nicht von vornherein ausschließt, wenn der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt ist. Jedoch sind bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i.S.v. § 42 Abs. 2 AO diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften zugrunde liegen, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen3. Dieses Berücksichtigungsbedürfnis ist nach Ansicht des BFH bei solchen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften augenfällig, die strikte und damit Rechtssicherheit gewährleistende Abgrenzungsmerkmale enthalten4.

503

Ein Missbrauch i.S.v. § 42 Abs. 2 AO liegt mithin nicht vor, wenn innerhalb von zehn Jahren bis zu 89,9 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar und/oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen oder wenn die sukzessiven Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter, die aufaddiert die 90 %-Grenze erreichen oder überschreiten ggf. planmäßig über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren verteilt sind. Ein Missbrauch i.S.v. § 42 Abs. 2 AO liegt wegen der klaren Abgrenzungskriterien enthaltenden Sätze 3 bis 5 von § 1 Abs. 2b GrEStG auch dann nicht vor, wenn die 90 %-Grenze bzw. der Zehn-Jahres-Zeitraum auf mehreren Beteiligungsebenen unterschritten wird.

1 Dazu, dass Abs. 2b GrEStG (ebenso wie Abs. 2a) nicht hinreichend zielgenau den „typischen Missbrauchsfall“ abdeckt, vgl. sogleich in Rz. 506 ff. 2 Vgl. auch Lüdicke, DB 2019, 1864 (1865), mit dem Appell an den Gesetzgeber, den Ersatztatbestand auf Anteilserwerbe durch eine Person oder einer Erwerbergruppe mit gleich gerichteten Interessen, die innerhalb von zehn Jahren mind. 90 % der Anteile erwerben, einzugrenzen. 3 Vgl. BFH v. 17.11.2020 – I R 2/18, DStR 2021, 1419, Rz. 21. Aus Sicht der Finanzverwaltung kritisch zu diesem BFH-Urteil vgl. Mosler/Münzer, FR 2021, 963. 4 Der BFH verweist a.a.O., Rz. 21, auf die Sieben-Jahres-Fristen in § 8b Abs. 4 KStG i.d.F. StSenkG v. 23.10.2000 und auf § 22 UmwStG 2006. Diese Sieben-Jahres-Fristen dienten bzw. dienen der typisierenden Festlegung, dass bei Veräußerungen nach Ablauf der Frist keine Umgehungsgestaltung, sondern eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung vorliegt; BFH v. 15.4.2015 – I R 54/13, BStBl. II 2017, 136; BT-Drucks. 16/2710, S. 46. Diese Wertung dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei einer Veräußerung nach Fristablauf auf der Grundlage von § 42 AO doch von einer Umgehungsgestaltung ausgegangen wird; vgl. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, § 42 AO Rz. 13a.

206

Behrens

Rz. 505 § 1

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Beispiel: Ursprünglich ist die H-GmbH, deren Alleingesellschafter V ist, zu 100 % an der T-GmbH beteiligt, die ihrerseits 100 % der Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH hält.

Nach 30.06.2021:

Ausgangsstruktur: V

V 100 %

H-GmbH 100 % T-GmbH 100 % G-GmbH

504

K1

K2

100 % H-GmbH

40 %

10,1 % T-GmbH 10,1 %

49,9 % 40 % 49,9 %

G-GmbH

Dadurch, dass die H-GmbH 40 % und 49,9 % der Anteile an der T-GmbH auf die grunderwerbsteuerrechtlich voneinander unabhängigen K1 bzw. K2 überträgt und die T-GmbH entsprechende Anteile an der G-GmbH auf K1 und K2 überträgt, wird keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst, obwohl V durchgerechnet lediglich in Höhe von 1,0201 % an der G-GmbH beteiligt bleibt. Weder auf Ebene der G-GmbH noch auf Ebene der T-GmbH sind 90 % oder mehr der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen. Weil § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG mit der 90 %-Grenze ein striktes und damit Rechtssicherheit gewährleistendes Abgrenzungsmerkmal für die Frage, ob die an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft anzusehen ist, enthält, ist die gesetzgeberische Wertung, dass bei Nicht-Erreichen der 90 %-Grenze auf unmittelbarer und mittelbarer Beteiligungsebene kein Missbrauchsfall gegeben ist, dahingehend zu beachten, dass die Anwendung von § 42 Abs. 2 AO ausscheidet. Daran ändert wegen § 1 Abs. 2b Satz 5 GrEStG auch nichts, dass im Beispielsfall der insgesamt 89,9%ige Anteilsübergang auf Neu-Gesellschafter auf unmittelbarer Beteiligungsebene mit dem insgesamt 89,9%igen Anteilsübergang auf neue Gesellschafter auf Ebene der an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft kombiniert wird.

Behrens

207

505

§ 1 Rz. 506 Erwerbsvorgänge 6. Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Verfassungsmäßigkeit von Abs. 2b a) Fiktion eines Grundstücksübergangs auf eine neue Kapitalgesellschaft nur aufgrund von Gesellschafterwechseln 506

Bei Kapitalgesellschaften kann allein dadurch, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, diese Kapitalgesellschaft nicht als wirtschaftlich andere Kapitalgesellschaft bewertet werden. Aufgrund des Trennungsprinzips ist die Existenz der Kapitalgesellschaft vom Bestand ihrer Gesellschafter unabhängig1. Insbesondere bei tiefgestaffelten Gesellschafterstrukturen ändert sich m.E., „nur weil sich durch Umhängen von Beteiligten z.B. auf einer dritten oder vierten Beteiligungsebene die personalen Verhältnisse ändern“, die Identität der juristischen Person nicht2.

507

Im BVerfG-Vorlagebeschluss vom 29.8.20173 zu § 8c Satz 2 KStG a.F. sieht das FG Hamburg die Anforderungen an eine folgerichtige Umsetzung der steuerlichen Belastungsentscheidung nicht als erfüllt und die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften mit und ohne Anteilseignerwechsel in Bezug auf die periodenübergreifende Verlustverrechnung als sachlich nicht gerechtfertigt an. Aufgrund des Trennungsprinzips habe es keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft, wer Beteiligter der Kapitalgesellschaft ist. Die Kapitalgesellschaft schirme ihre Vermögenssphäre gegenüber ihren Anteilseignern ab und habe daher eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit.

508

Diese Erwägungen zu § 8c Satz 2 KStG a.F. sind m.E. auf § 1 Abs. 2b GrEStG übertragbar4. Nicht nur das Ertragsteuerrecht, sondern auch das bisherige Grunderwerbsteuerrecht „nimmt bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit – verfassungsrechtlich unbedenklich – die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird …, während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist …“5. Es sollte daher, wie vom FG Hamburg formuliert, auch grunderwerbsteuerrechtlich gelten, dass „der Gesetzgeber … das Trennungsprinzip und damit die originäre Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen [muss] und … hiervon nur aufgrund sachlicher Gründe abweichen [darf]“6. Dies ist bei Personengesellschaften und deshalb auch bei § 1 Abs. 2a GrEStG anders7. b) Fiktion eines Grundstücksübergangs schon bei 90%igem Gesellschafterwechsel

509

In Beteiligungsketten kann das Abstellen auf die 90 %-Grenze ab der siebten Beteiligungsstufe dazu führen, dass die Übertragung der Gesellschaftsgrundstücke auf eine neue Kapitalgesellschaft bereits beim Übergang einer vermögensmäßigen Beteiligung von weniger als 50 % am Gesellschaftsgrundstück auf neue Gesellschafter fingiert wird.

1 Aus §§ 5, 6 GrEStG folgt, dass dem GrEStG in Bezug auf Personengesellschaften kein striktes Trennungsprinzip zugrunde liegt. 2 Vgl. FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, EFG 2017, 1906, Rz. 94 a.E. unter Hinw. auf Gosch in Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, FS für Kirchhof, 2013, S. 306. 3 Az. 2 K 245/17, EFG 2017, 2654. Vorgelegt hat das FG Hamburg dem BVerfG die Frage, ob § 8c Satz 2 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste vollständig nicht mehr abziehbar sind. 4 Zur Relevanz des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Grunderwerbsteuerrecht vgl. Englisch in Tipke/Lang24, Rz. 18.4, letzter Satz, m.w.N.: „Sachgerechter und die Steuerbelastung gleichheitsrechtlich legitimierender Lastenausteilungsmaßstab kann auch bei der GrESt nur die in der Einkommensverwendung für den Erwerb zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit sein, da Lenkungszwecke nicht ersichtlich sind“. 5 Vgl. FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, EFG 2017, 1906, Rz. 82. 6 A.a.O., Rz. 82. 7 Vgl. Rz. 309.

208

Behrens

Rz. 511 § 1

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Dies lässt sich wie folgt veranschaulichen:

510

durchgerechnet (% von %)

durchgerechnet (% von %) H7-GmbH

47,82969 %

90 %

90 %

Anteilskäufer

Altgesellschafter

10 %

52,17031 % 46,8559 %

H6-GmbH 53,1441 %

90 %

10 %

40,951 %

H5-GmbH 59,049 %

90 %

10 %

34,39 %

H4-GmbH 65,61 %

90 %

10 %

27,1 %

H3-GmbH 72,9 %

90 %

10 %

19 %

H2-GmbH 81 %

90 %

10 %

10 %

H1-GmbH 90 %

10 %

G-GmbH

Durch die von § 13 Nr. 7 GrEStG angeordnete Steuerschuldnerschaft der grundbesitzenden Kapital- 511 gesellschaft tragen bei Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG Altgesellschafter, deren Anteilserwerb nicht zur Erreichung der 90 %-Quote beigetragen haben, die Grunderwerbsteuerbelastung wirtschaftlich mit1. Im Beispiel wird der unverändert beteiligt bleibende Altgesellschafter durch die auf Ebene der G-GmbH gem. §§ 1 Abs. 2b, 13 Nr. 7 GrEStG ausgelöste Steuer wirtschaftlich mehr belastet als der hier alleinig die Steuer verursachende Anteilskäufer2. Die Verfassungsgemäßheit von §§ 1 1 Sofern nicht gesellschaftsvertraglich oder anderweitig vertraglich geregelt bzw. vereinbart worden ist, dass ausschließlich die Gesellschafter, deren Anteilserwerb zum Anfall der Grunderwerbsteuer beigetragen hat, diese Steuer zu tragen haben. In den Gesellschaftsverträgen und Satzungen am 20.6./1.7.2021 bereits bestehender Kapitalgesellschaften gibt es aber solche Regelungen typischerweise nicht. 2 Vgl. FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, EFG 1906.

Behrens

209

§ 1 Rz. 511 Erwerbsvorgänge Abs. 2b, 13 Nr. 7 GrEStG ist schon deshalb zweifelhaft, weil sich Anteilsübertragungen auf Gesellschafter (hier den unverändert bleibenden Altgesellschafter) auswirken, die an den Anteilsübertragungen nicht beteiligt sind1. An sich müssten anteilig die neuen Gesellschafter, deren Anteilserwerbe zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2b GrEStG beitragen, (anstelle der Kapitalgesellschaft) als Steuerschuldner herangezogen werden. Dies wäre aber – weil den neuen Gesellschaftern das Gesellschaftsgrundstück nicht anteilig zugerechnet wird – systemwidrig und auch nicht praktikabel. c) Verstoß gegen das Gebot folgerichtiger Besteuerung 512

M.E. ist § 1 Abs. 2b GrEStG wegen eines Verstoßes gegen das Gebot folgerichtiger Besteuerung nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar:

513

§ 1 Abs. 2b GrEStG soll der Missbrauchsverhinderung dienen2. § 1 Abs. 2b GrEStG ist jedoch auf eine Vielzahl von Fällen anwendbar, die mit Missbrauch nichts zu tun haben. Dem Gesetzgeber ist es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zwar verfassungsrechtlich gestattet, auf Typisierungen zurückzugreifen3. Eine gesetzliche Typisierung darf aber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Missbrauchsfall orientieren4. Der Gesetzgeber muss vom Regelfall ausgehen5 und darf sich nicht von einem atypischen Fall leiten lassen6.

514

§ 1 Abs. 2b GrEStG ist an keinem typischen Missbrauchsfall im Sinne eines Regelfalls für eine generalisierende Missbrauchsvermeidungsregelung ausgerichtet7. M.E. ist der typische Missbrauchsfall im Bereich der sog. Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht dadurch gekennzeichnet, dass ein oder mehrere Grundstücke von einer ausschließlich oder im Wesentlichen nur diese Grundstücke verwaltenden Kapitalgesellschaft erworben und anschließend wirtschaftlich diese Grundstücke durch Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft an einen Erwerber oder einen abgestimmt handelnden Kreis von Erwerbern veräußert werden. Demgegenüber soll § 1 Abs. 2b GrEStG nicht nur auf ausschließlich oder im Wesentlichen inländische Grundstücke haltende Kapitalgesellschaften anwendbar sein, sondern auch auf Kapitalgesellschaften, deren Geschäftstätigkeit nicht auf der Wertentwicklung, Entwicklung oder Vermietung von Grundstücken beruht, die aber unter anderem auch ein oder mehrere inländische Grundstücke hat. Zudem ist § 1 Abs. 2b GrEStG insbesondere auch bei Anteilsübertragungen innerhalb von Gesellschaftsgruppen (Konzernen) anwendbar, die mit Steuervermeidung nichts zu tun haben. Für die sich über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erstreckende Übertragung von Anteilen auf bisher nicht Beteiligte kann es vielfältige Gründe geben.

515

In § 1 Abs. 2b GrEStG hat der Gesetzgeber eine abstrakte Missbrauchsgefahr zum Anlass für einen vom typischen Missbrauchsfall losgelösten und über diesen weit hinausgehenden neuen Ergänzungstatbestand genommen. Der unmittelbare und/oder mittelbare Erwerb von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft durch neue Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren indiziert keine missbräuchliche Gestaltung.

516

Insbesondere Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Zehn-Jahres-Zeitraums: Nach Auffassung von Drüen8 „erscheint eine zehnjährige Frist für den alleinigen Zweck einer tatbestandlich nicht nä1 Vgl. FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, EFG 1906, Rz. 98 unter Hinw. auf Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8c KStG Rz. 11 l. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019, S. 12. 3 Vgl. z.B. BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350. 4 Vgl. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182 f.); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (232 f.); v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (279); 4.7.2012 – 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11, BVerfGE 132, 39 (49), Rz. 29; v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (412), Rz. 87; v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (375), Rz. 66. 5 M.E. lassen sich die Ausführungen des BVerfG zu § 8c Satz 1 KStG im Beschluss des BVerfG v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082, insoweit auf § 1 Abs. 2b GrEStG übertragen. 6 Vgl. BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210; v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082. 7 Der typische Missbrauchsfall „Mantelkauf“ ist nach Ansicht des FG Hamburg „dadurch gekennzeichnet, dass eine Kapitalgesellschaft, die noch über Verlustvorträge verfügt, aber mangels Geschäftsbetriebs und nennenswerten Betriebsvermögens sonst nur einen leeren Mantel darstellt, von einem Investor mit einer neuen gewinnträchtigen Aktivität gefüllt wird, um die Verluste nutzbar zu machen“; vgl. Tz. 87. 8 Vgl. Ubg 2018, 605 (625).

210

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 521 § 1

her eingegrenzten Missbrauchsabwehr zu lang“. Eine zehnjährige Frist sei als überschießend anzusehen. In „Orientierung am Umwandlungssteuergesetz mit seinem Konzept einer typisierenden Missbrauchsabwehr in § 20 ff. UmwStG, die nach einer Einbringung unter Buchwertfortführung eine Sieben-Jahres-Frist mit ratierlicher Abschmelzung im Jahrestakt vorsehen“, erscheint nach Ansicht von Drüen eine Frist von sieben Jahren auch ohne „Rechtsfolgenabwuchs“ als „verhältnismäßig und verfassungsrechtlich unangreifbar“. M.E. lassen zumindest Anteilsübergänge, die sich über zehn Jahre erstrecken, nicht mit einem Missbrauchsvorwurf in Zusammenhang bringen. d) Sog. strukturelles Vollzugsdefizit aa) Voraussetzungen für das Vorliegen eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits Art. 3 Abs. 1 GG fordert, dass ein Steuertatbestand die Steuerpflichtigen „rechtlich und tatsächlich gleich belastet“1. Als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG infolge eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits sieht es das BVerfG an, wenn die Erhebungsregelungen gegenüber dem Steuertatbestand strukturell gegenläufig sind. Strukturell gegenläufig wirken sich Erhebungsregelungen gegenüber einem Besteuerungstatbestand aus, wenn sie dazu führen, dass der Besteuerungsanspruch – so das BVerfG – weitgehend nicht durchgesetzt werden kann2.

517

Strukturell gegenläufigen Erhebungsregelungen steht es m.E. gleich, wenn ein Steuertatbestand vom 518 Gesetzgeber so ausgestaltet wird, dass die Ermittlung des für die Anwendung des Tatbestands erforderlichen Sachverhalts in einer unüberschaubaren Vielzahl von Fällen nicht möglich ist. Denn zur Gleichheitswidrigkeit führt nach Ansicht des BVerfG „das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts“3. Außerdem müssen die Ungleichheiten im Belastungserfolg dem deutschen Gesetzgeber zurechenbar sein.

519

bb) Keine Belastungsgleichheit Eine fortlaufende hinreichende Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerpflichtigen und auch durch die Finanzverwaltung ist m.E. in unübersehbar vielen Fällen nicht möglich. Es ist in vielen Fällen schwierig bis unmöglich, Änderungen insbesondere im mittelbaren Gesellschafterbestand lückenlos nachzuverfolgen4. Dies gilt nicht nur für börsennotierte Aktiengesellschaften, sondern auch für grundbesitzende Gesellschaften mit Gesellschaftern, die ihrerseits Gesellschaften sind, insbesondere bei mehreren und mehrgliederigen Beteiligungssträngen. Grundbesitzenden Kapitalgesellschaften stehen grundsätzlich weder vertragliche noch gesellschaftsrechtliche oder sonstige gesetzliche Auskunftsansprüche gegenüber ihren Gesellschaftern zur Verfügung, die eine lückenlose Aufklärung mittelbarer Anteilsbewegungen ermöglichen. Auch etwaige sonstigen Informationsquellen5 sind in der Regel unzureichend und können eine vollständige Ermittlung aller Anteilsbewegungen im mittelbaren, ggf. aber auch im unmittelbaren Gesellschafterbestand nicht gewährleisten.

520

Diejenigen grundbesitzenden Kapitalgesellschaften, die aufgrund einfacher und übersichtlicher Betei- 521 ligungsverhältnisse oder freiwilliger Information durch ihre indirekten Gesellschafter über Anteilsübergänge auf höheren Beteiligungsebenen ihren (unmittelbaren und mittelbaren) Gesellschafterbestand aufklären können und folglich nach entsprechender Anzeige an die Finanzbehörden nach § 1 Abs. 2b GrEStG zur Grunderwerbsteuer herangezogen werden, werden gegenüber solchen grundbesitzenden Kapitalgesellschaften ungleich behandelt, die nicht im Stande sind, ihre (unmittelbaren und mittelbaren) Gesellschafter zu identifizieren, und bei denen auch die Finanzverwaltung keine 1 2 3 4

Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. Vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. Vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. Der Anspruch deutscher börsennotierter Gesellschaften aus § 67d AktG, von den Verwahrern der Aktien Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zu verlangen, richtet sich nur gegen die Intermediäre, nicht gegen die Aktionäre selbst. Inhaltlich ist der Anspruch nicht auf die aus § 1 Abs. 2b GrEStG resultierenden Sachverhaltsermittlungserfordernisse ausgerichtet. Vgl. Fn. zu Rz. 526. 5 Etwa frei zugängliche Medien wie z.B. das Internet.

Behrens

211

§ 1 Rz. 521 Erwerbsvorgänge hinreichenden Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung hat, so dass Verwirklichungen des § 1 Abs. 2b GrEStG in Bezug auf diese Gesellschaften daher unerkannt bleiben. cc) Keine ausreichenden Vollzugsinstrumente 522

Anzeigepflicht trotz Fehlens hinreichender Sachverhaltskenntnisse der Adressaten der Anzeigepflicht: Der Gesetzgeber zieht die grundbesitzenden Kapitalgesellschaften selbst zur Durchführung der Besteuerung heran und verpflichtet sie durch die in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b. GrEStG vorgesehene Anzeigepflicht, ihnen bekannte Grunderwerbsteuerfälle beim zuständigen Finanzamt anzuzeigen, um eine Steuerfestsetzung zu ermöglichen. Nach den Gesetzesmaterialien sind die Anzeigen nach § 19 GrEStG „die primäre Informationsquelle der Finanzverwaltung und das wesentliche Instrument zur Vollzugssicherung“1. Stützt der Gesetzgeber den Steuervollzug maßgeblich auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen, hängt das Erreichen von Belastungsgleichheit m.E. davon ab, ob die Steuerpflichtigen grundsätzlich in der Lage sind, die Steuerfälle zu erkennen. Mit den Geschäftsführern oder Vorständen der grundbesitzenden Kapitalgesellschaften sind jedoch Personen zur Anzeige verpflichtet, die das, was sie anzeigen sollen, in unüberschaubar vielen Fällen nicht wissen. Dass die potentiell anzeigepflichtigen Personen das, was sie anzeigen sollen, regelmäßig nicht wissen, gilt nicht nur, aber insbesondere dann, wenn die grundbesitzende Kapitalgesellschaft selbst bzw. eine an dieser Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft börsennotiert ist Die besonderen für börsennotierte Gesellschaften bestehende Aufklärungsschwierigkeiten2 werden auch nicht durch die Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG ausgeräumt. Zum einen setzt diese den Handel an bestimmten qualifizierenden Börsen und Handelsplätzen voraus. Zum anderen bleiben gem. § 1 Abs. 2c GrEStG lediglich die unmittelbar an einem entsprechenden Handelsplatz stattfindenden Anteilsübertragungen für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG außer Betracht. Tatbestandsmäßig bleiben jedoch Anteilsübertragungen oberhalb des nach § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Anteilserwerbers (d.h., wenn es sich bei diesem um eine Gesellschaft handelt).

523

Beschränkte Sachverhaltsermittlungsmöglichkeiten der Adressaten der Anzeigepflicht: Die Mitwirkungspflichten sind nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO auf das Mögliche, Zumutbare und Verhältnismäßige begrenzt. Auskunftsersuchen an Gesellschafter in Bezug auf deren Gesellschafter haben keine Rechtsgrundlage, wären also unverbindliche Bitte um Auskunft, was nicht zumutbar ist. Nach in der Literatur zu § 8c KStG vertretener Ansicht sind die Identifizierung von Beteiligungsketten und Veränderungen darin von der Pflicht nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung nicht erfasst. Über gesetzliche Meldepflichten, deren Erfüllung durch die betroffenen Gesellschafter in Grenzen die Beschaffung von Informationen über unmittelbare Anteilsübergänge ermöglicht, hinaus fehlt es nach in der Literatur zu § 8c KStG geäußerter Auffassung regelmäßig am juristischen Zugang zu Informationen über Anteilsübergänge3. In der Literatur wird dies bisher zwar vorrangig in Bezug auf § 8c KStG diskutiert, bei § 1 Abs. 2b GrEStG kann jedoch nichts anderes gelten.

524

Eine Nachverfolgung konzernexterner, zumindest mittelbarer Anteilsübergänge kann nicht verlangt werden4. Was im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG an Mitwirkungsmaßnahmen von den grundbesitzenden Kapitalgesellschaften verlangt werden wird, ist unklar. Bezeichnenderweise ist im Regierungsentwurf bzw. dessen Begründung zum erwarteten Erfüllungsaufwand für Steuerbürger

1 Begründung des RefE, S. 215. 2 Der Anspruch deutscher börsennotierter Gesellschaften nach § 67d AktG, von den Verwahrern der Aktien Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zu verlangen, ist nicht auf sämtliche Sachverhaltselemente ausgerichtet, deren Kenntnis für § 1 Abs. 2b GrEStG erforderlich sind. 3 Vgl. Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 46; Kraft/Kraft, FR 2011, 841; Suchanek/Jansen, GmbHR, 2009, 412; Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 46. 4 Vgl. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann1, § 8c KStG Rz. 64: Die Möglichkeit, Beweisvorsorge zu treffen, „findet aber dort seine Grenzen, wo die betreffenden Informationen außerhalb des unmittelbaren Kenntnisbereichs der Geschäftsführung der KapGes. liegen. Beispielhaft wären hier Anteilserwerbe auf (ggf. weit entfernter) mittelbarer Ebene zu nennen“.

212

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 526 § 1

und Wirtschaft nichts gesagt1. Das Fehlen von Angaben u.a. zur „One-In, One-Out-Regel“ ist in Anlage 2 des Regierungsentwurfs vom 23.9.20192 vom Nationalen Normenkontrollrat kritisiert worden. Zudem wird in der Literatur3 anerkannt, dass sich aus der schlichten Zahl der gehandelten Aktien innerhalb eines beliebigen Zeitraums keine sicheren Aussagen dazu ableiten lassen, ob tatsächlich ein Wechsel von mindestens 90 % der Anteilseigner auf neue Gesellschafter stattgefunden hat4. Selbst die nach der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie geplanten (und mittlerweile umgesetzten) Transparenzregelungen5 würden es nicht ermöglichen, mittelbare Vorgänge hinter dem unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten Rechtsträger zu erfassen. M.E. ermöglichen sie auch nicht in zumutbarer Weise die zeitnahe Nachverfolgung im unmittelbaren Aktionärskreis.

525

Keine hinreichenden Überprüfungsmöglichkeiten der Verwaltung: M.E. hat der Gesetzgeber auch der Verwaltung keine hinreichenden Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, um das Erklärungsverhalten der Steuerpflichtigen zu prüfen6. Ein automatisiertes Meldesystem, das alle relevanten Änderungen im unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafterbestand grundbesitzender Gesellschaften im Inland wie auch im Ausland erfasst und speichert, gibt es nicht7. Eine hinreichende Verifikation ist m.E. nicht gewährleistet. Durch den Territorialitätsgrundsatz sind die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden zudem grundsätzlich auf das Inland beschränkt. Eine Pflicht ersuchter ausländischer Staaten zur Mitwirkung besteht typischerweise nur dann, wenn die inländischen Finanzbehörden hinreichende Indizien für die steuerrechtliche Relevanz der ersuchten Informationen darlegen können8.

526

1 Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 5 GGO (Gemeinsame GeschäftsO der Bundesministerien) sind in der Gesetzesbegründung bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung „die Gesetzesfolgen (§ 44 GGO)“ darzustellen. Gemäß § 44 Abs. 4 GGO müssen die Bundesministerien bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung den Erfüllungsaufwand i.S.d. § 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NNKRG) ermitteln und darstellen. Gemäß § 2 NNKRG ist der Erfüllungsaufwand der gesamte messbare Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift bei Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen, sowie die Bürokratiekosten. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, Anlage 2. 3 Happel (tätig in der Bundesbetriebsprüfung beim BZSt in Bonn), DStR 2021, 1193 (1197). 4 Unter Hinw. auf Protokoll-Nr. 19/53, Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung v. 14.10.2019 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Stellungnahme von StBin Dr. Janine von Wolfersdorff, S. 9: „Die Immobilien besitzende Gesellschaft muss zur Erfüllung des neu geplanten Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften also nicht nur über namentliche Gesellschafterlisten verfügen, sie muss auch im Einzelnen zwischen Alt- und Neugesellschaftern unterscheiden können.“ 5 Deutsche börsennotierte Gesellschaften haben nach § 67d AktG das Recht, von den Verwahrern der Aktien Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zu verlangen. § 67d AktG setzt Art. 3a der Richtlinie (EU) 2017/828 zur Änderung der Richtlinie 2007, 36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre in deutsches Recht um. § 67d AktG räumt der börsennotierten Gesellschaft das Recht ein, auch den jeweils nächsten Intermediär in der Kette zu identifizieren, was zum Teil der bereits früher gültigen Rechtslage bei Namensaktien gem. § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG entspricht. Börsennotierte AGs und KGaAs können auf diesem Weg durch Abfragen der einzelnen Kettenglieder in der Intermediärskette nach und nach bis zum LetztIntermediär vorstoßen, auch wenn dies für den Normalfall sehr aufwendig sein dürfte; vgl. BT-Drucks. 19/9739 v. 29.4.2019 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG II), S. 66. Die nach § 67d AktG erlangbaren Informationen umfassen die Art der Beteiligung und die Zahl der vom jeweiligen Aktionär beim Intermediär gehaltenen Aktien sowie den Beginn der Beteiligung. Nach der Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 19/9739, S. 66, „liegt es bei der Gesellschaft, ob überhaupt, wann und wie oft sie von diesem Recht Gebrauch macht. Eine Verpflichtung der Gesellschaft zur regelmäßigen Identifikation ihrer Aktionäre in bestimmten Zeitabständen besteht nicht“. Im am 8.6.2021 im BGBl 2021 Teil I Nr. 28, S. 1259, veröffentlichten Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz) v. 2.6.2021 wird mit Wirkung ab 1.1.2025 eine Regelung in § 45b Abs. 9 EStG in das EStG eingefügt werden, wonach inländische börsennotierte Gesellschaften gem. § 67d AktG Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt ihres Gewinnverteilungsbeschlusses zu verlangen und die ihnen übermittelten Informationen elektronisch nach Maßgabe des § 93c AO unverzüglich elektronisch an das BZSt zu übermitteln haben. 6 Dazu, dass dies verfassungsrechtlich erforderlich ist, vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 7 Vgl. Pirner/Könemann, IStR 2013, 423 (425). 8 Auskunftsersuchen nach Art. 5 der Amtshilfe-Richtlinie (RL 2011/16/EU v. 15.2.2011) setzen nach Erwägungsgrund 9 der Amtshilfe-Richtlinie die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der erlangten Informationen voraus. Gemäß dem OECD-Musterkommentar Art. 26 OECD-MA 2017, S. 489, Rz. 5.1; Erwägungsgrund 9 der Amtshilfe-

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§ 1 Rz. 527 Erwerbsvorgänge 527

Feststellungslast des Finanzamts: Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 Abs. 2b GrEStG (und auch § 1 Abs. 2a GrEStG) trägt die Finanzverwaltung die sog. Feststellungslast. Die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbegründender Tatsachen geht zu Lasten des Finanzamts1. Daraus folgt: Nicht die Geschäftsleitung der jeweiligen (als Steuerschuldnerin in Betracht kommenden) grundbesitzenden Gesellschaft muss nachweisen, dass keine oder weniger als 90 % der Anteile unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen sind, sondern das Finanzamt muss nachweisen, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

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Keine Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung: Schätzungen sind unzulässig, wenn dadurch die Steuerbarkeit erst begründet würde2. Deshalb ist es grundsätzlich unzulässig, Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter zu schätzen. Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung3 könnte eine Schätzung in Ausnahmefällen ggf. dann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1, Abs. 2 AO in Bezug auf die Ermittlung der konkreten Höhe übergegangener Anteile und ggf. den Zeitpunkt des Anteilsübergangs verletzt, wenn diese Umstände in seiner Verantwortungssphäre liegen, das Finanzamt also nachweist, dass der Steuerpflichtige diese Umstände zumutbar ermitteln könnte4, und wenn die Besteuerungsgrundlagen aufgrund der Pflichtverletzung durch den Steuerpflichtigen nicht ermittelt werden können. Ist die Ermittlung dieser Sachverhaltsumstände (wie insbesondere mittelbare Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter außerhalb des Konzerns der grundbesitzenden Gesellschaft) nicht erst aufgrund Unterlassens zumutbarer Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen nicht möglich, scheidet eine Schätzung nach § 162 AO von vornherein aus5. Insbesondere dürfen Finanzämter nicht unter Verweis auf statistische Daten davon ausgehen, dass sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft zu mindestens 90 % durch Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter änderte und folglich § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wurde6.

529

§ 1 Abs. 2b GrEStG auf Ineffektivität angelegt: Für die Prüfung der Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG sind Sachverhaltskenntnisse erforderlich, die – zumindest soweit mittelbare Anteilsübergänge betroffen sind – regelmäßig weder die Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft hat noch der einzelne einen Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter bewirkende Gesellschafter. Die Ausgestaltung eines Besteuerungstatbestands, dessen Anwendung Sachverhaltskenntnisse erfordert, die in unüberschaubar vielen Fällen nicht zentral gesammelt werden können, sondern bei dem die mehreren (untereinander häufig nicht in Kontakt stehenden und erst recht nicht zur Auskunftserteilung verpflichteten) Beteiligten jeweils nur einen Ausschnitt des Sachverhalts kennen, der für sich allein aber zur Beurteilung der steuerlichen Relevanz nicht ausreicht, nimmt von vornherein in Kauf, dass der Tatbestand in einer unüberschaubar großen Anzahl von Fällen nicht vollzogen wird. Die vom BVerfG geforderte Gleichheit im Belastungserfolg wird durch eine solche gesetzliche Ausgestaltung

1 2 3 4 5 6

Richtlinie (Richtlinie 2011/16/EU v. 15.2.2011) muss eine bloße „fishing expedition“ der inländischen Finanzbehörden durch die Behörden des anderen Vertragsstaats nicht unterstützt werden. Demgegenüber geht die Unerweislichkeit steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen; vgl. BFH v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462, Rz. 13; BFH v. 5.11.1970 – V R 71/67, BStBl. II 1971, 220 (224). In der Literatur wird allerdings auf das Risiko hingewiesen, dass eine Schätzung von Anteilsübergängen erfolgen könnte; zu § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. Heine, UVR 2010, 28 (30); zu § 8c KStG vgl. Suchanek/Jansen, GmbHR 2009, 412 (414). Vgl. BFH v. 25.8.2009 – I R 88, 89/07, BStBl. II 2012, 438. Vgl. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO. Vgl. Cöster in Koenig4, § 162 AO Rz. 52; Seer in Tipke/Kruse, 165. Lieferung, 04.2021, § 162 AO Rz. 32; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 262. Lieferung 04.2021, § 162 AO Rz. 21. Im Gesetzgebungsverfahren zum GrEStÄndG v. 12.5.2021 wurde in der Stellungnahme der acht Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft v. 7.10.2019 darauf hingewiesen, dass das schlichte Handelsvolumen bei im DAX notierten Unternehmen regelmäßig bereits nach etwas über einem Jahr die Schwelle von 90 % des jeweiligen Gesamtkapitals überschreitet, daraus jedoch keine Rückschlüsse möglich wären, ob damit auch ein tatsächlicher Wechsel von mehr als 90 % der Anteilseigner verbunden ist; vgl. Anlage 2 zum Wortprotokoll der 53. Sitzung des BT-Finanzausschusses v. 14.10.2019, Protokoll-Nr. 19/53, S. 41.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 531 § 1

des Tatbestands m.E. prinzipiell verfehlt1. Das „normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts“ führt nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Gleichheitswidrigkeit und damit zur Verfassungswidrigkeit2. Gegen das Vorliegen eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits wird in der Literatur3 auf zwei BVerfG- 530 Entscheidungen aus den Jahren 19914 und 20045 betr. die Besteuerung von aus Zins- oder Spekulationsgeschäften erzielten Kapitalerträgen verwiesen. Die Möglichkeiten der Verifikation des Erklärungsverhaltens der Steuerpflichtigen durch die Finanzverwaltung war durch den Bankenerlass 1979 bzw. dessen spätere Kodifikation durch § 30a AO6 verhindert7. Eine die bestehenden Untersuchungsmöglichkeiten der Finanzbehörden beschränkende gesetzliche Verfahrensvorschrift, wie der Bankenerlass oder § 30a AO a.F., besteht in Bezug auf § 1 Abs. 2b GrEStG zwar nicht8. M.E. besteht jedoch nicht nur dann eine Gegenläufigkeit zwischen Verfahrensrecht und Steuertatbestand, wenn sich die Erhebungsregelungen gegenseitig einschränken, sondern auch dann, wenn keine hinreichenden Erhebungsregelungen zur Verfügung stehen, die eine Verifikation ermöglichen, bzw. wenn der Steuertatbestand so ausgestaltet ist, dass es in unüberschaubar vielen Fällen aussichtslos erscheint, die ggf. unzähligen Sachverhaltsinformationen, die zur Anwendung des Tatbestands bekannt sein müssten, zentral zusammenzutragen. In Bezug auf § 1 Abs. 2b GrEStG ist die „strukturell gegenläufige Erhebungsregel“ m.E. die – das wesentliche Instrument zur Vollzugssicherung darstellende9 – Anzeigepflicht solcher Personen, die das, was sie anzeigen sollen, in einer unüberschaubaren Vielzahl von Fällen nicht wissen. Weitgehendes Nichtdurchsetzen des Tatbestands von § 1 Abs. 2b GrEStG: Ob die zu erwartenden Vollzugsmängel bei § 1 Abs. 2b GrEStG, insbesondere die Aufklärung von Gesellschafterwechseln im Streubesitz börsennotierter Gesellschaften wie auch von Beteiligungsveränderungen in ausländischen Sachverhalten, dazu führen werden, dass der Besteuerungsanspruch aus § 1 Abs. 2b GrEStG weitgehend10 nicht durchgesetzt werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet11. M.E. ist davon auszugehen, dass das zu erwartende Vollzugsdefizit nicht lediglich Folge von Ausnahmekonstellationen sein wird. Für die Wertung, dass der Tatbestand weitgehend nicht vollzogen wird, muss es m.E. ausreichen, dass nicht überschaubar ist, wie viele Fälle der Tatbestandsverwirklichung nicht erkannt werden12. M.E. kann auch der Gesetzgeber nicht hinreichend zuverlässig einschätzen, wie viele Fälle der Verwirklichung von § 1 Abs. 2b GrEStG unerkannt bleiben werden13.

1 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, Rz. 118: „Kein legitimes Mittel, gesamtwirtschaftliche Belange zu verfolgen, ist es jedoch, die materielle Steuernorm gleichsam als lex imperfecta anzulegen“. 2 Vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, Abschnitt C-II. 3 Vgl. Drüen, Ubg 2019, 65. 4 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239. 5 Vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 6 Mittlerweile aufgehoben. 7 Vgl. BMF v. 21.8.1979, BStBl. I 1979, 590, Rz. 3. 8 Vgl. auch BFH v. 18.11.2005 – II B 23/05, BFH/NV 2006, 612 (zu § 1 Abs. 3 GrEStG). 9 So die Begründung des RefE, S. 215. 10 Vgl. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94. 11 Dagegen z.B. Drüen, Ubg 2019, 65 (74); dafür bei Streubesitz: Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1115); Mörwald, DStZ 2019, 492 (501). Dafür bei börsennotierten Gesellschaft z.B. Englisch in Tipke/Lang24, Rz. 18.37. 12 Vgl. die Sachverhaltsdarstellung durch den ZIA, Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss am 14.10.2019, Protokoll-Nr. 19/53, S. 112 f. von 121; Wagner, DB 2019, 1409. 13 Indiz dafür ist mittelbar m.E., dass die Gesetzesmaterialien keine Angaben zu evtl. Steuermehraufkommen enthalten, vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019. Für Steuergesetzvorlagen ergibt sich die Aufgabe, Angaben zu dem Steuer(minder- bzw. mehr)aufkommen (sog. „Haushaltsaufwand ohne Erfüllungsaufwand) zu machen, für Vorlagen der Bundesregierung aus §§ 43 Abs. 1 Nr. 5, 44 Abs. 2 GGO; vgl. auch Hey in StuW 2013, 107 (114); Hey in FR 2021, 293 (298).

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531

§ 1 Rz. 532 Erwerbsvorgänge dd) Zurechenbarkeit der zu erwartenden Vollzugsmängel 532

Dass dem Gesetzgeber bei Schaffung des § 1 Abs. 2b GrEStG die Ermittlungsschwierigkeiten bekannt waren, ergibt sich m.E. schon aus dem Schlussbericht der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe1. Dort wird ausgeführt, dass die Besteuerung unmittelbarer und mittelbarer Anteilsübergänge (allerdings „nur“) bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Frage eines möglichen strukturellen Vollzugsdefizits aufwerfe2. U.a. könne diesem allerdings durch Verweis auf die Anzeige- und Mitteilungspflichten nach dem WpHG begegnet werden, was aber wegen der dortigen Meldeschwellen nicht zutrifft3. Dem Gesetzgeber war die Sachverhaltsermittlungsproblematik zudem spätestens aufgrund der Öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 14.10.2019 bewusst, so dass die zu erwartenden Vollzugsmängel dem Gesetzgeber auch zurechenbar sind.

533

Fraglich ist jedoch, ob dem deutschen Gesetzgeber auch solche Mängel zuzurechnen sind, die sich aus der Unaufklärbarkeit im Ausland verwirklichter Sachverhalte ergeben. Der BFH verneint dies4. M.E. muss der Gesetzgeber berücksichtigen, in welchem Ausmaß der von ihm geschaffene Steuertatbestand durch im Ausland bewirkte Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter verwirklicht werden könnte. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft ist der enorme Auslandsbezug von § 1 Abs. 2b GrEStG offenbar.

II. Grundtatbestand des mindestens 90%igen Gesellschafterwechsels bei grundbesitzender Kapitalgesellschaft (Satz 1) 1. Regelungsinhalt 534

Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 2b GrEStG den bereits bestehenden Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nahezu wortgleich für grundbesitzende Kapitalgesellschaften nachgebildet. Die zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG ergangene Rechtsprechung wie auch die in den entsprechenden Erlassen der Finanzverwaltung5 getätigten Aussagen sollten daher auf den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG übertragen werden können, soweit nicht Unterschiede der Rechtsform zwingend Abweichungen fordern6. Aus diesem Grund orientieren sich die folgenden Ausführungen an diesen für die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG entwickelten Grundsätzen. 2. Kapitalgesellschaft a) Begriff der „Kapitalgesellschaft“

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§ 1 Abs. 2b GrEStG findet lediglich auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften Anwendung. Als inländische Gesellschaften fallen daher insbesondere die GmbH, die AG, die KGaA und die SE in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG7.

1 Stand: 18.4.2018, öffentlich zugänglich auf https://correctiv.org. 2 Vgl. auch AK Steuern der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., BB 2019, 1438 (1441). 3 Vgl. z.B. von Wolfersdorff, Öffentliche Anhörung im Finanzausschuss am 14.10.2019, Protokoll-Nr. 19/53, S. 73 von 121. 4 BFH v. 9.4.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529 mit Verweis auf BFH v. 18.2.1997 – VIII R 33/95, BStBl. II 1997, 499; v. 8.11.2005 – II B 23/05, BFH/NV 2006, 612. 5 Vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 6 Dies betrifft insbesondere die Frage nach der Anwendbarkeit personenbezogener und ein Gesamthandsvermögen voraussetzender Befreiungsvorschriften. 7 Die Ausgestaltung einer Gesellschaft als Investmentfonds i.S.d. Kapitalanlagegesetzbuchs (z.B. Investmentaktiengesellschaft i.S.d. §§ 108 ff. KAGB) hat für ihre grunderwerbsteuerrechtliche Einordnung grds. keine Bedeutung.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 540 § 1

Es ist nicht zu erwarten, dass die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG 536 auf Immobilienkapitalgesellschaften, also Kapitalgesellschaften, deren Vermögen sich ausschließlich oder zumindest überwiegend aus Immobilien zusammensetzt, beschränken wird. Im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG hat der BFH eine solche teleologische Reduktion auf Personengesellschaften, „deren Zweck sich im Halten und Verwalten von inländischen Grundstücken erschöpft“, abgelehnt1. b) Einordnung ausländischer Gesellschaften Ausländische Gesellschaften werden dann von § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst, wenn ihre rechtliche Struk- 537 tur der Struktur inländischer Kapitalgesellschaften entspricht2. Dies bestimmt sich nach einem sog. Rechtstypenvergleich entsprechend den von der Finanzverwaltung im Ertragsteuerrecht dargelegten Grundsätzen3. Es bedarf grundsätzlich einer Einzelfallbetrachtung unter Einbezug der der jeweiligen Gesellschaft zugrundeliegenden Vereinbarungen. Nach der im BMF-Schreiben vom 19.3.20044 dargelegten Auffassung der Finanzverwaltung spricht für eine Einordnung einer ausländischen Gesellschaft als Kapitalgesellschaft, wenn – die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft zentralisiert sind; – wenn die Haftung der Gesellschafter beschränkt ist; – die Anteile an der Gesellschaft frei übertragbar sind; – die Gewinnzuteilung von einem Gesellschafterbeschluss abhängig ist; – das Gesellschaftskapital durch Gesellschaftereinlagen aufgebracht wird; – die Gesellschaft eine unbegrenzte Lebensdauer hat; – die Gewinne der Gesellschaft nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge oder der Geschäftsanteile verteilt werden; und – die Gründung der Gesellschaft von formalen Voraussetzungen abhängig ist bzw. war.

538

Erforderlich ist dabei nicht, dass sämtliche Merkmale für die Einordnung als Kapitalgesellschaft spre- 539 chen. Entscheidend ist, dass die bei einer ausländischen Gesellschaft vorhandenen Merkmale in ihrem Gesamtbild für eine Kapitalgesellschaft typisch sind. Nach vom BFH in den AdV-Beschlüssen betr. single-member-LLC nach dem Recht des US-Bundestaats Colorado vom 18.5.2021 geäußerter Ansicht sind die Kriterien der zentralisierten Geschäftsführung und Vertretung, der Gewinnzuteilung und der formalen Gründungsvoraussetzungen von besonderer Bedeutung5. 3. Anteile der Gesellschaft a) Wortlautidentität mit § 1 Abs. 3 GrEStG Die Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG setzt den Übergang der „Anteile an der Gesellschaft“ auf neue Gesellschafter voraus. Maßgeblich ist damit der „Anteil der Gesellschaft“. Damit entsprechen die in § 1 Abs. 2b GrEStG verwendeten Begrifflichkeiten der Formulierung des § 1 Abs. 3 GrEStG. Es ist daher zu erwarten, dass die Finanzverwaltung insoweit die Auslegungsgrundsätze zu § 1 Abs. 3 GrEStG auf § 1 Abs. 2b GrEStG übertragen wird. Zur Auslegung des Anteilsbegriffs im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG stellte der BFH zuletzt in seinem Urteil vom 27.9.2017 fest: 1 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 2 So entspr. Tz. 2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Zum Ertragsteuerrecht vgl. zuletzt BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, juris. 3 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 752; Pahlke6 § 1 GrEStG Rz. 276; ähnlich Tz. 2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. §§ 5 und 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076; OFD Frankfurt am Main v. 15.6.2016, S-2241 A-107 – St 213, und v. 21.5.2019, nicht veröffentlicht; BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2008, 263; v. 18.5.2021 – I B 75/20 und I B 76/20 betr. one-member-LLC nach dem Recht des US-Bundestaats Colorado. 4 Vgl. BStBl. I 2004, 411. 5 Az. I B 75/20, I B 76/20, BFH/NV 2021, 1489, BFH/NV 2021, 1491.

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§ 1 Rz. 541 Erwerbsvorgänge 541

„Anteile der Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG sind bei Kapitalgesellschaften die Beteiligungen am Gesellschaftskapital, also bei einer GmbH die Geschäftsanteile (vgl. § 5 und §§ 14 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und bei einer AG die Aktien (vgl. §§ 8 ff. des AktG). Entsprechendes gilt für vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften.“1

542

In der Literatur wird für die Auslegung der Formulierung „Anteile am Gesellschaftsvermögen“ im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vertreten, dass auch abweichende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zu berücksichtigen sind, nach welchen der Wert eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks nur einem oder einzelnen bestimmten Gesellschaftern zustehen soll2. Diese Auffassung wurde jedoch bisher noch nicht ausdrücklich von der Finanzverwaltung oder von der Rechtsprechung bestätigt. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG, mit dessen Formulierung der Anteilsbegriff des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG vergleichbar ist, wurde diese Auffassung, soweit ersichtlich, bisher nicht vertreten. Vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit solcher Vereinbarungen bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften ist daher noch nicht absehbar, ob die Finanzverwaltung solche besonderen gesellschaftsvertraglichen Grundstückszuweisungen berücksichtigen wird. b) Eigene Anteile

543

Höchstgerichtlich nicht entschieden ist bisher, wie eigene Anteile von Kapitalgesellschaften, die Anteile an grundbesitzenden Personengesellschaften halten, im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG zu behandeln sind. Erst recht ungeklärt ist, wie eigene Anteile grundbesitzender Kapitalgesellschaften und an ihnen beteiligter Kapitalgesellschaften bei Anwendung von § 1 Abs. 2b GrEStG zu behandeln sind.

544

Es käme in Betracht, dass der Erwerb der eigenen Anteile durch die Kapitalgesellschaft als Übergang der Anteile auf einen neuen Gesellschafter angesehen wird, der bei der Betrachtung der Erheblichkeitsschwellen i.R.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2a GrEStG, Abs. 2b GrEStG-E finden muss.

545

Im Anwendungsbereich der Anteilsvereinigungstatbestände in § 1 Abs. 3 entspricht es der Rechtsprechung des BFH3 wie auch der, soweit ersichtlich, einhelligen Auffassung in der Literatur4, dass eigene Anteile der Gesellschaften vollkommen zu ignorieren sind5. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum dies im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG und damit auch § 1 Abs. 2b GrEStG anders gesehen werden sollte. Wird die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG auf den Gedanken gestützt, dass es durch einen Wechsel im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Gesellschaft zu einer Neuzuweisung der Teilhabe an der wirtschaftlichen Substanz des Grundstücks kommt, ist der Erwerb eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft nicht als tatbestandsmäßiger Anteilserwerb durch einen Neugesellschafter zu werten. Es kommt nicht zu einer Grundstücksteilhabe durch einen neuen Gesellschafter, sondern vielmehr zu einer Erhöhung der Quoten der bisherigen Gesellschafter. Handelt es sich bei diesen Gesellschaftern um Altgesellschafter, ist der Erwerb eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft bei der Betrachtung der Erheblichkeitsschwellen in § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu berücksichtigen. Der Erwerb eigener Anteile durch eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft bzw. die grundbesitzende Kapitalgesellschaft kann im Rahmen der § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG nur als quotale Verstärkung der Beteiligungen der „echten“ Gesellschafter Berücksichtigung finden.

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 798. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 101. Vgl. z.B. BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 144 (zu § 1 Abs. 3 GrEStG) und § 1 GrEStG Rz. 189 (zu § 1 Abs. 3a GrEStG); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 989; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 328. 5 Vgl. BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053: „Zivilrechtlich ist das Halten eigener Anteile durch die GmbH zwar möglich, dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gesellschaft begrifflich keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Erwerber beherrscht in diesen Fällen das Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Anteile zustünden“.

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E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 550 § 1

Dieser Auffassung folgt die Verwaltung z.B. bei § 8c KStG1, der in seiner Regelungstechnik und seinem Regelungsgedanken den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG entspricht. In der Literatur wird zum Teil bestritten, dass der Erwerb der eigenen Anteile, auch soweit er zu einer Quotenveränderung führt, Berücksichtigung finden darf, weil die bloße Veränderung der Beteiligungsquoten nicht zu einem „Übergang“ der Anteile auf einen Dritten führten2.

546

Zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften bzw. grundbesitzende Kapitalgesellschaften können im 547 Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG durch den Erwerb ihrer eigenen Anteile nicht als neue Gesellschafter an ihnen selbst angesehen werden; insoweit liegt kein sog. Zählerwerb vor. Auch insoweit, als es zu einer quotalen Erhöhung der Beteiligungen der sonstigen Gesellschafter kommt3, liegt m.E. kein Anteilsübergang vor. 4. Inländische Grundstücke Die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG setzt voraus, dass mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergehen.

548

Zur Bestimmung des maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraums ist auf jedes einzelne Grundstück abzustellen, das zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehört. Jedes Grundstück hat seinen „eigenen“ Betrachtungszeitraum4. Sollte § 1 Abs. 2b GrEStG in Bezug auf alle Grundstücke einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft verwirklicht werden, liegen so viele Steuerfälle vor, wie der Kapitalgesellschaft Grundstücke gehören5.

549

Für die Beantwortung der Frage, ob hinsichtlich einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft die 550 90 %-Schwelle des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG überschritten wurde, ist auf das Verhältnis zwischen den beteiligten neuen Gesellschaftern und den weiterhin beteiligten sog. Altgesellschaftern abzustellen6. Überträgt ein neuer Gesellschafter einen Anteil auf einen weiteren neuen Gesellschafter, ist dieser Anteilsübergang – bezogen auf denselben Zehn-Jahres-Zeitraum bei der Ermittlung der 90 %-Quote nicht mitzuzählen7. Auch Anteilsbewegungen zwischen Altgesellschaftern werden nicht berücksichtigt8. Aufgrund der in § 1 Abs. 2b Satz 1 bis Satz 5 GrEStG vorgesehenen Regelungen ist bei der Berechnung der Quote zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Beteiligungsebene zu unterscheiden. Auf mittelbarer Beteiligungsebene richtet sich die Art und Weise der Berücksichtigung von Anteilsübergängen wiederum danach, ob es sich bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt9.

1 Die Verwaltung führt im BMF-Schreiben zu § 8c KStG v. 28.11.2017 aus: „§ 8c KStG erfasst neben dem Erwerb von Kapitalanteilen auch den Erwerb von Mitgliedschaftsrechten und Beteiligungsrechten (jeweils auch ohne Stimmrechte) sowie von Stimmrechten und vergleichbaren Sachverhalten. […] Vergleichbare Sachverhalte können insbesondere sein: […] der Erwerb eigener Anteile, wenn sich hierdurch die Beteiligungsquoten ändern“; vgl. BMF v. 28.11.2017, BStBl. I 2017, 1645, Tz. 5 ff. 2 Vgl. bspw. Roser in Gosch4, § 8c KStG Rz. 56 „Eigene Anteile“. 3 Was insoweit von Bedeutung sein könnte, als diese Quotenverschiebung die Beteiligung eines „echten“ neuen Gesellschafters begünstigt. 4 Vgl. Tz. 6. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 5 Betr. § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 863. 6 Vgl. Tz. 5.3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 7 Vgl. Tz. 6. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Allerdings setzt der neuerliche Übergang desselben Anteils auf einen weiteren Neugesellschafter einen weiteren Zehn-Jahres-Zeitraum in Gang. 8 Vgl. Tz. 5.3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 9 Vgl. § 1 Abs. 2b Sätze 2–5 GrEStG.

Behrens

219

§ 1 Rz. 551 Erwerbsvorgänge 5. Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Kapitalgesellschaft im Anwendungsbereich von Abs. 2b 551

Die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG setzt voraus, dass zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, und zwar durchgehend in dem Zeitraum, in dem mindestens 90 % der Anteile der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Die Frage, ob und wann ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehört, ist allein nach grunderwerbsteuerrechtlichen Maßstäben zu beantworten1. Entscheidend ist daher, ob der Kapitalgesellschaft das jeweilige Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist2.

552

Für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG gehört ein Grundstück dann zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft, wenn es dieser aufgrund eines Erwerbsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG zuzurechnen ist und die Gesellschaft daher z.B. zivilrechtliche Grundstückseigentümerin ist, einen unbedingt wirksamen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erworben hat3 oder ihr die Verwertungsbefugnis über das Grundstück eingeräumt wurde4. Hat die Kapitalgesellschaft einem anderen Rechtsträger die Verwertungsbefugnis an einem ihr zivilrechtlich weiterhin gehörenden Grundstück eingeräumt, gehört das Grundstück nicht mehr zum Vermögen der die Verwertungsbefugnis einräumenden Kapitalgesellschaft.

553

M.E. haben die Tatbestände von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG keine Bedeutung für die Frage, ob ein Grundstück zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehört. Eine Zurechnung der Grundstücke einer zu mindestens 90 % gehaltenen Tochtergesellschaft zur an dieser beteiligten Mutter-Kapitalgesellschaft scheidet aus. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG sind gegenüber § 1 Abs. 2b GrEStG subsidiär. Dass sich diese Tatbestände in Bezug auf die Frage nach der Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der beteiligten Personengesellschaft auf den Anwendungsbereich des Tatbestands von § 1 Abs. 2b GrEStG auswirken sollen, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Die Tatbestände von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG folgen systematisch dem Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG nach und sind deshalb im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG insgesamt nicht zu beachten. Bei § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG geht es um die Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks zum mindestens 90%igen Gesellschafter. Bei § 1 Abs. 2b GrEStG geht es um die Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks zu einer fingiert neuen Kapitalgesellschaft. Eine Zurechnung von Grundstücken zu einem Gesellschafter ist mit der Teleologie von § 1 Abs. 2b GrEStG nicht vereinbar, zumal andernfalls in Beteiligungsketten nicht zu rechtfertigende bzw. gegen das Übermaßverbot verstoßende Mehrfachbesteuerungen die Folge wären5. Auf Grundlage der hier abgelehnten Ansichten, wonach Tochtergesellschaftsgrundstücke (zumindest unter der Voraussetzung der vorangegangenen Erfüllung von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG, vgl. sogleich) auch der Muttergesellschaft zuzurechnen seien, erscheint kaum begründbar, dass es beim Gesellschafterwechsel im Gesellschafterkreis der Muttergesellschaft dennoch nicht zu mehr als einer nur einmaligen Besteuerung kommen soll, und kaum erklärbar, wenn es dennoch nur zur einmaligen Steuererhebung kommen soll, ob der Tochter- oder bei der Muttergesellschaft.

554

Überwiegend wird allerding die Auffassung vertreten, dass für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG, vermutlich auch für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft auch Grundstücke gehören, die die Kapitalgesellschaft wegen Verwirklichung einer der Tatbestände in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG fiktiv erworben hat6. Auf Grundlage der Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG, Tz. 3, setzt dies voraus, dass die Kapitalgesellschaft in Bezug auf das betreffende Grundstück einen Tatbestand in § 1

1 Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis bei der Anwendung der § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG. 2 So Tz. 3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 3 So dass Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angefallen ist. 4 So dass Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG angefallen ist. So Tz. 3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 5 Vgl. entsprechend bei § 1 Abs. 2a GrEStG Rz. 331 bis 337; a.A. bei § 1 Abs. 2a GrEStG allerdings Viskorf, DStR 2021, 74. 6 Vgl. z.B. Viskorf, DStR 2021, 74.

220

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 556 § 1

Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hat1. Wie in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG wird zum Teil auch in der Literatur argumentiert, dass für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft“ alle (Ergänzungs-)Tatbestände zu berücksichtigen seien, soweit danach – wenn auch nur fiktiv – Grundstücke erworben werden2. In der Praxis besteht sogar ein Risiko, dass Finanzämter einer Kapitalgesellschaft für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG auch solche Grundstücke zurechnen, die unmittelbar von Gesellschaften gehalten werden, an der die Kapitalgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG zu mindestens 90 % beteiligt ist3. Eine Kapitalgesellschaft würde daher nach Ansicht einzelner Finanzämter auch dann in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG fallen, wenn sie zwar nicht selbst in Bezug auf Grundstück der Tochtergesellschaft einen Tatbestand verwirklicht hat, sie aber i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG mindestens zu 90 % an Gesellschaften beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbar inländische Grundstücke halten. Diese sehr weite Sichtweise ebenso wie ggf. die Sichtweise, dass ein Grundstück der Tochtergesellschaft auch der Muttergesellschaft zuzurechnen sei, wenn die Muttergesellschaft in Bezug auf dieses Grundstück einen Tatbestand von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hat, führt dazu, dass in der Praxis zur Abwehr einer mehrfachen Besteuerung der Erwerb von Beteiligungsketten gestaffelt werden müsste, etwa wie folgt:

555

V ist Alleingesellschafter einer Ober-Gesellschaft („GM-GmbH“) die über einen dreistufigen 556 100%igen Beteiligungsstrang alle Anteile an der grundbesitzenden UE-GmbH hält. Würde V alle Anteile an GM-GmbH auf K übertragen, bestünde das Risiko des fünffachen Anfalls von Grunderwerbsteuer, wenn das Grundstück der UE-GmbH auch der E-, der T-, der M- und der GM-GmbH zugerechnet würde. In Betracht käme, dass vorab die E-GmbH mehr als 10 % der Anteile an der UE-GmbH an K veräußert, um die Zurechnung des Grundstücks der UE-GmbH zu jeder der anderen GmbHs in der Beteiligungskette zu beenden. Für den Fall, dass die Zurechnung des Grundstücks der Tochter- auch zu Mutter-Gesellschaft davon abhängig gemacht wird, dass die Mutter-Gesellschaft selbst in Bezug auf dieses Grundstück einen Tatbestand verwirklicht hat, blieben allerdings Zweifel, ob die Verminderung der Beteiligung auf unter 90 % tatsächlich die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft beendet; denn die Verminderung der Beteiligung auf unter 90 % durch Übertragung eines 10,1%igen Anteils auf K ist bei isolierter Betrachtung nicht grunderwerbsteuerbar. Nach dem BFH-Urteil II R 26/12 vom 11.12.20144 gehört ein Grundstück dann nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn das Grundstück vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.v. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war. Bei engem Verständnis dieser BFH-Rechtsprechung beendete die Übertragung des 10,1%igen Anteils an der UEGmbH auf K die Zurechnung des Grundstücks der UE-GmbH zu den anderen GmbHs in der Beteiligungskette nicht5.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 3: „Ein Grundstück gehört der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.“ 2 Vgl. Viskorf, DStR 2021, 74. 3 Nach den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Tz. 1.2, sollten „Grundstücke, die der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind, ebenfalls zu ihrem Vermögen gehören“. Obwohl dies in den diese Erlasse v. 18.2.2014 ersetzenden Erlassen v. 12.11.2018 geändert worden ist, hält die Finanzverwaltung an der in den Erlassen v. 18.2.2014 vertretenen Sichtweise z.B. im Revisionsverfahren II R 44/18 weiterhin fest. 4 Vgl. BStBl. II 2015, 402, Tz. 18. 5 A.A. Viskorf, DStR 2021, 74, nach dessen Ansicht die Zurechnung kraft fiktiven Erwerbs zwingend voraussetzt, dass die Voraussetzungen für die Zurechnung fortbestehen, wozu insbesondere das Steuer auslösende Beteiligungsquantum wie auch die Zurechnung des Grundstücks bei der anderen Gesellschaft zähle. Insofern sei die Zurechnung des Grundstücks bei der Gesellschaft, bei der sich alle Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft vereinigt haben, abhängig davon, dass das Grundstück der grundbesitzenden Gesellschaft noch gehöre.

Behrens

221

§ 1 Rz. 556 Erwerbsvorgänge

1. Schritt V 100 % GM-GmbH 100 %

M-GmbH 100 %

T-GmbH 100 %

E-GmbH 100 %

UE-GmbH

K

2. Schritt

V

K

100 %

GM-GmbH

100 %

100 %

M-GmbH

M-GmbH

100 %

100 %

T-GmbH

T-GmbH

100 %

100 %

E-GmbH

E-GmbH

UE-GmbH

K 100 %

GM-GmbH

100 % ./. 10,1 % = 89,9 %

V

10,1 %

89,9 %

10,1 %

UE-GmbH

557

Dabei könnte fraglich sein, ob die Veräußerung des Grundstücks an eine mindestens 90%ige Tochtergesellschaft unter Auslösung des Tatbestands z.B. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der veräußernden Gesellschaft für die Zwecke der § 1 Abs. 2b GrEStG beendet. M.E. ist diese Frage auf Grundlage der hier abgelehnten weiten Sichtweise zu bejahen. Die Veräußerung des Grundstücks an eine Tochter-KG wäre, falls sich die weite Sichtweise durchsetzen sollte, eine Möglichkeit, das Aufaddieren sukzessiver Anteilsübergänge im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG zu beenden und in Bezug auf die Tochter-KG im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG neu zu beginnen.

558

Die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2b GrEStG wird durch den unbedingt wirksamen Verkauf des Grundstücks durch die bisher grundbesitzende Kapitalgesellschaft an eine Tochter-KG beendet.

222

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 560 § 1

Beispiel:

AltGesellschafter

NeuGesellschafter

100 % ./. 89 % = 11 %

89 %

AltGesellschafter

NeuGesellschafter 1

11 %

GmbH

89 %

GmbH

100 %

KG

NeuGesellschafter 1

NeuGesellschafter 2

89 %

11 %

GmbH

100 %

KG

Bis zur Begründung des unbedingt wirksamen Übereignungsanspruchs der KG gegenüber der GmbH gehört das Grundstück zum Vermögen der GmbH. Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG wurde nicht ausgelöst, weil nur 89 % der Anteile an der GmbH auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Mit der Begründung des unbedingt wirksamen Übereignungsanspruchs der KG gegenüber der GmbH endet die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der GmbH1. Durch den Übergang der weiteren 11 % der GmbH-Anteile auf neue Gesellschafter wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht verwirklicht, weil das Grundstück nicht mehr zum Vermögen der GmbH gehört, d.h. § 1 Abs. 2b GrEStG nach Veräußerung des Grundstücks durch die GmbH nicht mehr anwendbar ist. Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG wurde ebenfalls nicht ausgelöst, weil das 89,9%ige grunderwerbsteuerneutrale Anteilsübertragungspotenzial in Bezug auf die KG erst in Höhe von 11 % verbraucht ist, d.h. nur 11 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

559

6. Änderung des Gesellschafterbestands a) Unmittelbare und mittelbare Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter Vom Tatbestand erfass sind wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter. Ebenso wie § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG stellt auch § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nach seinem Wortlaut auf sich innerhalb von zehn Jahren vollziehende unmittelbare oder mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand dergestalt ab, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Die Frage, ob ein Anteil der Gesellschaft auf einen anderen Rechtsträger übergeht, ist von der Frage getrennt zu beurteilen, ob der erwerbende andere Rechtsträger für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG alter oder neuer Gesellschafter ist.

1 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 25.

Behrens

223

560

§ 1 Rz. 561 Erwerbsvorgänge b) Unmittelbarer Anteilsübergang 561

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands i.S.v. § 1 Abs. 2b Satz 1 Alt. 1 GrEStG liegt auf Grundlage der von BFH und Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertretenen Auffassung1 vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein bereits bestehendes oder auf ein neues Mitglied der Kapitalgesellschaft (d.h. auf ein Rechtsträger, der zivilrechtlich bisher nicht Mitglied der Kapitalgesellschaft gewesen ist) übergeht. Für das Vorliegen eines unmittelbaren Anteilsübergangs ist es erforderlich, dass die dingliche Rechtsinhaberschaft an dem Anteil der Gesellschaft auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Tatbestandsmäßig ist dieser unmittelbare Anteilsübergang nur dann, wenn dieser andere Rechtsträger ein neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG ist. Bei Übertragung der Auffassung der Rechtsprechung wie auch der Finanzverwaltung bei Anwendung der § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG sind daher auch im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG auf unmittelbarer Beteiligungsebene die Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ihren zivilrechtlichen Gesellschaftern zuzurechnen.

562

Es kommt daher in dem Zeitpunkt zu einem Übergang eines Anteils an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, wenn und sobald dieser dinglich wirksam auf den Erwerber übergeht2. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses der dinglichen Anteilsübertragung. Der Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts, das der dinglichen Anteilsübertragung zugrunde liegt, ist unerheblich3.

563

Geschäftsanteile an GmbHs werden regelmäßig mit Abschluss des dinglichen Abtretungsvertrags (§§ 398, 413 BGB), d.h. mit notarieller Beurkundung übertragen4. Die ggf. erst nachfolgende Eintragung in der Gesellschafterliste der GmbH ist für den dinglichen Anteilsübergang nicht maßgeblich5.

564

Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind A, B, C und D je zu 25 % beteiligt. Im Jahr 01 überträgt A seine Beteiligung an der G-GmbH auf E. Im Jahr 04 überträgt E seine Beteiligung an F, B seine Beteiligung an G und C seine Beteiligung an H. In Jahr 12 überträgt schließlich D seine Beteiligung an I. Die Beteiligungsentwicklung lässt sich folgendermaßen darstellen:

1 Vgl. zu § 1 Abs. 2a GrEStG, Rz. 339 ff. 2 So Tz. 5.1.1 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 3 Der Zeitpunkt des Übergangs eines unmittelbaren Anteils an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft hängt vom Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des jeweiligen Übertragungsgeschäfts ab; zu § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, DStR 2018, 26; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 801. Zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG führte der BFH in seinem Urteil v. 17.6.2020 II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Folgendes aus: „Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist danach erst in dem Zeitpunkt erfüllt, in dem die Gesellschaftsanteile dinglich auf die neuen Erwerber übergehen. Nach § 1 Abs. 2a GrEStG gilt – anders als bei § 1 Abs. 3 GrEStG – nicht schon der (schuldrechtliche) Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet, als ein auf die Übertragung von Grundstücken gerichtetes Rechtsgeschäft, sondern erst die (dingliche) Änderung des Gesellschafterbestandes …“. 4 Vgl. Altmeppen10, § 15 GmbHG Rz. 16; Reichert/Weller in MüKo3, § 15 GmbHG Rz. 65; Servatius in Baumbach/ Hueck22, § 15 GmbHG Rz. 28: „Übergang erfolgt mit Beendigung der Beurkundung, im Verhältnis zur Ges. jedoch erst mit Einreichung geänderter GfterListe durch den Notar (§ 40 II) und Aufnahme der geänderten GfterListe in das HR (§ 16 I).“ 5 Vgl. Reichert/Weller in MüKo3, § 15 GmbHG Rz. 66; Servatius in Baumbach/Hueck22, § 15 GmbHG Rz. 28.

224

Behrens

Rz. 569 § 1

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Ausgangsstruktur B A 25 % 25 %

C D 25 % 25 %

G-GmbH

Jahr 04 G F 25 % 25 %

H D 25 % 25 %

G-GmbH

Jahr 01 B E 25 % 25 %

C D 25 % 25 %

G-GmbH

Jahr 12 G F 25 % 25 %

H I 25 % 25 %

G-GmbH

In Jahr 01 ergibt sich eine Neugesellschafterquote von 25 %. Im Jahr 04 erhöht sich diese Quote durch die Anteilsübertragungen von B und C auf 75 %. Die Übertragung der Beteiligung an der G-GmbH von E auf F löst zwar einen neuerlichen Zehn-Jahres-Zeitraum aus, zählt jedoch für den im Jahr 01 ausgelösten Zehn-Jahres-Zeitraum nicht mit, weil der mehrfache Übergang desselben Anteils auf Neugesellschafter für denselben Zehn-Jahres-Zeitraum nicht mehrfach zählt. Im Jahr 12 erhöht sich die Neugesellschafterquote durch die Anteilsübertragung von D auf I hingegen auf 100 %, womit § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. F, G und H sind im Jahr 12 noch nicht zu mehr als zehn Jahren an der G-GmbH beteiligt, weshalb die vier Anteilserwerbe bei Prüfung der Verwirklichung von § 1 Abs. 2b GrEStG zusammenzurechnen sind.

565

Die Voraussetzungen der Übertragung einer Aktie wie auch der Zeitpunkt der dinglichen Wirksamkeit der Übertragung hängt von der Ausgestaltung der Aktie selbst wie auch der gewählten Übertragungsform ab. Entscheidend ist folglich, ob die Aktie verbrieft oder unverbrieft ist, ob es sich um Namens- oder Inhaberaktien handelt, wie die Aktie verbrieft oder sie verwahrt ist. Die Eintragung in das Aktienregister hat (nach deutschen Rechtsgrundsätzen) für die Identifizierung des Zeitpunkts der dinglichen Wirksamkeit einer Anteilsübertragung keine Bedeutung1.

568

566 567

Von besonderer Relevanz dürfte die Übertragung girosammelverwahrter Aktien sein. Diese richtet 569 sich grundsätzlich nach §§ 929 ff. BGB. Die Übertragung des Eigentums erfolgt bei girosammelverwahrten Wertpapieren mit der Übertragung des Mitbesitzes an den Wertpapieren bzw. der Globalurkunde gem. § 930 BGB durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses2. Dies setzt voraus, dass der Anteilsveräußerer den Besitzmittler (Clearstream Banking AG) anweist, nicht mehr für ihn, sondern für den Anteilserwerber zu besitzen, der Besitzmittler ein entsprechendes Besitzmittlungsverhältnis zwischen ihm und der Käuferbank begründet und die Käuferbank zudem einen Besitzmittlungswillen zu Gunsten ihres Depotkunden zum Ausdruck bringt3. Dabei erfolgt die für den Erwerbsvorgang erforderliche Besitzverschaffung dadurch, dass die Clearstream Banking AG als unmittelbare Besitzerin das bei ihr geführte Depotkonto des lieferungspflichtigen Kreditinstituts belastet und dem Depotkonto des lieferungsberechtigten Kreditinstituts eine entsprechende sog. Girosammel-Gutschrift erteilt. Die

1 Vgl. z.B. Maul in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rz. 112. 2 Vgl. Maul in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rz. 117. 3 Vgl. Schön, RdF 2015, 115 (119).

Behrens

225

§ 1 Rz. 569 Erwerbsvorgänge für die Eigentumsübertragung erforderliche Übergabe wird bei der Übertragung von girosammelverwahrten Aktien daher durch eine Umbuchung durch die Clearstream Banking AG ersetzt1. 570

Hinsichtlich der Übertragung von Aktien gelten daher im Wesentlichen folgende Grundsätze2: Ausgestaltung Übertragung Übergangszeitpunkt Unverbriefte Inhaberaktien Abtretung nach Einigung über die Abtretung §§ 413, 398 ff. BGB Unverbriefte Namensaktien Abtretung nach Einigung über die Abtretung §§ 413, 398 ff. BGB Verbriefte Inhaberaktien Übertragung nach – Übertragung des Eigentums an der Ur§§ 929 ff. BGB kunde durch Übergabe oder Übergabesurrogat – Streifbanddepot: Abtretung des Anspruchs gegen den Verwahrer – Girosammelverwahrung: Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses durch die Clearstream Banking AG Abtretung nach Einigung über die Abtretung (Übergabe §§ 413, 398 ff. BGB der Urkunde nicht erforderlich3) Übertragung nach – Bei Übertragung nach § 18 Abs. 3 DepotG DepotG: Absendung des Stückeverzeichnisses – Bei Übertragung nach § 24 Abs. 2 DepotG: Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs Verbriefte Namensaktien Indossament – Grundsatz: Übertragung des Eigentums und Übergabe an der indossierten Urkunde durch Übergabe oder Übergabesurrogat der Urkunde (§§ 929 ff. BGB) – Streifbanddepotverwahrung: Abtretung des Anspruchs gegen den Verwahrer – Girosammelverwahrung: Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses durch die Clearstream Banking AG Abtretung nach Abschluss der Abtretung (Übergabe der §§ 413, 398 ff. BGB Urkunde nicht erforderlich4) Übertragung nach – Bei Übertragung nach § 18 Abs. 3 DepotG DepotG: Absendung des Stückeverzeichnisses – Bei Übertragung nach § 24 Abs. 2 DepotG: Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs

571

Handelt es sich bei der grundbesitzenden Gesellschaft um eine ausländische Gesellschaft, ist das jeweils anzuwendende ausländische Recht maßgeblich.

572

Der jeweilige Übertragungszeitpunkt richtet sich folglich nach dem Zeitpunkt der (dinglichen) Wirksamkeit der Anteilsübertragung nach dem jeweils anzuwendenden Handels- und Gesellschafts- bzw. Wertpapierrecht.

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 15.12.1999 – I R 29/97, BStBl. II 2000, 527; Schön, RdF 2015, 115 (119). Annahme: keine aufschiebenden Bedingungen, keine Genehmigungsvorbehalte. Vgl. BGH v. 14.5.2013 – XI ZR 160/12, ZIP 2013, 1270. Vgl. BGH v. 14.5.2013 – XI ZR 160/12, ZIP 2013, 1270.

226

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 578 § 1

c) Mittelbarer Anteilsübergang Ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG1 sind auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG mittelbare Anteilsübergänge tatbestandsmäßig:

573

Bei an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft oder auf höherer Ebene beteiligten Personengesellschaften greift die die sog. Durchrechnungsmethode (% von %).

574

Bei beteiligten Kapitalgesellschaften gilt gem. § 1 Abs. 2b Sätze 3 bis 5 GrEStG das „Alles-oder-nichts- 575 Prinzip“: Es gelten zu dem Zeitpunkt alle von ihr gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen, zu dem mindestens 90 % der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Wenn die Finanzverwaltung ihre bisherige, in den gleichlautenden Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.20182 vertretenen Grundsätze auf § 1 Abs. 2b GrEStG-E überträgt, wird die zeitliche Begrenzung des Beobachtungszeitraums auf zehn Jahren oberhalb an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligter Kapitalgesellschaften von Seiten der Finanzverwaltung auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG-E nicht anerkannt werden. Der Beobachtungszeitraum auf mittelbarer Ebene oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaften reicht also ohne zeitliche Begrenzung ggf. bis zum Erwerb des betreffenden Grundstücks durch die (Kapital-)Gesellschaft zurück. Das auf unmittelbarer Beteiligungsebene geltende Tatbestandsmerkmal, dass nur innerhalb von zehn Jahren erfolgende Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter aufaddiert werden dürfen, enthält der Wortlaut in § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG für mittelbaren Beteiligungsebenen oberhalb beteiligter Kapitalgesellschaft nicht ausdrücklich3. U.E. ist (wie bei § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG) auch in § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG wegen des Zusammenhangs mit Satz 1 der Zehn-Jahres-Zeitraum zu beachten, d.h. es können nur solche Übergänge von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, aufaddiert werden, die innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren, der auf allen Beteiligungsebenen gleichermaßen gilt, dinglich wirksam werden4. Auf mittelbarer Beteiligungsebene richtet sich die Entscheidung über die Zurechnung von Anteilen, entsprechend der Auffassung der Rechtsprechung wie auch der Finanzverwaltung5 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG6, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

576

Diese Aussagen in der Rechtsprechung wie auch von Seiten der Finanzverwaltung dürfen jedoch nicht 577 darüber hinwegtäuschen, dass auch eine unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffende Zurechnungsentscheidung im Regelfall zu einer Anteilszurechnung zum zivilrechtlichen Gesellschafter der jeweiligen zwischengeschalteten Gesellschaft führt. Z.B. wird der Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils mit Wirksamwerden der zivilrechtlich-dinglichen Abtretung unabhängig von der noch fehlenden Eintragung in die Gesellschafterliste auch wirtschaftlicher Eigentümer des GmbH-Anteils7. Lediglich in Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn sich ein zivilrechtlicher Gesellschafter in einem solchen Ausmaß gegenüber einem Dritten schuldrechtlich verpflichtet hat, dass beim zivilrechtlichen Gesellschafter nur eine wirtschaftlich ausgehöhlte zivilrechtliche Eigentumshülle verbleibt und die maßgeblichen mit dem Anteil verbundenen wirtschaftlichen Rechte dem Dritten zustehen, führt eine unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffende Zurechnungsentscheidung zu einer Zurechnung der Anteile an den schuldrechtlich berechtigten Dritten. Im Folgenden wird näher auf die für eine wirtschaftliche Anteilszurechnung maßgeblichen Kriterien eingegangen. Vorab werden jedoch der Anwendungsbereich und die Rechtsfolgen der wirtschaftlichen Anteilszurechnung dargestellt.

1 Vgl. Rz. 352 ff. 2 BStBl. I 2018, 1314. 3 Dazu, dass dennoch der in Satz 1 genannte Zeitraum auch bei Satz 4 zu berücksichtigen ist, vgl. zu § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG z.B. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 912; Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105. 4 Vgl. Wagner, DB 2019, 1286; Behrens/Wagner, DB 2019, 1868. 5 So Tz. 5.1.2. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 6 So Tz. 5.1.2. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 7 Vgl. z.B. Schmich/Schnabelrauch, GmbHR 2015, 516 (519 ff.).

Behrens

227

578

§ 1 Rz. 579 Erwerbsvorgänge aa) Anwendungsbereich und Rechtsfolgen 579

Entsprechend der Rechtsprechung des BFH zu § 1 Abs. 2a GrEStG kann sich eine wirtschaftliche Anteilszurechnung nicht nur durch entsprechende schuldrechtliche Bindungen des zivilrechtlichen Gesellschafters einer zwischengeschalteten Gesellschaft ergeben. Vielmehr kann sie sich auch daraus ergeben, dass sich der zivilrechtliche Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft selbst schuldrechtlich verpflichtet, die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft für einen Dritten zu halten1.

580

Die Rechtsfolgen der wirtschaftlichen Anteilszurechnung unterscheiden sich jedoch danach, auf welcher Ebene der zivilrechtliche Gesellschafter, der die ihm zivilrechtlich zustehenden Anteile aufgrund einer schuldrechtlichen Bindung für einen Dritten hält, beteiligt ist. (1) Schuldrechtliche Bindung des zivilrechtlichen Gesellschafters der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft

581

Verpflichtet sich ein zivilrechtlicher Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft selbst, die Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft für einen Dritten zu halten, ist der zivilrechtliche Gesellschafter weiterhin als unmittelbarer Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zu behandeln. Der Dritte ist hingegen aufgrund seiner schuldrechtlichen Berechtigung als mittelbarer Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zu behandeln. (2) Schuldrechtliche Bindung des zivilrechtlichen Gesellschafters einer über der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zwischengeschalteten Gesellschaft

582

Anderes gilt nach meinem Verständnis von BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsverlautbarungen hingegen bei der schuldrechtlichen Bindung des zivilrechtlichen Gesellschafters einer zwischengeschalteten Gesellschaft, die entweder an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft oder wiederum an einer anderen zwischengeschalteten Gesellschaft beteiligt ist. Hält dieser die Anteile an der zwischengeschalteten Gesellschaft aufgrund einer schuldrechtlichen Bindung für einen Dritten, wird allein der Dritte als mittelbarer Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft behandelt. Dem zivilrechtlichen Gesellschafter kommt hingegen für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG keine Gesellschafterstellung mehr zu. Ausdrücklich entschieden worden ist dies für den Fall der Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO vom BFH allerdings noch nicht2. bb) Maßstäbe der wirtschaftlichen Anteilszurechnung

583

Für die auf mittelbarer Beteiligungsebene nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung ist unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückzugreifen3. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO sind Wirtschaftsgüter einem anderen als dem zivilrechtlichen Inhaber zuzurechnen, wenn dieser dergestalt die tatsächliche Herrschaft über die Wirtschaftsgüter ausübt, dass er den zivilrechtlichen Inhaber im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Wirtschaftsgüter wirtschaftlich ausschließen kann. Dies soll nach der Rechtsprechung des BFH4 wie auch der Auffassung der Finanzverwaltung5 unter folgenden Voraussetzungen der Fall sein:

1 So Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 2 Der BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BB 2019, 1637, betrifft § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO. 3 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 4 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 5 Vgl. Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314.

228

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 590 § 1

1) Der Dritte hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. 2) Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Gewinnstamm-, Stimm-, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den Dritten übergegangen oder in seinem Sinne auszuüben. 3) Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen oder dem Liquidationserlös) sind auf den Dritten übergegangen. Maßgeblich ist jeweils eine Gesamtbetrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls1. Im Einzelfall kann daher eine wirtschaftliche Anteilszurechnung auch dann erfolgen, wenn die oben genannten Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind2.

584

Inwiefern diese Grundsätze zur Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO durch „grunderwerbsteuerrechtliche Besonderheiten“ zu modifizieren sind, ist bisher für § 1 Abs. 2a GrEStG und erst recht für § 1 Abs. 2b GrEStG noch weitgehend ungeklärt. Die Finanzverwaltung führte bisher zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG lediglich aus:

585

„Dieser Rückgriff erlaubt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften.“3

586

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegt ein Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer, infolgedessen es einem 587 Rechtsträger rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht wird, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Durch § 1 Abs. 2 GrEStG wird damit die Erlangung der Verwertungsbefugnis über ein inländisches Grundstück der Grunderwerbsteuer unterworfen. Inwiefern die Übertragung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG zu Modifikationen von an § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO orientierten Zurechnungsentscheidungen führt, ist bisher von der Finanzverwaltung nicht erläutert worden. Für die praktische Anwendung besteht insoweit Rechtsunsicherheit. Entsprechend der BFH-Rechtsprechung zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG erfolgt eine Anteilszurechnung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an den Dritten jedenfalls nicht schon dann, wenn diesem lediglich eine Vollmacht zur Ausübung der aus dem jeweiligen Anteil an der (zwischengeschalteten) Gesellschaft folgenden Rechte und zur Veräußerung und Abtretung des Anteils eingeräumt wird4.

588

Fraglich ist, ob in Fällen, in denen der Anteil an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dinglich be- 589 reits vor dem 1.7.2021 auf einen bisher nicht beteiligten Gesellschafter übergegangen war, der Veräußerer das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil jedoch zunächst zurückbehalten hat und erst nach dem 30.6.2021 auf den Erwerber überträgt, ein sog. Zählerwerb für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG vorliegt. M.E. ist diese Frage zu verneinen, weil der Erwerber, der dinglich den Anteil bereits vor dem 1.7.2021 zivilrechtlich wirksam erworben hatte, denselben Anteil nicht anschließend noch mittelbar erwerben kann. Nach Aufgabe des wirtschaftlichen Eigentums durch den Anteilsveräußerer ist der Erwerber nicht zugleich unmittelbarer und auch mittelbarer Gesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft. Ein mittelbarer Anteilsübergang liegt nicht vor, weil beim Erwerber kein mittelbarer Anteil „ankommt“. cc) Mittelbarer Anteilsübergang durch die Übertragung von American Depositary Receipts (ADRs, Aktienhinterlegung) ADRs sind in den USA eine häufig genutzte Alternative zum Direkthandel nicht US-amerikanischer Aktien. ADRs ermöglichen je nach gewählter Programmart den Sekundärhandel der nicht US-amerikanischen Aktien auf dem außerbörslichen OTC Market oder an einer US-amerikanischen Börse 1 So Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 2 So Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 3 So Tz. 5.1.2 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 4 Vgl. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2002, 511.

Behrens

229

590

§ 1 Rz. 590 Erwerbsvorgänge wie NYSE oder NASDAQ. Grundlage ist ein Depotvertrag zwischen einer Depotbank und den Rechtsinhabern der ADRs. In Bezug auf deutsche AGs/KGaAs erfolgt die Emission der ADRs im Grundsatz erst dann, wenn die erforderliche Anzahl von Aktien bei einer in Deutschland ansässigen Hinterlegungsstelle (Custodian) hinterlegt ist1. Nach dem Depotvertrag wird die Depotbank zivilrechtliche Rechtsinhaberin der hinterlegten Aktien. Die Depotbank ist verpflichtet, die aus den Aktien fließenden Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere durch eine Weisungsbefugnis zum Stimmrecht, an den betreffenden ADR-Rechtsinhaber weiterzuleiten. Grundsätzlich kann der Rechtsinhaber von ADRs nach dem Depotvertrag jederzeit von der Depotbank die Herausgabe der zugrunde liegenden Aktien gegen Rückgabe der ADRs verlangen2. ADRs sind zwar selbst keine Kapitalgesellschaftsanteile; die Rechtsinhaber der ADRs sind jedoch als wirtschaftlicher Eigentümer i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO der hinterlegten Aktien anzusehen3. Die zivilrechtliche Rechtsinhaberschaft einer aktienhaltenden Depotbank ist die einer fremdnützigen Treuhänderin, die für die Rechtsinhaber der ADRs handelt. Übergänge von ADRs zivilrechtlich nicht an der Kapitalgesellschaft Beteiligter stellen daher (mittelbare) Anteilsübergänge i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG dar. 7. Begriff des neuen Gesellschafters bzw. sog. Neugesellschafters 591

Die Verwirklichung der § 1 Abs. 2b GrEStG setzt voraus, dass sich innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen.

592

Neugesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist ein Rechtsträger, der nicht sog. Altgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist. Übergänge von Anteilen zwischen und auf Altgesellschafter sind nicht tatbestandsmäßig und werden daher bei der Berechnung der 90 %-Quote des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht berücksichtigt4.

593

Die Entscheidung, ob und wann ein Gesellschafter sog. Altgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist, ist davon abhängig, ob er auf unmittelbarer Beteiligungsebene oder mittelbarer Beteiligungsebene an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist und ob im letztgenannten Fall die die Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft vermittelnde Gesellschaft eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft ist. a) Bestimmung von Altgesellschaftern auf unmittelbarer Beteiligungsebene

594

Unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligter Altgesellschafter ist ein Rechtsträger, der – bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 1 Abs. 2b GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist5, – ein Gründungsgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist; – bereits vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sein wird, – bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesellschaft an der Gesellschaft beteiligt ist, oder

1 Vgl. Weber/Krauß, DStR 2019, 960 (961), unter Hinw. auf SEC, Release No. 83677 v. 20.7.2018, Rz. 9; die Funktion des Custodian übe regelmäßig eine deutsche Tochtergesellschaft der US-Depotbank aus, die nicht Partei des Depotvertrags, aber mit der Depotbank über eine separate Vereinbarung verbunden sei. 2 Vgl. Weber/Krauß, DStR 2019, 960 (961), unter Hinw. auf SEC, Release No. 10600 v. 26.12.2018, Rz. 6 und SEC, Release No. 10571 v. 7.11.2018, Rz. 6. 3 Vgl. Weber/Krauß, DStR 2019, 960 (961); BMF v. 24.5.2013, BStBl. I 2013, 718. 4 So Tz. 5.3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Anm. 3.

230

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 599 § 1

– bereits zu einem Zeitpunkt an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, als auf deren Ebene der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht worden ist1. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform des unmittelbaren Gesellschafters. Damit kann auch eine Personengesellschaft unmittelbarer Alt- bzw. Neugesellschafter einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft sein2.

595

Ein Gesellschafter verliert seine Stellung als Altgesellschafter, wenn er seine Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft überträgt und damit (wenn auch nur für kurze Zeit) nicht mehr an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist.

596

b) Bestimmung von Altgesellschaftern auf mittelbarer Beteiligungsebene aa) Altgesellschaftereigenschaft von an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern Altgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft können unter bestimmten Voraussetzun- 597 gen auch solche Gesellschafter sein, die mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Eine solche Altgesellschaftereigenschaft kommt demjenigen Rechtsträger zu, der bereits – im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 1 Abs. 2b GrEStG über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, – im Zeitpunkt der Gründung der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, – vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt war und durchgehend geblieben ist, – im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks durch die grundbesitzende Kapitalgesellschaft über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, oder – bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sein wird3. bb) Altgesellschaftereigenschaft von an einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschaftern Über zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligte 598 Gesellschafter werden von der Finanzverwaltung voraussichtlich selbst nicht als Altgesellschafter der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft qualifiziert. Nur Kapitalgesellschaften selbst können nach voraussichtlicher Verwaltungsansicht (wenn die bisher von der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertretenen Grundsätze auf § 1 Abs. 2b GrEStG übertragen werden) unmittelbare oder (über Personengesellschaften vermittelt) mittelbare Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft sein4. Eine Kapitalgesellschaft wird ihrerseits zur Neugesellschafterin der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft oder der zwischengeschalteten Gesellschaft, an der sie beteiligt ist, wenn sich ihr Gesellschafter-

1 Vgl. Tz. 5.2.1.1. der gleichlautenden v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 2 Vgl. Tz. 5.2.1.1. der gleichlautenden v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 3 Vgl. Tz. 5.2.1.2. der gleichlautenden v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 4 Vgl. Tz. 5.2.3.1. der gleichlautenden v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314.

Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG

Behrens

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599

§ 1 Rz. 599 Erwerbsvorgänge bestand zu mindestens 90 % ändert1. Entscheidend ist somit, ob die Gesellschafter der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft als Altgesellschafter dieser zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft zu qualifizieren sind. 600

Altgesellschafter in Bezug auf eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft ist nach voraussichtlicher Verwaltungsansicht ein Rechtsträger, der bereits – im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 1 Abs. 2b GrEStG an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligt ist, – bei Gründung der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft Gesellschafter der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft ist, wenn die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft Gründungsgesellschafterin der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist, – im Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft durch die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligt ist, – im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die dann grundbesitzende Kapitalgesellschaft an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligt ist, oder – im Zeitpunkt der nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG erfolgenden Umqualifizierung der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft in eine Neugesellschafterin der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligt war2.

601

Nach umstrittener Auffassung der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 2a GrEStG kann ein Gesellschafter einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – anders als ein unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschafter beteiligter Gesellschafter – nicht allein durch Zeitablauf Altgesellschafter in Bezug auf diese Kapitalgesellschaft werden3. Würde diese sog. Ewigkeitsbetrachtung von der Finanzverwaltung auch bei § 1 Abs. 2b Satz GrEStG angewandt werden, würde ein Gesellschafter einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft nicht zum Altgesellschafter der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft, wenn er länger als zehn Jahre an der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Die herrschende Auffassung in der Literatur sieht diese Ewigkeitsklausel im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als unzulässig an4; dasselbe hat für § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG zu gelten, d.h. auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG können auf allen Ebenen der Beteiligungsketten jeweils, d.h. auf der jeweiligen Ebene nur solche Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter zusammengerechnet werden, die bezogen auf alle Ebenen innerhalb desselben Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgen.

III. Übergang von Anteilen an Personengesellschaften, die an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind (Multiplikation der Vomhundertsätze, Satz 2) 602

Gemäß § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG werden Änderungen im Gesellschafterbestand der an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligten Personengesellschaft durch Multiplikation der prozentualen Höhen der Beteiligung an der Personengesellschaft sowie ihrer Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft berücksichtigt. Übergänge der Anteile an (an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligten) Personengesellschaften auf Neugesellschafter werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt5. Zwischengeschaltete Personengesellschaften werden daher insoweit als transparent behandelt. Dies gilt auch bei mehrstöckigen Personengesellschaftsketten, auch wenn der Gesetzeswortlaut insoweit keine ausdrückliche Regelung enthält. 1 Vgl. § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG, der selbst den Zehn-Jahres-Zeitraum nicht erwähnt. 2 Vgl. Tz. 5.2.3.2. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 3 Vgl. Tz. 5.2.3.1. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 4 Z.B. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 308; Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 874. 5 Zu § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG vgl. Tz. 5.3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314.

232

Behrens

Rz. 605 § 1

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind die A-GmbH und die A-KG zu je 50 % beteiligt. A hält eine 90%ige Beteiligung an der A-KG. Die restlichen 10 % werden von B gehalten. Die A-GmbH überträgt ihre Anteile an der G-GmbH nun auf die B-GmbH. A überträgt eine 80%ige Beteiligung an der A-KG auf C.

Zielstruktur

Ausgangsstruktur A

B

90 % A-GmbH

A

10 % A-KG

50 %

C

10 % B-GmbH

50 %

B

80 % 10 % A-KG

50 %

G-GmbH

50 % G-GmbH

Im Beispiel ergibt sich insgesamt eine Neugesellschafterquote von 90 %. Es fällt Steuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG an. Durch die Übertragung der Anteile von der A-GmbH auf die B-GmbH kommt es zu einem tatbestandsmäßigen Übergang von Anteilen auf einen Neugesellschafter in Höhe von 50 %. Die Übertragung der 80%igen Beteiligung von A auf C wird gem. § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG durch eine Durchrechnung der Beteiligung des C als neuer Gesellschafter der A-KG über die Beteiligung der A-KG an der G-GmbH berücksichtigt und trägt daher in Höhe von 40 % (80 % × 50 %) zur sog. Neugesellschafterquote bei. Die 90 %-Schwelle ist erreicht (50 % plus 40 %). Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH ist die A-KG mit 90 % und A mit 10 % beteiligt. An der A-KG ist wiederum die B-KG vermögensmäßig zu 100 % beteiligt. A und B sind je zu 50 % Gesellschafter der B-KG. Die B-KG überträgt nun ihre Beteiligung an der A-KG auf die C-KG, an der A und C zu je 50 % beteiligt sind.

Ausgangsstruktur A 50 %

Zielstruktur

B 50 %

A 50 %

B-KG

C 50 %

C-KG

100 % A-KG

100 %

A

90 %

10 % G-GmbH

603

A-KG

A

90 %

10 % G-GmbH

Behrens

233

604

605

§ 1 Rz. 606 Erwerbsvorgänge 606

§ 1 Abs. 2b GrEStG wird vorliegend verwirklicht. Durch die Übertragung der Beteiligung an der A-KG von der B-KG auf die C-KG gehen durchgerechnet 90 % der Anteile an der G-GmbH mittelbar auf die C-KG als neue Gesellschafterin über. Dass an der C-KG auch A beteiligt ist, lässt die sog. Neugesellschaftereigenschaft der C-KG unberührt. Begünstigungen nach § 6 Abs. 3 GrEStG stehen von vornherein nicht zur Verfügung, weil die G-GmbH keine Gesamthand ist.

IV. Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Kapitalgesellschaft (Satz 3) 607

Anders als zwischengeschaltete Personengesellschaften werden zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 2b Sätze 3 bis 5 GrEStG nicht als transparent angesehen. Nach § 1 Abs. 2b Satz 4, Satz 5 GrEStG wird eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vielmehr ihrerseits zur Neugesellschafterin der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft oder der zwischengeschalteten Gesellschaft, an der sie beteiligt ist, wenn mindestens 90 % ihrer Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Wird diese Schwelle erreicht bzw. überschritten und die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft ihrerseits als Neugesellschafterin behandelt, gelten die von ihr gehaltenen Anteile nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG in vollem Umfang als auf Neugesellschafter übergegangen. Eine Quotelung erfolgt insoweit nicht (sog. Allesoder-nichts-Prinzip).

V. Unmittelbar (oder über eine Personengesellschaft) an einer Kapitalgesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft (Satz 4) 608

609

Sind Kapitalgesellschaften an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt, kommt eine Durchrechnung nicht in Betracht. Vielmehr wird die Kapitalgesellschaft selbst gem. § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG in vollem Umfang als Neugesellschafterin behandelt, wenn mindestens 90 % der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter, d.h. bisher nicht an dieser beteiligten Kapitalgesellschaft Beteiligten übergegangen sind. Die mehrfache Übertragung desselben Anteils zählt nur einmal. Auch wenn Satz 4 die Beschränkung auf den Zehn-Jahres-Zeitraum nicht ausdrücklich erwähnt, gilt sie, und zwar dergestalt, dass nur Anteilsübergänge zusammengerechnet werden können, die innerhalb der auf allen Ebenen identischen Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgen. Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind die A-GmbH mit 80 % und D mit 20 % beteiligt. Alleingesellschafter der A-GmbH ist A. A überträgt im Jahr 01 die Anteile an der A-GmbH auf B. B überträgt seine Anteile im Jahr 08 auf C.

Ausgangsstruktur

Jahr 01

A 100 % A-GmbH

20 % G-GmbH

C

100 %

D

80 %

610

Jahr 08

B

A-GmbH

100 %

D

80 %

20 % G-GmbH

A-GmbH

D

80 %

20 % G-GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG wird nicht verwirklicht. Im Jahr 01 gehen 100 % der Anteile der A-GmbH auf B als Neugesellschafter über, womit die A-GmbH gem. § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG ihrerseits als Neugesellschafterin der G-GmbH

234

Behrens

E Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (Abs. 2b)

Rz. 613 § 1

gilt. Die von der A-GmbH gehaltenen 80 % der Anteile an der G-GmbH gelten daher in vollem Umfang (80 %) als auf einen Neugesellschafter übergegangen. Es ergibt sich daher auf Ebene der G-GmbH eine Neugesellschafterquote in Höhe von 80 %. Diese ändert sich im Jahr 08 durch die Weiterübertragung der Anteile an der A-GmbH von B auf C nicht, weil der Altgesellschafter D weiterhin 20 % der Anteile an der G-GmbH hält. Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind die A-GmbH mit 10 %, D mit 80 % und E mit 10 % beteiligt. An der A-GmbH sind A (10 %), B (80 %) und C (10 %) beteiligt. B und C übertragen ihre Anteile an der A-GmbH auf Y und Z. D überträgt seine Anteile an der G-GmbH auf X.

Zielstruktur

Ausgangsstruktur C B 80 % 10 %

A 10 %

A-GmbH

Z Y 80 % 10 %

A 10 %

A-GmbH

E D 80 % 10 %

10 %

E X 80 % 10 %

10 %

G-GmbH

G-GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG wird verwirklicht. Durch die Übertragung der Anteile an der A-GmbH von B bzw. C auf Y bzw. Z gehen 90 % der Anteile an der A-GmbH auf Neugesellschafter über. Die A-GmbH gilt daher ihrerseits nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin der G-GmbH. Die von der A-GmbH gehaltenen Anteile an der G-GmbH (10 %) gelten daher in vollem Umfang als auf einen Neugesellschafter übergegangen. Dadurch, dass auch D seine Anteile (80 %) auf X überträgt, ergibt sich auf Ebene der G-GmbH eine Neugesellschafterquote i.H.v. 90 %. Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind die A-GmbH mit 90 % und A mit 10 % beteiligt. Gesellschafter der A-GmbH sind die B-KG (90 %) und B (10 %). An der B-KG sind C und D zu 90 % bzw. zu 10 % beteiligt. A überträgt seine Anteile an der G-GmbH auf E. C überträgt seine Beteiligung an der B-KG auf F.

Ausgangsstruktur

Zielstruktur

D

C 90 %

D

F

10 %

90 %

B-KG

10 % A-GmbH

10 % G-GmbH

B

90 %

A

90 %

10 % B-KG

B

90 %

611

10 % A-GmbH

E

90 %

10 % G-GmbH

Behrens

235

612

613

§ 1 Rz. 614 Erwerbsvorgänge 614

§ 1 Abs. 2b GrEStG wird nicht verwirklicht. Auf Ebene der grundbesitzenden G-GmbH ergibt sich lediglich eine Neugesellschafterquote von 10 %. Dies beruht allein auf der Übertragung der Anteile von A auf E. Die A-GmbH kann nicht nach § 1 Abs. 2b Sätze 3 bis 5 GrEStG als Neugesellschafter der G-GmbH qualifiziert werden. Die Übertragung der Beteiligung an der B-KG von C auf F wird auf Ebene der A-GmbH im Wege der Durchrechnung berücksichtigt. Weil lediglich 81 % (90 % × 90 %) der Anteile an der A-GmbH auf neue Gesellschafter übergangen sind, kann die A-GmbH ihrerseits nicht als Neugesellschafterin der G-GmbH qualifiziert werden (sog. Alles-oder-nichtsPrinzip). Die 90%ige Beteiligung der A-GmbH an der G-GmbH gilt daher nicht als auf eine neue Gesellschafterin übergegangen.

VI. Mehrstufige Beteiligung mittelbar beteiligter Kapitalgesellschaften (Satz 5) 615

616

Diese Grundsätze gelten nach § 1 Abs. 2b Satz 5 GrEStG auf jeder Beteiligungsebene. Bei mehrstufigen Beteiligungen ist die 90 %-Grenze in Beteiligungsketten daher „von unten nach oben“ auf Ebene jeder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft zu prüfen1. Es sind nur solche Übergänge von Anteilen auf der jeweiligen Beteiligungsebene zusammenzurechnen, die innerhalb des auf allen Beteiligungsebenen identischen Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgen. Beispiel: An der grundbesitzenden E-GmbH ist seit mindestens zehn Jahren bzw. seit Erwerb des Grundstücks durch die E-GmbH die T-GmbH in Höhe von 10,1 % beteiligt. Die restlichen 89,9 % der Anteile an der E-GmbH sind in den letzten zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen. Dasselbe gilt auf Ebene der Gesellschafter der T-GmbH. Bisheriger Alleingesellschafter der M-GmbH ist A, der 90 % der Anteile an der M-GmbH auf N überträgt.

N

A 100 % ./. 90 % = 10 %

90 %

M-GmbH 10,1 %

Die restlichen 89,9 % sind auf neue Gesellschafter übergegangen.

T-GmbH 10,1 %

Die restlichen 89,9 % sind auf neue Gesellschafter übergegangen.

E-GmbH

617

Es ist von unten nach oben auf jeder Beteiligungsebene zu prüfen, ob 90 % der Anteile an der betreffenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Weil von den Anteilen an der E-GmbH und von den Anteilen an der T-GmbH jeweils nur 89,9 % innerhalb der letzten zehn Jahre bzw. seit Erwerb des Grundstücks durch die E-GmbH auf neue Gesellschafter übergegangen sind, gilt weder die E-GmbH noch die T-GmbH als neu. Dadurch, dass A 90 % der Anteile an der M-GmbH in einem Akt, d.h. innerhalb von zehn Jahren, auf N überträgt, gilt die M-GmbH als neue Gesellschafterin der T-GmbH und die T-GmbH als neue Gesellschafterin der E-GmbH. Weil jeweils die restlichen 89,9 % der Anteile an der E-GmbH und an der T-GmbH innerhalb der letzten zehn Jahre auf neue Gesellschafter übergegangen sind, wird Steuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst. 1 Zu § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. Tz. 5.3. der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314.

236

Behrens

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 620 § 1

VII. Erwerb von Anteilen von Todes wegen (Satz 6) Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes, zu dem sich der Gesellschafterbestand der grundbesitzen- 618 den Kapitalgesellschaft geändert hat, bleibt der Erwerb von Anteilen von Todes wegen gemäß Satz 6 außer Betracht. Dies gilt für Anteilsübergänge von Todes wegen auf allen Beteiligungsebenen. Diese Regelung entspricht § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG. Es wird daher auf die Kommentierung von § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG verwiesen1. M.E. ist der von Todes wegen einen Anteil Erwerbende sog. Altgesellschafter, wenn der Erblasser sog. Altgesellschafter war.

F. Börsenklausel (Abs. 2c) Literatur: Bauderer/Fleischer/Zingler, Regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen, RdF 2021, 202; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals am 1.7.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – Beschlüsse der Finanzministerkonferenz, Praxisfolgen, verfassungsrechtliche Probleme, DStR 2018, 1521; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelungen der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offen Fragen, DStR 2021, 2383; Fischer, Die Reichweite der Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG bei öffentlichen Übernahmeangeboten, BB 2021, 2391; Förster/Mendling, Die Neureglungen des § 1 Abs. 2b, 2c GrEStG für Share Deals in GrESt-Recht, DB 2021, 1974; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil II, DStR 2021, 1272; Stoschek, Share Deals – Börsenklausel ohne Folgen?, DStR 2021, 2021; Wagner, GrESt bei Share Deals: Besonderheiten bei Fondsstrukturen und börsennotierten Gesellschaften, geplante Änderungen nach dem RefE, DB 2019, 1409; Weber/Krauß, ADRs, Pre-Release ADRs und „Phantom-Aktien“: Zivilund steuerrechtliche Konsequenzen der (unterbliebenen) Aktienhinterlegung, DStR 2019, 960.

I. Zweck der sog. Börsenklausel Über die Börse abgewickelte Anteilseignerwechsel haben in aller Regel, zumindest was den täglichen Börsenhandel anbelangt, mit Grunderwerbsteuer-Vermeidung nichts zu tun. Im Vordergrund steht das Ziel der Kapitalbeschaffung. Es ist daher folgerichtig, über die Börse erfolgende Anteilsübergänge aus den Tatbeständen von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG herauszunehmen, d.h. solche Anteilsübergänge nicht als sog. Zählerwerbe zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat dies mit dem Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.20212 in § 1 Abs. 2c – allerdings unter engen Voraussetzungen – umgesetzt. In den Gesetzesmaterialien3 wird die Einfügung von § 1 Abs. 2c wie folgt begründet:

619

„Die Ausgabe von Anteilen und deren Verbreitung über die Börse ist für Kapitalgesellschaften ein 620 gängiges Mittel zur Kapitalbeschaffung. Beim Handel mit solchen Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz stehen grundsätzlich andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund. Das Interesse des Erwerbers der Anteile betrifft vorrangig die Ertragskraft der Kapitalgesellschaft und grundsätzlich nicht die im Vermögen der Kapitalgesellschaft enthaltenen Grundstücke. Jedoch führt ein solcher Handel mit Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz zu Wechseln der Anteilseigner und wäre im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG zu berücksichtigen. Unter den weiteren Voraussetzungen würde dies zu einer Besteuerung führen, obwohl regelmäßig keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt. Diese Problematik stellt sich auch bei der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung bedarf es daher dem Sinn und Zweck der Vorschriften entsprechend einer Ausnahmeregelung für solche Anteilsübergänge, die auf Grund eines Geschäfts über die Börse, einen äquivalenten Dritthandelsplatz oder ein sonstiges der Verordnung (EU) Nummer 600/2014 (MiFIR) unterfallendes multilaterales Handelssys-

1 Vgl. Rz. 460 ff. 2 Vgl. BGBl. 2021, Teil I Nr. 23, ausgegeben am 17.5.2021. 3 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 28.

Behrens

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F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 620 § 1

VII. Erwerb von Anteilen von Todes wegen (Satz 6) Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes, zu dem sich der Gesellschafterbestand der grundbesitzen- 618 den Kapitalgesellschaft geändert hat, bleibt der Erwerb von Anteilen von Todes wegen gemäß Satz 6 außer Betracht. Dies gilt für Anteilsübergänge von Todes wegen auf allen Beteiligungsebenen. Diese Regelung entspricht § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG. Es wird daher auf die Kommentierung von § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG verwiesen1. M.E. ist der von Todes wegen einen Anteil Erwerbende sog. Altgesellschafter, wenn der Erblasser sog. Altgesellschafter war.

F. Börsenklausel (Abs. 2c) Literatur: Bauderer/Fleischer/Zingler, Regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen, RdF 2021, 202; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals am 1.7.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – Beschlüsse der Finanzministerkonferenz, Praxisfolgen, verfassungsrechtliche Probleme, DStR 2018, 1521; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelungen der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offen Fragen, DStR 2021, 2383; Fischer, Die Reichweite der Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG bei öffentlichen Übernahmeangeboten, BB 2021, 2391; Förster/Mendling, Die Neureglungen des § 1 Abs. 2b, 2c GrEStG für Share Deals in GrESt-Recht, DB 2021, 1974; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil II, DStR 2021, 1272; Stoschek, Share Deals – Börsenklausel ohne Folgen?, DStR 2021, 2021; Wagner, GrESt bei Share Deals: Besonderheiten bei Fondsstrukturen und börsennotierten Gesellschaften, geplante Änderungen nach dem RefE, DB 2019, 1409; Weber/Krauß, ADRs, Pre-Release ADRs und „Phantom-Aktien“: Zivilund steuerrechtliche Konsequenzen der (unterbliebenen) Aktienhinterlegung, DStR 2019, 960.

I. Zweck der sog. Börsenklausel Über die Börse abgewickelte Anteilseignerwechsel haben in aller Regel, zumindest was den täglichen Börsenhandel anbelangt, mit Grunderwerbsteuer-Vermeidung nichts zu tun. Im Vordergrund steht das Ziel der Kapitalbeschaffung. Es ist daher folgerichtig, über die Börse erfolgende Anteilsübergänge aus den Tatbeständen von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG herauszunehmen, d.h. solche Anteilsübergänge nicht als sog. Zählerwerbe zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat dies mit dem Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.20212 in § 1 Abs. 2c – allerdings unter engen Voraussetzungen – umgesetzt. In den Gesetzesmaterialien3 wird die Einfügung von § 1 Abs. 2c wie folgt begründet:

619

„Die Ausgabe von Anteilen und deren Verbreitung über die Börse ist für Kapitalgesellschaften ein 620 gängiges Mittel zur Kapitalbeschaffung. Beim Handel mit solchen Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz stehen grundsätzlich andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund. Das Interesse des Erwerbers der Anteile betrifft vorrangig die Ertragskraft der Kapitalgesellschaft und grundsätzlich nicht die im Vermögen der Kapitalgesellschaft enthaltenen Grundstücke. Jedoch führt ein solcher Handel mit Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz zu Wechseln der Anteilseigner und wäre im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG zu berücksichtigen. Unter den weiteren Voraussetzungen würde dies zu einer Besteuerung führen, obwohl regelmäßig keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt. Diese Problematik stellt sich auch bei der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung bedarf es daher dem Sinn und Zweck der Vorschriften entsprechend einer Ausnahmeregelung für solche Anteilsübergänge, die auf Grund eines Geschäfts über die Börse, einen äquivalenten Dritthandelsplatz oder ein sonstiges der Verordnung (EU) Nummer 600/2014 (MiFIR) unterfallendes multilaterales Handelssys-

1 Vgl. Rz. 460 ff. 2 Vgl. BGBl. 2021, Teil I Nr. 23, ausgegeben am 17.5.2021. 3 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 28.

Behrens

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§ 1 Rz. 620 Erwerbsvorgänge tem (MTF) erfolgen. Daher wird in § 1 Abs. 2c in Ergänzung zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b eine Ausnahmeregelung eingefügt, die die Wirkung der Ergänzungstatbestände ziel- und sachgerecht begrenzt.“ 621

Auch wenn in der Gesetzesbegründung nicht angemerkt, dient § 1 Abs. 2c auch dem Zweck, dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit infolge strukturellen Vollzugsdefizits von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b infolge faktischer Unmöglichkeit der Ermittlung (mittelbarer) Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter beim Anteilseignerwechsel über die Börse entgegen zu wirken1.

622

§ 1 Abs. 2c trat am 1.7.2021 in Kraft, ist aber auf alle offenen Fälle anzuwenden2.

II. Keine Bedeutung für die Fälle der Anteilsvereinigung 623

Abs. 2c hat keine Bedeutung für die Anteilsvereinigungs-Tatbestände in Abs. 3 und Abs. 3a. Über qualifizierende Börsen erfolgende Aktienerwerbe können mithin nach Abs. 3 oder Abs. 3a Steuer auslösen.

III. Historie 624

Die Tatbestände in Abs. 2a und Abs. 2b erfassen unmittelbare und mittelbare Übergänge von Anteilen an grundbesitzenden Personen- und Kapitalgesellschaften auf neue Gesellschafter. Erfasst sind zum einen Übergänge von Anteilen an in- und ausländischen Objektgesellschaften, börsennotierten Immobilien AGs und REITs, aber auch Übergänge von Anteilen an sonstigen börsennotierten in- und ausländischen Gesellschaften, wenn diese – und wenn auch nur in untergeordnetem Umfang – selbst oder über Beteiligungsgesellschaften inländische Grundstücke halten. Dies betrifft auch Konzernoberund Holdingsgesellschaften von Industrie-, Versicherungs- und Bankkonzernen mit grundbesitzenden Konzerngesellschaften. Übergänge von Anteilen an den letztgenannten Gesellschaften sind nicht von der Zielsetzung der zur typisierenden Missbrauchsvermeidung vom Gesetzgeber eingefügten Abs. 2a und Abs. 2b erfasst, d.h. um vom Gesetzgeber als missbräuchlich empfundene Share-Deal-Gestaltungen zu verhindern bzw. Share-Deal-Gestaltungen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. In der Praxis können solche Anteilsübergänge im Rahmen eines fortlaufenden Monitorings nicht registriert werden, wenn Aktien im Streubesitz über verschiedenste Depots weltweit ggf. täglich mehrfach gehandelt werden3.

625

In dem Bemühen, ein ggf. strukturelles Vollzugsdefizit von Abs. 2a zu vermeiden, war daher schon unter der Geltung von Abs. 2a ab 20004 gefordert worden, zumindest Übergänge von Anteilen an der Börse vom Tatbestand auszunehmen, allerdings ohne Erfolg. Auch noch im Referentenentwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung der E-Mobilität einschließlich von Änderungen des GrEStG entsprechend dem Modell 1 und einiger der diskutierten Einzelmaßnahmen vom 8.5.2019 und im Ent-

1 Vgl. Fischer, BB 2021, 2391 (2392), auch mit dem Hinweis, § 1 Abs. 2b wäre ohne die Entlastung durch eine Börsenklausel „eher eine Börsenumsatzsteuer“. Seine Befürchtung, dass ohne Börsenklausel bei einem vollständigen Umschlag der Anteile über die Börse die Gefahr einer regelmäßigen, nach wenigen Jahren wiederkehrenden „Dauer-Grunderwerbsteuer“ für grundbesitzende AGs bestünde, erscheint vor dem Hintergrund der Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b, wonach nur Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter relevant sind und die Mehrfachübertragung ein- und desselben Anteils nicht doppelt bzw. mehrfach gezählt werden darf, allerdings als eher abwegig. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 12.5.2021, BStBl. I 2021, 1006, Anm. 1. 3 Vgl. Behrens/Dworog, BB 2018, 1943 (1946); Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1115 f.); Stoschek, DStR 2021, 2021, auch mit dem Hinw. darauf, dass kapitalmarktrechtliche Meldepflichten nach WpHG und entsprechender ausländischer Vorschriften keine Basis für eine gebotene vollständige Erfassung aller Anteilsübergänge im globalen Aktienhandel bieten, weil insoweit nur Schwellenwerte für Aktienpakete relevant seien, zudem nicht allein an das Eigentum an Aktien, sondern an die Kontrolle über Stimmrechte angeknüpft werde, die sich aus anderen Rechtsverhältnissen ergeben könne. 4 Seit dem 1.1.2000 erfasst § 1 Abs. 2a GrEStG auch mittelbare Anteilsübergänge.

238

Behrens

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 628 § 1

wurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des GrEStG vom 9.8.20191 wurde diese Anregung nicht berücksichtigt. Jedoch umfassten die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats vom 9.9.20202 sowie die Stel- 626 lungnahme des Bundesrats vom 20.9.20193 die Empfehlung, jeweils in einem neuen Satz 7 vom Abs. 2a und Abs. 2b eine Börsenklausel aufzunehmen, um den Übergang börsennotierter Aktien auf neue Gesellschafter vom Tatbestand von Abs. 2a und Abs. 2b auszunehmen. Nach dieser BundesratsEmpfehlung sollte in Abs. 2a und Abs. 2b jeweils ein Satz 7 neu eingefügt werden, wonach bei § 1 Abs. 2a GrEStG die Sätze 3 bis 54 und bei § 1 Abs. 2b GrEStG die Sätze 1 sowie 3 bis 5 für Kapitalgesellschaften nicht gelten, bei denen die Anteile, die den überwiegenden Teil des Kapitals der Gesellschaft repräsentieren, zum Handeln an einem in Inland, in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedsstaat betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem Drittland-Handelsplatz zugelassen sind, der gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannt worden ist. Nach dem vorgeschlagenen § 1 Abs. 2b Satz 7 GrEStG sollte Satz 1 von § 1 Abs. 2b GrEStG für an einer qualifizierenden Börse notierte grundbesitzende Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften mit Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften nicht gelten. In seiner Begründung wies der BR-Finanzausschuss darauf hin, dass sich die Problematik, dass es sich bei der Ausgabe von Anteilen und deren Verbreitung über die Börse für Kapitalgesellschaften um ein gängiges Mittel zur Kapitalbeschaffung handele und beim Handeln mit solchen Anteilen über eine Börse grundsätzlich andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund stünden, bereits zuvor bei § 1 Abs. 2a GrEStG gestellt hatte und auch weiterhin stelle, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist5. Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung bedürfe es daher dem Sinn und Zweck der Vorschriften entsprechend einer Ausnahmeregelung für solche Kapitalgesellschaften, bei denen die Anteile zum Handeln an einer Börse zugelassen sind. Durch den jeweiligen Satz 7 würde die Wirkung der Ergänzungsbestände „ziel- und sachgerecht“ begrenzt. Um eine ungerechtfertigte Ausnutzung dieser Börsenklausel zu verhindern, sollte diese Börsenklausel aber nur greifen, wenn die zum Handel an der Börse zugelassenen Anteile den überwiegenden Teil des Kapitals repräsentieren. Weil in den wenigsten Fällen die Mehrheit der Anteile der betreffenden AG bzw. KGaA börsennotiert sind, wäre die vom Bundesrat-Finanzausschuss in den Empfehlungen vom 9.9.20196 vorgeschlagene Börsenklausel praktisch ohne Anwendungsbereich geblieben7.

627

Dass die Börsenklausel ohne Anwendungsbereich bleibt, wird durch die vom Finanzausschuss des Bundestages am 15.4.20218 vorgeschlagene Fassung der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG, die am 1.7.2021 in Kraft getreten ist9, verhindert. Danach werden Anteilsübergänge bei der Ermittlung der 90 %-Quote von § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht berücksichtigt, wenn – die Anteile der Gesellschaft in einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind (z.B. im Prime Standard oder General Standard der Frankfurter Börse, nicht jedoch im Open Market oder Scale-Segment für Wachstumsaktien) und – der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an einem solchen Markt oder einem multilateralen Handelssystem (MTF) i.S.d. MIFID II/MIFIR erfolgt.

628

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BR-Drucks. 355/19 v. 9.8.2019. Vgl. BR-Drucks. 355/1/99 v. 9.9.2020. Vgl. BT-Drucks. 19/13437. Die Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft selbst können nach deutschem Recht nicht an einer Börse notiert sein. Dies wird auch in BT-Drucks. 19/28528 v. 15.4.2021, S. 31, ausdrücklich anerkannt. BR-Drucks. 355/1/19. In der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats stimmte die Bundesregierung zu, merkte jedoch an, dass die konkrete Ausgestaltung des Vorschlags der vertieften Prüfung bedürfe; vgl. BT-Drucks. 19/13546 v. 25.9.2019, zu BT-Drucks. 19/13437. Vgl. BT-Drucks. 10/28528. Vgl. Art. 2 des GrEStÄndG, BGBl. I 2021, 986 ff.

Behrens

239

§ 1 Rz. 629 Erwerbsvorgänge 629

Entsprechendes gilt auch für von der EU-Kommission für gleichwertig erklärte Drittlandhandelsplätze. Als solche Drittlandhandelsplätze sind derzeit jedoch nur die USA1, Hong Kong2, Australien3 und Singapur4 erfasst, bisher jedoch unter anderem nicht Großbritannien und die Schweiz. Die Einstufung der Börsen Australiens, Hong Kongs und der USA als gleichwertig erfolgte unbefristet, im Falle Singapurs unter dem Vorbehalt einer alle drei Jahre durchzuführenden Überprüfung.

IV. Bewertung 1. Praktische Auswirkungen 630

In der Literatur wird befürchtet, dass § 1 Abs. 2c GrEStG ohne Folgen bleiben wird, weil börsennotierte AGs vor erhebliche praktische Probleme gestellt seien; die Übertragung von Anteilen im Rahmen des Börsenhandels sei hinsichtlich des Umfangs der Übertragungen und der beteiligten Parteien praktisch kaum ermittelbar5. In der Tat ist unklar, wie insbesondere angesichts der regelmäßig vielstufigen Verwahrketten eine hinreichende Sachverhaltsermittlung erreichbar sein soll. Selbst bei Streichung von § 10 Abs. 3 Börsengesetz6 stehen auch der Finanzverwaltung möglicherweise keine hinreichenden Sachverhaltsermittlungsinstrumente zur Verfügung7. Es stellt sich die Frage, ob bzw. was AGs und KGaAs bzw. entsprechende ausländische Gesellschaften, die die an ihnen bestehenden Aktien ganz oder teilweise an einer oder an mehreren Börsen zum Handel zugelassen haben, in Erfüllung ihrer steuerlichen Mitwirkungspflichten nach § 90 AO veranlassen sollten, um die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2c GrEStG erfüllende und damit nicht als Zählerwerbe zu erfassende Aktienübergänge zu ermitteln und zu dokumentieren. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug haben die Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 AO im Grundsatz alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Jedoch ist die Verpflichtung der Beteiligten zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung durch die Grundsätze der Geeignetheit, der Erforderlichkeit, der Möglichkeit, der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit begrenzt8. M.E. kommt nicht in Betracht, dass solche AGs und KGaAs die außersteuerlichen know-your-shareholder-Regelungen z.B. in § 67d AktG und ab 1.1.2025 § 45b Abs. 9 EStG auch für die Zwecke der Sachverhaltsermittlung in Bezug auf § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 2c GrEStG anwenden müssen. Diese Regelungen sind zu anderen Zwecken und ohne Rücksicht auf § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 2c GrEStG eingeführt worden. Die sich aus diesen Regelungen ergebenden Informationsansprüche sind nicht darauf gerichtet, Angaben zu Aktionären bzw. Übergängen von Aktien mit den für die Zwecke von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 2c GrEStG erforderlichen Detail-Angaben zu erhalten. So sind insbesondere Informationen darüber, ob bestimmte identifizierte Aktionäre sog. Alt- oder Neugesellschafter sind, von § 67d AktG bzw. § 45b Abs. 9 EStG nicht umfasst. M.E. kann die Durchsetzung von Ansprüchen, deren Erfüllung keine hinreichende Sachverhaltskenntnis zur Folge hätte, mangels Geeignetheit dieser Maßnahme nicht verlangt werden. Kapitalmarktrechtliche Meldepflichten nach WpHG und entsprechender ausländischer Vorschriften sind ebenfalls nicht geeignet, die gebotene vollständige Erfassung aller Anteilsübergänge im globalen Aktienhandel zu ermöglichen. Diese Meldepflichten stellen auf bestimmte Schwellenwerte für Aktienpakete (ab 3 % des stimmberechtigten Grundkapitals) und zudem nicht auf das Eigentum an Aktien ab, sondern auf die Kontrolle über Stimmrechte, die sich aus anderen Rechtsverhältnissen und Zurechnungstatbeständen ergeben können. Stimmrechtslose Vorzugsaktien bleiben gänzlich unberücksichtigt. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2320 v. 13.12.2017. Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2319 v. 13.12.2017. Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2318 v. 13.12.2017. Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2019/541 v. 1.4.2019. Vgl. Stoschek, DStR 2021, 2021; Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202 (205). Vgl. BR-Drucks. 435/21 v. 20.5.2021 (Gesetzesantrag Hessen) und BT-Drucks. 19/31872 v. 4.8.2021 (Gesetzesantrag Bundesrat). 7 Außerdem hat das Finanzamt gem. § 88 Abs. 2 AO bei der ihm von Amts wegen obliegenden Ermittlung des Sachverhalts die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten. 8 Vgl. z. B. BFH v. 19.12.2007 – X B 34/07, BFH-NV 2008, 597. Nach der Kommentar-Literatur zu § 8c Abs. 1 KStG kann nach § 90 Abs. 2 AO von der Verlustgesellschaft keine Nachverfolgung konzernexterner, mittelbarer Anteilsbewegungen verlangt werden; vgl. z. B. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 8c KStG Rz. 64.

240

Behrens

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 634 § 1

2. Feststellungslast des Finanzamts Die Frage, ob bestimmte Anteilsübergänge Übergänge auf neue Gesellschafter sind, sowie die Iden- 631 tifizierung des übertragenen Quantums sowie der Übertragungszeitpunkte betreffen die Tatbestände von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG, die jeweils durch § 1 Abs. 2c GrEStG eingeschränkt werden. Auf Tatbestandsebene trifft die Sachverhaltsermittlungspflicht und im Falle der Nicht-Ermittelbarkeit tatbestandsrelevanter Sachverhalte die sog. Feststellungslast das Finanzamt. Gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO muss das Finanzamt den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln, wobei es gem. § 88 Abs. 2 AO Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit zu bestimmen hat. Allerdings sind gem. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet1. Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 AO kommen sie der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflicht entrichtet sich gem. § 90 Abs. 1 Satz 3 AO nach den Umständen des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung muss der potenziell Steuerpflichtige selbst im Rahmen des Gesetzes aktiv bei der Sachverhaltsaufklärung mitwirken2, und zwar auch ungefragt und ohne vorherige Aufforderung durch die Finanzbehörde3. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug haben die Beteiligten dabei gem. § 90 Abs. 2 Satz 2 AO alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Grenzen dieser Aufklärungs- und Beweisvorsorgepflichten sind die Geeignetheit, die Erforderlichkeit, die Möglichkeit, die Zumutbarkeit und die Verhältnismäßigkeit4. Unabhängig davon, ob der Beteiligte im Einzelfall eine etwaige Mitwirkungspflicht erfüllt hat, ist es im Rahmen von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 2c GrEStG unzulässig, Anteilsübergänge (hinzu-)zu schätzen. Denn hierdurch würde die Steuerbarkeit erst begründet. Voraussetzung einer Schätzung ist jedoch die Gewissheit, dass überhaupt ein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt vorliegt5.

632

Im Rahmen von § 1 Abs. 2c GrEStG trifft die Feststellungslast, ob bzw. in welchem Umfang Übergänge an qualifizierenden Börsen zum Handel zugelassener Aktien auf neue Gesellschafter nicht an diesen Börsen bzw. nicht an qualifizierenden multilateralen Handelssysteme erfolgt sind, das Finanzamt. Insbesondere geht aber auch die Nicht-Ermittelbarkeit nicht begünstigter Aktien- und sonstiger Anteilsübergänge, d. h. solcher Anteilsübergänge, die nicht über MiFID-II-/MiFIR-Handelsplätze, sondern insbesondere über nicht für § 1 Abs. 2c GrEStG qualifizierende Börsen und Handelsplätze abgewickelt werden, zu Lasten des Finanzamts.

633

3. Keine generelle Tatbestandslosigkeit im Effekten-Giroverkehr erfolgender Übergänge börsennotierter Aktien Im Gesetzgebungsverfahren war gefordert worden, generell im Effekten-Giroverkehr6 erfolgende 634 Übergänge von Aktien, die an qualifizierenden Börsen zum Handeln zugelassen sind, von den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG auszunehmen. Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Nicht gem. § 1 Abs. 2c GrEStG von den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ausgenommen

1 Ob die potentiell steuerpflichtigen Gesellschaften als Beteiligte anzusehen sind, erscheint allerdings fraglich. Rechtsgrundlage für die Einordnung als Beteiligte könnte allenfalls § 78 Nr. 2 Var. 1 AO sein, wonach Beteiligte u.a. diejenigen sind, „an die die Finanzbehörde den Verwaltungsakt richten will“. 2 Vgl. FG Köln v. 24.4.1986 – V K 77/83, EFG 1986, 474. 3 Vgl. BFH v. 25.8.2009 – I R 88/07, BStBl. II 2016, 438 (441), zu einem Sachverhalt mit Auslandbezug. Allerdings werden die in BFH-Urteil I R 88/07 dargelegten Grundsätze auch als im Rahmen von § 90 Abs. 1 AO relevant wiedergegeben; vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 90 AO Rz. 3. Bezieht sich ein Sachverhalt auf Vorgänge außerhalb Deutschlands, haben die Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 Satz 1 AO diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. 4 Vgl. z.B. BFH v. 19.12.2007 – X B 34/07, BFH-NV 2008, 597. Nach der Kommentar-Literatur zu § 8c Abs. 1 KStG kann nach § 90 Abs. 2 AO von der Verlustgesellschaft keine Nachverfolgung konzernexterner, mittelbarer Anteilsbewegungen verlangt werden; vgl. z.B. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 8c KStG Rz. 64. 5 Vgl. BFH v. 10.2.2015 – V B 87/14, BFH/NV 2015, 662. 6 Effekten-Giroverkehr ist die stückelose, also rein buchmäßige Übertragung von Effekten.

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241

§ 1 Rz. 634 Erwerbsvorgänge sind daher vorbehaltlich der Prüfung der im konkreten Einzelfall erfolgten Rechtsgeschäfte Anteilsübergänge im Rahmen von – IPOs (initial public offerings), – der Begebung neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen, – Wertpapierleihen und Wertpapierpensionsgeschäften sowie – der systematischen Internalisierung nach MiFID II (sog. Matchen von Verkaufs- und Kaufordern des Kunden desselben Wertpapier-Dienstleistungsunternehmens, Verpflichtung zur best execution), obwohl es sich auch insoweit um standardisierte Vorgänge handelt, die nicht auf die Vermeidung von Grunderwerbsteuer ausgerichtet sind. 635

Einstweilen frei. 4. Im Zusammenhang mit Abs. 2c bestehende Rechtsrisiken

636

Vor der Einführung von § 1 Abs. 2c GrEStG ist keine Beihilfe-Notifizierung gem. Art. 107 ff. AEUV bei der EU-Kommission erfolgt. Weil § 1 Abs. 2c GrEStG nur an bestimmten Börsen und DrittlandHandelsplätzen zum Handel zugelassene Aktien bzw. AGs und KGaAs bzw. deren Tochtergesellschaften begünstigt, erscheint nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen, dass § 1 Abs. 2c GrEStG als selektiv i.S.v. Art. 107 AEUV eingeordnet werden könnte. Allerdings erscheint § 1 Abs. 2c GrEStG als grundsätzlich aus der Systematik des GrEStG heraus gerechtfertigt, weil ein (allerdings zu enger) Teilbereich von Anteilsübergängen auf neue Gesellschafter, der mit dem Zweck von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG nichts zu tun hat, aus diesen Tatbeständen herausgenommen wird.

637

Dass nur an qualifizierenden Börsen zum Handeln zugelassene Aktien, die an diesen Börsen oder an qualifizierenden multilateralen Handelssystemen übertragen werden, von den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ausgenommen sind, erscheint unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 GG als problematisch. Auch bei an nicht qualifizierenden Börsen und Dritthandelsplätzen notierten Gesellschaften und bei insgesamt nicht börsennotierten Gesellschaften mit weitverzweigten Beteiligungsketten und Gesellschafterkreisen ist die Sachverhaltsermittlung in vielen Fällen unmöglich. Auch erscheint die Ungleichbehandlung z.B. an der BX Swiss oder an der LSE notierter AGs und KGaAs und deren grundbesitzender Konzerngesellschaften nicht sachgerecht, weil bei diesen Börsen vor nicht langer Zeit die Gleichwertigkeit mit MiFID-II-Börsen noch nicht in Zweifel stand und materiell, d.h. gemessen an den für die Gleichwertigkeit maßgebenden inhaltlichen Kriterien, wohl auch heute nicht in Zweifel steht, das Fehlen der sog. Börsenäquivalenz vielmehr auf politische Umstände zurückzuführen ist, die mit dem Telos von § 1 Abs. 2c GrEStG nichts zu tun haben.

V. Rechtsfolge 1. Tatbestandslosigkeit des unmittelbaren Übergangs an qualifizierenden Börsen notierter Aktien 638

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG erfüllt, bleiben die qualifizierenden unmittelbaren Übergänge von Anteilen an qualifiziert börsennotierten Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.v. § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 und § 1 Abs. 2b Satz 1, Sätze 3 bis 5 GrEStG außer Betracht. Der Gesetzeswortlaut entspricht insoweit dem Wortlaut von § 1 Abs. 2a Satz 6 und § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG, wonach bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht bleibt. Qualifizierende unmittelbare Anteilsübergänge gelten daher für die Zwecke von § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG als nicht geschehen, auch wenn sie auf neue Gesellschafter bzw. neue Aktionäre erfolgen. Insoweit ist maßgeblich, ob und wie beim Aktienhandel im konkreten Fall Eigentum an Aktien übertragen wird. Unklar ist, wie dies für die Gesetzeszwecke erfasst und gezählt werden könnte1. 1 Vgl. Stoschek, DStR 2021, 2021.

242

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Rz. 641 § 1

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

2. Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft des gem. Abs. 2c tatbestandslos Anteile Erwerbenden Rechtsfolge von § 1 Abs. 2c GrEStG ist, dass die Anteilsübergänge, die die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2c GrEStG erfüllen, außer Betracht blieben, d.h. nicht mitgezählt werden. M.E. ist zudem der gem. § 1 Abs. 2c GrEStG tatbestandslos erwerbende Aktienerwerber als sog. Altgesellschafter anzusehen1.

639

3. Tatbestandsmäßigkeit des mittelbaren Übergangs börsennotierter Aktien bei Gesellschafterwechseln auf Ebene an der börsennotierten AG/KGaA beteiligter Aktionäre, die ihrerseits Gesellschaften sind Die Börsenklausel betrifft nur Übergänge von Anteilen, die an einer qualifizierenden Börse notiert sind und deren Übergang auf einen neuen Gesellschafter der AG bzw. KGaA an diesem Markt oder an einem von der EU-Kommission als gleichwertig erklärten Drittland-Handelsplatz oder an einem multilateralen Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) Nr. 600/2014 erfolgen. Ist Inhaberin der börsennotierten Aktien eine Gesellschaft, an der Anteile bestehen, die ihrerseits nicht i.S.v. § 1 Abs. 2c GrEStG qualifiziert börsennotiert sind, sind Übergänge von Anteilen an dieser Aktionärin nicht durch die Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG vom Tatbestand von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG ausgenommen. Wie Anteilsübergänge auf Ebene solcher Aktionäre und, wenn es sich bei den Gesellschaftern dieser Aktionäre wiederum um Gesellschaften handelt, auf Ebene der (unmittelbaren und mittelbaren) Gesellschafter solcher Aktionäre in der Praxis identifiziert werden sollen, ist unklar. Es stellt sich auch vor dem Hintergrund dieser Fallkonstellation die Frage nach dem Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (vgl. Rz. 309, Rz. 517 ff.).

640

4. Tatbestandslosigkeit durch den unmittelbaren Übergang börsennotierter Aktien ausgelöster mittelbarer Anteilsübergänge Ungeachtet der Beschränkung des Verweises im ersten Halbsatz von § 1 Abs. 2c GrEStG auf die Er- 641 mittlung des Vomhundertsatzes i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG gilt die Börsenklausel auch für Grundstücke, die zum Vermögen von Tochter- oder Enkelgesellschaften gehören, an denen die börsennotierte AG oder KGaA ihrerseits beteiligt ist. Obwohl der Einleitungssatz von § 1 Abs. 2c GrEStG nicht ausdrücklich auch auf die jeweiligen Sätze 3 bis 5 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG verweist, ist dennoch auch insoweit der Anteilsübergang auf neue Gesellschafter auf Ebene der Aktionäre der börsennotierten AG oder KGaA unberücksichtigt zu lassen. Die Sätze 3 bis 5 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG beschreiben lediglich die Zählerwerb-Ermittlungssystematik, nicht aber die Rechtsfolge. Weil die Rechtsfolge in Satz 1 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu Ausdruck gebracht ist, stellt der Verweis nur auf die Sätze 1 von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG im Einleitungssatz von § 1 Abs. 2c GrEStG keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Börsenklausel dar. Wollte man den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2c GrEStG als auf unmittelbare Anteilsübergänge beschränkt ansehen, hätte die Börsenklausel für § 1 Abs. 2a GrEStG keinen Anwendungsbereich und griffe auch bei § 1 Abs. 2b viel zu kurz, was vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung2 nicht beabsichtigt ist. Auch die Finanzverwaltung sieht die Rechtsfolge von § 1 Abs. 2c GrEStG nicht als auf unmittelbare Anteilsübergänge beschränkt an. Nach dem letzten Satz von Anm. 1 der gleichlautenden Ländererlasse zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des GrEStG vom 29.6.20213 ist § 1 Abs. 2c GrEStG „auf alle offenen Fälle anzuwenden“, erklärt also rückwirkend auch solche über qualifizierende Börsen abgewickelten Anteilsübergänge für tatbestandslos, die bereits vor dem 1.7.2021 erfolgt waren. Für die Zeit vor dem 1.7.2021 hat § 1 Abs. 2c GrEStG jedoch ausschließlich Bedeutung für grundbesitzende Personengesellschaften. Beteiligungen an Personengesellschaften können grundsätzlich nicht zum Handel an qualifizierenden Börsen zugelassen werden. Die Anweisung in Anm. 1 der gleichlautenden Ländererlasse vom 29.6.2021 hat also ausschließlich 1 Anders als beim Übergang von Anteilen von Todes wegen nach § 1Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6; vgl. dazu Rz. 460 bis Rz. 461.2, Rz. 618, kann bei Aktienerwerben über die Börse nicht festgestellt werden, ob der Veräußerer Alt- oder Neugesellschafter war. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 31. 3 Vgl. BStBl. I 2021, 1006.

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243

§ 1 Rz. 641 Erwerbsvorgänge Bedeutung für über qualifizierende Börsen abgewickelte Übergänge von Aktien an AGs bzw. KGaAs, die ihrerseits an grundbesitzenden Personengesellschaften beteiligt sind. Dass § 1 Abs. 2c GrEStG auf alle offenen Fälle anzuwenden ist, betrifft mithin ausschließlich mittelbare Anteilsübergänge im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG. Würde die Finanzverwaltung § 1 Abs. 2c GrEStG als auf unmittelbare Anteilsübergänge beschränkt ansehen, machte die Aussage, dass § 1 Abs. 2c GrEStG auf alle offenen Fälle anzuwenden ist, keinen Sinn. 5. Beispiel zu den Rechtsfolgen von Abs. 2c 642

Die Rechtsfolgen von § 1 Abs. 2c GrEStG bzw. deren Begrenzungen sollen anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:

643

Die AG bzw. KGaA ist sowohl selbst Grundstückseigentümerin als auch Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden KG und einer grundbesitzenden GmbH. 11 % der Aktien an ihr sind zum Handel an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG (z.B. am regulierten Markt der Börsen i.S.v. § 32 BörsG) zugelassen1. Die nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien (d.h. die restlichen 89 % der ausgegebenen Aktien) sind innerhalb der letzten zehn Jahre auf neue Gesellschafter übergegangen.

Shareholder 100 % (nicht börsennotiert) Ltd. 1% 89 % der Aktien sind (innerhalb der letzten 10 Jahre) auf neue Gesellschafter übergegangen

11 % der Aktien an der AG/KGaA, u.a. die von der Ltd. gehaltenen 1 %, sind zum Handel an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG (z.B. am regulierten Markt der Börsen i.S.v. § 32 BörsG) zugelassen.

AG/KGaA

100 %

KG

100 %

GmbH

Die 1 % Aktien der Ltd. an der AG/KGaA werden auf Grund eines Geschäfts an dem organisierten Markt oder einem multilateralen Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) 600/2014 auf einen neuen Gesellschafter übertragen.

1 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 der deutschen Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt an einer Wertpapierbörse (BörsZulV) gelten die zuzulassenden Aktien als ausreichend gestreut, wenn mind. 25 % des Gesamtnennbetrags, bei nennwertlosen Aktien der Stückzahl, der zuzulassenden Aktien vom Publikum erworben worden sind oder wenn wegen der großen Zahl von Aktien derselben Gattung und ihrer breiten Streuung im Publikum ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auch mit einem niedrigeren Vomhundertsatz gewährleistet ist. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV müssen die zuzulassenden Aktien im Publikum eines Mitgliedsstaats oder mehrerer Mitgliedsstaaten der EU oder eines Vertragsstaats oder mehrerer Vertragsstaaten des EWR ausreichend gestreut sein.

244

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F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 647 § 1

Sind die 1 % der von der AG bzw. KGaA ausgegebenen Aktien, die ursprünglich von der Ltd. gehal- 644 ten werden, aufgrund eines Geschäfts an dem organisierten Markt oder einem multilateralen Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) 600/2014 auf einen neuen Gesellschafter übertragen worden1, ist die Rechtslage wie folgt: In Bezug auf das Grundstück der AG bzw. KGaA ist § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt, weil der am organisierten Markt bzw. im multilateralen Handelssystem erfolgende Übergang der 1 % der Aktien außer Betracht bleibt. Dasselbe Ergebnis gilt in Bezug auf die Grundstücke der KG und der GmbH, weil Satz 1 von § 1 Abs. 2c GrEStG auch die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands (hier der KG und der GmbH) umfasst. Die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2c GrEStG nicht erfüllt sind, trägt die Finanzverwaltung. § 1 Abs. 2c GrEStG regelt den Tatbestand von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG. § 1 Abs. 2c GrEStG ist keine Befreiungs- oder sonstige Begünstigungsvorschrift, deren Anwendungsvoraussetzungen vom potentiell Steuerpflichtigen nachzuweisen wären. Sollte feststellbar sein, dass der Shareholder der Ltd. mindestens 90 % seiner Beteiligung an der Ltd. 645 auf neue Gesellschafter übertragen hat (was außerhalb der Börsen und multilateralen Handelssysteme erfolgt ist, schon weil die shares an der Ltd. nicht börsennotiert sind)2, gilt die Ltd. als neue Gesellschafterin und damit die 1%ige Beteiligung der Ltd. an der AG bzw. KGaA als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Auf die Grundstücke der AG bzw. KGaA sowie der GmbH ist mithin nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer ausgelöst worden, nach § 1 Abs. 2a GrEStG auch in Bezug auf die Grundstücke der KG. § 1 Abs. 2c GrEStG ist insoweit nicht anwendbar, weil der Übergang von Anteilen an der Ltd. nicht an einem organisierten Markt oder multilateralen Handelssystem erfolgt ist. Es ist jedoch unklar, wie die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer der AG bzw. KGaA, der KG und der GmbH den Übergang von mindestens 90 % der Anteile an der Ltd. auf neue Gesellschafter feststellen, d.h. von Gesellschafterwechseln auf Ebene der Ltd. Kenntnis erlangen sollen.

VI. Tatbestandsmerkmale 1. Anteile an Kapitalgesellschaften In Deutschland können lediglich Aktien einer AG und Kommanditaktien einer KGaA an einer Börse i.S.v. § 32 BörsG notiert, d.h. zum Handel zugelassen werden. Bei ausländischen Kapitalgesellschaften kommen alle Anteile in Betracht, die nach dem im konkreten Einzelfall einschlägigen ausländischen Recht an einer qualifizierenden Börse notiert werden können.

646

In Bezug auf mittelbare Anteilsübergänge i.S.v. § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG sind auch sog. American Depositary Receipts („ADRs“) als Anteile an Kapitalgesellschaften zu werten. ADRs ermöglichen den Sekundärhandel der nicht-US-amerikanischen (z.B. deutschen) Aktien an einer US-amerikanischen Börse wie NYSE oder NASDAQ, aber je nach gewählter Programmart3 auch auf dem außerbörslichen OTC Markt4. ADR-Inhaber können ADRs jederzeit gegen zugrundeliegende Aktien umtauschen und Aktien können auf die gleiche Weise gegen Ausgabe zusätzlicher ADRs hinterlegt werden5. Weil die ADR-Inhaber als wirtschaftliche Eigentümer der bei einer in Deutschland ansässigen Hinterlegungsstelle (Custodian) hinterlegten Aktien anzusehen sind6 und für Zwecke der Besteuerung als Bezieher der Dividenden angesehen werden7, ist für die Frage, ob ein Anteil i.S.v. § 1 Abs. 2c GrEStG über eine qualifizierende Börse auf einen neuen Gesellschafter übergegangen und deshalb aus dem Tatbestand

647

1 In der Praxis kann in der Regel hiervon nur die Ltd. selbst Kenntnis haben, nicht aber der Vorstand der AG bzw. KGaA. 2 In der Praxis kann hiervon in der Regel nur der Shareholder und die (der deutschen GmbH entsprechende) ltd. Kenntnis haben, nicht aber der Vorstand der AG bzw. KGaA. 3 Zu den Ausprägungen von ADR-Programmen vgl. z.B. Strauch in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Auflage 2018, Platzierung und Börsenzulassung im Ausland, Rz. 11.40. 4 Vgl. Weber/Krauß, DStR 2019, 960. 5 Vgl. Strauch in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Auflage 2018, Platzierung und Börsenzulassung im Ausland, Rz. 11.36. 6 Vgl. Weber/Krauß, DStR 2019, 960. 7 Vgl. BMF v. 24.5.2013, BStBl. I 2013, 718.

Behrens

245

§ 1 Rz. 647 Erwerbsvorgänge von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG auszunehmen ist, auf das ADR abzustellen, nicht jedoch auf die dafür hinterlegten Aktien. 2. Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften 648

Wie bei § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG ist mit Übergängen von Anteilen, soweit zum Vermögen der Kapitalgesellschaft, an der die übergehenden, an einer qualifizierenden Börse notierten Anteile bestehen, inländische Grundstücke gehören, auf Grundlage der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2a GrEStG der dingliche Übergang der Rechtsinhaberschaft an den Anteilen gemeint. Soweit die Kapitalgesellschaft, an der die übergehenden, an einer qualifizierenden Börse notierten Anteile bestehen, ihrerseits an grundbesitzenden Gesellschaften beteiligt ist, ist mit Übergängen von Anteilen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums1 an den börsennotierten Anteilen bzw. der Übergang der Wertteilhabe an den Grundstücken2 der Beteiligungsgesellschaften der börsennotierten Kapitalgesellschaft gemeint, weil der mittelbare Übergang von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften auf Grundlage der Verwaltungsansicht zu § 1 Abs. 2a GrEStG und der Rechtsprechung des BFH nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt werden kann3. 3. Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG oder äquivalenten Drittland-Handelsplatz a) Zweck der Beschränkung der sog. Börsenklausel in Abs. 2c auf MiFID-II-Handelsplätze

649

Die Anteile müssen zum Handel an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG zugelassen sein, was die Erfüllung der Börsenzulassungsvoraussetzungen des betreffenden Handelsplatzes voraussetzt. Organisierte Märkte nach § 2 Abs. 11 WpHG entsprechen den geregelten Märkten nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II4. Äquivalente Drittlandshandelsplätze sind solche außerhalb der EU befindliche Handelsplätze, die nach Art. 24 Abs. 4 Buchst. a MiFID II von der EU-Kommission anerkannt worden sind (sog. Börsenäquivalenz).

650

Das Erfordernis einer Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder äquivalenten Drittland-Handelsplatz soll die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung von Börsen- bzw. Handelsplätzen ausschließen. Nach der Begründung des Finanzausschusses des Bundestages unterliegen dort zugelassene Wertpapiere der kontinuierlichen wirksamen Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörden. Organsierte Märkte verfügen über klare und transparente Vorschriften für die Zulassung und den Handel von Wertpapieren, so dass diese fair, ordnungsgemäß, effizient und frei handelbar seien. Die Wertpapier-Emittenten unterlägen regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten, die ein hohes Maß an Anlegerschutz sowie Markttransparenz und -integrität gewährleisteten. Auch fänden die wertpapierhandelsrechtlichen Meldepflichten zur Beteiligungspublizität Anwendung. Marktmissbrauch in Form von Insidergeschäften und Marktmanipulation würden so verhindert. MTFs unterlägen denselben Marktintegritätsanforderungen, insbesondere in Bezug auf die Prävention von Marktmissbrauch. Ist der Handel von Wertpapieren an der qualifizierenden Börse zugelassen, könne der Handel derselben Wertpapiere über qualifizierende MTFs von der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst

1 So die (bei § 1 Abs. 2b möglicherweise entsprechend geltende) BFH-Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2a GrEStG; vgl. z.B. BFH v. 29.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57, und v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 2 So die (bei § 1 Abs. 2b möglicherweise) Finanzverwaltung; vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 5.1.2. 3 Vgl. oben zu § 1 Abs. 2a Rz. 352 ff., und § 1 Abs. 2b Rz. 573 ff. 4 Vgl. die Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumenten sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. 2014 L 173, 349. Nach der RL 2014/ 65/EU (MiFID II) gibt es drei verschiedene Handelsplätze: 1. Regulierte bzw. geregelte Märkte; 2. Multilaterale Handelssysteme; hierbei handelt es sich um von einer Börse betriebenen Handelsplatz, wobei die Börse als staatlich Beliehener handelt; 3. Organized Trading Facilities (OTF), bei denen es sich um von Banken aufgesetzte Systeme handelt, die nicht staatlich überwacht werden.

246

Behrens

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 653 § 1

werden, weil jedenfalls die oben erwähnten hohen Marktintegritäts- und Transparenzanforderungen zur Anwendung kämen1. b) Ausreichende Streuung als Zulassungsvoraussetzung Die Zulassung von Aktien zum Handel an einem organisierten Markt setzt eine ausreichende Streu- 651 ung der Aktien voraus. Gemäß § 9 Abs. 1 BörsZulV2 gelten zuzulassende Aktien als ausreichend gestreut, wenn mindestens 25 % des Gesamtnennbetrags (bei nennwertlosen Aktien der Stückzahl) der zuzulassenden Aktien vom Publikum erworben worden sind oder wenn wegen der großen Zahl von Aktien derselben Gattung und ihrer breiten Streuung im Publikum ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auch mit einem niedrigeren Vomhundertsatz gewährleistet ist. Zudem können Aktien gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BörsZulV abweichend von § 9 Abs. 1 BörsZulV zugelassen werden, wenn eine ausreichende Streuung über die Einführung an der Börse erreicht werden soll und die Geschäftsführung davon überzeugt ist, dass diese Streuung innerhalb kurzer Frist nach der Einführung erreicht wird. Weitere Abweichungen sieht § 9 Abs. 2 in Nr. 2 (Aktien derselben Gattung werden innerhalb der EU oder innerhalb eines EWR-Vertragsstaats an einem organisierten Markt zugelassen und eine ausreichende Streuung im Verhältnis zur Gesamtheit aller ausgegebenen Aktien wird erreicht) und in Nr. 3 (Aktien sind außerhalb der EU oder außerhalb der EWR Vertragsstaaten an einem Markt, der mit einem organisierten Markt vergleichbar ist, zugelassen und eine ausreichende Streuung im Publikum derjenigen Staaten ist erreicht, in dem diese Aktien zugelassen sind) vorgesehen. Typischerweise wird als Streubesitz jeder Aktienbesitz definiert, der unter 3 % liegt. Teilweise wird eine hinreichende Streuung auch dann anerkannt, wenn eine ausreichende Zahl von Aktien von mindestens 100 einzelnen EWR-Aktionären gehalten werden. Die Anzahl der Aktien, die als ausreichend empfunden werden, ist jedoch in der Regel so hoch, dass sich in der Regel eine Marktkapitalisierung in der Größenordnung von mindestens EUR 100 Mio. ergibt. c) Im Inland, einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat betriebener organsierter Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG Ein organisierter Markt i.S.d. WpHG ist gem. § 2 Nr. 11 WpHG „ein im Inland, in einem anderen 652 Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.“ In Deutschland erfüllt der „organisierte“ Markt der Börsen i.S.v. § 32 BörsG die Voraussetzungen eines „geregelten“ Marktes3. Gleiches gilt für die aus dem Zusammenschluss der Deutsche Terminbörse und der Swiss Options and Financial Futures Exchange im Jahr 1998 hervorgegangene Terminbörse EUREX. Nach der Gesetzesbegründung kann davon ausgegangen werden, dass Handelsplätze in der EU und dem EWR, die sich als geregelter Markt qualifizieren, über vergleichbar hohe Standards verfügen wie „Börsen“ nach dem Börsengesetz. Die European Securities and Markets Authority (ESMA) führt ein Register für alle geregelten Märkte (regulated markets) in der EU und dem EWR4.

1 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 31. 2 Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt einer Wertpapierbörse (Börsenzulassungs-Verordnung), BGBl. I 1998, 2832. 3 Nach BT-Drucks. 19/28528, S. 31, entspricht der Begriff des „organisierten Marktes“ i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG den Begriff des „geregelten Marktes“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU (MiFID). 4 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 31. Link: https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_re gisters_upreg; Eingabe „Regulated market“ beim Feld Entity Type erforderlich.

Behrens

247

653

§ 1 Rz. 654 Erwerbsvorgänge d) Drittland-Handelsplatz, der gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurde 654

Nach der Gesetzesbegründung unterliegen vergleichbaren Standards auch Drittland-Handelsplätze, die gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurden1. Die auf diese Weise anerkannten Drittland-Handelsplätze ergeben sich aus dem einzelnen Durchführungsbeschlüssen2.

655

Ein Markt eines Drittlandes ist nach Art. 25 Abs. 4 Buchst. a RL 2014/65/EU einem geregelten Markt gleichwertig, wenn die Anforderungen und Verfahren von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsätze 3 und 4 der Richtlinie 2003/71/EG erfüllt sind. Auf Antrag der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats erlässt die EU-Kommission gemäß dem in Artikel 89a Absatz 2 RL 2014/65/EU genannten Prüfungsverfahren Beschlüsse über die Gleichwertigkeit, durch die festgestellt wird, ob der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands gewährleistet, dass ein in diesem Drittland zugelassener geregelter Markt rechtlich bindende Anforderungen erfüllt, die zum Zweck der Anwendung des Buchst. a den Anforderungen, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, aus Titel III der RL 2014/65/EU, aus Titel II der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 sowie aus der Richtlinie 2004/109/EG ergeben, gleichwertig sind und in diesem Drittland einer wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung unterliegen. Die zuständige Behörde legt dar, weshalb sie der Ansicht ist, dass der Rechts- und Aufsichtsrahmen des betreffenden Drittlands als gleichwertig anzusehen ist, und legt hierfür einschlägige Informationen vor.

656

Ein solcher Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands kann als gleichwertig betrachtet werden, wenn dieser Rahmen mindestens die folgenden Bedingungen erfüllt: (i) Die Märkte unterliegen der Zulassung und kontinuierlichen wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung; (ii) die Märkte verfügen über klare und transparente Vorschriften für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel, sodass diese Wertpapiere fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und frei handelbar sind; (iii) die Wertpapieremittenten unterliegen regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten, die ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleisten; und (iv) Markttransparenz und -integrität sind gewährleistet, indem Marktmissbrauch in Form von Insider-Geschäften und Marktmanipulation verhindert wird. e) Sonderfall der schweizerischen Börsen

657

Nicht als gleichwertig erklärt sind derzeit u.a. die schweizerischen Börsen. Mit Durchführungsbeschluss vom 21.12.20173 hatte die EU-Kommission die Börsen der Schweiz (SIX Swiss Exchange; Berne eXchange von der BX Swiss AG) als gleichwertig erklärt, weil sie die im Wesentlichen vier Voraussetzungen nach Art. 25 Abs. 4 Buchst. a oder lit. a MiFID II erfüllten. In Art. 2 des genannten Beschlusses der EU-Kommission war geregelt worden, dass dieser Beschluss, der im Einzelnen die Erfüllung der vier genannten Voraussetzungen für die Gleichwertigkeitserklärung darlegt, am 31.12.2018 ausläuft. Die Anerkennung wurde mit Beschluss (EU) 2018/2047 vom 20.12.2018 um sechs Monate bis zum 30.6.2019 verlängert, d.h. mit Durchführungsbeschluss (EU) 2018/2047 vom 20.12.2018 über die Gleichwertigkeit des für Börsen in der Schweiz geltenden Rechts- und Aufsichtsrahmens bezüglich der MiFID II4 erhielt die EU-Kommission die Gleichwertigkeitserklärung aufrecht. Danach waren die SIX Swiss Exchange AG und die BX Swiss AG als gleichwertig mit geregelten Märkten gemäß der MiFID II betrachtet worden5. Diese Gleichwertigkeitserklärung lief jedoch Mitte 2019 aus. Eine weitere Anerkennung ist seitdem nicht mehr erfolgt. Dass es im Verlauf der Jahre 2018 und 2019 zu nachteiligen Änderungen der schweizerischen Regeln gekommen sein könnte, die dazu führten, dass 1 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 31. 2 Vgl. betr. USA (Durchführungsbeschluss (EU) 2017, 2320), Hong Kong (Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2319), Singapur (Durchführungsbeschluss (EU) 2019/541 v. 1.4.2019) und Australien (Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2318). 3 Vgl. ABl. EU L 344 v. 23.12.2017 zu 2017/2441. 4 Richtlinie 2014/65/EU des europäischen Parlaments und des Rates. 5 Sog. Börsen-Äquivalenz Schweiz/EU.

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Behrens

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Rz. 662 § 1

eine oder mehr der vier genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sein würde, ist nicht bekannt1. Grund für das Fehlen einer weiteren Anerkennung sind vielmehr politische Umstände. Darauf für die Zwecke von § 1 Abs. 2c GrEStG und damit für die Ausgestaltung der Tatbestände von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG abzustellen, erscheint nicht sachgerecht. f) Multilaterales Handelssystem i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 Gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 ist „multilaterales Handelssystem oder 658 MTF“ ein multilaterales Handelssystem gem. Artikel 4 Absatz 1 Nummer 22 der Richtlinie 2014/65/EU. Dort wird „multilaterales Handelssystem“ (MTF) als „ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt,“ definiert. Gemäß § 2 Abs. 21 WpHG ist ein „multilaterales System [im Sinne des WpHG] ein System oder ein Mechanismus, der die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführt“. Dabei handelt es sich um meist internetbasierte börsenähnliche, aber außerbörsliche Handelsplattformen, bei denen Kaufaufträge ohne Clearing-Stelle direkt zwischen den Depotbanken abgewickelt werden können2.

659

g) Herausnahme des Freiverkehrs aus dem Kreis der qualifizierenden Börsen Nicht in vergleichbar hohem Maße wie bei organisierten bzw. geregelten Märkten (sog. MiFID-IIMärkte) ist der Anlegerschutz sowie die Markttransparenz und -integrität beim privatrechtlich organisierten und nicht durch staatliche Stellen genehmigten, geregelten und überwachten Freiverkehr gewährleistet3. Der Freiverkehr ist ein multilaterales Handelssystem4, das von einem Börsenträger betrieben wird5.

660

Grundsätzlich werden im Freiverkehr solche Wertpapiere gehandelt, die weder zum Handel im regu- 661 lierten Markt zugelassen noch zum Handel in den regulierten Markt einbezogen sind6. Der Freiverkehr ist kein organisierter Markt i.S.d. WpHG, weil er ausschließlich privatrechtlich organisiert ist und damit nicht von staatlich anerkannten Stellen geregelt wird7. An die Stelle der Börsenordnung8 treten im Freiverkehr die Handelsbedingungen, die vom Börsenrat als Satzung erlassen werden9. Damit werden zwei multilaterale Handelssysteme nebeneinander von einem Träger betrieben: der Börsenträger betreibt die Börse und daneben den Freiverkehr. Für erstere gilt die Börsenordnung, für zweiteren die Handelsbedingungen. Soweit das als multilaterales Handelssystem in Betracht kommende multilaterale System aus einem Regelwerk und einer Handelsplattform besteht, muss das technische System der letzteren nicht ausschließlich diesem speziellen System zugeordnet sein, d.h. es können mehrere, jeweils durch Regelwerke definierte organisierte Märkte auf derselben technischen Handelsplattform betrieben werden10. Bei dem multilateralen Handelssystem, dessen Betrieb oder Verwaltung der Genehmigung, Regelung und Überwachung durch eine staatliche Aufsichtsbehörde unterliegt, muss es sich um ein solches 1 Kritisch auch Stoschek, DStR 2021, 2021 (2024). 2 Fischer, BB 2021, 2391 (2392) nennt als Beispiele Chi-X Europe Ltd (London, 2007), Turqoise Ltd (London 2008) oder Tradegate Exchange (Berlin, 2009). 3 Vgl. Assmann in Assmann/Schneider/Mülbert7, § 2 WpHG Rz. 215. 4 Vgl. § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG. BT-Drucks. 16/4028, S. 68; Seiffert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried5, Bankund Kapitalmarktrecht, 14.40, 14.69. 5 Vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG. Seiffert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried5, Bank- und Kapitalmarktrecht, 14.70. 6 Vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG. 7 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S. 45; Fuchs2, § 2 WpHG Rz. 163. 8 Vgl. § 16 BörsG. 9 Vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 5 BörsG. 10 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, 1 (57).

Behrens

249

662

§ 1 Rz. 662 Erwerbsvorgänge handeln, dass im Geltungsbereich der RL 2014/65/EU betrieben und verwaltet wird, d.h. im Inland, in einem anderen EU- oder in einem anderen EWR-Mitgliedsstaat. 663

Der Freiverkehr gilt gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG als multilaterales Handelssystem. Der Betrieb eines Freiverkehrs bedarf gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 BörsG der schriftlichen Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde. Auf den Betrieb des Freiverkehrs sind die Vorschriften des Börsengesetzes mit Ausnahme von §§ 27 bis 43 entsprechend anzuwenden. Dass im Freiverkehr erfolgende Anteilsübergänge nicht nach § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigt sind, wird in der Literatur als widersprüchlich empfunden1. Allerdings: Die besonderen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 32 Abs. 3, 33 Abs. 1, 34 BörsG müssen bei in den Freiverkehr einbezogenen Wertpapieren also nicht erfüllt sein. Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Börse sind strenger.

664

Die Börsenzulassung-Voraussetzungen umfassen nach § 32 Abs. 3 BörsG im Wesentlichen: – Schutz des Publikums nach Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006, was insbesondere faire, ordnungsgemäße und effiziente Handelbarkeit und öffentliche Verfügbarkeit von Finanzinformationen über den Emittenten beinhaltet2, – Ordnungsgemäßen Börsenhandel nach § 34 BörsG und – Gebilligter und bescheinigter, gültiger Prospekt.

665

Wertpapiere für den Freiverkehr müssen dagegen nur der vom Börsenrat erlassenen Handelsordnung und den Geschäftsbedingungen des Börsenträgers3 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG entsprechen und der ordnungsgemäße Handel muss gewährleistet sein4.

666

Ähnliches gilt für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten in den Handel in multilateralen und organisierten Handelssystemen5. h) Kritik an der Beschränkung von Abs. 2c auf MiFID-II-Handelsplätze

667

In der Literatur wird geltend gemacht, dass die gesetzgeberische Begründung zur Kapitalmarkttransparenz ohne Sinn sei. Ein Unterschied bei der Erfassung einzelner Aktienübertragungen zu anderen großen ausländischen Börsen oder dem Freiverkehr und dem Frankfurter Scale Segment bestünde nicht, woraus eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG resultiere. Ein eine Ungleichbehandlung rechtfertigendes Unterscheidungsmerkmal bestünde ausweislich der unsachgerechten Gesetzesbegründung offensichtlich nicht6.

668

Das Abstellen auf die von qualifizierenden Börsen erfüllten Anforderungen an die hohe Markttransparenz wäre m.E. nur dann begründbar, wenn die infolge der Erfüllung dieser Transparenzanforderungen veröffentlichten Daten die in Bezug auf Zeitpunkt und Quantum präzise Erfassung sämtlicher Aktienübergänge auf neue Aktionäre nach den Kriterien von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ermöglichten. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die kapitalmarkt- und börsenrechtlichen Transparenzregeln spezifisch grunderwerbsteuerrechtliche Differenzierungen, insbesondere die zwischen alten und neuen Gesellschaftern, nicht berücksichtigen. Der in der Literatur geäußerten Kritik ist daher zuzustimmen. i) Erfolgen des Anteilsübergangs aufgrund eines Geschäfts am geregelten Markt oder äquivalenten Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO (EU) Nr. 600/2014

669

Beabsichtigt ist, nur solche Anteilsübergänge vom Tatbestand von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG auszunehmen, die aufgrund eines anonymisierten Angebots an einem geregelten bzw. organisierten 1 Vgl. Fischer, BB 2021, 2391 (2392), Fn. 23 mit dem Hinw. darauf, dass der Freiverkehr kein organisierter Markt i.S.v. § 2 Abs. 1 WpHG ist. 2 Vgl. Art. 35 Abs. 4 der VO. 3 Vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, Alt. 5 BörsG. 4 Vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG a.E., § 48 Abs. 2 BörsG. 5 Vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 6 Vgl. Stoschek, DStR 2021, 2021 (2022, 2026).

250

Behrens

Rz. 673 § 1

F. Börsenklausel (Abs. 2c)

Markt vonstattengehen. Das Merkmal „soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt … erfolgt“ erfasst sämtliche Formen tatbestandsmäßiger Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 2a Sätze 3–5, Abs. 2b GrEStG. Grundsätzlich nicht vom Tatbestand in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ausgenommen sind (vorbehaltlich einer Überprüfung der im konkreten Einzelfall umgesetzten Rechtsgeschäfte) Anteilsübergänge im Rahmen von IPOs, Begebungen neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen, Wertpapierleihen und Wertpapierpensionsgeschäften und systematischen Internalisierungen nach MiFID II (sog. Matchen von Verkaufs- und Kaufordern des Kunden derselben Wertpapier-Dienstleistungsunternehmens)1. Nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich ist, dass auch dies standardisierte Vorgänge sind, die nicht auf die Vermeidung von Grunderwerbsteuer ausgerichtet sind, und zwar dann, wenn die mit diesen Vorgängen verbundenen Aktienübergänge nicht über eine qualifizierende Börse bzw. nicht über ein multilaterales Handelssystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 VO(EU) Nr. 600/2014 erfolgen.

670

Es ist stets in Bezug auf den Einzelfall zu untersuchen, ob der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an einem organisierten Markt etc. erfolgt ist.

671

Dies hängt ggf. davon ab, in welcher zeitlichen Reihenfolge Börsenzulassung und Aktienübertragungen erfolgen. Dies soll anhand des folgenden Beispiels eines spin-offs veranschaulicht werden2:

672

Die AG, deren Aktien an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind, gliedert einen Teilbetrieb samt inländischer Grundstücke auf eine 100%ige Tochter-AG („T-AG“) aus. Die Aktien an der T-AG überträgt die AG auf ihre Aktionäre (Streubesitz). Für die Frage, ob die Übertragung der Aktien an der T-AG nach § 1 Abs. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer auf die Immobilien der T-AG auslöst, kommt es darauf an, ob diese Aktien vor oder nach Zulassung zum Handel am geregelten bzw. organisierten Markt übertragen werden und ob im Falle der Aktienübertragung nach dieser Zulassung der Übergang der Aktien auch tatsächlich aufgrund Rechtsgeschäfts am geregelten bzw. organisierten Markt oder einem qualifizierenden multilateralen Handelssystem erfolgt.

673

zum Handel am regulierten Markt zugelassen (börsennotiert)

Streubesitz

Streubesitz

AG

AG

Streubesitz

AG

T-AG

Teilbetrieb

100 %

T-AG Übergang der Aktien an der T-AG vor oder nach Zulassung der Aktien an der T-AG zum regulierten Markt?

1 Verpflichtung zur Best Execution. 2 Vgl. auch die Sachverhaltsdarstellung im BFH v. 1.7.2021 – VIII R 9/19, zu § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG; FG Düsseldorf v. 12.3.2019 – 13 K 1762/17 E, EFG 2019, 1117.

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251

§ 1 Rz. 674 Erwerbsvorgänge 674

Gefordert worden war eine Ausnahme für Anteilsübergänge generell im Rahmen des Effekten-Giroverkehrs (stückelose Lieferung von Wertpapieren mittels Wertpapiersammelbanken wie Clearing Banking AG). Eine solche Ausnahme ist vom Gesetzgeber jedoch nicht geschaffen worden.

675

Ein Anteilsübergang im Wege eines sog. Block Trade mit Buchung im Clearing-System sind nicht aufgrund der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG von den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG ausgenommen. Sog. block trades zeichnen sich dadurch aus, dass sie (typischerweise als großvolumige Transaktion) außerhalb des offenen Marktes für das betreffende Wertpapier privat ausgehandelt und ausgeführt werden. j) Börslich abgewickelte Aktienübertragungen aufgrund öffentlicher Übernahmeangebote

676

Aktienübertragungen aufgrund der Annahme eines öffentlichen Übernahmeangebots nach WpÜG1 erfolgen in der Regel außerhalb des Börsenhandels durch Übertragung von der Depotbank des Verkäufers an die Depotbank des Käufers. In der Literatur wird allerdings berichtet, dass die Übernahme von börsennotierten Aktien aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebots gemäß WpÜG über die Börse abgewickelt werde2. In diesem Fall seien die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1 Abs. 2c GrEStG erfüllt, was dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen würde.

677

Aus der Umbuchung der von das Übernahmeangebot annehmenden Aktionären gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft in eine separate Wertpapierkennnummer als „zum Verkauf eingereichte“ Aktien folgt jedoch zumindest in der Regel nicht, dass die Aktienübergänge in Erfüllung der Anforderungen von § 1 Abs. 2c GrEStG über die Börse erfolgen würden. Während diese Aktien aufgrund ihrer Börsenzulassung an Dritte weiterhin im Wege des Börsenhandels übertragen werden können, erfolgt der spätere etwaige Vollzug eines öffentlichen Übernahmeangebots gemäß WpÜG in der Regel außerhalb des Börsenhandels. Es findet dabei kein anonymisiertes sog. Matching über eine Börse statt. Die Aktien werden vielmehr außerhalb der Börse gemäß den in der Angebotsunterlage vereinbarten Bedingungen an den Bieter (und nicht an einen anonymen Erwerber) übereignet. Die Einigung über die Konditionen des Erwerbs und über die Eigentumsübertragung erfolgt unter Annahme der Bedingungen in der Angebotsunterlage. Wie bei anderen „over the counter“ (OTC) Geschäften wird das Clearing-System der Clearstream Banking Aktiengesellschaft dabei lediglich zur Übergabe im Sinne der Änderung des mehrstufigen Besitzmittlungsverhältnisses über Intermediäre zur Komplettierung des Vollzugs der Eigentumsübertragung eingesetzt. k) Exkurs: Drittbankenvereinbarung bei öffentlichen freiwilligen Übernahmeangeboten nach WpÜG

678

Im Rahmen öffentlicher freiwilliger Übernahmeangebote nach WpÜG sind Drittbankenvereinbarungen möglich, die vorsehen, dass, wenn 90 % oder mehr der Gesellschaftsanteile von Anteilseignern entsprechend der Annahme des Angebots übertragen werden, diese von einem anderen Erwerber, der sog. Drittbank, erworben werden. Eine solche Drittbankenvereinbarung sieht z.B. vor, dass die Bieterin maximal 90 % der Aktien abzüglich einer bestimmten Anzahl von Stücken als Beteiligungshöchstgrenze von Aktionären der Zielgesellschaft über die Clearstream Banking Aktiengesellschaft übertragen bekommt. Wenn die Bieterin eine höhere Zahl von Aktien aufgrund ihres Gebots erwerben würde, wird die die Beteiligungshöchstgrenze übersteigende Zahl von Aktien über die Clearstream Banking Aktiengesellschaft an die Drittbank übertragen.

1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3822. 2 Nach Fischer, BB 2021, 2391 (2393) kann dies dadurch erfolgen, dass die entsprechende Angebotsunterlage vorsieht, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft das öffentliche Übernahmeangebot innerhalb der Annahmefrist nur dadurch annehmen können, dass sie neben der Annahmeerklärung ihre Depotbank anweisen, dass ihre Aktien der Zielgesellschaft, für die sie das Übernahmeangebot annehmen wollen (in der Angebotsunterlage regelmäßig als „eingereichte Aktien“ definiert), bei der Clearstream Banking Aktiengesellschaft, Frankfurt am Main, in Aktien mit einer anderen Wertpapierkennnummer umgebucht werden. Ergänzend hierzu verpflichte sich die Bieterin, die Einbeziehung dieser „anderen“ Wertpapiere zum Handeln am regulierten Markt nach dem dritten Handelstag seit Beginn der Annahmefrist zu bewirken.

252

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 679 § 1

Wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt, etwa wegen der Altgesellschafter-Stellung einzelner Aktionäre, kann die Einschaltung einer sog. Drittbank die Verwirklichung eines Tatbestands von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verhindern. § 1 Abs. 2c GrEStG betrifft lediglich Anteilsübergänge i.S.v. Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG. Anteilsübergänge, die eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG auslösen, sind nicht gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG vom Tatbestand der Anteilsvereinigungs-Tatbestände ausgenommen. Mithin könnte es infolge eines öffentlichen Übernahmeangebots ohne Drittbankenvereinbarung zum Anfall von Grunderwerbsteuer, und zwar nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG, kommen.

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3) Literatur: Bauderer/Fleischer/Zingler, Regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen, RdF 2021, 202; Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuerreform: Offene Fragen zu § 23 Abs. 24 GrEStG n.F., UVR 2021, 348; Behrens/Seemaier, Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung bei der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG, DStR 2021, 644; Behrens/Seemaier, § 1 Abs. 3 GrEStG: Keine mittelbare Anteilszurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil II R 2/17 vom 4.3.2020, Ubg 2020, 492; Behrens/Daka/Seemaier, Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG: Gehören inländische Tochtergesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Ober-Gesellschaft?, UVR 2020, 145; Behrens/Seemaier, § 1 Abs. 3 GrEStG: Keine mittelbare Anteilszurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, zugleich Anmerkungen zum BFH-Urteil II R 2/17 vom 4.3.2020, Ubg 2020, 292; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuer bei der Umstrukturierung von Vereinen in Stiftungen, UVR 2018, 85; Behrens, Inwieweit ist die mögliche Verschärfung der Grunderwerbsteuer-Regelungen betr. Share Deals schon jetzt zu berücksichtigen?, UVR 2017, 15; Behrens, Zur Auslegung des Begriffs „Anteil der Gesellschaft“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personengesellschaften – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.3.2014 – II R 51/12 betr. Einheits-KGs, BB 2014, 2647; Behrens, „Keine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei § 1 Abs. 3 GrEStG“, BB 2011, 358; Behrens, Grunderwerbsteuer bei auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften bezogenen M&A-Transaktionen, Ubg 2008, 316; Behrens/Bielinis, Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 oder Abs. 3a GrEStG infolge anteilsbezogener Zwischengeschäfte?, UVR 2015, 91; Behrens/ Meyer-Wirges, DStR 2007, 1290, Anmerkungen zum koordinierten Ländererlass vom 21.3.2007 zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft; Behrens/Schmitt, Die Komplementär-Beteiligung und § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerb von Kommanditaktien einer grundbesitzenden KGaA, UVR 2006, 118; Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer durch quotenwahrenden Formwechsel einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit mindestens 95%igem Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft?, UVR 2008, 16; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Tigges, Das Ende der grunderwerbsteuerlichen Pro-Kopf-Betrachtung, Ubg 2021, 257; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605; Egner/Geißler, Die Stiftung als „long-term-RETT-Blocker“, DStZ 2015, 333; Eichholz, Drastische Verschärfungen des Grunderwerbsteuerrechts für Share Deals nach dem Referentenentwurf des BMF, kritische Beurteilung der geplanten Gesetzesnovellierung, Ubg 2019, 368; Figatowski, Regelungslücken beim derivativen Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG? – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.5.2016 – II R 26/14, Ubg 2016, 457; Günkel/Lieber, Grunderwerbsteuerliche Organschaft, in Herzig (Hrsg.), Organschaft, 2003, 353 ff.; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung grunderwerbsteuerlicher Reformmodelle zu Share Deals – Teil II, DStR 2021, 1272; Heine, Gestaltungsmöglichkeiten bei Stiftungsgeschäften, UVR 2020, 122; Heine, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen von Kaufoptionen über Anteile an Gesellschaften mit Grundbesitz, GmbHR 2001, 551; Heine, Widerruf einer Schenkung als Erwerbsvorgang nach dem Grunderwerbsteuergesetz, UVR 2020, 286; Heine, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen der Übernahme oder Einziehung eigener Geschäftsanteile, GmbHR 2002, 678; Heine, Wechsel von Kleinaktionären einer börsennotierten Kapitalgesellschaft, die grundstücksbesitzende Personengesellschaft hält, UVR 2010, 28; Hofmann, Heterogener Formwechsel und Anteilsvereinigung, UVR 2007, 222; Hofmann, Unangemessene Grunderwerbsteuerpflicht bei der Veräußerung von Kapitalanlagegesellschaften, BB 2001, 757; Joisten, Abschaffung der Pro-Kopf-Betrachtung bei vermittelnden Personengesellschaften im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG, Ubg 2016, 201; Kugelmüller-Pugh, Anmerkung zu BFH II R 45/17, Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft, DStR 2020, 2677; Lieber in Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl., Rz. 1751 bis Rz. 1835; Lieber/Morgenweck, Die grunderwerbsteuerliche Organschaft unter Berücksichtigung der aktuellen BFH-Rechtsprechung, UVR 2006, 125; Meiisel/Bokerloh, Berücksichtigung von Rückbeteiligungen im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG – Ist nun alles geklärt?, Ubg 2013, 587; Mies/Greskamp, Grunderwerbsteuer bei Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils – Praxisrelevante Fragestellungen nach dem BFH-Urteil vom 12.5.2016 – II R 26/14, DStR 2016,

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253

679

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 679 § 1

Wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt, etwa wegen der Altgesellschafter-Stellung einzelner Aktionäre, kann die Einschaltung einer sog. Drittbank die Verwirklichung eines Tatbestands von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verhindern. § 1 Abs. 2c GrEStG betrifft lediglich Anteilsübergänge i.S.v. Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG. Anteilsübergänge, die eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG auslösen, sind nicht gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG vom Tatbestand der Anteilsvereinigungs-Tatbestände ausgenommen. Mithin könnte es infolge eines öffentlichen Übernahmeangebots ohne Drittbankenvereinbarung zum Anfall von Grunderwerbsteuer, und zwar nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG, kommen.

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3) Literatur: Bauderer/Fleischer/Zingler, Regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen, RdF 2021, 202; Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuerreform: Offene Fragen zu § 23 Abs. 24 GrEStG n.F., UVR 2021, 348; Behrens/Seemaier, Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung bei der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG, DStR 2021, 644; Behrens/Seemaier, § 1 Abs. 3 GrEStG: Keine mittelbare Anteilszurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil II R 2/17 vom 4.3.2020, Ubg 2020, 492; Behrens/Daka/Seemaier, Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG: Gehören inländische Tochtergesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Ober-Gesellschaft?, UVR 2020, 145; Behrens/Seemaier, § 1 Abs. 3 GrEStG: Keine mittelbare Anteilszurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, zugleich Anmerkungen zum BFH-Urteil II R 2/17 vom 4.3.2020, Ubg 2020, 292; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuer bei der Umstrukturierung von Vereinen in Stiftungen, UVR 2018, 85; Behrens, Inwieweit ist die mögliche Verschärfung der Grunderwerbsteuer-Regelungen betr. Share Deals schon jetzt zu berücksichtigen?, UVR 2017, 15; Behrens, Zur Auslegung des Begriffs „Anteil der Gesellschaft“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personengesellschaften – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.3.2014 – II R 51/12 betr. Einheits-KGs, BB 2014, 2647; Behrens, „Keine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei § 1 Abs. 3 GrEStG“, BB 2011, 358; Behrens, Grunderwerbsteuer bei auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften bezogenen M&A-Transaktionen, Ubg 2008, 316; Behrens/Bielinis, Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 oder Abs. 3a GrEStG infolge anteilsbezogener Zwischengeschäfte?, UVR 2015, 91; Behrens/ Meyer-Wirges, DStR 2007, 1290, Anmerkungen zum koordinierten Ländererlass vom 21.3.2007 zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft; Behrens/Schmitt, Die Komplementär-Beteiligung und § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerb von Kommanditaktien einer grundbesitzenden KGaA, UVR 2006, 118; Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer durch quotenwahrenden Formwechsel einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit mindestens 95%igem Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft?, UVR 2008, 16; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der Share Deals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Tigges, Das Ende der grunderwerbsteuerlichen Pro-Kopf-Betrachtung, Ubg 2021, 257; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605; Egner/Geißler, Die Stiftung als „long-term-RETT-Blocker“, DStZ 2015, 333; Eichholz, Drastische Verschärfungen des Grunderwerbsteuerrechts für Share Deals nach dem Referentenentwurf des BMF, kritische Beurteilung der geplanten Gesetzesnovellierung, Ubg 2019, 368; Figatowski, Regelungslücken beim derivativen Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG? – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.5.2016 – II R 26/14, Ubg 2016, 457; Günkel/Lieber, Grunderwerbsteuerliche Organschaft, in Herzig (Hrsg.), Organschaft, 2003, 353 ff.; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung grunderwerbsteuerlicher Reformmodelle zu Share Deals – Teil II, DStR 2021, 1272; Heine, Gestaltungsmöglichkeiten bei Stiftungsgeschäften, UVR 2020, 122; Heine, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen von Kaufoptionen über Anteile an Gesellschaften mit Grundbesitz, GmbHR 2001, 551; Heine, Widerruf einer Schenkung als Erwerbsvorgang nach dem Grunderwerbsteuergesetz, UVR 2020, 286; Heine, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen der Übernahme oder Einziehung eigener Geschäftsanteile, GmbHR 2002, 678; Heine, Wechsel von Kleinaktionären einer börsennotierten Kapitalgesellschaft, die grundstücksbesitzende Personengesellschaft hält, UVR 2010, 28; Hofmann, Heterogener Formwechsel und Anteilsvereinigung, UVR 2007, 222; Hofmann, Unangemessene Grunderwerbsteuerpflicht bei der Veräußerung von Kapitalanlagegesellschaften, BB 2001, 757; Joisten, Abschaffung der Pro-Kopf-Betrachtung bei vermittelnden Personengesellschaften im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG, Ubg 2016, 201; Kugelmüller-Pugh, Anmerkung zu BFH II R 45/17, Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft, DStR 2020, 2677; Lieber in Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl., Rz. 1751 bis Rz. 1835; Lieber/Morgenweck, Die grunderwerbsteuerliche Organschaft unter Berücksichtigung der aktuellen BFH-Rechtsprechung, UVR 2006, 125; Meiisel/Bokerloh, Berücksichtigung von Rückbeteiligungen im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG – Ist nun alles geklärt?, Ubg 2013, 587; Mies/Greskamp, Grunderwerbsteuer bei Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils – Praxisrelevante Fragestellungen nach dem BFH-Urteil vom 12.5.2016 – II R 26/14, DStR 2016,

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253

679

§ 1 Rz. 680 Erwerbsvorgänge 2741; Mörwald, Verfassungswidrigkeit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer, DStZ 2019, 492; Mückl/München, Das Benennungsrecht des Erwerbers im Rahmen von M&A-Transaktionen als „Grunderwerbsteuerfalle“? Zugleich Anmerkung zum Urteil des FG Köln vom 26.3.2014, – 5 K 235/11; Rothenöder, Der Anteilsbegriff des § 1 Abs. 3 GrEStG, DStZ 2010, 334; Salzmann/Loose, Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG bei Personengesellschaften – Stellungnahme zu Teiche, DStR 2004, 49, DStR 2005, 53; Schanko, Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer als Reaktion auf steigende Steuersätze, UVR 2016, 16; Schiessl/Tschesche, Grunderwerbsteuerliche Privilegierungen bei Konzernumstrukturierungen, insbesondere nach § 1 Abs. 6 GrEStG, BB 2003, 1867; Schley, Anmerkung zum Urteil des BFH vom 4.3.2020 (II R 2/17), zum Widerruf einer Schenkung und der Grunderwerbsteuer, GmbHR 2020, 1146; Schmitt-Homann, Grunderwerbsteuer: Die 95 %-Grenze – „Durchrechnung“ oder „Alles-oder-Nichtsbetrachtung“ zur Ermittlung der Beteiligungshöhe, BB 2010, 2276; Spengel/Dörrfuß, Verstößt die Erhebung von Grunderwerbsteuer in Einbringungsfällen gegen Europarecht?, DStR 2003, 1059; Stoschek/ Peter, Grunderwerbsteuerbarkeit von Optionsverträgen über Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften, DStR 2002, 2108; Stadler/Mager/Mayer, Der Luxemburger FCP im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2021, 408; Tappe, Share Deals in der Grunderwerbsteuer, verfassungsrechtliche Spielräume für Regelungen zur Missbrauchsabwehr, StuW 2021, 139; Teiche, Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG bei Personengesellschaften, DStR 2005, 49; Viskorf, „Wann gehört einer Gesellschaft ein Grundstück?“, DStR 2021, 74; Voßkuhl/Hunsmann, Zum Begriff der „Anteile“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG und sich hieraus ergebende Gestaltungshinweise, UVR 2005, 51; Wernsmann/ Bering, Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht, DStZ 2021, 434; Wischott/Schönweiß/Fröhlich, Systemwechsel in der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG bei mittelbaren Anteilsvereinigungen?, DStR 2009, 361; Wiese/Klass, Grunderwerbsteuer bei Übertragung von Anteilen an einer Anstalt des öffentlichen Rechts, DB 2004, 1009.

I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift 680

§ 1 Abs. 3 GrEStG besteuert in Nr. 1 und Nr. 2 die erstmalige Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, in einer Hand. Der einzelne übertragende Rechtsträger veräußert weniger als 90 % der Anteile: Entweder hält der Erwerber bereits weitere Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft, oder der Erwerber erwirbt gleichzeitig Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft von einem oder mehreren anderen übertragenden Rechtsträgern, so dass der Erwerber insgesamt mindestens 90 % der Anteile in seiner Hand vereinigt. Die 90 %-Beteiligungsschwelle gilt gem. § 23 Abs. 18 GrEStG erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung ist auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden, gem. § 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG weiter anzuwenden, wenn am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 % und mindestens 90 % der Anteile der Gesellschafter in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt waren. Bei der Ermittlung der allein in einer Hand vereinigten Anteile der Gesellschaft i.S.v. § 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG sind gem. § 23 Abs. 21 Satz 2 GrEStG auch solche Anteile zu berücksichtigen, über die der Erwerber oder die herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder die abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen vor dem 1.7.2021 ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hatten, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer dieser Anteile begründet. § 23 Abs. 21 Sätze 1 und 2 GrEStG gelten gem. Satz 3 jedoch nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist. Sinken die Anteile nach dem 30.6.2021 unter 90 %, finden die Sätze 1 und 2 von § 23 Abs. 21 GrEStG gem. Satz 4 auf spätere Erwerbsvorgänge keine Anwendung. Die bis 30.6.2021 allein geltende 95 %-Beteiligungsschwelle gilt mithin, wenn die Quote der Beteiligung des betreffenden Anteilserwerbers nicht unter 90 % absinkt, ohne zeitliche Befristung fort. In den gleichlautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 29.6.20211 ist dies in Beispiel 13 anhand einer Fallkonstellation verdeutlicht, in der am 30.06./1.7.2021 in der Hand des Anteilserwerbers zwar mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % der Anteile der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in seiner Hand vereinigt waren und er durch Hinzuerwerb eines Anteils die

1 Vgl. BStBl. I 2021, 1006.

254

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 683 § 1

95 %-Beteiligungsschwelle am 2.10.2042 erreicht1. Zur Vereinigung von mindestens 95 % kann es auch noch erhebliche Zeit nach dem 2.10.2042 kommen. Weil der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht zeitraumbezogen ist, war eine zeitliche Befristung der Fortgeltung der 95 %-Beteiligungsschwelle für den Gesetzgeber nicht veranlasst. In der Praxis wird es mit fortschreitender Zeit eine immer größere Herausforderung werden, die unbefristete Fortgeltung der 95%igen Beteiligungsschwelle, die nicht in § 1 Abs. 3 GrEStG, sondern in § 23 Abs. 21 GrEStG geregelt ist, im Blick zu behalten. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG unterwerfen die Übertragung bereits vereinigter Anteile i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger2 der Grunderwerbsteuer. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG ist auch dann anwendbar, wenn der Anteilserwerber bereits bis zu 10 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält und die beim Anteilsveräußerer bereits vereinigten mindestens 90 % der Anteile an ihn veräußert werden. Die subsidiäre Fortgeltung der 95%igen Beteiligungsschwelle gem. § 23 Abs. 21 GrEStG hat für die Tatbestände in § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG keine Bedeutung, weil es in diesen Fallkonstellationen ausgeschlossen ist, dass der Anteilserwerber am 30.06./1.7.2021 bereits mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % in seiner Hand vereinigt hatte und anschließend die Quote seiner Beteiligung auf 95 % oder mehr aufstockt.

681

§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist gegenüber Nr. 1, Nr. 4 ist gegenüber Nr. 3 subsidiär3. Nr. 1 und Nr. 3 erfassen schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übertragung von Anteilen begründen. § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG erfassen dingliche Anteilsübergänge, denen kein schuldrechtliches Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet hat, zugrunde liegt. Ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG durch einen Rechtsvorgang verwirklicht worden, unterliegt die nachfolgende Übertragung des von diesem Rechtsvorgang betroffenen Anteils (nach der BFH-Rechtsprechung: soweit dasselbe Grundstück betroffen ist) nicht erneut nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer4.

682

2. Zweck des Abs. 3 Dadurch, dass § 1 Abs. 3 GrEStG die Vereinigung von mindestens 90 %, bis 30.6.2021 und danach 683 subsidiär5 95 % (bis 31.12.1999: 100 %) der Anteile an Gesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, der Grunderwerbsteuer unterwirft, verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Steuerumgehungen zu verhindern6. Besteuert werden die in § 1 Abs. 3 GrEStG beschriebenen Vorgänge als fiktive Grundstückserwerbe7, wenn auch eine Umgehungsabsicht nicht zum Tatbestand gehört8. § 1 Abs. 3 GrEStG besteuert nicht den Anteilserwerb als solchen, sondern die durch ihn ausgelöste Änderung der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung der zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke9. Eine Anteilsvereinigung erzeugt so viele Grunderwerbsteuerfälle, wie die Gesellschaft inländische Grundstücke hat10.

1 Vgl. § 23 Rz. 66 ff., Rz. 68. 2 Nach dem BFH v. 2.2.1955 – II 215/54 S, BStBl. III 1955, 90 (91) ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck von § 1 Abs. 3 GrEStG, wonach „der Erwerb der Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft dem Erwerb des Grundbesitzes der Gesellschaft gleichgestellt werden soll; das kommt aber bei getrenntem Erwerb von Anteilen durch verschiedene Personen (grundsätzlich) nicht in Betracht“. 3 Vgl. BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357. 4 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 330. Dazu, wenn die Gesellschaft nach dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft und vor dem dinglichen Anteilsübergang weitere inländische Grundstücke hinzuerwirbt, vgl. unten Rz. 768. 5 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 6 Vgl. Begr. des GrEStG 1940, 392. Vgl. z.B. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 317; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 918. 7 Vgl. BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BStBl. III 1966, 378. 8 Vgl. BFH v. 22.6.1966 – II 165/62, BStBl. III 1966, 554. 9 Vgl. z.B. BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489; v. 4.2.2008 – II B 38/07, BFH/NV 2008, 927. 10 Vgl. BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719.

Behrens

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§ 1 Rz. 684 Erwerbsvorgänge 684

Verhindert werden sollen Steuerumgehungen insofern, als der Anfall von Grunderwerbsteuer nicht dadurch vermieden werden soll, dass Grundstücke über Gesellschaften gehalten und statt der Grundstücke die Anteile an den Gesellschaften veräußert werden. Die Erlangung der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile wird der Erlangung der Sachherrschaft über die zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke gleichgestellt1. Die Übertragung von 90 % der Anteile komme im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des gesamten Grundstücks gleich, was „unter Berücksichtigung anderer steuerlicher Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen in Höhe von 10 % die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des ganzen Grundstücks (100 % des Grundbesitzwerts nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 151 ff. BewG)“ rechtfertige. Der gesetzgeberische Typisierungsrahmen werde hierdurch nicht überschritten2. Dadurch, dass § 1 Abs. 3 GrEStG nur Anteilsvereinigungen und die Veräußerung bereits vereinigter Anteile an einen anderen Rechtsträger, nicht aber weitergehend sämtliche Anteilsübertragungen bei Gesellschaften mit inländischen Grundstücken der Grunderwerbsteuer unterwirft, sollten ursprünglich „nur die gröbsten Fälle der Steuerumgehung getroffen“ werden3. Sämtliche Geschäfte in Bezug auf Anteile an Gesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, (anteilig) der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, erschienen dem Gesetzgeber als praktisch ausgeschlossen4. So können z.B. die Anteile an grundstückshaltenden GmbHs grunderwerbsteuerneutral übertragen werden, solange nicht ein Gesellschafter bzw. zum selben Organkreis gehörende Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär5 95 %) oder mehr der Anteile an der betreffenden Grundstücks-GmbH auf sich vereinen6. Nach Ansicht des BFH ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, den Erwerb eines Miteigentumsanteils von weniger als 95 % anders zu besteuern als den Erwerb von weniger als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft. Weil die Erwerbstatbestände des GrEStG Rechtsträgerwechsel an Grundstücken besteuern, sei es sachgerecht, nicht jeden Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft einem anteiligen Grundstückserwerb gleichzusetzen, sondern nur solche, die einem Rechtsträgerwechsel nahekommen7. 3. Ergänzungstatbestand a) Grundsatz

685

§ 1 Abs. 3 GrEStG ist Ergänzungstatbestand. Soweit der zu beurteilende Rechtsvorgang einen Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 GrEStG verwirklicht, scheidet die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG aus, unabhängig davon, wer die Grunderwerbsteuer schuldet8. b) Insbesondere: Nachrangigkeit von Abs. 3 gegenüber Abs. 1 Nr. 3 bei Anwachsung

686

Der Übergang des Eigentums an Gesellschaftsgrundstücken infolge Anwachsung beim Erwerb aller Beteiligungen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person (bzw. beim Austritt aller Personengesellschafter bis auf einen) löst Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, nicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG, aus. Beim Erwerb aller Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person gehen die Anteile mit der Übertragung auf den Anteilserwerber 1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 135 a.E.; vgl. auch Tappe, StuW 2021, 139: „Sachherrschaft durch dominante Gesellschafterstellung“. 2 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, 12. Als zu berücksichtigende andere steuerliche Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen i.H.v. 10 % zitiert Drüen, Ubg 2018, 605 (621) § 15 Abs. 1 Satz 4 UStG, § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, Diskussion um gewerbesteuerrechtliche Geringfügigkeitsgrenzen von 10 %; Happel, DStR 2021, 1272, 1276 verweist zudem auf § 43b Abs. 2 EStG. 3 Vgl. Begr. GrEStG 1940, 392. 4 So die Einschätzung von Heine, UVR 2010, 28. 5 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 6 Vgl. BFH v. 15.5.2019 – II B 55/18, BFH/NV 2019, 927. 7 Im Beschluss II B 55/18 ließ es der BFH dahingestellt, ab welchem Anteilserwerb die Annahme eines fiktiven Rechtsträgerwechsels im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch gerechtfertigt sei. Der Erwerb eines Anteils in Höhe von 3/14 sei einem (anteiligen) Rechtsträgerwechsel jedenfalls nicht gleichzusetzen. 8 A.A. allerdings der BFH im Falle der Sachgründung einer GmbH mit Treuhänder, vgl. BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. 1972, 719. Die Grundsätze dieses Urteils sind abzulehnen, vgl. unten Rz. 755.

256

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 689 § 1

nicht auf diesen über, sondern unter, so dass es zu keinem Innehaben aller Anteile in einer Hand kommt. Weil ein solches obligatorisches Rechtsgeschäft niemals zum für besteuerungswürdig gehaltenen Ergebnis („alle Anteile an einer Hand“) führen kann, ist § 1 Abs. 3 GrEStG im Wege teleologischer Reduktion einschränkend mit dem Ergebnis auszulegen, dass § 1 Abs. 3 GrEStG auf den Erwerb aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person nicht anwendbar ist1. M.E. scheidet die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG auch deshalb aus, weil der zu beurteilende Rechtsvorgang bereits einen Grundtatbestand, und zwar § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, verwirklicht und § 1 Abs. 3 GrEStG als Ergänzungstatbestand zurücktritt. Der Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG steht nach Ansicht des BFH nicht entgegen, dass bei Abschluss 687 des unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsverpflichtungsgeschäfts bereits feststeht, dass es bei Erfüllung aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung nicht zur Anteilsvereinigung kommen wird2. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfordere nicht, dass eine Anteilsvereinigung in tatsächlicher Hinsicht möglich sein müsse. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG stelle für die Rechtszuständigkeit an den Gesellschaftsgrundstücken vielmehr auf den Anspruch auf Anteilsübertragung und nicht auf die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand ab. Der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG („wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers […] vereinigt werden würden“) ließe es m.E. zu, die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG abzulehnen. Wenn bei Abschluss des den Anteilsübertragungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls bereits feststeht, dass es zu keiner dinglichen Anteilsvereinigung an der Hand des Erwerbers kommen werde, ist die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG m.E. dem Wortlaut nach zu verneinen3. c) Ebene der Verwirklichung von Abs. 3 in Beteiligungsketten In Beteiligungsketten ist, wenn die Gesellschaft am unteren Ende der Kette mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft in ihrer Hand vereinigt, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, diese die Anteile erwerbende Gesellschaft Erwerberin i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG, nicht zugleich auch ihr mindestens 90%iger Gesellschafter und dessen mindestens 90%iger Gesellschafter etc.; denn wenn durch einen bestimmten Rechtsvorgang ein Rechtsträger unmittelbar mind. 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf sich vereinigt, kann nicht durch denselben Rechtsvorgang auf Ebene eines anderen Rechtsträgers eine steuerbare mittelbare Anteilsvereinigung ausgelöst werden. Die Variante der mittelbaren Anteilsvereinigung ist subsidiär, ebenso die der mittelbaren Anteilsvereinigungen auf höheren Ebenen. Subsidiär ist zudem die Anteilsvereinigung im Organkreis gegenüber der mittelbaren Anteilsvereinigung aufgrund von mind. 90%igen Beteiligungsketten. Als weiteres Argument gegen das gleichzeitige Vorliegen mittelbarer Anteilsvereinigungen auf Ebene der (unmittelbaren und mittelbaren) mindestens 90%igen Gesellschafter der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerbenden Gesellschaft spricht, dass deren (unmittelbare und mittelbare) Gesellschafter selbst keine Anteile erwerben; bei zivilrechtlichem Verständnis meint „Erwerber“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG den Erwerber von Gesellschaftsanteilen, nicht den fiktiven Grundstückserwerber (vgl. in Rz. 683).

688

Beispiel: Die MG ist zu 99 % an der grundbesitzenden G-GmbH und zu 100 % an der T-GmbH beteiligt, die ihrerseits alle Anteile an der E-GmbH hält, die Alleingesellschafterin der UE-GmbH ist. Die UE-GmbH hält seit der Zeit vor dem 1.7.2021 einen 1%igen Anteil an der G-GmbH und ist deshalb sog. Altgesellschafterin der G-GmbH. MG verkauft ihre 99%ige Beteiligung an der G-GmbH an die UE-GmbH, die damit ihre Beteiligung an der grundbesitzenden G-GmbH von 1 % auf 100 % aufstockt.

689

1 Vgl. BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 178 m.w.N. § 1 Abs. 3 GrEStG setzt das Fortbestehen der Anteile voraus; vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, HFR 2003, 382. 2 BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 19. So auch schon in erster Instanz FG Münster v. 20.12.2016 – 8 K 1686/13 GrE, EFG 2017, 332, Rz. 27. 3 Anders allerdings BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. Vgl. hierzu Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 492.

Behrens

257

§ 1 Rz. 689 Erwerbsvorgänge

99 %

Vorher:

Nachher:

MG

MG

1%

G-GmbH

100 %

T-GmbH 100 %

E-GmbH 100 %

UE-GmbH

100 %

T-GmbH 100 %

E-GmbH 100 %

UE-GmbH 100 %

G-GmbH UE-GmbH ist sog. Alt-Gesellschafterin der G-GmbH für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG.

690

Das unbedingte Wirksamwerden des Anteilsübertragungsanspruchs der UE-GmbH gegenüber der MG löst nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG Steuer aus, weil mindestens 90 %, hier 99 % von der MG an die UE-GmbH verkauft werden. Dem Anfall von Grunderwerbsteuer auf Ebene der UE-GmbH steht nicht entgegen, dass die Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft der MG trotz Übertragung auf die UE-GmbH weiterhin mittelbar zugeordnet bleiben1. Steuerschuldnerin ist (neben der MG als Anteilsverkäuferin) die UE-GmbH analog § 13 Nr. 1 GrEStG2. Nicht verwirklicht wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (oder ein sonstiger Tatbestand) auf Ebene der E-GmbH und der T-GmbH; denn die mittelbare Anteilsvereinigung scheidet als gegenüber der unmittelbaren Anteilsvereinigung subsidiär aus. Außerdem erwerben weder die E-GmbH noch die T-GmbH selbst Anteile3. Der gegenüber § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG vorrangige Tatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil die UE-GmbH seit vor dem 1.7.2021 ununterbrochen an der G-GmbH beteiligt ist und deshalb sog. Alt-Gesellschafterin für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG ist4. 4. Gegenstand der Besteuerung

691

§ 1 Abs. 3 GrEStG besteuert die grunderwerbsteuerrechtliche Veränderung der Zuordnung des zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücks. Es soll nicht der Anteilserwerb selbst besteuert werden; dieser ist nur der rechtstechnische Anknüpfungspunkt für die Besteuerung5. § 1 Abs. 3 1 Vgl. BFH v. 30.3.1988 – II R 81/85, BStBl. II 1988, 682. 2 Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 10; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 44; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 14. 3 Vgl. allerdings Rz. 541. Auch MG verwirklicht als Erwerberin keinen Tatbestand; dass auf Ebene der MG keine Steuer anfällt, folgt bereits daraus, dass die Beteiligung an der G-GmbH ihr vorher und nachher unverändert zugeordnet ist. Ihre Steuerschuldnerschaft analog § 13 Nr. 1 GrEStG als Anteilsverkäuferin bleibt davon unberührt. 4 Vgl. § 23 Abs. 23 GrEStG, gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, insb. Beispiel 13. 5 Vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505: Bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wird die Steuerpflicht allein durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment; Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher,

258

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 692 § 1

GrEStG fingiert einen Rechtsträgerwechsel des zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücks. Der Erwerber bzw. der Inhaber von 90 % oder mehr der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, wird so behandelt, als sei das Grundstück der Gesellschaft auf ihn übergegangen; dass zivilrechtlich das Grundstück bei der Gesellschaft verbleibt, steht dem nicht entgegen1. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG fingieren den Übergang des Gesellschaftsgrundstücks auf den Gesellschafter, der mindestens 90 % der Anteile auf sich vereinigt, von der Gesellschaft selbst2. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG fingieren den Übergang des Gesellschaftsgrundstücks von dem Veräußerer der bereits vereinigten Anteile auf den Erwerber der vereinigt bleibenden Anteile3. Die Frage, welche Parteien an der fingierten Grundstücksübertragung beteiligt sind, hat Bedeutung z.B. für die Anwendung der Befreiungen nach § 3 Nr. 4, Nr. 6 (vgl. Rz. 711 f.) und §§ 5, 6 GrEStG4. Weil nur die Veränderung der grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstückszuordnung Steuer auslöst, ist die Übertragung bereits vereinigter Anteile auf mehrere 100%ige Tochtergesellschaften, von denen keine 90 % oder mehr dieser Anteile erwirbt, tatbestandslos. D.h. im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG – für § 1 Abs. 3a GrEStG gilt insoweit nichts Anderes – lösen solche Anteilsgeschäfte keine Grunderwerbsteuer aus, die lediglich bewirken, dass sich die Beteiligungsstruktur des schon bisher zu mindestens 95 % beteiligten Gesellschafters verändert, ohne dass ein anderer Rechtsträger oder ein Organkreis (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG) erstmals mindestens 90 % der Anteile an der Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, auf sich vereinigt5. Dies gilt auch, wenn eine bisher unmittelbar gehaltene 100%ige (bzw. mind. 90%ige) Beteiligung an einer Grundstücks-Gesellschaft auf mehrere Tochter-Gesellschaften übertragen wird.

1

2 3

4 5

sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Vgl. auch BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424; v. 4.12.1996 – II B 110/96, BFH/NV 1997, 440 (441); v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320 (321); koordinierter Erlass FinMin. Bad.-Württ. v. 28.4.2005, DB 2005, 975 f.; Kroschewski, BB 2001, 1121 (1122) m.w.N. Vgl. BFH v. 26.7.1995 – II R 68/92, BStBl. II 1995, 736: Bei § 1 Abs. 3 GrEStG gehe es nicht darum, gesellschaftsrechtliche Vorgänge zu besteuern, sondern fingierte Grundstückserwerbe. Mit dem – bis 31.12.1999: vollständigen (seit 1.7.2021: mind. 90%igen) – Erwerb aller Anteile an einer Gesellschaft werde der Inhaber dieser Anteile so behandelt, als habe er die zum (Aktiv)Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke erworben. Dabei gehe das Gesetz von der Vorstellung aus, wer „Alleinherrscher“ über eine Gesellschaft sei, habe auch die alleinige – dem Eigentum vergleichbare – Herrschaft über ihre Grundstücke. Ob diese Sichtweise auch für den 90%igen Gesellschafter zutrifft, ist gerichtlich nicht geklärt; dafür z.B. Drüen, Ubg 2018, 605 (612 ff.). Vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292: Gegenstand der Besteuerung sei bei § 1 Abs. 3 GrEStG nicht der Erwerb der Anteile an einer Gesellschaft als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG behandelten denjenigen, der Alleingesellschafter (ab 1.1.2000: mind. 95%iger Gesellschafter; ab 1.7.2021: mind. 90%iger Gesellschafter) einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft wird bzw. geworden ist, so, als gehörten ihm die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Vgl. BFH v. 9.4.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529. BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420: § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingiere – zivilrechtlich nicht vorhandene – grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trage damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mind. 95 % (ab 1.7.2021: 90 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es gehe dabei nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge. Vgl. z.B. BFH v. 15.12.2006 – II B 26/06, BFH/NV 2007, 500; gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 3, 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, Anm. 1. Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 136 formulieren dahingehend, dass in den Fällen der Anteilsübertragung derjenige „ausgetauscht“ werde, dem infolge der unmittelbaren oder mittelbaren Anteilsvereinigung die Grundstücke der Gesellschaft (grunderwerbsteuerrechtlich) zugeordnet sind, also die Änderung der Grundstückszuordnung durch Abgabe und Erwerb der Herrschaftsmacht über die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke. Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. Vgl. z.B. FinMin. Bad.-Württ. v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991, Rz. 3 betr. Verstärkung bestehender Beteiligungen.

Behrens

259

692

§ 1 Rz. 693 Erwerbsvorgänge 693

Beispiel: Die M-GmbH ist zu 99 % beteiligte Gesellschafterin der T-GmbH, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Zudem ist die M-GmbH Alleingesellschafterin der Z-GmbH 1 und der Z-GmbH 2, die einen 1%igen Anteil an der T-GmbH hält, und zwar seit der Zeit vor dem 1.7.2021, so dass sie für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG sog. Alt-Gesellschafterin der T-GmbH ist1. Die M-GmbH gliedert ihre Beteiligung an der T-GmbH zu 50 % auf die Z-GmbH 1 und zu 49 % Z-GmbH 2 aus.

Vorher:

Nachher: M-GmbH

M-GmbH

100 % 1%

99 % 100 %

100 % Z-GmbH 1

Z-GmbH 2

T-GmbH

Z-GmbH 1

Z-GmbH 2

50 %

50 %

T-GmbH Z-GmbH 2 ist sog. Alt-Gesellschafterin der T-GmbH.

694

Durch die Ausgliederungen der Beteiligung an der T-GmbH auf die Z-GmbH 1 und die Z-GmbH 2 ändert sich an der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der mind. 90%igen Beteiligung an der T-GmbH zur M-GmbH nichts. Dadurch, dass die M-GmbH jeweils mind. 90 % der Anteile an der Z-GmbH 1 und an der Z-GmbH 2 hält, bleiben ihr die 50%ige und die bisher unmittelbar gehaltene 49%ige Beteiligung an der T-GmbH für die Zwecke von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG zugerechnet.

695

Dass e darauf, ob die Entstehung der Struktur zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG geführt hatte, nicht ankommt, entspricht bisher allgemeinem Verständnis2. Auch durch das BFH-Urteil vom 11.12.20143 sollte sich daran nichts ändern (vgl. Rz. 330 ff. zur vergleichbaren Frage bei § 1 Abs. 2a GrEStG). Zwar formuliert der BFH, dass ein Grundstück der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sei. Diese Formulierung schließt es jedoch nicht aus, dass die Beteiligungszurechnung auch dann erfolgt, wenn ein Zustand besteht, der dem entspricht, als hätte der Gesellschafter den Tatbestand von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht, obwohl der Gesellschafter diese Tatbestände in Bezug auf das betreffende Grundstück tatsächlich nie verwirklicht hat. Das heißt, die Beteiligungszurechnung hat mithin auch dann zu erfolgen, wenn die M-GmbH bereits alleinige Gesellschafterin der T-GmbH war, bevor die T-GmbH das Grundstück von einem außenstehenden Dritten erwarb.

1 Zur Alt-Gesellschaftereigenschaft eines schon vor dem 1.7.2021 an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafters vgl. § 23 Abs. 23 GrEStG und gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, insb. Beispiel 13. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse, z.B. FinMin. Bad.-Württ. v. 2.12.1999 – 3 – S 4500/43, StEK § 1 GrEStG Rz. 141 Anm. 3 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, HFR 2015, 147.

260

Behrens

Rz. 699 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

5. Gesetzeshistorie a) GrEStG 1940 und 1983 Im Wesentlichen entspricht die heutige Fassung von § 1 Abs. 3 GrEStG der Fassung, die bereits im GrEStG 1940 und im GrEStG 1983 enthalten war.

696

b) Absenkung auf 95 % mit Wirkung ab 1.1.2000 Durch die Herabsetzung der Anteilsgrenze des § 1 Abs. 3 GrEStG von 100 % auf 95 % mit Wirkung ab 1.1.20001 durch das Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/20022 wurde die rechtstatsächliche Grundlage der Fiktion dieser Vorschrift auf 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft abgeschwächt. „Bisher bestehende nicht gerechtfertigte Unterschiede im Vergleich zu § 1 Abs. 2a GrEStG bezüglich der Höhe des steuerrelevanten Anteils“ sollten ausgeräumt werden3. Im Vordergrund gestanden haben dürfte die Befürchtung von Steuerausfällen durch Zurückbehaltung bzw. Übertragung von Zwerganteilen auf fremde Personen4. Typisierend wird für Anteilserwerbe seit dem 1.1.2000 bei mindestens 95%iger Anteilsvereinigung von der Herrschaftsmacht über das Grundstück der Gesellschaft ausgegangen5. Durch die Einfügung von §§ 327a ff. in das AktG durch Art. 7 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.20016 (sog. squeeze-out) wird die Herabsetzung des für eine Anteilsvereinigung erforderlichen Quantums von 100 % auf mindestens 95 % mit Wirkung ab 1.1.2000 für Kapitalgesellschaften7 als in gewisser Weise nachträglich gerechtfertigt angesehen8.

697

Waren bis zum 31.12.1999 bereits mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt und wurde bzw. wird diese Beteiligung nach dem 31.12.1999 durch Hinzuerwerb weiterer Anteile an dieser Gesellschaft weiter aufgestockt, konnte bzw. kann § 1 Abs. 3 GrEStG nicht mehr verwirklicht werden9. Dies gilt auch für nach dem Erreichen bzw. Überschreiten der 95 %-Grenze hinzu erworbene Grundstücke10.

698

c) Ausdrückliche Erfassung mittelbarer Anteilsvereinigungen im Gesetzeswortlaut § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst ausdrücklich erstmals in der ab 1.1.2000 gültigen Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 auch mittelbare Anteilsvereinigungen und -übertragungen11. Hierbei handelte es

1 Vgl. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402, Art. 15 Nr. 1 Buchst. b GrEStG. 2 BGBl. I 1999, 402. Nach § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist diese Fassung erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden. 3 Vgl. Materialien zum Gesetzgebungsverfahren. 4 Vgl. BT-Drucks. 14/265, 204; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 132. 5 BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225. 6 Vgl. BGBl. I 2001, 3822. 7 Allerdings nicht für Personengesellschaften; deren Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft (AG) setzt grds. die Zustimmung aller Gesellschafter voraus; vgl. § 217 Abs. 1 Satz 1 UmwG. 8 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 132. 9 So auch FG München v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, EFG 2019, 65, m.w.N., wonach eine Regelungslücke für diejenigen Gesellschaften bestehe, die das Beteiligungsverhältnis in der verschärften Gesetzesfassung von mind. 95 % bereits vor der Absenkung der Beteiligungsgrenze (von 100 % auf 95 %) erfüllt hatten; die teleologische Extension führte hier zur Schaffung eines neuen, vom Gesetzgeber bislang ungeregelten Besteuerungstatbestands, was ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten sei; a.A. allerdings Viskorf in Boruttau17, § 23 GrEStG Rz. 69, und auch Loose in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 69, mit dem Argument, dass der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung infolge des StEntlG 1999/2000/2002 (Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 95 %) eine Verschärfung der steuerbaren Anteilserweiterung und gerade keine Lockerung erreichen wollte. Gegen das Urt. des FG München v. 24.10.2018 ist unter Az. II R 44/18 die Revision anhängig. 10 Vgl. Anwendungserlass v. 2.12.1999 zu § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. der Bekanntmachung des StEntlG 1999/ 2000/2002, StEK § 1 GrEStG Nr. 141. 11 Im Rahmen derselben Gesetzesänderung wurde in § 1 Abs. 3 GrEStG das Tatbestandsmerkmal „alle Anteile“ durch „mindestens 95 % der Anteile“ ersetzt.

Behrens

261

699

§ 1 Rz. 699 Erwerbsvorgänge sich nach den Gesetzgebungsmaterialien und nach Ansicht der Finanzverwaltung1 sowie des BFH2 jedoch nur um eine gesetzliche Klarstellung. Nach früherer Rechtsprechung wurden dem Anteilserwerber auch schon in vor dem 1.1.2000 verwirklichten Sachverhalten nicht nur unmittelbar gehaltene, sondern auch mittelbar über eine Zwischengesellschaft gehaltene Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft zugerechnet, wenn er – nach alter Rechtslage – unmittelbar oder mittelbar (über einen oder ggf. mehrere Beteiligungsstränge) – 100 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hielt3. Die Relevanz mittelbarer Anteilsvereinigungen und -übertragungen wurde aus dem Tatbestandsmerkmal „gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück“ und der Fiktion des Grundstückserwerbs durch den alleinigen Gesellschafter (bzw. die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung zu diesem) abgeleitet. Voraussetzung war, dass es sich bei den Beteiligungen an den vermittelnden Gesellschaften um (unmittelbar und/oder mittelbar) 100%ige Beteiligungen handelte4. Maßgebend ist, dass mittelbare Beteiligungen nur dann einem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen sind, wenn dieser die Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG beherrscht5. d) Absenkung auf 90 % mit Wirkung ab 1.7.2021 700

Durch das GrEStÄndG v. 12.5.2021 wurde in § 1 Abs. 3 (und auch in Abs. 3a) GrEStG die bisherige Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgesenkt. Außerdem wurde die Subsidiarität von § 1 Abs. 3 (und auch Abs. 3a) GrEStG gegenüber dem neu eingeführten Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG angeordnet. Das GrEStÄndG v. 12.5.2021 lässt die bisherige Mechanik von § 1 Abs. 3 (und auch Abs. 3a) GrEStG unverändert bestehen. Die Neufassung von § 1 Abs. 3 (und auch von Abs. 3a) GrEStG und damit die auf 90 % abgesenkte Beteiligungsschwelle findet gem. § 23 Abs. 18 GrEStG auf Rechtsvorgänge Anwendung, die nach dem 1.7.2021 verwirklicht werden. Gemäß § 23 Abs. 21 GrEStG bleibt die Altfassungen von § 1 Abs. 3 (und gem. § 23 Abs. 22 GrEStG die Altfassung von Abs. 3a) GrEStG für Konstellationen anwendbar, in denen ein Rechtsträger am 30.6.2021 und seitdem ununterbrochen bereits zu mindestens 90 %, aber weniger als 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt war. Die Anwendung der Altfassung von § 1 Abs. 3 (und auch von Abs. 3a) GrEStG ist gem. § 23 Abs. 21 Satz 3 (bzw. Abs. 22 Satz 2 GrEStG) subsidiär gegenüber der Verwirklichung eines der Tatbestände in § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG in der jeweils am 1.7.2021 geltenden Fassung. Die Altfassungen bleiben solange anwendbar, wie die jeweilige Beteiligung nicht unter 90 % fällt6.

701

Erwirbt ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines vor dem 1.7.2021 abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäfts mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und erfolgte bzw. erfolgt der dingliche Vollzug der Anteilsübertragung nach dem 1.7.2021, besteht nach den Gesetzeswortlauten grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Transaktion sowohl nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG a.F. (und zwar auf Ebene des Anteilserwerbers und ggf. des Anteilsveräußerers) als auch nach § 1 Abs. 2b GrEStG (und zwar auf Ebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft selbst) der Grunderwerbsteuer unterliegt. Durch das Signing vor dem 1.7.2021 verwirklicht der Anteilserwerber (und bei § 1 Abs. 3 Nr. 3 der Anteilsveräußerer) den auf das Verpflichtungsgeschäft abstellenden § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG, wofür er gem. § 13 Nr. 1 bzw. Nr. 5 GrEStG als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden kann. Das Closing nach dem 1.7.2021 führt hingegen, vorausgesetzt, der Rechtsträger ist neuer Gesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG, zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG. Steuerschuldner der nach § 1 Abs. 2b GrEStG anfallenden Steuer wäre gem. § 13 Nr. 7 GrEStG die grundbesitzende Kapitalgesellschaft selbst. Die im Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. angeordnete Subsidiarität gegenüber § 1 Abs. 2b GrEStG findet aufgrund der Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG auf vor dem 1.7.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge keine Anwendung. Für eine Entlastung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG fehlt es mangels Erwerberidentität bzw. fehlendem Einbezug des § 1

1 2 3 4 5 6

Vgl. z.B. gleichlautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991, Rz. 1 Abs. 1. Vgl. BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225, Rz. 12. Vgl. BFH v. 30.3.1988 – II R 81/85, BStBl. II 1988, 682. Vgl. BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II 1980, 360 (361). Vgl. auch FinMin. Sa.-Anh. v. 23.10.1995, Beispiel 3, DStR 1995, 1797. Vgl. 23 Abs. 21 GrEStG. Zu Beispielen vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Tz. 4, Beispiele 11 bis 13.

262

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 703 § 1

Abs. 2b GrEStG in § 1 Abs. 6 GrEStG ebenfalls an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Die Nichterhebungsvorschrift des § 6 Abs. 3 GrEStG findet auf Kapitalgesellschaften weder direkt noch analog Anwendung. In den Gesetzesmaterialien wird diese Sachverhaltskonstellation nicht hinreichend angesprochen. Die doppelte Belastung dieses Lebenssachverhalts, der sowohl die schuldrechtliche Anspruchsbegründung als auch die dingliche Anteilsübertragung umfasst, auf Grundlage von § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. einerseits und § 1 Abs. 2b GrEStG andererseits verstieße gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung1. In § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. bezog sich der „soweit“-Halbsatz in § 1 Abs. 3 GrEStG nur auf § 1 Abs. 2a GrEStG, jedoch noch nicht auf § 1 Abs. 2b GrEStG, weil dieser Tatbestand vor dem 1.7.2021 noch nicht in Kraft getreten war. Der Gesetzgeber hat weder in § 23 GrEStG noch an sonstiger Stelle des GrEStG eine Regelung getroffen, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anzuwenden ist, wenn durch die Begründung des Anteilsübertragungsanspruchs § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG a.F. verwirklicht worden ist, oder § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG a.F. nicht anzuwenden ist, soweit durch die Erfüllung des Anteilsübertragungsanspruchs eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt. Hätte der Gesetzgeber diese Fallkonstellation hinreichend bedacht, hätte er eine gesetzliche Regelung aufgenommen, die die zweifache Besteuerung dieses einheitlichen Lebenssachverhalts ausschließt. Dass in der bezeichneten Fallkonstellation das Bedürfnis für eine zweimalige Besteuerung besteht, ist nicht begründbar. Zu empfehlen ist die Stellung von Billigkeitsanträgen i.S.v. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO2. 6. Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht a) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 100 % der Anteile in einer Hand Das BVerfG bejahte die Verfassungsmäßigkeit einer auf Vereinigung aller Anteile in einer Hand abstellenden früheren Fassung von § 1 Abs. 3 GrEStG mit der Begründung, dass derjenige, der, statt ein Grundstück zu erwerben, alle Anteile der Gesellschaft erwirbt, der das Grundstück gehört, wirtschaftlich Eigentümer des Grundstücks würde. Es sei gerecht, ihn wie einen Grundstückserwerber zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Erwürbe er die Anteile nacheinander, so würde beim Erwerb des letzten Anteils die Steuerpflicht für die übrigen Erwerbsvorgänge „nachgeholt“3. Dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. eine Vereinigung aller Anteile voraussetzte und die Vereinigung nahezu aller Anteile nach der Rechtsprechung des BFH nicht zur Steuerpflicht führte4, begründet nach Ansicht des BFH ebenfalls nicht die Verfassungswidrigkeit von § 1 Abs. 3 GrEStG5. Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Besteuerungstatbestände so auszugestalten, dass ihre Erfüllung nicht vermieden werden kann6.

702

b) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 95 % der Anteile in einer Hand Die Absenkung der Beteiligungsschwelle vom Erfordernis der Vereinigung bzw. des Erwerbs aller An- 703 teile in einer Hand auf 95 % der Anteile durch das StEntlG 1999/2000/20027 mit Wirkung für ab 1.1.2000 verwirklichte Erwerbsvorgänge wurde soweit ersichtlich verfassungsrechtlich nicht in Frage gestellt8, zumal landesgesetzlich vereinzelt bereits vor Inkrafttreten des GrEStG 1983 auf die Vereini-

1 Vgl. auch Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (872). 2 § 163 Abs. 1 Satz 1 AO gilt gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für gesonderte Feststellungen sinngemäß; vgl. z.B. FG Düsseldorf v. 25.3.2021 – 11 K 2137/20 GE, EFG 2021, 993. 3 Vgl. BVerfG v. 10.6.1963 – 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203 = BStBl. I. 1963, 620. 4 Vgl. BFH v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 57. 5 Vgl. BFH v. 23.8.2004 – II B 122/03, juris, Rz. 9. 6 Vgl. BFH v. 23.8.2004 – II B 122/03, juris, Rz. 9. A.A. aber wohl Wernsmann/Bering, DStZ 2021, 434 (440), unter Hinw. auf P. Kirchhof, FR 2016, 530 (534), dieser allerdings nicht in Bezug auf die Grunderwerbsteuer: „Ein Gesetz, das es ermöglicht, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen gesetzliche Belastungen ohne rechtfertigenden Grund zu vermeiden oder Vergünstigungen ungerechtfertigt zu erreichen, verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz“. 7 Vgl. BGBl. I 1999, 402. Vgl. BT-Drucks. 14/443, 42: „Folgeänderung zu der Neufassung von § 1 Abs. 2a“. 8 Vgl. Drüen, Ubg 2018, 605 (610 ff.), m.w.N.

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§ 1 Rz. 703 Erwerbsvorgänge gung bzw. den Erwerb von 95 % der Anteile abstellt worden war1. Die Gesetzesmaterialien enthalten keine nähere Begründung für die Wahl gerade der 95%igen Beteiligungsschwelle2. M.E. taugen die den squeeze-out von Minderheitsaktionären3 ermöglichenden Rechtsvorschriften in §§ 327a ff. AktG zumindest im Bereich der Kapitalgesellschaften zur (nachträglichen) Rechtfertigung der 95 %-Grenze, weil es diese Regelungen dem zu mindestens 95 % am Grundkapital einer AG oder KGaA beteiligten Hauptaktionär gestatten, Minderheitsaktionäre auch ohne ihre Zustimmung gegen Barabfindung aus der AG bzw. KGaA zu verdrängen und anschließend über die Gesellschaftsgrundstücke allein zu entscheiden4. Bezweckt wird mit §§ 327a f. AktG, auf diesem Wege die Entfaltung der unternehmerischen Initiative des Hauptaktionärs zu stärken, d.h. die maximale Ausübung seiner Sachherrschaft zu ermöglichen. Drüen hält den Verweis auf die Schwelle im aktienrechtlichen Ausschlussverfahren „mangels Universalität und Sachgerechtigkeit als allgemeine und rechtsformübergreifende Typisierungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht“ für nicht tragfähig. Die überwiegende Annahme der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der aktienrechtlichen Regelungen beziehe sich auf den Interessenausgleich von Eigentumspositionen Privater mit finanzieller Ausgleichspflicht, ohne dass aus dieser Beurteilung des „Zwangsverkaufs“ zugleich verfassungsrechtliche Wertungen für einen staatlichen Eingriff in Rechte der Anteilseigner durch Steuerlasten ableitbar seien5. Angesichts der „Evidenz der Herrschaftsmacht des Gesellschafters bei mindestens 95 %-Anteilen an einer Gesellschaft“6 lasse sich die Vernachlässigung einer quantité négligeable zum Zwecke einer einheitlichen Beteiligungshöhe noch hinnehmen. Allerdings steige die verfassungsrechtliche Rechtfertigungslast, wenn diese Beteiligungshöhe zu Lasten der Steuerpflichtigen verschoben wird7. Woraus sich die „Evidenz der Herrschaftsmacht des Gesellschafters bei mindestens 95 %-Anteilen an einer Gesellschaft“ ergeben soll, erläutert Drüen nicht. M.E. sind es gerade die den sog. aktienrechtlichen squeeze-out von Minderheitsaktionären ermöglichenden Rechtsvorschriften in §§ 327a ff. AktG, die diese Herrschaftsmacht des mindestens zu 95 % an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafters begründen.

1 Vgl. § 1 Abs. 3 GrEStG Berlin 1969. Vgl. auch § 1 Abs. 3 Satz 4 GrEStG Rh.-Pf. und § 1 Abs. 3 Satz 2 GrEStG Saarland, wonach der Steuerbarkeit „ein von der Vereinigung ausgeschlossener wirtschaftlich bedeutungsloser Zwerganteil“ der Besteuerung nicht entgegenstand; vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 327. 2 Vgl. BT-Drucks. 13/5952, 17; BT-Drucks. 13/6530, 5. 3 Die den unfreiwilligen Ausschluss von Minderheitsaktionären regelnden Vorschriften in §§ 327a ff. AktG traten erst am 1.1.2002 in Kraft, vgl. Art. 7 Nr. 2, Art. 12 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3822 (3838). In der Kommentarliteratur zum GrEStG werden diese Squeeze-out-Regelungen nachträglich mit der Absenkung der 100 %-Grenze auf 95 % in Verbindung gebracht; vgl. Pahlke, 5. Aufl. 2014, § 1 GrEStG Rz. 317: „Diese Herabsetzung der Anteilsgrenze findet eine gewisse Parallele in der im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Minderheitsaktionären (sog. Squeeze out, vgl. § 327a ff. AktG) getroffenen Regelung über den sog. Mehrheitsaktionär (§ 327a Abs. 1 AktG)“. Vgl. auch den sog. übernahmerechtlichen squeeze-out nach § 39a ff. WpÜG, wonach dem Bieter, dem Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mind. 95 Prozent des stimmberechtigten Grundkapitals gehören, nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot auf seinen Antrag die übrigen stimmberechtigten Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung durch Gerichtsbeschluss zu übertragen sind. 4 Vgl. Behrens, UVR 2017, 15 (18), mit dem Hinw. darauf, dass diese nachträgliche Rechtfertigung allerdings nur bei Kapitalgesellschaften schlüssig sei, weil dort grds. mit 75%iger Mehrheit der Formwechsel in die AG und anschließend das Squeeze out auf Initiative des mind. 95%igen Aktionärs möglich sei. Die Übertragung dieses Gedankens auf Personengesellschaften verbietet sich, weil der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gem. § 217 Abs. 1 Satz 1 UmwG grds. die Zustimmung aller Personengesellschafter voraussetzt. Die Relevanz dieser nachträglichen Rechtfertigung mag in Bezug auf Personengesellschaften aufgrund der Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung noch hinnehmbar sein. 5 Vgl. Drüen, Ubg 2018, 605 (616). 6 So Drüen in Ubg 2018, 605 (617). Wernsmann/Bering, DStZ 2021, 434 (438) sprechen von einem „marginalen Fremdeinfluss“ durch die [insgesamt zu bis zu 5 % beteiligten] Minderheitsgesellschafter. 7 Dagegen Wernsmann/Bering, DStZ 2021, 434 (438).

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 705 § 1

c) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 90 % der Anteile in einer Hand In den Gesetzesmaterialien1 heißt es zur Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 90 %, die Übertragung 704 von 90 % der Anteile komme im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des gesamten Grundstücks gleich, was „unter Berücksichtigung anderer steuerlicher Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen in Höhe von 10 % die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des ganzen Grundstücks (100 % des Grundbesitzwerts nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 151 ff. BewG)“ rechtfertige. Der gesetzgeberische Typisierungsrahmen werde hierdurch nicht überschritten. Im Ergebnis entspricht dies der Ansicht von Drüen, wonach rechtsformübergreifend als typisierende Missbrauchsabwehr bei den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG „allenfalls“ eine Absenkung der Beteiligungshöhe von mindestens 95 % auf 90 % als verfassungsrechtlich „noch vertretbar“ anzusehen sei. Als Rechtfertigung dafür könnten – so Drüen – andere Beispiele für steuerrechtliche Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigungsgrenzen i.H.v. 10 % angeführt werden2. Der BFH bezeichne die 10 %-Grenze als „sonst im Steuerrecht allgemein anerkannte Geringfügigkeitsgrenze“. Darauf könne auch der Gesetzgeber im Grunderwerbsteuerrecht aufbauen, ohne dass auch dieser Grenzwert verfassungsrechtlich zwingend erscheine. Der „Rechtsfolgenüberschuss“ von 90 % der Beteiligung gegenüber 100 % des Grundstückswerts erscheine noch verfassungsverträglich. In der Literatur wird demgegenüber zum Teil die Ansicht vertreten, dass eine nur 90%ige Beteiligung keinen typischen Missbrauchsfall mit einer Herrschaftsbefugnis über ein Gesellschaftsgrundstück darstelle. Außerdem stünde mit einer anteiligen Besteuerung ein milderes Mittel zur Verfügung3. M.E. passen die von Drüen genannten Beispiele4 allesamt nicht, um die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 % in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG zu rechtfertigen. Der gesetzgeberische Hintergrund von § 15 Abs. 1 Satz 4 UStG und § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG ist m.E. mit dem von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG nicht vergleichbar, so dass aus ihnen eine Begründung für die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 % in § 1 Abs. 3 (und auch Abs. 3a) GrEStG m.E. nicht abgeleitet werden kann5. Auch der verschmelzungsrechtliche squeeze-out gem. § 62 Abs. 5 UmwG ist m.E. nicht geeignet, die Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG zu begründen. Zwar setzt § 62 Abs. 5 UmwG nur eine Beteiligung von 90 % am Stamm- oder Grundkapital der zu verschmelzenden Gesellschaft voraus. Jedoch greift § 62 Abs. 5 UmwG nur in dem Sonderfall der up-stream-Verschmelzung6. d) Anteilsvereinigung bei Vereinigung von 75 % der Anteile in einer Hand Im Laufe des Gesetzgebungsverfahren war gefordert worden, die Beteiligungsgrenze in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG auf 75 % herabzusenken. Die Schere von mindestens 75%iger Beteiligung und 100%iger Besteuerung wurde jedoch von Drüen für angreifbar gehalten. Auf Grundlage der Recht1 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, 12. 2 Als zu berücksichtigende andere steuerliche Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen i.H.v. 10 % zitiert Drüen, Ubg 2018, 605 (621) § 15 Abs. 1 Satz 4 UStG, § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, Diskussion um gewerbesteuerrechtliche Geringfügigkeitsgrenzen von 10 %. 3 Vgl. Happel, DStR 2021, 1272 (1277), der von einem Typisierungsübermaß spricht. Ebenso Broemel/Mörwald, DStR 2018, 1521 (1526), nach deren Ansicht die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit dem Alleineigentum bei einer 90 %-Beteiligung nicht mehr gegeben ist. Auch nach Ansicht von Schanko, UVR 2016, 16 (18), „fehlt bei einer Absenkung der maßgeblichen Grenze unter 95 % der sachliche Rechtfertigungsgrund für die Besteuerung des Rechtsträgerwechsels an einem Grundstück“. Hufeld meint in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung am 14.10.2019: „Ein verbleibender 5 %-Anteil mochte als Zwerganteil zu vernachlässigen sein. Indessen lassen sich 10 % schwerlich noch verzwergen“; ebenso Eichholz, Ubg 2019, 368 (370 f.). 4 Vgl. § 1 GrEStG, Ziffer 7.3, Fn. 70. 5 Ebenso Eichholz, Ubg 2019, 368 (371): „kein Erkenntnisgewinn für die Grunderwerbsteuer“. 6 Der verschmelzungsrechtliche squeeze-out i.S.v. § 62 Abs. 5 UmwG ist vorbereitende Maßnahme für eine anschließende Konzernverschmelzung. Er folgt im Wesentlichen den aktienrechtlichen Regelungen. Während der aktienrechtliche squeeze-out i.S.v. §§ 327a ff. AktG keiner besonderen Rechtfertigung bedarf, muss der verschmelzungsrechtliche squeeze-out i.S.v. § 62 Abs. 5 UmwG darauf gerichtet sein, dem Interesse der Muttergesellschaft als Hauptaktionärin zu dienen, die Konzernstruktur zu ordnen und zu vereinfachen sowie die Unternehmensleitung zu vereinheitlichen; vgl. OLG München v. 28.7.2021 – 7 AktG 4/21, NZG 2021, 1594, Rz. 102.

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705

§ 1 Rz. 705 Erwerbsvorgänge sprechung des BVerfG setze die Absenkung auf 75 % voraus, dass empirisch feststellbar sei, dass in der Praxis in Personengesellschaftsverträgen regelmäßig gem. § 217 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UmwG vereinbart sei, dass der Formwechselbeschluss der Gesellschafterversammlung mit Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter, mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen, gefasst werden kann1. Ob eine einheitliche, tragfähige Typisierungsgrundlage für Kapital- und Personengesellschaften für eine 75 %-Grenze bei der Grunderwerbsteuer begründbar und im verfassungsrechtlichen Streitfall auch als Orientierung am Regelfall zu belegen sei, müsse vor dem Hintergrund, dass nach dem Leitbild des § 709 Abs. 1 BGB für Beschlüsse bei der GbR grundsätzlich das Erfordernis der Einstimmigkeit gilt, empirisch untersucht werden2. Im GrEStÄndG v. 12.5.2021 beließ es der Gesetzgeber dabei, die Beteiligungsgrenze in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG auf 90 % abzusenken. e) Empfehlung für die Praxis 706

Bis zu welchem abgesenkten Beteiligungsprozentsatz (95 %, 90 % oder 75 %) die Besteuerung in voller Höhe auf Grundlage von 100 % des Grundbesitzwerts3 verfassungsrechtlich noch zulässig ist, kann nicht unmittelbar aus dem GG abgelesen werden. Ob die seit dem 1.7.2021 geltende volle Besteuerung bei Vereinigung von 90 % der Anteile verfassungsrechtlich zulässig ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt4. In der Abwehrberatung ist es m.E. zu empfehlen, durch Klage gegen entsprechende Bescheide die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung einer Vereinigung von weniger als 95 % in einer Hand geltend zu machen. Im Falle der Bestandskraft der Bescheide bliebe es bei der Besteuerung, auch wenn das BVerfG später die Absenkung auf 90 % für verfassungswidrig halten sollte. Wie das BVerfG diese Frage entscheiden wird, kann m.E. allerdings nicht zuverlässig vorhergesehen werden. 7. Vereinbarkeit mit EU-Recht

707

Nach der BFH-Rechtsprechung ist die Erhebung von Grunderwerbsteuer nach Maßgabe des GrEStG auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH mit der RL 77/388/EWG vom 17.5.1977 (und damit auch mit der MwStSystRL) vereinbar. Die nach dem GrEStG erhobene Grunderwerbsteuer hat nicht den Charakter einer Umsatzsteuer5. Ebenso sei die Grunderwerbsteuer keine Gesellschaftsteuer dar und ist daher mit der RL 69/335/EWG v. 17.7.19696 vereinbar7. Zu weiteren EU-rechtlichen Aspekten vgl. z.B. Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 – 3000 3.108/16, PE 6 – 3000 – 122/16 (15.9.2016), Seite 12 ff.

1 Vgl. Drüen, Ubg 2018, 605 (617). 2 Vgl. Drüen, Ubg 2018, 605 (620): Für die Beurteilung, „ob … eine einheitliche, tragfähige Typisierungsgrundlage für Kapital- und Personengesellschaften für eine 75 %-Grenze bei der Grunderwerbsteuer begründbar ist“, sei … die „Mehrheitsherrschaft“ bei mindestens 75 % der Anteile auch für Personengesellschaften empirisch als gesetzgeberische Orientierung am Regelfall zu erhärten“. A.A. aber Wernsmann/Bering, DStZ 2021, 434, und auch Tappe, StuW 2021, 139 (142), nach dessen Ansicht eine Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 75 % in § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG auch bei Personengesellschaften verfassungsgemäß wäre, weil Art. 3 Abs. 1 GG einer Typisierung nicht entgegen stehe, wenn die Regelung Steuerumgehungsmodelle effektiv verhindere. 3 Sog. Rechtsfolgenschere. 4 Vgl. Schanko, UVR 2016, 16, Mörwald, DStZ 2019, 492, und Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113, einerseits, Drüen, Ubg 2018, 605, und erst recht (weil die Absenkung auf 75 % bei Besteuerung von 100 % des Grundbesitzwerts für verfassungsmäßig haltend) Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 – 3000 3.108/16, PE 6 – 3000 – 122/16 (15.9.2016), 10 f. und Wernsmann/Bering, DStR 2021, 434, andererseits. 5 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. Zustimmend z.B. Weilbach, § 1 GrEStG, Dezember 2918, Rz. 91. 6 RL 69/335/EWG des Rates v. 17.7.1969 betr. die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital. 7 BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489, Streitjahr 1999, zur Anteilsvereinigung in der Hand einer AG, zu der es dadurch kommt, dass im Zuge einer Kapitalerhöhung Anteile an einer mittelbar oder unmittelbar grundbesitzenden Gesellschaft gegen Gewährung neuer Aktien eingebracht werden.

266

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 708 § 1

8. Rechtliche Vereinigung von mindestens 90 %/95 % der Anteile a) Keine wirtschaftliche Anteilszurechnung Eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG setzt nach ganz h.M. stets eine rechtliche Vereini- 708 gung von mindestens 90 % der Anteile an der Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, voraus; eine bloß wirtschaftliche Vereinigung genügt nicht1. Nach ganz h.M. ist mithin im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG im Anwendungsbereich der unmittelbaren Anteilsvereinigung eine Zurechnung von Anteilen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, z.B. nach § 39 Abs. 2 AO, unzulässig2. Insbesondere sind beim Anteilsübergang infolge Verschmelzung die Grundsätze des IDW RS HFA 42 grunderwerbsteuerrechtlich irrelevant3. Beim mittelbaren Anteilserwerb scheidet nach Auffassung des BFH, soweit der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft werden würde, eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, weil das Zivilrecht keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsehe4. Es komme vielmehr darauf an, welche rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten der Erwerber auf die grundbesitzende Gesellschaft hätte5. Mit Ausnahme des Beschlusses II B 98/17 v. 22.1.20196, der die Treuhandschaft an Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft betraf, prüft der BFH das Vorliegen eines mittelbaren Anteilsübergangs im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG jedoch nicht in Anwendung der Grundsätze von § 39 Abs. 2 AO7. M.E. ist der BFH so zu verstehen, dass es für die Frage, ob der Erwerber die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat, bei einer zwischengeschalteten (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft im Ergebnis allein auf mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftskapital ankommt. Für die Frage, ob der Erwerber die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat, kommt es bei einer zwischengeschalteten (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft auf den dinglichen Erwerb von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftskapital an, wobei wegen § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG bereits die Begründung eines unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs zur Zurechnung der Einflussmöglichkeiten zum Anteilserwerber ausreicht. Die vom BFH im Urteil v. 9.7.20148 zum mittelbaren Anteilsübergang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG entwickelten Grundsätze zur Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sind auf § 1 Abs. 3 GrEStG nicht übertragbar9.

1 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 187; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 137; BFH v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 57. 2 Vgl. z.B. BFH v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 57. Vgl. z.B. auch Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 319. 3 Nach Auffassung des IDW (vgl. IDW RS HFA 42) geht das wirtschaftliche Eigentum an den Vermögensgegenständen und Schulden des übertragenden Rechtsträgers bereits vor der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister auf den übernehmenden Rechtsträger über, wenn (vor dem vor dem Eintragungszeitpunkt liegenden Bilanzstichtag) der Verschmelzungsvertrag formwirksam abgeschlossen und die Zustimmungsbeschlüsse in den Hauptversammlungen formwirksam gefasst worden sind und der vereinbarte Verschmelzungsstichtag vor dem Abschlussstichtag, auf den das wirtschaftliche Eigentum zuzuordnen ist, liegt oder mit diesem zusammenfällt und die Verschmelzung bis zur Beendigung der Aufstellung des Jahresabschlusses in das Handelsregister eingetragen wird oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Eintragung erfolgen wird, und faktisch oder durch eine entsprechende Regelung im Verschmelzungsvertrag sichergestellt ist, dass der übertragende Rechtsträger nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs oder mit Einwilligung des übernehmenden Rechtsträgers über die Vermögensgegenstände verfügen kann; vgl. Rz. 29 in IDW RS HFA 42. 4 Vgl. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 15. 5 Vgl. z.B. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 15. 6 Vgl. BFH/NV 2019, 412, betr. Zurechnung der treuhänderisch gehaltenen Anteile nur zum Treugeber, nicht auch zum mind. 95%igen Gesellschafter der als Treuhänderin an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Gesellschaft. Vgl. hierzu Rz. 825. 7 Vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2019, 372; Schley, GmbHR 2020, 1150. 8 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 9 Vgl. Behrens/Bielinis, DStR 2014, 2369; ebenso Wagner/Mayer, BB 2014, 279 (280 ff.); Wagner/Mayer, BB 2016, 2519 (2521); Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 329. Anders jedoch BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 424, in dem für den Fall treuhänderisch gehaltener Anteile auf § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO abgestellt wird.

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§ 1 Rz. 709 Erwerbsvorgänge b) Keine Anteilsvereinigung in Anwendung von § 41 Abs. 1 AO 709

Nach älterer Rechtsprechung des BFH ist § 1 Abs. 3 GrEStG trotz zivilrechtlicher Unwirksamkeit des Anteilserwerbs erfüllt, wenn „keine Umstände erkennbar [sind], die … dagegen sprächen, dass die … beteiligten Personen das wirtschaftliche Ergebnis i.S.d. § 41 Abs. 1 AO nicht haben eintreten und bestehen lassen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Übertragung der Anteile auf die GmbH bzw. der Einziehung bestand darin, dass die A bisher zugeordneten Anteile im Anschluss an die notarielle Urkunde vom 19.6.1979 von allen Gesellschaftern (einschließlich A) als nicht mehr existent behandelt worden sind, woraus folgt, dass die Klägerin seit dem Einziehungsbeschluss als Alleingesellschafterin gehandelt hat und unbeanstandet hat handeln können. Dafür, dass die Gesellschafter anders verfahren sind, ist nichts vorgetragen worden“1. Dem ist nicht zu folgen: Wenn die Beteiligten sich nur so verhalten, als sei ein Rechtsträger Alleingesellschafter geworden, ohne dass die Anteile zivilrechtlich wirksam auf ihn übergegangen sind und er auch keine unbedingt wirksam gewordenen Anteilsübertragungsansprüche hat, liegt m.E. keine rechtliche Anteilsvereinigung vor. Aufgrund der Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 3 GrEStG ist m.E. § 41 Abs. 1 Satz 2 AO anwendbar. c) Bewegung eines Anteils als Voraussetzung einer steuerbaren Anteilsvereinigung

710

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG können diese Tatbestände nur dadurch verwirklicht werden, dass Anteile an der Gesellschaft, zu deren Vermögen das Grundstück gehört, zivilrechtlich auf den Erwerber übertragen werden bzw. Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, die solche Anteilsübertragungen begründen, d.h. zur Entstehung bringen2. Für § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gilt dasselbe, obwohl dort lediglich von der „Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nr. 1 vorausgegangen ist“, die Rede ist. Denn nach älterer Rechtsprechung des BFH kann der in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwendete Begriff der Vereinigung aller Anteile „nur vor dem Hintergrund der Nr. 1 interpretiert werden. Es ist nur die Vereinigung durch Übertragung von Anteilen gemeint“3. Soweit in der Literatur aus dem zur Anteilsvereinigung durch Einziehung von Anteilen ergangenen BFH-Urteil vom 10.8.19884 gefolgert wird, dass das BFH-Urteil II R 117/78 überholt und deshalb § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht mehr vor dem Hintergrund der Nr. 1 auszulegen sei5, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Denn aus den Entscheidungsgründen des BFH-Urteils II R 193/85 ergibt sich diese Schlussfolgerung (nur für den Fall der Einziehung von Anteilen, im Übrigen aber) nicht6. Entgegen FG Kassel7 kommt es bei einer Verschmelzung nach § 251g des Delaware General Corporation Law, deren technische Ausgestaltung im deutschen Recht keine Entsprechung hat, zu keiner Anteilsübertragung; vielmehr vermitteln die – nach wie vor von denselben Gesellschaftern gehaltenen – Anteile nach der Verschmelzung lediglich Anteile an einer anderen Gesellschaft, was entgegen der Ansicht des FG Kassel keine Anteilsübertragung darstellt.

1 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959, Rz. 12 betr. Anteilsvereinigung infolge des Untergangs von Anteilen durch Einziehung. 2 Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Übertragung von Anteilen auf den Erwerber i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und Steuerschuldner i.S.v. § 13 Nr. 5a GrEStG nicht erforderlich; vgl. zuletzt BFH v. 20.1.2015 – II R 8/13, BFH/NV 2016, 420: Der Erwerb eines eigenen Anteils durch eine ein Grundstück haltende GmbH löst eine Anteilsvereinigung in der Hand des dadurch zu mind. 95 % beteiligten Gesellschafters aus, obwohl dieser selbst keinen Anteil hinzuerwirbt. 3 Vgl. BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357, Rz. 16. 4 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959, vgl. dazu sogleich. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1050. 6 BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959, Rz. 20: „Soweit sich in dem Senatsurteil v. 28.11.1979 – II R 117/78 (…) die Aussage befindet, in § 1 Abs. 3 Nr. 2 sei die Anteilsvereinigung durch Übertragung gemeint, und in dem Senat, Urt. v. 8.6.1988 – II R 143/86 (…) die weitergehende Aussage gemacht wird, dass darüber hinaus auch der Übergang von Anteilen ohne Übertragung zu einer Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führt, liegen darin keine abschließenden Aussagen über die Erfordernisse einer Anteilsvereinigung. Der vorliegende Fall zeigt, dass eine Anteilsvereinigung auch dadurch eintreten kann, dass die restlichen Anteile durch ein Rechtsgeschäft untergehen und dadurch die Anteilsvereinigung eintritt“. 7 FG Kassel v. 30.9.2020 – 5 K 2390/17, EFG 2021, 303, Rev. anhängig, Az. II R 33/20.

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 714.1 § 1

9. 90 %/95 %-Beteiligungsschwelle und eigene Anteile Eigene Anteile, die die grundbesitzende Gesellschaft selbst hält, bleiben bei der Ermittlung der Quoten der Beteiligungen der Gesellschafter unberücksichtigt. Dasselbe gilt für Anteile, die eine 100%ige Tochtergesellschaft der grundbesitzenden Gesellschaft an dieser Gesellschaft hält1. Solche Anteile sind den mit der Gesellschaft nicht identischen Gesellschaftern für die Ermittlung von deren Beteiligungsquoten anteilig zuzurechnen bzw. herauszurechnen. Ein Gesellschafter, der mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile hält, die nicht eigene Anteile der Gesellschaft sind, beherrscht die Gesellschaft in gleichem Maße wie der 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95%ige) Gesellschafter einer Gesellschaft, die keine eigenen Anteile hält2.

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10. Unmittelbare und/oder mittelbare Anteilsvereinigung Zur unmittelbaren Anteilsvereinigung kommt es, wenn ein und derselbe Rechtsträger 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen Grundstücke gehören, zivilrechtlich in seiner Hand vereinigt, sei es, dass er unbedingt wirksame Anteilsübertragungsansprüche erwirbt und/oder dass er die dingliche Rechtsinhaberschaft in Bezug auf mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile erwirbt3.

712

Mittelbare Anteilsübertragungen sind im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG nur dann relevant, wenn 713 unmittelbar und/oder mittelbar (über ein oder mehrere Beteiligungsstränge) mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile an der die Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft vermittelnden Gesellschaft in einer Hand vereinigt sind (Ausnahme: Organschaft)4 und diese vermittelnde Gesellschaft Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt bzw. hält. Nach der BFH-Rechtsprechung sind mittelbare Beteiligungen nur dann einem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen, wenn dieser die Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG beherrscht. An diesem Grundgedanken hat sich durch das Herabsetzen der 100 %-Grenze auf die 95 %-Grenze und die Aufnahme der mittelbaren Anteilsvereinigung als Tatbestandsmerkmal von § 1 Abs. 3 GrEStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 ab 1.1.2000 und die weitere Absenkung der 95 %-Grenze auf 90 % durch das GrEStÄndG ab 1.7.1021 nichts geändert5. Bei Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG sind mithin nur solche mittelbaren Beteiligungen zu berücksichtigen, die (über einen oder mehrere Beteiligungsstränge insgesamt) zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) gehalten werden. Bei Erreichen der 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %)-Schwelle wird die von der vermittelnden Gesellschaft gehaltene Beteiligung voll zugerechnet6. Die Übertragung einer 90%igen (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95%igen) Beteiligung an der 714 vermittelnden Gesellschaft auf einen Erwerber löst auch dann gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG Grunderwerbsteuer aus, wenn die vermittelnde Gesellschaft ihrerseits weniger als 100 %, aber mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) an der grundbesitzenden Gesellschaft hält. Das heißt, es ist unerheblich, dass auf den Erwerber durchgerechnet weniger als 90 % bzw. 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft (weniger als 90 % bzw. 95 %, aber mindestens 90 % von 90 % = 81 % bzw. 95 % von 95 % = 90,25 %) übergehen. Auf die rechnerische Beteiligungsquote, in deren Höhe sich die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar in der Hand des Erwerbers vereinigen, kommt es im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht an7. Beim mittelbaren Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft werden würde, scheidet nach Ansicht des BFH eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, weil das Zivilrecht keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsehe. Es komme 1 Vgl. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326. 2 Vgl. BFH v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553. 3 Vgl. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 15: „Ein möglicher unmittelbarer Anteilserwerb liegt vor, wenn der Erwerber zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft werden würde“. 4 Vgl. koordinierter Ländererlass v. 14.2.2000, DStR 2000, 430. 5 Fraglich ist allerdings, ob diese Typisierung (Sachherrschaft bei 90%iger Beteiligung) verfassungsrechtlich zulässig ist, vgl. Rz. 702 ff. 6 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225. 7 Vgl. BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225, gegen FG Münster v. 17.9.2008 – 8 K 4659/05 GrE, BB 2009, 424 mit Anm. Behrens/Schmitt.

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714.1

§ 1 Rz. 714.1 Erwerbsvorgänge vielmehr darauf an, welche rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten der Erwerber auf die grundbesitzende Gesellschaft hätte. Bei einer zwischengeschalteten Kapital- oder Personengesellschaft, die unmittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nach der Rechtsprechung des BFH die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgebend. Die Beteiligung am Gesellschaftskapital der zwischengeschalteten Gesellschaft vermittelt, soweit sie mindestens 95 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der zwischengeschalteten Gesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete Gesellschaften, an denen die zwischengeschaltete Gesellschaft wiederum zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der zwischengeschalteten Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschaftern zuzurechnen1. 714.2

Fraglich ist, ob in Fällen, in denen die Anteile an einer Muttergesellschaft zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) in einer Hand vereinigt werden, zivilrechtlich jedoch nicht die Muttergesellschaft, sondern ihre mindestens 90 %ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %ige) Tochtergesellschaft ein inländisches Grundstück hält, ein Fall der unmittelbaren oder ein Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung vorliegt. Wenn die Muttergesellschaft ihre mindestens 90 %ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %ige) Beteiligung an der Tochtergesellschaft in Bezug auf das betreffende inländische Grundstück nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbar erworben hat, gehört das zivilrechtlich von der Tochtergesellschaft gehaltene Grundstück nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur zum Vermögen der Tochter-, sondern auch zum Vermögen der Muttergesellschaft2. Dies führt m. E. dennoch nicht dazu, dass beim Erwerb von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile an der Muttergesellschaft ein Fall der unmittelbaren Anteilsvereinigung vorliegt. Dadurch, dass der Erwerber mindestens 90 % bzw. 95 % der Anteile an der Muttergesellschaft in seiner Hand vereinigt, wird ihm mittelbar die Beteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG zugerechnet. Es handelt sich um einen Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung. Darauf, ob die Muttergesellschaft die mindestens 90 %ige bzw. mindestens 95 %ige Beteiligung an der Tochtergesellschaft in Bezug auf das betreffende inländische Grundstück nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbar erworben hatte, kommt es m. E. nicht an. Dass das Grundstück der Tochtergesellschaft kraft Verwirklichung einer der Tatbestände von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG auch zum Vermögen der Muttergesellschaft gerechnet wird, kann m. E. nicht zur Folge haben, dass die Frage nach der Anteilsvereinigung auf Ebene eines Gesellschafters der Muttergesellschaft nach Zivilrecht zu beantworten ist. Denn die Zurechnung des Tochtergesellschaftsgrundstücks zum Vermögen der Muttergesellschaft ist m. E. eine auf wirtschaftlicher Betrachtungsweise beruhende Zurechnung. Dass eine nach der BFH-Rechtsprechung auf Grundlage der Fiktionen von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ausgelöste Grundstückszurechnung in Bezug auf die Anteilszurechnung die Maßgeblichkeit des Zivilrechts auslösen soll, erscheint nicht schlüssig. 11. Wechselseitige Beteiligungen

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Eigene Anteile sind bei der Ermittlung der effektiven Höhe der Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft herauszurechnen3. Entsprechendes gilt, wenn eine grundbesitzende oder zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft zwar keine eigenen Anteile hält, jedoch eine mindestens 90%ige bzw. 95%ige Tochtergesellschaft hat, der Anteile an ihr (d.h. der vorgenannten Kapitalgesellschaft) gehören4. Vo1 So z.B. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511, Rz. 15, unter Verweis auf BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667, Rz. 13 ff. 2 Vgl. Rz. 721 ff. 3 Vgl. z.B. BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 153; Fischer in Boruttau17, § 1 GrEStG Rz. 944. Gesellschafterrechte aufgrund eigener Anteile, insbesondere Stimmrecht, stehen der Gesellschaft nicht zu (für GmbH allgemeine Meinung, vgl. BGH v. 30.1.1995 – II ZR 45/94, DStR 1995, 537; für AG: § 71b AktG). Bei einer Personengesellschaft kann es zivilrechtlich keine eigenen Anteile geben. 4 Vgl. BFH v. 18.9.2013 – 21/12, BStBl. II 2140, 326 gegen FG Köln v. 30.11.2011 – 5 K 1542/09, EFG 2012, 1582 mit Anm. Fumi; Clemens/Lieber, DStR 2005, 1761; Behrens, Ubg 2008, 316; OFD Rheinland v. 1.12.2010 – S 4501 1002 – St 235, GrESt-Kartei NW, § 1 Abs. 3 GrEStG Karte 8. A.A. Wischott/Schönweiß/Fröhlich, DStR 2007, 833: Die Zurechnung von einer Enkelgesellschaft gehaltener inländischer Grundstücke zur Muttergesell-

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 716 § 1

raussetzung ist, dass die Gesellschaft zu mindestens 90 % bzw. 95 % unmittelbar oder mittelbar an der Tochtergesellschaft, die Anteile an der erstgenannten Gesellschaft hält, beteiligt ist. In dem Fall, dass die erstgenannte Gesellschaft die Anteile an ihr selbst von ihrer Tochtergesellschaft zurückkauft oder dass z.B. der Alleingesellschafter der erstgenannten Gesellschaft die von der Enkelgesellschaft gehaltenen Anteile erwirbt, eine steuerbare Anteilsvereinigung anzunehmen, führte zu mit der grunderwerbsteuerrechtlichen Irrelevanz eigener Anteile nicht vereinbaren Ergebnissen.

II. Einleitungssatz 1. Tatbestandsmäßige Nachrangigkeit gegenüber Abs. 2a und Abs. 2b a) Grundsatz Anteilsvereinigungen unterliegen nach § 1 Abs. 3 GrEStG nur dann der Steuer, soweit eine Besteue- 716 rung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt. Die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG ist also gesperrt, wenn durch die zu betrachtenden Vorgänge der Tatbestand des Abs. 2a oder der Tatbestand des Abs. 2b erfüllt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Steuer nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG z.B. wegen der Anwendbarkeit von Befreiungen nicht erhoben wird1. Zumindest kommt eine Besteuerung nach Abs. 2a oder Abs. 2b im Falle des Abschlusses eines die Verpflichtung zur Übertragung von Anteilen begründenden Rechtsgeschäfts so lange nicht in Betracht, als nicht feststeht, dass die dingliche Erfüllung dieses Verpflichtungsgeschäfts nicht mehr möglich ist. So lange also die Erfüllung der Vollzugsvoraussetzungen noch möglich ist, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 durch die unbedingt wirksame Begründung der Verpflichtung zur Anteilsübertragung allein nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgelöst worden. Bevor nicht feststeht, dass es nicht zum dinglichen Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts, d.h. zur dinglichen Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft kommt, besteht keine Verpflichtung zur Anzeige des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG. Vgl. auch Rz. 303.1. Sobald feststeht, dass mindestens eine der nicht verzichtbaren Vollzugsbedingungen nicht mehr erfüllt werden kann, ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 zwar dem Gesetzeswortlaut nach erfüllt. Eine Anzeige nach § 19 Abs. 3 GrEStG mit Fristbeginn in dem Zeitpunkt, in dem die Anzeigepflichtigen Kenntnis davon erhalten haben, dass der Vollzug des Verpflichtungsgeschäfts nicht stattfinden wird, zu verlangen, wäre m.E. überflüssige Bürokratie, weil zeitgleich Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu stellen wäre. Weil es tatsächlich zu keinem Rechtsträgerwechsel kommt, ist § 1 Abs. 3 GrEStG mit dem Ergebnis teleologisch zu reduzieren, dass kein Tatbestand verwirklicht worden ist. In der Praxis wird von Seiten der Finanzverwaltung gelegentlich die Ansicht vertreten, dass die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG bereits mit unbedingt wirksamem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts beginne. Dem ist wegen des Gesetzeswortlauts in § 1 Abs. 3 GrEStG, wonach Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG nur ausgelöst sein kann, „soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“, zu widersprechen. Das Tatbestandsmerkmal „nicht in Betracht kommt“ verlangt nicht, dass für den Ausschluss von § 1 Abs. 3 GrEStG der Tatbestand von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG bereits zeitgleich erfüllt sein muss. Vielmehr ist die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG nach dem Gesetzeswortlaut so lange gesperrt, wie eine Besteuerung nach den Absätzen 2a oder 2b in Betracht kommt, die dingliche Erfüllung – bzw. bei mittelbaren Anteilsübergängen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen – noch möglich ist. Die von Seiten der Finanzverwaltung in der Praxis gelegentlich vertretene Ansicht hat keine Grundlage im Gesetz. Das schaft, die z.B. 90 % der Anteile an der Tochter-Gesellschaft hält, deren restliche Anteile (d.h. 10 %) jedoch von der Enkelgesellschaft gehalten werden, sei abzulehnen, weil es im Grunderwerbsteuerrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise als übergeordnetes Prinzip nicht gebe. Die tatsächlichen – wirtschaftlichen – Verhältnisse würden durch Übertragungsfiktionen in § 1 Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG abschließend erfasst und können daher nur in dem dort ausdrücklich festgelegten Umfang Berücksichtigung finden. Wechselseitige Beteiligungen könnten daher zu einer „Zurechnungssperre“ führen. In Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall könnten sie zur grunderwerbsteuerlichen Gestaltung von Übertragungsvorgängen genutzt werden. A.A. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326. Für die Zurechnung solcher Anteile komme es auf die rechtlich begründeten Einflussnahmemöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an. 1 So auch die Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 6.

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§ 1 Rz. 716 Erwerbsvorgänge Verpflichtungsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG ist m.E. aber auch dann nicht anzuzeigen, wenn ein zum Vermögen der Gesellschaft gehörendes Grundstück nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und vor seiner Erfüllung von der Gesellschaft verkauft oder auf sonstige Weise mit der Rechtsfolge veräußert wird, dass das Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft gehört1. In diesem Fall steht mit Abschluss des Vertrags über den Verkauf des Grundstücks durch die Gesellschaft zwar fest, dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht mehr in Betracht kommt. Jedoch ist es in diesem Fall auch zwischen Anteilsverkäufer und Anteilskäufer zu keinem besteuerungswürdigen Vorgang, d.h. zu keinem Rechtsträgerwechsel gekommen. § 1 Abs. 3 (und auch Abs. 3a) GrEStG ist m.E. nicht anwendbar, wenn die Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, die zu mindestens 90 % an einen Anteilskäufer verkauft worden sind, vor der dinglichen Erfüllung des Anteilskaufvertrags ein bisher zu ihrem Vermögen gehörendes Grundstück veräußert. Mit der notariellen Beurkundung des dadurch unbedingt wirksamen Grundstückskaufvertrags scheidet das verkaufte Grundstück aus dem Vermögen der Gesellschaft aus2. Durch die Erfüllung des Anteilskaufvertrags kann in Bezug auf das zwischenzeitlich verkaufte Grundstück der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mehr verwirklicht werden.

V

K

100 % GmbH

V

K

V

100 % GmbH

K

100 % Grundstückskäufer

GmbH

100 % Grundstückskäufer

Fraglich ist, ob durch die notarielle Beurkundung des GmbH-Geschäftsanteils-Kaufvertrags in Bezug auf das vor der dinglichen Erfüllung dieses Geschäftsanteils-Kaufvertrags von der GmbH veräußerte Grundstück Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgelöst worden ist. Mit notarieller Beurkundung des dadurch unbedingt wirksamen Grundstückskaufvertrags steht zwar fest, dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mehr in Betracht kommt. Zugleich steht jedoch auch fest, dass es in Bezug auf dieses Grundstück zu keinem (nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG fingierten) Rechtsträgerwechsel von V auf K kommen wird. In Bezug auf das vor dinglicher Erfüllung des Anteilskaufvertrags von der GmbH veräußerte Grundstück liegt m.E. daher im Verhältnis zwischen dem Anteilsverkäufer V und dem Anteilskäufer K kein Rechtsträgerwechsel und kein besteuerungswürdiger Erwerbsvorgang vor. M.E kommt es nicht auf die Anwendbarkeit von § 16 GrEStG an. Dies gilt erst recht, wenn sich nach notarieller Beurkundung des Grundstückskaufvertrags herausstellt, dass der Anteilskaufvertrag nicht vollzogen werden kann. b) Sonderfragen 717

Höchstgerichtlich ist allerdings bisher nicht abschließend geklärt, ob der Vorrang von § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG vor § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG auch insoweit gilt, als § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG bereits die unbedingt wirksame Entstehung eines Anspruchs auf Übertragung von Anteilen besteuert, in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG jedoch im Grundsatz nur die dingliche Erfüllung solcher Ansprüche erfasst wird. Verpflichtet sich der Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH & Co. 1 Das Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, sobald sie sich rechtsgeschäftlich unbedingt wirksam dazu verpflichtet hat, das Grundstück an einen anderen Rechtsträger zu übereignen; vgl. z.B. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 25: „Verkauft die Gesellschaft das Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung, ‚gehört‘ es so lange zu ihrem Vermögen, bis die Bedingung eintritt. Wird bereits zuvor die Auflassung erklärt, spielt dies keine Rolle.“ 2 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 25.

272

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 719 § 1

KG zur Übertragung seiner Beteiligungen auf den Käufer, erfüllt das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft bei isolierter Betrachtung den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG; die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG auf die unbedingt wirksame Entstehung des Anteilsübertragungsanspruchs kommt (trotz der die Anwendung von § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO bei § 1 Abs. 2a GrEStG befürwortenden Rechtsprechung des BFH, vgl. Rz. 359) nicht in Betracht. Jedoch muss es für die Sperrwirkung des „Soweit“-Halbsatzes in § 1 Abs. 3 GrEStG genügen, dass durch die Erfüllung des schuldrechtlichen Anteilsübertragungsanspruchs der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt würde. Relevant ist dies insbesondere in dem Fall, dass der unbedingt wirksam gewordene schuldrechtliche Kaufvertrag über die 100%ige Beteiligung(en) an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG nicht vollzogen werden kann (etwa, wenn die im Einzelfall erforderliche Kartellamtsfreigabe abgelehnt wird oder eine sonstige Closing Condition nicht eintritt) und die Vertragsparteien den Grundstückskaufvertrag unter Rückgängigmachung der bereits vollzogenen Erfüllungshandlungen aufheben. Mangels dinglicher Erfüllung kommt dann eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mehr in Betracht. Auf Grundlage des Gesetzeswortlauts ist argumentierbar, dass die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG eröffnet sei. Wenn der Abschluss des Anteilskaufvertrags nicht i.S.v. § 16 Abs. 5 GrEStG fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt worden ist, würde die antragsabhängige Nicht-Festsetzung nach § 16 Abs. 1 GrEStG ausscheiden. M.E. ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auch in diesem Fall zumindest aufgrund teleologischer Reduktion unanwendbar. Es kommt zu keiner Änderung der Grundstückszuordnung; wäre es dazu gekommen, wäre Steuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG angefallen; auf die Anwendbarkeit von § 16 GrEStG kommt es nicht an1. Die Sperrwirkung des „Soweit“-Satzes in § 1 Abs. 3 GrEStG greift auch dann, wenn die Parteien des schuldrechtlichen Anteilsgeschäfts einerseits und die Parteien des dinglichen Erfüllungsgeschäfts andererseits nicht identisch sind; für die Sperrwirkung reicht es aus, dass das Erfüllungsgeschäft der Erfüllung des Anteilsübertragungsanspruchs aus dem Anteilsgeschäft dient.

718

Beispiel: Änderung der Akquisitionsstruktur zwischen Signing und Closing Der Anteilskäufer überträgt nach Abschluss des Anteilskaufvertrags seinen Anteilsübertragungsanspruch auf eine Tochtergesellschaft und fordert den Anteilsverkäufer auf Grundlage einer im Anteilskaufvertrag vereinbarten entsprechenden Berechtigung auf, die Beteiligungen an der verkauften Grundstücks-GmbH & Co. KG direkt an die Tochtergesellschaft abzutreten:

719

1.

Anteilsverkäufer

Abschluss des Anteilskaufvertrags

Anteilskäufer

2.

Abtretung der Anteilsübertragungsansprüche

3.

100 %

T-GmbH

Anteilsübertragung 100 %

100 % K-GmbH 0%

100 %

100 % G-KG

1 Vgl. auch Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870.

Behrens

273

§ 1 Rz. 720 Erwerbsvorgänge 720

Die dingliche Abtretung der 100%igen Kommanditbeteiligung an der Grundstücks-KG erfüllt den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Besteuerung des Abschlusses des Anteilskaufvertrags nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist ausgeschlossen, weil schon bei Abschluss des Anteilskaufvertrages durch dessen Erfüllung die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG in Betracht kommt. Dass die Parteien des Anteilskaufvertrags und die Parteien des dinglichen Erfüllungsgeschäfts identisch sind, wird im Wortlaut des „Soweit“-Satzes nicht verlangt1.2 Auch die Abtretung des Anteilsübertragungsanspruchs löst keine Steuer aus. Demgegenüber stellt der BFH im Beschluss vom 2.3.2011 darauf ab, ob der Vertrag, durch dessen Abschluss die schuldrechtliche Verpflichtung zur Anteilsübertragung begründet wird, auch bereits die Abtretung des Anteils nach §§ 413, 398 BGB enthält. Ein derart enges Verständnis des Einleitungssatzes von § 1 Abs. 3 GrEStG ist vom Gesetzeswortlaut („soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt“) nicht gedeckt. Denn wenn die Abtretung im selben Vertrag vereinbart wird, kommt nicht lediglich eine Besteuerung nach Abs. 2a in Betracht; vielmehr wird dann durch denselben Vertragsabschluss die Besteuerung nach Abs. 2a ausgelöst. In Betracht kommt eine Besteuerung nach Abs. 2a entgegen der vom BFH im Beschluss vom 2.3.2011 geäußerten Ansicht auch dann, wenn die Abtretung des Anteils erst für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen wird. Ob im Anteilskaufvertrag bereits (ggf. aufschiebend bedingt) die Abtretungserklärungen abgegeben werden oder erst in einem weiteren bei Closing zu schließenden Vertrag, ist eine Frage der Praktikabilität im Einzelfall und ohne materielle Bedeutung für die Besteuerungswürdigkeit. 2. Zugehörigkeit eines inländischen Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft a) Inländisches Grundstück

721

Was ein inländisches Grundstück i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG ist, bestimmt sich nach § 2 GrEStG. Nur im Geltungsbereich des GrEStG belegene Grundstücke sind inländische Grundstücke. Dies ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG durch den Verweis auf Grundstücke im Sinne des Bürgerlichen Rechts geregelt. Auszunehmen sind Betriebsvorrichtungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG, Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG und das Recht des Grundstückseigentümers auf Erbbauzins nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG. Gemäß § 2 Abs. 2 GrEStG stehen den Grundstücken Erbbaurechte, Gebäude auf fremdem Boden und dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte i.S.v. § 15 WEG und § 110 BGB gleich. b) Gesellschaft

722

Gesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3, Abs. 4 GrEStG sind solche, die selbständige Rechtsträger sein können. Erfasst werden sämtliche Kapitalgesellschaften, z.B. die AG, die SE, die GmbH, die KGaA, eingetragene Genossenschaften3, die Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5a GmbHG und die Personengesellschaften wie z.B. GbR, OHG und KG. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG wird auch die bergrechtliche Gewerkschaft i.S.v. § 163 BBergG erfasst4, was praktisch keine Bedeutung mehr hat. Unter einer „Gesellschaft“ wird allgemein ein auf freier Willensentschließung beruhender Zusammenschluss einer Mehrheit von Personen zu einem bestimmten Zweck verstanden, nicht

1 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. Vgl. auch Mies/Greskamp, DStR 2016, 2741 (2743). 2 Vgl. BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932 mit Anm. Behrens, BB 2011, 1636, Rz. 96. Soweit ersichtlich gibt es bisher keine weitere Kommentierung von Tz. 96 im BFH-Vorlagebeschluss v. 2.3.2011, sondern vereinzelt lediglich eine Darstellung der hier vertretenen Sichtweise; vgl. Förster/Mendling, DB 2021, 1974 (1976); Keller/Petersen, BB 2016, 218 (226); Rödding, BB 2017, 1052 (1055). 3 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 955. Der BFH stellt im Beschluss v. 13.7.2004 – II B 166/02 v. 13.7.2004, BFH/NV 2004, 1548 die eingetragene Genossenschaft einer Kapitalgesellschaft gleich, vgl. a.a.O. Rz. 8. Im Falle des Grunderwerbs durch einen Genossen von seiner eingetragenen Genossenschaft greift weder die Steuerbefreiung nach § 7 Abs. 2 GrEStG noch die Bemessungsgrundlagen-Verrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG. 4 Die Entstehung neuer bergrechtlicher Gewerkschaften ist ab dem 1.1.1982 ausgeschlossen. Die bisherigen Gewerkschaften wurden zum 1.1.1986 bzw. 1.1.1994 aufgelöst; vgl. § 163 Abs. 1, Abs. 4 BBergG.

274

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 727 § 1

aber eine sog. Zufallsgemeinschaft, das heißt eine Gemeinschaft, die nicht auf der freien Willensentschließung der Beteiligten beruht1. Als AG fällt auch die REIT-AG unter den Begriff „Gesellschaft“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG2. Bei den Ak- 723 tien an einer REIT-AG handelt es sich um stimmberechtigte Stückaktien3. Die REIT-AG ist grunderwerbsteuerrechtlich nicht privilegiert. Die REIT-AG ist nicht berechtigt, inländische Grundstücke indirekt über Kapitalgesellschaften zu halten; in Betracht kommt jedoch das indirekte Halten inländischer Grundstücke über Personengesellschaften; insoweit kann vorrangig nach § 1 Abs. 2a GrEStG, aber auch nach § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuer ausgelöst werden4. Keine Gesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3, Abs. 4 GrEStG sind der Verein, die stille Gesellschaft sowie sons- 724 tige Personengesellschaften ohne Gesamthandsvermögen (Innengesellschaften), die Stiftung, die Anstalt öffentlichen Rechts, auch wenn sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält5, und die Erbengemeinschaft, auch wenn unter Ausscheiden von Miterben Dritte, d.h. Nichterben, in die Gemeinschaft eintreten6. Ob sich der Sitz und/oder der Geschäftsleitungsort der Gesellschaft im In- oder im Ausland befindet, ist für die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG unerheblich. Entscheidend ist die Belegenheit des zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücks, nicht die Ansässigkeit der Rechtsträger, im Inland. c) Zum Vermögen einer Gesellschaft gehörendes Grundstück Der Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG setzt die Zugehörigkeit eines inländischen Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft voraus, an der die Anteile bestehen, die unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) in einer Hand vereinigt werden.

725

Der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegt jeweils ein bestimmtes der Gesellschaft gehörendes Grundstück7. Die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG erzeugt so viele der Grunderwerbsteuer unterliegende fiktive Grundstückserwerbe, wie Grundstücke zum Vermögen der Gesellschaft gehören8.

726

Ob ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, richtet sich ausschließlich nach spezifisch 727 grunderwerbsteuerrechtlichen Maßstäben. Rein bürgerlich-rechtliche und rein wirtschaftliche Gesichtspunkte sind nicht entscheidend. Ein Grundstück gehört nach der BFH-Rechtsprechung zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Steuerentstehung, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem die Anteilsvereinigung eintritt, und sei es – wie in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG – lediglich aufgrund unbedingten Wirksamwerdens schuldrechtlicher Anteilsübertragungsansprüche, aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist9. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Gesellschaft aufgrund eines Verpflichtungsgeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen unbedingt wirksamen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erworben hat, oder – sollte es kein Verpflichtungsgeschäft geben – ihr das Grundstück aufgelassen ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), sie das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren abgegeben hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) oder ihr die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an einem Grundstück verschafft worden ist10. Die in der BFH-Rechtsprechung

1 Vgl. BFH v. 13.7.1955 – II 210/54 S, BStBl. III 1955, 269 unter Hinw. auf die Rechtsprechung zu § 18 Abs. 2 Nr. 2 KapVStG. 2 Vgl. § 1 Abs. 1 und 3 REITG. 3 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 REITG. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 962. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 963; a.A. Wiese/Klass, DB 2004, 1009. 6 Vgl. BFH v. 13.7.1955 – II 210/54 S, BStBl. III 1955, 269; v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159. 7 BFH v. 8.11.1978 – II R 82/73, BStBl. II 1979, 153. 8 BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719. 9 Vgl. z.B. BFH v. 17.7.1985 – II S 5/85, BFH/NV 1986, 115; v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 148; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 325 f.; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 88. 10 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 325.

Behrens

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§ 1 Rz. 727 Erwerbsvorgänge verwendete Formulierung, wonach ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, „wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist“1, ist nach früherer BFH-Rechtsprechung nicht dahin zu verstehen, dass die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft davon abhängt, dass die Gesellschaft die Beteiligung an der anderen grundstückshaltenden Gesellschaft zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem das Gesellschaftsgrundstück bereits dieser anderen Gesellschaft gehörte (vgl. Rz. 330 ff.). Nach neuerer BFH-Rechtsprechung gehört im Falle der Beteiligung einer Gesellschaft an einer anderen grundstücksbesitzenden Gesellschaft i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021 95 %) das Gesellschaftsgrundstück der Untergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht zum Vermögen der Obergesellschaft, wenn die Obergesellschaft die Beteiligung an der Untergesellschaft nicht nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG grunderwerbsteuerbar erworben hat2. Vielmehr wird dem Obergesellschafter die von seiner mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 mindestens 95%igen) Tochtergesellschaft an der grundbesitzenden Gesellschaft gehaltene Beteiligung zugerechnet3. M.E. wird der BFH nicht umhinkönnen, seine Rechtsprechung dahingehend zu ändern, dass der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft das Grundstück der Enkelgesellschaft auch dann nicht zuzurechnen ist, wenn die Tochtergesellschaft die mindestens 90%ige Beteiligung an der Enkelgesellschaft in Bezug auf das betreffende Enkelgesellschaftsgrundstück steuerbar erworben hat. Denn dadurch, dass ein Anteilserwerber mindestens 90 % der Anteile an der Tochtergesellschaft erwirbt, wird ihm für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG erstmalig die Beteiligung der Tochter- an der grundbesitzenden Enkelgesellschaft zugerechnet. Unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft die Beteiligung an der Enkelgesellschaft in Bezug auf das betreffende Grundstück nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar erworben hat, ist die Anteilsvereinigung in Bezug auf die Anteile an der Tochtergesellschaft eine mittelbare Anteilsvereinigung4. 728

Hat die Gesellschaft einem anderen die Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG an ihrem Grundstück verschafft, gehört dieses Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft (vgl. Rz. 204)5.

729

Folge der Zuordnung von Grundstücken zum Gesellschaftsvermögen nach grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen ist es, dass zu Immobilien-Treuhandlösungs-Sondervermögen gehörende inländische Grundstücke, die gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, § 245 KAGB im Eigentum der KVG stehen, grunderwerbsteuerrechtlich zum Vermögen der KVG gehören6. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieses Ergebnis unsinnig7. De lege lata dennoch ist von der Zurechnung zu Treuhandlösungs-Sondervermögen gehörender Grundstücke und Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften ausschließlich zur KVG auszugehen8. Die Einbringung von Immobilien und Anteilen an Immobilien-Gesellschaften durch Investoren in Treuhandlösungs-Sondervermögen und die damit einhergehende rechtliche Übertragung dieses Vermögens auf die KVG unterliegt de lege lata der Grunderwerbsteuer. Dagegen löst der Erwerb von Anteilen an Treuhandlösungs-Sondervermögen (sog. Unit Deals) keine Grunderwerbsteuer aus9. Ob der Gesetzgeber de lege ferenda einen Weg findet, diese Rechtslage zu ändern, ist unklar. Durch das GrEStÄndG v. 12.5.202110 ist diese Rechtslage nicht geändert worden.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. z.B. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 18. Vgl. z.B. BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; vgl. unten in Rz. 806. Vgl. z.B. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315. Vgl. Rz. 714.2. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 967 a.E. Vgl. BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148. Dieses Urteil betrifft ausschließlich nach der sog. Treuhandlösung strukturierte deutsche Sondervermögen, nicht nach der sog. Miteigentumslösung i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 KAGB strukturierte deutsche Sondervermögen. Vgl. die Kritik von J. Hoffmann, BB 2001, 757. So auch Stadler/Mager/Mayer, BB 2021, 408 (410). Vgl. zuletzt Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202 (204). Vgl. BGBl. I 2021, 986.

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G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 732 § 1

Nach der BFH-Rechtsprechung bedarf es, wenn das FA nach Ergehen des ein einzelnes Grundstück 730 betreffenden Grunderwerbsteuerbescheids erkennt, dass auch hinsichtlich weiterer Grundstücke die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 GrEStG vorliegen, zur Durchführung der Besteuerung eines weiteren Erstbescheids1; die Änderung des bisherigen Bescheids gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist rechtswidrig2.

III. Anteil der Gesellschaft 1. Begriff Der Begriff des Anteils der Gesellschaft ist in § 1 Abs. 3 GrEStG nicht definiert. Es soll sich nach neuerer BFH-Rechtsprechung bei dem Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG immer um den Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft handeln3. Es ist zwischen Anteilen an Kapital- und Anteilen an Personengesellschaften zu differenzieren.

731

2. Kapitalgesellschaften Bei Kapitalgesellschaften ist Anteil der Gesellschaft der Anteil am gezeichneten Kapital, d.h. im Falle 732 der GmbH der Anteil am Stammkapital i.S.v. § 14 Satz 1 GmbHG und im Falle der AG der Anteil am Grundkapital i.S.v. § 16 Abs. 2 Satz 1 AktG. Es wird unwiderleglich vermutet, dass die Beteiligung des betreffenden Anteilsinhabers am gezeichneten Kapital der Kapitalgesellschaft seiner Beteiligung an der Vermögenssubstanz der Kapitalgesellschaft entspricht4. Welche Vermögensrechte im konkreten Einzelfall aufgrund des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung mit dem betreffend Anteil verbunden sind, ist irrelevant. Wenn z.B. nur einer von zwei Gesellschaftern ein hohes Aufgeld einzahlt (A zahlt EUR 20.000 in das Stammkapital und EUR 100 Mio. in die Kapitalrücklage, B zahlt nur EUR 5.000 in das Stammkapital), ist das Aufgeld für § 1 Abs. 3 GrEStG ohne Bedeutung; B hält für die Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG einen Anteil in Höhe von 20 % und A einen Anteil in Höhe von 80 %. Bei ausländischen Kapitalgesellschaften ist zu prüfen, ob nach dem einschlägigen ausländischen Gesellschaftsrecht ein gezeichnetes Kapital vorgesehen ist. Ob – wenn die ausländische Gesellschaft kein gezeichnetes Kapital hat – auf die Anteile am Gesellschaftsvermögen (etwa entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 AStG) abzustellen ist, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

1 § 179 Abs. 3 AO ist nicht anwendbar. 2 Vgl. BFH v. 29.5.1974 – II 52/64, BStBl. II 1974, 697: „Insbesondere stellte es keinen Fehler dieses Bescheids dar, dass das FA es seinerzeit unterlassen hatte, auch die drei zum Vermögen der … Vertrieb GmbH gehörenden Grundstücke in die Besteuerung einzubeziehen. Denn da eine Vereinigung aller Anteile so viele Grunderwerbsteuerfälle erzeugt, wie der Gesellschaft Grundstücke gehören …, war es nicht fehlerhaft, wenn das FA seinerzeit die Steuern nach dem Wert nur der beiden zum Vermögen der C-Aktiengesellschaft gehörenden Grundstücke bemaß. Gelangte es zu der Auffassung, auch die drei zum Vermögen der … Vertrieb GmbH gehörenden Grundstücke seien der C-Aktiengesellschaft zuzurechnen und auch insoweit seien durch die Anteilsvereinigung Grunderwerbsteuerfälle erzeugt worden, so konnte es diese Fälle – soweit die Steueransprüche noch nicht verjährt waren – durch einen weiteren erstmaligen Bescheid …, nicht aber durch eine „Berichtigung“ des ursprünglichen Bescheids erfassen“. 3 So Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677, unter Verweis auf Rz. 19 des BFH-Urt. v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, allerdings unklar. In Rz. 14 des Urteils v. 27.5.2020 – II R 45/17 führt der BFH (wortgleich mit Rz. 13 des Urt. v. 12.3.2014 – II R 51/12) aus, dass es auch beim mittelbaren Anteilserwerb auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft ankomme. Der Anteilserwerber müsse sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) bzw. den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 935; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 4.9.1; Voßkuhl/Hunsmann, UVR 2005, 51; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 322.

Behrens

277

§ 1 Rz. 733 Erwerbsvorgänge 733

Von vornherein ohne Bedeutung für den Begriff „Anteil der Gesellschaft“ in § 1 Abs. 3 GrEStG sind die Stimmrechtsverhältnisse1. Vorzugs- und Stammaktien sind daher im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG gleichwertig; maßgeblich ist allein die durch die jeweilige Aktie vermittelte Beteiligung am Grundkapital der AG. 3. Personengesellschaften, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört

734

Bei Personengesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, kommt es nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungsansicht nicht auf die kapitalmäßige Beteiligung an. Vielmehr hat jeder Gesellschafter einen im Vergleich zu den Anteilen der anderen Gesellschafter gleich großen Anteil an der Gesellschaft inne (sog. Pro-Kopf-Betrachtung), und zwar auch dann, wenn die gesamthänderische Beteiligung keinen Vermögensanteil vermittelt wie im Falle der an der KG vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementär-GmbH2. Entscheidend ist die sich aus §§ 718, 719 BGB ergebende dingliche Rechtsmacht; diese ist bei allen Personenaußengesellschaftern gleich. Im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG ist bei grundbesitzenden Personengesellschaften unter „Anteil an der Gesellschaft“ also die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zu verstehen3. Jedem Mitglied der Personengesellschaft kann stets nur eine Beteiligung an der Personengesellschaft zustehen. Mithin kann es bei Personengesellschaften nur dann zur Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG kommen, wenn entweder sämtliche Beteiligungen teils oder insgesamt mittelbar durch Treuhänder oder zwischengeschaltete Gesellschaften in einer Hand vereinigt werden4 oder z.B. wenn 96 oder mehr Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt sind und 95 der bestehenden Beteiligungen bzw. 95 % der insgesamt bestehenden Beteiligungen entweder unmittelbar (in Bezug auf eine der Beteiligungen) und im Übrigen mittelbar oder insgesamt mittelbar in einer Hand vereinigt werden. Nach der bis zum 31.12.1999 gültigen Rechtslage waren nicht alle Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG in einer Hand vereinigt, wenn sich unabhängig von der Anzahl der existierenden Beteiligungen eine Beteiligung in der Hand eines anderen – wenn auch nicht wertmäßig beteiligten – Mitgesellschafters befand5. Die gesamthänderische Mitberechtigung ist keiner Quotelung entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Vermögensrechte zugänglich. § 1 Abs. 3 GrEStG ist insoweit nicht rechtsformneutral6. Im Urteil vom 27.5.20207 kündigt der BFH die Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung auch vor Fälle der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung in Bezug auf die Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft an. Es spreche viel dafür, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen maßgeblich sei8. Die Finanzverwaltung hält jedoch vorerst noch an der Geltung der sog. Pro-Kopf-Betrachtung in Bezug auf Anteile an grundbesitzenden Personengesellschaften im Zusammenhang mit der teilweise unmittelbaren An-

1 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 322; Weilbach, § 1 GrEStG Rz. 87; Joisten, Ubg 2016, 201; a.A. Rothenöder, DStZ 2010, 334. 2 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BFH/NV 2014, 1315 = BStBl. II 2016, 356. Der Nichtanwendungserlass v. 9.12.2015, BStBl. I 2016, 477, ist insoweit nicht einschlägig. 3 Vgl. BFH v. 26.7.1995 – II R 68/92, BStBl. II 1995, 736; v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156; FinMin. Bad.-Württ. v. 18.12.2009 – 3 – S 4505/18, StEK § 1 GrEStG Rz. 189, Anm. b). 4 BFH v. 5.11.1986 – II R 237/85, BStBl. II 1987, 225: Bei den Personengesellschaften ist eine Anteilsvereinigung – unter der bis 31.12.1999 gültigen Rechtslage, wonach die Anteilsvereinigung die Vereinigung sämtlicher Anteile in einer Hand voraussetzte –, sofern sie nicht in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen geschieht, überhaupt nur mittelbar (durch Treuhänder oder zwischengeschaltete Gesellschaften) möglich; denn bei der unmittelbaren Vereinigung aller Anteile an einer Personengesellschaft (mit Ausnahme derjenigen im Organkreis) erlischt diese und die Grunderwerbsteuer entsteht nicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG; vgl. BFH v. 25.2.1969 – II R 142/63, BStBl. II 1969, 400. Vgl. oben in Rz. 686. 5 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 6 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 323. 7 Vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315. 8 Vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, Rz. 21. Vgl. auch Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677, Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257; Behrens/Seemaier, DStR 2020, 664.

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Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 736 § 1

teilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG fest1. Für die Praxis bedeutet dies, dass beide Sichtweisen, d.h. sowohl die sog. Pro-Kopf-Betrachtung als auch die Bestimmung der Höhe des Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf Grundlage der gesamthänderischen Vermögensbeteiligung, beachtet werden muss. Denn es ist damit zu rechnen, dass der BFH die sog. Pro-Kopf-Betrachtung bei nächster Gelegenheit auch für den Fall der teilweise unmittelbaren Vereinigung aller Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft aufgeben und sich die Finanzverwaltung dieser neuen Rechtsprechung anschließen wird, und zwar möglicherweise mit Rückwirkung für alle noch offenen Fälle. 4. Personengesellschaften, zu deren Vermögen kein inländisches Grundstück gehört Diese sog. Pro-Kopf-Betrachtung, wonach jede Gesamthandsbeteiligung – aufgrund derselben ding- 735 lichen Rechtsmacht – gleichviel zählt, unabhängig davon, mit welchen Vermögensrechten sie nach dem Gesellschaftsvertrag verbunden ist, wurde bis zum BFH-Urteil vom 12.3.2014 (II R 51/12)2 nicht nur auf Ebene der unmittelbar an der Grundstücks-Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter angewandt, sondern auch auf Ebene der Gesellschafter solcher Personengesellschaften, die einen Anteil an einer Grundstücks-Gesellschaft halten. Dies hatte auch die Finanzverwaltung in ihren gleichlautenden Ländererlassen zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG vom 9.10.20133, die durch die – gerade in dieser Hinsicht anders lautenden – Erlasse v. 19.9.20184 ersetzt worden sind, in Beispiel 5 in Rz. 5 dieser Erlasse ausdrücklich bestätigt. Beispiel: In dem dort geschilderten Beispielsfall hält die M-GmbH 94,9 % der Anteile an der Grundstücks-GmbH („TGmbH“) unmittelbar. Die restlichen 5,1 % der Anteile an der T-GmbH werden von der M-KG gehalten, an der die M-GmbH vermögensmäßig allein (d.h. zu 100 %) und ein Fremder ohne Vermögensanteil gesamthänderisch beteiligt sind (das Schaubild zeigt den Beispielsfall angepasst an die ab 1.7.2021 geltende Rechtslage).

V-GmbH

Verschmelzung

K-GmbH 1% + 99 % = 100 %

99 % M-GmbH

Fremder

0%

100 % 89 %

M-KG 11 %

T-GmbH





Erlasse v. 9.10.2013: § 1 Abs. 3 GrEStG § 1 Abs. 3a GrEStG Erlasse v. 19.9.2018: § 1 Abs.3 GrEStG

1 Vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, z.B. Beispiel 14. 2 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. In dem BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12 zugrundeliegenden Fall ging es um eine sog. Einheits-GmbH & Co. KG. Es wurde darum gestritten, ob der von dieser KG gehaltene 100%ige Geschäftsanteil an der einzigen Komplementär-GmbH die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf Ebene des zu 100 % am Vermögen der KG beteiligten und alle Kommanditbeteiligungen in seiner Hand vereinigenden (einzigen) Kommanditisten ausschließt. 3 Vgl. BStBl. I 2013, 1364. 4 Vgl. BStBl. I 2018, 1078.

Behrens

279

736

§ 1 Rz. 737 Erwerbsvorgänge 737

Überträgt die bisherige 99 %-Gesellschafterin der V-GmbH ihre 99%ige Beteiligung auf einen anderen Rechtsträger (z.B. durch Verschmelzung), war § 1 Abs. 3 GrEStG wegen der gesamthänderischen Beteiligung des Fremden an der M-KG unabhängig davon als nicht verwirklicht angesehen worden, dass die M-GmbH zu 100 % und der Fremde vermögensmäßig nicht an der M-KG beteiligt ist. Aufgrund derselben dinglichen Rechtsmacht des Fremden wie der der M-GmbH über die zum Gesamthandsvermögen der M-KG gehörenden Gegenstände wurde die von der M-KG gehaltene 5,1%ige Beteiligung an der T-GmbH der M-GmbH nicht – auch nicht anteilig – zugerechnet1, so dass nach früherer Sichtweise die verschmelzungsbedingte Übertragung der Anteile an der M-GmbH eine Vereinigung von nur 94,9 % der Anteile an der T-GmbH in der Hand der Käuferin auslöst, was zur Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht ausreichte2.

738

Im Urteil vom 12.3.20143 vertrat der BFH überraschend die Auffassung, dass die sog. Pro-Kopf-Betrachtung nur in Bezug auf Anteile unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft selbst gilt, nicht aber für Anteile an zwischengeschalteten Personengesellschaften, die Anteile an anderen Gesellschaften halten, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören. Dass es im Rahmen der Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG entscheidend sei, dass die Gesellschafter nur gemeinsam – zur gesamten Hand – Verfügungen über den einzelnen Anteil am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen treffen können4, beziehe sich nur auf die unmittelbare Beteiligung an der grundstückshaltenden KG5. Auf die mittelbaren Beteiligungsebenen wirkte sich diese Besonderheit nicht aus. Dort komme es rechtsformneutral auf eine mindestens 95%ige Beteiligung am Gesellschaftskapital an. Für eine unterschiedliche Behandlung von zwischengeschalteten Personenund Kapitalgesellschaften gebe es insoweit auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keine Grundlage.

739

Dies überzeugte nicht6: Diese Ausführungen des BFH waren m.E. durch sein Urteil vom 24.4.2013 (II R 17/10) zum Merkmal „mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands“ i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG inspiriert7. Dort hatte der BFH ausgeführt, dass dieses Merkmal in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nicht näher erläutert sei und deshalb ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben beurteilt werden könne; Kapital- und Personengesellschaften seien hierbei gleichermaßen als transparent zu betrachten8.

1 Diese Zurechnung setzt eine mind. 95%ige Beteiligung an der zwischengeschalteten Gesellschaft voraus; vgl. BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225; hier ist die M-KG auf Grundlage der sog. Pro-Kopf-Betrachtung nur zur Hälfte an der M-KG beteiligt. 2 Allerdings ist ab 7.6.2013 die sog. Anti-RETT-Blocker-Regelung in § 1 Abs. 3a GrEStG anwendbar. 3 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1389 = BFHE 245, 381. Vgl. insoweit den Nichtanwendungserlass v. 9.12.2016, BStBl. I 2016, 477, wonach die Finanzverwaltung an der bisherigen unterschiedlichen Behandlung von zwischengeschalteten Personen- und Kapitalgesellschaften weiterhin festhält. 4 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, Rz. 18 a.E. 5 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, Rz. 20. 6 Vgl. bereits Behrens, BB 2014, 2647. Die Rechtsprechungsänderung war nicht erforderlich, um zu dem v. BFH im Urt. v. 12.3.2014 – II R 52/12, BStBl. II 2013, 752 vertretenen Ergebnis zu gelangen. 7 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. Hiergegen hatte die Finanzverwaltung zunächst einen Nicht-Anwendungserlass veröffentlicht, und zwar v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1278. Von Seiten der Bundesländer wurde angestrebt, § 1 Abs. 2a GrEStG im Wege einer rückwirkenden sog. klarstellenden Gesetzesänderung i.S.d. Verwaltungsansicht zu ändern; vgl. BR-Drucks. 184/14 v. 13.6.2014, Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Nr. 28 Satz 42 ff. Weil eine Rückwirkung aller Voraussicht nach als verfassungswidrig hätte eingestuft werden müssen, wurde § 1 Abs. 2a nur mit Wirkung ab 6.11.2015 geändert. Der Nicht-Anwendungserlass war bereits am 16.8.2015 wieder aufgehoben worden; vgl. BStBl. I 2015, 822. Vgl. oben Rz. 299. 8 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, Rz. 15.

280

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 742 § 1

Anders als beim Merkmal „mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes“ i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG 740 gab es im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG – wenn die unwiderlegliche Vermutung der Beherrschung der Tochtergesellschaft, die zur Zurechnung der Grundstücke der Tochtergesellschaft zum Obergesellschafter führt, von der Vereinigung von mindestens 95 % der bestehenden Gesamthandsbeteiligungen an der Grundstücks-Personengesellschaft abhängig ist1 – einen sachlichen Grund, zwischengeschaltete Personengesellschaften anders zu behandeln als zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften. Denn der Rechtsgrund für die Besteuerung der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG, d.h. die unwiderlegliche Vermutung der Beherrschung der Untergesellschaft, galt nicht nur für die Beteiligung an der das Grundstück haltenden Gesellschaft selbst, sondern auch für die Beteiligung an zwischengeschalteten Gesellschaften2. Wenn es aber des Erwerbs von 95 % der an der Grundstücks-Personengesellschaft bestehenden Ge- 741 samthandsbeteiligungen bedurfte, um die unwiderlegliche Vermutung der Beherrschung der Grundstücks-Personengesellschaft auszulösen, war unverständlich, warum es auf Ebene einer an der Grundstücks-Personengesellschaft beteiligten Gesellschaft auf andere Kriterien ankommen sollte. Wie auf Ebene der Grundstücks-Personengesellschaft selbst musste es auch bei Zwischengesellschaften darauf ankommen, dass der Obergesellschafter, der nach § 1 Abs. 3 GrEStG wegen des fiktiven Grundstückserwerbs besteuert werden soll, unmittelbar und mittelbar mindestens 95 % der an der zwischengeschalteten Personengesellschaft bestehenden Gesamthandsbeteiligungen hält. Bei grundstückshaltenden Kapitalgesellschaften genügte demgegenüber das Halten bzw. der Erwerb von mindestens 95 % der Anteile am Nennkapital, um dem Gesellschafter die Herrschaftsmacht und deshalb die Gesellschaftsgrundstücke zuzurechnen. Deshalb musste die unwiderlegliche Vermutung der Beherrschung auch auf Ebene von Zwischen-Kapitalgesellschaften davon abhängen, dass der Obergesellschafter mindestens 95 % der Anteile am Nennkapital der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft hält. Durch die verschiedene Auslegung des Begriffs „Anteil der Gesellschaft“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG in Bezug auf die das Grundstück haltende Gesellschaft je nachdem, ob es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt, war m.E. zwingend vorgegeben, dass auch auf Ebene zwischengeschalteter Gesellschaften für die Prüfung der 95 %-Grenze des § 1 Abs. 3 GrEStG danach differenziert werden musste, ob es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt. Wieso der BFH in Rz. 20 seines Urteils vom 12.3.20143 behauptet, dass „der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verfehlt würde, weil man insoweit zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden würde“, war nicht ersichtlich. Die Finanzverwaltung hatte zu dem BFH-Urteil vom 12.3.20144 einen Nichtanwendungserlass veröffentlicht5. Die Veröffentlichung des Urteils im BStBl. II 2016, 356 bedeutete also nicht, dass sich die Finanzverwaltung zwischenzeitlich der vom BFH vertretenen, nicht überzeugenden Sichtweise angeschlossen hätte. Dennoch war das BFH-Urteil in der Praxis zu beachten6, zumal sich bereits ein FG der Sichtweise des BFH angeschlossen hat.

1 Dies ist seit langem allgemein anerkannt, vgl. z.B. BFH v. 26.7.1995 – II R 68/92, BStBl. II 1995, 736; in Zweifel gezogen hatte dies mit Blick auf die Absenkung der 100 %-Beteiligungsgrenze auf 95 % durch das StEntlG 1999/2000/2002 soweit ersichtlich zuletzt Teiche, DStR 2005, 49; dagegen Salzmann/Loose, DStR 2005, 53. 2 Dies hatte der BFH gerade auch in seinem Urt. v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326, Rz. 21 ausdrücklich festgestellt: „Entscheidend ist, dass die Zwischengesellschaft aufgrund ihrer Stellung als Alleingesellschafterin die rechtliche Möglichkeit hat, ihren Willen bei der Tochtergesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen“. Vgl. Behrens, BB 2014, 2647. 3 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. 4 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. 5 Vgl. gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder, mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden (Personen-)Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG; Konsequenzen aus BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 und v. 9.12.2015, BStBl. I 2016, 477. 6 Vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 18.6.2015 – 15 K 3256/12, EFG 2015, 1623; Rev. beim BFH, Az. II R 41/15. Das FG Berlin-Brandenburg schloss sich bereits mit Urteil v. 18.6.2015 – 15 K 3256/12, EFG 2015, 1623 der Auffassung des BFH an. Vgl. dazu Joisten, Ubg 2016, 201.

Behrens

281

742

§ 1 Rz. 743 Erwerbsvorgänge 743

Der BFH bestätigte die Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung die bei zwischengeschalteten Personengesellschaft mit Urteil vom 27.9.20171. Das als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend sei, könne die Einführung von § 1 Abs. 3a mit Wirkung ab 7.6.2013 nicht ändern. Die Einführung von § 1 Abs. 3a schließe es nicht aus, bereits für frühere Anteilserwerbe auch bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital abzustellen2. Soweit der BFH im Urteil vom 8.8.20013 zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung entschieden habe, dass bei einer Personengesellschaft, die an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist, die gesamthänderische Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft für eine Zurechnung der Anteile an der anderen Gesellschaft maßgeblich sein soll, werde an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten. Auf Vertrauensschutz könne sich der Steuerpflichtige berufen, schon weil das BFH-Urteil vom 8.8.2001 zu einer anderen Rechtslage ergangen sei. Aus welchem Grund die Höhe der in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Beteiligungsschwelle (100 % oder 95 % oder seit 1.7.2021 90 %) für die Frage, ob in Bezug auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft die sog. Pro-KopfBetrachtung gilt oder die Höhe des Anteils an der zwischengeschalteten Personengesellschaft nach gesamthänderischen Vermögensbeteiligung zu bestimmen ist, von Bedeutung sein soll, erläutert der BFH allerdings nicht4. Im Anschluss an das BFH-Urteil II R 41/15 hat die Finanzverwaltung den Nichtanwendungserlass zum BFH-Urteil vom 12.3.2014 aufgehoben und sich mit gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betr. mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG vom 19.9.20185 der Auffassung des BFH angeschlossen. Zudem haben die obersten Finanzbehörden der Länder mehrfache andere Erlasse an die BFH-Grundsätze angepasst und unter dem Datum 19.9.2018 neu veröffentlicht6. Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung die Grundsätze der BFH-Urteile II R 51/12 und II R 41/15 in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betr. mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden (Personen-) Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG vom 19.9.2018 bestätigt7.

744

Mit Urteil vom 27.5.20208 hat der BFH die sog. Pro-Kopf-Betrachtung in Bezug auf unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehender Anteile für den Fall der mittelbaren Vereinigung aller Anteile an dieser Personengesellschaft nicht angewandt9. Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft sei für eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht diese sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend10.

1 Az. II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. 2 Insoweit würden mittelbare Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 rechtsformneutral behandelt; vgl. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667, Rz. 25. 3 Az. II 66/98, BStBl. II 2002, 156. 4 Zur Kritik am BFH-Urteil II R 41/15 vgl. z.B. Behrens, BB 2018, 360. 5 Vgl. BStBl. I 2018, 1053. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078; gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056; gleichlautende Ländererlasse betr. die Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen von § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069; gleichlautende Ländererlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3 im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074. 7 Vgl. BStBl. I 2018, 1053. 8 Vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315. 9 Zuvor bereits Hessisches FG v. 23.6.2020 – 5 K 309/14, nv. 10 Vgl. hierzu Behrens/Seemaier, DStR 2021, 644; Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257.

282

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 747 § 1

Die BFH-Urteile II R 51/121 und II R 41/152 stellen eine Rechtsprechungsänderung dar, weil der BFH 745 im Urteil vom 8.8.2001 – II R 66/98, das von der Finanzverwaltung zudem ohne Nicht-Anwendungserlass in BStBl. II 2002, 156 veröffentlicht worden war, die sog. Pro-Kopf-Betrachtung auch bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft angewandt hatte. Dass der vom BFH im Urteil II R 66/98 beurteilte Sachverhalt im Jahr 1989 verwirklicht worden war, d.h. vor Inkrafttreten der Herabsetzung der Beteiligungsschwelle von 100 % auf 95 % und der Einfügung des Wortes „mittelbar“ durch das StEntlG 1999/2000/2002 mit Wirkung ab 1.1.2000, ändert nichts daran, dass es sich um eine Rechtsprechungsänderung handelt. Denn mit der Frage, ob bei Personengesellschaften als Anteil der Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG die dingliche Gesamthandsberechtigung oder der gesamthänderisch vermittelte Vermögensanteil anzusehen ist, hängt inhaltlich nicht mit den zum 1.1.2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen zusammen. Diese Rechtsprechungsänderung begründete die Verpflichtung betroffener Anteilserwerber, die bei Verwirklichung des Sachverhalts von der Nicht-Steuerbarkeit ausgegangen waren und auch ausgehen durften, die Verpflichtung zur nachträglichen Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 5a bzw. Nr. 1 GrEStG. Der BFH hatte es im Urteil II R 41/15 abgelehnt, die zuvor bestehende Gesetzes- und Erlasslage als vertrauensschutzwürdig anzuerkennen, es habe keine jahrzehntewährende höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH mit dem Inhalt gegeben, dass bei einer Personengesellschaft auch auf der Beteiligungsebene die gesamthänderische Mitberechtigung maßgeblich sein soll. Zum anderen sei das Urteil II R 66/98 zu einer anderen Rechtslage ergangen. M.E. ist dies nicht überzeugend. § 1 Abs. 3 GrEStG wurde mit Wirkung ab 1.1.2000 zwar in zwei Hinsichten geändert; mit der Frage, ob Anteil der Gesellschaft bei Personengesellschaften die dingliche Gesamthandsberechtigung als solche oder der gesamthänderisch vermittelte Vermögensanteil ist, haben diese Rechtsprechungsänderungen jedoch nichts zu tun. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein einmaliges BFH-Urteil, das von der Finanzverwaltung im BStBl. II veröffentlicht und dessen Grundsätze in gleichlautenden Ländererlassen übernommen werden, deshalb in der Praxis akzeptiert und zugrunde gelegt wird, keinen Vertrauensschutz zur Folge haben soll. M.E. kann es nicht darauf ankommen, ob die Rechtsfrage trotz der einmaligen BFH-Entscheidung noch weitere Male vor die Gerichte und vom BFH entsprechend entschieden wird, oder ob die Finanzverwaltung und die Steuerpflichtigen die Grundsätze der einmaligen BFH-Entscheidung akzeptieren und ihrem Verhalten zugrunde legen. Auch ist nicht verständlich, warum nur auf einer konkreten Rechtsbeziehung zum zuständigen Finanzamt beruhendes Vertrauen schutzwürdig sein soll.

746

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung besteht jedoch kein Schutz auf die Anwendung der 747 Grundsätze eines im BStBl. II veröffentlichten BFH-Urteils, auch wenn diese Grundsätze in gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder übernommen werden. Mit Urteil 11 K 2137/20 GE vom 25.3.20213 hat zuletzt auch das FG Düsseldorf entschieden, dass die vor der Rechtsprechungsänderung bestehende Rechtsprechung und Erlasslage nicht ausreiche, um Vertrauensschutz zu gewähren. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setze regelmäßig voraus, dass sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstünden. Eine solche Vertrauenssituation könne grundsätzlich durch die Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Auskunft geschaffen werden, nicht hingegen durch den Erlass allgemeiner (insbesondere norminterpretierender) Verwaltungsvorschriften. Das Urteil des FG Düsseldorf erging in Bezug auf den folgenden Sachverhalt: Ursprünglich war die AB Group Ltd. unmittelbar zu 100 % an der A-Holding GmbH beteiligt, die ihrerseits zu 100 % beteiligte Kommanditistin der AH-GmbH & Co. KG war, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehörte. Vermögensmäßig zu 0 % an der AH-GmbH & Co. KG beteiligte Komplementärin war die AJ-GmbH, die im alleinigen Anteilsbesitz der GM-Ltd. stand. Die AB Group Ltd. übertrugt ihre 100%ige Beteiligung an der A-Holding GmbH im Rahmen einer konzerninternen Restrukturierung auf die AK Holding KG, an der die zu 100 % von der AB Group Ltd. gehaltene AK als

1 Urteil v. 12.3.2014, BStBl. II 2016, 356. 2 Urteil v. 27.9.2017, BStBl. II 2018, 667. 3 Vgl. EFG 2021, 993.

Behrens

283

§ 1 Rz. 747 Erwerbsvorgänge Kommanditistin zu 100 % und die ebenfalls zu 100 % von der AB Group Ltd. gehaltene AL als Komplementärin zu 0 % beteiligt waren. Vorher:

Nachher: GM-Ltd.

GM-Ltd.

100 %

100 % AB Group Ltd.

AB Group Ltd. 100 %

100 %

AK 100 %

AL

100 %

0% AK Holding KG 100 %

A-Holding GmbH 100 %

AJ-GmbH 0% AH-GmbH & Co. KG

A-Holding GmbH 100 %

AJ-GmbH 0% AH-GmbH & Co. KG

FA: § 1 Abs. 3 GrEStG + § 163 AO −

Gegenüber der AK Holding KG setzte das FA Steuer gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Den Erlass einer Billigkeitsmaßnahme gem. § 163 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 AO lehnte das FG auf die gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme gerichtete Klage der AK Holding KG hin ab. Das FG Düsseldorf entschied, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge des Anfalls von Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte, im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme geregelt hätte. Sachliche Billigkeitsgründe hierfür ergäben sich weder aus Gründen des Vertrauensschutzes noch allgemein aus den Grundsätzen von Treu und Glauben.

284

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 750 § 1

Eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum es im Falle der (teilweise) unmittelbaren Anteilsver- 748 einigung in Bezug auf grundbesitzende Personengesellschaften auf die dingliche Rechtsmacht des Gesellschafters, in den Fällen mittelbaren Anteilsvereinigung über zwischengeschaltete Personengesellschaften oder über Kapitalgesellschaften an grundbesitzenden Personengesellschaften jedoch auf eine mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95%ige) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (oder mit den Worten des BFH am Gesellschaftskapital) der Personengesellschaft ankommen soll, ist nicht ersichtlich. M.E. ist die sog. Pro-Kopf-Betrachtung – wie vom BFH im Urteil II R 45/17 in Rz. 21 angekündigt – insgesamt aufzugeben. Warum die Finanzverwaltung die sog. Pro-Kopf-Betrachtung für den Fall der (teilweise) unmittelbaren Anteilsvereinigung bei der Personengesellschaft noch weiter anwendet, ist unverständlich. In der Praxis müssen (zumindest vorerst noch) beide Sichtweisen beachtet werden, was die Handlungsoptionen betroffener Steuerpflichtiger ungerechtfertigterweise einschränkt. Auf Grundlage der BFH-Urteile vom 12.3.20141 und vom 27.9.20172 kommt es nicht zur Anteilsver- 749 einigung i.S.v. § 1 Abs. 3, wenn eine z.B. zu 10,1 % (bis 30.6.2021: 5,1 %) an einer Grundstücke haltenden Kapitalgesellschaft beteiligte KG, an der ein fremder Dritter nur zu 10 % (bis 30.6.2021: 5 %) oder weniger vermögensmäßig beteiligt ist, ihren z.B. 10,1%igen (bzw. 5,1%igen) Anteil an der Grundstücke haltenden Kapitalgesellschaft auf den 89,9%igen (bzw. 94,9%igen) Mehrheitsgesellschafter dieser Grundstücke haltenden Kapitalgesellschaft überträgt3. Denn für die Frage der Zugehörigkeit von inländischen Grundstücken zum grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich des Obergesellschafter kommt es nicht darauf an, dass dieser Obergesellschafter in Bezug auf dieses Grundstück in der Vergangenheit den Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht hatte. 5. Sonderfragen Nach in der Literatur geäußerter Ansicht ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob sog. entrechtete Geschäftsanteile noch als Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG qualifiziert werden können4. M.E. ist eine solche Prüfung unzulässig; maßgebend ist aufgrund Typisierung und aus Gründen der Praktikabilität allein die durch den betreffenden Anteil vermittelte Beteiligung des Anteilsinhabers am Grund- oder Stammkapital bzw. gezeichneten Kapital der Kapitalgesellschaft und am Gesellschaftskapital der Personengesellschaft (bzw. – solange der BFH trotz Rz. 21 des Urteils II R 45/17 und die Finanzverwaltung wie in den Erlassen vom 29.6.20215 für den Fall der (teilweise) unmittelbaren Anteilsvereinigung bei der grundbesitzenden Personengesellschaft noch weiter an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung festhalten sollten – die durch die betreffende gesamthänderische Beteiligung vermittelte dingliche Rechtsmacht am Vermögen der Personengesellschaft. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es – bei der mittelbaren Anteilsvereinigung über zwischengeschaltete Personengesellschaften auf eine mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95%ige) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (oder mit den Worten des BFH am Gesellschaftskapital) der Personengesellschaft, – bei der (teilweise) unmittelbaren Anteilsvereinigung betr. grundbesitzende Personengesellschaften aber noch weiterhin auf die dingliche Rechtsmacht des Gesellschafters – ankommen soll. M.E. ist die sog. Pro-Kopf-Betrachtung zwecks Vermeidung dieses Widerspruchs vollständig aufzugeben6.

1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. Vgl. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. Vgl. Joisten, Ubg 2016, 201 (207). So Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 987. Vgl. BStBl. I 2021, 1006. Vgl. Rz. 748.

Behrens

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750

§ 1 Rz. 751 Erwerbsvorgänge 751

Wegen der ausschließlichen Maßgeblichkeit der durch den Anteil vermittelten Beteiligung am Grundoder Stammkapital ist es unerheblich, inwieweit der betreffende Anteil nach dem Gesellschaftsvertrag oder sonstiger vertraglicher Vereinbarungen mit Sonderrechten ausgestattet ist1. Grunderwerbsteuerrechtlich unbeachtlich ist es zum Beispiel, wenn der Mehrheitsgesellschafter mit der grundbesitzenden Gesellschaft einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, aufgrund dessen den Minderheitsgesellschaftern Dividenden (Ausgleichszahlungen) garantiert und Abfindungsangebote zugesagt bzw. unterbreitet worden sind.

IV. Erstmalige Vereinigung von mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile durch schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 1) 1. Rechtsgeschäft i.S.v. Abs. 3 Nr. 1, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet a) Begründung eines Anteilsübertragungsanspruchs 752

Die Übertragung von Anteilen der Gesellschaft meint die Übertragung der dinglichen Rechtsinhaberschaft an den Anteilen auf ein anderes Rechtssubjekt. Ein solcher Anspruch muss neu begründet werden; die Verpflichtung zur Abtretung eines solchen (bereits bestehenden) Anspruchs wird nicht erfasst (vgl. dazu Rz. 985). Nach Ansicht des BFH kann auch eine einseitige Willenserklärung als Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG anzusehen sein. Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei, so der BFH, ein Rechtsgeschäft, das in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt sei, wie sich aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ergebe. Ein in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegter Widerruf sei als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, auch wenn der Widerruf als Gestaltungsgeschäft selbst kein Schuldverhältnis begründet. Es reiche aus, dass der Widerruf den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses ändert2. Das Recht zum Widerruf sei in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt, der Widerruf ändere als Gestaltungsgeschäft den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses. b) Kein Abs. 3 Nr. 1 bei Sachgründung einer Gesellschaft

753

Nicht als Übertragung anzusehen ist die erstmalige Zuordnung der bei der Gesellschaftsgründung neu entstehenden Anteile. Dass § 1 Abs. 3 GrEStG eine Änderung der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung von Gesellschaftsgrundstücken bei Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile fingiert und damit Steuerumgehungen verhindert werden sollen, ist bei der Auslegung dieser Vorschrift zu berücksichtigen. Weil bei der Gründung einer Gesellschaft unter Übertragung von Grundstücken bereits unmittelbar eine Änderung in der Zuordnung der Grundstücke eintritt, besteht kein Grund, daneben auch noch eine (mittelbare) Änderung in der Zuordnung der Grundstücke zu fingieren. Der Begriff „Übertragung von Anteilen“ ist daher nicht so zu verstehen, dass darunter auch die Entstehung der Anteile bei Gründung einer Gesellschaft fällt3.

1 Die Formulierung in BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326, dass es für die Zurechnung mittelbarer Beteiligungen „auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft ankommt“, steht dem nicht entgegen. Denn das Vorhandensein dieser rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten wird bei Bestehen einer mind. 95%igen Beteiligung am Grund- oder Stammkapital unwiderlegbar vermutet. 2 Vgl. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. 3 Vgl. BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357.

286

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 754 § 1

c) Keine Verwirklichung von Abs. 3 Nr. 1 bei Sachgründung einer Gesellschaft mit Treuhänder Anders wird allerdings die Sachgründung einer Gesellschaft durch Treugeber und Treuhänder be- 754 wertet, wenn Gegenstand der Sacheinlage ein inländisches Grundstück ist. Gründet ein Gesellschafter zusammen mit einem in seinem Auftrag agierenden weiteren Gesellschafter eine GmbH und übernimmt er es, auf seine Stammeinlage ein Grundstück auf die Gesellschaft zu übertragen, wird (im Falle der Gründung einer GmbH bei Eintragung der GmbH im Handelsregister) zusätzlich zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wegen der Entstehung des Anspruchs auf Grundstücksübertragung auf die GmbH – der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als verwirklicht angesehen1. Nach Ansicht des BFH führt die Begründung des Anspruchs auf Übertragung der vom Treuhänder gehaltenen Beteiligung und das Halten der restlichen Anteile durch den Treugeber selbst bei diesem zur Anteilsvereinigung2. Der Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf Ebene des Treugebers stehe es auch nicht entgegen, dass das Grundstück aus dem Vermögen des Treugebers in das der Gesellschaft gelangt. Denn die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei anderer Art als die Zurechnung gem. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG3. Im dem BFH-Urteil vom 28.6.19724 zugrunde liegenden Sachverhalt gründete der Kläger zusammen mit einem in seinem Auftrag agierenden Treuhand-Gesellschafter eine GmbH und übernahm es, auf seine Stammeinlage ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf die GmbH zu übertragen. Der Treuhandgesellschafter übernahm den 11%igen Geschäftsanteil auf Rechnung des Klägers.

Treuhandvertrag

Kläger

TreuhandGesellschafter

11 %

89 % GmbH

Sachgründung: Kläger hat auf seine Stammeinlage ein Grundstück einzubringen. Der Treuhandgesellschafter hält den 11 %-Geschäftsanteil für den Kläger.

1 So BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719. 2 Bei der Ein-Mann-Gründung einer GmbH gilt dies nicht, weil sich nicht alle Anteile vereinigen, sondern nur ein einziger Anteil entsteht; vgl. Fischer in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 951. 3 Wegen der unterschiedlichen Art der Zurechnung lehnt der BFH die Anwendung von § 16 GrEStG ab, obwohl das Grundstück auf Grundlage der Fiktion von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als von der GmbH auf den TreugeberGesellschafter übergegangen gilt, insoweit also die Annahme einer Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs der GmbH nicht von vornherein gänzlich ausscheidet. Weil tatsächlich das Grundstück jedoch bei der GmbH verbleibt, wird die Fiktion des Grundstückserwerbs durch den Gesellschafter im Ergebnis nicht als Rückgängigmachung der Grundstücksübertragung auf die Gesellschaft angesehen. 4 BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719.

Behrens

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§ 1 Rz. 755 Erwerbsvorgänge 755

Nach Ansicht des BFH1 wird bei Eintragung der GmbH im Handelsregister – zusätzlich zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei Entstehung des Anspruchs auf Grundstückseinbringung in die GmbH – der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Begründung des Anspruchs auf Übertragung der 10%igen Beteiligung gegen den Treuhänder-Gesellschafter und das Halten des 90%igen Anteils führe zur Anteilsvereinigung2. Der Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG stehe es nicht entgegen, dass das Grundstück aus dem Vermögen des Klägers in das der Gesellschaft gelange. Denn die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei anderer Art als die Zurechnung gem. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG. Weil die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG kraft gesetzlicher Fiktion nur durch die Anteile an der Gesellschaft vermittelt wird, das gesellschaftsrechtliche Einbringen aber unmittelbar die Gesellschaft begünstigt, verbliebe dem Kläger keine wirtschaftliche Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG. Die die Zurechnung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG begründenden Rechtsverhältnisse seien vielmehr – wenn auch gleichzeitig – neu entstanden. Der Kläger habe demnach seine Rechtsstellung in Bezug auf das Grundstück nicht behalten, sondern in einer anderen Form und von anderer Seite wiedererlangt3. Diese BFH-Rechtsprechung ist schon deshalb abzulehnen, weil der Herausgabeanspruch des Treugebers kein rechtsgeschäftlicher Anspruch ist, sondern sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 667 BGB) ergibt. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG erfassen jedoch nur rechtsgeschäftliche Ansprüche auf die Übertragung von Anteilen. Darüber hinaus ist die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zeitgleich mit dem Haupttatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aber auch aufgrund des Charakters von § 1 Abs. 3 GrEStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift und Ergänzungstatbestand abzulehnen. 2. Anspruch auf Übertragung von Anteilen der Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört

756

Nach dem Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG setzt die Anteilsvereinigung voraus, dass ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Dieses Tatbestandsmerkmal ist auch bei der Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG zu berücksichtigen; die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG setzt mithin die Übertragung oder den Übergang von Anteilen gerade an der Gesellschaft voraus, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen (vgl. Rz. 721 ff.) gehört. Im BFH-Urteil vom 16.1.19804 hat der BFH dieses Tatbestandsmerkmal unberücksichtigt gelassen: Aufgrund der nur 94%igen Beteiligung der potentiellen Organgesellschaft an der grundbesitzenden GmbH schied m.E. eine grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks der A-GmbH zum Vermögen der potentiellen Organgesellschaft aus. Mithin lag kein Rechtsgeschäft vor, das den Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen das inländische Grundstück gehört. Der BFH hätte daher schon aus diesem Grund die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2b GrEStG ablehnen müssen. M.E. hat der BFH das Erfordernis, dass der Übertragungsanspruch Anteile gerade an der Gesellschaft zum Gegenstand hat, zu deren Vermögen das betreffende Grundstück gehört, im Urteil vom 31.3.19825 anerkannt. Der BFH führt

1 Vgl. BFH v. 28.6.1872 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719. Vgl. dazu Halaczinsky, UVR 2009, 239; Gottwald, DStR 2009, 1948; Behrens/Rämer, UVR 2009, 365. 2 Nach Fischer in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 951 kann § 1 Abs. 3 GrEStG bei der Einmann-Gründung einer GmbH nicht eingreifen. Denn es vereinigten sich nicht alle Anteile, sondern es entstehe nur ein einziger. 3 Wegen der unterschiedlichen Art der Zurechnung lehnt der BFH die Anwendung von § 17 GrEStG a.F. (heute: § 16 GrEStG) ab, obwohl das Grundstück auf Grundlage der Fiktion von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als von der GmbH auf den Kläger übergegangen gilt, insoweit also die Annahme einer Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs der GmbH nicht von vornherein gänzlich ausscheidet. Weil tatsächlich das Grundstück jedoch bei der GmbH verbleibt, wird die Fiktion des Grundstückserwerbs durch den Kläger im Ergebnis nicht als Rückgängigmachung der Grundstückseinbringung angesehen. Zur Anwendung von § 16 GrEStG in den Fällen von § 1 Abs. 3 GrEStG und zwischenzeitlichen Grundstückserwerben durch die Gesellschaft vgl. Sack in Boruttau16, § 16 GrEStG Rz. 275; Pahlke in Pahlke/Franz3, § 16 GrEStG Rz. 75; Behrens/Schmitt, UVR 2009, 51. 4 Vgl. BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II 1980, 360. Vgl. auch BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. 5 Vgl. BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424.

288

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 759 § 1

dort aus, dass nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer unterliege, „das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteilen an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung alle Anteile an dieser Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt würden“1. 3. „… wenn durch die Übertragung … mindestens 90 (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95) vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers … vereinigt werden würden“ a) Anspruchsinhaber muss auch der Anteilserwerber sein Ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft 757 begründet, ist nur dann im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG tatbestandsmäßig, wenn sich infolge des Erfüllungsgeschäfts mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %2) der Anteile einer solchen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in einer Hand vereinigen würden. Nicht erfüllt ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG mithin dann, wenn zwar ein Rechtsträger den Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile der Gesellschaft erlangt, der Anspruch jedoch inhaltlich darauf gerichtet ist, dass die Anteile an Dritte übertragen werden, wenn keiner der Dritten allein mindestens 90 % (bzw. 95 %) der Anteile erlangt. b) Wegfall der Steuerbarkeit bei Grundstücksveräußerung vor dinglichem Anteilsübergang Ob der Erwerber tatsächlich durch die Anteilsübertragung die Rechtsinhaberschaft an den Anteilen erwirbt, ist nach dem Gesetzeswortlaut für die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG irrelevant. Kommt es nicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Übertragung der Anteile, ist die Steuer nach Stellung eines Antrags nach § 16 Abs. 1 GrEStG nicht festzusetzen bzw. ein bereits erlassener Bescheid aufzuheben. Nach dem Gesetzeswortlaut hat es für die Erfüllung des Tatbestands keine Bedeutung, ob das bei unbedingtem Wirksamwerden des Anteilsübertragungsanspruchs zum Vermögen der Gesellschaft gehörende Grundstück im Zeitpunkt des dinglichen Anteilserwerbs noch zum Vermögen der Gesellschaft gehört. Auch bei grundstücksbezogener Auslegung von § 1 Abs. 3 GrEStG beseitigt die unbedingt wirksame Grundstücksveräußerung durch die Gesellschaft vor dinglichem Anteilsübergang auf den Anteilserwerber m.E. den Anfall der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO rückwirkend. Von der rechtzeitigen und vollständigen Anzeige i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG und der Stellung des Antrags nach § 16 Abs. 1 GrEStG hängt der Nicht-Anfall von Steuer m.E. nicht ab3. In der Praxis sollte vor Klärung durch die Finanzverwaltung oder ggf. den BFH vorsorglich dennoch die rechtsgeschäftliche Begründung des unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs gem. § 19 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG angezeigt und der Antrag nach § 16 Abs. 1 GrEStG gestellt werden.

758

4. Unmittelbare und/oder mittelbare Anteilsvereinigung Zur unmittelbaren Anteilsvereinigung kommt es, wenn ein und derselbe Rechtsträger 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär4 95 %) der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, zivilrechtlich in seiner Hand vereinigt, sei es, dass er unbedingt wirksame Anteilsübertragungsansprüche erwirbt und/oder dass er die dingliche Rechtsinhaberschaft in Bezug auf mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile erwirbt. Beim Erwerb bzw. der Vereinigung von mindestens 90 % bzw. 95 % der Anteile an einer Muttergesellschaft,

1 2 3 4

Hervorhebung nicht im Original. Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG.

Behrens

289

759

§ 1 Rz. 759 Erwerbsvorgänge die zu 90 % bzw. 95 % an einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft beteiligt ist, kommt m.E. ausschließlich eine Anteilsvereinigung in der Fallgruppe „mittelbare Anteilsvereinigung“ in Betracht1. 760

Mittelbare Anteilsübertragungen sind im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG nur dann relevant, wenn unmittelbar und/oder mittelbar (über einen oder mehrere Beteiligungsstränge) mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile an der die Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft vermittelnden Gesellschaft in einer Hand vereinigt sind oder werden (Ausnahme: Organschaft, vgl. Rz. 830 ff.). Im Beschluss vom 22.1.2019 – II B 98/172 hat der BFH für die Zurechnung mittelbarer Anteile für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abgestellt. Nach dem Urteil vom 4.3.2020 – II R 2/173 kommt es (entsprechend früheren BFH-Entscheidungen) auf „rechtlich begründete Einflussmöglichkeiten“ an. Für die Frage, ob der Erwerber die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat, ist bei einer zwischengeschalteten (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft auf den dinglichen Erwerb von mindestens 90 % bzw. 95 % der Anteile am Gesellschaftskapital abzustellen, wobei wegen § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG bereits die Begründung eines unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs zur Zurechnung der Einflussmöglichkeiten zum Anteilserwerber ausreichen kann4.

761

Sachverhalt des BFH-Urteils II R 2/17: Am 21.12.1995 hatten die Söhne B und C jeweils einen 45 %-Kommanditanteil an der A-GmbH & Co. KG („A-KG“) von ihrem Vater, dem späteren Kläger („Kl.“), unter Nießbrauchsvorbehalt durch Schenkung erworben. Gleichzeitig räumten sie dem Kl. eine unwiderrufliche Vollmacht hinsichtlich der mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte ein. Der Kl. behielt sich das Recht vor, die Schenkungen „jederzeit ohne Angabe von Gründen zu widerrufen und die Rückübertragung des geschenkten Gegenstands an sich zu verlangen“5. Der Kl. war seit 21.12.1995 zu 10 % an der A-KG beteiligt. Die A-KG hielt 25 % an der grundbesitzenden E-GmbH & Co. KG („E-KG“). Den restlichen 75 %-Kommanditanteil an der E-KG hatte der Kl. im Jahr 2003 von Dritten erworben. Der Kl. war zudem Alleingesellschafter der Komplementär-GmbHs der A-KG wie auch der E-KG. Vereinfacht lässt sich die Struktur wie folgt veranschaulichen6:

1 2 3 4

Vgl. Rz. 714.2. Vgl. BFH/NV 2019, 412. Vgl. BStBl. II 2020, 511. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. Vgl. aber auch BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, in dem der BFH § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten“ anwandte, mit dem Ergebnis, dass der Anteil an einer an der grundbesitzenden GbR beteiligten GmbH nicht deren Gesellschafter, sondern dem Treugeber (für den die GmbH die GbR-Beteiligung hielt) zugerechnet wurde (weil nur der Treugeber die Sachherrschaft über die Gesellschaftsgrundstücke habe, die § 1 Abs. 3 GrEStG erfassen wolle). 5 Vgl. die Sachverhaltsdarstellung im erstinstanzlichen Urteil des FG Münster v. 20.12.2016 – 8 K 1686/13 GrE, EFG 2017, 332, Streitjahr 2007. 6 Vgl. Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 492.

290

Behrens

Rz. 761 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Vom 21.12.1995 bis 9.2.2007: Vater (Kl.)

Sohn B 10 %

45 %

Sohn C 45 %

9.2.2007: Vater (Kl.) 10 %

A-GmbH & Co. KG

Sohn C Sohn B 45 %

45 %

A-GmbH & Co. KG 75 %

25 % Seit 2003: 75 %, E-GmbH erworben & Co. KG von dadurch ausgeschiedenen Kommanditisten (Dritten)

25 %

E-GmbH & Co. KG

Der Vater ist Alleingesellschafter beider Kompl.-GmbHs. Den 75 %-Anteil erwarb er nicht grunderwerbsteuerbar in 2003

Die Söhne traten ihre 45 %-Anteile an den Vater ab „unter der aufschiebenden Bedingung der HR-Eintragung des KG-AnteilsErwerbs an der E-GmbH & Co. KG durch F“.

Im Anschluss an den Widerruf am 9.2.2007: Vater Sohn C Sohn B (Kl.) 45 % 45 % 10 %

Endstruktur:

94,9 % F 19,9 % 19,9 % 75 %

F

Vater (Kl.) 94,9 % 5,1 %

A-GmbH & Co. KG 25 % ./. 19,9 % = 5,1 %

A-GmbH & Co. KG 5,1 % 75 %

19,9 %

E-GmbH & Co. KG

E-GmbH & Co. KG

Der Vater verkauft einen 94,9 %-KG-Anteil an der A-GmbH & Co. KG an F.

Erst wurde F als 19,9 %Kommanditistin im HR eingetragen.

Die A-GmbH & Co. KG verkaufte einen 19,9 %- Anteil an der E-GmbH & Co. KG an F.

Danach gingen die beiden 45 %-Anteile erst von den Söhnen auf den Vater und dann vom Vater auf F über.

Behrens

291

§ 1 Rz. 761 Erwerbsvorgänge Am 9.2.2007 schlossen der Kl. und die Söhne einen Schenkungswiderruf- und Übertragungsvertrag ab, in dem der Kl. die Anteilsschenkungen widerrief und die Rückabtretung der beiden 45 %-Kommanditanteile von seinen Söhnen forderte. Die Söhne traten diese Anteile unter der aufschiebenden Bedingung der Handelsregister-Eintragung des Kommanditanteils-Erwerbs an der E-KG durch F an den Kl. ab. Die A-KG hatte einen 19,9 %-Anteil an der E-KG im Anschluss an den Abschluss des Schenkungswiderruf- und Übertragungsvertrags – d.h. erst danach – an F verkauft. Weil der Kl. den 75 %-Anteil an der E-KG erst in 2003 und damit (nicht grunderwerbsteuerbar) innerhalb von fünf Jahren vor dem 9.2.2007 erworben hatte, gewährte das FG Münster die Begünstigung nach § 3 Nr. 6 GrEStG i.V.m. § 6 Abs. 2 GrEStG nur i.H.v. 25 %, weil in Höhe der restlichen 75 % die fünfjährige Vorbehalte-Frist i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht erfüllt war1. Über die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG wurde weder vor dem FG Münster noch vor dem BFH gestritten2. 762

Der BFH betont, dass sich die Frage nach dem Vorliegen mittelbarer Anteilserwerbe nicht zivilrechtlich beantworten lasse. Vielmehr komme es darauf an, „welche rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten der Erwerber auf die grundbesitzende Gesellschaft hätte.“3 Inwiefern das Kriterium der rechtlich begründeten Einflussmöglichkeit zu einem von der Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abweichenden Ergebnis führen kann, erscheint nicht abschließend geklärt. Dies ist insbesondere deshalb anzumerken, weil der BFH zur Begründung, dass die unwiderrufliche Vollmacht des Kl. unerheblich sei, auf sein § 1 Abs. 2a GrEStG betreffendes Urteil vom 30.8.20174 abstellt. Maßstab war dort ausdrücklich § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Wird allein auf die rechtlich begründete Einflussmöglichkeit abgestellt, dürften nach dem Wortverständnis für eine Anteilszurechnung die Frage, wer das Risiko einer Wertminderung trägt und wem die Chance der Wertsteigerung zusteht, irrelevant sein5. Dies führt zur Frage, wie eine rechtlich begründete Einflussmöglichkeit ausgestaltet sein muss, so dass es für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG zu einer von der zivilrechtlichen Inhaberschaft abweichenden Anteilszuweisung kommt. Der BFH lehnt in den Entscheidungsgründen des Urteils II R 2/17 eine rechtlich begründete Einflussmöglichkeit des Kl. trotz der unwiderruflichen Vollmacht deshalb ab, weil diese lediglich die bloße Möglichkeit schaffe, die Rechte im Namen des Gesellschafters, d.h. im fremden Namen auszuüben. Danach kann eine rechtlich begründete Einflussmöglichkeit nur dann vorliegen, wenn der Gesellschafter die Mitbestimmungsrechte im eigenen Namen ausüben kann. Aufgrund des sog. Abspaltungsverbots ist es nach herrschender gesellschaftsrechtlicher Auffassung jedoch nicht möglich, bei Kapitalgesellschaften die Verwaltungsrechte (insb. das Stimmrecht) von der Mitgliedschaft zu trennen6. Gleiches gilt für die Personengesellschaften nach § 717 Satz 1 BGB (sog. Grundsatz der Unübertragbarkeit)7. Auch der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen soll nach der herrschenden zivilrechtlichen Auffassung die Zuweisung der Stimmrechte zum Gesellschafter unberührt lassen8.

1 Vgl. FG Münster v. 20.12.2016 – 8 K 1686/13 GrE, EFG 2017, 332, Rz. 26. 2 Zur sog. interpolierenden Betrachtungsweise vgl. z.B. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528. 3 So auch schon: BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BFHE 245, 381 = BStBl. II 2016, 356; v. 18.9.2013 – II R 21/12, BFHE 243, 393 = BStBl. II 2014, 326; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BFHE 260, 94 = BStBl. II 2018, 667 = GmbHStB 2018, 109 m. Anm. Böing. 4 BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFHE 260, 87 = BStBl. II 2018, 786 = GmbH-StB 2018, 45 m. Anm. Böing = EStB 2018, 56 m. Anm. Günther. 5 Vgl. auch schon Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 492, und Bielinis, DStR 2014, 2369 (2375). 6 Für die AG z.B. BGH v. 17.11.1986 – II ZR 96/86, NJW 1987, 780; Vedder in Grigoleit2, § 8 AktG Rz. 22; für die GmbH vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck22, § 47 GmbHG Rz. 40. 7 Vgl. Schäfer in MüKo7, § 717 BGB Rz. 5. 8 Für Personengesellschaftsanteile vgl. Pohlmann in MüKo8, § 1068 BGB Rz. 83; für Aktien vgl. z.B. Heinze in Staudinger, Neubearbeitung 2017, Anhang zu §§ 1068, 1069 BGB Rz. 116; für GmbH-Anteile vgl. z.B. Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 15 GmbHG Rz. 119; OLG Koblenz v. 16.1.1992 – 6 U 963/91, NJW 1992, 2163.

292

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 764 § 1

Wenn aus gesellschaftsrechtlicher Sicht aber Stimmrechte im Grundsatz nicht von der Mitgliedschaft abgespalten und selbstständig übertragen werden können1, es grunderwerbsteuerrechtlich aber nicht ausreichen soll, wenn die Stimmrechte im fremden Namen geltend gemacht werden, verbleibt m.E. für eine von der zivilrechtlichen Inhaberschaft an den Anteilen abweichende grunderwerbssteuerrechtliche Anteilszurechnung nur insoweit Raum, als grunderwerbsteuerrechtlich (nicht aber zivilrechtlich) bereits die Begründung eines unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs zur Zurechnung der Einflussmöglichkeiten zum Anteilserwerber führt2. M.E. ist der BFH so zu verstehen, dass es für die Frage, ob der Erwerber die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat, bei einer zwischengeschalteten (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft im Ergebnis allein auf mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftskapital ankommt. Für die Frage, ob der Erwerber die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft hat, kommt es u.E. bei einer zwischengeschalteten (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft auf den dinglichen Erwerb von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftskapital an, wobei wegen § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG bereits die Begründung eines unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs zur Zurechnung der Einflussmöglichkeiten zum Anteilserwerber ausreichen kann. 5. Erwerber Der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass durch die Erfüllung des Rechtsgeschäfts der Erwerber mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär3 95 %) der Anteile der Gesellschaft in seiner Hand vereinigt. Erwerber ist jeder Rechtsträger einschließlich Gesamthandsgemeinschaften, nicht aber Rechtsgemeinschaften und Innengesellschaften wie die typisch oder atypisch stille Gesellschaft. Als Erwerberin kann die Erbengemeinschaft, weil sie ein Gesamthandsvermögen hat, den Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG (ebenso den von § 1 Abs. 3a GrEStG) erfüllen, d.h. es können mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär4 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG in der Hand einer Erbengemeinschaft vereinigt werden5.

763

Fraglich ist, ob als Erwerber i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nur der Rechtsträger angesehen werden kann, der am Rechtsgeschäft beteiligt ist und daraus einen Anteilsübertragungsanspruch erlangt, in dessen Erfüllung er die Anteile erwirbt, oder ob das Merkmal „Erwerber“ auf die grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion abstellt, wonach der Rechtsträger, in dessen Hand die mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär6 95%ige) Anteilsvereinigung eintritt, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt wird, als hätte er das Gesellschaftsgrundstück erworben.

764

1 Für steuerrechtliche Zwecke käme im Einzelfall hier jedoch die Anwendung des § 41 Abs. 1 AO, in Betracht, der nach allg. M. in Einzelfällen auch im Grunderwerbsteuerrecht Anwendung finden kann. 2 Zivilrechtlich erlangt der Anteilserwerber diese Einflussmöglichkeiten unmittelbar gegenüber der Gesellschaft erst mit dinglichem Anteilserwerb. 3 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 4 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 5 Vgl. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536 mit dem Hinw. darauf, dass die Erbengemeinschaft ein selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts ist. Zur Frage, ob eine niederländische Verwaltungsstiftung Erwerberin für Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG sein kann, vgl. FG Münster v. 10.3.2022 – 8 K 1945/19 GrE. 6 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG.

Behrens

293

§ 1 Rz. 765 Erwerbsvorgänge 765

Beispiel: Die M-GmbH ist zu mindestens 90 % sowohl an der A-GmbH als auch an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH ist bereits i.H.v. 50 % an der G-GmbH als sog. Altgesellschafterin für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG beteiligt, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Die A-GmbH erwirbt die restlichen 50 % an der G-GmbH von einem externen Dritten.

Vorher:

Nachher:

M-GmbH 90 %

90 %

A-GmbH

D

M-GmbH

B-GmbH

90 % D

90 %

A-GmbH 50 %

50 %

50 %

G-GmbH

B-GmbH 50 %

50 %

G-GmbH

D verkauft seinen 50 %igen Anteil an der G-GmbH an die A-GmbH.

766

Richtet sich die Frage, wer Erwerber ist, nach der zivilrechtlichen Rechtslage, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nur dann erfüllt, wenn der Rechtsträger, der das tatbestandsmäßige Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, in dessen Erfüllung er einen oder mehrere Anteile erwirbt, selbst mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär1 95 %) der Anteile in seiner Hand vereinigt. Auf dieser Grundlage wäre im Beispiel keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst worden, weil die A-GmbH als Käuferin des restlichen 50%igen Anteil an der G-GmbH selbst nur 50 % der Anteile hält, nicht also in ihrer Hand mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2 95 %) der Anteile vereinigt. Dass infolge des von der A-GmbH abgeschlossenen Anteilskaufvertrags die M-GmbH erstmalig mittelbar alle Anteile an der GmbH in ihrer Hand vereinigt hat, löst auf dieser Grundlage dennoch keine Grunderwerbsteuer aus, weil die M-GmbH das tatbestandsmäßige Rechtsgeschäft nicht selbst abgeschlossen hat und deshalb nicht zivilrechtliche Erwerberin des restlichen 50%igen Anteils an der G-GmbH ist. Wird unter dem Merkmal „Erwerber“ der Rechtsträger verstanden, der infolge des tatbestandsmäßigen Rechtsgeschäfts fiktiv das Gesellschaftsgrundstück erwirbt, fällt im Beispiel auf Ebene der M-GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an. Denn der Anteilserwerb durch die A-GmbH würde auf dieser Grundlage die Fiktion auslösen, dass die G-GmbH ihr Grundstück auf die M-GmbH überträgt. M.E. ist das Merkmal „Erwerber“ in § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zivilrechtlich zu verstehen. Denn betroffen ist insoweit die Tatbestandsebene; der fingierte Grundstückserwerb ist lediglich die bei Verwirklichung des Tatbestands ausgelöste Rechtsfolge. Ein Merkmal des Tatbestands kann nicht vor dem Hintergrund der erst durch die Erfüllung des Tatbestands ausgelösten Rechtsfolge ausgelegt werden. Im Beispiel fällt mithin keine Grunderwerbsteuer an. Außerdem wäre die sonst auf Ebene der M-GmbH ausgelöste Grunderwerbsteuer „drittbestimmt“, d.h. die Organmitglieder der M-GmbH haben je nach Fall vom Anteilserwerb durch

1 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 2 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG.

294

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 768 § 1

die A-GmbH nichts gewusst bzw. konnten ihn nicht verhindern. Die Praxis muss sich allerdings darauf einstellen, dass die Finanzverwaltung und der BFH das gegenteilige Ergebnis vertreten könnten.

V. Erstmalige Vereinigung von mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 2) 1. Wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. Nr. 1 vorausgegangen ist a) Subsidiarität von Abs. 3 Nr. 2 gegenüber Abs. 3 Nr. 1 Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, so- 767 weit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt, nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG außerdem die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär1 95 %) der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. Nr. 1 voraus gegangen ist. Dieser Halbsatz ordnet die Subsidiarität von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an2. Ist ein schuldrechtliches Geschäft, d.h. ein Rechtsgeschäft voraus gegangen, dass den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wobei durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär3 95 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder im Organkreis vereinigt werden würden, ist der Tatbestand von Nr. 2 nicht erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn die an sich nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG angefallene Steuer aufgrund einer Befreiungsvorschrift nicht erhoben worden ist4. b) Beteiligungs-, nicht grundstücksbezogener Gesetzeswortlaut Wegen der angeblichen Grundstücksbezogenheit von § 1 Abs. 3 GrEStG auch auf Tatbestandsebene 768 halten der BFH und die Finanzverwaltung § 1 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG trotz vorausgegangenen Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Anteilsübertragung begründet hat, insoweit für anwendbar, als die Gesellschaft nach Abschluss des vorausgegangenen schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts und vor der dinglichen Erfüllung weitere inländische Grundstücke hinzuerworben hat5. Der Gesetzeswortlaut ist jedoch anteilsbezogen. So unterwirft § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG die dingliche Anteilsvereinigung nur dann der Grunderwerbsteuer, „wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.v. Nr. 1 vorausgegangen ist“. Nach dem Gesetzeswortlaut ist § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG also nur dann anwendbar, wenn sich die Anteilsvereinigung schlechthin ohne zur Anteilsübertragung verpflichtendes Rechtsgeschäft i.S.v. Nr. 1 vollzieht. Ist der dinglichen Anteilsvereinigung ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft, das zur Anteilsübertragung verpflichtet hat, vorausgegangen, ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG unabhängig von etwaigen Erwerben weiterer Grundstücke durch die Gesellschaft insgesamt nicht anwendbar. Weil der Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG keinen Bezug zu einzelnen Grundstücken herstellt, erscheint die BFH-Rechtsprechung und die daran anknüpfende Verwaltungsansicht nicht zwingend. Dass auch im Grunderwerbsteuerrecht Vorschriften nicht grund-

1 2 3 4

Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1048. Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. Vgl. BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357. In dem zugrundeliegenden Fall war die Grundstücksübertragung auf die Gesellschaft anlässlich ihrer Gründung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform (UmwGrESt Hamburg) von der Besteuerung ausgenommen. 5 Vgl. BFH v. 12.7.1971 – II 81/65, BStBl. II 1972, 913; v. 8.11.1978 – II R 82/73, BStBl. II 1979, 153; v. 17.2.1982 – II R 25/81, BStBl. II 1982, 336.

Behrens

295

§ 1 Rz. 768 Erwerbsvorgänge stücks-, sondern anteilsbezogen ausgelegt werden, zeigt die Interpretation von § 6a Satz 4 durch den BFH1 und Finanzverwaltung2. 769

Nach Ansicht des BFH folgt aus dem Zweck und Wortlaut von § 1 Abs. 3 GrEStG, das von der Besteuerung nach Nr. 2 bzw. Nr. 4 von § 1 Abs. 3 GrEStG nur die Grundstücke ausgenommen sind, die bereits bei Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts i.S.v. Nr. 1 bzw. Nr. 3 zum Vermögen der Gesellschaft gehörten; die nach Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts hinzuerworbenen inländischen Grundstücke unterlägen jedoch nach Nr. 2 bzw. Nr. 4 der Grunderwerbsteuer3. Der BFH legt § 1 Abs. 3 GrEStG mithin bereits auf der Tatbestandsebene grundstücksbezogen aus, obwohl der Gesetzeswortlaut dies nicht hergibt. Der Grundstücksbezug besteht nur auf der Rechtsfolgenseite (in Form des fingierten Erwerbs der Gesellschaftsgrundstücke durch den mindestens 95 % der Anteile auf sich vereinigenden Gesellschafter bzw. Anteilserwerber). Die Praxis hat sich aber auf diese Sichtweise des BFH einzustellen4. c) Auslegung von Abs. 3 Nr. 2 vor dem Hintergrund von Abs. 3 Nr. 1

770

Mit Ausnahme des in § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG genannten Erfordernisses eines schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, dass den Anspruch auf Übertragung von Anteilen an der Gesellschaft gegründet, zu deren Vermögen das inländische Grundstück gehört, weist § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG die gleichen Voraussetzungen auf wie § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfasst – entsprechend Nr. 1 – nur solche Vorgänge, die die Erfüllung eines schuldrechtlichen Geschäfts sein könnten, d.h. im Grundsatz nur die durch Abtretung bewirkten Vereinigungen5. Hinzu kommen allerdings Anteilserwerbe durch übertragende Umwandlung, Anwachsung und Erbfolge. Keine Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG fällt an, wenn der dinglich mind. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär6 95 %) der Anteile haltende Treuhänder die Treugeberrechte erwirbt oder der Treugeber zugunsten des Treuhänders auf die Treugeberrechte verzichtet7. Aus dem zur Anteilsvereinigung durch Einziehung von An-

1 Vgl. insb. BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19 (zuvor II R 58/14), BStBl. II 2020, 348, und auch schon FG München v. 22.10.2014 – 4 K 37/12, EFG 2015, 243. § 6a GrEStG stelle zur Abgrenzung des Tatbestands ausdrücklich nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Dass die Verschmelzung zur Neugründung auf eine dadurch erst entstehende Schwester-GmbH und zur Aufnahme auf eine seit mind. fünf Jahren zu mind. 95 % gehaltene Schwester-GmbH begünstigt ist, die Verschmelzung auf eine innerhalb von fünf Jahren vor Eintragung der Verschmelzung erworbene Gesellschaft aber nicht, kann m.E. auf Grundlage der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts und des Zwecks des § 6a GrEStG nicht überzeugend begründet werden (vgl. Behrens, BB 2020, 2855), muss aber für die Praxis aufgrund der Positionierung durch den BFH in seinen Urteilen v. 21. und 22.8.2019 und durch die Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen v. 22.9.2020 hingenommen werden. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG (nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019) v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.3.2, und auch bereits die Vorgänger-Erlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, STEK § 6a GrEStG, Nr. 4. 3 Vgl. BFH v. 12.7.1972 – II 81/65, BStBl. II 1972, 913. Der BFH gab mit diesem Urteil seine gegenteilige frühere Rechtsprechung auf, vgl. BFH v. 19.12.1956 – II 35/56 U, BStBl. III 1957, 108 (110). 4 Zur Frage, ob Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 3) GrEStG anfällt, wenn die Gesellschaft das Grundstück nach unbedingtem Wirksamwerden des Anteilsübertragungsanspruchs, aber vor dessen dinglicher Erfüllung, an einen anderen Rechtsträger veräußert, vgl. oben Rz. 758. M.E. wird der Anfall der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 3) GrEStG durch die Veräußerung als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO beseitigt, ohne dass ein Antrag nach § 16 GrEStG gestellt werden muss. 5 Vgl. BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357, Rz. 16: „Auch aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist eine weite Auslegung nicht zu erschließen. Der dort verwendete Begriff der Vereinigung aller Anteile kann vor dem Hintergrund der Nr. 1 interpretiert werden. Es ist nur die Vereinigung durch Übertragung von Anteilen gemeint“. 6 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 7 So auch gleichlautende Ländererlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074, Rz. 3.2.2.1. Daran ändert auch BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412, nichts, zumal die diese Entscheidung tragende Erwägung, die mittelbare Anteilszurechnung auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu stützen, vom BFH nicht erneut zur Anwendung gebracht worden ist; zu BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17 vgl. Behrens, BB 2019, 1369.

296

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 773 § 1

teilen ergangenen BFH-Urteil vom 10.8.1988 (II R 193/85)1 zu folgern, dass das BFH-Urteil II R 117/78 überholt und deshalb § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht mehr vor dem Hintergrund der Nr. 1 auszulegen sei, überzeugt nicht. Denn aus den Entscheidungsgründen des BFH-Urteils II R 193/85 ergibt sich diese Schlussfolgerung nicht2. 2. Erwerb eigener Anteile Erwirbt eine Kapitalgesellschaft von den (Minderheits-)Gesellschaftern deren Anteile, so dass der bis- 771 herige (Mehrheits-)Gesellschafter als alleinige Gesellschafter verbleibt, wird nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfüllt. Für § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG muss das Rechtsgeschäft, dass die Anteilsvereinigung herbeiführt, zu keiner Erhöhung des Anteilsbestandes bei demjenigen führen, in dessen Hand alle Anteile vereinigt werden3. Diese Sichtweise ist m.E. vor dem Hintergrund des zivilrechtlichen Verständnisses der Tatbestands- (nicht der Rechtsfolgen-)Ebene abzulehnen4; die Praxis muss sich aber dennoch auf sie einstellen. 3. Einziehung von Anteilen Nach der BFH-Rechtsprechung5 tritt eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG auch dann ein, wenn Anteile durch Einziehung untergehen und sich die verbleibenden Anteile in einer Hand befinden. Ein schuldrechtliches Geschäft auf Übertragung von Anteilen i.S.v. Nr. 1 liegt bei der Einziehung von Anteilen nicht vor. Das Erfordernis, dass eine rechtliche Vereinigung durch einen Rechtsvorgang eintritt, werde durch die Einziehung von Anteilen erfüllt. Denn die Einziehung sei ein einseitiges Rechtsgeschäft der Gesellschaft. Eine Erhöhung des Anteilsbestandes bei demjenigen, in dessen Hand alle Anteile vereinigt werden, sei nicht erforderlich. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfordere keinen Übergang des letzten Anteils zwischen verschiedenen Rechtsträgern. Anderenfalls führte die sehr viel stärker wirkende Anteilsvereinigung durch die Einziehung nicht zur Grunderwerbsteuer, wohl aber der Erwerb von Anteilen, die als solche weiter bestehen, hinsichtlich derer lediglich die Mitgliedschaftsrechte ruhen, durch eine Kapitalgesellschaft. Durch die Einziehung gehen die eingezogenen Anteile unter. Zugleich tritt eine entsprechende prozentuale Veränderung hinsichtlich der Gesellschafterstellung der übrigen Gesellschafter ein. Ihre vermögensrechtliche Stellung im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen wird erweitert. M.E. kann § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG durch die Einziehung von Anteilen nicht verwirklicht werden; die Praxis hat allerdings die BFH-Rechtsprechung zu beachten.

772

4. Anteilsvereinigung durch Anteilserwerb von Todes wegen und durch Schenkungen § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG kann durch den Übergang eines Anteils von Todes wegen und durch Schen- 773 kungen verwirklicht werden6. In den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 2 (und auch Nr. 1) GrEStG findet die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG insoweit Anwendung, als die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf Anteilserwerben von Todes wegen bzw. auf Anteilsschenkungen zurück zu führen ist7. Denn § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG hat den Zweck, die doppelte Belastung eines Lebenssachverhalts mit Grunderwerb- und Erbschaft-/Schenkungsteuer zu vermei1 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959, vgl. oben Rz. 710. 2 Vgl. oben Rz. 710. Wie hier auch Hessisches FG v. 30.9.2020 – 5 K 2390/17, EFG 2021, 303; gegen dieses Urteil ist die Revision anhängig, Az. II R 33/20. 3 Vgl. RFH v. 9.2.1932 – II A 618/31, RFHE 30, 199; BFH v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553. 4 Vgl. dazu Rz. 752, Rz. 768. 5 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959; vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1054. Vgl. Rz. 710. 6 Vgl. BFH v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785. 7 Vgl. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793: Änderung der Rechtsprechung, vgl. zuvor die Anwendung von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG abl. BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424; v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785. Die personenbezogenen Befreiungen nach § 3 Abs. 4 Nr. 6 GrEStG sind demgegenüber nach Ansicht von BFH und Finanzverwaltung in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG nicht anwendbar; BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424; v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785; vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773.

Behrens

297

§ 1 Rz. 773 Erwerbsvorgänge den1. Im Urteil v. 15.10.20142 geht der BFH – anders als noch im BFH-Urteil v. 23.5.20123 – davon aus, dass im Falle einer Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aufgrund von mehreren zeitlich gestreckten – teils entgeltlichen und teils unentgeltlichen – Übertragungen bei der Ermittlung der Steuerbegünstigung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht nur die Änderungen des Grundstücksbestandes, sondern auch die Wertveränderungen der Grundstücke zu berücksichtigen seien4. Die Höhe der Steuerbegünstigung sei abhängig vom jeweiligen Verkehrswert des Grundbesitzes der Gesellschaft zum Zeitpunkt des jeweiligen Anteilserwerbs zu ermitteln5. 774

Beispiel: Anteilsvereinigung i.H.v. 100 % an grundbesitzender Kapitalgesellschaft in zwei Rechtsakten, beide unentgeltlich Der Vater ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt zunächst nur über ein Grundstück. Mit Vertrag vom 1.9.2008 überträgt der Vater unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil i.H.v. 45 % auf seinen Sohn. Die GmbH erwirbt ein zweites Grundstück. Am 1.10.2021 stirbt der Vater. Seine restliche Beteiligung i.H.v. 55 % geht von Todes wegen auf seinen Sohn als Alleinerbe über.

Unentgeltliche Übertragung von 45 % am 1.9.2008 Vater

45 %

Sohn

Vater

Sohn

55 %

45 %

Übergang von 55 % von Todes wegen am 1.10.2021 Vater 55 %

55 %

Sohn 45 %

100 %

100 %

V-GmbH

V-GmbH

1

1

Anschaffung 01.01.90

Sohn

V-GmbH

V-GmbH

1

1

2

2

Anschaffung 01.01.12

775

Durch den Anteilsübergang von Todes wegen wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht. Der Umfang der Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG hängt nicht nur vom letzten, den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG verwirklichenden Anteilserwerb ab, sondern davon, inwieweit die Anteile in der Hand des Erwerbers diesem insgesamt freigebig oder von Todes wegen zugewendet worden sind6. Diese Anteilsvereinigung beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Nach dem gleichlautenden Ländererlass vom 19.9.20187 ist wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke wie folgt zu differenzieren:

776

– Grundstück 1: Die Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist in voller Höhe zu gewähren. Denn dieses Grundstück war sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch im Zeitpunkt des tatbestandsauslösenden Erwerbs von Todes wegen der Gesellschaft zuzurechnen. 1 Ebenso die Finanzverwaltung, vgl. gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773. 2 Vgl. BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 3 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 4 So auch die OFD NRW v. 23.1.2019 – S 4501-2014/4025-St 255, FMNR18e380019, juris. 5 Vgl. die „rein vorsorglichen und allein aus prozesswirtschaftlichen Gründen erfolgten“ Ausführungen des BFH im Urteil v. 15.10.2014 – II R 14/14, AO-StB 2015, 64, Rz. 32 ff. 6 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 186 b: „Denn die früher erworbenen Anteile blieben weiterhin damit belastet, dass ihr Erwerb der Schenkungsteuer unterlag“; ebenso BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 7 Vgl. BStBl. I 2018, 1069.

298

Behrens

Rz. 777 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

– Grundstück 2: Dieses Grundstück war der Gesellschaft erst zum Zeitpunkt des tatbestandsauslösenden Erwerbs von Todes wegen zuzurechnen. Nach dem Ländererlass vom 19.9.2018 ist der Vorgang deshalb nur i.H.v. 55 % von der Grunderwerbsteuer befreit. Nach Auffassung der Finanzverwaltung scheidet eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG aus; dies entspricht der BFH-Rechtsprechung1. Die von der Finanzverwaltung und vom BFH vertretene Ansicht, dass die personenbezogenen Befreiungsvorschriften, u.a. § 3 Nr. 6 GrEStG, in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften nicht anwendbar seien, ist abzulehnen. Dass zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Anteilserwerber kein Verwandtschaftsverhältnis bestehen kann, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass – in Bezug auf § 3 Nr. 6 GrEStG – Grunderwerbsteuer durch die Übertragung von Anteilen durch einen in gerader Linie Verwandten i.S.v. § 1589 Satz 1 BGB ausgelöst worden ist. Für die (im oben genannten Beispiel nicht einschlägige) Befreiung i.S.v. § 3 Nr. 4 GrEStG gilt dies entsprechend. Beispiel: Anteilsvereinigung i.H.v. 100 % in zwei Rechtsakten, beide unentgeltlich an grundbesitzende Personengesellschaft Der Vater ist ursprünglich alleiniger Kommanditist der Grundstücks-KG und zudem Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH, die als Komplementärin vermögensmäßig zu 0 % an der Grundstücks-KG beteiligt ist. Zum Vermögen der Grundstücks-KG gehören die folgenden Grundstücke: – Grundstück 1, angeschafft am 1.1.1990, und – Grundstück 2, angeschafft am 1.1.2014. Am 1.9.2008 überträgt der Vater im Wege der Schenkung eine 45%ige Kommanditbeteiligung auf seinen Sohn. Am 1.10.17 stirbt er. Der restliche 55%igen Kommanditanteil geht von Todes wegen auf seinen Sohn als Alleinerben über.

Unentgeltliche Übertragung von 45 % am 1.9.08

Vater

45 %

Sohn

Vater

Unentgeltlicher Übergang der weiteren 55 % von Todes wegen am 1.10.17 Sohn

100 %

100 %

Kompl.GmbH

100 %

Kompl.GmbH

0%

KG

KG

1

1

Anschaffung 01.01.90

Sohn

55 %

Kompl.GmbH 0%

Sohn

100 %

55 %

100 %

55 %

Vater

Kompl.GmbH 0%

0% 45 %

45 %

KG

1

2

100 %

KG

1

2

Anschaffung 01.01.14

1 Vgl. Leitsatz 2 des BFH-Urteils v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793: Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG scheide für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus; denn diese Vorschrift sei eine personenbezogene Steuerbefreiung, weil sie auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abstellt. Zwischen der Kapitalgesellschaft und demjenigen, der mind. 95 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft hält, könne kein Verwandtschaftsverhältnis i.S.v. § 1589 Satz 1 BGB bestehen. Ebenso gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773, Anm. 1. Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 186 b. A.A. Freiherr von Proff zu Irrnich, DB 2007, 2616 (2619): Für die Anwendung von § 3 GrEStG in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG sei nicht auf die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen abzustellen.

Behrens

299

777

§ 1 Rz. 778 Erwerbsvorgänge 778

Für die Anwendung von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist wegen der unterschiedlichen Anteilsübergangszeitpunkte für die beiden Grundstücke zu differenzieren: – Grundstück 1: Auf Grundlage des Ländererlasses vom 19.9.2018 wird die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer i.H.v. 100 % nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht erhoben, weil das Grundstück 1 bei beiden Anteilsübergängen zum Vermögen der KG gehörte. Außerdem sind sowohl nach Verwaltungsansicht als auch nach der Rechtsprechung des BFH für Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG bei Personengesellschaften die personenbezogenen Befreiungsvorschriften zu beachten. Denn Personengesellschaften seien weder zivilrechtlich noch grunderwerbsteuerrechtlich (vgl. §§ 5, 6 GrEStG) uneingeschränkt als selbständig anzusehen. Eigentümer des Vermögens einer Personengesellschaft seien die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaften – d.h. die (angebliche) dingliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens einer Personengesellschaft zu ihren Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit1 – rechtfertige es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d.h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen2. Auch gem. § 3 Nr. 6 GrEStG ist daher die am 1.10.2021 verwirklichte Anteilsvereinigung insgesamt von der Grunderwerbsteuer befreit. Ob sich diese Sichtweise ab 1.1.2024 mit Inkrafttreten des MoPeG ändert, ist noch nicht geklärt. – Grundstück 2: Auf Grundlage des Erlasses vom 19.9.2018 wird die Finanzverwaltung die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in Bezug auf das Grundstück 2 nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur zu 55 % freistellen. Allerdings ergibt sich in Bezug auf das Grundstück 2 die vollständige Grunderwerbsteuer-Befreiung aus § 3 Nr. 6 GrEStG.

779

In Höhe von 45 % greift in Bezug auf beide Grundstücke zudem die Nichterhebungs-Vorschrift nach § 6 Abs. 2 GrEStG. Bei Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG wird für Zwecke der Grunderwerbsteuer fingiert, dass die Gesellschaft das Gesellschaftsgrundstück auf den Gesellschafter überträgt, in dessen Hand die Anteilsvereinigung eintritt. Im Falle der Übertragung eines Grundstücks aus dem Gesamthandsvermögen auf einen Gesamthänder wird die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2, Abs. 4 GrEStG in Höhe der Quote der Beteiligung des Gesamthänders an der Gesamthand nicht erhoben, vorausgesetzt, der Gesamthänder hat seinen Gesamthandsanteil nicht erst innerhalb der letzten fünf bzw. fünfzehn Jahre (nach Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand) durch Rechtsgeschäft unter Lebenden nicht-grunderwerbsteuerbar begründet oder erhöht. Vorliegend ist der Sohn am 1.10.2017 bereits mehr als fünf Jahre i.H.v. 45 % an der KG beteiligt. In Bezug auf das Grundstück 2 kommt hilfsweise hinzu, dass der Sohn seit Anschaffung des Grundstücks 2 durch die KG i.H.v. 45 % gesamthänderisch am Vermögen der KG beteiligt gewesen ist3. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG setzt für die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG für nach dem 30.6.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG im Grundsatz voraus, dass der Steuerpflichtige den Anteil, in dessen Höhe die Nicht-Erhebung nach § 6 Abs. 2 GrEStG begehrt wird, seit mindestens 15 Jahren hält. Die 15-jährige Mindest-Vorbehalte-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG ist im obigen Beispiel in Bezug auf das Grundstück 1 am 1.10.2021 zwar noch nicht abgelaufen. Jedoch war am 30.6.2021 die fünfjährige Mindest-Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. bereits abgelaufen, so dass die Frist von 15 Jahren i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F. im obigen Beispiel gem. § 23 Abs. 24 GrEStG nicht anwendbar ist. Die fünfjährige Mindest-Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. ist nicht vom Zeitpunkt der Verwirklichung von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG zurückzurechnen4, sondern vom Zeitpunkt des Erwerbs des 45 %-Anteils am 1.9.2008 (so dass die Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. spätestens am 2.9.2008 ablief). Die Befreiung i.H.v. 45 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG gilt daher für beide Grundstücke.

1 Vgl. Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 186 a. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773, Rz. 3. 3 Zur teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG, wenn die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand seit dem Erwerb des Grundstücks durch diese unverändert geblieben sind, vgl. BFH v. 25.8.2020 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162; z.B. Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 91 m.w.N. 4 So nach meinem Verständnis auch gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 14.

300

Behrens

Rz. 783 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

5. Anteilsvereinigung durch Übergang von Anteilen im Wege übertragender oder quotenverschiebender formwechselnder Umwandlungen Auch der Übergang von Gesellschaftsanteilen im Wege übertragender oder quotenverschiebender formwechselnder Umwandlungen kann zur Verwirklichung der sog. Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führen. Dabei kann es sich um Umwandlungen nach dem deutschen UmwG handeln, aber auch z.B. nach Kirchenrecht1.

780

Vor Durchführung von Anteilsübergängen (z.B. durch Verschmelzung), die zur Vereinigung von min- 781 destens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2 95 %) der Anteile an einer Ober-Gesellschaft in einer Hand führen werden, kommt es in Betracht, zuvor mindestens 90%ige Beteiligungen der Ober-Gesellschaft an Tochtergesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, durch Veräußerung von Anteilen an den grundbesitzenden Gesellschaften an Dritte auf unter 90 % zu reduzieren. Beispiel: A und B halten jeweils 50 % an einer AG, die Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG ist. B soll auf A verschmolzen werden, was zur Vereinigung aller Anteile an der AG in der Hand des A führen würde. Vor Eintragung der Verschmelzung von B auf A im Handelsregister von A überträgt die AG einen 11%igen Kommanditanteil an der grundbesitzenden KG auf den bisher nicht beteiligten C. Erst nach dinglichem Übergang der 11%igen Kommanditbeteiligung auf C wird die Verschmelzung von B auf A im Handelsregister von A eingetragen.

782

2

A

B 50 % AG 1

B 50 %

50 %

100 % Kompl.GmbH

A 50 %

100 %

AG

C

Kompl.GmbH

KG

C

100 % 89 % 11 %

0%

0%

AG

C

100 %

100 %

A

89 %

Kompl.GmbH

11 %

0% KG

KG

Zeitpunkt der etwaigen Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des A3. Wenn in diesem Zeitpunkt die AG dinglich nur noch eine 89%ige Kommanditbeteiligung hält, weil eine Kommanditbeteiligung i.H.v. 11 % zuvor dinglich 1 Zu einem Fall der Anteilsvereinigung durch Anteilsübertragung infolge Zusammenlegung mehrerer katholischer Kirchengemeinden gem. can. 515 § 2 Codex luris Cononici, CIC, vgl. FG Münster v. 7.6.2017 – 8 K 3992/14 GrE, EFG 2017, 1286. Vgl. auch BFH v. 4.3.2017 – II R 35/17, BStBl. II 2020, 514, in dem allerdings über die Frage, ob die Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden zu einer neuen Gemeinde gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG Steuer auslöst, wenn zum Vermögen der Kirchengemeinden Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft gehören und die neue Gemeinde infolge der Zusammenlegung und Aufhebung der alten Gemeinden sämtliche Anteile an dieser Kapitalgesellschaft erwirbt, wegen der Angabe eines unzutreffenden Steuerstichtags im Feststellungsbescheid nicht mehr zu entscheiden war. 2 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 3 Gemäß § 20 UmwG ist die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers entscheidend.

Behrens

301

783

§ 1 Rz. 783 Erwerbsvorgänge wirksam auf C übergegangen ist, löst die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister keine Grunderwerbsteuer aus. Nicht geklärt ist, ob es für diese Rechtsfolge ausreicht, dass C bereits einen unbedingt wirksam gewordenen Anspruch auf Übertragung der 11%igen Kommanditbeteiligung gegenüber der AG erlangt hat; nach hier vertretener Ansicht reicht die unbedingt wirksame Verpflichtung zur Übertragung der 11%igen Kommanditbeteiligung auf C aus, weil auch im Falle der Grundstücksveräußerung die unbedingt wirksame Verpflichtung zur Übereignung ausreicht, damit das Grundstück nicht mehr für Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft gehört1. Dafür, die Zugehörigkeit von inländischen Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft und von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften zum Vermögen der Gesellschaft nach unterschiedlichen Kriterien zu beurteilen, ist kein Grund ersichtlich. Höchstvorsorglich sollte in der Praxis dennoch darauf hingewirkt werden, dass die Eintragung der Verschmelzung erst nach dinglichem Übergang der 11%igen Kommanditbeteiligung erfolgt. 6. Keine Anteilsvereinigung durch quotenwahrenden Formwechsel 784

Demgegenüber scheidet die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG durch quotenwahrenden Formwechsel aus2. Die Beteiligungsquoten bleiben unverändert, weshalb kein Anteilsübergang und auch keine sonstige Bewegung von Anteilen ausgelöst worden ist. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist nicht erfüllt, wenn sich eine Beteiligung im Rahmen einer Umwandlung nur qualitativ verändert3. Keine Steuer fällt daher an beim quotenwahrenden Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft4, auch wenn die sog. Pro-Kopf-Betrachtung – wie von den obersten Finanzbehörden der Länder in den Erlassen vom 29.6.2021 – entgegen der hier vertretenen Ansicht5 weiterhin für die Fallgruppe der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung betr. grundbesitzende Personengesellschaften weiterhin für maßgebend erachtet wird. Dasselbe gilt für den Formwechsel eines Vereins in eine GmbH.

785

Beispiel: Aus einem (ggf. gemeinnützigen) Verein sind alle Mitglieder bis auf eine Stiftung ausgeschieden. Bis zum Entzug der Rechtsfähigkeit durch das Amtsgericht kann der e.V. gem. § 73 BGB mit nur einem Mitglied fortbestehen. Gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1, § 272 UmwG wird der e.V. identitätswahrend in eine (ggf. ebenfalls gemeinnützige) GmbH umgewandelt.

Vorher:

Nachher

Stiftung

Stiftung 100 %

e.V.

GmbH

1 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402, Rz. 25. 2 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 172; Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (56); Jüptner, UVR 2009, 62. A.A. allerdings FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034, rkr., in einem Fall, in dem eine 0%ige OHG-Gesellschafterin mit Eintragung des Formwechsels der OHG in eine GmbH aus dieser Gesellschaft ausschied. 3 Vgl. Hofmann, UVR 2007, 222 (224). 4 Dazu, dass durch den heterogenen quotenwahrenden Formwechsel auch § 1 Abs. 3a nicht verwirklicht wird vgl. Rz. 935 ff. 5 Es ist m.E. nicht nachvollziehbar, warum es in den Fällen der mittelbaren Anteilsvereinigung über zwischengeschaltete Personengesellschaften auf eine mind. 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mind. 95%ige) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (oder mit den Worten des BFH am Gesellschaftskapital) der Personengesellschaft ankommen soll, im Falle der (teilweise) unmittelbaren Anteilsvereinigung aber noch weiterhin auf die dingliche Rechtsmacht des Gesellschafters. M.E. ist die sog. Pro-Kopf-Betrachtung vollständig aufzugeben. Vgl. Rz. 748, Rz. 750.

302

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 789 § 1

Die Eintragung der GmbH in das Handelsregister hat gem. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die Wirkung, dass die bisher als e.V. bestehende juristische Person in der Rechtsform der GmbH fortbesteht. Durch den Formwechsel wird die Mitgliedschaft im e.V. gem. § 280 Satz 1 UmwG zum Geschäftsanteil an der GmbH.

786

Vereine sind keine Gesellschaften, die Mitgliedschaft in einem Verein ist kein Anteil der Gesellschaft. 787 Eine nach § 1 Abs. 3 GrEStG (oder Abs. 3a) Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsvereinigung (d.h. eine Grunderwerbsteuer auslösende Vereinigung von mindestens 95 % der Vereinsmitgliedschaften) kommt, solange der e.V. besteht, nicht in Betracht. In Bezug auf die Anteile an einer grundbesitzenden GmbH ist die Verwirklichung von § 1 Abs. 3 (oder Abs. 3a) GrEStG im Grundsatz möglich. Dies gilt jedoch nicht für den Fall des quotenwahrenden Formwechsels eines e.V. in eine Gesellschaft. Ebenso wie der quotenwahrende Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft ist auch der Formwechsel eines e.V. mit nur einem Mitglied in eine Ein-Mann-GmbH nicht grunderwerbsteuerbar. Dass – anders als die Beteiligung an einer Personengesellschaft – die Mitgliedschaft in einem e.V. kein Anteil der Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis1. 7. Anteilsvereinigung durch Anwachsung Scheidet ein (oder mehrere) Gesellschafter aus einer fortbestehenden Personengesellschaft aus, wächst der Anteil des/der Ausscheidenden am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Sofern die verbliebenen Gesellschafter allesamt unmittelbar und/oder mittelbar vom selben Anteilseigner gehalten werden oder zum selben Organkreis gehören, löst dies die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG aus2. Die Grunderwerbsteuer entsteht im Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des Ausscheidens des Gesellschafters. Bei Ausscheiden aller bis auf einen Personengesellschafter aus der grundbesitzenden Personengesellschaft wird demgegenüber nicht § 1 Abs. 3 GrEStG, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht (vgl. Rz. 686).

788

VI. Rechtsgeschäftlicher Anspruch auf Übertragung bereits vereinigter Anteile (Nr. 3) 1. Besteuerung der Begründung des Anspruchs auf Übertragung bereits zu 90 % oder mehr vereinigter Anteile Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt, außerdem ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft begründet. § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG erfassen die Fälle des Übergangs bereits zu mindestens 90 % vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfasst nur die Begründung rechtsgeschäftlicher Anteilsübertragungsansprüche, nicht die Abtretung bzw. die Verpflichtung zur Abtretung bereits bestehender Anteilsübertragungsansprüche3. Die subsidiäre Fortgeltung der 95%igen Beteiligungsschwelle gem. § 23 Abs. 21 GrEStG hat für die Tatbestände in § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG keine Bedeutung, weil es in diesen Fallkonstellationen ausgeschlossen ist, dass der Anteilserwerber am 30.06./1.7.2021 bereits mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % in seiner Hand vereinigt hatte und anschließend die Quote seiner Beteiligung auf 95 % oder mehr aufstockt4.

1 Vgl. auch Behrens/Seemaier, UVR 2018, 85 (90). 2 Vgl. BFH v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358, Rz. 11 mit dem Hinw. darauf, dass ein Anspruch auf Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft nur begründet wird, wenn die Übertragung der Beteiligung eines Gesellschafters an der Personengesellschaft auf einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vereinbart wird, unter Hinw. auf das BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. 3 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 20016, 748. Vgl. unten Rz. 801 f. 4 Vgl. auch Rz. 681.

Behrens

303

789

§ 1 Rz. 790 Erwerbsvorgänge 2. Keine Anteilsvereinigung im Organkreis nach Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 790

Der Übergang zu mindestens 90 % bereits vereinigter Anteile auf ein herrschendes und ein oder mehrere von diesem abhängigen Unternehmen oder auf zwei oder mehrere vom selben herrschenden Unternehmen abhängige Unternehmen allein erfüllen den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG nicht1. 3. Auswirkungen der Fiktion des Übergangs unmittelbar des Gesellschaftsgrundstücks auf Befreiungen und Steuerschuldnerschaft

791

Den Tatbeständen von § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG liegt ein fingierter Grundstückserwerb von dem die zu mindestens 90 % bereits vereinigten Anteile übertragenden Gesellschafter auf den diese bereits vereinigten Anteile erwerbenden Gesellschafter zugrunde2. Grunderwerbsteuerrechtlich wird deshalb der Übergang der zu mindestens 90 % bereits vereinigten Anteile von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger wie eine Veräußerung des Grundstücks selbst behandelt. Deshalb bleibt die Steuer, wenn der mindestens 90%ige Gesellschafter einer grundbesitzenden Gesellschaft seine mindestens 90%ige Beteiligung in eine Personengesellschaft einbringt oder an diese veräußert, an der er vermögensmäßig zu 100 % beteiligt ist, die dadurch nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 (oder Nr. 4) GrEStG anfallende Steuer i.H.v. 100 % gem. § 5 Abs. 2 GrEStG unerhoben, vorausgesetzt, er behält seine 100%ige Beteiligung an der Personengesellschaft für fünf bzw. – wenn der Erwerbsvorgang der Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand nach dem 30.6.2021 verwirklicht wird3 – für zehn Jahre aufrecht (vgl. § 5 Abs. 3 GrEStG). Der Sachverhalt ist so zu besteuern, als hätte der Gesamthänder unmittelbar das Gesellschaftsgrundstück auf die Gesamthand übertragen4. Bedeutung hat die Fiktion der Übertragung unmittelbar des Gesellschaftsgrundstücks auch für die Anwendung der Befreiungsvorschriften in § 3 Nr. 4, Nr. 6 GrEStG und für die Steuerschuldnerschaft entsprechend § 13 Nr. 1 GrEStG. In den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG sind sowohl die sachlichen Befreiungen nach § 3 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG als auch die personenbezogenen Befreiungen nach § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG anwendbar5.

792

Beispiel: Unentgeltlicher Übergang vereinigter Anteile i.H.v. 100 % Der Vater ist bisher 99%iger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Den restlichen Anteil i.H.v. 1 % hält sein Sohn, der sog. Altgesellschafter der V-GmbH ist. Zum Vermögen der V-GmbH gehören die folgenden Grundstücke: – Grundstück 1, angeschafft am 1.1.1990, und – Grundstück 2, angeschafft am 1.1.2012. Am 1.9.2021 überträgt der Vater 95 % der Anteile an der V-GmbH unentgeltlich im Wege einer Schenkung auf seinen Sohn, d.h. der Vater bleibt zu 4 % an der V-GmbH beteiligt, der Sohn hält 96 %.

1 Vgl. Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1762. 2 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. 3 Vgl. § 23 Abs. 18 GrEStG. Dazu, dass § 5 Abs. 3 GrEStG n.F. (Zehn-Jahres-Frist) gem. § 23 Abs. 18 GrEStG nicht anwendbar ist, wenn der Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 verwirklicht wurde, und dass der Anwendungsbereich von § 23 Abs. 24 GrEStG in diesen Fällen insgesamt nicht eröffnet ist, auch wenn der Erwerbsvorgang nach dem 30.6.2016 verwirklicht worden war, vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2021, 348. 4 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. 5 Vgl. z.B. Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 186c. Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch bereits die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773.

304

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Vater

Schenkweise Übertragung eines 95 %igen Anteils an V-GmbH am 1.9.2017 99 % − 95 % = 4%

Rz. 796 § 1

Sohn

1% + 95 % = 96 % V-GmbH

1

2

Anschaffung Anschaffung 1.1.1990 1.1.2012

Durch die Anteilsübertragung am 1.9.2021 kommt es zur Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG beim Sohn. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine Doppelbelastung nur i.H.v. 95 % vor, weil schenkweise nur 95 % der Anteile übertragen worden seien. Die Finanzverwaltung will daher die Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur i.H.v. 95 % gewähren1. Jedoch ist die Befreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG in voller Höhe einschlägig, d.h. auch nach Verwaltungsansicht kommt es im Beispielsfall wegen § 3 Nr. 6 GrEStG zu keiner Grunderwerbsteuer-Festsetzung. Auf die Zeitpunkte der Anschaffung der Grundstücke kommt es nicht an. Insoweit ist maßgebend, dass sie im Zeitpunkt der Steuerentstehung infolge Anteilsvereinigung zum Vermögen der V-GmbH gehören.

793

M.E. ist der Nicht-Anwendung von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auf 5 % der Bemessungsgrundlage zu wi- 794 dersprechen. Würde der Vater anschließend auch den zunächst zurückbehaltenen 4%igen Anteil schenkweise auf seinen Sohn übertragen, käme es auf Grundlage der Verwaltungsansicht zur Doppelbesteuerung sowohl mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer als auch mit Grunderwerbsteuer, was § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG jedoch gerade verhindern will2. Darauf, ob die GmbH, an der die Anteile bestehen, die schenkweise übertragen werden, Darlehens- 795 oder sonstige Schulden hat, kommt es nach meiner Meinung nicht an3. Es erfolgt keine „Durchschau“ durch die GmbH. Im von Ihnen gebildeten Fall übernimmt die Stiftung keine Schulden von der GmbH. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG knüpft für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer daran an, was Inhalt des Schenkungsteuer-Tatbestands ist, d.h. hier die (vollumfängliche) Anteilsschenkung. In den einschlägigen BFH-Urteilen zur Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG auf § 1 Abs. 3 GrEStG im Falle von Anteilsschenkungen4 spielt es nach meinem Verständnis auch für den BFH keine Rolle, ob/in welcher Höhe die Grundstücke der Gesellschaft fremdfinanziert sind. § 5 Abs. 2 GrEStG ist nicht anwendbar, wenn zwei oder mehr Gesellschafter einer grundbesitzenden Gesellschaft insgesamt mindestens 90 % der Anteile auf eine Personengesellschaft übertragen, ohne dass ein einzelner Gesellschafter einen mindestens 90%igen Anteil überträgt. Denn dann fällt Steuer nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG an, sondern nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG. In den Fällen der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG scheidet die Fiktion der Übertragung des Gesellschaftsgrundstücks unmittelbar vom Anteilsveräußerer auf den Anteilserwerber und damit auch die entsprechende Anwendung von § 5 Abs. 2 GrEStG aus5. 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773, Rz. 5. 2 Ebenso Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 40. Auf Grundlage der Verwaltungsansicht müsste im Zeitpunkt der späteren Schenkung der restlichen 5 % ein für die Grunderwerbsteuer rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO angenommen werden, das dazu führt, dass die GrESt-Befreiung nachträglich in voller Höhe zu gewähren ist. 3 A.A. Heine, UVR 2020, 122 (123). 4 Vgl. z.B. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 5 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544, Rz. 22. Zur Anteilsübertragung infolge Umsetzung eines Stiftungsgeschäfts vgl. Wachter, DStR 2012, 1900 (1902); BFH v. 27.11.2013 – II R 11/12, MittBayNot 2015, 173.

Behrens

305

796

§ 1 Rz. 797 Erwerbsvorgänge

VII. Übertragung bereits vereinigter Anteile ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Rechtsgeschäft (Nr. 4) 1. Subsidiarität von Nr. 4 gegenüber Nr. 3 797

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 2b nicht in Betracht kommt, außerdem der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. Nr. 3 vorausgegangen ist.

798

In Bezug auf die Subsidiarität von Nr. 4 gegenüber Nr. 3 und auf das voraus gegangene schuldrechtliche Geschäft i.S.d. Nr. 3 sowie auf das Verhältnis zwischen Nr. 3 und Nr. 4 gelten die Ausführungen zum selben Tatbestandsmerkmal in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG entsprechend (vgl. Rz. 767 bis 788). 2. Wenn kein Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 3 vorausgegangen ist

799

Die Vorschrift ist in ihrem „wenn“-Halbsatz passivisch formuliert. Der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG ist nicht erfüllt, „wenn ein schuldrechtliches Geschäft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist“, unabhängig davon, ob die Anteilserwerberin selbst an diesem vorausgegangen schuldrechtlichen Geschäft als Vertragspartei beteiligt gewesen ist. Hätte der Gesetzgeber die Identität der Beteiligten am vorausgegangenen schuldrechtlichen Rechtsgeschäft einerseits und am dinglichen Erfüllungsgeschäft andererseits als Voraussetzung für die Nichtbesteuerung der dinglichen Erfüllung nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG verlangen wollen, hätte er den Wortlaut des „wenn“-Halbsatzes anders formuliert. Die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG scheidet mithin aus, wenn die dingliche Übertragung der Rechtsinhaberschaft an den Anteilen der Erfüllung des aus dem vorausgegangenen schuldrechtlichen Rechtsgeschäft resultierenden Anteilsübertragungsanspruchs dient1. 3. Fiktion des Übergangs des Gesellschaftsgrundstücks vom Anteilsveräußerer auf den Anteilserwerber

800

Ebenso wie § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingiert Nr. 4 auf der Rechtsfolgenseite den Übergang unmittelbar des Gesellschaftsgrundstücks vom die zu mindestens 90 % bereits vereinigten Anteile übertragenden Rechtsträger auf den diese Anteile erwerbenden Rechtsträger. Dementsprechend richtet sich die Steuerschuldnerschaft nach § 13 Nr. 1 GrEStG. Auch für die Anwendung von Befreiungsvorschriften ist diese Fiktion maßgeblich.

VIII. Unanwendbarkeit bei anteilsbezogenen Zwischengeschäften 801

Während die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG geregelten Tatbestände unmittelbar auf inländische Grundstücke bezogene Zwischengeschäfte (einschließlich der Übernahme eines noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrags durch einen neuen Käufer)2 der Grunderwerbsteuer unterwerfen, ent-

1 So auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 136. Ähnlich in Bezug auf das Verhältnis zwischen Nr. 1 einerseits und Nr. 2, Nr. 3 von § 1 Abs. 1 GrEStG andererseits FG Bremen v. 11.6.2003 – 2 K 639/02 (01), EFG 2003, 1324, Leitsatz: „Wird die Auflassung nicht zwischen den Vertragsparteien des nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG besteuerten Verpflichtungsgeschäfts, sondern zwischen dem Veräußerer und einem Dritten erklärt, auf den der Übereignungsanspruch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergangen ist, unterliegt der Rechtsvorgang weder der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG noch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG.“ Vgl. auch BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748; dazu Rz. 984 ff. 2 Vgl. BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526, Leitsatz: „Tritt ein Dritter durch eine Vertragsübernahme als neuer Käufer in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, verwirklicht sich ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG. Dieser schließt bezüglich des nämlichen Grundstücks einen Rechtsträgerwechsel vom Verkäufer auf den neuen Käufer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (Aufgabe der Rechtsprechung im Urteil des BFH v. 26.9.1990 – II R 107/87, BFH/NV 1991, 482).“

306

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 804 § 1

hält das GrEStG keine Vorschriften, wonach auch Zwischengeschäfte1 Grunderwerbsteuer auslösen, die sich auf Anteile an Gesellschaften beziehen, zu deren Vermögen Grundstücke gehören2. Zwar hatte das FG Köln mit Urteil V K 235/11 vom 26.3.20143 für das Streitjahr 2006 noch die Auf- 802 fassung vertreten, dass beim derivativen Anteilserwerb durch einen Dritten infolge der Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft zweimal Grunderwerbsteuer anfällt, und zwar zunächst gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auf den Abschluss des ursprünglichen Anteilskaufvertrags sowie anschließend nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf die dingliche Übertragung der Rechtsinhaberschaft an den Anteilen durch den Anteilsverkäufer auf den vom Anteilskäufer benannten Dritten. Jedoch hat der BFH dieses FG-Urteil aufgehoben4, so dass eine höchstgerichtliche Klärung der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG auf anteilsbezogene Zwischengeschäfte, die der vom BFH beurteilten Fallkonstellation entsprechen, erfolgt ist5. Für die Rechtslage ab 1.7.2021 gilt nichts anderes.

IX. Verkürzung von Beteiligungsketten 1. Grundsätze Weil dem über eine oder mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften mittelbar zu mindestens 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafter die Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft auch über mehrere Beteiligungsstufen zugerechnet wird6, löst die Beteiligungskettenverkürzung keine Steuer aus. Dabei ist die Zurechnung der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zum (mittelbaren) Gesellschafter für die Zwecke von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG davon unabhängig, – ob der Gesellschafter bei Herbeiführung der Zurechnung einen Rechtsvorgang verwirklicht hat, der einen in § 1 GrEStG geregelten Tatbestand erfüllte, so dass die erstmalige Zurechnung der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zum Gesellschafter bei diesem Grunderwerbsteuer ausgelöst hat, oder – ob die Herbeiführung dieser Zurechnung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst hat, z.B. – weil sie – ohne Zutun des Gesellschafters – auf einer Gesetzesänderung beruht oder – weil in dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft ein Grundstück erwirbt, der Gesellschafter bereits zu mindestens 90 % an ihr beteiligt ist.

803

Auf Grundlage der älteren BFH-Rechtsprechung war von der Zurechnung des Gesellschaftsgrund- 804 stücks auch über mehrere Beteiligungsstufen ausgegangen worden7. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung geht es bei § 1 Abs. 3 GrEStG jedoch um die Zurechnung von Zwischengesellschaften an der grundbesitzenden Gesellschaft gehaltener Beteiligungen zum zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 95 %) an der Zwischengesellschaft beteiligten Gesellschafter8. 1 Zum Beispiel Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung der bereits vereinigten Anteile an Grundstücks-Gesellschaften begründen, oder die den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Angebot zum Kauf der bereits vereinigten Anteile an einer Grundstücks-Gesellschaft begründen, sowie die dingliche Abtretung derartiger Rechte. 2 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 3 Vgl. FG Köln v. 26.3.2014 – 5 K 235/11, EFG 2014, 1501. 4 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 5 Zur Unanwendbarkeit von § 1 Abs. 3a GrEStG auf anteilsbezogene Zwischengeschäfte vgl. unten Rz. 984. 6 Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG geht es nach neuerer BFH-Rechtsprechung in mind. 90%igen (bis 30.6.2021 mind. 95%igen) nicht mehr um die Zurechnung des Grundstücks der untersten Gesellschaft zum Obergesellschafter, sondern um die Zurechnung der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zum Obergesellschafter, vgl. Rz. 804. Dies gilt m.E. unabhängig davon, ob die obere Gesellschaft in der Beteiligungskette die mindenstens 90 %ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %igen) Beteiligung an der unteren grundbesitzenden Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbar erworben hat, vgl. Rz. 714.2. 7 Vgl. z.B. BFH v. 21.9.2005 – II R 33/04, BFH/NV 2006, 609, Rz. 12; v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225, Rz. 16. 8 Vgl. Viskorf, DStR 2021, 74; Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677.

Behrens

307

§ 1 Rz. 805 Erwerbsvorgänge 805

Die Verstärkung einer schon bestehenden – teils unmittelbaren, teils mittelbaren – Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG löst nicht den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG aus. Dies gilt nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren, in dem die teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung eintrat, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke. In den gleichlautenden bzw. koordinierten Erlassen vom 2.12.19991 hat die Finanzverwaltung dies bestätigt. Die Finanzverwaltung erkennt an, dass es für die Zurechnung der in der Zwischenzeit erworbenen Grundstücke zum Gesellschafter irrelevant ist, ob die durch die vorausgegangene Anteilsvereinigung ausgelöste Zurechnung besteuert worden ist oder ob durch die Herbeiführung der Zurechnung keine steuerbaren Erwerbsvorgänge verwirklicht worden sind. Auch auf Grundlage einer Zurechnung von Zwischengesellschaften an der grundbesitzenden Gesellschaft gehaltener Beteiligungen zum zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 95 %) an der Zwischengesellschaft beteiligten Gesellschafter löst die Verstärkung einer schon bestehenden – teils unmittelbaren, teils mittelbaren – Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG keine Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG aus. 2. BFH-Rechtsprechung zur Verkürzung von Beteiligungsketten

806

Im Urteil II R 130/91 beurteilte der BFH den folgenden Sachverhalt (Streitjahr 1984)2: Seit Gründung der B-GmbH (bzw. seit ihrer Entstehung durch Formwechsel aus der B-KG) waren der Kläger und die Verwaltungsgesellschaft A-mbH jeweils hälftig an der B-GmbH beteiligt. Die Verwaltungsgesellschaft A-mbH übertrug ihren 50%igen-Geschäftsanteil an der B-GmbH auf den Kläger.

BFH-Urteil II R 130/91 vom 12.1.1994, BStBl. II 1994, 408: Nachher:

Vorher:

Kl.

Kl.

100 %

100 % Verw.-Ges. A-mbH 50 %

50 % B-GmbH

Diese Struktur besteht seit Gründung der B-GmbH (bzw. seit Entstehung der B-GmbH durch Formwechsel aus der B-KG).

807

Verw.-Ges. A-mbH

100 %

B-GmbH

BFH: § 1 Abs. 3 GrEStG

Der BFH entschied, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht worden sei. Er begründete dies wie folgt: „§ 1 Abs. 3 GrEStG 1983 behandelt den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. … . Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den – mit Senatsurteil vom 20.10.1993 – II R 116/90 entschiedenen- Fall, dass die teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung durch eine grundsätzlich der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 1 Erlasse v. 2.12.1999, StEK § 1 GrEStG Nr. 141, Rz. 3. 2 BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408.

308

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 810 § 1

2 GrEStG 1983 unterliegende Anteilsübertragung entstanden ist, sondern auch dann, wenn -wie im Streitfall- dieses Beteiligungsverhältnis von Anfang an, d.h. seit Gründung der Gesellschaft, besteht. Auch in diesem Fall sind die Gesellschaftsgrundstücke dem Inhaber der Anteile bereits vorher grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen. Auch in diesem Fall bewirkt die zivilrechtliche unmittelbare Vereinigung aller Anteile keine grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Verstärkung seiner Position in Bezug auf diese Gesellschaft mehr. Auch bei dieser Ausgangskonstellation wird daher durch die nachfolgende unmittelbare Anteilsvereinigung der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 nicht mehr verwirklicht. …“. (Hervorhebung durch Verf.) Der Erwerb der zunächst von der Verw.Ges. A-mbH gehaltenen 50 %-Beteiligung durch Kl. löste mit- 808 hin keine Grunderwerbsteuer wegen Anteilsvereinigung aus, obwohl die Herbeiführung des Zustandes der Zurechnung der 50%igen Beteiligung an der B-GmbH zum Kl. ebenfalls auf Ebene des Kl. nicht der Grunderwerbsteuer unterlegen hatte. Auch in dem vom BFH mit Urteil vom 20.10.19931 entschiedenen Fall war der erstmalige Eintritt der Anteilsvereinigung nicht der Grunderwerbsteuer unterworfen worden. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der ursprüngliche Alleingesellschafter 49,995 % der Aktien an der grundbesitzenden A-AG unmittelbar an den Kläger und 50,005 % der Aktien an dieser AG an die zu 100 % vom Kläger gehaltene B-GmbH verkauft, ohne das Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde. Durch Vertrag vom 10.12.1985 übertrug dann die B-GmbH ihre Aktien (50,005 %) auf den Kläger, so dass sich die Beteiligung des Klägers an der A-AG von 49,995 % auf 100 % erhöhte. Bereits vor 1985 hatte die A-AG weitere Grundstücke hinzuerworben. Sachverhalt des BFH-Urteils II R 116/90 vom 20.10.1993, BStBl. II 1994, 121:

809

Sachverhalt des BFH-Urteils II R 116/90 vom 20.10.1993, BStBl II 1994, 121: Ausgangsstruktur: A

Kl.

9.12.2001: 100 %

Kl. 100 %

100 % B-GmbH

1%

2006:

2002 – 2005: Kl.

Kl.

B-GmbH

B-GmbH

99 % 50,005 %

49,995 % A-AG

A-AG

1

1

A veräußert 49 % an Kl. und 50 % an die B-GmbH.

Es erfolgte keine Festsetzung von GrESt.

50,005 %

49,995 %

100 %

A-AG

V

1

2

2

Die A-AG erwirbt weitere Grundstücke hinzu.

A-AG 1

2

BFH: § 1 Abs. 3 GrEStG

Nach Auffassung des BFH löst die Übertragung des 50,005%igen Anteils der B-GmbH an der A-AG 810 auf den Kläger keine Grunderwerbsteuer aus. Der BFH begründet dies in Rz. 13 und Rz. 14 des Urteils II R 116/90 wie folgt2: Die zivilrechtliche (unmittelbare) Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft – wie hier in der Hand der Klägerin – bewirkt „keine grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Verstärkung seiner Position in Bezug auf diese Gesellschaft. Das gilt nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren, in dem die teils unmittelbare, teils durch die zu 100 v.H. beherrschte Gesellschaft vermittelte Anteilsvereinigung eintrat, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke. Denn wenn sich alle Anteile einer Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigt haben, so löst die nachfolgende Erfüllung der Tatbestände des § 1 1 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. 2 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121.

Behrens

309

§ 1 Rz. 810 Erwerbsvorgänge Abs. 1 bis 3 durch die Gesellschaft, deren Anteile vereinigt wurden, als Erwerberin zwar bei dieser Grunderwerbsteuer aus, nicht aber bei demjenigen, in dessen Hand ihre Anteile vereinigt sind. An der im Urteil des Senats vom 8.11.1978 – II R 82/73 (BFHE 126, 332 = BStBl. II 1979, 153) vertretenen Rechtsauffassung wird nicht mehr festgehalten.“ (Hervorhebung durch Verf.) 3. Die Verwaltungsansicht zur Verkürzung von Beteiligungsketten 811

In den gleichlautenden bzw. koordinierten Ländererlassen vom 2.12.19991, in denen die Finanzverwaltung die vom BFH in den zitierten Urteilen entwickelten Grundsätze übernimmt, wird dies anhand des folgenden (hier aufgrund des Inkrafttretens des GrEStÄndG am 1.7.2021 abgewandelten) Beispiels verdeutlicht:

812

Alleingesellschafterin der D-GmbH, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, ist die C-GmbH. Gesellschafter der C-GmbH sind A und B zu gleichen Anteilen. In 2000 erwirbt A 40 % der bisher von B gehaltenen Anteile an der C-GmbH. Damit werden 90 % der Anteile an der D-GmbH mittelbar (über die C-GmbH) in der Hand von A vereinigt. Anschließend erwirbt A 50 % der von C-GmbH gehaltenen Anteile an der D-GmbH. Erlass vom 2.12.1999, Tz. 3:

Erlass vom 2.12.1999, Tz. 3: A

B

50 %

50 %

C-GmbH

A

B

90 %

10 %

C-GmbH

100 %

813

B

90 %

D-GmbH

1

1



§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2

A

B

90 %

10 %

C-GmbH

100 %

D-GmbH

B verkauft 40 % an C-GmbH an A.

A

C-GmbH

100 %

50 %

D-GmbH

V

1

2

2

10 %

D-GmbH erwirbt ein weiteres Grundstück. Anschließend überträgt C-GmbH 50 % an D-GmbH auf A.

50 %

D-GmbH 1

2

§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 , und zwar auch hinsichtlich des zweiten Grundstücks.

Die Finanzverwaltung stellt fest, dass die Ausnahme von der Besteuerung nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke gilt, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren, in denen die teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung eintrat, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke. Unbeachtlich sei, ob die durch die vorausgegangene Anteilsvereinigung ausgelösten Erwerbsvorgänge besteuert worden sind. Die Finanzverwaltung führt weiter aus, dass die BFH-Urteile vom 20.10.1993 und 12.1.1994 auch auf Rechtsgeschäfte anzuwenden sind, die den Anspruch auf Übertragung von mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz begründen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) sowie auf den Übergang von mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Seit dem 1.7.2021 gilt Entsprechendes auch auf Grundlage mindestens 90%iger Beteiligungen.

1 BStBl. I 1999, 991; StEK § 1 GrEStG Rz. 141.

310

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 818 § 1

Erlass vom 2.12.1999, Tz. 3:

814

Erlass vom 2.12.1999, Tz. 3, Beispiel 3: A

B

50 %

50 %

C-GmbH

A

B

90 %

10 %

C-GmbH

100 %

D-GmbH

1

1



§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2

A

B

90 %

B

90 %

10 %

C-GmbH

100 %

D-GmbH

B verkauft 40 % an C-GmbH an A.

A

C-GmbH 100 %

100 % D-GmbH

V

1

2

2

10 %

D-GmbH erwirbt ein weiteres Grundstück. Anschließend überträgt C-GmbH 100 % an D-GmbH auf A.

D-GmbH 1

2

§ 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 , und zwar auch hinsichtlich des zweiten Grundstücks.

Die Finanzverwaltung bestätigt, dass mit dem Anteilserwerb die bisher zu (seit 1.7.2021) 90 % bestehende mittelbare Anteilsvereinigung lediglich zu einer insgesamt unmittelbaren verstärkt und der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG dadurch – auch in Bezug auf zwischenzeitlich hinzuerworbene Grundstücke – nicht ausgelöst wird.

815

Einem mindestens 95%igen Gesellschafter wurden die Grundstücke seiner Gesellschaft mit Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 zum 1.1.2000 zugerechnet, durch das die Beteiligungsgrenze in § 1 Abs. 3 GrEStG von 100 % auf 95 % herabgesetzt wurde. Waren bis zum 31.12.1999 bereits mindestens 95 % oder mehr der Anteile einer Gesellschaft in einer Hand vereinigt und wurde diese Beteiligung nach dem 31.12.1999 ganz oder teilweise aufgestockt, konnten dadurch § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG auch nach Verwaltungsansicht nicht mehr verwirklicht werden, weil am 1.1.2000, dem Anwendungszeitpunkt der Neuregelung des § 1 Abs. 3 GrEStG, die Anteilsvereinigung i.H.v. mindestens 95 % bereits eingetreten war und der Erwerb eines weiteren Anteils keine erneute Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG – und zwar auch nicht für die nach dem Überschreiten der 95 %-Grenze hinzuerworbenen Grundstücke – zur Folge hatte1.

816

Die Finanzverwaltung2 verweist zur Begründung ihrer Auffassung auf das BFH-Urteil vom 23.3.1977 (II R 18/74)3. Diesem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

817

Die Klägerin hatte 1963 Aktien der X.AG erworben (z.B. 60 %) und im Anschluss daran von der Y weitere Aktien der X.AG übertragen erhalten. Damit verfügte die Klägerin über 99,8 % des Aktienkapitals. Dies hatte das FA zum Anlass genommen, um Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin wegen Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 festzusetzen. Das Grunderwerbsteuergesetz 1940 forderte die Vereinigung aller Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft. In der Folgezeit erwarb die Klägerin die restlichen Anteile an der X.AG. Den letzten Anteil erwarb sie nach Inkrafttreten des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes vom 18.7.1969 durch Kaufvertrag vom Juni 1970. Durch Vertrag vom Mai 1970 hatte die X.AG noch ein in Berlin belegenes Grundstück gekauft. Dieser Sachverhalt lässt sich wie folgt veranschaulichen:

818

1 Vgl. Erlasse v. 2.12.1999, StEK § 1 GrEStG, Nr. 141, Rz. 1. 2 Vgl. gleichlautende Erlasse v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991, Rz. 1. 3 BStBl. II 1977, 565.

Behrens

311

§ 1 Rz. 818 Erwerbsvorgänge

1963:

Mai 1970:

Kl.

Y

Kl.

X 0,2 % 39,8 %

60 %

Y

Juni 1970: Kl.

X

X 0,2 % 39,8 %

99,8 %

X.AG

X.AG

1

1

Kl. erwirbt von Y 39,8 % hinzu.

Kl.

§ 1 Abs. 3 GrEStG 1940 forderte die Vereinigung aller Anteile.

100 %

0,2 %

99,8 %

V

X.AG 1

2

2

X.AG 1

2

Am 18.7.1969 war das GrEStG Berlin in Kraft getreten, das für die Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG die Vereinigung von 95 % der Anteile forderte.

819

Nach Auffassung des FA löste der Vertrag von Juni 1970 Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1969 auf das Grundstück 2 aus. Der BFH war anderer Ansicht, und zwar mit der folgenden Begründung1: „Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1969 sind entgegen der Auffassung des FG und des Finanzamts hinsichtlich des 1970 erworbenen Grundstückes nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines oder mehrerer Anteile einer Gesellschaft begründet, hinsichtlich eines in Berlin belegenen Grundstückes u.a. dann der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung mindestens 95vH aller Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall bereits 1963 eingetreten, als das Grunderwerbsteuergesetz 1969 noch nicht in Kraft getreten war, das Grunderwerbsteuergesetz 1940 vielmehr noch die Vereinigung aller Anteile forderte. Nach dem Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes 1969 konnte deshalb § 1 Abs. 3 Nr. 1 dieses Gesetzes nicht mehr erfüllt werden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG 1969 zu entnehmen wäre, dass jeder weitere Erwerb eines Anteils über die Vereinigung von 95vH der Anteile hinaus einen weiteren Grunderwerbsteuerfall hinsichtlich der Grundstücke erzeugt, die in der Zwischenzeit, d.h. seit dem Erwerb von 95vH aller Anteile, von der Gesellschaft erworben worden sind. Eine derartige Auffassung lässt sich jedoch dem Wortlaut und dem Wortsinn des § 1 Abs. 3 GrEStG 1969 nicht entnehmen. Auch nach bisherigem Recht führte der Erwerb eines Grundstückes durch die Gesellschaft nach Eintritt der Anteilsvereinigung nicht mehr zu einem fingierten Grundstückserwerb durch den Inhaber der Anteile. Begnügt sich der Gesetzgeber mit der Vereinigung von 95vH der Anteile für die Annahme einer Anteilsvereinigung, so kann nichts anderes gelten, wenn nach Eintritt einer solchen Anteilsvereinigung ein weiteres Grundstück durch die Gesellschaft erworben und sodann durch den Anteilsinhaber ein weiterer Anteil gekauft wird. … Hinsichtlich des im hier zu entscheidenden Fall in Betracht kommenden Grundstückes wäre eine Steuerpflicht auch dann nicht eingetreten, wenn die Anteilsvereinigung auf mindestens 95vH der Anteile erst nach dem Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes 1969, aber vor dem Erwerb des Grundstückes durch die AG eingetreten wäre. Nichts anderes kann unter diesen Umständen für den Fall gelten, dass die Anteilsvereinigung bereits vor dem Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes 1969 erfolgt ist.“

820

Damit übereinstimmend entschied das FG München mit Urteil vom 24.10.20182, dass eine Regelungslücke für diejenigen Gesellschaften bestehe, die das Beteiligungsverhältnis in der verschärften Gesetzesfassung von mindestens 95 % bereits vor der Absenkung der Beteiligungsgrenze (von 100 % 1 BFH v. 23.3.1977 – II R 18/74, BStBl. II 1977, 565, Rz. 6–9. 2 Vgl. FG München v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, EFG 2019, 65, m.w.N.

312

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 823 § 1

auf 95 %) erfüllt hatten, dass eine teleologische Extension jedoch zur Schaffung eines neuen, vom Gesetzgeber bislang ungeregelten Besteuerungstatbestands führen würde, was ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten sei1; Gegen das Urt. des FG München v. 24.10.2018 ist beim BFH unter Az. II R 44/18 die Revision anhängig.

X. Mittelbare Anteilsvereinigung über Treuhänder 1. Auftragserwerb Der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG kann nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung ohne 821 dingliche Anteilsvereinigung bzw. ohne dinglichen Erwerb von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2 95 %) der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Treugebers bzw. Auftraggebers dadurch verwirklicht werden, dass (ein Teil der) Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar von Treuhändern bzw. Auftragnehmern gehalten werden. Erwirbt ein Rechtssubjekt im Auftrag eines anderen in eigenem Namen, aber auf Weisung und Rechnung des anderen einen Anspruch auf Übertragung einzelner oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, so erlangt der Auftraggeber (Treugeber) gegenüber dem Beauftragten (Treuhänder) einen Anspruch auf Herausgabe der Anteile nach § 667 BGB. Weil dieser Anspruch in einem obligatorischen Rechtsgeschäft begründet ist (auch wenn sich dieses Rechtsgeschäft nicht auf die Übertragung von Anteilen richtet), wird der Auftrag von der h.M. als Rechtsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG mit der Folge angesehen, dass es zur (mittelbaren) Anteilsvereinigung in der Hand des Auftraggebers (Treugebers) kommen kann3. M.E. erfüllen Treuhandgeschäfte, die nicht unmittelbar selbst rechtsgeschäftliche Anteilsübertra- 822 gungsansprüche begründen, als solche keinen Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG, weil sich die Anteilsübertragungsansprüche aus dem Gesetz (§ 667 BGB) ergeben, nicht aber unmittelbar aus Rechtsgeschäften. Bei auf Grundstücke bezogenen Treuhandgeschäften wird aus diesem Grund in Verhältnis zwischen Treuhänder und Treuhänder nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, sondern § 1 Abs. 2 GrEStG angewandt4. Wenn aber der aufgrund des Treuhandvertrags bzw. Auftrags aus § 667 BGB resultierende Herausgabeanspruch kein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist, kann er auch kein Anspruch auf Anteilsübertragung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG sein. § 1 Abs. 2 GrEStG ist auf Anteilsgeschäfte nicht anwendbar, so dass der Auftragserwerb z.B. einer mindestens 95%igen Beteiligung nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer im Verhältnis zwischen Treuhänder (Auftragnehmer) und Treugeber (Auftraggeber) führen kann. Der BFH5 und die Finanzverwaltung6 sehen dies anders; sie ordnen den aufgrund des Treuhandvertrags bzw. Auftrags aus § 667 BGB resultierenden Herausgabeanspruch als Anspruch auf Anteilsübertragung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG ein. In der Praxis ist dies zu beachten. Beispiel: Nach dem BFH-Urteil vom 5.11.19867 kommt es für die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht darauf an, ob die Sachherrschaft, die durch diese Vorschrift besteuert werden soll, direkt oder indirekt – durch zwischengeschaltete Gesellschafter oder Treuhänder – ausgeübt wird. Die Sachherrschaft kann nach der BFH-Rechtsprechung auch mehrstufig indirekt ausgeübt werden, indem eine Gesellschaft und ein Treuhänder zwischengeschaltet werden. 1 A.A. allerdings Viskorf in Boruttau17, § 23 GrEStG Rz. 69, und auch Loose in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 69, mit dem Argument, dass der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung infolge des StEntlG 1999/2000/2002 (Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 95 %) eine Verschärfung der steuerbaren Anteilserweiterung und gerade keine Lockerung erreichen wollte. 2 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 159. 4 Siehe Rz. 254, 264. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 12.10.2007 BStBl. I 2007, 757, Rz. 3.1, zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger. 5 Vgl. z.B. BFH v. 18.5.1977 – II R 131/72, BStBl. II 1977, 687. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007 zu Erwerbsvorgängen i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen, BStBl. I 2007, 761, Rz. 3.1. 7 Vgl. BFH v. 5.11.1986 – II R 237/85, BStBl. II 1987, 225.

Behrens

313

823

§ 1 Rz. 823 Erwerbsvorgänge Im dem BFH-Urteil vom 5.11.19861 zugrunde liegenden (hier aufgrund des GrEStÄndG abgewandelten) Fall hatte ein Herr B im Auftrag des Klägers als dessen Treuhänder den 100%igen Geschäftsanteil an der z.B. zu 11 % an der grundbesitzenden Z-KG beteiligten Komplementärin (L-GmbH) und ein Herr P ebenfalls im Auftrag des Klägers als dessen Treuhänder den einzigen Kommanditanteil an der L-KG i.H.v. 89 % erworben. Der BFH entschied, dass damit in der Person des Klägers der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt worden sei2. Durch § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfasst werde das auf den Erwerb der Kommanditbeteiligung gerichtete Rechtsgeschäft, welches der Treuhänder P für den Kläger abgeschlossen hatte. Das Treuhandverhältnis zwischen Herrn P und dem Kläger führe dazu, dass aufgrund des § 667 BGB im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG dem Kläger die von Herrn P gehaltene Beteiligung zugerechnet würde.

Fall des BFH-Urteils II R 237/85 vom 5.11.1986, BStBl. II 1987, 225: Kläger Herr B kaufte im Auftrag (als Treuhänder) des Klägers den 100 %-Anteil an der L-GmbH. Herr B

V

Herr P Herr P kaufte im Auftrag (als Treuhänder) des Klägers die 89 %-Kommanditbeteiligung.

100 %

100 %

L-GmbH

89 %

F-GmbH 89 %

11 % Kompl. Beteiligung

Z-KG

KommanditBeteiligung

824

Nach h.M. ist § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt. M.E. ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt, weil der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 667 BGB kein rechtsgeschäftlicher Anteilsübertragungsanspruch i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG und weil § 1 Abs. 2 GrEStG auf Anteilsgeschäfte nicht anwendbar ist.

825

Im Beschluss II B 98/17 vom 22.1.20193 stellt der BFH in Bezug auf ein Treuhandverhältnis betr. Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht auf den Herausgabeanspruch nach § 667 BGB, sondern auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ab. Nach dieser Vorschrift sei bei einem steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnis der Gesellschaftsanteil nicht dem zivilrechtlichen Gesellschafter, sondern dem Treugeber zuzurechnen. Werde hinsichtlich eines Gesellschaftsanteils ein Treuhandverhältnis begründet, sei der Treuhänder unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wolle die Sachherrschaft erfassen, die jemand hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks aufgrund der rechtlichen Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile erlangt. Jene Sachherrschaft besitze auch derjenige, für den ein anderer als Treuhänder Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält, der hinsichtlich der Ausübung der Gesellschaftsrechte gegenüber dem Treugeber weisungsgebunden ist und den Anteil jederzeit an diesen herausgeben muss. Bei der Frage, ob alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden, seien daher von Treuhändern gehaltene Anteile beim Treugeber zu berücksichtigen4.

1 Vgl. BFH v. 5.11.1986 – II R 237/85, BStBl. II 1987, 225. 2 § 1 Abs. 2a GrEStG trat erst mit Wirkung zum 1.1.1997 in Kraft. Der vom BFH mit Urt. v. 5.11.1986 – 2 R 237/95 entschiedene Sachverhalt ereignete sich im Jahr 1978. 3 Vgl. BFH/NV 2019, 412. 4 Vgl. BFH v. 22.1.2019 – II B 8798/17, a.a.O., Rz. 14 f.; vgl. dazu Behrens, BB 2019, 1639.

314

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 827 § 1

Im Beschluss II B 98/17 vom 22.1.2019 stellt der BFH bei einem Treuhandverhältnis in Bezug auf Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ab1. Z.B. im Urteil II R 2/17 vom 4.3.2020 wird für die mittelbare Anteilszurechnung wieder auf „rechtlich begründete Einflussnahmemöglichkeiten“ abgestellt, ohne § 39 Abs. 2 AO auch nur zu erwähnen2. Der BFH scheint nur auf Gesellschaftsanteile bezogene Treuhandverhältnissen auf Grundlage von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO beurteilen zu wollen. M.E. kann die mittelbare Zuordnung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften und an zwischengeschalteten Gesellschaften nur einheitlich beurteilt werden, zumal es eine gesetzliche Definition von Treuhandverhältnissen nicht gibt3. Es ist zu beachten, dass es auf die Bezeichnung der im konkreten Fall abgeschlossenen Verträge nicht ankommt, sondern aus einer Gesamtbildbetrachtung auf das Vorliegen von Treuhandverhältnissen geschlossen wird.

826

Beispiel: Die A-Company, USA, an der 161 Gesellschafter – u.a. G – beteiligt waren, war alleinige Gesellschafterin der A-International GmbH, die einen 89%igen Kommanditanteil an der grundbesitzenden X-GmbH & Co. KG und einen 89%igen Anteil an der B-GmbH hielt, die ihrerseits in Höhe der restlichen 11 % gesamthänderisch am Vermögen der X-GmbH & Co. KG beteiligt war. In engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anteilserwerb durch die A-International GmbH hatte G die A-Corporation, USA, gegründet, die anschließend den verbliebenen 11 %-Geschäftsanteil an der B-GmbH erwarb (und in Bezug auf den 11%igen Anteil eine einseitige Verfügungsbeschränkung akzeptierte), die ihrerseits zu 11 % an der X-GmbH & Co. KG beteiligt war.4

827

161 Gesellschafter (u.a. G)

e leh

r nda

ei sch

n*

G

uld

Sch

A-Company, USA

A-Corporation, USA Schuldscheindarlehen

100 %

A-International GmbH Klägerin

11 %* 89 %

89 % B-GmbH

* In dem Schuldschein war ausdrücklich geregelt worden, dass G als Kreditnehmer keine persönliche Haftung für die Bezahlung der Hauptsumme und der Zinsen übernehmen würde. (Abwandlung des Sachverhalts von FG Münster, Urteil 8 K 5386/00 F vom 05.02.2004, EFG 2004, 1078)

11 %

X-GmbH & Co.KG

1 Vgl. auch schon BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 2 Zu BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511; vgl. Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 492. 3 Vgl. auch die gleichlautenden Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074: „Einen typischen Treuhandvertrag gibt es bürgerlich-rechtlich nicht. Infolgedessen muss der Inhalt der Treuhandabrede stets im Einzelfall sachverhaltsbezogen festgestellt und grunderwerbsteuerrechtlich gewürdigt werden“. In diesen Ländererlassen wird nicht auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO abgestellt, sondern auf den Übertragungsanspruch aus § 667 BGB, vgl. Tz. 3.1. 4 Vgl. FG Münster v. 5.2.2004 – 8 K 5386/00 F, EFG 2004, 1078 mit Anm. Fumi; vgl. auch Wischott/Keller/Graessner/Bakeberg, DB 2013, 2235 mit praktischen Hinw. zur Vermeidung von Treuhandverhältnissen; BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306.

Behrens

315

§ 1 Rz. 828 Erwerbsvorgänge 828

Das FG Münster kam aufgrund der folgenden Sachverhaltsumstände zu dem Ergebnis, dass die A-Corporation den 11%igen Geschäftsanteil an der B-GmbH als Treuhänderin im Auftrag für die A-Company erworben habe und deshalb auf Ebene der A-Company der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt worden sei: – Die A-Corporation war nach einem sog. Maßnahmepapier vom 1.12.1995 im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der B-GmbH mit Vertrag vom 21.12.1995 gegründet worden, und zwar im Wesentlichen zu dem Zweck, den 11%igen Geschäftsanteil an der B-GmbH zu erwerben. – Weitere wirtschaftliche Aktivitäten entfaltete die A-Corporation nicht. – Nur die A-Corporation war in Bezug auf ihren Anteil an der B-GmbH einer Verfügungsbeschränkung unterworfen. – Im Vorstand der A-Corporation waren ausschließlich drei Personen (u.a. G), die auch bei der A-Company im Vorstand mitbestimmten. – Die A-Company hatte dem G ein Darlehen zum Erwerb der Anteile an der A-Corporation gewährt. In dem zugrundeliegenden Schuldschein war ausdrücklich geregelt worden, dass G keine persönliche Haftung für die Bezahlung der Hauptsumme und der Zinsen übernehmen würde. Die A-Company wurde ausschließlich durch einen gleichzeitig abgeschlossenen Verpfändungsvertrag abgesichert, auf dessen Grundlage die A-Corporation den Geschäftsanteil an der B-GmbH an die A-Company zur Sicherheit abtrat. – G war nach dem Inhalt des Verpfändungsvertrages zur Ausübung der Stimm- und sonstigen Konsensrechte in Bezug auf die verpfändeten Anteile an der A-Corporation nur so lange berechtigt, wie kein Verzugsfall und kein potentieller Verzugsfall eintraten oder fortdauerten. – Auch die A-Corporation hatte von der A-Company ein Darlehen erhalten. Die A-Company wurde durch die Verpfändung und ein Sicherungsrecht an sämtlichen materiellen und immateriellen Aktiva der A-Corporation gesichert. 2. Anteilsübertragung vom Treugeber auf den Treuhänder

829

Im Falle der (Verpflichtung zur) Übertragung von bereits zu mind. 90 % (bis 30.6.2021 95 %) vereinigten Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf einen Treuhänder kann Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (so bei der eigennützigen Treuhand) bzw. nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG (so bei der uneigennützigen Treuhand) entstehen1. Überträgt der Treugeber dem Treuhänder anschließend auch noch die Treugeberrechte bzw. verzichtet er zugunsten des Treuhänders auf seine Treugeberrechte, wird § 1 Abs. 3 (und auch Abs. 3a) GrEStG nicht verwirklicht2, weil nach dem Gesetzeswortlaut nur solche Rechtsgeschäfte tatbestandsmäßig sind, durch deren Erfüllung mind. 90 % (bis 30.6.2021 mind. 95 %) der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden bzw. ein Rechtsträger mind. 90 % (bis 30.6.2021 mind. 95 %) der Anteile innehat; bei der Übertragung der Treugeberrechte vom Treugeber auf den Treuhänder bzw. beim Verzicht auf die Treugeberrechte sind jedoch schon zuvor die Anteile in der Hand des Treuhänders bzw. hat der Treuhänder die Anteile schon zuvor inne. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist nicht so zu verstehen, als besteuere diese Vorschrift den Erwerb der Treugeberrechte in Bezug auf 90 % (bis 30.6.2021 95 %) oder mehr der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft durch den Treuhänder3. Bei der Rückübertragung der bereits vereinigten Anteile durch den Treuhänder auf den Treugeber soll laut Rz. 1.3.1 der Erlasse vom 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 12.10.2007 erneut der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG verwirklicht sein; dies ist abzulehnen, weil die Übertragung vom Treuhänder auf den Treugeber eine nicht tatbestandsmäßige Beteiligungsketten-Verkürzung darstellt. Aufgrund des Treuhandverhältnisses waren die bisher vom Treuhänder dinglich gehaltenen Anteile – und bei mind. 90%igem (bzw. bis 30.6.2021 mind. 95%igem) Anteil die Gesellschaftsgrundstücke – schon 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074, Rz. 1.1, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 761, Rz. 1.1; vgl. zu weiteren Fallkonstellationen die weiteren Rz. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074, Rz. 1.1, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 761, Rz. 3.2.2.1. 3 Vgl. Behrens, BB 2019, 1639, zu BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412.

316

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 833 § 1

bisher dem Treugeber zuzurechnen, so dass sich grunderwerbsteuerrechtlich durch die Anteilsübertragung vom Treuhänder auf den Treugeber die Rechtsposition des Treugebers nicht ändert.

XI. Anteilsvereinigung im Organkreis 1. Anwendungsbereich und Zweck Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und Var. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft (zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört) begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär1 mind. 95 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer „die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2 mind. 95 %) der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. Nr. 1 vorausgegangen ist“. Die Var. 2 und Var. 3 von Nr. 1 werden zwar im Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht wiederholt. Der Praxis entspricht es (soweit ersichtlich) jedoch bisher, diese beiden Varianten auch in den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hineinzulesen3.

830

Für die Tatbestände in § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 hat § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG keine Bedeutung4. Erst recht für § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3a hat die Organkreisregelung in § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG keine Bedeutung.

831

Diese Erweiterung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in Form der Gleichsetzung der Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär5 mind. 95 %) der Anteile in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigen Unternehmen bzw. Personen mit der Vereinigung in der Hand eines Rechtssubjekts wurde für erforderlich gehalten, „weil größere Unternehmen mit weitgehender gesellschaftsrechtlicher Verschachtelung die Entstehung der Steuer bisher dadurch umgehen konnten, dass sie die Anteile in der Hand mehrerer abhängiger Unternehmen oder in der Hand des herrschenden und eines abhängigen Unternehmens vereinigen“6. Herrschendes Unternehmen kann nach bisheriger Sichtweise jeder Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sein7. Trotz des Gesetzeswortlauts „in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen“ (statt „… herrschendem …“) müssen das bzw. die abhängigen Unternehmen von ein und demselben herrschenden Unternehmen abhängig sein.

832

Was abhängige Unternehmen und abhängige Personen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind, hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 4 GrEStG definiert (vgl. Rz. 762 ff.).

833

1 2 3 4

Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. Vgl. z.B. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 351; Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1762. Sämtliche im gleichlautenden Ländererlass v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon in den VorgängerErlassen v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, diskutierten Fallgestaltungen werden von den Obersten Finanzbehörden der Länder unter § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG subsumiert; eine ausdrückliche Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG einerseits und von § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG andererseits erfolgt nicht. 5 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 6 Vgl. die amtliche Begründung zum GrEStG 1940, RStBl. 1940, 387 (392), Abs. 24; vgl. auch BFH v. 30.3.1988 – II R 81/85, BStBl. II 1988, 682. 7 Vgl. Erlass v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Anm. 1, Abs. 5. Meßbacher-Hönsch in Boruttau11, § 1 GrEStG, Rz. 1115, weist darauf hin, dass noch nicht entschieden sei, ob die Auslegung des Begriffs „Unternehmen“ in § 1 Abs. 3 Nr. 1 Varianten 2 und 3 der weiten Auslegung des Unternehmensbegriffs in § 6a GrEStG entsprechen könnte.

Behrens

317

§ 1 Rz. 834 Erwerbsvorgänge 2. Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Selbständigkeit des einzelnen Organkreismitglieds 834

Die im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG zu einem Organkreis verbundenen Unternehmen und Personen bleiben grunderwerbsteuerrechtlich selbständige Rechtsträger. Grundstücksübertragungen zwischen diesen selbständigen Rechtsträgern unterliegen nach § 1 Abs. 1 GrEStG, Anteilsgeschäfte unter diesen Rechtsträgern unterliegen nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG der Grunderwerbsteuer, als gäbe es die Verbindung zu einem Organkreis nicht. § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG stellt eine sich stets zu Ungunsten der Steuerpflichtigen auswirkende Erweiterung1 dahingehend dar, als das herrschende Unternehmen (Organträger) und das oder die abhängigen Unternehmen und/oder Personen (Organgesellschaften), die einen Organkreis bilden, als „eine“ Hand i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG behandelt werden. Allerdings ist der Organkreis nicht als Einheit selbst grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsträger2. Ob der Organkreis als solcher als Zurechnungssubjekt der Gesellschaftsgrundstücke anzusehen ist, ist unklar (vgl. dazu Rz. 837 ff.). Die Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mind. 95 %) der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Organkreismitglieds schließt die Anteilsvereinigung im Organkreis aus3, ebenso die Übertragung bereits vereinigter mindestens 90 % Beteiligungen von einem Organkreismitglied auf ein anderes Organkreismitglied.

835

Beispiel: Die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliederte und selbst i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG unternehmerisch tätige A-GmbH hält ursprünglich mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH. Die A-GmbH veräußert ihre Beteiligung an der G-GmbH an die (bisher schon zu 1 % an der G-GmbH beteiligte) M-GmbH.

Vorher:

Nachher:

M-GmbH

M-GmbH 80 %

80 % A-GmbH

1%

A-GmbH

1% + 90 % = 91 %

90 % G-GmbH

G-GmbH

M-GmbH ist sog. Altgesellschafterin der G-GmbH.

836

Der Anteilsübergang führt zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Dass die A-GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert ist, wirkt sich grunderwerbsteuerrechtlich nicht aus. Eine Anteilsvereinigung im Organkreis i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG liegt nicht vor. Dies gilt auch für den Fall, dass die M-GmbH zunächst die mindestens 90%ige Beteiligung an der G-GmbH hält und an die A-GmbH veräußert. Weil grunderwerbsteuerrechtlich die zivilrechtliche Selbstständigkeit jeder einzelnen

1 Vgl. auch Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1756: „… keine Steuervorteile …“. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, Anm. 1, Abs. 2. 3 Vgl. BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839.

318

Behrens

Rz. 838 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Gesellschaft einer Gruppe maßgebend ist1, sind Grundstücks- und Anteilsübertragungen zwischen zum selben Organkreis gehörenden Rechtssubjekten steuerbar2. 3. Subjekt der Grundstückszurechnung bei der Anteilsvereinigung im Organkreis a) Der Organträger, die an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Organkreismitglieder oder der Organkreis als solcher als Zurechnungssubjekt? Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und da- 837 nach subsidiär mind. 95 %) der Anteile an einer Grundstücke haltenden Gesellschaft in der Hand von herrschendem und abhängigen Unternehmen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG ein „besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung, bei welchem das Gesetz das genannte Abhängigkeitsverhältnis genügen lässt und auf eine 100%ige [seit dem 1.1.2000: 95%ige und seit dem 1.7.2021: 90%ige] Beteiligung des herrschenden an dem abhängigen Unternehmen verzichtet“ (Hervorhebung durch Verf.)3. Bisher ist nicht abschließend geklärt, ob – das herrschende Unternehmen (d.h. der Organträger) oder – jedes einzelne Mitglied des Organkreises, das einen Anteil an der Gesellschaft, zu deren Vermögen das Grundstück gehört, hält bzw. erworben hat (d.h. die eingegliederten Gesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft halten, und das herrschende Unternehmen, in das diese Gesellschaften eingegliedert sind, wenn das herrschende Unternehmen selbst einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft hält oder erworben hat) oder – der Organkreis als solcher als grunderwerbsteuerliches Zurechnungsobjekt anzusehen ist. M.E. scheidet der Organkreis als solcher als Zurechnungssubjekt aus. Denn der Organkreis stellt auch im Rahmen des GrEStG kein rechtsfähiges Subjekt dar, welches sich an Grundstücksgesellschaften beteiligen könnte oder den Beteiligungen an Gesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, zugerechnet werden könnte. Sofern der gleichlautende Ländererlass zur Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle vom 19.9.2018 und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007 dahingehend zu verstehen sein sollte, dass eine Zurechnung von Anteilen zum Organkreis als solchem angeordnet wird4, wäre die Verwaltungsansicht als unzulässig zurückzuweisen. Außerdem verhielte sich die Finanzverwaltung dann widersprüchlich: Wenn der Organkreis ein einheitliches Zurechnungssubjekt wäre, müssten Grundstücks- oder Anteilsübertragungen innerhalb des Organkreises als nicht steuerbar angesehen werden, weil es bei solchen Übertragungen stets bei der Zuordnung zum Organkreis bliebe. Letztlich erkennt auch die Finanzverwaltung in Anm. 1 der gleichlautenden Ländererlasse vom 19.9.2018 bzw. vom 21.3.2007 an, dass der Organkreis „nicht als Einheit selbst grunderwerbsteuerlicher Rechtsträger ist“. M.E. scheidet auch eine Zurechnung der Gesellschaftsgrundstücke der Gesellschaft, an der die eingegliederten Unternehmen und ggf. das herrschende Unternehmen zusammen mindestens i.H.v. 90 % (bis 30.6.2021 mindestens 95 %) beteiligt sind, zum Organträger als (alleiniges) Zurechnungssubjekt aus. Denn gem. § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG ist nicht das herrschende Unternehmen als solches 1 Vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292, Rz. 14: „Mehrere Gesellschaften bilden auch in solchen Fällen [d.h. in Fällen, in denen die an der Veräußerung beteiligten Gesellschaften durch eine Organschaft verbunden sind oder ohne Bestehen einer Organschaft zu einem Konzern gehören] keine grunderwerbsteuerrechtliche Einheit. … Grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend ist die zivilrechtliche Selbständigkeit von Beteiligungsgesellschaften … . Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise etwa dergestalt, dass die Umstrukturierung eines Konzerns eine Einheit bilde und daher unabhängig von der rechtlichen Gestaltung nur einmal Grunderwerbsteuer auslösen könne, ist mit dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer nicht vereinbar, der zu einer gesonderten steuerrechtlichen Beurteilung eines jeden für sich genommen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgangs führt“. 2 Vgl. Erlass v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Rz. 1 und Rz. 5. 3 Vgl. BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II 1980, 360; v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156; v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839; gleichlautende Ländererlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Rz. 1. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, jeweils Beispiel 4.2: „Diesem fortgeführten Organkreis sind die Grundstücke […] zuzurechnen“.

Behrens

319

838

§ 1 Rz. 838 Erwerbsvorgänge Steuerschuldner der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG ausgelösten Grunderwerbsteuer. Weil das herrschende Unternehmen als solches nicht Steuerschuldner nach § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG allein schon aufgrund seiner Organträger-Stellung ist, scheidet eine Zurechnung der Grundstück zum Organträger aus1. 839

Steuerschuldner im Falle der Vereinigung von mindestens 90 % (bzw. bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, in der Hand mehrerer Unternehmen sind vielmehr diese Beteiligten. Damit sind die Organkreismitglieder gemeint, die zusammen unmittelbar und/oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.6.2021 mindestens 95 %) der Anteile der Grundstücksgesellschaft halten2. M.E. sind diese Organkreismitglieder anteilig die Zurechnungssubjekte für die Grundstücke der Gesellschaft, an der sie zusammen mindestens 90 % bzw. mindestens 95 % der Anteile halten. Diese Grundstückszurechnung ist allerdings auf den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG begrenzt.

840

Die Relevanz dieser Frage soll anhand der folgenden Beispiele verdeutlicht werden. b) Vereinigung oder Übertragung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile an einen Organträger (d.h. an einem herrschenden Unternehmen i.S.v. Abs. 3 Nr. 1 letzte Varianten in der Rechtsform einer Gesellschaft)

841

MG veräußert alle Anteile an TG, in deren Unternehmen EG 1 und EG 2 als jeweils 89%ige Tochtergesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 4 GrEStG finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert sind, an den Käufer. EG1 ist zu 40 %, EG2 ist zu 50 % an der G-GmbH beteiligt, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Die restlichen 10 % der Anteile an der G-GmbH werden von dem konzernfremden F gehalten.

Verkauf+

MG

Übertragung 100 %

D1-GmbH

TG

11 % F

89 %

Käufer

D2-GmbH 11 %

89 % EG2

EG1 40 %

50 %

10 % G-GmbH

842

Der Verkauf aller Anteile an der TG erfüllt keinen der Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG, weil die Beteiligungen von EG1 bzw. EG 2 an der G-GmbH nicht der TG zuzurechnen ist, d.h. nicht zum Vermögen der TG und damit auch nicht zum Vermögen der MG gehören3. 1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 174, § 13 GrEStG Rz. 16: „Ein Rückgriff etwa auf die Organmutter findet – soweit sie nicht selbst Anteile an der Gesellschaft hält und damit zur Anteilsvereinigung im Organkreis beiträgt – nicht statt“. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, Rz. 7.1, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, Rz. 8. 2 Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 16. 3 Auch der Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG, für den die grunderwerbsteuerrechtliche Organschaft i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG keine Rolle spielt, wird nicht erfüllt, weil der Käufer durchgerechnet weniger als 90 % der Anteile am Kapital der G-GmbH erwirbt.

320

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 845 § 1

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das Grundstück der G-GmbH der TG und damit auch der MG zuzurechnen sei1. Im Beispiel würde auf dieser Grundlage durch den Verkauf von mindestens 90 % (bis 30.6.2021) 95 % der Anteile an TG Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG ausgelöst werden. Die Zurechnung des Grundstücks der G-GmbH zur TG als herrschendem Unternehmen als solchem stimmt jedoch nicht mit der Regelung der Steuerschuldnerschaft in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG in § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG überein.

843

Wird das Grundstück dem Organkreis als solchem (was abzulehnen ist) oder EG 1 und EG 2 (was der hier vertretenen Ansicht entspricht) zugerechnet, ist keiner der Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt. Auch ist MG und anschließend der Käufer nicht herrschendes Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. GrEStG, weil die Eingliederung der TG in das Unternehmen der MG bzw. des Käufers angesichts der mindestens 90%igen (hier 100%igen) Beteiligung von MG bzw. des Käufers an der TG grunderwerbsteuerrechtlich keine Bedeutung hat. Dass die Eingliederung i.S.v. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG die mindestens 90 %-Beteiligung ersetzt, bedeutet nicht, dass die Eingliederung i.S.v. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG wie im Falle mindestens 90%iger Beteiligungsketten ebenfalls zur Zurechnung des Grundstücks zum Obergesellschafter führt.

844

c) Abschwächung der Beteiligung von mindestens 90 % auf Beteiligungen unter 90 % an eingegliederten Gesellschaften Zunächst ist die MG alleinige Gesellschafterin der ein Grundstück haltenden EG 1. Außerdem hält sie 75 % der Anteile an einer TG, die ihrerseits Alleingesellschafterin einer ebenfalls ein inländisches Grundstück haltenden EG 2 ist. Die EG 2 wird unter Ausgabe neuer Anteile durch die EG 1 an die TG verschmolzen, so dass ab Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister die MG nur noch 80 % der Anteile an der EG 1 hält, während die restlichen 20 % von TG gehalten werden. TG ist finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der MG eingegliedert.

Vorher:

Nachher:

MG

MG 75 %

75 %

TG

TG 80 %

100 %

EG 1

EG 2

1

2

20 %

EG 1

USt-Organkreis

EG 2 wird auf EG 1 unter Ausgabe neuer Anteile durch EG 1 verschmolzen.

12

In Bezug auf Grundstück 2:

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2b GrEStG lt. FinVerw § 1 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2b GrEStG a. A. Literatur



In Bezug auf Grundstück 1:

USt-Organkreis



100 %

,

1 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1107, unter Hinw. darauf, dass die Organschaft die fehlende mind. 95%ige (seit 1.7.2021 mind. 90%ige) Beteiligung ersetzt.

Behrens

321

845

§ 1 Rz. 846 Erwerbsvorgänge 846

In Bezug auf das Grundstück der EG 2 wird Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. Eine Besteuerung des Übergangs des Grundstücks der EG 2 auf die EG 1 auch unter dem Gesichtspunkt der Anteilsvereinigung im Organkreis scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei § 1 Abs. 3 GrEStG um einen sog. Ergänzungstatbestand handelt, der nicht einschlägig ist, wenn derselbe Rechtsvorgang (hier: die Eintragung der Verschmelzung der EG 2 auf die EG 1 im Handelsregister der EG 1 bereits nach einem der Grundtatbestände (hier: § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) Grunderwerbsteuer auslöst (wobei es auf die Identität der Steuerschuldner nicht ankommt).

847

Fraglich ist allerdings, ob die Verschmelzung der EG 2 auf die EG 1 auch in Bezug auf das schon bisher der EG 1 gehörende Grundstück Grunderwerbsteuer auslöst. Insoweit gehörte das Grundstück bisher nur zum Vermögen der EG 1 und war wegen der mindestens 90%igen Beteiligung der MG an der EG 1 auch der MG zuzurechnen1. Nach Eintragung der Verschmelzung ist die MG nur noch zu 80 % an der EG 1 beteiligt und scheidet auf Grundlage der mutmaßlichen Verwaltungsansicht, wonach der Organkreis das Zurechnungssubjekt für das Grundstück ist, eine Zurechnung des Grundstücks zur MG aus. Allerdings sind sämtliche Anteile an der EG 1 in der Hand von herrschendem Unternehmen (MG) und abhängigem Unternehmen (TG) vereinigt. Wäre in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG der Organkreis – entsprechend der mutmaßlichen Verwaltungsansicht – ein vom einzelnen Organkreismitglied als selbständig anzusehendes Zurechnungssubjekt, würde es durch die Eintragung der Verschmelzung zum Rechtsträgerwechsel von der MG auf den Organkreis kommen mit der Folge, dass MG und TG Grunderwerbsteuer in Bezug auf das schon bisher der EG 1 gehörende und der MG zuzurechnende Grundstück schuldeten2. Die gleichlautenden Ländererlasse vom 21.3.2007 zur Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG in Organschaftsfällen3 wurden vielfach dahingehend verstanden, als sähe die Finanzverwaltung den Organkreis als eigenständiges Zurechnungssubjekt an4. Verwiesen wird z.B. auf die Formulierung bei Beispiel 4.2 der Erlasse, wonach „diesem fortgeführten Organkreis die Grundstücke … zuzurechnen“ seien. M.E. lässt diese Formulierung Raum für die Auslegung, dass die Grundstücke auch nach Verwaltungsansicht tatsächlich den zum Organkreis gehörenden Gesellschaften, die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft halten (hier MG zu 80 % und TG zu 20 %), zuzurechnen sind. Denn in Rz. 1 dieses Erlasses stellt die Finanzverwaltung ausdrücklich klar, dass der Organkreis nicht selbst als Einheit grunderwerbsteuerlicher Rechtsträger ist. Ist der Organkreis kein grunderwerbsteuerlicher Rechtsträger, kann er m.E. auch nicht Zurechnungssubjekt von Grundstücken sein. Stellt man auf den Organträger als Zurechnungssubjekt ab, würde – weil das Grundstück schon bisher der MG zuzurechnen ist – durch die Verschmelzung der EG 2 auf die EG 1 auch in Bezug auf das der EG 1 gehörende Grundstück keine Grunderwerbsteuer ausgelöst. Stellt man auf die MG und die TG als die anteiligen Zurechnungssubjekte ab, fällt Grunderwerbsteuer nur auf 20 % des Grundbesitzwerts des zum Vermögen von EG1 gehörenden inländischen Grundstücks an. M.E. schuldet nur die TG diese Steuer nach § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. MG kann m.E. nicht in Anspruch genommen werden, weil ihr das Grundstück der EG 1 auch schon bisher (und zwar zu 100 %) zuzurechnen war (i.H.v. 80 % kein Rechtsträgerwechsel)5. 4. Keine GrESt bei Anteilserwerb und erst nachfolgender Begründung eines Organschaftsverhältnisses

848

Nach Ansicht der Finanzverwaltung und des BFH kann es zur Anteilsvereinigung im Organkreis gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG kommen, wenn der Anteilserwerb und die Er-

1 Vgl. BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991, Rz. 3. Vgl. oben in Rz. 803 ff. 2 Vgl. § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. 3 Nach hier vertretener Ansicht sind die Organkreismitglieder, die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft halten, anteilig (entsprechend ihrer Beteiligungsquoten) die Zurechnungssubjekte. Vgl. Rz. 837 ff. 4 Hieran dürfte sich durch die Neufassung der Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, nichts geändert haben. 5 Vgl. Rz. 803 ff.

322

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 851 § 1

füllung der Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung gleichzeitig erfolgen1. Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 16.1.19802 in diesem Sinne entschieden: 849 Vorher:

Nachher:

Klägerin

D

Klägerin 80 %

100 % 11 %

D 20 %

11 % B-GmbH

B-GmbH

89 % A-GmbH

89 % A-GmbH

Die Klägerin erlangt einen unbedingt wirksamen Anspruch auf Übertragung von 80 % der Anteile an der B-GmbH von D; bei dinglichem Übergang des 80 %igen Anteils auf die Klägerin wird die B-GmbH wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert

Nach Ansicht des BFH löst der Erwerb der 80%igen Beteiligung an der B-GmbH durch die Klägerin 850 bei gleichzeitiger wirtschaftlicher und organisatorische Eingliederung der B-GmbH in das Unternehmen der Klägerin Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG aus3. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetze lediglich den – anderenfalls erforderlichen – Anteilserwerb i.H.v. mindestens 90 % (vor 1.1.2000: 100 %, und vor 1.7.2021: 95 %) durch die Klägerin. Es genüge, dass dieses Abhängigkeitsverhältnis „gleichzeitig“ mit Abschluss des Anteilskaufvertrages entstehe. Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen4. M.E. spricht der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. GrEStG im Gegensatz zu dieser 851 h.M.5 dafür, dass das herrschende Unternehmen und das bzw. die abhängigen Unternehmen bzw. Personen bereits als solche bestehen müssen, bevor es zum Abschluss des Rechtsgeschäfts kommt, das den Anspruch auf Anteilsübertragung (bei dessen Erfüllung es zur Vereinigung von mindestens 90 %, bis 30.6.2021 und danach subsidiär mindestens 95 %) der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand von herrschendem und abhängigen Unternehmen bzw. in der Hand von abhängigen Unternehmen kommt) begründet. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Tatbestand, soweit das unbedingte Wirksamwerden eines Anteilsübertragungsanspruchs betroffen ist, bereits erfüllt wird, bevor

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Rz. 2.2.3. f. 2 Vgl. BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II 1980, 360. 3 Dies ist entgegen BFH schon deshalb abzulehnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Abtretung von Anteilen an einer Gesellschaft erworben hat, zu deren Vermögen das Grundstück gehört; vgl. oben Rz. 756. 4 Vgl. zuletzt gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Rz. 2.2.3. Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1132 f. 5 Dem BFH und der Finanzverwaltung folgend z.B. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1132f.

Behrens

323

§ 1 Rz. 851 Erwerbsvorgänge die Eingliederungsvoraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG erfüllt werden (können). Denn solange die 80%ige Beteiligung nicht dinglich auf die Klägerin übergegangen ist, steht der Klägerin keine Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung der B-GmbH zu. Außerdem ist die organisatorische Eingliederung in der Regel noch nicht hergestellt1. Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Auch die Begründung für die Erweiterung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG um die Organschaftsregelung, wonach verhindert werden soll, dass größere Unternehmen mit weitgehender gesellschaftlicher Verschachtelung die Entstehung der Steuer dadurch umgehen konnten, dass die Anteile in der Hand mehrerer abhängiger Unternehmen oder in der Hand des herrschenden und eines abhängigen Unternehmens vereinigten, spricht für diese restriktive Sichtweise2. 5. Keine GrESt durch die Begründung eines Organschaftsverhältnisses unter Beibehaltung der bestehenden Anteilsverhältnisse 852

Die bloße Begründung eines Organschaftsverhältnisses ohne Veränderung der Zuordnung von Anteilen erfüllt nicht den Tatbestand der mittelbaren Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG. Weder wird ein Rechtsgeschäft abgeschlossen, das schuldrechtliche Ansprüche auf die Vereinigung oder Übertragung von Anteilen an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft begründet, noch findet – wegen des Fehlens einer Übertragung, eines Übergangs oder einer sonstigen Veränderung eines Anteils – eine Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG statt. Wenn sich die bestehenden Anteilsverhältnisse nicht ändern, ist keiner der Tatbestände in § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt3. Relevante Fallgruppen der Änderung der bestehenden Anteilsverhältnisse sind die Übertragung bzw. der Übergang bereits bestehender Anteile, die Ausgabe neuer oder eigener Anteile, die Einziehung von Anteilen sowie sonstige Anteilsbewegungen. 6. Keine GrESt bei Erfüllung der Eingliederungsvoraussetzungen nach Anteilserwerb

853

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist von einer hinreichenden Verknüpfung von Anteilserwerb und Begründung eines Organschaftsverhältnisses auszugehen, wenn zwischen dem Anteilserwerb bzw. -übergang und der Begründung des Organschaftsverhältnisses ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang im Sinne eines vorgefassten Plans besteht. Die Finanzverwaltung will die Frage, ob der Anteilserwerb bzw. -übergang und die Begründung eines Organschaftsverhältnisses aufgrund eines vorgefassten Plans erfolgen, nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Dabei komme dem tatsächlichen Vollzug eines solchen Plans keine eigene tatbestandsbegründende, sondern indizielle Bedeutung für die Vorstellungen und Absichten (d.h. für den Plan) der Beteiligten im Erwerbszeitpunkt zu. Erfolge in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anteilserwerb bzw. -übergang die Begründung eines Organschaftsverhältnisses, bestehe eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung, dass beide Vorgänge auf einem vorgefassten auf ein einheitliches Ziel gerichteten Plan beruhen. Diese Vermutung könne der Steuerpflichtige dadurch widerlegen, dass er substantiiert belegbare Tatsachen vorträgt, die einen anderen Geschehensablauf möglich erscheinen lassen. Ein zeitlicher Zusammenhang könne regelmäßig noch angenommen werden, wenn zwischen beiden Vorgängen ein Zeitraum von nicht mehr als 15 Monaten liege4: 1 A.A. allerdings die Finanzverwaltung, die es regelmäßig genügen lässt, dass die Eingliederungsvoraussetzungen innerhalb von 15 Monaten nach Anteilserwerb erfüllt werden, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Anm. 1. Dazu, dass dies abzulehnen ist, vgl. unten Rz. 853. 2 Vgl. Abs. 24 der Begründung zu § 1 GrEStG, RStBl. 1940, 387 (392); vgl. auch BFH v. 30.3.1988 – II R 81/85, BStBl. II 1988, 682. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Rz. 2.1. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1131, unter Hinw. darauf, dass die organschaftliche Zurechnung nicht die Voraussetzung ersetzt, dass das erforderliche Quantum von Anteilen übergehen oder vereinigt werden muss; vgl. auch Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 360; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 179. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Rz. 1 und Rz. 2.4.2. Vgl. auch schon den koordinierten Ländererlass (z.B. FinMin. Bad.-Württ.) v. 11.10.2005, DStR 2005, 1903.

324

Behrens

Rz. 856 § 1

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

854

Beispiel:

Ausgangsstruktur:

17.2.2001

F

M-GmbH

16.5.2002:

F

M-GmbH 80 %

80 % 20 % 60 % A-GmbH

F

M-GmbH

20 %

80 % 20 %

D

60 % A-GmbH

D

60 %

D

A-GmbH 30 %

40 % B-GmbH

30 %

10 %

40 % 10 %

B-GmbH

Am 17.2.2001 schließen die A-GmbH und D einen Anteilskauf- und Übertragungsvertrag über einen 30 %igen Anteil an der B-GmbH ab.

B-GmbH

Am 16.5.2002 ist A-GmbH erstmals wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert

Weder der Kauf bzw. die Übertragung des 35%igen Anteils an der B-GmbH durch bzw. an die A-GmbH am 17.2.2001 noch die Erfüllung der Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung am 16.5.2002 erfüllen jeweils für sich betrachtet einen der Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG. Allerdings ist die Finanzverwaltung der Ansicht, dass aufgrund eines angeblichen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der beiden Vorgänge widerlegbar zu vermuten sei, dass beide Vorgänge durch einen vorgefassten Plan, mindestens 95 % (seit 1.7.2021 mindestens 90 %) der Anteile an der B-GmbH im Organkreis zu vereinigen, mit der Folge verknüpft seien, dass Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG ausgelöst werde1. Um zu verhindern, dass die Finanzverwaltung den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG als erfüllt ansieht, muss der potentiell Steuerpflichtige nachweisen, dass erst nach dem Anteilserwerb eingetretene Umstände zu der Entscheidung geführt haben, die Beziehungen zur die Anteile erwerbenden Gesellschaft so zu gestalten, dass die Voraussetzungen für die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung erfüllt werden.

855

M.E. widerspricht die Verwaltungsansicht dem Gesetzeswortlaut. Denn danach sind die Tatbestände von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt, wenn nicht bereits vor dem Zeitpunkt des Anteilsgeschäfts die Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung erfüllt sind. Dass die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung im Zeitpunkt des Anteilserwerbs (d.h. bei Entstehung des unbedingt wirksamen Anteilsübertragungsanspruchs) in Erwägung gezogen oder gar geplant wird, rechtfertigt es darüber hinaus wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage nicht, die spätere Erfüllung der Eingliederungsvoraussetzungen für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG gedanklich vorzuziehen. Erst recht fällt keine Grunderwerbsteuer an, wenn die Eingliederungsvoraussetzungen erst nach dem Vollzug des Anteilsgeschäfts erfüllt werden2.

856

1 A.A. noch OFD Münster v. 7.12.2000, Rz. 5, StEK § 1 GrEStG 1983, Nr. 153, worin festgestellt wurde, dass, wenn zuerst der Anteilserwerb erfolgt und „zeitlich später“ die Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung erfüllt werden, der Tatbestand von § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2b GrEStG nicht erfüllt sei, weil es im Zeitpunkt der Begründung der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung an einem Rechtsgeschäft fehle. 2 Vgl. Behrens/Meyer-Wirges, DStR 2007, 1290 (1291). Ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1134: „Ein Gesamtplan ist in § 1 Abs. 3 GrEStG nicht vorgesehen. Die Anwendung von § 42 AO ist wegen der weitreichenden Wirkung der Ergänzungstatbestände (§ 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG) i.d.R. ausgeschlossen“.

Behrens

325

§ 1 Rz. 857 Erwerbsvorgänge 7. Verhältnis zwischen der Anteilsvereinigung im Organkreis und der mittelbaren Anteilsvereinigung aufgrund mindestens 90%iger Beteiligungen 857

Nach der BFH-Rechtsprechung sind die verschiedenen Formen der mittelbaren Anteilsvereinigung als gleichwertig anzusehen1. Dies betrifft m.E. (und das auch nur eingeschränkt) lediglich die Rechtsfolgen-Seite, d.h. die Anteilsvereinigung tritt unabhängig davon ein, durch welche Form bzw. durch die Kombination welcher Formen sie verwirklicht wird. Auf Tatbestandsebene ist die Anteilsvereinigung im Organkreis gegenüber der unmittelbaren oder auf mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 mindestens 95%igen) Beteiligungen beruhenden mittelbaren Anteilsvereinigung subsidiär2. Dementsprechend scheidet eine Anteilsvereinigung im Organkreis aus, wenn ein Mitglied des Organkreises unmittelbar oder über insgesamt mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 mindestens 95%ige) Beteiligungen an zwischengeschalteten Gesellschaften 90 % (bis 30.6.2021 95 %) oder mehr der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auf sich vereinigt; in diesem Fall liegt eine Anteilsvereinigung lediglich auf Ebene dieses Organkreismitgliedes vor, nicht aber zugleich auch auf Ebene des Organkreises3. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:

858

In der Ausgangsstruktur hält MG 99 % der Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH sowie alle Anteile an der TG, die ihrerseits zu 89 % an der EG beteiligt ist. Sowohl die TG als auch die EG halten als sog. Altgesellschafter für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG jeweils einen 0,5%igen Anteil an der G-GmbH und sind nicht nur finanziell, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der MG eingegliedert.

Ausgangsstruktur:

99 %

MG

Variante 1:

MG

100 %

MG 100 %

100 %

0,5 % 0,5 %

G-GmbH

Variante 2:

TG 89 %

TG 0,5 % 89 %

TG 11 %

88,5 %

89 %

0,5 %

EG

EG

G-GmbH

EG

88,5 % 11 %

G-GmbH

TG und EG sind wirtschaftlich MG überträgt einen 88 %igen und organisatorisch in das Anteil an G-GmbH auf EG. Unternehmen der MG eingegliedert sowie sog. Altgesellschafter der G-GmbH.

MG überträgt einen 88 %igen Anteil an G-GmbH auf TG.

1 Vgl. z.B. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156; v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 31.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Rz. 1 a.E.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1108. 3 Vgl. BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839, Rz. 13: „Die Grundstücke der grundstücksbesitzenden GmbHs sind somit grunderwerbsteuerrechtlich nur der Warenhaus-AG, nicht aber dem Organkreis zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin der Holding-AG nach deren Verschmelzung als neuer Organträger gefolgt ist; denn auch in diesem neuen Organkreis sind die Anteile an den grundbesitzenden GmbHs nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern der Warenhaus-AG als Organgesellschaft …“.

326

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 861 § 1

In der Variante 1 überträgt MG einen 88%igen Anteil an der G-GmbH auf die EG. Vorher waren 859 99 % der Anteile an der G-GmbH in der Hand der MG vereinigt, nach dieser Anteilsumhängung sind alle Anteile an der G-GmbH in der Hand von herrschendem und abhängigem Unternehmen – und zwar in der Hand von MG und EG – vereinigt. Auf Grundlage der mutmaßlichen (vgl. oben Rz. 837 ff.; vgl. auch Rz. 860) Verwaltungsansicht löst dies Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG aus. In der Variante 2 überträgt MG einen 88%igen Anteil an der G-GmbH auf TG. In dieser Fallkonstellation liegt keine Anteilsvereinigung im Organkreis vor, obwohl TG nicht nur finanziell, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der MG eingegliedert ist; denn aufgrund der mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 mindestens 95%igen) Beteiligung der MG an der TG bleibt der MG der Anteilsbesitz der TG zugerechnet, so dass MG teils unmittelbar und teilweise mittelbar alleinige Gesellschafterin der G-GmbH bleibt. Die Anteilsvereinigung im Organkreis ist subsidiär, die teils über die 100%ige Beteiligung an der TG vermittelte Anteilsvereinigung auf Ebene der MG schließt die Anteilsvereinigung im Organkreis aus. Dies gilt auch dann, wenn – wie im obigen Beispiel – keine Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 1 GrEStG ausgelöst wird, weil MG schon vor der Veräußerung des 88%igen Anteils an der G-GmbH an die TG Inhaberin aller Anteile an der G-GmbH gewesen ist und dies (nun allerdings zum Teil mittelbar) geblieben ist. 8. Das einzelne Organkreismitglied und (nach Verwaltungsansicht) der Organkreis als separate Zuordnungssubjekte Im BFH-Urteil vom 20.7.20051 erwähnt der BFH – obwohl nicht entscheidungserheblich – die mögliche 860 Zurechnung von Gesellschaftsgrundstücken zum Organkreis. In den Erlassen vom 19.9.2018 und auch schon in den Vorgänger-Erlassen vom 21.3.2007 sind Formulierungen enthalten, die den Eindruck erwecken, als wäre die Finanzverwaltung der Ansicht, der Organkreis selbst sei als vom Organträger und jeder Organgesellschaft zu trennendes eigenständiges Zurechnungssubjekt anzusehen. Denn die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass der Anteilsvereinigung in der Hand eines Organkreismitglieds die Anteilsvereinigung im Organkreis als Grunderwerbsteuer auslösender Vorgang nachfolgen kann. Beispiel: Die M-GmbH hält mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH und ist 80%ige Gesellschafterin der A-GmbH, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert ist. Die M-GmbH überträgt einen 40%igen Anteil an der G-GmbH auf die A-GmbH.

Vorher:

Nachher:

M-GmbH

M-GmbH

80 %

90 %

A-GmbH

80 %

A-GmbH

50 % 40 %

G-GmbH

A-GmbH ist finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert.

G-GmbH

Die M-GmbH überträgt einen 40 %igen Anteil an der G-GmbH auf die A-GmbH.

1 Vgl. BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839.

Behrens

327

861

§ 1 Rz. 862 Erwerbsvorgänge 862

Nach mutmaßlicher Verwaltungsansicht folgt der Anteilsvereinigung auf Ebene der M-GmbH die Anteilsvereinigung im Organkreis nach. Nach Rz. 2.3.1 und 5.3 der Erlasse vom 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007 löst die Veräußerung des 40%igen Anteils an der G-GmbH durch die M-GmbH an die A-GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG aus. Anderer Ansicht war die OFD Münster in ihrer Verfügung vom 7.12.20001; deren (veraltete) Verwaltungsansicht wird in der Literatur nach wie vor vertreten2. M.E. sind nachher die M-GmbH und die A-GmbH anteilig Zurechnungssubjekte des Grundstücks der G-GmbH, so dass nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 GrEStG Steuer auf 40 % des Grundstückswertes ausgelöst worden ist (vgl. Rz. 847). In Bezug auf die von der M-GmbH vorher und nachher gehaltenen 50 % der Geschäftsanteile an der G-GmbH findet kein Rechtsträgerwechsel statt. M.E. schuldet nur die A-GmbH die Steuer auf 40 % des Grundstückswerts.

863

Variante: Ursprünglich hält die A-GmbH mindestens 90 % der Anteile an der G-GmbH. Die A-GmbH überträgt einen 40%igen Anteil an der G-GmbH auf die M-GmbH.

Vorher:

Nachher:

M-GmbH

M-GmbH 80 %

80 %

A-GmbH

A-GmbH 50 %

90 %

G-GmbH

A-GmbH ist finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert.

864

40 %

G-GmbH

Die A-GmbH überträgt einen 40 %igen Anteil an der G-GmbH auf die M-GmbH.

Nach mutmaßlicher Verwaltungsansicht folgt der Anteilsvereinigung auf Ebene der A-GmbH die Anteilsvereinigung im Organkreis nach, was nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer auf den vollen Grundstückswert auslösen soll. M.E. wird Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nur auf 40 % des Grundstückswerts ausgelöst (vgl. Rz. 847). In Bezug auf den restlichen 50%igen Anteil findet kein Rechtsträgerwechsel statt. M.E. ist nur die M-GmbH Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG (betr. Steuer auf 40 % des Grundstückswerts).

1 OFD Münster v. 7.12.2000 – S 4500-49-St 24-35, StEK § 1 GrEStG Nr. 153, Rz. 6.b). 2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1145, mit der Begründung, dass die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auch bereits zu der Zeit, als eine Organgesellschaft allein 95 % (ab 1.7.2021 90 %) der Anteile an ihr hielt, zum Organkreis gehört hätte.

328

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 868 § 1

9. Umfang des Organkreises Kein Rechtsträgerwechsel von den an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Mitgliedern eines Organkreises auf die Mitglieder eines anderen Organkreises liegt vor, wenn Anteile auf schon bisher in das herrschende Unternehmen oder neu in dieses herrschende Unternehmen eingegliederte Organgesellschaften übertragen werden.

865

Beispiel: In das Unternehmen der M-GmbH sind die jeweils 89%igen Tochtergesellschaften T1-GmbH und T2-GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert. Sowohl die M-GmbH als auch die T1-GmbH halten ursprünglich 50 % der Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH. Die T1-GmbH überträgt ihren 50%igen Anteil an der G-GmbH auf die T2-GmbH.

866

Vorher:

Nachher:

M-GmbH

M-GmbH

89 %

T1-GmbH 50 %

89 %

T2-GmbH 50 %

89 %

T1-GmbH 50 %

89 %

T2-GmbH 50 %

G-GmbH

G-GmbH

T1-GmbH und T2-GmbH sind finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert.

T1-GmbH überträgt ihren 50 %igen Anteil zu der G-GmbH auf die T2-GmbH.

Zwar sind die Anteile an der G-GmbH zunächst in der Hand der M-GmbH und des abhängigen Un- 867 ternehmens T1-GmbH und anschließend in der Hand des herrschenden Unternehmens M-GmbH und des abhängigen Unternehmens T2-GmbH vereinigt. Weil jedoch die M-GmbH vorher und nachher das herrschende Unternehmen ist, wird § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht verwirklicht. § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG wird auch dann nicht verwirklicht, wenn sämtliche Anteile an der grundbesitzenden G-GmbH auf andere in dasselbe herrschende Unternehmen eingegliederte Gesellschaften übertragen werden, vorausgesetzt, keine dieser Gesellschaften erwirbt alleine 90 % oder mehr der Anteile.

Behrens

329

868

§ 1 Rz. 869 Erwerbsvorgänge 869

Beispiel: Die M-GmbH hält jeweils 89%ige Beteiligungen an den T1 bis T4-GmbHs, die allesamt finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert sind. Zunächst sind die T1-GmbH zu 50 % und die T2-GmbH jeweils zu 49 % an der grundbesitzenden G-GmbH beteiligt. Die T1-GmbH und T2-GmbH übertragen ihre Anteile auf die T3-GmbH, die schon zuvor als sog. Altgesellschafterin einen 1 %-Anteil hielt, und auf die T4-GmbH.

89 %

Vorher:

Nachher:

M-GmbH

M-GmbH

89 %

89 %

T1-GmbH T2-GmbH

89 %

T3-GmbH T4-GmbH 49 %

50 %

1% G-GmbH

Die vier T-GmbHs sind finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der M-GmbH eingegliedert. T3-GmbH ist sog. Altgesellschafterin der G-GmbH.

870

89 %

89 %

89 %

T1-GmbH T2-GmbH

89 %

T3-GmbH T4-GmbH

1% + 49 % = 50 % 50 % G-GmbH

T1-GmbH und T2-GmbH übertragen ihre Anteile an der G-GmbH auf T3-GmbH und T4-GmbH.

Wegen der Identität des herrschenden Unternehmens fällt keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG an. Trotz des Austausches der an der G-GmbH beteiligten Organgesellschaften ist der Organkreis für die Zwecke von § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG derselbe geblieben. 10. Bloße Verstärkung von Beteiligungen an Grundstücks-Gesellschaften im Organkreis oberhalb von 90 % (bzw. 95 %)

871

Bei bereits bestehender Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einem Organkreis lösen Aufstockungen der Beteiligungen der an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Organkreismitglieder oberhalb von 90 % bzw. oberhalb von 95 % keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 letzte Var. i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG aus1.

872

Beispiel: An der grundbesitzenden G-GmbH sind die T1-GmbH zu 50 %, T2-GmbH zu 40 % und die im Alleinbesitz von F stehende 3-GmbH zu 10 % beteiligt. T1-GmbH und T2-GmbH sind finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der MG eingegliedert. T2-GmbH erwirbt einen 3%igen Anteil an der G-GmbH von der T3-GmbH hinzu:

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG in Organschaftsfällen v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Rz. 3.2.

330

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Nachher:

Vorher:

MG

F

75 %

60 %

T1-GmbH

T2-GmbH

Organkreis

MG 100 %

T3-GmbH

F

75 %

60 %

T1-GmbH

T2-GmbH

Organkreis

40 %

50 %

Rz. 874 § 1

10 %

100 %

T3-GmbH

40 % + 3% = 43 % 50 %

G-GmbH

G-GmbH

10 % − 3% = 7%

Weil bereits vorher 90 % der Anteile an der G-GmbH von T1-GmbH und T2-GmbH als in dasselbe herrschende Unternehmen eingegliederte und juristische Personen gehalten wurden, führt die Aufstockung auf 93 % nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer1.

Dasselbe gilt, wenn die Verstärkung der im Organkreis gehaltenen Beteiligungen an der GrundstücksGesellschaft dadurch erfolgt, dass eine bisher bis zu maximal 10 % an der Grundstücks-Gesellschaft beteiligte externe Gesellschaft durch Erwerb von Anteilen an dieser externen Gesellschaft durch den Organträger zum Organkreismitglied wird:

873

874 Nachher:

Vorher:

MG

F

75 %

60 %

T1-GmbH

T2-GmbH

Organkreis

100 %

T3-GmbH

10 %

G-GmbH

F

75 %

60 %

T1-GmbH

T2-GmbH

Organkreis

40 %

50 %

MG

49 %

51 %

T3-GmbH

40 %

50 %

10 %

G-GmbH

1 Vgl. BFH v. 23.3.1977 – II R 18/74, BStBl. II 1977, 565, dessen Grundsätze im Fall der Anteilsvereinigung im Organkreis entsprechend gelten. Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse v. 2.12.2999, BStBl. I 1999, 991, Anm. 1.

Behrens

331

§ 1 Rz. 874 Erwerbsvorgänge Weil bereits vorher T1-GmbH und T2-GmbH als in dasselbe herrschende Unternehmen eingegliederte abhängige Unternehmen 90 % der Anteile an der G-GmbH hielten, führt der Erwerb von 51 % durch MG an der T3GmbH und die gleichzeitige wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der T3-GmbH in das Unternehmen der MG auch auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer.

XII. Abs. 3 und Anwendbarkeit von §§ 5, 6 GrEStG 1. Vereinigung aller Anteile einer Grundstücks-KG in einer Hand und Nichterhebung der Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG 875

Den Tatbeständen in § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG liegt die Fiktion der Übertragung des Grundstücks von der das Grundstück haltenden Gesellschaft auf denjenigen Gesellschafter zugrunde, der mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär1 mindestens 95 %) der Anteile an der Gesellschaft, zu deren Vermögen das Grundstück gehört, in seiner Hand vereinigt2. Bei teilweise unmittelbaren, teilweise mittelbaren Anteilsvereinigungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG in Bezug auf Grundstücks-Personengesellschaften führt dies zur grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 6 Abs. 2 GrEStG3. Seinem Wortlaut nach setzt § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG den zivilrechtlichen Übergang des Grundstücks von der Gesamthand auf den Gesamthänder voraus. Die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 2 GrEStG ist jedoch auch in dem Fall allgemein anerkannt, dass das Grundstück zivilrechtlich bei der Gesamthand verbleibt und aufgrund Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG der Übergang des Grundstücks von der Gesamthand auf den Gesamthänder für grunderwerbsteuerrechtliche Zwecke fingiert wird4.

876

Beispiel: An der Grundstücks-KG sind ursprünglich die A-GmbH als Kommanditist zu 100 % und die KomplementärGmbH zu 0 % beteiligt. Die A-GmbH ist alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Im Jahr 01 überträgt die A-GmbH die 100%ige Beteiligung an der Komplementär-GmbH und einen 89%igen Kommanditanteil auf die B-GmbH. Im Jahr 17 wird die A-GmbH auf die B-GmbH verschmolzen. Die KG optiert nicht zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG.

1 Vgl. § 23 Abs. 21 GrEStG. 2 Demgegenüber wird bei den Tatbeständen in § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG die Übertragung des Gesellschaftsgrundstücks vom Veräußerer der bereits vereinigten Anteile auf den Erwerber dieser Anteile fingiert, in dessen Hand die Anteile i.H.v. mind. 90 % (bis 30.6.2021 mind. 95 %) vereinigt bleiben; vgl. BFH v. 2.2.1955 – II 215/54 S, BStBl. III 1955, 90. 3 Vgl. gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773, jeweils Rz. 3. Eine Ausnahme gilt insoweit, als ein Gesamthänder – im Falle der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von 15 Jahren (bis 30.6.2021 innerhalb von fünf Jahren und auch danach innerhalb von fünf Jahren, wenn die Fünf-Jahres-Mindest-Vorbehaltens-Frist spätestens am 30.6.2021 24 Uhr abgelaufen ist) vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat; vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F. bzw. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. 4 Vgl. z.B. FinMin. Bad.-Württ. v. 18.12.2009 – 3 – S 4505/18, StEK § 1 GrEStG Nr. 189, Anmerkung b): „Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG können hiernach gleichzeitig sowohl nach einer personenbezogenen Befreiungsvorschrift als auch nach § 6 GrEStG (unter Beachtung der Beschränkungen des § 6 Abs. 4 GrEStG) begünstigt sein“.

332

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Ausgangsstruktur: A-GmbH

Jahr 01: A-GmbH

Jahr 17: B-GmbH

100 %

Kompl.GmbH

0% KG

11 %

89 % KG

100 % Kompl.GmbH

0% 100 %

B-GmbH

100 % Kompl.GmbH

Rz. 878 § 1

0%

100 %

KG

Weil die Anteilsübergänge auf die B-GmbH über einen längeren Zeitraum als zehn Jahren stattfinden und die B-GmbH nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Erwerb der 89%igen Kommanditbeteiligung zum sog. Alt-Gesellschafter wird1, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nicht verwirklicht2. Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung setzt dies zudem voraus, dass die A-GmbH im Jahr 01 und während der auf das Anteilsgeschäft im Jahr 01 folgenden zehn Jahre nicht nur das rechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum an dem von ihm zurückbehaltenen 11%igen Kommanditanteil behält3.

877

Im Jahr 17 wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 2 ausgelöst. Dem liegt die Fiktion des Übergangs 878 des KG-Grundstücks von der KG auf die B-GmbH zugrunde. Überträgt eine Gesamthand ihr Grundstück auf einen ihrer Gesamthänder, bleibt die Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 2 in Höhe des Quantums unerhoben, zu dem der erwerbende Gesamthänder an der KG beteiligt ist4. Zwar beträgt die Beteiligung ab dem Jahr 17 100 %. Die Befreiung nach § 6 Abs. 2 steht jedoch gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 nur i.H.v. 89 % zur Verfügung, weil nur in Bezug auf diesen Anteil bereits seit fünfzehn Jahren eine Beteiligung der B-GmbH an der KG besteht. In Höhe des restlichen 11%igen Anteils steht der Befreiung nach § 6 Abs. 2 die Nichteinhaltung der vorgelagerten Mindesthalte-Frist von fünfzehn Jahren gem. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG entgegen, weil die B-GmbH den restlichen 11%igen Anteil an der Gesamthand erst mit Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 – und damit innerhalb der letzten fünfzehn Jahre vor dem fingierten Grundstückserwerb durch die B-GmbH – durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.1.1, und auch OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.3 („Gesellschafter, die unmittelbar oder mittelbar vor dem Beginn des Fünfjahreszeitraums eingetreten sind“). 2 Das im Jahr 17 bewirkte Anteilsgeschäft löst eine Anteilsverschiebung unter Altgesellschaftern aus. Diese fällt nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Rz. 5.2.1.1, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Rz. 2.1 erster Satz. 3 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 = BFH/NV 2014, 1667 = BFHE 246, 215. Danach soll unter Rückgriff auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (unter Beachtung vom BFH nicht näher erläuterter grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten) eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligt bleibenden Altgesellschafters folgen können, so dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (Neu-Gesellschafter) zuzurechnen sei. Gegen die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO bei den mittelbare Anteilsgeschäfte betreffende Grunderwerbsteuer-Tatbeständen vgl. Behrens/Bielinis, DStR 2014, 2369. Vgl. oben Rz. 359 ff. 4 Vgl. gleichlautende Länder-Erlässe v. 19.9.2018, 1069, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 6.3.2013, BStBl. I 2013, 773, jeweils Rz. 3.

Behrens

333

§ 1 Rz. 879 Erwerbsvorgänge 879

Am 17.8.2021 wurde das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)1 veröffentlicht, das am 1.1.2024 in Kraft treten und das bisher den Personengesellschaftern zugeordnete Gesamtheitsvermögen von Personenaußengesellschaften gem. § 713 BGB n.F. durch ein eigenes Gesellschaftsvermögen bzw. ein der Gesellschaft als solcher zugeordnetes Gesamtheitsvermögen ersetzen wird. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist davon auszugehen, dass im Falle der nach 2023 verwirklichten Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG keine Nicht-Erhebung nach § 6 Abs. 2 GrEStG mehr zur Verfügung stehen, sondern es zur vollständigen Besteuerung des Anteilserwerbers kommen wird. Allerdings ist die weitere Gesetzgebungsentwicklung abzuwarten. 2. Nachversteuerung nach § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG führende Anteilserwerbe

880

Anteilsübergänge, die zur späteren Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG beitragen, führen, sofern sie innerhalb der Zehn-Jahres-Frist i.S.v. § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG n.F.2 nach Übertragung eines Grundstücks durch einen Personengesellschafter auf die Personengesellschaft erfolgen, in Bezug auf die sich später die Anteilsvereinigung vollzieht, zur nachträglichen Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf die Übertragung des Grundstücks auf die Personengesellschaft. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Anteilsübergang, der zur Verminderung des Anteils des Personengesellschafters, der ein Grundstück auf die Personengesellschaft übertragen hatte, am Vermögen der Gesamthand führt, selbst Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG auslöst.

881

Beispiel: Im Jahr 01 überträgt die A-GmbH ein Grundstück auf die KG, an der sie gesamthänderisch zu 50 % beteiligt ist. Die A-GmbH hält auch die Hälfte der Anteile an der Komplementär-GmbH. Die restliche 50%ige Beteiligung hält jeweils die B-GmbH. Im Jahr 02 wird A-GmbH auf die B-GmbH verschmolzen3. Die KG optiert nicht zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG.

Jahr 01: A-GmbH

Jahr 02: B-GmbH

50 %

50 %

A-GmbH

B-GmbH 50 % +50 % 100 %

50 %

K-GmbH

K-GmbH

0%

0%

50 %

50 % KG

Die A-GmbH überträgt ihr Grundstück auf die OHG.

50 % KG

50 % +50 % 100 %

Die A-GmbH wird auf die B-GmbH verschmolzen

1 BGBl. I 2021, 3436. 2 Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG sind die Neufassungen von § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (Zehn-JahresNachbehalte-Fristen) nur anwendbar, wenn der Erwerbsvorgang (hier die steuerbare Grundstücksübertragung auf die Gesamthand) nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden ist. A.A. die Finanzverwaltung, wenn der Erwerbsvorgang nach dem 30.6.2016 stattgefunden hat, weil dann die Fünf-Jahres-Frist i.S.v. § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. am 30.6.2021 noch nicht abgelaufen ist. Dazu, dass diese Verwaltungsansicht rechtswidrig ist, vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2021, 348. 3 Vgl. Erlass zu §§ 5, 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Rz. 7.9.

334

Behrens

G. Anteilsvereinigung (Abs. 3)

Rz. 884 § 1

Im Jahr 01 bleibt die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 2 882 GrEStG i.H.v. 50 % unerhoben. Denn in dieser Höhe ist die A-GmbH unmittelbar gesamthänderisch am Vermögen der KG beteiligt. Die Verschmelzung im Jahr 02 löst auf Ebene der B-GmbH die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG aus. Dies führt zur Fiktion des Übergangs des Grundstücks der KG auf die B-GmbH. In Höhe von 50 % bleibt die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer unerhoben, weil die B-GmbH bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die KG i.H.v. 50 % gesamthänderisch an der KG beteiligt gewesen ist. In Bezug auf die im Jahr 02 durch die Verschmelzung auf die B-GmbH übergegangene 50%ige Beteiligung scheidet eine rückwirkende Festsetzung von Grunderwerbsteuer auf den Grundstücksübergang auf die KG nach § 5 Abs. 3 GrEStG aus, weil dieser Anteilsübergang selbst grunderwerbsteuerbar ist, und zwar nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. In Bezug auf diese 50 % ist § 6 Abs. 2 GrEStG nicht anwendbar. Die weitere Überwachung nach § 5 Abs. 3 GrEStG endet mit der Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.

XIII. Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer 1. Grundsatz Nach § 38 AO entsteht der Steueranspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Die Grunderwerbsteuer entsteht, sobald ein steuerbarer Erwerb verwirklicht ist1. Im Grunderwerbsteuerrecht wird zwischen der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs2 und der Verwirklichung des Erwerbs als Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer unterschieden3. Bei aufschiebend bedingten und genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften verschiebt § 14 GrEStG den Zeitpunkt der Steuerentstehung – im Grundsatz nicht aber den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs – auf den Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung.

883

2. Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG knüpfen an „Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übertragung von 884 Anteilen begründen“, an. Diese Vorschriften sind damit einschlägig, wenn der zu beurteilende Anteilserwerb auf einem Verpflichtungsgeschäft beruht4. Insoweit ist für die Entstehung der Grunderwerbsteuer grundsätzlich der Zeitpunkt entscheidend, zu dem zivilrechtlich ein unbedingt wirksamer Anspruch auf Übertragung von Anteilen entsteht5.

1 Vgl. z.B. Ratschow in Klein15, § 38 AO Rz. 35. 2 Der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist gem. § 23 GrEStG und nach den Landesgesetzen betr. Steuersatz der gesetzliche Anknüpfungspunkt für den zeitlichen Anwendungsbereich grunderwerbsteuergesetzlicher Änderungen. Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137: „Für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht der Eigentumsübergang der Steuer unterliegt, sondern bereits die rechtsgeschäftliche Begründung eines Anspruchs auf Übereignung, hat der BFH ausgesprochen, dass ein Erwerbsvorgang dann i.S.d. § 23 GrEStG verwirklicht worden ist, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (BFH v. 17.9.1986 – II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl. II 1987, 35). Er ist dabei von der Unterscheidung zwischen dem Erwerbsvorgang einerseits und dem Erwerb als dem auf Seiten des Erwerbers eintretenden Erfolg des Erwerbsvorgangs, wie er in den Befreiungsvorschriften der §§ 3 und 4 GrEStG angesprochen ist, andererseits ausgegangen.“ 3 Vgl. z.B. Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 3 und § 23 GrEStG Rz. 3. 4 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Einbringungen, A. Einleitung Rz. 12; Zöllner in Lippross, § 1 GrEStG Rz. 78. 5 Vgl. BFH v. 26.2.1975 – II R 130/67, BStBl. II 1975, 456, Leitsatz: „Eine Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Erwerbers i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG 1940 lässt sich nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten annehmen; sie liegt nur vor, wenn der Erwerber einen Rechtsanspruch auf Abtretung der Gesellschaftsanteile hat, die sich nicht bereits in seiner Hand befinden.“ Dieses Urteil ist auch noch unter der Geltung des GrEStG 1983 relevant; vgl. Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4.

Behrens

335

§ 1 Rz. 885 Erwerbsvorgänge 3. Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 885

§ 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG betreffen Erwerbsvorgänge ohne vorangegangenes anteilsbezogenes Verpflichtungsgeschäft1. § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG erfasst damit Anteilsübergänge kraft Gesetzes, z.B. im Wege der Verschmelzung2. Ein Umwandlungsvertrag (z.B. Verschmelzungsvertrag) wird nicht als ein Rechtsgeschäft angesehen, das den Anspruch auf Übertragung von Vermögensgegenständen (d.h. im hier relevanten Fall: von Gesellschaftsanteilen) begründet3. Im Falle der Umwandlung wird durch den Abschluss des der Umwandlung zugrunde liegenden Vertrags und der Fassung der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen noch kein Grunderwerbsteuer-Tatbestand verwirklicht4.

886

Bei § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG fallen die Zeitpunkte der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs und der Entstehung der Grunderwerbsteuer stets zusammen5.

887

Die Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG entsteht mithin im Zeitpunkt der Verwirklichung der dort beschriebenen Tatbestandsmerkmale6, also des dinglichen Eintritts der rechtlichen Vereinigung der Anteile. Diese tritt bei der Verschmelzung im Zeitpunkt der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) ein7, bei Spaltung im Zeitpunkt der Eintragung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

H. Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung von mind. 90 % bzw. bis 30.6.2021 und gem. § 23 Abs. 22 GrEStG subsidiär ab 1.7.2021 95 % (Abs. 3a) Literatur: Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens, Neue RETT-Blocker-Vermeidungsvorschrift in § 1 Abs. 3a durch AmtshilfeRLUmsG, DStR 2013, 1405; Behrens, Schlussfolgerungen aus den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 3a und § 6a GrEStG n.F. vom 9.10.2013, DStR 2013, 2726; Behrens/Morgenweck, Anmerkungen zum Erlass-Entwurf betreffend § 1 Abs. 3a GrEStG, BB 2013, 2839; Behrens/Bielinis, Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 oder Abs. 3a GrEStG infolge anteilsbezogener Zwischengeschäfte?, UVR 2015, 91; Dorn/Galke, (Anteilige) Steuerbefreiung für den Erwerb wirtschaftlicher Beteiligungen i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG?!, DStR 2013, 2365; Glutsch/Meining, Umstrukturierungs- und Transaktionshindernisse für bestehende „RETT-Blocker-Strukturen“, GmbHR 2013, 743; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG; Kritik an Nr. 6, Beispiel 11 des gleichlautenden Ländererlasses vom 9.10.2013, UVR 2014, 31; Heine, RETT-Blocker – Nach Erhöhung der Steuersätze nun auch Verbreiterung der Besteuerungsbasis; UVR 2013, 152; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG, UVR 2014, 31; Joisten/Liekenbrock, Die neue Anti-RETT-Blockerregelung nach § 1 Abs. 3a GrEStG, Ubg 2013, 469; Joisten/Liekenbrock, Der Ländererlass zu § 1 Abs. 3a GrEStG – geregelte und ungeregelte Fälle, Ubg 2013, 743; Illing, Das Ende der Gestaltungsmodelle mit RETT-Blocker-Strukturen in der Grunderwerbsteuer durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, DStZ 2013, 504; Mayer/Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Mies/ 1 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Einbringungen, A. Einleitung, Rz. 12; Zöllner in Lippross, § 1 GrEStG Rz. 78. 2 Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 324. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 47. 4 Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. Der Leitsatz dieses Urteils lautet wie folgt: „Tritt bei Umwandlungen kraft Gesetzes ein Eigentumsübergang an Grundstücken ein, liegt ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, der mit der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister verwirklicht ist. Der Umwandlungsvertrag sowie die erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse ergeben weder einzeln noch zusammen einen früheren Zeitpunkt der Verwirklichung.“ Zwar trete mit Billigung des Umwandlungsvertrags durch sämtliche zu beteiligenden Anteilsinhaber – Beachtung der vorgeschriebenen Form unterstellt – eine Bindung dergestalt ein, dass die Anteilsinhaber untereinander gebunden und die Leitungsorgane der beteiligten Rechtsträger angewiesen sind, die Umwandlung durchzuführen; dabei handele es sich aber um einzelne Schritte des (aus mehreren Teilakten bestehenden) Umwandlungsverfahrens, die auch in ihrer Gesamtheit noch keinen Grunderwerbsteuertatbestand berühren. Die einzelnen Schritte sind zwar jeder für sich rechtsgeschäftlicher Natur, jedoch weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Rechtsgeschäfte des in § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG angesprochenen Inhalts. 5 Vgl. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 5. 6 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3. 7 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 220; Halaczinsky, UVR 2015, 300 (303).

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Behrens

§ 1 Rz. 885 Erwerbsvorgänge 3. Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 885

§ 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG betreffen Erwerbsvorgänge ohne vorangegangenes anteilsbezogenes Verpflichtungsgeschäft1. § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG erfasst damit Anteilsübergänge kraft Gesetzes, z.B. im Wege der Verschmelzung2. Ein Umwandlungsvertrag (z.B. Verschmelzungsvertrag) wird nicht als ein Rechtsgeschäft angesehen, das den Anspruch auf Übertragung von Vermögensgegenständen (d.h. im hier relevanten Fall: von Gesellschaftsanteilen) begründet3. Im Falle der Umwandlung wird durch den Abschluss des der Umwandlung zugrunde liegenden Vertrags und der Fassung der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen noch kein Grunderwerbsteuer-Tatbestand verwirklicht4.

886

Bei § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG fallen die Zeitpunkte der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs und der Entstehung der Grunderwerbsteuer stets zusammen5.

887

Die Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG entsteht mithin im Zeitpunkt der Verwirklichung der dort beschriebenen Tatbestandsmerkmale6, also des dinglichen Eintritts der rechtlichen Vereinigung der Anteile. Diese tritt bei der Verschmelzung im Zeitpunkt der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) ein7, bei Spaltung im Zeitpunkt der Eintragung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

H. Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung von mind. 90 % bzw. bis 30.6.2021 und gem. § 23 Abs. 22 GrEStG subsidiär ab 1.7.2021 95 % (Abs. 3a) Literatur: Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens, Neue RETT-Blocker-Vermeidungsvorschrift in § 1 Abs. 3a durch AmtshilfeRLUmsG, DStR 2013, 1405; Behrens, Schlussfolgerungen aus den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 3a und § 6a GrEStG n.F. vom 9.10.2013, DStR 2013, 2726; Behrens/Morgenweck, Anmerkungen zum Erlass-Entwurf betreffend § 1 Abs. 3a GrEStG, BB 2013, 2839; Behrens/Bielinis, Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 oder Abs. 3a GrEStG infolge anteilsbezogener Zwischengeschäfte?, UVR 2015, 91; Dorn/Galke, (Anteilige) Steuerbefreiung für den Erwerb wirtschaftlicher Beteiligungen i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG?!, DStR 2013, 2365; Glutsch/Meining, Umstrukturierungs- und Transaktionshindernisse für bestehende „RETT-Blocker-Strukturen“, GmbHR 2013, 743; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG; Kritik an Nr. 6, Beispiel 11 des gleichlautenden Ländererlasses vom 9.10.2013, UVR 2014, 31; Heine, RETT-Blocker – Nach Erhöhung der Steuersätze nun auch Verbreiterung der Besteuerungsbasis; UVR 2013, 152; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG, UVR 2014, 31; Joisten/Liekenbrock, Die neue Anti-RETT-Blockerregelung nach § 1 Abs. 3a GrEStG, Ubg 2013, 469; Joisten/Liekenbrock, Der Ländererlass zu § 1 Abs. 3a GrEStG – geregelte und ungeregelte Fälle, Ubg 2013, 743; Illing, Das Ende der Gestaltungsmodelle mit RETT-Blocker-Strukturen in der Grunderwerbsteuer durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, DStZ 2013, 504; Mayer/Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Mies/ 1 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Einbringungen, A. Einleitung, Rz. 12; Zöllner in Lippross, § 1 GrEStG Rz. 78. 2 Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 324. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 47. 4 Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. Der Leitsatz dieses Urteils lautet wie folgt: „Tritt bei Umwandlungen kraft Gesetzes ein Eigentumsübergang an Grundstücken ein, liegt ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, der mit der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister verwirklicht ist. Der Umwandlungsvertrag sowie die erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse ergeben weder einzeln noch zusammen einen früheren Zeitpunkt der Verwirklichung.“ Zwar trete mit Billigung des Umwandlungsvertrags durch sämtliche zu beteiligenden Anteilsinhaber – Beachtung der vorgeschriebenen Form unterstellt – eine Bindung dergestalt ein, dass die Anteilsinhaber untereinander gebunden und die Leitungsorgane der beteiligten Rechtsträger angewiesen sind, die Umwandlung durchzuführen; dabei handele es sich aber um einzelne Schritte des (aus mehreren Teilakten bestehenden) Umwandlungsverfahrens, die auch in ihrer Gesamtheit noch keinen Grunderwerbsteuertatbestand berühren. Die einzelnen Schritte sind zwar jeder für sich rechtsgeschäftlicher Natur, jedoch weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Rechtsgeschäfte des in § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG angesprochenen Inhalts. 5 Vgl. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 5. 6 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3. 7 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12, Rz. 220; Halaczinsky, UVR 2015, 300 (303).

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Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 889 § 1

Greskamp, Grunderwerbsteuer bei Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils – Praxisrelevante Fragestellungen nach dem BFH-Urteil vom 12.5.2016 – II R 26/14, DStR 2016, 2741; Mückl/München, Das Benennungsrecht des Erwerbers im Rahmen von M&A-Transaktionen als „Grunderwerbsteuerfalle“? Zugleich Anmerkung zum Urteil des FG Köln vom 26.3.2014 – 5 K 235/11; Schaflitzl/Schrade, Die geplante „Anti-RETTBlocker“-Regelung im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2013, 343; Schanko, Gesetz zur Besteuerung von RETT-Blocker-Gestaltungen, UVR 2013, 215; Schanko, Der Anwendungserlass zum neuen Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG, UVR 2014, 44; Schober/Kuhnke, Die „Anti-RETT-Blocker“-Regelung des § 1 Abs. 3a GrEStG, NWB 2013, 2225; Tiede, Grunderwerbsteuertatbestände bei grundbesitzenden Gesellschaften, StuB 2014, 571; Wagner/Mayer, Der neue § 1 Abs. 3a GrEStG als „Super-Auffangtatbestand“? – Offene Fragen nach den gleichlautenden Erlassen der Länder vom 9.10.2013, BB 2014, 279; Wagner/Lieber, Änderungen bei der GrESt: Vermeidung von RETT-Blockern und Erweiterung von § 6a GrEStG, DB 2013, 1387; Wagner/Lieber, GrESt bei share deals: Erwartete Klarstellung zur § 1 Abs. 3a GrEStG durch die Finanzverwaltung, DB 2013, 2295; Wischott/Keller/Graessner/Bakeberg, Auswirkungen des § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. auf die Transaktionspraxis, DB 2013, 2235.

I. Überblick 1. Erweiterung der Anteilsvereinigung gegenüber Abs. 3 Weil der Gesetzgeber der Meinung war, dass das Erfordernis der (bis 30.6.2021 und danach subsidiär) 888 mindestens 95%igen Beteiligung an zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften und das (bis zur Änderung der Rechtsprechung des BFH bestehende) Erfordernis der in der Praxis 100%igen Beteiligung an zwischengeschalteten Personengesellschaften1 und grundbesitzenden Personengesellschaften als Voraussetzung für die Verwirklichung der mittelbaren bzw. unmittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG zu viel Gestaltungsspielraum ließ, wurde mit Wirkung ab dem 7.6.20132 als sog. Anti-RETT-Blocker-Regelung § 1 Abs. 3a GrEStG eingefügt. Als Anteilsvereinigung i.S.v. Abs. 3 gilt danach auch ein Rechtsvorgang, aufgrund dessen ein Rechtsträger durchgerechnet – sowie bei grundbesitzenden Personengesellschaften unmittelbar zu mindestens 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %, danach 90 % und subsidiär weiterhin 95 %3) am Gesellschaftsvermögen – beteiligt wird. Mit dem Merkmal „Rechtsvorgang“ sind ausschließlich Erwerbe von Anteilen an Gesellschaften gemeint, zu deren Vermögen entweder ein inländisches Grundstück oder Anteile an anderen Gesellschaften gehören, die ihrerseits unmittelbar und/oder mittelbar an grundbesitzenden Gesellschaften beteiligt sind. Besteuert werden soll jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die (m.E. erstmalige) Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks zum Inhaber der mindestens 90%igen (vor dem 1.7.2021: 95%igen, danach 90%igen und subsidiär weiterhin 95%igen4) sog. wirtschaftlichen Beteiligung5. § 1 Abs. 3a GrEStG beinhaltet im Vergleich zu Abs. 3 die folgenden Erweiterungen: – Betr. unmittelbare Beteiligungen an der Grundstücks-Personengesellschaft: Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG wiegt bezogen auf die Fallgruppe der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung bei grundbesitzenden Personengesellschaften nach derzeit noch

1 Dass der BFH mit Urt. v. 12.3.2014 – II R 51/12, BFH/NV 2014, 1315, BStBl. II 2016, 356 in Bezug auf zwischengeschaltete Personengesellschaften, zu deren Vermögen selbst keine inländischen Grundstücke gehören, seine Rechtsprechung ändern und diese Änderung mit Urt. v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667 und mit Urt. v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315 bestätigen würde, war bei Verabschiedung von § 1 Abs. 3a durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 noch nicht absehbar; vgl. Rz. 738 ff. Aufgrund dieser Rechtsprechungsänderung ist der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG erheblich kleiner als vom Gesetzgeber gedacht; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1183. Nach vom FG Düsseldorf im Urt. v. 25.3.2021 – 11 K 2137/20 GE, EFG 2021, 993, geäußerter Ansicht liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber die sich aus der Rechtsprechungs-Änderung ergebende Rechtsfolge, wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte, im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO dahingehend geregelt hätte, dass im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG die sog. Pro-KopfBetrachtung auf Ebene zwischengeschalteter Personengesellschaften gilt; vgl. a.a.O., Rz. 28. 2 Vgl. § 23 Abs. 11 GrEStG. 3 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 4 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 5 Vgl. BR-Drucks. 139/13, 218.

Behrens

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889

§ 1 Rz. 889 Erwerbsvorgänge aufrechterhaltener Verwaltungsansicht1 jede Beteiligung am Gesamthandsvermögen einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft gleichviel (sog. Pro-Kopf-Betrachtung)2, und zwar unabhängig davon, welche Vermögensrechte nach dem Gesellschaftsvertrag mit der betreffenden Gesamthandsbeteiligung verbunden sind. Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG ist demgegenüber für die Beteiligungsquote der prozentuale Anteil am Vermögen der Personengesellschaft entscheidend, der durch die Gesamthandsbeteiligung vermittelt wird. Dass im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG die sog. Pro-Kopf-Betrachtung auch dann gelten würde, wenn das Grundstück nicht zum Vermögen der Personengesellschaft gehört, die Personengesellschaft vielmehr nur Anteile an der das Grundstück haltenden Gesellschaft hält, war bis zum Ergehen des BFH-Urteils vom 12.3.20143 allgemeine Meinung4. Nach dem BFH-Urteil vom 12.3.20145 jedoch soll eine zwischengeschaltete Personengesellschaft im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG ebenso zu behandeln sein wie eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft und es deshalb für die Bestimmung der Quote auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital ankommen mit der Folge, dass der von der zwischengeschalteten Personengesellschaft gehaltene Anteil demjenigen ihrer Gesellschafter vollständig zuzurechnen sei, der mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile am Kapital der zwischengeschalteten Personengesellschaft hält6. Auch wenn die Finanzverwaltung die Grundsätze in Rz. 20 des BFH-Urteils II R 51/12 durch Veröffentlichung eines Nichtanwendungs-Erlasses zunächst abgelehnt hatte, war dieses Urteil in der Praxis zu beachten, und zwar nicht ausschließlich bei Einheits-GmbH & Co. KGs7. Der BFH hat die Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung für zwischengeschaltete Personengesellschaften im Urteil v. 27.9.2017 – II R 41/158 bestätigt. Daraufhin hat auch die Finanzverwaltung ihre Auffassung geändert und sich der Meinung des BFH angeschlossen9. Die ursprünglichen gleichlautenden Ländererlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG vom 9.10.201310 wurden durch die gleichlautenden Ländererlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG vom 19.9.201811 ersetzt. Einzige inhaltliche Änderung ist die Übernahme der Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung in Bezug auf zwischengeschaltete Personengesellschaften in den entsprechend abgewandelten Beispielen fünf: während in den Erlassen vom 9.10.2013 die vermögensmäßig 0%ige Beteiligung des fremden an der zwischengeschalteten, zu 5,1 % an der grundbesitzenden GmbH beteiligten Personengesellschaft genügten, um eine Zurechnung des von der zwischengeschalteten Personengesellschaft gehaltenen 5,1%igen Anteils an der grundbesitzenden GmbH zum zu 100 % am Vermögen der zwischengeschalteten 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021 zu den Übergangsregelungen des GrEStÄndG vom 12.5.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 14. 2 Vgl. BFH v. 26.7.1995 – II R 68/92, BStBl. II 1995, 736; v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. In Bezug auf zwischengeschaltete Personengesellschaften hat der BFH die sog. Pro-Kopf-Betrachtung in den Urteilen BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356, und v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667, aufgegeben. Mit Urteil v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, hat er die sog. Pro-Kopf-Betrachtung bei § 1 Abs. 3 GrEStG auch in Bezug auf unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehende Beteiligungen aufgegeben, allerdings bisher nur für die Fallgruppe der mittelbaren Anteilsvereinigung in Tz. 21 des Urteils v. 27.5.2020, a.a.O., kündigt der BFH jedoch die Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung auch für die Fallgruppe der unmittelbaren Anteilsvereinigung an. Die Finanzverwaltung hält vorerst für die Fallgruppe der unmittelbaren Anteilsvereinigung an der sog. für die Pro-Kopf-Betrachtung fest, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, z.B. in Beispiel 14. 3 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. 4 Vgl. auch Beispiel 5 in Rz. 5 des gleichlautenden Ländererlasses zu § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364. Vgl. auch BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. Die Erlasse zu § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013 wurden durch die gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, ersetzt. 5 Vgl. oben in Rz. 738 ff.; BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356. 6 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = BFH/NV 2014, 1315 = BFHE 245, 381. 7 Vgl. Rz. 735 ff.; Graessner, NWB 2014, 2939, wollte die Bedeutung des BFH-Urteils II R 51/12 auf grundbesitzende Einheits-GmbH & Co. KGs beschränken. 8 Vgl. BStBl. II 2018, 667. 9 Vgl. u.a. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, insbesondere Beispiele 5 und 6. 10 Vgl. BStBl. I 2013, 1364. 11 Vgl. BStBl. I 2018, 1078.

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H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 893 § 1

Personengesellschaft beteiligten Mehrheitsgesellschafters auszuschließen, entfällt die Zurechnung des von der zwischengeschalteten Personengesellschaft gehaltenen 5,1%igen Anteils an der grundbesitzenden Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG nach den Erlassen vom 19.9.2018, Beispiele 5 und 6, nur unter der Voraussetzung, dass der Fremde zu mehr als 5 % (ab dem 1.7.2021: zu mehr als 10 %) am Vermögen der zwischengeschalteten Personengesellschaft beteiligt ist1. – Betr. „mittelbare Beteiligungen“ an der Grundstücks-Personen- oder Kapitalgesellschaft (grund- 890 erwerbsteuerrechtlicher Zweckbegriff): Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG wird ein von einer zwischengeschalteten Gesellschaft gehaltener Anteil an einer Grundstücks-Gesellschaft dem Obergesellschafter nur – dann allerdings vollständig, d.h. nicht nur zu 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %) – zugerechnet, wenn der Obergesellschafter mindestens 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %) der Anteile an der zwischengeschalteten Gesellschaft hält2. Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG erfolgt demgegenüber eine „Durchrechnung Prozent von Prozent“ unabhängig von einer Mindest-Beteiligungshöhe (wobei sich die Prozentzahlen auf den Anteil am Kapital der jeweiligen Kapitalgesellschaft bzw. auf den gesamthänderisch vermittelten Anteil am Vermögen der jeweiligen Personengesellschaft bezieht). In der Praxis schafft diese Durchrechnung (Prozent am Kapital oder Vermögen von Prozent am Kapital oder Vermögen) ohne Mindestbeteiligung an zwischengeschalteten Gesellschaften erhebliches Risikopotential, weil mittelbare Kleinstbeteiligungen in Konzernstrukturen den mit der Grunderwerbsteuer befassten Mitarbeitern der Steuerabteilung möglicherweise nicht bekannt sind. Im Gesetzeswortlaut wird der Begriff der sog. wirtschaftlichen Beteiligung verwandt. Obwohl dieser Begriff den Eindruck erweckt, dass Abs. 3a eine weite wirtschaftliche Betrachtung erlaubt, ist jedoch eine über die beiden genannten Erweiterungen hinausgehende Ausweitung des Tatbestands der Anteilsvereinigung nicht feststellbar. Auch das Innehaben einer mindestens 90%igen, vor dem 1.7.2021 mindestens 95%igen (und nach dem 30.6.2021 subsidiär weiterhin mindestens 95%igen) sog. wirtschaftlichen Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft ist eine rechtliche Anteilsvereinigung3. Insbesondere bleibt es dabei, dass schuldrechtliche Beziehungen wie z.B. Darlehensverträge einschließlich partiarischer Darlehen und atypisch oder typisch stille Beteiligungen sowie Genussrechte keine grunderwerbsteuerrechtliche Bedeutung haben4. Auch ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3a GrEStG durch Anwendung von § 42 AO unzulässig5.

891

2. Gesetzeshistorie Mit Wirkung für Erwerbsvorgänge ab dem 7.6.20136 ist die sog. Anti-RETT-Blocker-Regelung in § 1 Abs. 3a GrEStG in Kraft getreten. Die maßgebliche Beteiligungsschwelle lag bis 30.6.2021 ausschließlich bei 95 %. In BT-Drucks. 17/13033 v. 10.4.20137 ist die Einführung dieser Vorschrift wie folgt begründet worden:

892

„In der Grunderwerbsteuer führen Gestaltungen bei großen Immobilientransaktionen nach vorsichtiger Schätzung zu jährlichen Steuerausfällen von mehreren 100 Mio. Euro. Das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer muss damit immer stärker von den „kleinen“ Leuten getragen werden (z.B. beim Erwerb eines Eigenheims). Denn für Eigenheimerwerber lohnen sich die komplexen Gestaltungsmodelle von großen Immobilieninvestoren aufgrund der Beratungsund Strukturkosten in der Regel nicht. Zudem haben viele Länder in den letzten Jahren die Sätze bei der Grunderwerbsteuer von 3,5 % auf 4,5 % oder 5 % erhöht. Dies erhöht die Anreize für Gestaltungen und damit die Steuerausfälle zusätzlich.

893

1 Darüber hinaus sind die in den Erlassen v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, noch enthaltenen Beispiele 7 bis 9 entfallen, in die Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, also nicht übernommen worden. 2 Vgl. BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 191. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 189. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1200. 6 Vgl. § 23 Abs. 11 GrEStG i.d.F. des Art. 26 des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809: „§ 1 Abs. 3a … ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden“. 7 Gesetzentwurf des Bundesrates (Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013), BT-Drucks. 17/13033 v. 10.4.2013.

Behrens

339

§ 1 Rz. 893 Erwerbsvorgänge Mit der Neuregelung sollen insbesondere Erwerbsvorgänge mit sog. Real Estate Transfer Tax-Blocker-Strukturen (RETT-Blocker) der Besteuerung unterworfen werden. Ohne die Beteiligung eines RETT-Blockers würde ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Tatbestand verwirklicht. RETT-Blocker zielen darauf ab, bei einem Rechtsträgerwechsel die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung eines inländischen Grundstücks durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft, an der ein Fremder wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt ist, zu verhindern. Entsprechend der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts wird dem Rechtsträger aufgrund der Neuregelung das Grundstück fiktiv auch dann zugerechnet, wenn dessen wirtschaftliche Beteiligung einer Gesellschaft mit einem inländischen Grundstück mindestens 95 vom Hundert beträgt. Auf die Berücksichtigung von subjektiven Beweggründen wurde – wie auch bei den weiteren Tatbeständen des Grunderwerbsteuerrechts – verzichtet. Der Anwendungsbereich der Abs. 2a und 3 des § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) bleibt unberührt. Mit der Einführung der wirtschaftlichen Beteiligung stellt die neue Regelung auf die unmittelbare oder/und mittelbare Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab. Damit gilt nicht die sachenrechtliche Betrachtungsweise. Vielmehr sind alle Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen. Bei mittelbarer Beteiligung ist die Beteiligung am Kapital oder am Vermögen aufgrund der vorgesehenen Multiplikation „durchzurechnen“. Die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen eines Rechtsträgers an der Gesellschaft mit inländischem Grundstück werden für die Ermittlung der maßgeblichen wirtschaftlichen Beteiligung zusammengerechnet. Hat durch einen Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 ein Rechtsträger insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95 vom Hundert erstmals inne, greift die neue Regelung ein, soweit durch den Rechtsvorgang eine Besteuerung nach Abs. 2a oder Abs. 3 nicht in Betracht kommt.“1 (Hervorhebung durch Verf.)

894

§ 1 Abs. 3a GrEStG beruht auf einer Gesetzesinitiative des Bundesrats2. Die mit Wirkung ab 7.6.2013 in Kraft getretene Fassung von § 1 Abs. 3a GrEStG geht auf eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zurück3. Eine Begründung dafür, warum an die Stelle des vom Bundesrat vorgeschlagenen Wortlauts „erwirbt“ die Formulierung „innehat“ getreten ist, enthalten die Gesetzesmaterialien nicht. In der Literatur wird vermutet, dass § 1 Abs. 3a GrEStG mit dem Wortlaut „erwirbt“ möglicherweise leergelaufen wäre, weil eine wirtschaftliche Beteiligung nicht „erworben“ werden könne4.

895

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20215 (GrEStÄndG) wurde die Beteiligungsschwelle in § 1 Abs. 3a GrEStG von 95 % auf 90 % herabgesetzt. Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG n.F. gilt für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden6, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 nicht in Betracht kommt, als Rechtsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. Gemäß § 23 Abs. 22 GrEStG ist § 1 Abs. 3a GrEStG in der am 30.6.2020 geltenden Fassung auf Erwerbsvorgänge nach dem 30.6.2021 weiter anzuwenden, wenn der Rechtsträger am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von weniger als 95 % und mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehatte. Gemeint ist, dass der Rechtsträger zum Stichtag, d.h. am 30.6.2400 Uhr/1.7.2021 000 Uhr, bereits eine Beteiligung von mindestens 90 %, aber weniger als 95 %, innehatte. Die Fortgeltung der 95%igen Beteiligungsschwelle gem. § 23 Abs. 22 Satz 1 GrEStG gilt gem. § 23 Abs. 22 Satz 2 GrEStG nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Abs. 3a in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist. Die Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG gilt mithin nur subsidiär fort, d.h. subsidiär ge1 Vgl. BT-Drucks. 17/13033, 110 f. In dem damaligen Gesetzentwurf stellte der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 1 noch nicht auf das Innehaben der wirtschaftlichen Beteiligung ab. Vielmehr war dort Satz 1 wie folgt formuliert worden: „Soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und Abs. 3 nicht in Betracht kommt, gilt als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mind. 95 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, erwirbt.“ (Hervorhebung durch Verf.). Vgl. BTDrucks. 17/13033, 38. 2 Vgl. BR-Drucks. 139/13 v. 22.2.2013, Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg und Schleswig-Holstein. Vgl. auch BT-Drucks. 17/604, 41 f. 3 Vgl. BT-Drucks. 17/13722, 33. 4 So Illing, DStZ 2013, 504 (507), Fn. 22. Nach Einschätzung von Schanko, UVR 2014, 44 (46) und MeßbacherHönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1229, hätte ein bloßes „erwirbt“ wohl nur den Erwerb der gesamten wirtschaftlichen Beteiligung von einem anderen Rechtsträger erfasst. 5 Vgl. BGBl. I 2021, 986. 6 Vgl. § 23 Abs. 18 GrEStG.

340

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 897.1 § 1

genüber der Neufassung aller anderen Grunderwerbsteuer-Tatbestände und auch subsidiär gegenüber der Neufassung von § 1 Abs. 3a GrEStG. Sinkt nach dem 30.6.2021 die wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG unter 90 %, findet die Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG gem. § 23 Abs. 22 Satz 3 GrEStG auf spätere Erwerbsvorgänge keine Anwendung. Wenn die wirtschaftliche Beteiligung nach dem 30.6.2021 nicht unter 90 % sinkt, gilt die Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG subsidiär ohne zeitliche Begrenzung fort. § 1 Abs. 3a GrEStG ist kein zeitraumbezogener Tatbestand. Zur Innehabung einer sog. mindestens 95%igen Beteiligung konnte es auch bisher schon unabhängig davon kommen, wie lange der Rechtsträger bereits zu unter 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt war. Die Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG zeitlich zu begrenzen, war mithin nicht durch die Systematik dieses Ergänzungstatbestands angezeigt. Für die Praxis wird die Beachtung der Fortgeltung der alten 95 %-Beteiligungsschwelle mit fortschreitender Zeit eine Herausforderung darstellen. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich der Vorschrift Gemäß § 23 Abs. 11 GrEStG n.F. ist § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwen- 896 den, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden, bis 30.6.2021 unter Beachtung ausschließlich der 95%igen Beteiligungsschwelle. Aufgrund der in Rz. 1 der gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 3a GrEStG vom 19.9.20181 und zuvor vom 9.10.20132 vertretenen Ansicht, die Fiktion des § 1 Abs. 3a GrEStG erstrecke sich auf sämtliche Rechtsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG, fällt auf Grundlage der Verwaltungsansicht keine Grunderwerbsteuer an, wenn der schuldrechtliche Anteilsübertragungsanspruch bereits vor dem 7.6.2013 entstanden war3 und nach dem 6.6.2013 die sachenrechtliche Erfüllung – d.h. der dinglich wirksame Übergang der Rechtsinhaberschaft an den Anteilen – nachfolgt. Der Ländererlass enthält hierzu aber keine Aussage. Vielmehr wird lediglich festgestellt, dass „allein das Inkrafttreten der Neuregelung mangels Rechtsvorgang keinen steuerbaren Tatbestand“ auslöse. Dem ist zuzustimmen. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs. 11 GrEStG unmissverständlich angeordnet, dass nur Erwerbsvorgänge den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllen können. Das Inkrafttreten der Neuregelung ist kein Erwerbsvorgang. Weiter trifft die Finanzverwaltung in Rz. 2 des Erlasses die Aussagen, dass – bei Aufstockung einer bereits bis zum 6.6.2013 entstandenen wirtschaftlichen Beteiligung i.H.v. durchgerechnet mindestens 95 % (ab 1.7.2021: 90 %, subsidiär weiterhin 95 %) und – auf den Hinzuerwerb von Grundstücken nach dem Erreichen der 95 %-Grenze (ab 1.7.2021: 90 %-Grenze, subsidiär weiterhin 95 %-Grenze) keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG ausgelöst wird. Beiden Aussagen ist zuzustimmen. Nur das erstmalige Erreichen einer Beteiligung von (ggf. durchgerechnet) 90 % bzw. 95 % (in Bezug auf den in diesem Zeitpunkt zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Bestand an inländischen Grundstücken) und nur Anteilsgeschäfte sind tatbestandsmäßig. Steuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG fällt auf eine Aufstockung einer wirtschaftlichen Beteiligung von z.B. 91 % auf 92 % bzw. z.B. 96 % auf 97 % auch dann nicht an, wenn der Gesellschafter bereits vor Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft 91 % bzw. 96 % der Anteile an dieser Gesellschaft hielt und nach Erwerb des Grundstücks seine Beteiligung z.B. auf 92 % bzw. 97 % aufstockt.

897

§ 1 Abs. 3a in der Fassung des GrEStÄndG vom 12.5.20214 ist gem. § 23 Abs. 18 GrEStG ebenso wie 897.1 die Neufassung der die entsprechende Anzeigepflicht regelnden Vorschrift in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Als Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs ist der Erwerb des letzten Anteils zu verstehen, der zur Erreichung bzw. Überschreitung der 90 %-Grenze führt5. Hat der betreffende Rechtsträger am 1 Vgl. BStBl. I 2018, 1078. 2 Vgl. BStBl. I 2013, 1364. 3 Ob aufschiebende Bedingungen, deren Eintritt nicht allein vom Willen einer der Parteien abhängt, noch nicht eingetreten bzw. bei Genehmigungsvorbehalten Genehmigungen noch nicht erteilt waren, ist irrelevant. 4 Vgl. BGBl. I 2021, 3436. 5 Vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Rz. 1, mit dem Hinweis, dass die Absenkung der Beteiligungsgrenze auch Bedeutung für Rechtsvorgänge der Vergangenheit habe.

Behrens

341

§ 1 Rz. 897.1 Erwerbsvorgänge 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von weniger als 95 % und mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft inne, gilt gem. § 23 Abs. 22 Satz 1 GrEStG die am 30.6.2021 geltende Fassung von § 1 Abs. 3a GrEStG, d.h. die bisherige 95%ige Beteiligungsschwelle fort. Wird jedoch durch den nach dem 30.6.2021 verwirklichten Rechtsvorgang ein Grunderwerbsteuer-Tatbestand in der Neufassung verwirklicht, tritt § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. gem. § 23 Abs. 22 Satz 2 GrEStG zurück. Die Fortgeltung von § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. entfällt gem. § 23 Abs. 22 Satz 3 GrEStG, wenn die wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG des betreffenden Rechtsträgers nach dem 30.6.2021 auf unter 90 % sinkt. Anwendungsbeispiele enthält der gleichlautende Ländererlass zu den Übergangsregelungen vom 29.6.20211 in Tz. 4 insbesondere in den Beispielen 11 bis 132. 4. Zusammenhang mit Abs. 3 898

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist § 1 Abs. 3a GrEStG insoweit im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 GrEStG zu sehen, als dass Abs. 3a in allen Varianten der Nr. 1 bis Nr. 4 von Abs. 3 zur Anwendung gelangen kann3; die Ausführungen oben zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 GrEStG4 gelten in diesem Fall entsprechend.

899

Wegen des Gesetzeswortlauts „… innehat …“ ist die Verwaltungsansicht abzulehnen. Nach m.E. richtiger Meinung5 ist allein das dingliche Rechtsgeschäft bzw. das dingliche Wirksamwerden des Anteilserwerbs maßgebend. Vereinzelt wird in der Literatur für die Bestimmung des Zeitpunkts der Steuerentstehung nach § 1 Abs. 3a GrEStG auf § 39 AO abgestellt6, was aber angesichts des Gesetzeswortlauts („… innehat. …“) abzulehnen ist.

900

§ 1 Abs. 3a GrEStG ist m.E. im Verhältnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG kein eigenständiger Tatbestand. Beide Absätze regeln vielmehr den einen Tatbestand der rechtlichen Anteilsvereinigung (vgl. Rz. 938)7.

II. Grundtatbestand (Satz 1) 1. Regelungsinhalt 901

Nach § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG gilt als weiterer Fall der Anteilsvereinigung ein Rechtsvorgang, aufgrund dessen ein Rechtsträger erstmals zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft oder durchgerechnet erstmals zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) am Gesellschaftsvermögen grundbesitzender Kapitalgesellschaften beteiligt wird. In Bezug auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften ist das (erstmalige) unmittelbare Innehaben einer mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) wirtschaftlichen Beteiligung nicht nach Abs. 3a steuerbar, weil eine unmittelbare mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) wirtschaftliche Beteiligung wegen der Legaldefinition dieses Tatbestandmerkmals in Abs. 3a Satz 2 und Satz 3 GrEStG (Vomhun1 Vgl. BStBl. I 2021, 1006. 2 Vgl. dazu auch § 23 Rz. 68 bis 75. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364. Ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1231, davon ausgehend, dass es sich bei Fiktion in § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG um eine Rechtsgrundverweisung handele. Im Falle der Einordnung von § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG als Rechtsgrundverweisung wird nicht nur auf die Rechtsfolge, sondern auch auf die Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 3 verwiesen, soweit § 1 Abs. 3a nicht ausdrücklich von § 1 Abs. 3 abweichende Tatbestandsmerkmale enthält. Aufgrund des Worts „innehat“ ist jedoch in Bezug auf die Frage, ob der Tatbestand allein durch die schuldrechtliche Anspruchsbegründung verwirklicht wird, in § 1 Abs. 3a GrEStG ein abweichendes Tatbestandsmerkmal enthalten. 4 Vgl. Rz. 752 ff. 5 Vgl. Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 191; Behrens, DStR 2013, 1405. 6 Vgl. Wagner/Lieber, DB 2013, 1387; Wagner/Lieber, DB 2013, 2295. 7 A.A. allerdings die Finanzverwaltung, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, Anm. 1, BStBl. I, 2013, 1364, zudem auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1206 f.; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 131a, Rz. 193; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 403, Rz. 413.

342

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H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 904 § 1

dertsatz am Kapital) dem mindestens 90%igen (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) Anteil der Kapitalgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG entspricht, das (erstmalige) Innehaben, d.h. der Erwerb einer solchen unmittelbaren Beteiligung mithin schon Abs. 3 steuerbar ist und Abs. 3a daher als subsidiärer Tatbestand nicht zur Anwendung gelangt. Auf Grundlage der h.M., wonach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG auch im Verhältnis zueinander eigenständige Tatbestände sind, gilt eine Ausnahme für den Fall der Verstärkung einer bereits über eine mindestens 90%ige Tochtergesellschaft bestehenden mittelbaren Beteiligung von mindestens 90 % zu einer unmittelbaren Beteiligung von mindestens 90 %1. Bei Personengesellschaften hingegen regelt – solange für der Fallgruppe der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG die sog. Pro-Kopf-Betrachtung angewandt wird2 – § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG demgegenüber konstitutiv, dass als Anteilsvereinigung i.S.v. Abs. 3 auch die Innehabung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft gilt.

902

Beispiel: Zunächst sind an der grundbesitzenden GbR V zu 11 % und K zu 89 % gesamthänderisch beteiligt. V veräußert einen 1%igen Anteil an der GbR an K, der seine Beteiligung mithin von 89 % auf 90 % aufstockt.

903

Vorher:

Nachher:

V

K 11 %

89 % GbR

V

K 10 %

90 % GbR

Der Hinzuerwerb durch K löst auf Grundlage der von der Finanzverwaltung weiter für maßgeblich gehaltenen Pro-Kopf-Betrachtung keine Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG aus, weil Anteil der Gesellschaft bei grundbesitzenden Personengesellschaften die gesamthänderische Mitberechtigung ist, auf Grundlage der sog. Pro-Kopf-Betrachtung V und K also für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG vorher und nachher als hälftig an der grundbesitzenden GbR beteiligt gelten. Jedoch hat K auf dieser Grundlage infolge des Erwerbs des 1%igen Anteils von Verstmals eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. 90 % i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG an der grundbesitzenden GbR inne, so dass der der Veräußerung zugrunde liegende Rechtsvorgang Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG auslöst3. 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, Beispiele 9 und 10, wonach in der genannten Fallkonstellation zu einer wirtschaftlichen Beteiligung erstmals in Höhe von mind. 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft führt und deshalb § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht sei. So auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, Beispiele 12 und 13. M.E. ist die Verwaltungsansicht abzulehnen, weil § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG im Verhältnis zueinander keine eigenständigen Tatbestände sind, sondern einen einheitlichen Tatbestand der rechtlichen Anteilsvereinigung, so dass in Fallkonstellationen, in denen in Beteiligungsketten bereit eine mittelbare Zurechnung von mind. 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Unter-Gesellschaft zum Obergesellschafter erfolgt, durch anschließende Beteiligungskettenverkürzung § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG nicht mehr verwirklicht werden können. 2 Vgl. gleichlautende Erlasse v. 29.6.2021, 1006; Beispiel 14. In Tz. 21 des Urteils v. 27.5.2020 II R 45/17, BStBl. II 2021, 315 hat der BFH m.E. angekündigt, dass er die sog. Pro-Kopf-Betrachtung wohl auch für die Fälle der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung aufgeben wird; vgl. auch Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677. 3 Besteht die 89%ige Beteiligung des K an der GbR seit mind. zehn Jahren bzw. seit Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft, wird die Steuer gem. § 6 Abs. 2 in Höhe von 89 % nicht erhoben; vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, Beispiel 7, BStBl. I 2018, 1078, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, Beispiel 10, BStBl. I 2013, 1364. Keine Befreiung von der nach § 1 Abs. 3a GrEStG angefallenen Steuer wird ge-

Behrens

343

904

§ 1 Rz. 905 Erwerbsvorgänge 905

Eine ganz oder teilweise mittelbare sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. 90 % bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95 % oder mehr liegt vor, wenn die Quote der Beteiligung eines Rechtsträgers auf Durchrechnungsbasis mindestens 90 % bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95 % beträgt.

906

Beispiel: V ist bisher Alleingesellschafter der grundbesitzenden GmbH. Er veräußert 89 % an K und 11 % an eine KG, an der K gesamthänderisch zu 89 % und V zu 11 % beteiligt ist.

Vorher: V 100 %

Nachher: K

V 89%

11 % KG

G-GmbH

89 %

11 %

G-GmbH

907

§ 1 Abs. 3 GrEStG ist nicht verwirklicht, weil K nur 89 % der Anteile an der KG hält. Auf Grundlage der BFH-Urteile vom 12.3.20141 und vom 27.9.20172 müsste K mindestens zu 90 % am Kapital der KG beteiligt ist, um dem K die 11%ige Beteiligung der KG an der GmbH für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen. Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG hat K nicht nur unmittelbar 89 % der Anteile an der GmbH inne, sondern zusätzlich mittelbar 89 % von 11 % = 9,79 %, insgesamt mithin 98,79 % und damit mehr als 90 %. Im Beispiel ist mithin der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht. 2. Subsidiarität gegenüber Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3

908

Durch den Einleitungssatz „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 nicht in Betracht kommt“ macht der Gesetzgeber deutlich, dass § 1 Abs. 3a GrEStG im Verhältnis zu Abs. 2a sowie Abs. 2b und im Verhältnis zu den in Abs. 3 genannten Fallgruppen der Anteilsvereinigung nur subsidiär gilt. Abs. 3a kann nur anwendbar sein, wenn der zu beurteilende Rechtsvorgang weder die Tatbestände von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG noch den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. § 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht anwendbar, wenn derselbe Lebenssachverhalt, der sowohl die schuldrechtliche Begründung eines Anspruchs auf Abtretung von Anteilen als auch die dingliche Abtretung der Anteile bereits einen der Tatbestände von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b oder Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Insbesondere ist § 1 Abs. 3a GrEStG nicht verwirklicht, solange eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b „in Betracht kommt“. Die Verwirklichung von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG kommt solange in Betracht, wie die Erfüllung des Anspruchs auf Anteilsabtretung – bezogen auf das jeweilige konkrete Gesellschaftsgrundstück – noch nicht endgültig gescheitert ist. Scheitert die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts, spricht zwar der Gesetzeswortlaut dafür, die Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG (wenn keiner der vorrangigen Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt ist) in dem Zeitwährt in Bezug auf den bei V verbleibenden Anteil von 10 %, aufgrund der erstmaligen Innehabung von 90 % der gesamthänderisch vermittelten Anteile am Vermögen der GbR das Grundstück der GbR als vollständig auf K übergangen fingiert wird. 1 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356. 2 Vgl. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667.

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H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 910 § 1

punkt anzunehmen, ab dem feststeht, dass keine dingliche Erfüllung erfolgen wird. Weil es jedoch in diesem Fall zu keinem besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel kommt, die Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 7a GrEStG zugleich mit einem Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu verbinden wäre, ist § 1 Abs. 3a GrEStG m.E. dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass bei Scheitern des Vollzugs des Verpflichtungsgeschäfts auch der Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG nicht verwirklicht ist, so dass keine Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 7 a. GrEStG zu erstatten ist und es auf § 16, insbesondere § 16 Abs. 5 GrEStG nicht ankommt1. Die Subsidiarität von Abs. 3a gegenüber Abs. 3 bedeutet jedoch nicht, dass Abs. 3 und Abs. 3a nicht als einheitlicher Tatbestand der Anteilsvereinigung zu verstehen wären. In Fallkonstellationen, in denen derselbe Rechtsvorgang sowohl zur Verwirklichung eines der Tat- 909 bestände von § 1 Abs. 3 GrEStG bei einem Erwerber als auch den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG bei einem anderen Rechtsträger erfüllt, geht der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG dem Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG trotz der Verschiedenheit der Steuerschuldner vor. Zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG bei dem anderen Rechtsträger kommt es aufgrund der rechtsvorgangsbezogenen Subsidiarität von § 1 Abs. 3a GrEStG nicht. Beispiel (nach Wagner/Mayer, BB 2014, 279, 287): An der grundbesitzenden G-KG ist die Komplementär-GmbH zu 0 % und die zu 100 % dem Anteilsbesitz der Komplementär-GmbH stehende T-GmbH zu 89 % beteiligt. Der restliche Anteil in Höhe von 11 % steht einem Dritten zu. Der Dritte verkauft seinen 11%igen Anteil an der G-KG an die T-GmbH. Dieser Kaufvertrag wird erfüllt, so dass die Quote der Beteiligung der T-GmbH an der G-KG von 89 % auf 100 % aufgestockt wird und der Dritte aus der G-KG ausscheidet. Sowohl die Komplementär-GmbH als auch die T-GmbH sind sog. Alt-Gesellschafter der G-KG. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht verwirklicht, weil nicht innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der B-KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Dadurch, dass die T-GmbH ihre bisher 89%ige Beteiligung auf 100 % aufstockt und der Dritte aus der G-KG ausscheidet2, kommt es auf Grundlage der h.M. auf Ebene der Komplementär-GmbH zur Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, und zwar bereits im Zeitpunkt des unbedingten Wirksamwerdens des Anspruchs der T-GmbH gegenüber dem Dritten auf Abtretung von dessen 11%igem Anteil an der G-KG. Auf Grundlage der Verwaltungsansicht und wohl überwiegenden Meinung in der Literatur, wonach § 1 Abs. 3a GrEStG in allen Varianten (mit Ausnahme der Organschaft) von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 GrEStG verwirklicht werden kann, kommt es auf Grundlage der Pro-Kopf-Betrachtung, die die Finanzverwaltung weiterhin für maßgeblich erachtet3, auf Ebene der T-GmbH zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG. Durch ein und denselben Lebenssachverhalt, d.h. den Verkauf und die Abtretung des 11%igen Anteils des Dritten an der G-KG, kann nicht gleichzeitig sowohl Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG auf Ebene der Komplementär-GmbH als auch nach § 1 Abs. 3a GrEStG auf Ebene der T-GmbH ausgelöst werden. M.E. ist der in der Literatur4 vertretenen Ansicht zuzustimmen, wonach § 1 Abs. 3a GrEStG auch dann hinter § 1 Abs. 3 GrEStG zurücktritt und nicht verwirklicht wird, wenn keine Identität zwischen Erwerber und Rechtsträger besteht. Nach hier vertretener Ansicht scheitert die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG schon daran, dass die Komplementär-GmbH keinen Anteil erwirbt und deshalb nicht Erwerber i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG sein kann. Die Fiktion des Erwerbs des Gesellschaftsgrundstücks ist lediglich Rechtsfolge von § 1 Abs. 3 GrEStG, setzt mithin die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG voraus, wofür die KomplementärGmbH selbst Anteilserwerber sein müsste. Auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht zur Nicht-Anwendbarkeit von § 1 Abs. 3 GrEStG ist § 1 Abs. 3a GrEStG auf Ebene der T-GmbH verwirklicht. Der Fall der Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95 %) der Antei- 910 le der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigen Unternehmen/Personen fällt unter § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und 3, Nr. 2 GrEStG. Mithin ist § 1 Abs. 3a 1 Zur entsprechenden Frage bei § 1 Abs. 3 GrEStG vgl. Rz. 303.1; vgl. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. 2 Weil die Komplementär-GmbH im Beispiel keinen Anteil erwirbt, ist § 1 Abs. 3 GrEStG nach hier vertretener Ansicht nicht erfüllt. Nach h.M. betrifft das Tatbestandsmerkmal „Erwerber“ in § 1 Abs. 3 GrEStG jedoch den fiktiven Erwerb des Gesellschaftsgrundstücks, so dass die h.M. die Komplementär-GmbH als Erwerber und damit den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf Ebene der Komplementär-GmbH als erfüllt ansieht. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen im GrEStÄndG v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 14. 4 Vgl. Wagner/Mayer, BB 2014, 279 (287 f.); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1193.

Behrens

345

§ 1 Rz. 910 Erwerbsvorgänge GrEStG auch gegenüber der sog. Anteilsvereinigung im Organkreis nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und 3, Nr. 2 GrEStG subsidiär1. 911

Beispiel (nach Lieber in Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, Rz. 1830): An der grundbesitzenden G-GmbH sind die M-GmbH zu 85 % und die A-GmbH zu 15 % beteiligt. Die M-GmbH, die bisher keinen Anteil an der A-GmbH gehalten hat, erwirbt eine 80%ige Beteiligung an der A-GmbH und gliedert nach dinglichem Erwerb der 80%igen Beteiligung die A-GmbH auch wirtschaftlich und organisatorisch in ihr Unternehmen ein.

Vorher: M-GmbH

Nachher:

D

Verkauf von 80 %

M-GmbH

100 %

D 100 % – 80 % 20 %

80 %

A-GmbH 85 %

15 % G-GmbH

A-GmbH Organkreis

85 %

15 % G-GmbH

912

Durch den Erwerb der 80%igen Beteiligung an der A-GmbH stockt die M-GmbH die Quote ihrer Beteiligung an der G-GmbH von 85 % um 80 % von 15 % = 12 % auf 97 % auf. Weil die M-GmbH durchgerechnet erstmals zu mindestens 90 %, hier i.H.v. 97 % am Kapital der GmbH beteiligt ist (teils unmittelbar, teils mittelbar), wäre der Tatbestand von § 1 Abs. 3a vorbehaltlich seiner Subsidiarität gegenüber Abs. 3 erfüllt.

913

Zu beachten ist allerdings, dass der Erwerb der 80%igen Beteiligung an der A-GmbH und die organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der A-GmbH in das Unternehmen der M-GmbH auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 GrEStG erfüllt (Anteilsvereinigung in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigem Unternehmen)2 (vgl. Rz. 848). Weil § 1 Abs. 3a GrEStG nur verwirklicht werden kann, soweit eine Besteuerung nach Abs. 3 nicht in Betracht kommt, ist Abs. 3a im Beispiel nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung nicht anwendbar. Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsansicht (nicht aber auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht) liegt ausschließlich ein Fall von § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 GrEStG vor, mit der Rechtsfolge der Steuerschuldnerschaft von M-GmbH und A-GmbH nach § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. Nach hier vertretener Ansicht ist § 1 Abs. 3 GrEStG mangels rechtzeitiger wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung der A-GmbH in das Unternehmen der M-GmbH nicht anwendbar, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht ist und nur die M-GmbH die Steuer schuldet (nach § 13 Nr. 8 GrEStG). 1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 188; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1217; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 422. 2 Nach hier vertretener Ansicht ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht, weil die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung dem zivilrechtlichen unbedingten Wirksamwerden des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Anteilsübertragung begründet, zeitlich nachfolgt, bei unbedingtem Wirksamwerden des Rechtsgeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG mithin noch kein Organkreis vorliegt. Dass es ausreichen soll, dass die Eingliederungsvoraussetzungen innerhalb von 15 Monaten nach Anteilserwerb erfüllt werden, entspricht zwar der Verwaltungsansicht, ist jedoch abzulehnen. Vgl. Rz. 848 ff., 853 ff.

346

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 919 § 1

Die Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG wird durch § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 auch dann aus- 914 geschlossen, wenn die Steuer nach § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG oder aufgrund einer Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschrift nicht erhoben wird. Denn der Einleitungssatz („soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 nicht in Betracht kommt“) von § 1 Abs. 3a GrEStG stellt lediglich auf die Tatbestände der zitierten Absätze ab, nicht aber auf das Nicht-Eingreifen von Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschriften1. 3. Rechtsträger Nach Verwaltungsansicht dient der Verweis auf Rechtsvorgänge des § 1 Abs. 3 GrEStG allein der Definition der möglichen Anteilsveränderungen, die eine Anteilsvereinigung infolge Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2: 95 %) i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG auslösen können3.

915

Infolge des Rechtsvorgangs muss ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär4: 95 %) an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehaben. Rechtsträger sind natürliche Personen, juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts sowie Gesamthandsgemeinschaften und andere Zusammenschlüsse mit eigenem Vermögen wie z.B. die Erbengemeinschaft5. Rechtsträger können alle Zusammenschlüsse sein, die zumindest in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht teilrechtsfähig sind. Auch ausländische Rechtsträger sind Rechtsträger i.S.v. § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG. Insoweit besteht kein Unterschied zum Tatbestandsmerkmal „Erwerber“ i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG6.

916

Herrschende Unternehmen und von ihnen abhängige Unternehmen oder abhängige Personen oder abhängige Unternehmen oder abhängige Personen allein sind als Organkreis kein Rechtsträger i.S.v. § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG. § 1 Abs. 3a GrEStG kann nur in der Hand eines einzelnen Organkreismitglieds, nicht aber im Organkreis verwirklicht werden. Mithin fällt keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG an, wenn infolge eines Rechtsvorgangs ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen zusammengerechnet mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nach den Berechnungsregeln von § 1 Abs. 3a GrEStG erwerben7. Die Organkreisregelungen in § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2, Var. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2b GrEStG sind im Rahmen von Abs. 3a bedeutungslos.

917

In der Literatur wird die Ansicht vertreten, bei der Bestimmung des wirtschaftlich beteiligten Rechtsträgers komme es allein „auf den obersten Rechtsträger an, der gerade noch die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Beteiligung erfülle, so dass bei konzerninternen Transaktionen RETT-Blocker-Strukturen weiterhin eingesetzt werden könnten“8. Diese Ansicht ist abzulehnen, weil der Gesetzeswortlaut dafür, dass nur auf den obersten Rechtsträger abzustellen sei, keinerlei Anhaltspunkte bietet.

918

§ 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG verwendet den Begriff Rechtsträger anstelle von Erwerber. Dennoch ist m.E. in Beteiligungsketten nur derjenige Rechtsträger Steuerschuldner nach §§ 1 Abs. 3a i.V.m. 13 Nr. 8 GrEStG, der selbst den Rechtsvorgang, d.h. das zur Innehabung der sog. wirtschaftlichen Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95 %) führende Anteilsgeschäft als Erwerber abschließt.

919

1 Vgl. auch Blumenberg in Arbeitsbuch der FAfStR, 64. Jahresarbeitstagung Unternehmen 2013, 450 ff.; Wagner/ Lieber, DB 2013, 2295 (2297). 2 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 3 Die Finanzverwaltung verweist auf die Gesetzesbegründung zu Art. 26 des AmtshilfeRLUmsG, BT-Drucks. 17/13033, 111: „Hat durch einen Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 ein Rechtsträger insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung von mind. 95 vom Hundert erstmals inne, greift …“. 4 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 5 Vgl. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536, Rz. 16, in dem der BFH bestätigt, dass die Erbengemeinschaft ein selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts ist. 6 Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1216. 7 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1217; Behrens, DStR 2013, 1405 (1409); Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 190; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 422. 8 Vgl. Joisten/Liekenbrock, Ubg 2013, 469 (472, 479).

Behrens

347

§ 1 Rz. 920 Erwerbsvorgänge 920

Beispiel: MG hält sowohl 88 % an einer grundbesitzenden GmbH (G-GmbH) sowie an der KG, die die 11 % an der G-GmbH hält, als auch 100 % an der T-GmbH, die alle Anteile an der E-GmbH hält, die wiederum Alleingesellschafterin der UE-GmbH ist. UE-GmbH hält seit dem 30.6.2021 einen 1%igen Anteil an der G-GmbH und ist daher (ebenso wie die KG und MG) sog. Altgesellschafterin der G-GmbH). MG veräußert sowohl ihre 89%ige Kommanditbeteiligung als auch ihren 88%igen Geschäftsanteil an der G-GmbH an die UE-GmbH.

Nachher:

Vorher:

MG

MG

D 100 % 11 %

89 %

T-GmbH 88 %

KG

100 % 100 %

11 %

1%

E-GmbH

G-GmbH

T-GmbH 100 % 100 %

UE-GmbH

D E-GmbH 100 %

UE-GmbH

11 %

89 % KG

1% + 88 % = 89 %

11 %

G-GmbH UE-GmbH ist sog. Altgesellschafterin der G-GmbH.

921

Rechtsträger i.S.v. §§ 1 Abs. 3a Satz 1, 13 Nr. 8 GrEStG ist die UE-GmbH. Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG wird nicht zugleich auf Ebene der E-GmbH und der T-GmbH verwirklicht. Der Gesetzeswortlaut („… unmittelbar oder mittelbar … innehat …“) ließe diesen dreifachen Anfall von Grunderwerbsteuer zwar zu; allerdings stellte dies eine Übermaßbesteuerung dar. Für die Frage der Tatbestandsverwirklichung und der Steuerschuldnerschaft ist in den hier angesprochenen Fallkonstellationen auf den Rechtsträger abzustellen, der die Anteilsgeschäfte abgeschlossen hat bzw. der dem die Anteilsgeschäfte abschließenden Rechtsträger in der Beteiligungskette strukturell am nächsten steht. Auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG tritt die mittelbare Anteilsvereinigung als subsidiär zurück1.

922

Beispiel: Die KG hält 11 % an der grundbesitzenden G-GmbH. Die restlichen 89 % werden von dem konzernfremden V gehalten, der seine Beteiligung an die UE-GmbH veräußert.

1 Zu § 1 Abs. 3 GrEStG vgl. Rz. 690.

348

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Vorher:

Nachher:

MG

MG

100 %

100 %

T-GmbH

T-GmbH

100 %

100 %

E-GmbH

E-GmbH

100 %

89 %

UE-GmbH

D

Rz. 924 § 1

11 %

100 %

89 %

UE-GmbH

D 11 %

V

KG 11 %

89 %

G-GmbH

KG 11 %

89 %

G-GmbH

Dadurch, dass UE-GmbH 89 % an der G-GmbH erwirbt, fällt auf Ebene der der G-GmbH und auf Ebene der UE-GmbH keine Grunderwerbsteuer an. Rechtsträger, der erstmals aufgrund des Rechtsvorgangs „Anteilserwerb durch UE-GmbH“ mindestens 90 % an der G-GmbH innehat, ist die E-GmbH. M.E. wird § 1 Abs. 3a GrEStG nur auf Ebene der E-GmbH verwirklicht, so dass nur die E-GmbH Steuerschuldner nach § 13 Nr. 8 GrEStG ist. Eine Tatbestandsverwirklichung auf Ebene der T-GmbH und der MG tritt demgegenüber als subsidiär zurück, scheidet also aus.

923

4. Sog. wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 (bis 30.6.2021 und danach subsidiär: 95) vom Hundert an einer Gesellschaft Der in Satz 1 verwandte Begriff der sog. wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 90 % (bis 924 30.6.2021 und danach subsidiär1: 95 %) an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wird in den Sätzen 2 und 3 von Abs. 3a abschließend legal definiert (vgl. Rz. 963 ff., 971 ff.). Der Prozentsatz (vom Hundert) bezieht sich auf die Beteiligung am Kapital (soweit Kapitalgesellschaften betroffen sind) oder am Vermögen (soweit Personengesellschaften betroffen sind). Ausweislich der Sätze 2 und 3 des Abs. 3a bedeutet „wirtschaftliche Beteiligung“ lediglich, dass für die Beteiligungsquote bei Personengesellschaften auf den durch die gesamthänderische Beteiligung vermittelten Anteil am Vermögen der Gesamthand abzustellen ist2 und bei Beteiligungsketten 1 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 2 Die im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG nach den gleichlautenden Ländererlassen v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 14, trotz BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, Rz. 21, für den Fall der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung bei grundbesitzenden Personengesellschaften weiterhin relevante

Behrens

349

§ 1 Rz. 924 Erwerbsvorgänge über vermittelnde Gesellschaften gehaltene Anteile auch dann – allerdings nur anteilig – mitzurechnen sind, wenn die Beteiligung an der vermittelnden Gesellschaft weniger als 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär weniger als 95 %) der Anteile am Kapital oder Vermögen ausmacht1. Das Wort „wirtschaftliche“ hat keine eigene Bedeutung2. Das Wort „Beteiligung“ entspricht bei Personengesellschaften dem Anteil am Gesellschaftsvermögen i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. Rz. 318 ff.) und bei Kapitalgesellschaften dem Anteil der Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. Rz. 732 f.). Im Falle ausländischer Rechtsgebilde ist anhand eines sog. Rechtstypenvergleichs zu prüfen, welcher Gesellschaftsund Beteiligungsform das konkrete Rechtsgebilde und die konkrete Beteiligungsform vom Typ her gleichen3. 5. Innehaben 925

Trotz des Wortlauts von § 1 Abs. 3a GrEStG, wonach als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 auch ein solcher gilt, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär4 95 %) der Anteile am Kapital oder Vermögen einer Grundstücke haltenden Gesellschaft innehat, vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass „die wirtschaftliche Beteiligung in allen Varianten des § 1 Abs. 3 verwirklicht werden“ könne5. Dies bedeutet, dass § 1 Abs. 3a GrEStG nach Verwaltungsansicht bereits durch den Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts erfüllt werden kann, d.h. die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG schon dann entsteht, wenn ein Rechtsträger einen unbedingt wirksamen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung so vieler Anteile erhält, dass er bei Verwirklichung des Übertragungsanspruchs (ggf. durchgerechnet) eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) erwirbt.

926

Die Verwaltungsansicht hat allerdings nicht zur Folge, dass Steuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG auf solche Grundstücke festgesetzt wird, die nur beim schuldrechtlichen Vertragsabschluss zum Vermögen der Gesellschaft gehörten, nicht aber noch bei der dinglichen Erfüllung des Anteilsgeschäfts. Die Ausführungen zu § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend (vgl. Rz. 768 f.).

927

In dem Falle, dass die Gesellschaft ein Grundstück schon bei dem schuldrechtlichen Vertragsabschluss hat und ein weiteres Grundstück nach dem schuldrechtlichen Vertragsabschluss, aber noch vor der dinglichen Erfüllung hinzuerwirbt, hält die Finanzverwaltung Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG in Bezug auf das erstgenannte Grundstück und gem. § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG für das zweitgenannte Grundstück für angefallen. Dies verdeutlicht die Finanzverwaltung in der Abwandlung zu Beispiel 3 in Rz. 3 der gleichlautenden Ländererlasse vom 19.9.20186 und auch schon in der Abwandlung von Beispiel 5 in Rz. 5 der Erlasse vom

1

2 3

4 5 6

Pro-Kopf-Betrachtung („Jede Gesamthandsberechtigung zählt aufgrund der gleichen dinglichen Rechtsmacht gleichviel“) ist für § 1 Abs. 3a GrEStG bedeutungslos. Ebenso Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 189. Eine Rechtfertigung für die anteilige Zurechnung ist u.E. nicht vorhanden, weil eine unter 90%ige bzw. 95%ige (ggf. sehr viel geringere) Beteiligung keine Herrschaftsmacht vermittelt (so die Rechtfertigung der grunderwerbsteuerrechtlichen Erfassung von Anteilsgeschäften durch § 1 Abs. 3 GrEStG; vgl. z.B. BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225). Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 191. Zum Ertragsteuerrecht vgl. zuletzt BFH v. 18.5.2021 – I R 12/18, BStBl. II 2021, 875, mit dem Hinweis, entscheidend sei eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft sowie deren konkrete Ausformung in ihrer Satzung. Dem BFH kommt es im Urt. v. 18.5.2021 – I R 12/18 jedoch nicht darauf an, ob die im Rahmen des Typenvergleichs berücksichtigten Vermögensrechte ausreichen, um auch die Voraussetzungen der Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös (sog. Genussrechtstest) gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfüllen. Diese Voraussetzungen gelten grds. nur für die Prüfung des beteiligungsähnlichen Charakters von Genussrechten, wären damit für die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG auf ausländische Rechtsgebilde allerdings bedeutsam. Vgl. auch BFH v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489, und I B 76/20, BFH/NV 2021, 1491, beide zur single-member-LLC nach dem Recht des US-Bundestaats Colorado. Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, Tz. 1, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, Tz. 1. Vgl. BStBl. I 2018, 1078.

350

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 929 § 1

9.10.2013 (dort allerdings noch mit Anwendung der sog. Pro-Kopf-Betrachtung bei zwischengeschalteten Personengesellschaften)1: 928 Wegen der Einfügung von § 1 Abs. 2b GrEStG und der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgewandeltes Beispiel 5 der Erlasse vom 19.9.2018: Veräußerung

V-GmbH

K-GmbH 1% + 99 % = 100 %

99 %

Fremder

M-GmbH 89 %

11 % M-KG

89 % § 1 Abs. 2a GrEStG § 1 Abs. 2b GrEStG § 1 Abs. 3 GrEStG § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 GrEStG betr. Grundstück 1 • § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 GrEStG betr. Grundstück 2 



• • • •

11 %

• Anteilskaufvertrag V-GmbH/ K-GmbH am 1. Juli • Grundstückskaufvertrag mit der T-GmbH als Käufer am 1. August • Dinglicher Übergang der Anteile an der M-GmbH auf die K-GmbH am 15. September

GrundstücksGrundstücksverkäufer Veräußerung

T-GmbH 1

Die K-GmbH ist sog. Altgesellschafterin.

2

2

Es entspricht der schon bisher vom BFH in Bezug auf § 1 Abs. 3 GrEStG vertretenen Auffassung, dass 929 durch die Tatbestände von § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG nicht nur die Fälle erfasst würden, in denen sich die Anteilsvereinigung schlechthin ohne verpflichtendes Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 1 bzw. Nr. 3 vollzieht, sondern auch diejenigen Fälle, in denen die Gesellschaft ein oder mehrere Grundstücke zwischen dem Abschluss des verpflichtenden Geschäfts i.S.d. Nr. 1 oder Nr. 3 und dessen Vollzug i.S.d. Nr. 2 bzw. Nr. 4 erwirbt2. Gegen diese Auffassung kann angeführt werden, dass der Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG keinen Bezug zu einzelnen Grundstücken herstellt. Der Gesetzeswortlaut lässt es nicht zu, die dingliche Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG zu besteuern, soweit die Gesellschaft nach dem Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts bis zu dessen dinglichem Vollzug inländische Grundstücke hinzuerwirbt oder erstmals ein inländisches Grundstück erwirbt. Der Wortlaut des zweiten Halbsatzes in § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG stellt keinen Bezug des vorangegangenen schuldrechtlichen Geschäfts nur zu solchen Grundstücken her, die nicht nur zum Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des Anteilserwerbs, sondern auch bereits bei Abschluss des vorausgegangenen Geschäfts zum Vermögen der Gesellschaft gehörten. § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG unterwirft deshalb nur solche dinglichen Anteilsvereinigungen der Grunderwerbsteuer, die schlechthin ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Rechtsgeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 – ggf. i.V.m. Abs. 3a GrEStG – eintreten. Nach dem Gesetzeswortlaut verdrängt das vorausgegangene schuldrechtliche Geschäft die nachfolgende dingliche Anteilsübertragung. Dies wird auch durch die Verwendung des Wortes „wenn“ in der Subsidiaritätsklausel3 bestätigt,

1 Vgl. BStBl. I 2013, 1364. 2 Vgl. BFH v. 12.7.1972 II 81/65, BStBl. II 1972, 913. Der BFH begründet dies mit dem Zweck und Wortlaut des Gesetzes: Danach seien „von der Besteuerung nach Nr. 2 des § 1 Abs. 3 GrEStG nur die Grundstücke ausgenommen, die bereits bei Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts i.S.d. Nr. 1 zum Vermögen der Gesellschaft gehörten, während die hinzuerworbenen nach Nr. 2 der Grunderwerbsteuer unterliegen“. 3 „ , …, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nr. 1 vorausgegangen ist“ (Hervorhebung durch Verf.); a.A. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 Rz. 1209, 1231.

Behrens

351

§ 1 Rz. 929 Erwerbsvorgänge die auf eine völlige Nicht-Steuerbarkeit der dinglichen Übertragung schließen lässt, wenn der Anteilsübertragung eine schuldrechtliche Vereinbarung zur Anteilsübertragung vorausgegangen ist. 930

Die Ansicht der Finanzverwaltung, dass § 1 Abs. 3a GrEStG „in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden könne“, ist allerdings abzulehnen, denn der Gesetzeswortlaut „innehaben“ setzt den Erwerb der dinglichen Rechtsinhaberschaft, d.h. ein dingliches Rechtsgeschäft voraus1. Nach § 1 Abs. 3a GrEStG kann Grunderwerbsteuer nur in Bezug auf solche Grundstücke erhoben werden, die im Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des Anteilsgeschäfts, das erstmals eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 95 % an der betreffenden Gesellschaft entstehen lässt, zum Vermögen der Gesellschaft gehören. Bisher höchstgerichtlich nicht geklärt ist, ob es für die Zwecke der mittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG auf die zivilrechtliche Innehabung der Anteile an der vermittelnden Gesellschaft ankommt oder ob für die mittelbare Zuordnung von Anteilen auf das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Anteilen an der vermittelnden Gesellschaft. Nicht relevant sein können m. E. die rechtlich begründeten Einflussnahmemöglichkeiten in Bezug auf die vermittelnde Gesellschaft, weil § 1 Abs. 3a GrEStG ausdrücklich keine bestimmte Mindestbeteiligung an der vermittelnden Gesellschaft voraussetzt, um die über die vermittelnde Gesellschaft gehaltene mittelbare Beteiligung mit bei der Bestimmung der Beteiligungsquote einzubeziehen. 6. Rechtsvorgang

931

Mit Rechtsvorgang sind in § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG nur Anteilsgeschäfte gemeint2. § 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht einschlägig, wenn eine Gesellschaft, an der bereits eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a von einem Rechtsträger gehalten wird, weitere Grundstücke hinzuerwirbt. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:

932

Der Käufer hatte bereits vor dem 7.6.2013 89 % der Anteile an der Grundstücks-GmbH erworben. Eine KG, an der der Käufer vermögensmäßig zu 89 % gesamthänderisch beteiligt ist, hatte die restlichen 11 % erworben. Am 15.7.2021 kaufte die Grundstücks-GmbH ein weiteres Grundstück hinzu.

Dritter

Anteilsverkäufer

11 %

89 % 89 %

KG 11 %

GrundstücksGmbH

GrundstücksVerkäufer

1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 191; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 438; a.A. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1231. 2 Vgl. auch BT-Drucks. 17/13033, 110 f.: „… Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 …“.

352

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 936 § 1

§ 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht anwendbar1. Nur Anteilsgeschäfte sind im Rahmen von § 1 Abs. 3a GrEStG tatbestandsmäßig. Dies folgt aus der Gesetzeshistorie, dem Charakter von § 1 Abs. 3a GrEStG als sog. Ergänzungstatbestand und aus der Gleichstellung der Rechtsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG mit denen des § 1 Abs. 3 GrEStG („… als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 [gilt] und ein solcher, aufgrund dessen …“).

933

Übertragende Umwandlungen können zur Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3a GrEStG führen, wenn durch die Umwandlung unmittelbar oder mittelbar Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen werden und der aufnehmende Rechtsträger durch die Eintragung dieser übertragenden Umwandlung im Handelsregister erstmals unmittelbar und/oder mittelbar eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär2 95 %) innehat. Durch verhältniswahrende (auch heterogene) Formwechsel3 kann der Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG jedoch nicht verwirklicht werden.

934

Beispiel: Ursprünglich waren an der G-KG G 1 i.H.v. 90 % und G 2 i.H.v. 10 % beteiligt. Die G-KG wird gem. §§ 190 ff. UmwG identitätswahrend in die G-GmbH umgewandelt. Anschließend ist G 1 i.H.v. 90 % und G 2 i.H.v. 10 % am Kapital der G-GmbH beteiligt.

935

Vorher: G1

Nachher: G2

90 %

10 %

G-KG

G1

G2

90 %

10 %

G-GmbH

So lange die Finanzverwaltung an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung in Bezug auf die teilweise unmittel- 936 bare Anteilsvereinigung bei grundbesitzenden Personengesellschaften festhält4, könnte auf Grundlage der vom FG Münster im Urteil vom 16.2.20065 vertretenen Ansicht die Eintragung des Formwechsels im Handelsregister zur Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG führen. Nach der in der Literatur vertretenen Gegenansicht ist der Formwechsel grunderwerbsteuerrechtlich irrelevant, weil die Beteiligungsquoten unverändert bleiben und deshalb keine Anteilsübertragung ausgelöst worden ist6. Auf Grundlage dieser Literaturansicht stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht worden ist, weil G 1 infolge der Eintragung des Formwechsels erstmals mindestens 90 % der Anteile am Kapital der G-GmbH innehat; zuvor hatte sie in diesem Umfang „nur“ 50 % der Anteile bzw. Beteiligungen an der G-KG inne. 1 Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, Tz. 2, BStBl. I 2018, 1078, und auch schon die VorgängerErlasse v. 9.10.2013, Tz. 2, BStBl. I 2013, 1364. 2 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 3 Formwechsel von der Kapital- in die Personengesellschaft und umgekehrt, Formwechsel eines Vereins in eine Gesellschaft. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, insb. Beispiel 14. 5 Az. – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034. An einer grundbesitzenden OHG waren zu 0 % eine VerwaltungsGmbH und zu 100 % eine AG (Klägerin) beteiligt. Mit Eintragung des Formwechsels der OHG in eine GmbH schied die Verwaltungs-GmbH aus der formgewechselten Gesellschaft aus. Das FG Münster hielt § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für anwendbar. Aus den Entscheidungsgründen wird nicht hinreichend klar, ob das FG Münster nur deshalb zu diesem Ergebnis gelangte, weil die Verwaltungs-GmbH aus der formgewechselten Gesellschaft ausschied. 6 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 172, Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (56); Jüptner, URV 2009, 62.

Behrens

353

§ 1 Rz. 937 Erwerbsvorgänge 937

Im Hinblick darauf, dass Rechtsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG als solche i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG gelten, muss auch im Beispiel maßgebend sein, dass sich die Beteiligungsquote nicht ändert. Dass G 1 infolge des Formwechsels erstmals eine mindestens 90%igen Beteiligung am Kapital der G-GmbH erwirbt, stellt grunderwerbsteuerrechtlich keinen Erwerbsvorgang dar, weil G 1 bereits zuvor im selben Umfang am Vermögen der mit der G-GmbH identischen früheren G-KG beteiligt war. Außerdem wird in der Gesetzesbegründung betont, dass § 1 Abs. 3a GrEStG rechtsformneutral ausgestaltet sei1; die Rechtsformneutralität verbietet es, gerade den Wechsel der Rechtsform als geeignet anzusehen, den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG auszulösen2. 7. Geltung als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 a) Verhältnis von Abs. 3a zu Abs. 3

938

Nach der Verwaltungsansicht ist die Regelung des § 1 Abs. 3a GrEStG als eigenständiger Fiktionstatbestand – und zwar auch im Verhältnis zu Abs. 3 – anzusehen3. Die Eigenständigkeit mache der Gesetzgeber insbesondere bei der Aufeinanderfolge mehrerer Rechtsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 6 GrEStG deutlich. Der Tatbestand des Abs. 3a sei ausdrücklich in die Anrechnungsregelung aufgenommen worden und lasse demgemäß eine Anrechnung auch zwischen Erwerbsvorgängen aufgrund der Abs. 3 und 3a zu. Der Gesetzgeber bringe auf dieser Weise zum Ausdruck, dass er die „wirtschaftliche Vereinigung“ nach Abs. 3a gerade nicht als Unterfall des Abs. 3 ansehe, sondern als gleichrangigen Tatbestand i.S.v. § 1 GrEStG4. Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Abs. 3a nicht als unselbständige Bestimmung zu Abs. 3 verstanden werden könne. Die in Abs. 3a enthaltene Fiktion verweise zwar gesetzestechnisch auf Abs. 3; der eigenständige Charakter des Abs. 3a werde dadurch aber nicht berührt5. § 1 Abs. 3a GrEStG sei eigenständiger Steuertatbestand6. Der Verweis auf Abs. 3 sei als Rechtsfolgenverweisung anzusehen und schlösse mithin eine Rechtsgrundverweisung aus7. Die Eigenständigkeit von Abs. 3a zeige sich auch dadurch, dass für den Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG an allen anderen einschlägigen Gesetzesstellen (§§ 19 Abs. 1 Nr. 7a, 6a Satz 1, 8 Abs. 2 Nr. 3, 16 Abs. 5 und 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) jeweils eigenständige Verweise bzw. Regelungen in das GrEStG aufgenommen worden seien. Diese eigenständigen Regelungen wären entbehrlich, wenn lediglich ein Unterfall des Abs. 3 geschaffen werden sollte, der bereits vollständig in die Systematik des GrEStG integriert ist.

939

Die Ländererlasse zu § 1 Abs. 3a GrEStG vom 19.9.2018 (und auch schon die Vorgänger-Erlasse vom 9.10.2013) geben den durch das AmtshilfeRLUmsG geänderten Wortlaut von § 1 Abs. 6 GrEStG wieder und macht in den Beispielen 8 bis 10 (bzw. in den Beispielen 11 bis 13) deutlich, dass in Bezug auf dasselbe Grundstück von demselben Erwerber sowohl der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG als auch der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG hintereinander verwirklicht werden können8.

1 Vgl. BT-Drucks. 17/13033 v. 10.4.2013, S. 110 f.; gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, Tz. 5, BStBl. I 2018, 1078, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, Tz. 5, BStBl. I 2013, 1364. 2 Im Ergebnis gleicher Ansicht Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1237. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, und auch schon die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, jeweils Tz. 1. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, Tz. 6. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1247; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 193. 6 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 403. 7 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 187. 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse betr. § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, und die VorgängerErlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, jeweils Tz. 6.

354

Behrens

Rz. 942 § 1

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

940 Wegen der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgewandeltes Beispiel 8 in Tz.6 der Länder-Erlasse vom 19.9.2018 (bzw. Beispiel 11 in Tz. 6 der Länder-Erlasse vom 9.10.2013): Jahr 01

Z Y

Jahr 03

A 45 %

A

B 90 %

45 %

100 % 10 %

M-GmbH

C

90 %

M-GmbH

10 %

C

90 %

T-GmbH

10 %

T-GmbH

§ 1 Abs. 3a Nr. 1 GrEStG § 1 Abs. 6 Nr. 1 GrEStG

 



§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

Im Jahr 01 erwirbt A 45 % der Anteile an der M-GmbH von Z und weitere 45 % der Anteile an der 941 M-GmbH von Y. Wegen der 90%igen Beteiligung der M-GmbH an der grundbesitzenden T-GmbH verwirklicht A mithin im Jahr 01 den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG hinsichtlich des Grundstücks der T-GmbH. Dadurch, dass A im Jahr 03 den restlichen 10 %-Anteil an der M-GmbH von B hinzuerwirbt, erhöht er seine durchgerechnete sog. wirtschaftliche Beteiligung an der T-GmbH von bisher 81 % auf 90 %. Die Finanzverwaltung vertritt – entgegen der hier befürworteten Ansicht – die Auffassung, dass A damit im Jahr 03 den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG erfülle. Gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG sei auf die für den im Jahr 03 verwirklichten Tatbestand relevante Bemessungsgrundlage die für die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG im Jahr 01 relevante Bemessungsgrundlage anzurechnen. 942 Wegen der Einfügung von § 1 Abs. 2b GrEStG und der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgewandeltes Beispiel 9 der Erlasse v. 19.9.2018 (bzw. Beispiel 12 der Erlasse v. 9.10.2013): Jahr 01

Jahr 03

Z Y

A

B

A

B

45 %

45 %

90 % 10 %

M-GmbH 89 % 10 %

1%

90 %

T-GmbH

10 %

T-GmbH

A ist sog. Alt-Gesellschafter der T-GmbH. § 1 Abs. 3a Nr. 1 GrEStG § 1 Abs. 6 Nr. 1 GrEStG

 



§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

Behrens

355

§ 1 Rz. 943 Erwerbsvorgänge 943

Für den Fall, dass A nicht den 10%igen Anteil an der M-GmbH von B hinzuerwirbt, sondern den 89%igen an der T-GmbH von der M-GmbH, gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung Entsprechendes. Statt bisher unmittelbar und mittelbar zusammengerechnet nur i.H.v. 81,1 % hat A im Jahr 03 erstmals 90 % der Anteile unmittelbar am Kapital der T-GmbH inne. Insoweit sei unbeachtlich, dass der Grundbesitz der T-GmbH dem A bereits aufgrund der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG im Jahr 03 grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen war. b) Rechtsgrund-, keine Rechtsfolgenverweisung

944

M.E. ist § 1 Abs. 3a GrEStG im Verhältnis zu § 1 Abs. 3 GrEStG kein eigenständiger Tatbestand. Beide Absätze regeln vielmehr den einen Tatbestand der rechtlichen Anteilsvereinigung. Bei § 1 Abs. 3a GrEStG handelt es sich nicht um eine bloße Rechtsfolgenverweisung, sondern um eine Rechtsgrundverweisung auf die in § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG geregelten Tatbestände:

945

Ebenso wie durch § 1 Abs. 3 GrEStG sollen durch § 1 Abs. 3a GrEStG nicht Anteilsgeschäfte besteuert werden, sondern die durch Anteilsgeschäfte ausgelöste Änderung der Zurechnung der Gesellschaftsgrundstücke zum (ggf. durchgerechnet mindestens i.H.v. 90 %, bis 30.6.2021 und danach subsidiär1 95 % beteiligten) Gesellschafter. Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3a GrEStG werden dem (durchgerechnet) mindestens zu 90 % (bzw. 95 %) am Kapital oder am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft innehabenden Rechtsträger „entsprechend der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts“ die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke zugerechnet. Diese Zurechnung erfolgt also genau so wie bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Fallgruppen der Anteilsvereinigung2.

946

Die Identität der Zurechnung der Gesellschaftsgrundstücke zum Gesellschafter in den Fallgruppen des § 1 Abs. 3a GrEStG und in § 1 Abs. 3 GrEStG bedeutet, dass diese beiden Absätze keine im Verhältnis zueinander unabhängigen Tatbestände regeln. Vielmehr bilden die in § 1 Abs. 3a GrEStG und die in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Fallgruppen den einheitlichen Grunderwerbsteuer-Tatbestand der rechtlichen Anteilsvereinigung.

947

Formal hat der Gesetzgeber zwar im Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.20133 die neu geregelten Fallgruppen nicht in den schon seit dem GrEStG 1940 gültigen § 1 Abs. 3 GrEStG eingefügt, sondern einen neuen Abs. 3a geschaffen. Dieser neue Abs. 3a ist jedoch nicht eigenständig, und zwar schon deshalb, weil er die Rechtsfolgen der Vereinigung einer sog. wirtschaftlichen Beteiligung von (durchgerechnet) mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) nicht selbst regelt, sondern auf Abs. 3 verweist.

948

Durch die Gesetzesformulierung in § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG („… gilt als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 auch ein solcher, aufgrund dessen …“) wird an die Verwirklichung des Abs. 3a nicht nur die Rechtsfolge des Abs. 3 geknüpft, sondern darüber hinaus angeordnet, dass die von § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG erfassten Fallgestaltungen als Rechtsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG gelten, d.h. dass die in § 1 Abs. 3a GrEStG geregelten Fallgruppen den in § 1 Abs. 3 geregelten Fallgruppen gleichstehen. Die Rechtslage stellt sich deshalb so dar, wie sie bestünde, wenn die in Abs. 3a geregelten Fallgruppen als weitere Fallgruppen in § 1 Abs. 3 GrEStG aufgenommen worden wären. Hätte der Gesetzgeber § 1 Abs. 3a GrEStG als eigenständigen Tatbestand regeln wollen, hätte er in Abs. 3a – statt den Wortlaut „… gilt als Rechtsvorgang i.S.d. Abs. 3 auch ein solcher, aufgrund dessen …“ zu wählen – dahingehend formuliert, dass, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge unterliegen, aufgrund derer ein Rechtsträger (ggf. durchgerechnet) eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 95 % erwirbt. Dass der Gesetzgeber keinen solchen auf Eigenständigkeit der Neuregelung hinweisenden Gesetzeswortlaut in Kraft ge-

1 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. 2 Vgl. BR-Drucks. 139/13, 218. 3 BGBl. I 2013, 1809.

356

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 952 § 1

setzt hat, bedeutet, dass die Abs. 3 und 3a als einheitlicher Grunderwerbsteuer-Tatbestand ausgestaltet worden sind1. Aus § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn daraus, dass in dieser Vorschrift sowohl Abs. 3 als auch Abs. 3a genannt werden, folgt nicht, – dass derselbe Rechtsträger in Bezug auf dasselbe Grundstück hintereinander beide Tatbestände (d.h. Abs. 3 und Abs. 3a) jeweils mit der Folge der Entstehung von Grunderwerbsteuer verwirklichen kann, bzw. – dass – wenn bereits ein Zustand besteht, wonach dem Gesellschafter das Grundstück seiner Tochtergesellschaft (oder deren Beteiligung an einer grundbesitzenden Enkelgesellschaft) zuzurechnen ist – durch weiteren Anteilserwerb der Tatbestand von Abs. 3 mit der Folge des Anfalls von Grunderwerbsteuer ausgelöst werden kann.

949

§ 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG ist vielmehr einschränkend so zu lesen, dass ein in Abs. 1, Abs. 2 oder zusammengefasst Abs. 3 und 3a bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann unterliegt, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze – wobei Abs. 3 und 3a wiederum als ein Absatz zu verstehen sind – bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Die aufeinanderfolgende Verwirklichung von Rechtsvorgängen nach Abs. 3 und nach Abs. 3a hat dieselbe Qualität wie z.B. die aufeinanderfolgende erst mittelbare und anschließend unmittelbare Anteilsvereinigung im Rahmen von Abs. 3; in beiden Fällen ist das Gesellschaftsgrundstück bereits dem Obergesellschafter zugerechnet; die nochmalige Zurechnung als erstmalige Zurechnung überzeugt nicht. Dass z.B. die auf die mittelbare Anteilsvereinigung folgende unmittelbare Anteilsvereinigung im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als tatbestandsmäßig angesehen wird (weil das Gesellschaftsgrundstück bereits dem Obergesellschafter zugerechnet ist), folgt aus der Teleologie der Tatbestände, nicht jedoch daraus, dass § 1 Abs. 6 GrEStG den Fall der aufeinanderfolgenden Verwirklichung im gleichen Absatz von § 1 GrEStG geregelter Tatbestände nicht erfasst.

950

Auch Pahlke2 hält (zumindest in bestimmten Fallkonstellationen) den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für nicht anwendbar, wenn der Anteilserwerber bereits zuvor nach der bis 30.6.2021 bestehenden Rechtslage eine sog. wirtschaftliche Beteiligung von durchgerechnet mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erworben hatte, weil die Gesellschaftsgrundstücke dem Anteilserwerber schon aufgrund der nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbaren wirtschaftlichen Beteiligung zuzurechnen gewesen seien (allerdings unklar)3.

951

Pahlke behandelt das folgende Beispiel (hier mit Blick auf das Inkrafttreten des GrEStÄndG am 1.7.2021 abgewandelt)4:

952

An der grundbesitzenden T-GmbH sind die M-GmbH mit 89 % und die X-AG mit 11 % beteiligt. Die Anteile an der X-AG halten die Z-GmbH mit 10 % und Y mit 90 %. Am 10.7.2021 veräußert die Z-GmbH 10 % der Anteile an die M-GmbH. Am 1.12.2021 erwirbt die M-GmbH von der X-AG die 11 % der Anteile an der T-GmbH.

1 Dem steht nicht entgegen, dass § 1 Abs. 4 Nr. 2b GrEStG für die in Abs. 3a geregelten Fallgruppen bedeutungslos ist (wegen des in Abs. 3a enthaltenen Tatbestandsmerkmals „… ein Rechtsträger …“). 2 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 451. 3 Anders Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 403. 4 Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 450 f.

Behrens

357

§ 1 Rz. 952 Erwerbsvorgänge

Abgewandeltes Beispiel in Pahlke, GrESt-Kommentar, § 1 GrEStG, Rz. 450: Ausgangsstruktur:

M-GmbH

Übertragung des 10 %igen Anteils an X-AG durch Z-GmbH auf M-GmbH am 10.7.2021:

Z-GmbH

Y

10 %

M-GmbH

90 %

Y 10 %

X-AG 11 %

89 %

T-GmbH

M-GmbH

90 %

89 %

11 %

Y

10 %

X-AG

90 %

X-AG

100 %

T-GmbH

T-GmbH



M-GmbH hält „durchgerechnet“ ca. 90,1 % an der T-GmbH:  § 1 Abs. 3a GrEStG

953

Verkauf des 11 %igen Anteils an T-GmbH durch X-AG an M-GmbH am 1.12.2021:

Pahlke, Rz. 451: § 1 Abs. 3 GrEStG „§ 1 Abs. 3 Nr. 2 ist nicht anwendbar, weil das Grundstück der T-GmbH schon aufgrund der nach § 1 Abs. 3a steuerbaren wirtschaftlichen Beteiligung der M-GmbH zuzurechnen war“.

Pahlke führt aus, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG bei wortlautgemäßer Auslegung der Vorschrift zwar erfüllt sei. Weil die Grundstücke der T-GmbH jedoch schon aufgrund des Erwerbs des 10 %-Anteils durch die M-GmbH von der Z-GmbH der M-GmbH zuzurechnen waren, sei § 1 Abs. 3 GrEStG dennoch nicht auf den Kauf des restlichen Anteils an der T-GmbH von der X-AG anwendbar. Dies gelte auch in Bezug auf von der T-GmbH im Zeitraum den beiden Anteilserwerben hinzuerworbene Grundstücke1. Den Ausführungen von Pahlke ist insoweit zuzustimmen2. Nicht zuzustimmen ist ihm insoweit, als er dies davon abhängig machen will, dass der Erwerb der sog. wirtschaftlichen Beteiligung i.H.v. bis 30.6.2021 mind. 95 % auch tatsächlich steuerbar war, also nicht schon am 7.6.2013 bestanden hat (zur Begründung vgl. Rz. 806 ff., insb. Rz. 818 f.).

1 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 451 a.E.: „Auch insoweit dürfte es – wie im umgekehrten Fall eines § 1 Abs. 3 nachfolgenden Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3a (Rz. 440 f.) – unschädlich sein, wenn sich der Grundstücksbestand der Gesellschaft nach Erwerb der wirtschaftlichen Beteiligung vergrößert“. Diese teleologische Reduktion von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG will Pahlke allerdings nicht vornehmen, wenn der Mehrheitsgesellschafter die sog. wirtschaftliche Beteiligung von durchgerechnet bis 30.6.2021 mind. 95 % der Anteile an der Grundstücksgesellschaft bereits vor Inkrafttreten der sog. Anti-RETT-Blocker-Vorschrift des § 1 Abs. 3a GrEStG, d.h. vor dem 7.6.2013 erworben hatte. Diese Einschränkung steht jedoch nicht in Einklang mit den im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG sowohl vom BFH als auch von der Finanzverwaltung vertretenen Grundsätzen, vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II, 1994, 408; Erlasse v. 2.12.1999, StEK § 1 GrEStG Nr. 141, Rz. 3. 2 Allerdings nicht den Ausführungen von Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 403. Vgl. z.B. BFH v. 23.3.1977 – II R 18/74, BStBl. II 1977, 565; vgl. Rz. 803 ff.

358

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 957 § 1

8. Unmittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung Unmittelbar hat ein Rechtsträger eine wirtschaftliche Beteiligung inne, wenn er selbst unmittelbar gesellschaftsrechtlich und dinglich Anteile an der Gesellschaft hält, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört.

954

9. Mittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung Ein mittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung setzt voraus, dass der potentiell nach § 1 Abs. 3a GrEStG Steuer schuldende Rechtsträger Anteile an einer (oder an mehreren) zwischengeschalteten Gesellschaft(en) hält, die ihrerseits Anteile an anderen Gesellschaften halten, die Grundstücke in ihrem Vermögen haben oder Anteile an weiteren Gesellschaften, die Anteile an Gesellschaften halten, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück oder wiederum Anteile gehören. Entscheidend ist m.E. auf jeder Stufe der Beteiligungskette die dingliche Rechtsinhaberschaft an den Anteilen, nicht das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO oder eine sog. Wertteilhabe an Gesellschaftsgrundstücken. In der Literatur wird jedoch zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG durch schuldrechtliche Rechtsgeschäfte verwirklicht werden könne1. § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG regelt, wie die mittelbare Beteiligung zu quantifizieren ist (vgl. Rz. 971 ff.).

955

10. Teils unmittelbares, teils mittelbares Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung Nach dem Gesetzeswortlaut ist es unerheblich, ob der Rechtsträger die wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar hält. Zur Erläuterung führen die Ländererlasse vom 19.9.20182 und auch schon die Ländererlasse vom 9.10.20133 das folgende Beispiel an:

956

Wegen der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgewandeltes Beispiel 4 der Länder-Erlasse vom 19.9.2018 und auch schon vom 9.10.2013: Veräußerung

M-GmbH

Z-GmbH

Y

10 % 10 %

90 % X-AG

89 %

11 % T-GmbH

Dadurch, dass die M-GmbH von der Z-GmbH deren 10%ige Beteiligung an der X-AG hinzuerwirbt, wird zwar nicht der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG auf Ebene der M-GmbH verwirklicht4, jedoch der von § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Quote der mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligung ist im Wege der Durchrechnung (Prozent am Kapital oder Vermögen der vermittelnden Gesellschaft von Prozent am Kapital oder Vermögen der Grundstücksgesellschaft) zu berechnen. Den Ausführungen in den Län1 So Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1242, in Bezug auf Treuhandverträge. Vgl. auch Abschnitt VII. 2 Vgl. BStBl. I 2018, 1078. 3 Vgl. BStBl. I 2013, 1364, Rz. 4. 4 Die 10%ige Beteiligung der X-AG wäre der M-GmbH nur dann vollständig zuzurechnen, wenn die M-GmbH mind. 90 % der Anteile an der X-AG hielte.

Behrens

359

957

§ 1 Rz. 957 Erwerbsvorgänge dererlassen ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass nicht bereits die Entstehung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung des 10 %-Anteils an der X-AG zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG führt (vgl. Rz. 930). Weil der 10 %ige Anteil an der X-AG lediglich eine mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden T-GmbH vermittelt, zivilrechtlich die Z-GmbH jedoch nicht mittelbar an der T-GmbH beteiligt ist, ist fraglich, ob für das Innehaben der 10 %igen Beteiligung an der X-AG auf die dingliche Rechtsinhaberschaft oder auf das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abzustellen ist. Nicht abgestellt werden kann auf die rechtlich begründeten Einflussnahmemöglichkeiten der Z-GmbH bzw. M-GmbH bei der X-AG, weil § 1 Abs. 3a GrEStG für die Berücksichtigung der über die X-AG gehaltenen Beteiligung keine bestimmte Mindestbeteiligungsquote in Bezug auf den Anteil an der X-AG voraussetzt. 11. Gesellschaft 958

Gemeint sind in- und ausländische Personenaußen- und Kapitalgesellschaften1. Im Falle ausländischer Rechtsgebilde ist anhand eines sog. Rechtstypenvergleichs zu prüfen, ob das konkrete ausländische Rechtsgebilde und die konkrete Beteiligungsform vom Typ her der Personenaußen- oder Kapitalgesellschaft und der gesamthänderischen Vermögen bzw. Beteiligung am gezeichneten Kapital gleicht. Die Einordnung als Personenaußen- oder Kapitalgesellschaft ist im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG wegen dessen Rechtsformneutralität im Ergebnis nicht von Bedeutung. Personeninnengesellschaften (insbesondere typisch und atypisch stille Gesellschaften) sind im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG ohne Bedeutung. Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können, sind vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3a GrEStG nicht erfasst. 12. Zugehörigkeit eines inländischen Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft

959

Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft richtet sich ausschließlich nach grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen.

960

In der Darstellung des Sachverhalts zu Beispiel 3 Beispiels 3, mit Blick auf das am 1.7.2021 in Kraft getretene GrEStÄndG abgewandelt: AnteilsVeräußerung

V-GmbH

K-GmbH

100 %

99 %

Fremder

M-GmbH 90 %

Z-GmbH

90 %



betr.



• § 1 Abs. 2a • § 1 Abs. 2b • § 1 Abs. 3 Nr. 3 Grundstück 1 • § 1 Abs. 3 Nr. 4 Grundstück 2 • § 1 Abs. 3a

betr.

1%

10 %

K-GmbH ist sog. Altgesellschafterin der T-GmbH. • Anteils-Kaufvertrag V-GmbH/ K-GmbH am 1. Juli • Grundstücks-Kaufvertrag mit der T-GmbH als Käufer am 1. August • Dinglicher Übergang der Anteile an der M-GmbH auf K-GmbH am 15. September

4% GrundstücksVeräußerung

T-GmbH 1

2

Grundstücksverkäufer 2

1 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 190, mit dem Hinw. darauf, dass sich dies aus der Legaldefinition der wirtschaftlichen Beteiligung in § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG ablesen lasse.

360

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 962 § 1

wird im in den Ländererlassen vom 19.9.2018 und auch schon in den Vorgänger-Erlassen vom 9.10.2013 ausgeführt, dass die T-GmbH am 1. August „durch den Erwerb weiterer Grundstücke den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht habe“1. Dies könnte bedeuten, dass die Finanzverwaltung für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Grundstück „zum Vermögen der Gesellschaft“ gehört, auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs entsprechend § 23 GrEStG abstellen möchte. Der Rechtspraxis entspricht es jedoch, im Falle des Ankaufs eines Grundstücks die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft für die Zwecke des § 1 Abs. 2a und Abs. 3, Abs. 3a GrEStG davon abhängig zu machen, dass die Grunderwerbsteuer auf den Grundstückskauf im Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG bereits entstanden ist. Dies setzt im Falle der Vereinbarung aufschiebender Bedingungen oder von Genehmigungsvorbehalten gemäß § 14 GrEStG voraus, dass die aufschiebenden Bedingungen bis zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG eingetreten bzw. ausstehende Genehmigungen bis zu diesem Zeitpunkt erteilt worden sind2. Alternativ käme es in Betracht, statt auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung entsprechend § 14 GrEStG auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs entsprechend § 23 GrEStG abzustellen. Maßgebend wäre dann der Zeitpunkt, zu dem die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander gebunden sind, so dass keine Partei sich gegen den Willen der anderen Partei vom Vertrag lösen kann3. Es würde sich dann die Frage anschließen, ob der Nicht-Eintritt aufschiebender Bedingungen bzw. die Nicht-Erteilung von Genehmigungen rückwirkende Ereignisse i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellen. Diese Frage kann für § 1 Abs. 3a GrEStG nicht anders entschieden werden als für § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG. D.h., nicht der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs entsprechend § 23 GrEStG ist maßgebend, sondern der Zeitpunkt der Steuerentstehung (ggf. entsprechend § 14 GrEStG)4. Unklar ist, ob, wenn die vermittelnde Gesellschaft in Bezug auf das inländische Grundstück der Untergesellschaft einen der Tatbestände von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hatte, die nach der BFH-Rechtsprechung darauf beruhende Zurechnung des Grundstücks der Untergesellschaft zum Vermögen der vermittelnden Gesellschaft dazuführt, dass die Vereinigung von mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) der Anteile an der vermittelnden Gesellschaft zu einer unmittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG führen kann.

961

13. Keine Grunderwerbsteuer bei Verkürzung der Beteiligungskette Wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgte die Zurechnung des Gesellschaftsgrundstücks bzw. der Beteiligung 962 an der grundbesitzenden Gesellschaft bisher zum mindestens i.H.v. 90 % unmittelbar und zu jedem durchgerechnet zu mindestens 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar beteiligten Gesellschafter. Die Verkürzung von Beteiligungsketten erfülltedanach bisher den Tatbestand weder von Abs. 3 noch von Abs. 3a. Wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG war bisher auch bei § 1 Abs. 3a GrEStG die Zurechnung der Grundstücke bzw. Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften zum durchgerechnet i.H.v. mindestens 90 % beteiligten Gesellschafter nicht davon abhängig, – ob der Gesellschafter bei Herbeiführung der Zurechnung einen Rechtsvorgang verwirklicht hat, der einen in § 1 GrEStG geregelten Tatbestand erfüllte, so dass die Zurechnung der Grundstücke zum Gesellschafter Grunderwerbsteuer ausgelöst hat, oder

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 9.10.2013, Rz. 3, Abwandlung zu Beispiel 3. 2 So FG Münster v. 5.6.2012 – 8 K 1667/09 GrE, EFG 2012, 1873. Ebenso BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 3 Vgl. z.B. Hofmann11, § 23 GrEStG Rz. 1 m.w.N. 4 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402.

Behrens

361

§ 1 Rz. 962 Erwerbsvorgänge – ob die Herbeiführung dieser Zurechnung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst hat, z.B. – weil sie – ohne Zutun des Gesellschafters – auf einer Gesetzesänderung beruht oder – weil in dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft ein Grundstück erwirbt, der Gesellschafter bereits zu mindestens 90 % an ihr beteiligt ist, so dass das Grundstück mit dem Erwerb durch die Gesellschaft auch dem Gesellschafter zugerechnet wird, ohne dass auf Ebene des Gesellschafter Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG anfällt1. Ob die dem zugrundeliegende BFH-Rechtsprechung für § 1 Abs. 3 GrEStG aufrechterhalten un/oder auf § 1 Abs. 3a GrEStG übertragen werden wird, ist derzeit unklar2.

III. Sog. wirtschaftliche Beteiligung (Satz 2) 1. Legaldefinition der sog. wirtschaftlichen Beteiligung 963

§ 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG stellt auf den Begriff der sog. wirtschaftlichen Beteiligung ab. Die sog. wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich nach § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital bzw. am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft.

964

Wie der Begriff „Anteil der Gesellschaft“ in § 1 Abs. 3 GrEStG meint der Begriff „Beteiligung am Kapital“ in § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG bei Kapitalgesellschaften den Anteil am gezeichneten Kapital (Grundkapital oder Stammkapital). Bei Personengesellschaften meint der Begriff „Beteiligung am Vermögen“ m.E. die Auseinandersetzungsquote, was der vorzugswürdigen Sichtweise bei der Auslegung des Begriffs „Anteil am Vermögen“ in § 1 Abs. 2a sowie in §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG entspricht3.

965

Unabhängig von der Gesellschaftsform erfolgt eine Durchrechnung durch die verschiedenen Beteiligungsebenen gemäß § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG. Es gilt nicht die sog. sachenrechtliche Betrachtungsweise, wonach bei grundbesitzenden Personengesellschaften in der Fallgruppe der teilweise unmittelbaren Anteilsvereinigung nach insoweit fortbestehender Verwaltungsansicht4 jede Gesamthandsbeteiligung gleich viel zählt5. Nach § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG werden die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen eines Rechtsträgers an der Gesellschaft mit inländischem Grundstück für die Ermittlung der maßgeblichen wirtschaftlichen Beteiligung zusammengerechnet. Auch bei zwischengeschaltete Gesellschaften kommt es gemäß § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG auf den Vomhundertsatz am Kapital oder am Vermögen (hier: der zwischengeschalteten Gesellschaften) an.

966

In Rz. 5 der Erlasse vom 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlass vom 9.10.2013 wird dargestellt, dass im Rahmen von § 1 Abs. 3a GrEStG die sachenrechtliche Betrachtungsweise nicht gilt. Es seien alle Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen6. Unabhängig davon, ob es sich bei den vermittelnden Gesellschaften um Kapital- oder Personengesellschaften handelt, sind für die Ermittlung der Beteiligungsquote die Vomhundertsätze am Kapital oder Vermögen der Gesellschaft zu multiplizieren, somit durch die verschiedenen

1 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; Erlasse v. 2.12.1999, StEK § 1 GrEStG Nr. 141, Rz. 3. Vgl. auch oben in Rz. 462 ff. 2 Vgl. z.B. die anhängigen Revisionsverfahren II R 33/20, II R 34/21, ggf. auch II R 28/21 und II R 44/18 (letzere zu § 1 Abs. 2a GrEStG). 3 Vgl. allerdings Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 26: „Maßgebend für den Umfang der zu gewährenden Steuervergünstigung ist die Höhe der Beteiligung am Vermögen, nicht die Höhe am Gewinn oder Verlust der Gesamthand bzw. die Höhe einer vielleicht abweichenden Auseinandersetzungsquote (BFH v. 27.8.2009 – II B 35/09, BFH/NV 2009, 2003)“. Unklar bleibt allerdings, was inhaltlich den „Anteil am Vermögen“ ausmachen soll. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Beispiel 14. 5 Der BFH hat in Tz. 21 des Urt. v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, die Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung insgesamt angekündigt; vgl. auch Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677. 6 Vereinbarungen zwischen den mehreren Käufern der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft sind unbeachtlich. Dies gilt auf Grundlage der Ländererlasse v. 19.9.2018 und auch schon v. 9.10.2013 dann nicht, wenn die Vereinbarung einen schuldrechtlichen Anteilsübertragungsanspruch begründet.

362

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 968 § 1

Beteiligungsebenen „durchzurechnen“1. Anders als im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG ist es unerheblich, ob der Gesellschafter mindestens 90 % der Anteile an der vermittelnden Gesellschaft hält. Verdeutlicht wird dies anhand des folgenden (hier wegen des Inkrafttretens des GrEStÄndG am 1.7.2021 abgewandelten) Beispiels: 967 Wegen der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % abgewandeltes Beispiel 5 der Länder-Erlasse vom 19.9.2018: V-GmbH

Veräußerung

K-GmbH 1% + 99 % = 100 %

99 %

Fremder

M-GmbH 89 % 89 %

K-GmbH ist sog. Altgesellschafterin der M-GmbH. § 1 Abs. 2b GrEStG wird daher nicht verwirklicht.

11 % M-KG

11 % T-GmbH

Der Verkauf des 99%igen Anteils an der M-GmbH durch V-GmbH an die K-GmbH erfüllt nach von 968 der Finanzverwaltung zu Recht vertretener Ansicht nicht den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, weil der V-GmbH bzw. der K-GmbH der von der M-KG gehaltene 11%ige Anteil an der grundbesitzenden T-GmbH im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG insgesamt nicht zugerechnet werden kann2. Die K-GmbH verwirklicht jedoch § 1 Abs. 3a GrEStG, weil ihr für die Zwecke von § 1 Abs. 3a GrEStG sowohl der von der M-GmbH direkt an der T-GmbH gehaltene 89%ige Anteil zuzurechnen ist als auch 89 % des von der M-KG an der T-GmbH gehaltenen 11%igen Anteils. Hinsichtlich der M-KG kommt es auf die Höhe des Anteils am Vermögen an3.

1 Die Ländererlasse stellen klar, dass es für das Innehaben der wirtschaftlichen Beteiligung auf das Innehaben eines Anteils am (gezeichneten) Kapital bzw. am Vermögen der Gesellschaft ankommt. Demnach sind z.B. MezzanineKapital-Strukturen, atypisch stille Beteiligungen, unterschiedliche Anteilsklassen, Gewinnabführungsverträge etc. nicht zu berücksichtigen. Auf den Umfang der Stimmrechte kommt es nicht an; so auch Wischott/Keller/ Graessner/Bakeberg, DB 2013, 2235 (2236). 2 Erforderlich wäre eine Beteiligung der M-GmbH am Kapital der M-KG in Höhe von mind. 90 %. Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 und BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. 3 Dies entspricht der Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG („Anteil am Gesellschaftsvermögen“). Gemeint ist der Anteil des einzelnen Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand; vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 797: „Die Beteiligung bestimmt sich regelmäßig nach dem Verhältnis der Festkapitalkonten der Gesellschafter. Sind im Gesellschaftsvertrag die Beteiligungsverhältnisse prozentual festgelegt, kann grds. von diesen Prozentsätzen ausgegangen werden“.

Behrens

363

§ 1 Rz. 969 Erwerbsvorgänge 2. Schuldrechtlicher Absprachen zwischen mehreren Gesellschaftern der Grundstücksgesellschaft im Rahmen von Abs. 3, Abs. 3a 969

Das zu § 1 Abs. 2a GrEStG ergangene BFH-Urteil vom 9.7.20141 hat für § 1 Abs. 3a GrEStG für die Fallgruppe der unmittelbaren Anteilsvereinigung keine Bedeutung. Auf Grundlage rein schuldrechtlicher Abmachungen kann insoweit keine Steuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG ausgelöst werden2, weil der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3a GrEStG („… innehat. …“), der auf dingliche Anteilserwerbe abstellt, abschließend ist. Selbst auf Grundlage der Verwaltungsansicht, wonach § 1 Abs. 3a GrEStG in allen vier Varianten von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 GrEStG verwirklicht werden kann, scheidet eine entsprechende Anwendung der vom BFH im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG entwickelten Grundsätze aus, weil nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG die unbedingt wirksame Begründung von Anteilsübertragungsansprüchen maßgeblich ist. Bisher höchstgerichtlich nicht entschieden worden ist, ob derartige schuldrechtliche Absprachen für die mittelbare Anteilszuordnung auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG maßgebend sein können.

970

Für die Gestaltungspraxis sollte höchstvorsorglich von der Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO durch die Finanzverwaltung ausgegangen werden, mit der Folge, dass sichergestellt werden sollte, dass z.B. der zu 10,1 % zivilrechtlich beteiligte Minderheitsgesellschafter auch wirtschaftlicher Eigentümer i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO des 10,1 %-Anteils ist. In Übereinstimmung mit den Entscheidungsgründen des BFH-Urteils II R 49/12 sollte dabei vorsorglich auf die ertragsteuerliche BFH-Rechtsprechung bezüglich § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO abgestellt werden.

IV. Quantifizierung mittelbarer Beteiligungen (Satz 3) 1. Grundsatz 971

Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG sind für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaften zu multiplizieren. Maßgebend für die Bestimmung der sog. wirtschaftlichen Beteiligung ist bei Kapitalgesellschaften die kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligung am Kapital und bei Personengesellschaften die gesamthänderische Beteiligung am Vermögen3. Alle Beteiligungen am Kapital bzw. am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft sind rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen, wobei eine sog. wirtschaftliche Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft auch über mehrere direkt oder in Kette gehaltene Anteile an Gesellschaften unterschiedlicher Rechtsform vermittelt werden kann. Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligung am Kapital oder am Vermögen sind die Prozentsätze zu multiplizieren. 2. Wechselseitige Beteiligungen

972

Fraglich ist, wie bei wechselseitigen Beteiligungen die Quote der sog. wirtschaftlichen Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG zu ermitteln ist4. Dies soll anhand des folgenden Beispiels, in dem der Ober-Gesellschafter die Anteile an einer Grundstücks-GmbH mittelbar über zu weniger als 95 % gehaltene Tochter-GmbHs erwirbt, die wechselseitig zu unter 95 % aneinander beteiligt sind, erläutert werden:

1 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 = BFH/NV 2014, 1667. Vgl. dazu oben Rz. 359 ff. 2 Vgl. Behrens/Bielinis, DStR 2014, 1369; Wagner/Mayer, BB 2014, 279; Mayer/Wagner, BB 2016, 2519. A.A. zumindest in Bezug auf Treuhandverhältnisse Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1242. 3 Entsprechend dem Anteil am Vermögen der Personengesellschaft in § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. dazu Rz. 318 ff.). 4 Keine Ausführungen enthalten die Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078, und auch die Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364, zu wechselseitigen Beteiligungen. Zur Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG auf einen Fall wechselseitiger Beteiligungen, in dem eine der Gesellschaften zu 100 % an der anderen Gesellschaft beteiligt war, vgl. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326; FG Köln v. 30.11.2011 – 5 K 1542/09, EFG 2012, 1582. Vgl. dazu Meiisel/Bokeloh, Ubg 2013, 587; Behrens, BB 2013, 1064.

364

Behrens

Rz. 976 § 1

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Beispiel: Die M-GmbH ist jeweils zu 50 % an zwei Tochter-GmbHs beteiligt. Die Tochter-GmbHs sind jeweils zu 50 % wechselseitig aneinander beteiligt1. Sie erwerben jeweils 50 % der Anteile an einer Grundstücks-GmbH:

M-GmbH V

50 % 50 % T1-GmbH

973

M-GmbH

50 % 50 % T2-GmbH

50 %

50 %

50 %

50 % T2-GmbH

T1-GmbH

100 %

50 % G-GmbH

V verkauft jeweils 50 % seines Geschäftsanteils an T1-GmbH und an T2-GmbH.

50 % G-GmbH

T1-GmbH und T2-GmbH verkaufen ihre 50 %-Geschäftsanteile an M-GmbH.

Obwohl kein externer Rechtsträger Anteile an der T1-GmbH, der T2-GmbH und der G-GmbH hält, wird durch den Erwerb von jeweils 50 % der Anteile an der G-GmbH durch die T1-GmbH und durch die T2-GmbH keine rechtliche Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Denn für die mittelbare Anteilsvereinigung sind nur solche mittelbaren Beteiligungen zu berücksichtigen, die zu mindestens 90 % gehalten werden2. Die M-GmbH ist weder an der T1-GmbH noch an der T2-GmbH zu mindestens 90 % beteiligt. Wegen Fehlens der finanziellen Eingliederung der T1GmbH und der T2-GmbH in das Unternehmen der M-GmbH liegt im ersten Schritt auch keine Anteilsvereinigung im Organkreis i.S.v. § 1 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG vor.

974

Grunderwerbsteuer fällt jedoch auf Grundlage des Gesetzeswortlauts („innehat“) nach § 1 Abs. 3a GrEStG an. Die sog. wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital der G-GmbH. Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Vomhundertsätze am Kapital zu multiplizieren.

975

V. Rechtsfolge des erstmaligen Innehabens einer sog. wirtschaftlichen Beteiligung i.H.v. 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) Hat durch einen Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG ein Rechtsträger insgesamt eine sog. wirtschaftliche Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft von mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) erstmals inne, ist § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist dann – wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG – der nach dem BewG zu ermittelnde und gesondert festzustellende Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG in Verbindung mit § 151

1 Vgl. §§ 33 Abs. 2, 272 Abs. 4 HGB. 2 Vgl. z.B. FinMin. Bad.-Württ. v. 14.2.2000, StEK § 1 GrEStG Nr. 144; vgl. auch BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225.

Behrens

365

976

§ 1 Rz. 976 Erwerbsvorgänge Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 des BewG)1. Der Rechtsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG ist nach § 19 Nr. 7a GrEStG der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle anzuzeigen. Gemäß § 13 Nr. 8 GrEStG schuldet der Rechtsträger die Steuer, der die mindestens 90%ige (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95%ige) wirtschaftliche Beteiligung innehat. Für das Steuer auslösende Innehaben der mindestens 95%igen wirtschaftlichen Beteiligung galt bzw. gilt dies nach § 13 Nr. 7 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung2.

VI. Nachversteuerung nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG führende Anteilserwerbe 977

Weil bei Verwirklichung des Tatbestands von Abs. 3a das Gesellschaftsgrundstück als auf den zu mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär 95 %) (unmittelbar und/oder mittelbar) beteiligten Gesellschafter übertragen gilt, sind die ihrem Wortlaut nach an Grundstücksübertragungen anknüpfenden Begünstigungen nach § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und § 7 Abs. 2 GrEStG grundsätzlich anwendbar. Die Ausführungen zu § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend (vgl. Rz. 875 ff.).

978

Beispiel: An der OHG sind die A-GmbH und die B-GmbH jeweils zu 45 % und die C-GmbH zu 10 % beteiligt. Im Jahr 01 überträgt die A-GmbH ein Grundstück auf die OHG. Im Jahr 02 überträgt die A-GmbH eine Beteiligung i.H.v. 10 % an der OHG auf die B-GmbH. Im Jahr 03 wird die A-GmbH auf die B-GmbH verschmolzen.3

Erlass vom 19.9.2018, Tz. 7.8.3, Beispiel 18, und auch schon Erlass vom 09.12.2015, Tz. 7.8.2, Beispiel 15, hier abgewandelt: Jahr 02:

Jahr 01: A-GmbH

B-GmbH

C-GmbH

45 % 45 %

10 % OHG

Die A-GmbH überträgt ihr Grundstück auf die OHG.

979

A-GmbH

B-GmbH

Jahr 03: C-GmbH

45 % + 10 % = 55 % 45 % 10 % – 10 % OHG = 35 %

Die A-GmbH überträgt eine 10 %ige Beteiligung an der OHG auf die B-GmbH.

A-GmbH

B-GmbH

C-GmbH

55 % + 35 % = 90 % 10 % OHG

Die A-GmbH wird auf die B-GmbH verschmolzen.

Die Grundstücksübertragung im Jahr 01 löst nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Grunderwerbsteuer aus. Wegen der Beteiligung der A-GmbH am Vermögen der OHG i.H.v. 45 % bleibt die Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG in dieser Höhe unerhoben, d.h. eine Grunderwerbsteuerfestsetzung erfolgt zunächst nur in Bezug auf 55 % der Bemessungsgrundlage. Die Übertragung der 10%igen Beteiligung an der OHG von der A-GmbH auf die B-GmbH im Jahr 01 ist selbst nicht steuerbar. Sie bewirkt eine Verminderung des Anteils der A-GmbH am Gesamthandsvermögen der OHG i.S.v. § 5

1 § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 2 Vgl. § 23 Abs. 22 GrEStG. M.E. gilt dies für die Regelung der Steuerschuldnerschaft entsprechend. 3 Vgl. Erlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1078, und v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Tz. 7.8.3.

366

Behrens

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

Rz. 982 § 1

Abs. 3 GrEStG. Mithin wird der in Bezug auf die Grundstücksübertragung ergangene Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert, d.h. es wird auf weitere 10 % der Bemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer festgesetzt. Im Jahr 03 bewirkt die Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH, dass die B-GmbH eine sog. wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG i.H.v. 90 % an der OHG innehat. § 1 Abs. 2a GrEStG wird nicht verwirklicht, weil die B-GmbH bereits im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die OHG unmittelbar an der OHG beteiligt gewesen und deshalb als sog. Altgesellschafterin anzusehen ist. § 1 Abs. 3 GrEStG wird auf Grundlage der Ansicht der Finanzverwaltung, wonach die sog. Pro-Kopf-Betrachtung in der Fallgruppe der (teilweise) unmittelbaren Anteilsvereinigung bei grundbesitzenden Personengesellschaften fortgilt1, nicht verwirklicht, weil die B-GmbH ab Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister lediglich eine von insgesamt zwei Gesamthandsbeteiligungen an der OHG hält. Die nach § 1 Abs. 3a GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer bleibt i.H.v. 55 % unerhoben, und zwar – i.H.v. 45 % deshalb, weil § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht anwendbar ist, weil die B-GmbH im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die OHG bereits i.H.v. 45 % an der OHG beteiligt war, und – i.H.v. 10 %, weil der Erwerb der 10%igen Beteiligung zur nachträglichen Grunderwerbsteuerfestsetzung in Höhe der 10 % nach § 5 Abs. 3 GrEStG geführt hat, was ebenfalls zur teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG führt2. Die Finanzverwaltung wendet § 5 Abs. 3 GrEStG auch in Bezug auf die im Jahr 03 übergegangene 35%ige OHG-Beteiligung an3. Infolge dessen bleibt der von § 1 Abs. 3a GrEStG fingierte Übergang des Grundstücks von der OHG auf die B-GmbH im Jahr 03 auch in Höhe der 35 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG unerhoben. Die Vergünstigung ist nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ausgeschlossen, da die Übertragung der 35%igen Beteiligung auf Grundlage der Verwaltungsansicht nach § 5 Abs. 3 GrEStG zu einer Versagung der Vergünstigung geführt hat.

980

VII. Keine Relevanz von Treuhandgeschäften Nach dem Gesetzeswortlaut („innehat“) kann nur die dingliche Rechtsinhaberschaft an Anteilen zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3a GrEStG in der Person des dinglichen Rechtsinhabers der Anteile führen. Über Treuhänder gehaltene Anteile sind daher bei der Ermittlung der Beteiligungsquote des Treugebers unberücksichtigt zu lassen4. Die Finanzverwaltung äußert sich zu Treuhandgeschäften in den Erlassen vom 19.9.2018 und auch schon in den Vorgänger-Erlassen vom 9.10.2013 nicht. Es besteht für die Praxis ein Risiko, dass sie Anteilserwerbe durch Treuhänder (entgegen der hier vertretenen Ansicht) als für die Ebene des Treugebers tatbestandsmäßig ansehen wird5. Dies folgt m.E. bereits daraus, dass die Finanzverwaltung der Auffassung ist, die wirtschaftliche Beteiligung könne in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG – d.h. auch durch schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte zur Übertragung von Anteilen – verwirklicht werden6.

981

Mithin ist für die Praxis höchstvorsorglich davon auszugehen, dass z.B. die Grundsätze des BFH-Urteils II R 237/85 vom 5.11.19867 von der Finanzverwaltung im Rahmen von § 1 Abs. 3a GrEStG entsprechend angewandt werden könnten. Nach diesem Urteil kommt es für die Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht darauf an, ob die Sachherrschaft, die durch diese Vorschrift besteuert werden soll, direkt oder indirekt – durch zwischengeschaltete Gesellschafter oder

982

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, z.B. Beispiel 14. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029, Tz. 7.8.3 i.V.m. Tz. 7.7. 3 M.E. ist § 5 Abs. 3 GrEStG insoweit nicht anwendbar, weil keine objektive Missbrauchsmöglichkeit besteht; denn der Übergang der 38%igen Beteiligung löst selbst den Tatbestand von § 1 Abs. 3a aus, ist mithin selbst grunderwerbsteuerbar. Vgl. Behrens, BB 2016, 340 (343). 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 190. 5 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1242. 6 Vgl. Tz. 1 Abs. 2 der Erlasse v. 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013. 7 Vgl. BFH v. 5.11.1986 – II R 237/85, BStBl. II 1987, 225. Vgl. Rz. 821 ff.

Behrens

367

§ 1 Rz. 982 Erwerbsvorgänge Treuhänder – ausgeübt wird. Die Sachherrschaft kann nach der BFH-Rechtsprechung auch mehrstufig indirekt ausgeübt werden, indem eine Gesellschaft und ein Treuhänder zwischengeschaltet werden. 983

Schuldrechtliche Absprachen zwischen den Gesellschaftern derselben grundbesitzenden Gesellschaft oder derselben zwischengeschalteten Gesellschaften sind zwar grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Rz. 981), jedoch in der Praxis aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht vorsorglich so zu gestalten, dass der eine Gesellschafter seine Anteile nicht im Ergebnis wie ein Treuhänder für den anderen Gesellschafter hält1.

VIII. Unanwendbarkeit bei anteilsbezogenen Zwischengeschäften 1. Grundsätze 984

Während die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG geregelten Tatbestände unmittelbar auf inländische Grundstücke bezogene Zwischengeschäfte (einschließlich der Übernahme eines noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrags durch einen neuen Käufer)2 der Grunderwerbsteuer unterwerfen, enthält das Grunderwerbsteuergesetz keine Vorschriften, wonach auch Zwischengeschäfte3 Grunderwerbsteuer auslösen, die sich auf Anteile an Gesellschaften beziehen, zu deren Vermögen Grundstücke gehören. Die Verpflichtung zur Abtretung des Anspruchs auf Übertragung bereits vereinigter mindestens 90 % (bis 30.6.2021 und danach subsidiär4 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft löst keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG aus, weil diese Vorschrift nur solche Rechtsgeschäfte erfasst, die einen Anteilsübertragungsanspruch begründen, nicht aber solche, die zur Abtretung bereits entstandener Anteilsübertragungsansprüche verpflichten5. Ebenso löst die dingliche Abtretung eines solchen Anspruchs keine Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG aus. Die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG scheitert bereits daran, dass dieser Tatbestand nur den dinglichen Anteilserwerb erfasst, nicht aber den Erwerb von Ansprüchen auf Übertragung von Anteilen; auch auf Grundlage der Verwaltungsansicht, wonach in enger Anlehnung an die vier Ziffern von Abs. 3 auch schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte von § 1 Abs. 3a GrEStG erfasst werden, ist Abs. 3a nicht einschlägig, weil die Gründe, die der Anwendung von Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 entgegenstehen, wegen des Gleichlaufs der Tatbestände in Abs. 3 und Abs. 3a ebenso auch eine Anwendung von Abs. 3a verbieten. Auch die dingliche Übertragung der Anteile unmittelbar vom Anteilsverkäufer auf den Erwerber des Anteilsübertragungsanspruchs löst keine Steuer nach Abs. 3 oder Abs. 3a aus. 2. Beispielfall in Anlehnung an den Sachverhalt von BFH II R 26/14 a) Sachverhalt

985

Der Anteilsverkäufer verkauft seinen 100%igen Geschäftsanteil an der Target-GmbH an die MG. Die MG überträgt diesen Anteilsübertragungsanspruch auf die zu 100%ig in ihrem Anteilsbesitz stehende Tochter-GmbH („TG“). Anschließend überträgt der Anteilsverkäufer die Rechtsinhaberschaft an dem 100%igen Geschäftsanteil direkt auf die TG:

1 Vgl. exemplarisch den dem Urteil des FG Münster v. 5.2.2004 – 8 K 5386/00 F, EFG 2004, 1078 zugrundeliegenden Sachverhalt; vgl. Rz. 827. 2 Vgl. BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526, Leitsatz: „Tritt ein Dritter durch eine Vertragsübernahme als neuer Käufer in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, verwirklicht sich ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG. Dieser schließt bezüglich des nämlichen Grundstücks einen Rechtsträgerwechsel vom Verkäufer auf den neuen Käufer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (Aufgabe der Rechtsprechung im Urteil des BFH v. 26.9.1990 – II R 107/87, BFH/NV 1991, 482).“ 3 Zum Beispiel Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung der bereits vereinigten Anteile an Grundstücks-Gesellschaften begründen, oder die den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Angebot zum Kauf der bereits vereinigten Anteile an einer Grundstücks-Gesellschaft begründen, sowie die dingliche Abtretung derartiger Rechte. 4 Vgl. § 23 Abs. 21, Abs. 22 GrEStG. 5 Vgl. zuletzt BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748.

368

Behrens

Rz. 988 § 1

H. Wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 % bzw. 95 % (Abs. 3a)

1.

AnteilsVerkäufer

Abschluss des Anteilskaufvertrags

2.

MG 100 %

Abtretung des Anteilsübertragungsanspruchs



TG

1. Anteils-Verkäufer und MG als Käufer schließen notariell beurkundeten GmbH-Geschäftskaufvertrag ab  § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 2. MG überträgt den Anspruch gegen Anteilsverkäufer auf Übertragung der Anteile an der Target-GmbH auf die TG  § 1 Abs. 3 GrEStG  § 1 Abs. 3a GrEStG 3. Anteilsverkäufer überträgt die Anteile an der Target-GmbH auf die TG  § 1 Abs. 2b GrEStG  § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG  § Abs. 3a GrEStG

3.

Anteilsübertragung 100 %

100 % Target-GmbH

Der Abschluss des Anteilskaufvertrags löst im Verhältnis des Anteilsverkäufers zur MG keine Grund- 986 erwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG aus, weil eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt1. Die Abtretung des Anteilsübertragungsanspruchs durch MG an die TochterGmbH verwirklicht den Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht, weil kein Anspruch auf Übertragung des 100%igen Geschäftsanteils an der Target-GmbH begründet wird; es wird vielmehr der bereits bestehende Anteilsübertragungsanspruch abgetreten, was vom Wortlaut von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht erfasst ist. Die anschließende Übertragung der dinglichen Rechtsinhaberschaft an dem 100%igen Geschäftsanteil an der Target-GmbH durch den Anteilsverkäufer auf die Tochter-GmbH löst keine Grunderwerbsteuer aus; § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG ist nicht erfüllt, ebenfalls schon deshalb, weil eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt; der dingliche Übergang der 100%igen Beteiligung an der grundbesitzenden Target-GmbH vom Anteilsverkäufer auf die TG verwirklicht den Tatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG2. Auch § 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht anwendbar, vgl. dazu Rz. 988 ff.

987

b) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis Anteilsverkäufer/MG § 1 Abs. 3a GrEStG kann nur anwendbar sein, „wenn keine Besteuerung nach den Absätzen 2a, 2b und 3 in Betracht kommt“. Der Abschluss des Anteilskaufvertrags zwischen dem Anteils-Verkäufer und der MG verwirklicht die Tatbestände in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG nicht, weil eine Besteuerung nach Abs. 2b in Betracht kommt.

1 Vgl. Behrens/Klinger, DStZ 2021, 2870. 2 Die Grundsätze von BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748, sind wegen des Inkrafttretens von § 1 Abs. 2b verwirklicht. § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 für den dargestellten Sachverhalt nicht mehr einschlägig, wenn der Sachverhalt – wie hier unterstellt – nach dem 30.6.2021 verwirklicht wird. Zur grunderwerbsteuerlichen Beurteilung des Sachverhalts, wenn er vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden ist, vgl. die 1. Auflage, § 1 GrEStG Rz. 753 bis 758.

Behrens

369

988

§ 1 Rz. 989 Erwerbsvorgänge c) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis MG/TG 989

§ 1 Abs. 3a GrEStG erfasst m.E. nur den dinglichen Anteilserwerb und ist schon deshalb auch im Verhältnis MG/TG nicht anwendbar. Auf Grundlage der mit der hier vertretenen Meinung nicht übereinstimmenden Verwaltungsansicht gilt m.E. Folgendes: Kann die sog. wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG erworben werden1, dann kann § 1 Abs. 3a GrEStG allerdings auch nur in den Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden2. Im Verhältnis zwischen Anteils-Käufer und in dessen Rechtsposition eintretendem Dritten wird jedoch keiner der Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht3. Mithin wird auch auf Grundlage der Verwaltungsansicht der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG in diesem Verhältnis nicht verwirklicht. d) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis Anteilsverkäufer/TG

990

Durch die dingliche Übertragung der 100%igen Beteiligung an der Target-GmbH durch den Anteilsverkäufer auf die TG wird § 1 Abs. 2b verwirklicht. § 1 Abs. 3a GrEStG ist daher nicht anwendbar.

J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4) Literatur: Adolf, Grunderwerbsteuer bei Organschaftsfällen, GmbHR 2007, 1309; Behrens, Mittelbare Anteilsvereinigung infolge einer Verschmelzung bei bestehendem Organschaftsverhältnis, Anmerkungen zu BFH-Urteil vom 20.7.2005 – II R 30/04, BB 2005, 2621; Behrens/Braun, Mittelbare oder kombiniert unmittelbare/mittelbare Eingliederung für Zwecke der umsatzsteuerlichen Organschaft bei Beteiligungsketten, UVR 2010, 215; Behrens/MeyerWirges, Anmerkungen zum koordinierten Ländererlass v. 21.3.2007 zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft; Brinkmann/Tschesche, Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung in der Hand der grunderwerbsteuerlichen Organschaft – BFH widerspricht OFD Münster, BB 2005, 2783; Götz, Grunderwerbsteuerliche und organschaftliche Fragen bei Umwandlungen im Konzern, GmbHR 2001, 277; Günkel/Lieber, Organschaft, S. 353 ff.; Heine, Die Organschaft im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2001, 349; Heine, Herrschende und abhängige Personen sowie Unternehmen die Organschaft im Grunderwerbsteuerrecht, GmbHR, 2003, 453; Krebühl, Besteuerung der Organschaft im neuen Unternehmenssteuerrecht, DStR 2002, 1241; Kroschewski, Zur Steuerbarkeit der unmittelbaren Anteilsvereinigung bei beherrschten Gesellschaften gem. § 1 Abs. 3 GrEStG, BB 2001, 1121; Lieber in Müller/Detmering/ Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl.; Lieber, DB Beilage Nr. 4/2007; Mitsch, Die grunderwerbliche Organschaft, DB 2001, 2165; Satish/Weiß, Qualifizierung von Personengesellschaften als abhängige Unternehmen im Rahmen einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft, DStR 2018, 1257; Vossel/Peter/Hellstern, Ausweitung der grunderwerbsteuerlichen Organschaft durch das EuGH-Urteil vom 16.7.2015?, Ubg 2016, 271; Wischott/Schönweiß, Grunderwerbsteuerpflicht bei Wechsel des Organträgers, DStR 2006, 172.

I. Überblick 991

§ 1 Abs. 4 GrEStG enthält Legaldefinitionen von Tatbestandsmerkmalen der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG. In § 1 Abs. 4 GrEStG wird der Begriff der abhängigen (natürlichen oder juristischen) Person i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG definiert. Bedeutung hat § 1 Abs. 4 GrEStG mithin für die Fallgruppe der Anteilsvereinigung im Organkreis i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG. Eine Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsvereinigung im Organkreis setzt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG voraus, dass sich die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar i.H.v. mindestens 90 % in der Hand von herrschenden (genauer: einem herrschenden) und von demselben herrschenden Unternehmen abhängigen Unternehmen oder in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigen Personen oder in der Hand abhängiger Unternehmen allein oder in der Hand abhängiger Personen allein vereinigen würden oder vereinigen. Diese Tatbestandsmerkmale werden auch in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hineingelesen; Nr. 2 gleicht dem Anwendungsbereich von Nr. 1 mit 1 Vgl. Tz. 1 Abs. 2 der gleichlautenden Erlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013. 2 Vgl. Tz. 1 Abs. 2 der Erlasse v. 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013 zu § 1 Abs. 3a GrEStG, BStBl. I 2018, 1078 bzw. BStBl. I 2013, 1324. 3 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748; FG Köln v. 26.3.2014 – 5 K 235/11, Rz. 22. Vgl. auch Mies/Greskamp, DStR 2016, 2741; Mückl/München, DStR 2014, 2273.

370

Behrens

§ 1 Rz. 989 Erwerbsvorgänge c) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis MG/TG 989

§ 1 Abs. 3a GrEStG erfasst m.E. nur den dinglichen Anteilserwerb und ist schon deshalb auch im Verhältnis MG/TG nicht anwendbar. Auf Grundlage der mit der hier vertretenen Meinung nicht übereinstimmenden Verwaltungsansicht gilt m.E. Folgendes: Kann die sog. wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG erworben werden1, dann kann § 1 Abs. 3a GrEStG allerdings auch nur in den Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden2. Im Verhältnis zwischen Anteils-Käufer und in dessen Rechtsposition eintretendem Dritten wird jedoch keiner der Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht3. Mithin wird auch auf Grundlage der Verwaltungsansicht der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG in diesem Verhältnis nicht verwirklicht. d) Kein Erwerbsvorgang i.S.v. Abs. 3a im Verhältnis Anteilsverkäufer/TG

990

Durch die dingliche Übertragung der 100%igen Beteiligung an der Target-GmbH durch den Anteilsverkäufer auf die TG wird § 1 Abs. 2b verwirklicht. § 1 Abs. 3a GrEStG ist daher nicht anwendbar.

J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4) Literatur: Adolf, Grunderwerbsteuer bei Organschaftsfällen, GmbHR 2007, 1309; Behrens, Mittelbare Anteilsvereinigung infolge einer Verschmelzung bei bestehendem Organschaftsverhältnis, Anmerkungen zu BFH-Urteil vom 20.7.2005 – II R 30/04, BB 2005, 2621; Behrens/Braun, Mittelbare oder kombiniert unmittelbare/mittelbare Eingliederung für Zwecke der umsatzsteuerlichen Organschaft bei Beteiligungsketten, UVR 2010, 215; Behrens/MeyerWirges, Anmerkungen zum koordinierten Ländererlass v. 21.3.2007 zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft; Brinkmann/Tschesche, Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung in der Hand der grunderwerbsteuerlichen Organschaft – BFH widerspricht OFD Münster, BB 2005, 2783; Götz, Grunderwerbsteuerliche und organschaftliche Fragen bei Umwandlungen im Konzern, GmbHR 2001, 277; Günkel/Lieber, Organschaft, S. 353 ff.; Heine, Die Organschaft im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2001, 349; Heine, Herrschende und abhängige Personen sowie Unternehmen die Organschaft im Grunderwerbsteuerrecht, GmbHR, 2003, 453; Krebühl, Besteuerung der Organschaft im neuen Unternehmenssteuerrecht, DStR 2002, 1241; Kroschewski, Zur Steuerbarkeit der unmittelbaren Anteilsvereinigung bei beherrschten Gesellschaften gem. § 1 Abs. 3 GrEStG, BB 2001, 1121; Lieber in Müller/Detmering/ Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl.; Lieber, DB Beilage Nr. 4/2007; Mitsch, Die grunderwerbliche Organschaft, DB 2001, 2165; Satish/Weiß, Qualifizierung von Personengesellschaften als abhängige Unternehmen im Rahmen einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft, DStR 2018, 1257; Vossel/Peter/Hellstern, Ausweitung der grunderwerbsteuerlichen Organschaft durch das EuGH-Urteil vom 16.7.2015?, Ubg 2016, 271; Wischott/Schönweiß, Grunderwerbsteuerpflicht bei Wechsel des Organträgers, DStR 2006, 172.

I. Überblick 991

§ 1 Abs. 4 GrEStG enthält Legaldefinitionen von Tatbestandsmerkmalen der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG. In § 1 Abs. 4 GrEStG wird der Begriff der abhängigen (natürlichen oder juristischen) Person i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG definiert. Bedeutung hat § 1 Abs. 4 GrEStG mithin für die Fallgruppe der Anteilsvereinigung im Organkreis i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG. Eine Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsvereinigung im Organkreis setzt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG voraus, dass sich die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar i.H.v. mindestens 90 % in der Hand von herrschenden (genauer: einem herrschenden) und von demselben herrschenden Unternehmen abhängigen Unternehmen oder in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigen Personen oder in der Hand abhängiger Unternehmen allein oder in der Hand abhängiger Personen allein vereinigen würden oder vereinigen. Diese Tatbestandsmerkmale werden auch in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hineingelesen; Nr. 2 gleicht dem Anwendungsbereich von Nr. 1 mit 1 Vgl. Tz. 1 Abs. 2 der gleichlautenden Erlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013. 2 Vgl. Tz. 1 Abs. 2 der Erlasse v. 19.9.2018 und auch schon der Vorgänger-Erlasse v. 9.10.2013 zu § 1 Abs. 3a GrEStG, BStBl. I 2018, 1078 bzw. BStBl. I 2013, 1324. 3 Vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748; FG Köln v. 26.3.2014 – 5 K 235/11, Rz. 22. Vgl. auch Mies/Greskamp, DStR 2016, 2741; Mückl/München, DStR 2014, 2273.

370

Behrens

J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 995 § 1

der Ausnahme, dass in den Fällen von Nr. 2 kein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen vorliegt und deshalb an die dingliche Rechtsänderung angeknüpft wird. Keine Bedeutung hat § 1 Abs. 4 GrEStG für die Übertragung bereits vereinigter Anteile auf einen anderen Rechtsträger i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG; denn die Anteilsvereinigung im Organkreis bewirkt keine Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile bei einem Rechtsträger1. Die Steuerbarkeit einer Anteilsvereinigung in der Hand von herrschendem und abhängigen Unter- 992 nehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und Var. 3 i. v. m. § 1 Abs. 4 GrEStG wurde mit dem GrEStG 1940 eingeführt. Ursprünglich verwies § 1 Abs. 4 GrEStG im Zusammenhang mit den Eingliederungsvoraussetzungen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Zwar wurde dieser Verweis später gestrichen. Obwohl § 1 Abs. 4 GrEStG damit keine Verweisung auf die Vorschriften über die umsatzsteuerrechtliche Organschaft mehr enthält, wird die Frage, ob eine finanzielle, wirtschaftliche oder organisatorische Eingliederung vorliegt, für § 1 Abs. 4 GrEStG nach allgemeiner Meinung entsprechend den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 UStG beurteilt2.

II. Bergrechtliche Gewerkschaften (Nr. 1 a.F.) Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG a.F. galten i.S.d. Abs. 3 als Gesellschaften auch die bergrechtlichen 993 Gewerkschaften. Die bergrechtliche Gewerkschaft war in § 163 BBergG geregelt. Ab 1.1.1982 ist die Entstehung neuer Gewerkschaften ausgeschlossen. Die früheren Gewerkschaften waren zum 1.1.1986 bzw. 1.1.1994 aufzulösen3. Durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.20184 wurde der Begriff der bergrechtlichen Gewerkschaften in § 1 Abs. 4 gestrichen, weil die bergrechtlichen Gewerkschaften nach § 163 BBergG spätestens zum 1.1.1994 aufgelöst wurden5.

III. Abhängige natürliche Personen (Nr. 1 n.F.) 1. Bedeutung Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG gelten i.S.d. Abs. 3 als abhängig natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zusammengeschlossen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtet sind. Praktische Bedeutung hat diese Legaldefinition nicht; die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand von herrschendem Unternehmen und abhängigen (natürlichen) Personen oder in der Hand von abhängigen natürlichen Personen allein ist in der Praxis nicht denkbar.

994

2. Eingliederung einer einzelnen abhängigen Person Nach einhelliger Ansicht hat die Begriffsbestimmung der abhängigen Person in § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG, was die Eingliederung als einzelne natürliche Person angelangt, keine praktische Bedeutung6. Eine natürliche Person kann aufgrund Treuhand- oder Auftragsverhältnis zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen verpflichtet sein; in diesem Fall sind die Anteile dem Treugeber bzw. Auftraggeber 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 Anm. 1 vorletzter Absatz; zuvor gleichlautende Ländererlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Tz. 4.1.3; Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1762. 2 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 176, mit dem Hinw. darauf, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG „Im Kernbereich wortgleich mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG 1980/2005“ ist; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1115; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 358; Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1753. 3 Vgl. § 163 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BBergG. 4 Vgl. BGBl. I 2018 v. 14.12.2018, S. 2338. 5 Vgl. BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, S. 68. 6 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1122; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 356; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 175; Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1760; vgl. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511.

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995

§ 1 Rz. 995 Erwerbsvorgänge bereits aufgrund des ihm gegenüber dem Treuhänder bzw. Auftragnehmer zustehenden Herausgabeanspruchs im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 1 oder Nr. 3 GrEStG zuzurechnen. § 1 Abs. 4 Nr. 1 läuft leer1. Wenn demgegenüber die von § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG vorausgesetzte Weisungsgebundenheit in Bezug auf die Anteile fehlt, liegt keine Abhängigkeit i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG vor. Eine etwaige wirtschaftliche Abhängigkeit von Arbeitnehmern gegenüber ihrem Arbeitgeber genügt nicht, um eine natürliche Person als i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG abhängig anzusehen. 996

Eine allgemeine Eingliederung der natürlichen Person in ein Unternehmen (etwa als Arbeitnehmer)2 ist grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung3. 3. Eingliederung zusammengeschlossener natürlicher Personen

997

Nicht abschließend geklärt ist, wie das Merkmal „zusammengeschlossene natürliche Personen“ auszulegen ist4. Unklar (und wohl ohne praktische Bedeutung) ist, ob die Regelung in Abschnitt 2.2 Abs. 5 Satz 2 UStAE, wonach nicht rechtsfähige Personenvereinigungen als kollektive Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern zwecks Anbietung der Arbeitskraft gegenüber einem gemeinsamen Arbeitgeber unselbstständig sein können5, im Rahmen von § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich gilt6. Nach Auffassung des BFH umfasst § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG den gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss mehrerer Personen, wenn es sich dabei ausschließlich um natürliche Personen handelt7. Weil § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG die konkrete Organisationsform des Zusammenschlusses natürlicher Personen nicht vorschreibt, ist dem zuzustimmen, eine praktische Bedeutung dennoch nicht erkennbar. Die Einführung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 GrEStG wurde in der Gesetzesbegründung zum GrEStG 1980 damit begründet, dass der BFH entschieden habe, dass eine Personengesellschaft des Handelsrechts umsatzsteuerrechtlich nicht i.S.v. § 2 Abs. 2 UStG unselbständig sein könne8. Eine Personengesellschaft, an der zumindest eine juristische Person gesamthänderisch beteiligt ist, ist kein Zusammenschluss natürlicher Personen i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG9. Auch soweit mit dem Merkmal „zusammengeschlossene natürliche Personen“ die in der früheren BFH-Rechtsprechung zum Umsatzsteuerrecht anerkannten sog. organschaftsähnlichen Verhältnisse gemeint sein sollten, hätte dieses Merkmal grunderwerbsteuerrechtlich keine Bedeutung10.

1 Vgl. BFH v. 4.3.2020 – I R 2/17, BStBl. II 2020, 511. 2 Umsatzsteuerrechtlich sind Arbeitnehmer in das Unternehmen des Arbeitgebers eingegliedert und damit nicht selbstständig tätig, und zwar auch dann, wenn sie nach außen wie Kaufleute auftreten; vgl. Abschnitt 2.2 Abs. 1 Satz 7 UStAE; ob umsatzsteuerrechtlich Selbständigkeit oder Unselbständigkeit anzunehmen ist, richtet sich grds. nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber; vgl. Abschnitt 2.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE. Grunderwerbsteuerrechtlich ist der Arbeitnehmer als Einzelperson in keinem Fall vom Arbeitgeber i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG abhängig. 3 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1122. Anders als nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wonach nicht-selbständig Tätige keine umsatzsteuerlichen Unternehmer sind. Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 356. 4 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 175. 5 In Abschnitt 2.2 Abs. 5 Satz 2 UStAE wird auf das BFH v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362 verwiesen. 6 Ablehnend Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 175: „Soweit das Gesetz den Begriff der abhängigen Person(en) einführt, läuft es notwendigerweise leer“. 7 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156, Leitsatz 2. Auch umsatzsteuerrechtlich können nicht rechtsfähige Personenvereinigungen als kollektive Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern zwecks Anbietung der Arbeitskraft gegenüber einem gemeinsamen Arbeitgeber unselbständig sein; vgl. Abschn. 2.2 Abs. 5 Satz 2 UStAE unter Hinw. auf BFH v. 8.2.1979 – V R 101/78, BStBl. II 1979, 362. 8 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des Bundesrats zum GrEStG 1980, BT-Drucks. 9/151 v. 19.3.1981, S. 16. 9 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 10 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 175 unter Hinw. darauf, dass, wenn ein Personenzusammenschluss nicht als solcher den Weisungen einer anderen Person in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtet ist, er nicht als Treuhänder bzw. Auftragnehmer für eine andere Person handelt und deshalb grunderwerbsteuerrechtlich keine Gesellschaftsanteile vermittelt.

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J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 1000 § 1

IV. Abhängige juristische Personen (Nr. 2) 1. Bedeutung Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG gelten i.S.d. Abs. 3 als abhängig juristische Personen, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert sind. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt die sonst für die mittelbare Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG erforderliche direkte oder indirekte mindestens 90%ige Beteiligung des Erwerbers an jeder zwischengeschalteten Gesellschaft1. Es ist gegenüber der direkten oder indirekten mindestens 90%igen Beteiligung subsidiär2.

998

2. Juristische Personen Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG abhängig können nur juristische Personen im Sinne des Zivilrechts 999 sein, d.h. AGs, GmbHs, KGaAs und entsprechende ausländische Rechtsformen. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG hat Bedeutung lediglich für das Merkmal „abhängiges Unternehmen“ in § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und 3 GrEStG, nicht für das dort genannte Merkmal „abhängige Person“. Dies folgt daraus, dass das GrEStG das „abhängige Unternehmen“ als solches nicht definiert, sondern lediglich die Definition der abhängigen Personen des § 1 Abs. 4 GrEStG beinhaltet. Die ursprüngliche Fassung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwies direkt auf § 2 Abs. 2 UStG. Mit der Neufassung von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG 1983 sollte darauf reagiert werden, dass der BFH Personengesellschaften nicht länger als unselbständige Personen i.S.v. § 2 UStG ansah. Die Gesetzesbegründung hierzu bezieht sich jedoch weiterhin auf „herrschende und abhängige Unternehmen“3, woraus folgt, dass am Erfordernis der Unternehmereigenschaft der „abhängigen juristischen Person“ nichts geändert werden sollte4. Auch der gleichlautende Ländererlass vom 19.9.20185 und die Vorgänger-Erlasse vom 21.3.20076 regelt lediglich die Fälle des „abhängigen Unternehmens“. Indem die Erlasse sich mit der Definition des „abhängigen Unternehmens“ auf die Regelung zur „abhängigen Person“ in § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG stützen und weder an dieser Stelle ausführen, dass auch eine abhängige, nicht unternehmerische juristische Person Organgesellschaft sein kann, noch beim Erfordernis der Unternehmereigenschaft der Organgesellschaft hierauf hinweisen, können die Ländererlasse nur dahingehend gedeutet werden, dass auch die obersten Finanzbehörden der Länder eine juristische Person nur dann als „abhängig“ i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG einordnen, wenn diese juristische Person zugleich umsatzsteuerlich Unternehmerin i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG ist. 3. Keine Abhängigkeit i.S.v. Abs. 4 Nr. 2 von Personengesellschaften Personengesellschaften sind keine juristischen Personen im Sinne des Zivilrechts. Daran wird sich 1000 auch durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der Personengesellschaftsrechts vom

1 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 2 Vgl. gleichlautende Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, Anm. 1 a.E.: „Die Zusammenfassung von juristisch selbständigen Unternehmen zu einem Organkreis i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG ist nur dann zulässig, wenn die Anteile der grundstücksbesitzenden Gesellschaft nicht bereits zu mind. 95 % unmittelbar oder mittelbar in der Hand des Organträgers oder eine Organgesellschaft vereinigt sind“; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1108. 3 Vgl. BT-Drucks. 95/251, 16. 4 Dass im deutschen Umsatzsteuerrecht für die Einordnung einer juristischen Person als Organgesellschaft unter anderem die Unternehmereigenschaft dieser juristischen Person verlangt wird, ergibt sich aus Abschnitt 2.8 Abs. 1 UStAE; vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rz. 678; von Streit, UStB 2006, 255 (257). Gesetzessystematisch folgt dies daraus, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Rückausnahme zu § 2 Abs. 1 UStG ist. D.h. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, worin die Eingliederungsvoraussetzungen genannt sind, ist nur anwendbar, wenn die juristische Person die in § 2 Abs. 1 UStG definierte Unternehmereigenschaft hat. 5 Vgl. BStBl. I 2018, 1056. 6 Vgl. BStBl. I 2007, 422.

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§ 1 Rz. 1000 Erwerbsvorgänge 10.8.2021 (MoPeG)1 am 1.1.2024 nichts ändern2. Personengesellschaften können mithin nicht nach § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG von einem Unternehmen abhängig sein3. Soweit die Obersten Finanzbehörden der Länder in den gleichlautenden Erlassen zur Anwendung von § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG in Organschaftsfällen vom 19.9.20184 und auch schon in den Vorgänger-Erlassen vom 21.3.20075 formulieren, dass abhängiges Unternehmen auch eine Personengesellschaft sein könne, wenn deren Gesellschafter entweder das herrschende Unternehmen und abhängige juristische Personen oder nur abhängige juristische Personen sind6, kann ihnen nicht gefolgt werden7. Daran ändert auch nichts, dass der XI. Senat des BFH mit Urteil XI R 38/12 vom 19.1.20168 entschieden hat, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 RL 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden könne, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasse9. Die MwStSystRL hat für die Anwendung der Grunderwerbsteuer in Deutschland keine Bedeutung10. 1001

Allerdings nehmen der BFH und die Finanzverwaltung eine mittelbare Anteilsvereinigung unter Zwischenschaltung einer Personengesellschaft an (ohne dass es der Einordnung der Personengesellschaft als Organgesellschaft bedürfte), wenn sämtliche Gesellschafter dieser Personengesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in dasselbe Unternehmen eingegliedert sind bzw. einer ihrer Gesellschafter das herrschende Unternehmen ist11 und die erstgenannte Voraussetzung für die übrigen Gesellschafter zutrifft. Die Zwischenschaltung einer solchen Personengesellschaft in Beteiligungsketten schließt jedoch den Eintritt einer mittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht aus, wenn ihre Gesellschafter ausschließlich das herrschende und von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Unternehmen oder wenn ihre Gesellschafter ausschließlich von ein und demselben herrschenden Unternehmen abhängige Unternehmen sind12. 1 Vgl. BGBl. I 2021, 3436. 2 Die rechtsfähige Personengesellschaft wird auch weiterhin als Gesellschaftsform sui generis und nicht als juristische Person wie eine Kapitalgesellschaft angesehen, weil das Prinzip der Selbstorganschaft fortbesteht, d.h. die Gesellschafter gem. § 715 BGB n.F. die Geschäfte der rechtsfähigen Personengesellschaft führen und sie gem. § 720 BGB n.F. nach außen vertreten, die Haftung der Gesellschafter der Personengesellschaft gem. § 721 BGB n.F. fortbesteht und eine Ein-Personen-Personengesellschaft auch weiterhin nicht möglich ist. Vielmehr wächst das Vermögen der Personengesellschaft bei Austritt des vorletzten Gesellschafters dem letzten Gesellschafter gem. § 712a BGB n.F. an. Vgl. auch K. Schmidt, ZHR 2021, 16 (28), der die Personengesellschaft als „Gesamthandgesellschaft“ versteht, wonach das Gesamthandsvermögen nicht den Gesellschaftern zusteht, sondern der Gesamtheit der Gesellschafter, d.h. der Gesellschaft selbst. 3 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156, Rz. 16: „Die A-KG ist keine juristische Person. Selbst wenn sie nach Organisation und Erscheinungsbild einer juristischen Person angeglichen sein sollte, verbietet der eindeutige Wortlaut der Bestimmung die Gleichstellung mit einer juristischen Person. Dies gilt – entgegen der Auffassung des FA – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in der A-KG nur juristische Personen zusammengeschlossen sind“. Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 358. 4 Vgl. BStBl. I 2018, 1056. 5 Vgl. BStBl. I 2007, 422. 6 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Anm. 1 Abs. 4 a.E. unter Hinw. auf das BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 7 Auch im Urteil des BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156, insb. Rz. 16, werden Personengesellschaften nicht als potentielle Organgesellschaften bezeichnet. 8 Vgl. BStBl. II 2017, 467. 9 Zweifelnd allerdings Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1121: „Fraglich ist, ob dieser Auslegung auch für die GrESt zu folgen ist; anders als bei der USt gibt es für die GrESt noch keine Harmonisierung für das Gebiet der EU“. 10 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 176, Fußnote 4, wonach die neuere BFH-Rechtsprechung, die die Rechtsprechung des EuGH fortführt, auf § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG nicht übertragbar ist. Vgl. auch Satish/Weiß, DStR 2018, 1257 (1259 ff.), die zutreffend darauf hinweisen, dass § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht auf (sekundärem) Europarecht beruht und somit bei dessen Auslegung eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals „juristische Person“ im Lichte von Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL unzulässig wäre; vgl. auch Griesar in GrEStG-eKommentar, § 1 GrEStG Rz. 473; Vossel/Peter/Hellstern, Ubg 2016, 271 ff. 11 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II 66/98, BStBl. II 2002, 156. 12 Vgl. gleichlautende Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, Anm. 1 und die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Tz. 1, Tz. 7.

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Rz. 1003 § 1

J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Beispiel (wegen der Absenkung der Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % geringfügig abgewandelter Sachverhalt des BFH-Urteils II R 66/98 v. 8.8.2001): Die Anteile an der A-GmbH, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehörten, wurden zu 55 % von der A-KG und zu 45 % von fünf Einzelpersonen gehalten. An der A-KG sind als Komplementärin ohne Kapitalanteil die A-B-GmbH und als einzige Kommanditistin eine AG (Kl.) beteiligt. Gesellschafter der A-B-GmbH waren die AG zu 89,9 % und ein auf eigene Rechnung handelnder Dritter zu 10,1 %. Die Vorstandsmitglieder der AG waren zugleich Geschäftsführer der A-B-GmbH. Mit notarieller Urkunde vom 6.10.1989 erwarb die AG die bisher von den fünf Einzelpersonen gehaltenen Anteile an der A-GmbH.

Dritter

1002

AG (Kl.)

89,9 %

10,1 % A-B-GmbH (Kompl.)

100 %

0%

Anteilsverkauf

A-KG

55 %

Fünf Einzelpersonen

45 %

A-GmbH

In erster Instanz entschied das FG Nürnberg mit Urteil vom 5.11.1989, dass keine Anteilsvereinigung 1003 in der Hand eines herrschenden und eines abhängigen Unternehmens vorliege, weil die A-KG als Personengesellschaft, an der nur juristische Personen beteiligt sind, kein abhängiges Unternehmen gem. § 1 Abs. 4 GrEStG sein könne1. Der BFH verwies den Fall an das FG zurück, weil das FG nicht geprüft hatte, ob die Anteilsvereinigung aus dem Zusammentreffen von unmittelbarer und mittelbarer Vereinigung mittels Abhängigkeit einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft folge. Sei die A-BGmbH ein von der AG abhängiges Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG, beherrsche die AG zusammen mit der A-B-GmbH die A-KG, die wiederum mittelbar für die AG die restlichen Anteile an der grundbesitzenden A-GmbH hält, so dass zusammen mit den von der AG unmittelbar gehaltenen Anteilen an der A-GmbH alle Anteile in der Hand der AG vereinigt wären2. Auf Grundlage des BFH-Urteils II R 51/12 vom 12.3.20143 und des BFH-Urteils II R 41/15 vom 27.9.20174 ergibt sich die durch den Kauf der bisher von den fünf Einzelpersonen gehaltenen 45 % der Anteile an der A-GmbH ausgelöste Anteilsvereinigung auf Ebene der AG bereits daraus, dass die AG (nach der Rechtslage ab 1.7.2021) 90 % (hier: 100 %) der Anteile am Gesellschaftskapital der A-KG hält, weshalb die 55%ige Beteiligung der A-KG an der A-GmbH unabhängig von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG der AG zuzurechnen wäre5. 1 2 3 4 5

Vgl. FG Nürnberg v. 5.11.1998 – IV 119/97, EFG 1999, 573. Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156, Rz. 19. Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356. Vgl. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. Mit dem Urt. v. 12.3.2014 – II R 51/12 hat der BFH seine Rechtsprechung zur sog, Pro-Kopf-Betrachtung, wonach jeder Gesamthandsanteil für die Zwecke von § 1 Abs. 3 GrEStG gleich viel zählt, für den Fall der nicht selbst grundbesitzenden Zwischenpersonengesellschaft geändert. Dass allein die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung hinsichtlich des aktiven Gesellschaftsvermögens für die Quantifizierung der Beteiligung zu betrachten ist, gilt nach bisheriger BFH-Rechtsprechung

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§ 1 Rz. 1004 Erwerbsvorgänge 1004

Ohne Bedeutung für § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG ist es, dass es beide Umsatzsteuer-Senate des BFH in der Folge der Rechtsprechung des EuGH1 in Änderung ihrer früheren Rechtsprechung2 als möglich ansehen, dass Personengesellschaften, obwohl sie zivilrechtlich keine juristische Personen sind3, wie juristische Personen als Organgesellschaften in ein herrschendes Unternehmen eingegliedert sein können4. Denn Ursprung dieser Rechtsprechungsentwicklung ist die Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 RL 77/388/EWG bzw. Art. 11 RL 2006/112/EG (MwStSystRL), die für die Auslegung von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG keine Bedeutung haben5. Sowohl der V. Senat als auch der XI. Senat des BFH

1

2 3

4

5

nur noch für die Fallgruppe der unmittelbaren Anteilsvereinigung in Bezug auf grundbesitzende Personengesellschaften. Allerdings hat der BFH im Urteil v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, Rz. 21, angekündigt, auch für die Fallgruppe der unmittelbaren Anteilsvereinigung die sog. Pro-Kopf-Betrachtung aufgeben zu wollen, die Finanzverwaltung hält jedoch insoweit an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung fest, vgl. Erlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006 Beispiel 14. Ist die Personengesellschaft Zwischengesellschaft, die lediglich eine weniger als (nach der Rechtslage ab 1.7.2021) 90%ige Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft vermittelt, sei diese im Hinblick auf die Fallgruppe der mittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ebenso zu behandeln wie eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft. Bei Zwischenpersonengesellschaften komme es für die Bestimmung der Quote nicht auf die Beteiligung am Gesamthandsvermögen, sondern auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital an. Vgl. Rz. 735 ff. Vgl. EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 und C-19/14, Larenzia + Minerva, wonach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 6. EU-Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung dahingehend auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken und Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Vgl. BFH v. 7.12.1978 – V R 22/74, BStBl. II 1979, 356; vgl. Vorlage-Beschluss des BFH v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 = UR 2014, 313 m. Anm. Marchal. Die rechtsfähige Personengesellschaft bleibt auch auf Grundlage des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021 (MoPeG), BGBl. I 2021, 3436, das zum 1.1.2024 geltendes Recht wird, eine Gesellschaftsform sui generis, d.h. die rechtsfähige Personengesellschaft wird auch zukünftig keine juristische Person wie eine Kapitalgesellschaft sein. Vgl. BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BFH/NV 2016, 500, wonach neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (wobei für die danach notwendige Beteiligung des Organträgers auch mittelbare Beteiligungen ausreichen), weil dann die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gem. § 709 Abs. 1 BGB gewährleistet sei; vgl. BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, BFH/NV 2016, 706, wonach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 EU-Richtlinie 77/388 zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst; denn eine GmbH & Co. KG habe eine „kapitalistische Struktur“; weil bei ihr lediglich eine juristische Person, und zwar die KomplementärGmbH, die Geschäfte führt, könne sie wie eine juristische Person dem Willen des Organträgers unterworfen sein; ebenso BFH v. 1.6.2016 – XI R 17/11, UR 2014, 313 m. Anm. Marchal = BFH/NV 2016, 1410. Die Finanzverwaltung erkannte nach der Verfügung der OFD Frankfurt v. 11.7.2016, ofix HE UStG/2/19, juris, zunächst die Einordnung von Personengesellschaften als Organgesellschaften unter der Voraussetzung an, dass die Eingliederung der Personengesellschaft nach den Grundsätzen beider BFH-Senate möglich ist und sich sowohl der Organträger und die GmbH & Co. KG (m.E. die jeweilige Personengesellschaft) auf diese Rechtsprechungsgrundsätze, d.h. wenn sich die am Organkreis Beteiligten bei der Beurteilung des Umfangs der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft übereinstimmend auf die neuen Rechtsprechungsgrundsätze berufen. Im ab 25.6.2017 gültigen Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE stellt das BMF nur auf die Rechtsprechung des V. Senats des BFH ab. Nach EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, M-GmbH, FA für Körperschaften Berlin, UR 2021, 392, sind die Grundsätze des BFH-Urteils v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547, und Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE nicht mit Art. 11 MwStSystRL vereinbar. Derzeit sind noch zwei weitere Vorlagen in Bezug auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beim EuGH anhängig, Az. C-141/20 und C-269/20, deren Ausgang m.E. für die Auslegung von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht bedeutsam sind. Ebenso Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 176, Fußnote 4; Vossel/Peter/Hellstern, Ubg 2016, 271; Satish/Weiß, DStR 2018, 1257.

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J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 1006 § 1

nehmen eine richtlinienorientierte Erweiterung bzw. Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor1. Wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG, der auf juristische Personen im Sinne des Zivilrechts abstellt, ist diese umsatzsteuerrechtliche BFH-Rechtsprechung auf § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht übertragbar. 4. Eingliederung juristischer Personen in ein Unternehmen a) Bedeutung § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG definiert mit dem Kriterium der Eingliederung juristischer Personen in ein Unternehmen die Voraussetzungen der sog. grunderwerbsteuerrechtlichen Organschaft. Eine Anteilsvereinigung im Organkreis liegt vor, wenn mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand – von herrschendem und abhängigen Unternehmen und/oder abhängigen Personen oder – zwei oder mehreren vom selben herrschenden Unternehmen abhängigen Unternehmen oder Personen allein vereinigt werden. Obwohl § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit die Voraussetzungen der dort geregelten umsatzsteuerrechtlichen Organschaft verweist, wird die Frage, ob eine finanzielle, wirtschaftliche oder organisatorische Eingliederung i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG vorliegt, in Übereinstimmung mit den zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entwickelten Grundsätzen beurteilt2.

1005

b) Voraussetzungen für die Einordnung als herrschendes Unternehmen (Organträger) aa) Unternehmereigenschaft Der Wortlaut von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG verlangt die Eingliederung der abhängigen Unternehmen in ein herrschendes Unternehmen. Das herrschende Unternehmen kann eine in- oder ausländische natürliche Person, eine juristische Person des Privat- oder öffentlichen Rechts3 oder eine nicht bzw. nur teilrechtsfähige Personengesellschaft sein4, vorausgesetzt, sie ist umsatzsteuerrechtliche Unternehmerin5. Dass der Anwendungsbereich von § 6a GrEStG nach der BFH-Rechtsprechung nicht auf Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts beschränkt ist, § 6a GrEStG mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung vielmehr für alle Rechtsträger i.S.v. GrEStG gilt, die wirtschaftlich tätig sind6, hat m.E. wegen der unterschiedlichen Gesetzeshistorie von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG einerseits und von § 6a GrEStG andererseits für § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG keine Bedeutung7. Das herrschende Unternehmen 1 Vgl. BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, UStB 2016, 63, Rz. 45 ff.; v. 19.1.2016 – XI R 38/12, UStB 2014, 103, Rz. 84 ff. Die Finanzverwaltung hat die vom V. Senat entwickelten Grundsätze in Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE übernommen, ohne die Urteile XI R 17/11 und XI R 38/12 zu erwähnen. Der XI. Senat des BFH entschied, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 RL 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden könne, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasse; vgl. BFH v. 1.6.2016 – IX R 17/11, BStBl. II 2017, 581. 2 Vgl. Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, Tz. 1. 3 Ebenso in der Umsatzsteuer, vgl. Abschnitt 2.8 Abs. 2 Satz 2 UStAE. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1118 f. 5 Die Finanzverwaltung spricht vom „Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn“, vgl. Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und die Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Anm. 1. Das Erfordernis der Unternehmereigenschaft des Organträgers hat BFH v. 2.12.2015 – V R 67/14, BFH/NV 2016, 511 als für Zwecke der Umsatzsteuer richtlinienkonform bestätigt. Nach BFH v. 10.8.2016 – XI R 41/14, ergibt sich dieses Erfordernis auch nach Auffassung des XI. Senats des BFH eindeutig aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, wobei der XI. Senat dahingestellt sein lässt, ob dies einen Verstoß gegen die MwStSystRL darstellt (BFH v. 10.8.2016 – XI R 41/14, BFH/NV 2017, 283). 6 Vgl. z.B. BFH v. 22.8.2019 – II R 18/19, BStBl. II 2020, 352; ebenso gleichlautende Ländererlasse zur Anwendung von § 6a GrEStG (nach BFH v. 21. und 22.8.2019) v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.1. 7 Zweifelnd Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1115 a.E.: „Ob dieser erweiterte Begriff auch für § 1 Abs. 3 gilt, ist noch nicht entschieden“.

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1006

§ 1 Rz. 1006 Erwerbsvorgänge kann im In- oder Ausland ansässig sein; eine inländische Zweigniederlassung etc. ist im letztgenannten Fall nicht erforderlich. Nicht als herrschendes Unternehmen anerkannt wird eine natürliche Person, die die Anteile an den abhängigen Unternehmen in ihrem Privatvermögen hält1. 1007

Umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ist jede Person bzw. jedes nach außen im Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Rechtsgebilde, die bzw. das eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, wobei „gewerblich oder beruflich“ in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen meint, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Teilweise wird der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG für relevant gehalten2. Die die Unternehmereigenschaft begründenden entgeltlichen Leistungen können vom Organträger auch gegenüber einer Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine organschaftliche Verbindung besteht3. Holdinggesellschaften, deren Tätigkeit sich auf das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen beschränkt, sind keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn4. Das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar, (1.) soweit Beteiligungen im Sinne eines gewerblichen Wertpapierhandels gewerbsmäßig erworben und veräußert werden und dadurch eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielungsabsicht gerichtete Tätigkeit entfaltet wird oder (2.) wenn die Beteiligung nicht um ihrer selbst willen (bloßer Wille, Dividenden zu erhalten) gehalten wird, sondern der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit (z.B. Sicherung günstiger Einkaufskonditionen, Verschaffung von Einfluss bei potentiellen Konkurrenten, Sicherung günstiger Absatzkonditionen) dient, oder (3.) wenn, abgesehen von der Ausübung der Rechte als Gesellschafter oder Aktionär, unmittelbar in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, eingegriffen wird, wobei die Eingriffe durch unternehmerische Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG erfolgen müssen; hierbei kann es sich z.B. um administrative, finanzielle, kaufmännische oder technische Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft handeln5. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts können herrschendes Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG sein, wenn sie Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sind6. Inwieweit § 2b UStG, wonach nachhaltig entgeltliche Leistungen an andere Rechtsträger erbringende juristische Personen des öffentlichen Rechts unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG gelten, auch für § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG Bedeutung hat, ist bisher gerichtlich nicht entschieden worden7. M.E. ist die als Fiktion ausgestaltete Rechtsfolge von § 2b UStG auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG zu beachten.

1 Vgl. BFH v. 20.3.1974 – II R 185/66, BStBl. II 1974, 769; Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und Vorgänger-Erlasse v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Anm. 1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1097. 2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1116. 3 So für die Umsatzsteuer BFH v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375. 4 Vgl. Abschn. 2.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 2.3 Abs. 3 Satz 5 UStAE. Der XI. BFH-Senat hat mit Urteil v. 12.2.2020 – XI R 24/18, BFH/NV 2020, 828, klargestellt, dass die steuerbaren Ausgangsleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften grds. keine besondere „Eingriffsqualität“ aufweisen muss. Vielmehr sind alle Umsätze erfasst, die von der Holding als umsatzsteuerliche Unternehmerin für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. 6 Vgl. BFH v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310; Abschnitt 2.8 Abs. 2 Satz 2 UStAE; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1119, unter Hinw. darauf, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht aufgrund einer bloßen Beteiligung, einer unentgeltlichen Tätigkeit oder durch die Tätigkeit einer mit ihr verbundenen Gesellschaft zum Unternehmer wird (unter Hinw. auf BFH v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375 betr. Trocknungsanlage). 7 Grundsätzlich ist § 2b UStG (anstelle von § 2 Abs. 3 UStG a.F.) gem. § 27 Abs. 22 Satz 2 UStG auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 ausgeführt werden. Jedoch wurde den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gem. § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG ein Optionsrecht dahingehend zugebilligt, die Anwendung von § 2b UStG hinauszuschieben. § 27 Abs. 22a Satz 1 UStG hat die Wirkung einer nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG abgegebenen und nicht widerrufenen Optionserklärung für vor 2023 ausgeführte Umsätze verlängert.

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J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 1010.1 § 1

bb) Keine Mehrmütter-Organschaft Eine juristische Person kann nicht gleichzeitig in zwei oder mehrere Unternehmen verschiedener Organträger eingegliedert sein. Dies ist höchstgerichtlich zwar nur im Rahmen der Umsatzsteuer entschieden1, gilt jedoch auch grunderwerbsteuerrechtlich2.

1008

cc) Abhängige Unternehmen Abhängige Unternehmen können nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts sein3. Die abhängige juristische Person muss Unternehmerin im umsatzsteuerlichen Sinn i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG sein. Das abhängige Unternehmen kann im In- oder Ausland ansässig sein; eine inländische Zweigniederlassung etc. ist im letztgenannten Fall nicht erforderlich.

1009

dd) Abhängige Person Ebenso wie umsatzsteuerrechtlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG4 kann Organgesellschaft, d.h. abhängig 1010 i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG, eine juristische Person nur dann sein, wie sie selbst Unternehmerin im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist. Zwar erfasst § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG als potentiell eingegliederte Rechtsgebilde abhängige Unternehmen und abhängige Personen. Juristische Personen können zwar auch Kapitalgesellschaften sein, die selbst nicht Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sind. Jedoch ist die Definition der abhängigen juristischen Person in § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG auf das Tatbestandsmerkmal „abhängiges Unternehmen“ in § 1 Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 und 3 GrEStG beschränkt (vgl. Rz. 830). Die umsatzsteuerrechtliche Beschränkung der Rechtsfolgen der Organschaft, wonach die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nur den unternehmerischen Bereich der Organgesellschaft umfasst5, hat demgegenüber grunderwerbsteuerrechtlich jedoch keine Bedeutung. ee) Keine Organschaft bei Gleichordnungskonzern i.S.v. § 18 Abs. 2 AktG Dass mehrere Unternehmen einen Gleichordnungskonzern i.S.v. § 18 Abs. 2 AktG bilden, führt nicht 1010.1 dazu, dass diese mehreren Unternehmen als herrschendes Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG angesehen werden können. Die vom EuGH bereits entschiedenen und teilweise derzeit beim EuGH noch anhängigen umsatzsteuerrechtlichen Vorlageverfahren deutscher Finanzgerichte und insbesondere des BFH in Bezug auf Rechtsfragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft, bei denen u.a. vom EuGH zu klären bzw. zu bestätigen sein wird, ob ein Über-/Unter-Ordnungsverhältnis für die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft erforderlich ist, hat m.E. keinen Einfluss auf die Frage, ob eine juristische Person i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist. Die Grunderwerbsteuer ist innerhalb der EU nicht harmonisiert. Die Auslegung von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG kann daher nicht nach Maßgabe der MwStSystRL und der Rechtsprechung des EuGH erfolgen6. Dass in der umsatzsteuerrechtlichen Literatur die Möglichkeit sog. Gleichord-

1 Vgl. BFH v. 30.4.2009 – V R 3/08, BStBl. II 2013, 873. 2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1118. 3 Soweit in den gleichlautenden Ländererlassen v. 19.9.2018 und in den Vorgänger-Erlassen v. 21.3.2007, jeweils Anm. 1, davon die Rede ist, dass als abhängige Unternehmen in erster Linie juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht kommen, kann dem nicht gefolgt werden. In Beteiligungsketten zwischengeschaltete Personengesellschaften, deren Gesellschafter entweder das herrschende Unternehmen und abhängige juristische Personen oder nur abhängige juristische Personen sind, stehen zwar der Eingliederung nachgelagerter Gesellschaften in den Organkreis und der Zurechnung der von ihnen gehaltenen Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften zum Organträger nicht entgegen; sie sind jedoch nicht selbst Organgesellschaften; vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 4 Vgl. auch Abschnitt 2.8 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 9 UStAE. 5 Vgl. Abschnitt 2.8 Abs. 1 Satz 5 UStAE. 6 Vgl. auch Hofmann11, § 1 UStG Rz. 176, Fußnote 4.

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§ 1 Rz. 1010.1 Erwerbsvorgänge nungsorganschaften unter Berufung auf die MwStSystRL vereinzelt bejaht wird1, hat ebenfalls keine Bedeutung2, auch wenn – dem EuGH folgend – das in der deutschen Umsatzsteuerpraxis bisher für das Vorliegen einer Organschaft geforderte „Über-/Unter-Ordnungsverhältnis“ bzw. das Vorliegen von Durchgriffsrechten von der deutschen Finanzverwaltung und den deutschen Finanzgerichten auf Grundlage von Art. 11 MwStSystRL zukünftig als nicht mehr erforderlich beurteilt würde3. Dies hätte für die Frage der Auslegung der Voraussetzung der Eingliederung gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG m.E. keine Bedeutung4. c) Eingliederungsvoraussetzungen aa) Grundsatz 1011

Eine juristische Person gilt dann als abhängiges Unternehmen oder abhängige Person, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Ob eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung vorliegt, wird von der h.M. trotz des Fehlens eines Verweises auf § 2 Abs. 2 UStG dennoch entsprechend den Grundsätzen aus § 2 Abs. 2 UStG beurteilt5. bb) Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse

1012

Die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung muss nicht gleich stark ausgeprägt sein. Wie im Umsatzsteuerrecht liegt auch bei § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG eine Eingliederung in allen drei Hinsichten dann vor, wenn sich die Eingliederung bei zwei Merkmalen deutlich, beim dritten Merkmal aber weniger deutlich zeigt6. Wie im Umsatzsteuerrecht darf aber keines der Eingliederungsmerkmale gänzlich fehlen7. cc) Finanzielle Eingliederung

1013

Finanzielle Eingliederung meint den Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft, die es dem Organträger ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen8. Verfügt ein Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn über die Mehrheit der Stimmrechte bei einer Kapitalgesellschaft, ist diese gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG finanziell in das Unternehmen des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmers eingegliedert. Entsprechen die Beteiligungsverhältnisse den Stimmrechtsverhältnissen, ist die finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 % beträgt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die Beschlussfassung

1 Vgl. Dahm/Hamacher, IStR 2013, 820 (823) m.w.N. 2 Vorsichtig äußern sich jedoch Vossel/Peter/Hellstern, Ubg 2016, 271, wonach „Interpretationsübertragungen auf die grunderwerbsteuerliche Organschaft zumindest möglich“ sein könnten, weshalb „wachsame Passivität“ ratsam sei. 3 Vgl. diese Auffassung andeutend EuGH v. 15.4.2021 – C-868/19, Rz. 47 f., MwStR 2021, 421. Vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina v. 13.1.2022, C-141/20, juris. 4 Vgl. oben Fn. zu Rz. 1000. 5 Vgl. Erlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, und Vorgänger-Erlass v. 21.3.2007, BStBl. I 2007, 422, jeweils Anm. 1. 6 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1129 unter Hinw. auf die Rechtsprechung der Umsatzsteuer-Senate des BFH. Das Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen und damit die Annahme einer Organschaft erfordert nicht, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen feststellbar sind; tritt auf einen der drei Gebiete die Eingliederung weniger stark in Erscheinung, so hindert dies nicht, trotzdem eine Organschaft anzunehmen; für die Umsatzsteuer vgl. z.B. BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 = UR 2009, 344 m. Anm. Straub unter II. 1. b, Rz. 16. 7 Vgl. Meßbacher-Hönsch, in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1129, unter Hinw. auf BFH v. 18.12.1996 – XI R 25/94, BStBl. II 1997, 441, wonach es für die Annahme einer Organschaft unschädlich ist, wenn das eine oder andere Merkmal weniger in Erscheinung tritt, es durch andere stärker ausgeprägten Kriterien ausgeglichen wird. 8 Entsprechend Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE; Abs. 5 Satz 1 UStAE: „Eingliederung mit Durchgriffsrechten“, unter Hinw. auf BFH v. 2.12.2015 – V R 15/14, BStBl. II 2017, 553.

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J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 1014 § 1

in der Organgesellschaft erforderlich ist1. Sieht der Gesellschaftsvertrag für bestimmte Beschlussgegenstände eine qualifizierte Mehrheit vor (z.B. 75 %), kann dies auch für die finanzielle Eingliederung erforderlich sein; dies hängt davon ab, welche Beschlussgegenstände der qualifizierten Mehrheit unterworfen sind2. Wenn eine Beteiligung eine Stimmenmehrheit vermittelt, obwohl sie bezogen auf das Kapital weniger als 50 % beträgt, liegt die finanzielle Eingliederung vor3. Umsatzsteuerrechtlich werden Stimmbindungsvereinbarungen und Stimmrechtsvollmachten bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung ab 20194 nur dann berücksichtigt, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten (Geschäftsanteile mit Mehrstimmrecht) ergeben5. Dies hat m.E. auch grunderwerbsteuerrechtlich zu gelten. Die finanzielle Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft bestehen, sondern auch aufgrund von mittelbarer Beteiligung6. Ist eine Kapital- oder Personengesellschaft nicht selbst an der Organgesellschaft beteiligt, reicht es für die finanzielle Eingliederung nicht aus, dass nur ein oder mehrere Gesellschafter auch mit Stimmrechtsmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt sind7. In diesem Fall ist keine der beiden Gesellschaften in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet, sondern es handelt sich vielmehr um gleich geordnete Schwestergesellschaften; daran ändert nichts, wenn die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft ertragsteuerlich zu dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft gehört8. Das Fehlen einer eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag oder Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden9. dd) Wirtschaftliche Eingliederung Wirtschaftliche Eingliederung bedeutet, dass die Organgesellschaft nach dem Willen des Unterneh- 1014 mers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesem, wirtschaftlich tätig ist10. Sie kann bei entsprechend deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen11. Es genügt dann, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeit von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Eine wirtschaftliche Eingliederung kann auch dann vorliegen, wenn die Organgesellschaft in einem anderen Wirtschaftszweig als der Organträger tätig ist12. Von der Finanzverwaltung und der BFH-Rechtsprechung wird auch nicht verlangt, dass die Organgesellschaft vom Organträger aufgrund der wirtschaftlichen Beziehungen abhängig ist13. Die wirtschaftliche Eingliederung kann

1 So für die Umsatzsteuer BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = UR 2011, 456 m. Anm. Eberhard/ Mai; Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 2 UStAE. 2 Vgl. Flückiger in Plückebaum/Malitzky, § 2 Abs. 2 UStG Rz. 280. 3 Vgl. Lieber in Müller/Detmering/Lieber11, Rz. 1782. 4 Vgl. BMF v. 26.5.2017, BStBl. I 2017, 790. 5 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 4 UStAE, unter Hinw. auf BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547. 6 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 5b Satz 1 UStAE. Vgl. auch Behrens/Braun, UVR 2010, 215. 7 So für die Umsatzsteuer Abschn. 2.8 Abs. 5b Satz 4 UStAE unter Hinw. auf BFH v. 2.8.1979 – V R 111/77, UR 1980, 50 m. Anm. Weiss = BStBl. II 1980, 20; v. 22.4.2010 – V R 9/09, BStBl. II 2011, 597 = UR 2010, 579 m. Anm. Korf; v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = UR 2011, 456 m. Anm. Eberhard/Mai. 8 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 5b Satz 5 und 6 UStAE. 9 Vgl. für die Umsatzsteuer Abschn. 2.8 Abs. 5b Satz 7 UStAE unter Hinw. auf das BFH v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600 = UR 2011, 456 m. Anm. Eberhard/Mai. 10 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 1 UStAE unter Hinw. auf BFH v. 22.6.1967 – V R 89/66, BStBl. III 1967, 715. 11 So für die Umsatzsteuer Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 3 UStAE unter Hinw. auf BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 = UR 2009, 344 m. Anm. Straub. 12 Vgl. BFH v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534. 13 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 3 UStAE; BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434.

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§ 1 Rz. 1014 Erwerbsvorgänge sich auch aus einer Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften ergeben1. Allerdings kann nicht von einer bestehenden finanziellen Eingliederung auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden, d.h. eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vermag die wirtschaftliche Eingliederung nicht zu begründen2. Auch dass sich der Sitz bzw. die Geschäftsleitung der potentiellen Organgesellschaft an einem Ort befindet, an dem auch der potentielle Organträger z.B. ein Büro hat, reicht für die Annahme der wirtschaftlichen Eingliederung nicht aus. Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers an die (potenzielle) Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt3. Stellt der Organträger für eine von der Organgesellschaft bezogene Leistung unentgeltlich Material bei, reicht dies zur Begründung der wirtschaftlichen Eingliederung nach Auffassung von Finanzverwaltungen BFH nicht aus4. Die wirtschaftliche Eingliederung zeigt sich nach Ansicht von Pahlke5 in der wirtschaftlichen Verflechtung von Organträger und Organgesellschaft; es müsse ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen bestehen6. ee) Organisatorische Eingliederung 1015

Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird7. Das Weisungsrecht, das sich aus der mit der finanziellen Eingliederung einhergehenden Stellung als Mehrheitsgesellschafter bei der GmbH gem. § 46 Nr. 6 GmbHG ergibt und zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung und in Vollzug dessen zur Erteilung von Weisungen zwecks Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung berechtigt, erfüllt nach ständiger Rechtsprechung nicht das selbständige Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung8. Umsatzsteuerrechtlich und damit im Rahmen von § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG auch grunderwerbsteuerrechtlich9 kommt es nach Ansicht des V. BFH-Senats darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann; nicht als ausreichend sehen es der V. Senat des BFH und ihm folgend die Finanzverwaltung an, dass lediglich eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist10. Nicht ausschlaggebend ist es, dass die Organgesellschaft in eigenen Räumen arbeitet, eine eigene Buchhaltung und eigene Einkaufs- und Verkaufsabteilungen hat, weil dies dem Willen des Organträgers entsprechen kann11.

1 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 4 UStAE; BFH v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. 2 Vgl. BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259 m. Anm. Hidien; Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 4 UStAE. 3 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 5 UStAE; BFH v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310; v. 6.5.2010 – V R 26/09, BStBl. II 2009, 1114. Im Urt. v. 12.10.2016 – XI R 30/14, BStBl. II 2017, 597, nimmt der BFH allerdings eine wirtschaftliche Eingliederung an, obwohl nicht geklärt war, ob die potentielle Organträgerin ihre Beratungsleistungen an die potentielle Organgesellschaft gegen Entgelt erbracht hatte. Zwar verwies der BFH die Sache an das FG zurück, damit dieses prüfe, ob die potentielle Organträgerin ihre Beratungsleistungen gegen Entgelt erbracht hatte, dies jedoch nur im Zusammenhang mit der Frage, ob die potentielle Organträgerin im Streitjahr unternehmerisch tätig war (BFH v. 12.10.2016 – XI R 30/14, BStBl. II 2017, 597). 4 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 6 UStAE; BFH v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. 5 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 358. 6 Unter Hinw. auf BFH v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306 m.w.N. 7 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 7 Satz 1 UStAE; BFH v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. 1999, 258. 8 Vgl. BFH v. 10.5.2017 – V R 7/16, DB 2017, 1628, Rz. 18. 9 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 176. 10 Vgl. BMF v. 26.5.2017, BStBl. I 2017, 790, Abschn. 2.8 Abs. 7 Satz 2 und 3 UStAE (für nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze); BFH v. 8.8.2013 – V R 18/13, UR 2013, 785 m. Anm. Slapio. Ob der XI. BFH-Senat dem folgen wird, steht laut Treiber in Sölch/Ringleb, § 1 UStG Rz. 213, Juni 2021, noch nicht fest. 11 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 7 Satz 5 UStAE; BFH v. 23.7.1995 – V 176/55 U, BStBl. III 1959, 376.

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Behrens

J. Abhängige Personen oder Unternehmen (Abs. 4)

Rz. 1017 § 1

In aller Regel setzt die organisatorische Eingliederung die personelle Verflechtung der Geschäftsfüh- 1016 rungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus1. Die personelle Verflechtung ist zum einen bei einer vollständigen Personenidentität in den Leitungsgremien beider Gesellschaften gegeben2. Zum anderen liegt eine organisatorische Eingliederung auch dann vor, wenn nur einzelne Geschäftsführer des Organträgers die einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft sind3. Hat die Tochtergesellschaft mehrere Geschäftsführer, die nur zum Teil auch in dem Leitungsgremium der Muttergesellschaft vertreten sind, ist die organisatorische Eingliederung gegeben, wenn in der Tochtergesellschaft eine Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vereinbart ist und die Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden, vorausgesetzt, die personenidentischen Geschäftsführer verfügen über die Stimmenmehrheit4. Bei einer Stimmenminderheit der personenidentischen Geschäftsführer und bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis der fremden Geschäftsführer sind zusätzliche institutionell abgesicherte Maßnahmen erforderlich, um die Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger und damit die organisatorische Eingliederung sicherzustellen5. Die organisatorische Eingliederung kann vorliegen, wenn zumindest einer der Geschäftsführer auch Geschäftsführer des Organträgers ist und der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft verfügt sowie zur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organgesellschaft berechtigt ist6. Bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis des fremden Geschäftsführers kann ein bei Meinungsverschiedenheiten eingreifendes, aus Gründen des Nachweises und der Inhaftungnahme schriftlich vereinbartes Letztentscheidungsrecht des personenidentischen Geschäftsführers eine Beherrschung der Organgesellschaft durch die Organträger sicherstellen7. Die organisatorische Eingliederung kann auch über eine Beteiligungskette zum Organträger vermittelt werden, wenn eine Beherrschung der Organgesellschaft sichergestellt ist8. Die personelle Verflechtung von Aufsichtsratsmitgliedern kann keine organisatorische Eingliederung bewirken9. Nach dem BFH-Urteil vom 12.10.2016 – XI R 30/1410 ist eine organisatorische Eingliederung auch 1017 ohne Personenidentität in den Leitungsgremien des Organträgers und Organgesellschaft gegeben, wenn nach dem Anstellungsvertrag zwischen der Organgesellschaft und ihrem nominell bestellten Geschäftsführer dieser die Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie eines angestellten Dritten zu befolgen hat, der auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung als mittelbarer Mehrheitsgesellschafter einwirken kann und der zudem alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des Organträgers ist. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Dritte allein anstelle des nominell bestellten Geschäftsführers die Geschäfte der Organgesellschaft geführt und hatte der nominell bestellte Geschäftsführer in die von dem Dritten vorgenommenen Geschäfte, sofern diese auch ihn selbst betrafen, allgemein eingewilligt. Der XI. Senat stellte klar, dass eine bloß faktische Geschäftsführung nicht ausreiche, der Organträger vielmehr durch schriftlich fixierte Vereinbarungen (z.B. Geschäftsführerordnung, Konzernrichtlinie) in der Lage sein müsse, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschaft bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen11. Neben dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft kann sich die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind12. Denn ein Mitarbeiter des Organträgers wird dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund seines zum Organträger bestehenden Anstellungs1 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 1 UStAE; BFH v. 3.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905; v. 28.10.2010 – V R 7/10, BStBl. II 2011, 391 = UR 2011, 256 m. Anm. von Streit/Duyfjes; v. 2.12.2015 – V R 15/14. 2 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 2 UStAE; BFH v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373; v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2007, 451 = UR 2008, 259 m. Anm. Hidien. 3 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 4 UStAE; BFH v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258. 4 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 6 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 7 UStAE. 6 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 8 UStAE; BFH v. 7.7.2011 – V R 53/10, BStBl. II 2013, 218. 7 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 9 UStAE. 8 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 10 UStAE. Vgl. auch Behrens/Braun, UVR 2010, 215. 9 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 11 UStAE. 10 Vgl. BStBl. II 2017, 597 = BFH/NV 2017, 405. 11 So auch Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 3 UStAE. 12 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 1 UStAE; BFH v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863.

Behrens

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§ 1 Rz. 1017 Erwerbsvorgänge verhältnisses und der sich hieraus i.d.R. ergebenden wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit befolgen; bei weisungswidrigem Verhalten kann er vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden1. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass ein Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters ist2. 1018

In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist es, das institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind3. Der Organträger muss durch schriftlich fixierte Vereinbarungen (z.B. Geschäftsführerordnung, Konzernrichtlinie) in der Lage sein, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschafter bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen4.

1019

Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags i.S.v. § 291 AktG5 zwischen Organgesellschaft und Organträger und bei Eingliederung der Organgesellschaft nach §§ 319, 320 AktG in die Gesellschaft des Organträgers wird regelmäßig das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung angenommen. Denn der Organträger ist in diesen Fällen berechtigt, dem Vorstand der Organgesellschaft nach Maßgabe der §§ 308 bzw. 323 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen6. Anders als das Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH gem. § 46 Nr. 6 GmbHG beschränkt sich das aus § 308 AktG (analog) folgende Weisungsrecht des beherrschenden Unternehmens nicht nur auf die Überwachung; es bezieht sich darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG). Den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft können direkt Weisungen erteilt werden, ohne dass der Weg über die Gesellschafterversammlung beschritten werden müsste7. Soweit rechtlich zulässig muss sich dieses Weisungsrecht grundsätzlich auf die gesamte Sphäre der Organgesellschaft erstrecken, wobei jedoch aufsichtsrechtliche Beschränkungen der Annahme einer organisatorischen Eingliederung nicht entgegenstehen8.

K. Tausch (Abs. 5) Literatur: Steiger, Der Tausch im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2004, 98/103 f.

I. Überblick 1020

Gemäß § 1 Abs. 5 GrEStG unterliegt bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils der Steuer. § 1 Abs. 5 1 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 2 UStAE; BFH v. 7.7.2011 – V R 53/10, BStBl. II 2013, 218. 2 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 3 UStAE; BFH v. 28.10.2010 – V R 7/10; BStBl. II 2011, 391 = UR 2011, 256 m. Anm. von Streit/Duyfjes. 3 Vgl. BFH v. 9.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905. 4 Vgl. BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259 m. Anm. Hidien; Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 3 UStAE. 5 Gemäß BFH v. 10.5.2017 – V R 7/16, BStBl. II 2017, 1261, und Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 7 UStAE wird eine organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung in das Handelsregister begründet, weil dieser Eintragung konstitutive Wirkung zukommt. § 291 AktG ist im GmbH analog anwendbar, vgl. BGH v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, Rz. 19. 6 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 4 und 5 UStAE. 7 Vgl. BFH v. 10.5.2017 – V R 7/16, BStBl. II 2017, 1261, Rz. 19, mit dem Hinw. darauf, dass das Weisungsrecht aus § 308 AktG die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung umfasst und dass der Beherrschungsvertrag von Rechts wegen den Vorrang des Organträgers vor dem Interesse der Organgesellschaft gewährleistet. 8 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 6, 7 UStAE.

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§ 1 Rz. 1017 Erwerbsvorgänge verhältnisses und der sich hieraus i.d.R. ergebenden wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit befolgen; bei weisungswidrigem Verhalten kann er vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden1. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass ein Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters ist2. 1018

In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist es, das institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind3. Der Organträger muss durch schriftlich fixierte Vereinbarungen (z.B. Geschäftsführerordnung, Konzernrichtlinie) in der Lage sein, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschafter bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen4.

1019

Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags i.S.v. § 291 AktG5 zwischen Organgesellschaft und Organträger und bei Eingliederung der Organgesellschaft nach §§ 319, 320 AktG in die Gesellschaft des Organträgers wird regelmäßig das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung angenommen. Denn der Organträger ist in diesen Fällen berechtigt, dem Vorstand der Organgesellschaft nach Maßgabe der §§ 308 bzw. 323 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen6. Anders als das Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH gem. § 46 Nr. 6 GmbHG beschränkt sich das aus § 308 AktG (analog) folgende Weisungsrecht des beherrschenden Unternehmens nicht nur auf die Überwachung; es bezieht sich darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG). Den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft können direkt Weisungen erteilt werden, ohne dass der Weg über die Gesellschafterversammlung beschritten werden müsste7. Soweit rechtlich zulässig muss sich dieses Weisungsrecht grundsätzlich auf die gesamte Sphäre der Organgesellschaft erstrecken, wobei jedoch aufsichtsrechtliche Beschränkungen der Annahme einer organisatorischen Eingliederung nicht entgegenstehen8.

K. Tausch (Abs. 5) Literatur: Steiger, Der Tausch im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2004, 98/103 f.

I. Überblick 1020

Gemäß § 1 Abs. 5 GrEStG unterliegt bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils der Steuer. § 1 Abs. 5 1 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 2 UStAE; BFH v. 7.7.2011 – V R 53/10, BStBl. II 2013, 218. 2 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 9 Satz 3 UStAE; BFH v. 28.10.2010 – V R 7/10; BStBl. II 2011, 391 = UR 2011, 256 m. Anm. von Streit/Duyfjes. 3 Vgl. BFH v. 9.4.2008 – V R 76/05, BStBl. II 2008, 905. 4 Vgl. BFH v. 5.12.2007 – V R 26/06, BStBl. II 2008, 451 = UR 2008, 259 m. Anm. Hidien; Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 3 UStAE. 5 Gemäß BFH v. 10.5.2017 – V R 7/16, BStBl. II 2017, 1261, und Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 7 UStAE wird eine organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung in das Handelsregister begründet, weil dieser Eintragung konstitutive Wirkung zukommt. § 291 AktG ist im GmbH analog anwendbar, vgl. BGH v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, Rz. 19. 6 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 4 und 5 UStAE. 7 Vgl. BFH v. 10.5.2017 – V R 7/16, BStBl. II 2017, 1261, Rz. 19, mit dem Hinw. darauf, dass das Weisungsrecht aus § 308 AktG die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung umfasst und dass der Beherrschungsvertrag von Rechts wegen den Vorrang des Organträgers vor dem Interesse der Organgesellschaft gewährleistet. 8 Vgl. Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 6, 7 UStAE.

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K. Tausch (Abs. 5)

Rz. 1025 § 1

GrEStG hat klarstellende Bedeutung. Denn schon aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG folgt, dass ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer unterliegt, soweit sich das Rechtsgeschäft auf ein inländisches Grundstück bezieht.

II. Tauschvertrag in Bezug auf inländische Grundstücke Der Tauschvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag über den Umsatz eines individuellen Werts gegen einen anderen individuellen Wert oder gegen eine Gattungssache1. Soweit es sich bei den getauschten individuellen Werten (die Fallgruppe „Gattungssache“ hat im Zusammenhang mit Grundstücken keine praktische Bedeutung) um inländische Grundstücke handelt, d.h. soweit die Gegenleistung für ein Grundstück ganz oder teilweise aus einem anderen Grundstück besteht, liegt ein Tausch i.S.v. § 1 Abs. 5 GrEStG vor.

1021

§ 1 Abs. 5 GrEStG ist auch in anderen Fällen (z.B. bei einer Enteignung, § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) an- 1022 zuwenden, in denen die Übereignung eines Grundstücks Gegenleistung ist2. So fällt der Tausch von Grundstücksübereignungsansprüchen unter § 1 Abs. 5 GrEStG, z.B. wenn die eine Vertragspartei von der anderen Vertragspartei den Anspruch auf ein noch zu bildendes Teileigentum an einem Pkw-Stellplatz erwirbt und sie dafür ihren Anspruch auf ein noch zu bildendes Teileigentum an einem anderen Pkw-Stellplatz auf die andere Vertragspartei zu übertragen verspricht3. Auch der Ringtausch beinhaltet Tauschverträge i.S.v. § 1 Abs. 5 GrEStG. Ein Ringtausch liegt vor, wenn die erste Vertragspartei ein Grundstück an die zweite Vertragspartei, die zweite Vertragspartei ein anderes Grundstück an die dritte Vertragspartei und die dritte Vertragspartei wiederum ein anderes Grundstück an die erste Vertragspartei überträgt4. Ebenso wird von einem Ringtausch gesprochen, wenn der Austausch von Grundstücken zwischen den Vertragsparteien Grundstücksteile betrifft. Die Anwendung von § 1 Abs. 5 GrEStG setzt voraus, dass die Übertragungsketten nicht unterbrochen sind5.

1023

Ein Tauschvertrag i.S.v. § 1 Abs. 5 GrEStG liegt demgegenüber nicht vor, wenn für nur einen Vertrags- 1024 teil der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet wird, für den anderen Vertragsteil dagegen der Anspruch auf Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grundstück6. Nur in Bezug auf die Grundstücksübereignungsverpflichtung wird Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgelöst, nicht in Bezug auf die Gebäudeerrichtungsverpflichtung.

III. Rechtsfolge § 1 Abs. 5 GrEStG stellt klar, dass bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch 1025 auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Steuer sowohl die Vereinbarung über die Leistung

1 Vgl. Weidenkaff in Grüneberg81, § 480 BGB Rz. 1; Westermann in MüKo8, § 480 BGB Rz. 1. 2 Vgl. Steiger, UVR 2004, 98 (103). 3 Vgl. BFH v. 12.10.1988 – II R 6/86, BFHE 154/387, BFH BStBl. II 1989, 54 mit dem Hinw. darauf, dass die Erwerber auch dann der Grunderwerbsteuer unterliegen, wenn der mit beiden Pkw-Stellplätzen jeweils verbundene Miteigentumsanteil nicht unterschiedlich hoch ist, und dass die jeweilige Übertragung dieser Ansprüche i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG keine flächenmäßige Aufteilung i.S.v. § 7 Abs. 1 GrEStG, die von der Grunderwerbsteuer befreit ist, darstellt. Vgl. auch Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 38 a.E. mit dem Hinweis, dass hier ein übertragbarer Gegenstand gegen eine werklieferungsvertragliche Verpflichtung „getauscht“ wird. 4 Vgl. Weidenkaff in Grüneberg81, § 480 BGB Rz. 2. 5 Vgl. BFH v. 17.1.1962 – II 177/58 U, BStBl. III 1962, 134, wonach Steuerbefreiungen im Falle eines Ringtausches dann eingreifen, wenn (1) das gesamte Vertragswerk nach dem Gesamtinhalt der darin begründeten Rechte und Pflichten, gesondert für jede Vertragspartei, rechtlich als Grundstücksaustausch anzusehen ist und (2) der jeweils in Betracht kommende einzelne Erwerb im Verhältnis des Erwerbers zu seinem Vertragspartner als Grundstücksaustausch i.S.v. § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG anzusehen ist. Vertragspartner sind diejenigen, die die vom einzelnen Erwerber als Gegenleistung hingegebenen Grundstücke erhalten. 6 Vgl. BFH v. 20.2.1974 – II R 59/66, BStBl. II 1974, 428.

Behrens

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§ 1 Rz. 1025 Erwerbsvorgänge des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils unterliegt1. § 1 Abs. 5 GrEStG, wonach der Tauschvertrag in zwei steuerbarer Erwerbsvorgänge zerlegt wird2, ist sachlich der Vorschrift in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zuzuordnen3. 1026

Bei der Berechnung der Grunderwerbsteuer für einen Grundstückstauschvertrag ist als Wert des Grundstücks, das jeweils die Gegenleistung für das erworbene Grundstück bildet, der gemeine Wert anzusetzen4. Denn jeder Tauschpartner geht bei der Beantwortung der Frage, ob sich die beiderseitigen Leistungen ausgleichen oder ob eine Zuzahlung von seiner Seite oder der Gegenseite gerechtfertigt ist, von den gemeinen Werten der Tauschgrundstücke aus. Andere Sachleistungen, die ein Tauschpartner als Gegenleistung gewährt, werden ebenfalls mit dem gemeinen Wert bewertet5. Durch die Begründung einer Zuzahlungsverpflichtung zum Ausgleich von Wertunterschieden wird die Rechtsnatur eines Grundstückstauschvertrags nicht geändert6. Ein Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, stellt nicht nur „einen“ Rechtsvorgang i.S.v. § 17 Abs. 2 Var. 2 GrEStG dar, so dass, auch wenn die beiden vom Grundstückstausch betroffenen Grundstücke in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen durchzuführen ist. Vielmehr liegt in Bezug auf jede Grundstücksübereignungsverpflichtung ein separater Rechtsvorgang i.S.v. § 17 Abs. 2 Var. 2 GrEStG vor. Jedes Finanzamt ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG für die Besteuerung des Erwerbs des in seinem Bezirk gelegenen Grundstücks örtlich zuständig7.

IV. Verhältnis von § 1 Abs. 5 zu § 7 Abs. 1 GrEStG 1027

Nach Pahlke8 behandelt § 7 Abs. 1 GrEStG in Ausnahme des § 1 Abs. 5 GrEStG den Austausch von Miteigentumsanteilen zur flächenweisen Aufteilung eines Grundstücks als einheitlichen Erwerbsvorgang9. Gemäß § 7 Abs. 1 GrEStG wird, wenn ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von den Miteigentümern flächenweise geteilt wird, die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist. Diese Vorschrift gewährleistet, dass die Steuer für den Austausch der Grundstücksbruchteile insoweit nicht erhoben wird, als der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Vertragsteil erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten Grundstück beteiligt war. M.E. ist es nicht gerechtfertigt, § 7 Abs. 1 GrEStG als Abweichung von der Grundregel des § 1 Abs. 5 GrEStG zu bezeichnen, weil es den Austausch der Grundstücksbruchteile als einheitlichen Er-

1 Vgl. BFH v. 7.9.2011 – II R 68/09, BFH/NV 2012, 62 betr. freiwillige Baulandumlegung; BFH v. 6.9.1988 – II B 98/88, BStBl. II 1988, 1008 betr. Vertrag über die freiwillige Baulandumlegung als ein Rechtsgeschäft (Tausch von Grundflächen), das für die Gemeinde den Anspruch gegen andere Grundstückseigentümer (d.h. die anderen Vertragsbeteiligten) auf Übereignung inländischer Grundstücke begründete und demzufolge der Grunderwerbsteuer unterliegt; als Umlegungsträger erwarb die Gemeinde aufgrund des Umlegungsvertrags Bauerwartungsland und übereignete als Gegenleistung Rohbauland. Der BFH entschied jeweils, dass die Ausnahme von der Besteuerung für den Übergang vom Grundstückseigentum im Umlegungsverfahren nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2b GrEStG nicht auf Fälle der freiwilligen Umlegung anwendbar ist; so dann auch BVerfG v. 13.12.2011 – 1 BvR 2880/11, juris, und BVerfG v. 24.3.2015 – 1 BvR 2880/11, BStBl. II 2015, 622. 2 Vgl. BFH v. 7.9.2011 – II R 68/09, BFH/NV 2012, 62. 3 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 38. 4 Vgl. BFH v. 2.7.1951 – III 21/51 S, BStBl. III 1951, 154. 5 Vgl. BFH v. 2.7.1951 – III 21/51 S, BStBl. III 1951, 154 unter Hinw. darauf, dass sich bei dem Ansatz der Einheitswerte oft sehr schiefe Ergebnisse ergeben würden, wobei der Einheitswert des einen der beiden als gleichwertig ausgetauschten Grundstücke bedeutend höher, doppelt so hoch oder noch höher, als der des anderen Grundstücks war; es sei sogar vorgekommen, dass der Tauschpartner, der das Grundstück mit dem höheren Einheitswert hingibt, noch eine Zuzahlung leiste. 6 Vgl. Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 30. Hofmanns Hinw. darauf, dass die Rechtsnatur eines Tauschvertrages dadurch verändert würde, dass die Geldleistungspflicht Hauptsache ist, ist nicht zu folgen. In Bezug auf das Grundstück bleibt es bei dem Grundstückskaufvertrag, der § 1 Abs. 5 GrEStG unterfällt. 7 Vgl. z.B. Viskorf in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 42. 8 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 464. 9 Pahlke verweist auf die Begründung des GrEStG 1940, RStBl. 1940, 400.

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K. Tausch (Abs. 5)

Rz. 1028 § 1

werbsvorgang behandele1. M.E. lässt § 7 Abs. 1 GrEStG den in § 1 Abs. 5 GrEStG bestätigten Grundsatz, dass Tauschverträge in zwei steuerbare Erwerbsvorgänge zu zerlegen sind2, unberührt. § 7 Abs. 1 GrEStG ordnet eine Steuerbefreiung an (vgl. § 7 Rz. 7 f.). § 1 Abs. 5 GrEStG ist keine Steuerberechnungsvorschrift, sondern eine klarstellende Vorschrift über den Steuergegenstand. Gemäß § 1 Abs. 5 GrEStG wird der Tauschvertrag in zwei steuerbare Erwerbsvorgänge zerlegt. Die Befreiungsvorschriften des GrEStG sind stets auf jeden der beiden Erwerbsvorgänge getrennt anzuwenden3.

V. Auflösung bestehender Wohneinheiten, Angleichung der Miteigentumsanteile und flächenmäßige Neuaufteilung in eine neu entstehende WEG Die Auflösung von Wohneinheiten und Umwandlung in Miteigentumsanteile bzw. die Aufhebung 1028 des jeweiligen Sondereigentums stellt einen Anwendungsfall von § 1 Abs. 5 GrEStG dar, weil jeder Alleineigentümer Miteigentümer an den Wohnungen des anderen vorherigen Alleineigentümers wird4. Im dem Urteil des FG Köln vom 30.6.2021 (5 K 2704/18) zugrundeliegenden Sachverhalt wurden zwei zwischen den beiden selben Gemeinschaftern bestehende Wohnungseigentumsgemeinschaften aufgehoben, Beteiligungsquoten an den jeweiligen Flurstücken angepasst und anschließend eine neue Wohnungseigentumsgemeinschaft aus den Flurstücken der aufgehobenen Wohnungseigentumsgemeinschaften zwischen denselben beiden Gemeinschaftern gebildet. Wirtschaftlich sollte es zu keiner Änderung kommen, insbesondere sollten räumlich die jeweiligen Wohnungseigentumseinheiten im Eigentum des bisherigen Eigentümers verbleiben. An der WEG 1 waren ursprünglich der Kläger mit 400/1000 und die C-Bank mit 600/1000 beteiligt. Die WEG 1 umfasste das Flurstück 1. An den Flurstücken 2 und 3, die von der WEG 2 umfasst waren, waren der Kläger mit 837/1000 und die C-Bank mit 163/1000 beteiligt. Zwecks Überführung von WEG 1 und WEG 2 in eine einheitliche neue WEG 3 übertrug die C-Bank einen Bruchteil von 200/1000 am Flurstück 1 auf den Kläger. Der Kläger übertrug einen Bruchteil von 237/1000 an den Flurstücken 2 und 3 auf die C-Bank. An der neu entstehenden WEG 3 war der Kläger mit 600/1000 und die C-Bank mit 400/1000 beteiligt. Das FA stellte sich auf den Standpunkt, dass sich die Anteile vor und nach der geplanten Neuaufteilung geändert hätten und insoweit eine grunderwerbsteuerlich zu erfassende Wertverschiebung stattgefunden habe. § 7 Abs. 1 GrEStG – in Anlehnung an § 5 Abs. 2 GrEStG – finde keine Anwendung, weil keine unmittelbare gleichartige Zurechnung entsprechend den Aufteilungen in Wohneigentum erfolgt sei. Das FG Köln entschied, dass die auch Angleichung der Miteigentumsanteile an den einzelnen Flurstücken einen steuerpflichtigen Tauschvorgang i.S.v. § 1 Abs. 5 GrEStG begründe. Die flächenmäßige Neuaufteilung in die dann entstehende WEG 3 sei gleichfalls wieder ein Tausch i.S.v. § 1 Abs. 5 GrEStG, auf den jedoch § 7 Abs. 1 GrEStG anzuwenden sei, soweit die WEG 1 und 2 eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Gemäß § 7 Abs. 1 GrEStG werde die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs vom § 7 Abs. 1 GrEStG in Anlehnung an § 5 Abs. 2 GrEStG sei nicht zulässig, weil keine Gesetzeslücke, sondern ggf. ein sog. rechtspolitischer Fehler vorliege, der jedoch, solange die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu keinem sinnwidrigen Ergebnis führt, keine erweiternde Auslegung von §§ 7 Abs. 1, 5 Abs. 2 GrEStG begründen könne. Der Gesetzgeber habe den Tausch von Grundstücken und die insoweit anwendbaren Befreiungs- und Ausnahmevorschriften umfassend geregelt. Die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung sei nicht möglich, weil nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1 Abs. 5 GrEStG bei einem Tauschvorgang, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils für sich der Steuer unterliege. Im Falle eines Tausches werde

1 So Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 464, § 7 GrEStG Rz. 8, jeweils unter Hinw. auf die Begründung des GrEStG 1940, RStBl. 1940, 400. 2 Vgl. auch BFH v. 2.7.1951 – III 21/51 S, BStBl. III 1951, 154; Griesar in GrEStG-eKommentar, § 1, Stand: 2.8.2021. 3 Vgl. BFH v. 2.7.1951 – III 21/51 S, BStBl. III 1951, 154. 4 Vgl. FG Köln v. 30.6.2021 – 5 K 2704/18, juris; das FG Köln hat die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, die jedoch – soweit ersichtlich – nicht eingelegt worden ist.

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§ 1 Rz. 1028 Erwerbsvorgänge grundsätzlich jeder Rechtsvorgang getrennt beurteilt und besteuert. Dass es an einer etwaigen Erhöhung der Leistungsfähigkeit fehle, weil Ziel und Beweggrund der Grundstücksvereinigung lediglich gewesen sei, dass das einheitliche Gebäude zwecks Bereinigung der komplexen Eigentumsverhältnisse auf einem einzigen katastermäßigen Grundstück stehen und an diesem Grundstück eine einzige WEG zwischen dem Kläger und der C-Bank begründet werden sollte und weil der komplexe Urzustand eine vernünftige Verwaltung der Eigentumsstruktur sowie Verfügungen über Eigentumsanteile schwierig oder rechtlich unmöglich gemacht habe, weshalb eine Bereinigung angebracht gewesen sei, ist nach Ansicht des FG Köln irrelevant. Die Besteuerung von Umsatz-, Verkehrs- und Verbrauchsvorgängen, die die private Vermögensverwendung belasten, stehe grundsätzlich mit dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz in Einklang1. Unklar ist, aus welchem Grund die mehreren Flurstücke im vom FG Köln entschiedenen Fall keine einheitliche wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG darstellten2. Läge eine einheitliche wirtschaftliche Einheit vor, wäre die Angleichung der Miteigentumsanteile an den einzelnen – grunderwerbsteuerrechtlich nicht selbständigen – Flurstücken m.E. nicht steuerbar. § 1 Abs. 5 GrEStG wäre, weil die Miteigentumsanteile bezogen auf die wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 2 Abs. 3 GrEStG der Höhe nach unverändert geblieben wären, insoweit nicht anwendbar.

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6) Literatur: Bruschke, Steueranrechnung bei aufeinanderfolgenden steuerbaren Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 6 GrEStG – Fallstricke vermeiden, UVR 2017, 279; Dominik, Anmerkung zu Sächsisches FG, Urteil v. 9.7.2020 – 6 K 931/18, UVR 2021, 970; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG; Kritik an Nr. 6, Beispiel 11 des gleichlautenden Ländererlasses vom 9.10.2013, UVR 2014, 31; Lutter, Anmerkung zu Hessisches FG, Urteil v. 23.6.2020 – 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696; Schiessl/Tschesche, Grunderwerbsteuerliche Privilegierungen, insbesondere nach § 1 Abs. 6 GrEStG, BB 2003, 1867.

I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift 1029

§ 1 Abs. 6 GrEStG regelt mehrfache, allerdings unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallende Erwerbe desselben Grundstücks durch denselben Erwerber (bzw. nach einer Mindermeinung durch denselben sog. Vermögensträger3). Nach Satz 1 unterliegt ein in Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneten Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Es gilt als allgemeiner Grundsatz der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer, dass jeder Rechtsvorgang, der einen der genannten Tatbestände erfüllt, unabhängig von einem vorausgegangenen Rechtsvorgang zu besteuern ist, unabhängig davon, ob sich durch den nachfolgenden Rechtsvorgang die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des Grundstücks ändert4. Gemäß Satz 2 wird die Steuer für den nachfolgenden Rechtsvorgang jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Mithin wird bei der Besteuerung des nachfolgenden Rechtsvorgangs die der Besteuerung des vorausgegangenen Erwerbs zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage angerechnet. Für den nachfolgenden Rechtsvorgang wird die Steuer also auf der Grundlage des Betrags berechnet, um den die Bemessungsgrundlage des nachfolgenden Rechtsvorgangs die Bemessungsgrundlage des vorausgegangenen Rechtsvorgangs übersteigt. Entsprechen sich die Bemessungsgrundlagen der Höhe nach, wird auf den nachfolgenden Rechtsvorgang im Er-

1 Das FG Köln verweist a.a.O., Rz. 43, auf BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152 und BFH v. 7.9.2011 – II R 68/09, Rz. 17, BFH/NV 2012, 62. 2 Dazu, dass es unerheblich ist, dass die Miteigentümer an den verschiedenen Flurstücken zivilrechtlich in unterschiedlicher Höhe beteiligt sind, vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 2 BewG Rz. 19, Stand: 1.9.2019. 3 Vgl. den Vortrag des Klägers im Verfahren des Hessischen FG v. 23.6.2020, 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1270.

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Behrens

§ 1 Rz. 1028 Erwerbsvorgänge grundsätzlich jeder Rechtsvorgang getrennt beurteilt und besteuert. Dass es an einer etwaigen Erhöhung der Leistungsfähigkeit fehle, weil Ziel und Beweggrund der Grundstücksvereinigung lediglich gewesen sei, dass das einheitliche Gebäude zwecks Bereinigung der komplexen Eigentumsverhältnisse auf einem einzigen katastermäßigen Grundstück stehen und an diesem Grundstück eine einzige WEG zwischen dem Kläger und der C-Bank begründet werden sollte und weil der komplexe Urzustand eine vernünftige Verwaltung der Eigentumsstruktur sowie Verfügungen über Eigentumsanteile schwierig oder rechtlich unmöglich gemacht habe, weshalb eine Bereinigung angebracht gewesen sei, ist nach Ansicht des FG Köln irrelevant. Die Besteuerung von Umsatz-, Verkehrs- und Verbrauchsvorgängen, die die private Vermögensverwendung belasten, stehe grundsätzlich mit dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz in Einklang1. Unklar ist, aus welchem Grund die mehreren Flurstücke im vom FG Köln entschiedenen Fall keine einheitliche wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG darstellten2. Läge eine einheitliche wirtschaftliche Einheit vor, wäre die Angleichung der Miteigentumsanteile an den einzelnen – grunderwerbsteuerrechtlich nicht selbständigen – Flurstücken m.E. nicht steuerbar. § 1 Abs. 5 GrEStG wäre, weil die Miteigentumsanteile bezogen auf die wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 2 Abs. 3 GrEStG der Höhe nach unverändert geblieben wären, insoweit nicht anwendbar.

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6) Literatur: Bruschke, Steueranrechnung bei aufeinanderfolgenden steuerbaren Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 6 GrEStG – Fallstricke vermeiden, UVR 2017, 279; Dominik, Anmerkung zu Sächsisches FG, Urteil v. 9.7.2020 – 6 K 931/18, UVR 2021, 970; Heine, Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG bei Verwirklichung des neuen Steuertatbestandes des § 1 Abs. 3a GrEStG; Kritik an Nr. 6, Beispiel 11 des gleichlautenden Ländererlasses vom 9.10.2013, UVR 2014, 31; Lutter, Anmerkung zu Hessisches FG, Urteil v. 23.6.2020 – 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696; Schiessl/Tschesche, Grunderwerbsteuerliche Privilegierungen, insbesondere nach § 1 Abs. 6 GrEStG, BB 2003, 1867.

I. Überblick 1. Aufbau der Vorschrift 1029

§ 1 Abs. 6 GrEStG regelt mehrfache, allerdings unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallende Erwerbe desselben Grundstücks durch denselben Erwerber (bzw. nach einer Mindermeinung durch denselben sog. Vermögensträger3). Nach Satz 1 unterliegt ein in Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneten Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Es gilt als allgemeiner Grundsatz der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer, dass jeder Rechtsvorgang, der einen der genannten Tatbestände erfüllt, unabhängig von einem vorausgegangenen Rechtsvorgang zu besteuern ist, unabhängig davon, ob sich durch den nachfolgenden Rechtsvorgang die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des Grundstücks ändert4. Gemäß Satz 2 wird die Steuer für den nachfolgenden Rechtsvorgang jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Mithin wird bei der Besteuerung des nachfolgenden Rechtsvorgangs die der Besteuerung des vorausgegangenen Erwerbs zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage angerechnet. Für den nachfolgenden Rechtsvorgang wird die Steuer also auf der Grundlage des Betrags berechnet, um den die Bemessungsgrundlage des nachfolgenden Rechtsvorgangs die Bemessungsgrundlage des vorausgegangenen Rechtsvorgangs übersteigt. Entsprechen sich die Bemessungsgrundlagen der Höhe nach, wird auf den nachfolgenden Rechtsvorgang im Er-

1 Das FG Köln verweist a.a.O., Rz. 43, auf BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152 und BFH v. 7.9.2011 – II R 68/09, Rz. 17, BFH/NV 2012, 62. 2 Dazu, dass es unerheblich ist, dass die Miteigentümer an den verschiedenen Flurstücken zivilrechtlich in unterschiedlicher Höhe beteiligt sind, vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 2 BewG Rz. 19, Stand: 1.9.2019. 3 Vgl. den Vortrag des Klägers im Verfahren des Hessischen FG v. 23.6.2020, 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696. 4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1270.

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L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Rz. 1032 § 1

gebnis keine Steuer festgesetzt. Unterschreitet die für den nachfolgenden Rechtsvorgang relevante Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage des vorausgegangenen Rechtsvorgangs, ist der Grundbesitzwert also zwischenzeitlich gesunken, bleibt es bei der Besteuerung des ersten Rechtsvorgangs. Im Ergebnis stellt sich die grunderwerbsteuerliche Behandlung dann so dar, als hätte der zweite Rechtsvorgang nicht stattgefunden1. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG kann mithin nur die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang mindern, nicht aber zu einer Vergütung auf den ersten Vorgang festgesetzter Grunderwerbsteuer führen. 2. Gesetzeshistorie In § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG i.d.F. des JStG 1997 war die Anwendung der Regelungen in § 1 Abs. 6 1030 GrEStG auf Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG ergänzt worden. Weil der Gesetzgeber davon ausging, dass die Erwerberidentität in den Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG einerseits und in den Fällen der anderen Absätze von § 1 andererseits nicht denkbar sei, wurde § 1 Abs. 2a GrEStG in § 1 Abs. 6 GrEStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.19992 wieder gestrichen. Trotz Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG mit Wirkung ab 1.7.2021 wurde § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in § 1 Abs. 6 GrEStG aufgenommen. Auf Grundlage der Ansicht der Finanzverwaltung, wonach das inländische Grundstück einer zu mindestens 95 % (ab 1.7.2021: 90 %3) von einer Personengesellschaft gehaltenen anderen Gesellschaft auch für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Personengesellschaft gehört4, hätte diese Streichung allerdings nicht erfolgen dürfen (vgl. Rz. 1044 f., Rz. 331). § 1 Abs. 2b GrEStG hätte auf dieser Grundlage in § 1 Abs. 6 GrEStG ergänzt werden müssen. M.E. hat die Finanzverwaltung durch Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO sicherzustellen, dass die Belastung der Personen- oder Kapitalgesellschaft mit Grunderwerbsteuer im Ergebnis der Belastung entspricht, die sich ergeben hätte, wenn der Gesetzgeber den Verweis auf § 1 Abs. 2a GrEStG nicht durch das StEntlG 1999/2000/2002 wieder gestrichen bzw. wenn er § 1 Abs. 2b GrEStG in § 1 Abs. 6 GrEStG aufgenommen hätte. Dass § 1 Abs. 2b GrEStG in § 1 Abs. 6 GrEStG i.d.F. des GrEStÄndG vom 12.5.2021 nicht genannt ist, zeigt, dass der Gesetzgeber auch insoweit davon auszugehen, dass die Erwerberidentität in den Fällen von § 1 Abs. 2b GrEStG einerseits und in den Fällen der anderen Absätze von § 1 GrEStG andererseits nicht denkbar sei. Dies ist aber nur dann nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG eine Zurechnung von Tochtergesellschaften gehaltener Grundstücke zur Mutter-Kapitalgesellschaft nicht in Betracht kommt. Dass § 1 Abs. 2b und Abs. 2a GrEStG in § 1 Abs. 6 GrEStG nicht genannt sind, bedeutet, dass die Zurechnung eines Grundstücks der Tochter- zur Muttergesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG und im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG von vornherein insgesamt ausscheidet. Durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20135 wurde der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 6 GrEStG auf den mit demselben Gesetz neu eingeführten § 1 Abs. 3a GrEStG erstreckt.

1031

II. Aufeinanderfolge mehrerer Rechtsvorgänge (Satz 1) 1. Zeitliche Aufeinanderfolge der unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallenden Erwerbe a) Grundsatz § 1 Abs. 6 GrEStG ist nur dann anwendbar, wenn die mehreren Erwerbsvorgänge zeitlich aufeinander folgen. Bei Gleichzeitigkeit der mehreren Erwerbsvorgänge ist die Subsidiarität bereits auf Tat1 Vgl. BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320; v. 31.3.2004 – II R 54/01, BStBl. II 2004, 658; v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292. 2 Vgl. BGBl. I 1999, 402. 3 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a), c). 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, Tz. 1.2, BStBl. I 2014, 561, ersetzt durch gleichlautenden Ländererlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, Tz. 3, BStBl. I 2018, 1314. Mit der geänderten Formulierung in Tz. 3 soll keine inhaltliche Änderung der Verwaltungsansicht bezweckt worden sein. 5 Vgl. BGBl. I 2013, 1809, dort Art. 26 Nr. 1 Buchst. b.

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389

1032

§ 1 Rz. 1032 Erwerbsvorgänge bestandsebene geregelt. Die Subsidiarität von § 1 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG gegenüber Abs. 1 ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei den Erwerbsvorgängen in Abs. 2, 3 und 3a um sog. Ergänzungstatbestände handelt, die nur dann tatbestandlich erfüllt sein können, wenn durch denselben Rechtsvorgang nicht bereits einer der Grund-Tatbestände von Abs. 1 in § 1 GrEStG erfüllt wird. Bei zeitlicher Aufeinanderfolge der Erwerbsvorgänge ist § 1 Abs. 6 GrEStG auch dann anwendbar, wenn die mehreren Erwerbe, z.B. wegen Gleichzeitigkeit des Eintritts aufschiebender Bedingungen i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG, im Ergebnis gleichzeitig stattfinden. Möglich ist, – dass ein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 GrEStG auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 21, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG folgt, oder – ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG, eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder das Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG folgt. b) Beispiel: Erst Vereinigung der Anteile an Grundstücks-KG, dann Anwachsung 1033

Folgt der Anteilsvereinigung die Anwachsung nach, verwirklicht derselbe Erwerber in Bezug auf dasselbe Grundstück unter verschiedene Absätze von § 1 GrEStG fallende Tatbestände, so dass die Bemessungsgrundlagen-Verrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG zur Anwendung gelangt2.

1034

Beispiel: Zunächst sind an der G-KG die Z-GmbH und X jeweils zu 50 % beteiligt, wobei an der Z-GmbH X und D jeweils zu 50 % beteiligt sind. Im Jahr 01 überträgt D seinen 50%igen Anteil an der Z-GmbH auf X. Im Jahr 02 wird die Z-GmbH auf X verschmolzen.

Ausgangsstruktur: D

X

50 %

50 %

50 % G-KG

D

X 50 %

Z-GmbH

Jahr 02:

Jahr 01:

100 %

100 %

Z-GmbH 50 %

X

50 %

Z-GmbH 50 %

G-KG

D überträgt seinen 50 %-Anteil an der Z-GmbH auf X.

50 %

50 %

G-KG

Die Z-GmbH wird auf X verschmolzen.

1 Durch Auftragserwerb erlangt der Auftraggeber (Treugeber) vom Auftragnehmer (Treuhänder) die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG, vgl. zuletzt BFH v. 23.2.2021 – II R 22/19, BStBl. II 2021, 636, m.w.N. Die in Erfüllung des Herausgabeanspruchs aus § 667 (i.V.m. § 675) BGB erklärte Auflassung löst nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer aus, die jedoch nur nach Maßgabe von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG erhoben wird; vgl. BFH v. 5.11.1986 – II R 66/84, BFH/NV 1988, 390. 2 Vgl. auch Bruschke, UVR 2017, 279.

390

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L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Rz. 1037 § 1

Im Jahr 01 wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Variante der teils unmittelbaren, teils mittelbaren Anteilsvereinigung verwirklicht. Gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer i.H.v. 50 % nicht erhoben, vorausgesetzt, X ist bereits seit 15 Jahren oder seit Erwerb des Grundstücks durch die G-KG1. i.H.v. 50 % an der G-KG beteiligt (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG). Durch die Verschmelzung der Z-GmbH auf X im Jahr 02 endet die G-KG; ihr Vermögen einschließlich Grundstück geht auf X kraft Gesetzes über (vgl. § 738 BGB bzw. § 712a BGB i.d.F.d. MoPeG v. 10.8.20212). Dies verwirklicht den Tatbestand von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Die Befreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG steht erneut nur in Höhe des X bereits seit mindestens fünf Jahren gehörenden unmittelbar an der G-KG bestehenden 50 %-Anteils zur Verfügung. In Bezug auf die restlichen 50 % ist X nicht selbst gesamthänderisch an diesem Grundstück beteiligt In Höhe dieses bisher von Z-GmbH unmittelbar gehaltenen 50%igen Anteils bleibt die im Jahr 02 nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer nicht nach § 6 Abs. 2 GrEStG unerhoben. Jedoch wird die Bemessungsgrundlage, die im Jahr 02 im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung der Z-GmbH auf X für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG zu erhebende Grunderwerbsteuer relevant ist, um die Bemessungsgrundlage gekürzt, von der die im Jahr 01 nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG angefallene Steuer berechnet worden ist.

1035

c) Keine Anteilsvereinigung nach Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gesellschaftsgrundstück Nicht denkbar ist nach hier vertretener Ansicht, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG dem Erwerb der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG nachfolgt3, und zwar deshalb, weil das Gesellschaftsgrundstück, nachdem die Gesellschaft einem anderen (hier dem zukünftigen mindestens 90%igen Gesellschafter) die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück eingeräumt hat, für die Zwecke von § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft gehört4. Ebenfalls nicht möglich ist die einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG nachfolgende Verwirklichung eines nach § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG steuerbaren Vorgangs5.

1036

d) Keine Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigungen nach Abs. 3 und Abs. 3a Ebenso wenig ist nach hier vertretener Ansicht denkbar, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG dem Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG nachfolgt oder dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG einer Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG nachfolgt (vgl. Rz. 900, 944)6.

1 Zur teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 4 GrEStG vgl. z.B. BFH v. 25.8.2018 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162. 2 BGBl. I 2021, 3436. Das MoPeG tritt am 1.1.2024 in Kraft. 3 So aber Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 199. 4 Wie hier Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 867 f. und Rz. 967 a.E., jeweils unter Hinw. auf BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 5 Ebenso Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 199; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 467. Wenn – wie von Pahlke – die Auffassung vertreten wird, dass die Einräumung der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück keinen Rechtsträgerwechsel auslöst, vielmehr die bisherige Grundstückszuordnung unberührt bleibt und durch die Einräumung der Verwertungsbefugnis lediglich eine weitere Grundstückszuordnung und damit quasi eine Verdopplung des Grundstücks für Grunderwerbsteuerzwecke eintritt, erweitert sich der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 6 GrEStG, weil dann dem Erwerb der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 auch die fiktiven Grundstückserwerbe aufgrund Anteilsvereinigung nach Abs. 3 oder 3a nachfolgen können, weil das Grundstück auf dieser Grundlage auch weiterhin zum Vermögen der ihrem zukünftigen mind. 95%igen Gesellschafter die Verwertungsbefugnis einräumenden Gesellschaft gehört. Diese Auffassung ist allerdings abzulehnen, vgl. Rz. 204, Rz. 728. 6 Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 199; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1176, Rz. 1247; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 403, anders aber Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 450; Heine, UVR 2014, 31.

Behrens

391

1037

§ 1 Rz. 1038 Erwerbsvorgänge 1038

Entgegen der hier vertretenden Ansicht sieht die Finanzverwaltung in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG zwei auch im Verhältnis zueinander selbständige Tatbestände. Der Ländererlass zu § 1 Abs. 3a GrEStG vom 19.9.20181 gibt den durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20132 geänderten Wortlaut von § 1 Abs. 6 GrEStG wieder und macht die Verwaltungsansicht deutlich, wonach in Bezug auf dasselbe Grundstück vom selben Erwerber sowohl der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG als auch der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG hintereinander verwirklicht werden können.

1039

Beispiel (entspricht Beispiel 10 des Ländererlasses zu § 1 Abs. 3a GrEStG v. 19.9.2018): A erwirbt im Jahr 01 95 % der Anteile an der M-GmbH, zu deren Vermögen im Jahr 01 kein inländisches Grundstück gehört. Im Jahr 02 erwirbt die M-GmbH 95 % der Anteile an der grundbesitzenden GmbH. Im Jahr 03 erwirbt A diese 95 % der Anteile an der T-GmbH von der M-GmbH.

Beispiel 10 des Länder-Erlasses: Jahr 01:

V

Jahr 02:

Jahr 03:

A

A

A 95 %

95 %

95 %

95 %

M-GmbH Keine GrESt, weil kein Grundstück

M-GmbH

1%

M-GmbH

1% + 95 % = 96 %

T-GmbH

95 %

T-GmbH

A ist sog. Altgesellschafter

§ 1 Abs. 2b GrEStG § 1 Abs. 3 GrEStG bei A § 1 Abs. 3a GrEStG bei A § 1 Abs. 6 GrEStG [Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit?] 



§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bei der M-GmbH

1040

Erwerberin im Jahr 02 ist die M-GmbH. Nur auf ihrer Ebene wird der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auch auf der Ebene des A hat zu unterbleiben3. A verwirklicht im Jahr 03 nach Verwaltungsansicht den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG, wenn er den 95%igen Anteil an der T-GmbH von der M-GmbH übernimmt. Denn seine bisher durchgerechnet 90,25%ige sog. wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG an der T-GmbH wird auf 95 % aufgestockt.

1041

Zuzustimmen ist der Verwaltung darin, dass sie im Jahr 03 auf der Ebene des A den Tatbestand des § 1 Abs. 3 nicht für verwirklicht hält. Widersprochen werden muss jedoch der Ansicht, dass Steuer nach § 1 Abs. 3a angefallen sei4. Denn ausweislich des Gesetzeswortlauts (Rechtsvorgänge i.S.v. Abs. 3a „gelten als Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG“) ist § 1 Abs. 3a im Verhältnis zu § 1 Abs. 3 nicht eigenständig.

1 Vgl. BStBl. I 2018, 1078. Zuvor schon gleichlautende Ländererlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364. 2 Vgl. BGBl. I 2013, 1809. 3 Subsidiarität der mittelbaren gegenüber der zeitgleich verwirklichten unmittelbaren Anteilsvereinigung. Vgl. Rz. 688, 921. 4 Ebenso Fleischer, StuB 20/2013, 765 (767); Wagner/Lieber, DB 2013, 2295 (2297); Heine, UVR 2014, 31.

392

Behrens

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Rz. 1045 § 1

Nach dem Ländererlass zu § 1 Abs. 3a GrEStG vom 19.9.2018 (und auch schon zuvor vom 9.10.2013), 1042 wonach Abs. 3 und Abs. 3a auch im Verhältnis zueinander eigenständige Tatbestände sein sollen, scheidet eine Anrechnung der für den Vorgang im Jahr 02 relevanten Bemessungsgrundlage auf die Bemessungsgrundlage, nach der die im Jahr 03 angefallene Steuer zu berechnen ist, wegen Fehlens der Erwerberidentität aus. Zu der Frage, ob dem A die nach § 1 Abs. 3a GrEStG nach Ansicht der Finanzverwaltung angefallene Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen zu erlassen ist (und zwar insoweit wie sich die Bemessungsgrundlagen der Vorgänge in den Jahren 02 und 03 gleichen), wird im Ländererlass nicht Stellung genommen1. M.E. ist dies geboten, weil ausgeschlossen erscheint, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Anti-RETT-Blocker-Regelung beabsichtigt haben könnte, im obigen Beispiel zweimal Grunderwerbsteuer zu erheben. 2. Von Abs. 6 Satz 1 nicht erfasste Fallkonstellationen a) Verwirklichung mehrerer im selben Absatz geregelter Tatbestände Eine Anwendung von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG entfällt, wenn in Bezug auf dasselbe Grundstück vom 1043 selben Erwerber mehrere unter denselben Absatz von § 1 GrEStG fallende Erwerbe verwirklicht werden2. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Rechtsvorgänge, die in verschiedenen Nummern eines Absatzes geregelt sind, wie beispielsweise § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG einerseits und § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG andererseits, hintereinander verwirklicht werden3. Jedoch ordnet insoweit der betreffende Absatz bereits auf Tatbestandsebene Subsidiaritätsverhältnisse an (z.B. ist der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, wenn ein Rechtsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist, nicht erfüllt). b) Nichterfassung nach Abs. 2a und nach Abs. 2b steuerbarer Gesellschafterwechsel Zu den in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG aufgezählten Absätzen von § 1 GrEStG zählte ab 1.1.1997 auf Grundlage des JStG 1997 bis zum 1.1.20004 auch der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde Abs. 2a in der Aufzählung in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG wieder gestrichen. Nach der Gesetzesbegründung beruht dies auf dem Fehlen einer praktischen Anwendungsmöglichkeit5. Die Erwerberidentität der fiktiven neuen Personengesellschaft als Beteiligte an einem in § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG bezeichneten Rechtsvorgang sei nicht denkbar.

1044

Auf Grundlage der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, dass das inländische Grundstück einer zu mind. 95 % (ab 1.7.2021: 90 %6) von einer Personengesellschaft gehaltenen Grundstücks-GmbH auch für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Personengesellschaft gehört7, ist dem jedoch nicht zuzustimmen. Gehen mindestens 95 % der Anteile an der zu mindestens 95 % (ab 1.7.2021: 90 %8) an der grundbesitzenden Tochtergesellschaft beteiligten Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren unmittelbar und/oder mittelbar auf neue Gesellschafter

1045

1 Z.B. lässt die Finanzverwaltung die Differenzbesteuerung nach § 1 Abs. 6 GrEStG zu, wenn zunächst die Tochter-GmbH die restlichen, bisher bei konzernfremden Dritten liegenden Anteile an der Grundstücks-GmbH hinzuerwirbt (und dadurch § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt) und anschließend die Grundstücks-GmbH ein Grundstück auf den Alleingesellschafter der Tochter-GmbH überträgt; z.B. koordinierter Erlass, FinMin. Nds. v. 23.9.1992, DStR 1992, 1513. 2 Vgl. BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320; v. 1.12.2004 – II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365. 3 Vgl. BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320; v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 4 Vgl. § 23 Abs. 6 Satz 1 GrEStG, wonach u.a. § 1 Abs. 6 GrEStG n der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 BGBl. I, 402 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden war, die nach dem Tage der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 verwirklicht worden sind. 5 Vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1273; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 470; Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 198. 6 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a), c). 7 So z.B. gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, Rz. 2, BStBl. I 2014, 561. Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 148. Gegen diese Ansicht vgl. oben Rz. 331. 8 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a), c).

Behrens

393

§ 1 Rz. 1045 Erwerbsvorgänge über, gilt die fingierte neue Personengesellschaft als Erwerberin des Grundstücks. Erwirbt die Personengesellschaft anschließend das Gesellschaftsgrundstück ihrer mindestens 95%igen (ab 1.7.2021: 90%igen1) Tochtergesellschaft, verwirklicht erneut diese Personengesellschaft einen – nun unter § 1 Abs. 1 (bei Verschmelzung: Nr. 3) GrEStG fallenden – Tatbestand in Bezug auf dasselbe Grundstück. Ab Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG muss die das Grundstück fiktiv erwerbende fingierte neue Personengesellschaft für nachfolgende Rechtsvorgänge als mit der Personengesellschaft identisch angesehen werden, auf deren Ebene der fingierte Grundstückserwerb i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG stattgefunden hatte. Für § 1 Abs. 2b GrEStG gilt dies entsprechend, d.h. auch § 1 Abs. 2b GrEStG ist in § 1 Abs. 6 GrEStG i.d.F. des GrEStÄndG vom 12.5.2021 nicht genannt2. 1046

Beispiel: Ist A Alleininhaber aller Beteiligungen an einer KG, die Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden GmbH ist. Zunächst überträgt A seine Beteiligungen an der KG auf B, was auf Grundlage der Verwaltungsansicht, wonach das Grundstück bei der GmbH auch für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der KG gehört, den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die GmbH auf die KG verschmolzen, was im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der KG zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG führt:

A 100 % KG 100 % G-GmbH

A überträgt 100 % an der KG auf B.

1047

A

B

B

100 %

100 % KG

100 % G-GmbH

KG 100 % G-GmbH

Anschließend wird die G-GmbH auf die KG verschmolzen.

Nach Verwaltungsansicht gehört das Grundstück der G-GmbH auch für Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der KG3. Durch den Übergang der Beteiligungen an der KG auf den bisher nicht beteiligten B wird ein Übergang dieses Grundstücks von der KG auf eine fiktiv neue KG fingiert, was nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG Grunderwerbsteuer auf Ebene der KG in Bezug auf das Grundstück der G-GmbH auslöst; Steuerschuldnerin ist gem. § 13 Nr. 6 GrEStG die KG als fiktive Grundstückserwerberin. Bei Eintragung der zu einem späteren Zeitpunkt erfolgenden Verschmelzung der G-GmbH auf die KG wird auf Ebene der KG in Bezug auf dasselbe Grundstück erneut Grunderwerbsteuer ausgelöst, und zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Mithin erwirbt auf Grundlage der

1 Vgl. GrEStÄndG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986, Art. 1 Nr. 1 a), c). 2 Vgl. oben Rz. 1030. 3 Vgl. die gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 3, die an die Stelle der gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, Tz. 2, getreten sind; zuvor bereits gleichlautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 273, Tz. 2; a.A. Behrens, DStR 2010, 777 (783). Mit der geänderten Formulierung in Rz. 3 der Erlasse v. 12.11.2018 zu § 1 Abs. 2a GrEStG soll keine inhaltliche Änderung der Verwaltungsansicht bezweckt worden sein.

394

Behrens

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Rz. 1049 § 1

grunderwerbsteuerrechtlichen Fiktionen derselbe Erwerber (d.h. die KG) dasselbe Grundstück zweimal, wobei verschiedene Absätze von § 1 GrEStG erfüllt werden. Warum es nicht zugelassen wird, dass bei der Berechnung der durch die Verschmelzung ausgelösten Steuer die für den Gesellschafterwechsel relevante Bemessungsgrundlag angerechnet wird, ist nicht ersichtlich. Dass Abs. 2a in der Aufzählung in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 gestrichen wurde, lässt sich m.E. nur damit erklären, dass der Gesetzgeber des StEntlG 1999/2000/2002 – entsprechend der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 331) – davon ausging, dass das Grundstück der G-GmbH im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zum Vermögen der KG gehört. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die Erwerberidentität der fiktiv neuen Personengesellschaft als Beteiligte an einem in § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG bezeichneten Rechtsvorgang nicht denkbar.

III. Steuer vom Unterschiedsbetrag (Satz 2) 1. Grundsatz Die für den vorausgegangenen Rechtsvorgang relevante Bemessungsgrundlage wird nur dann von der 1048 für den nachfolgenden Rechtsvorgang relevanten Bemessungsgrundlage abgezogen, wenn die Grunderwerbsteuer für den vorausgegangenen Rechtsvorgang berechnet worden ist. Mit dem Merkmal „Berechnung“ setzt § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG voraus, dass eine Steuer tatsächlich festgesetzt und auch nicht später aufgehoben worden ist1. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist nicht anwendbar, wenn der vorausgegangene Rechtsvorgang von der Grunderwerbsteuer befreit war oder für den vorausgegangenen Rechtsvorgang Festsetzungsverjährung eingetreten ist, so dass keine Steuer tatsächlich festgesetzt wurde. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist auch dann nicht anwendbar, wenn die Steuer für den vorausgegangenen Rechtsvorgang zunächst festgesetzt worden war, dann jedoch wegen vorherigen Eintritts der Festsetzungsverjährung zurückgenommen werden musste2. Auch wenn der vorausgegangene Rechtsvorgang zu Unrecht als steuerfrei behandelt worden ist, findet § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG keine Anwendung3; denn tatsächlich ist dann von dem vorausgegangenen Rechtsvorgang keine Steuer berechnet worden4. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist jedoch anwendbar, d.h. die Bemessungsgrundlagen-Anrechnung auf die für den nachfolgenden Rechtsvorgang relevante Bemessungsgrundlage findet statt, wenn die auf den ersten Rechtsvorgang festgesetzte Steuer nur tatsächlich nicht gezahlt, z.B. aus Billigkeitsgründen gem. § 227 AO erlassen worden ist5. 2. Erfordernis der Identität des Erwerbers Die Erhebung von Steuer lediglich auf die Differenz der für den nachfolgenden Erwerbsvorgang relevanten Bemessungsgrundlage und der für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang relevanten Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG setzt die Identität des Erwerbers bei beiden Erwerbsvorgängen voraus6. Der Formwechsel i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 190 ff. UmwG steht der Erwerberidentität nicht entgegen, weil der nach Eintragung des Formwechsels im Handelsregister bestehende Rechtsträger mit dem vor Eintragung des Formwechsels bestehenden Rechtsträger identisch ist7.

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431; v. 19.7.1972 – II 204/65, BStBl. II 1972, 914. Vgl. BFH v. 19.7.1972 – II 204/65, BStBl. II 1972, 914. Vgl. den dem BFH v. 9.11.2016 – II R 12/15 zugrundeliegenden Sachverhalt. Vgl. BFH v. 30.8.1961 – II 15/60 U, BStBl. III 1961, 519; v. 19.12.1986 – II B 163/86, BFH/NV 1988, 463. Vgl. § 5 Rz. 141; § 6 Rz. 115. 5 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1284. 6 Vgl. BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278. 7 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1277.

Behrens

395

1049

§ 1 Rz. 1050 Erwerbsvorgänge 1050

Die Erwerberidentität liegt nicht vor, wenn der Anteilsvereinigung in der Hand einer Gesellschaft eine mittelbare Anteilsvereinigung in der Hand des Alleingesellschafters dieser Gesellschaft vorausgegangen ist. Es besteht sowohl zivilrechtlich als auch grunderwerbsteuerrechtlich keine Personenidentität zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem (Allein-)Gesellschafter1. Nach BFH ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, die Anrechnung einer einem Dritten berechneten Steuer in die Regelung des § 1 Abs. 6 GrEStG aufzunehmen2.

1051

Die Erwerberidentität liegt auch dann nicht vor, wenn dem Grundstückserwerb durch den Gesellschafter eine (unmittelbare oder mittelbare) Anteilsvereinigung in der Hand einer Tochtergesellschaft dieses Gesellschafters vorausgegangen ist. Bei dem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb eines Grundstücks durch eine Muttergesellschaft liegt die für die Anrechnung der Bemessungsgrundlage gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG erforderliche Erwerberidentität im Falle eines Vorerwerbs dieses Grundstücks durch eine Tochtergesellschaft nach einem anderen Absatz von § 1 GrEStG nicht vor, ohne dass es auf die organschaftliche oder Konzernverbindung von Mutter- und Tochtergesellschaft ankommt. Die Voraussetzung der Erwerberidentität i.S.v. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist bei identischer sog. Vermögensträgerschaft, auf die der Gesetzeswortlaut nicht abstellt, nicht erfüllt3. Beispiel4: Ursprünglich war X (Kläger) über seine 100%ige Tochter-KG (F-KG) zu 51 % an der G-KG beteiligt, die zum Teil unmittelbar und zum Teil mittelbar über die I-KG und die Komplementärin B-GmbH sämtliche Anteile an der grundbesitzenden H-KG hielt. Die F-KG erwarb die restlichen 49 % der Anteile an der G-KG hinzu. Hierdurch fiel Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an, die auch von der F-KG erhoben wurde. Später wurde die G-KG auf die F-KG verschmolzen, vom FA zum Anlass genommen wurde, die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG anzunehmen, wobei die Steuer jedoch gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht erhoben wurde. Durch Austritt der B-GmbH und der I-KG aus der H-KG wuchs deren Vermögen einschließlich des Grundstücks der F-KG an. Anschließend gliederte die F-KG das operative Geschäft samt Grundstück auf die mittlerweile zu 100 % von X gehaltene B-GmbH. Das FA setzte Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG fest. Anschließend wurde die B-GmbH auf X verschmolzen, was das FA zum Anlass nahm, gegenüber X Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG festzusetzen. X verlangt den Abzug der Bemessungsgrundlage, die für die Besteuerung der Anteilsvereinigung auf Ebene der F-KG zugrunde gelegt worden war.

1 Vgl. BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320. 2 Vgl. BFH v. 31.3.2004 – II R 54/01, BStBl. II 2004, 658. 3 Vgl. Hessisches FG v. 23.6.2020 – 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696, Rev. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. 4 Das Beispiel ist dem Sachverhalt des Urteils 5 K 1828/15 v. 23.6.2020, EFG 2020, 1696, des Hessischen FG nachgebildet.

396

Behrens

Rz. 1051 § 1

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Hessisches FG, Urteil 5 K 1828/15 vom 23.06.2020, EFG 2020, 1696, Rev. zugelassen: X (Kl.)

X (Kl.)

100 %

100 % Kauf

F-KG

Dritter

F-KG

51 % + 49 % 100 % G-KG 100 %

I-KG

B-GmbH 0%

0% H-KG

H-KG

Erwerb des restlichen 49 % an G-KG durch F-KG: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG + X (Kl.) 100 %

I-KG

B-GmbH

Verschmelzung der G-KG auf F-KG

X (Kl.)

X (Kl.)

100 % F-KG

B-GmbH

Ausschneiden der Komplementäre der H-KG und der I-KG: § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG + , aber § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG

F-KG

B-GmbH

F-KG

B-GmbH

Ausgliederung des operativen Geschäfts samt Grundstücks auf die B-GmbH

Verschmelzung der B-GmbH auf X

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG +

§ 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG?

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG +

Behrens

397

§ 1 Rz. 1051 Erwerbsvorgänge Zwar ist Steuer nach zwei verschiedenen Absätzen von § 1 GrEStG angefallen, und zwar bei der F-KG nach § 1 Abs. 3 GrEStG und bei X nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Nach Auffassung des Hessischen FG liegt jedoch keine Erwerberidentität vor. Der Begriff der sog. Vermögensträgerschaft1 finde im GrEStG keine Grundlage. Mehrere Gesellschaften bilden wegen der grunderwerbsteuerrechtlich maßgebenden zivilrechtlichen Selbstständigkeit von Beteiligungsgesellschaften auch bei organschaftlicher oder Konzern-Verbindung keine grunderwerbsteuerliche Einheit. Auch komme keine Billigkeitsmaßnahme in Betracht, weil hinsichtlich der Schaffung des Anrechnungserfordernisses einer Erwerberidentität in § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG von einer bewussten, die Anrechnung beschränkenden Regelung durch den Gesetzgeber auszugehen sei. Der koordinierte Ländererlass vom 23.9.19922 sehe eine Anrechnung im Billigkeitswege nur für den Fall vor, dass ein Alleingesellschafter, nach dem seine Tochtergesellschaft bereits durch eine Anteilsvereinigung der Anteile einer grundbesitzenden Enkelgesellschaft hinsichtlich eines Grundstücks den Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht hatte, diese Bemessungsgrundlage auf diejenige seines späteren Erwerbs des Grundstücks trotz fehlender Erwerberidentität anrechnen könne. Vorliegend sei die vorherige grunderwerbsteuerliche Zuordnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG des Grundstücks zu F-KG durch die Ausgliederung auf die B-GmbH wieder beendet worden.

M.E. ist dem Hessischen FG zuzustimmen. Das Anrechnungserfordernis der Erwerberidentität stellt nicht lediglich ein auf das gleichzeitige Fehlen des Merkmals des Absatzwechsels begrenztes – quasi nur kumulatives – Merkmal ohne eigenständige Bedeutung dar. Die sog. Vermögensträgerschaft ist in § 1 Abs. 6 GrEStG nicht im Sinne einer Erwerberidentität geregelt3. Anders als das Hessische FG mit Urteil 5 K 1828/15 vom 23.6.20204 versteht das Sächsische FG im Urteil 6 K 931/18 vom 9.7.20205 das Anrechnungserfordernis der Erwerberidentität nicht als „eine bloß rechtliche Identität“. Die grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbsvorgänge würde allesamt nicht rechtlich, sondern wirtschaftlich verstanden. Diese wirtschaftliche Erwerberidentität bestünde, wenn zunächst eine Tochter-GmbH das Grundstück nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und anschließend eine dadurch zur Muttergesellschaft werdende Gesellschaft die Anteile an dieser Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar erwerbe. Beispiel6: Die A-GmbH erwarb von einem Dritten zu einem Zeitpunkt ein Grundstück, als an ihr D, C und die Kl.-GmbH beteiligt waren. C hielt die Hälfte seines 50 %-Anteils treuhänderisch für B. B, C und D waren jeweils zu einem Drittel an der Kl.-GmbH beteiligt. Nachdem das Treuhandverhältnis zwischen C und B durch Übertragung des 25%igen Anteils an der A-GmbH durch C auf B aufgelöst war, führten D, C und B bei der Kl.-GmbH eine notariell beurkundete Sachkapitalerhöhung durch, in deren Folgen B, C und D ihre Anteile an der A-GmbH in die Kl.-GmbH einbrachten. Dadurch wurde am 28.8.2013 auf Ebene der Kl.-GmbH der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst.

1 2 3 4 5 6

Vgl. bereits Thüringer FG v. 21.4.2004 – I 479/98, EFG 2004, 1856. S 4501–34–36, DB 1992, 2216. So auch Lutter, EF 2020, 1699. Vgl. EFG 2020, 1696. Vgl. EFG 2021, 969, mit Anm. Dominik. Das Beispiel ist dem Sachverhalt des Urteils des Sächsischen FG v. 9.7.2020, 6 K 931/18, EFG 2021, 969 nachgebildet.

398

Behrens

Rz. 1051 § 1

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Sächsisches FG, Urteil 6 K 931/18 vom 09.07.2020, EFG 2021, 969, Rev. II R 24/20: 03.07.2013:

C

D

25 %

Treuhand betr. 25 %

33,3 %

33,3 %

B

50 %

33,3 %

Kl.-GmbH 25 %

Dritter

Kauf

A-GmbH

§ 1 Abs. 1 GrEStG + 28.08.2013:

28.08.2013:

33,3 % D

C

33,3 %

B 33,3 %

25 %

25 %

Kl.-GmbH

25 % 25 %

A-GmbH

Auflösung des Treuhandverhältnisses zwischen C und B, Abtretung von 25 % von C an B

D 33,3 %

C

B

33,3 % 33,3 %

Kl.-GmbH 100 %

A-GmbH

Sachkapitalerhöhung bei der Kl.-GmbH § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG + § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG?

Behrens

399

§ 1 Rz. 1051 Erwerbsvorgänge Das Sächsische FG entschied, dass zwischen dem Grundstückerwerb durch die A-GmbH und dem Erwerb der Anteile an der A-GmbH durch die Kl.-GmbH eine wirtschaftliche Erwerberidentität gegeben sei. Die Kl.-GmbH habe unmittelbar B, C und D gehört. Die A-GmbH gehörte B, C und D als unmittelbare bzw. mittelbar treuhänderische Inhaberin der Geschäftsanteile ebenfalls. Soweit die Kl.-GmbH 25 % der Anteile an der A-GmbH hielt, hätte die A-GmbH B, C und D mittelbar über die unmittelbare Beteiligung an der Kl.-GmbH gehört, M.E. ist ein derart weites wirtschaftliches Verständnis des Anrechnungserfordernisses der sog. Erwerberidentität aus § 1 Abs. 6 GrEStG nicht ableitbar1. Jeder Rechtsträger stellt ein eigenständiges Grunderwerbsteuer-Subjekt dar. Dadurch, dass B, C und D sämtliche Anteile sowohl an der A-GmbH als auch an der Kl.-GmbH gehörten, werden die A-GmbH und die Kl.-GmbH nicht zu ein und demselben Erwerber. Weil die Kl.-GmbH im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags durch die A-GmbH mit dem Dritten nur 25 % der Anteile an der A-GmbH gehörten, stellt auch der koordinierte Ländererlass vom 23.9.19922 keine Grundlage für die Gewährung der Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme dar.

1052

Die Voraussetzung der Erwerberidentität ist im Falle der Gesamtrechtsnachfolge im Wege des Erbgangs erfüllt, d.h. es kommt z.B. zur Bemessungsgrundlagen-Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, wenn wegen unter einen anderen Absatz fallenden Erwerbs desselben Grundstücks durch den Erblasser diesem gegenüber Steuer berechnet worden war und nach dem Erbfall der Erbe das Grundstück z.B. das Grundstück von der Gesellschaft, deren Anteile im Erbgang auf ihn übergegangen waren, erwirbt3. Das Erfordernis der Erwerberidentität ist z.B. auch bei Verschmelzung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ff. UmwG gewahrt4.

1053

Keine Erwerberidentität besteht, wenn eine GbR Eigentumswohnungen erwirbt und den Eigentumsverschaffungsanspruch hinsichtlich einer Wohnung an einen nach dem Erwerb eingetretenen Gesellschafter abtritt. Der vorausgegangene Erwerbsvorgang wird von der GbR, der nachfolgenden Erwerbsvorgang von dem dann eingetretenen Gesellschafter als Erwerber verwirklicht5. Keine Erwerberidentität besteht auch in dem Fall, dass das unbedingt wirksame Verpflichtungsgeschäft zur Veräußerung einer mindestens 95%igen Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft an einen Erwerber vor dem 1.7.2021 abgeschlossen worden war, dinglich die Rechtsinhaberschaft an der Beteiligung jedoch erst nach dem 30.6.2021 auf den Erwerber übergegangen ist bzw. übergeht. Nach dem Gesetzeswortlaut wären sowohl der Anteilserwerber nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. als auch die grundbesitzende Gesellschaft selbst nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu besteuern6. M.E. muss die Finanzverwaltung Billigkeitsmaßnahmen erlassen, damit der eine Lebenssacherhalt, der sowohl das Verpflichtungs- als auch das Erfüllungsgeschäft umfasst, im Ergebnis nur einmal der Steuer zu unterwerfen. 3. Erfordernis der Identität des Grundstücks

1054

Die aufeinander folgenden Erwerbsvorgänge müssen dasselbe Grundstück oder zumindest Teile desselben Grundstücks betreffen7. Das Erbbaurecht und das mit diesem Erbbaurecht belastete Grundstück gelten für die Zwecke von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht als ein und dasselbe Grundstück, weil

1 2 3 4

Zweifelnd auch Dominik, EFG 2021, 970. S 4501–43–36, DB 1992, 2216. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1277; Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 469. A.A. allerdings das FG Münster im Urteil – 8 K 4299/01 GrE, EFG 2005, 723, das die Berücksichtigung von VorErwerben einer später infolge Verschmelzung untergegangenen Gesellschaft nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG wegen der rechtsgeschäftlichen Gesamtrechtsnachfolge bei der übernehmenden Gesellschaft abgelehnt hat. 5 Vgl. BFH v. 8.10.2003 – II R 36/01, BFH/NV 2004, 366. 6 In § 1 Abs. 3 GrEStG alte Fassung bezog sich der „soweit“-Halbsatz in § 1 Abs. 3 GrEStG nur auf § 1 Abs. 2a GrEStG, jedoch noch nicht auf § 1 Abs. 2b GrEStG, weil dieser Tatbestand vor dem 1.7.2021 noch nicht in Kraft getreten war. Der Gesetzgeber hat in § 23 GrEStG und auch an keiner sonstigen Stelle eine Regelung getroffen, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anzuwenden ist, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG alte Fassung in Betracht kommt. Vgl. § 23 Rz. 37. 7 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 473; Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 200; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1282.

400

Behrens

L. Aufeinanderfolge von Tatbeständen (Abs. 6)

Rz. 1057 § 1

es sich bei dem Erbbaurecht nicht um einen bloßen Ausschnitt des Grundstückseigentums, sondern um einen eigenen Steuergegenstand handelt1. 4. Zwischenzeitliche Bemessungsgrundlagen-Erhöhungen Weil die Bemessungsgrundlage des früheren Rechtsvorgangs auf die Bemessungsgrundlage des späteren Rechtsvorgangs angerechnet wird, wirken sich zwischen den beiden Rechtsvorgängen aufgrund von Wertsteigerungen oder Gesetzesänderungen ergebende Bemessungsgrundlagen-Erhöhungen insofern nachteilig für den Steuerpflichtigen aus, als die Bemessungsgrundlagen-Erhöhung anlässlich des späteren Rechtsvorgangs der Steuer unterliegt. Dies entspricht dem Zweck von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, Doppelbesteuerungen zu verhindern; diese Teleologie fordert es nicht, die anrechenbare Bemessungsgrundlage des ersten Rechtsvorgangs im Vorgriff auf die sich später ergebenden Bemessungsgrundlagen-Erhöhungen ebenfalls zu erhöhen.

1055

Im Zusammenhang mit der vom BVerfG aufgrund des Beschlusses vom 23.6.2015 angeordneten 1056 rückwirkenden Erhöhung der Ersatzbemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 GrEStG haben sich aufgrund des vom BVerfG gewährten Vertrauensschutzes nach § 176 AO (vgl. § 8 Rz. 10) Fallkonstellationen ergeben, in denen die Nicht-Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderung bei Anwendung von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG unbillig ist. Fanden z.B. im Jahr 2011 zwei vom selben Erwerber in Bezug auf dasselbe Grundstück verwirklichte Erwerbsvorgänge statt, wurde nur für den ersten Rechtsvorgang die Grundstücksbewertung (damals noch auf Grundlage von § 8 Abs. 2 a.F. i.V.m. § 138 BewG) durchgeführt, die Grundstücksbewertung und sonstige Veranlagung des zweiten Erwerbsvorgangs jedoch verzögert und dann nach Veröffentlichung des BVerfG-Beschlusses vom 23.6.2015 ausgesetzt, erscheint es unbillig, von der später nach § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG berechneten Bemessungsgrundlage nur die zuvor nach § 138 BewG berechnete Bemessungsgrundlage abzuziehen.

IV. Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden und Übernahme des Gebäudes durch den Sicherungsnehmer im Sicherungsfall Die Sicherungsübereignung solcher Gebäude auf fremdem Boden, die gem. § 95 BGB Scheinbestandteile sind und deshalb dem Mobiliarsachenrecht unterfallen, löst nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer aus2. Während der Verkauf des sicherungsübereigneten Gebäudes entsprechend der Sicherungsabrede auf Rechnung des Schuldners nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG wegen des Erwerbs des Käufers Steuer auslöst, wird, wenn der Sicherungsnehmer das Gebäude in Anrechnung auf die besicherte Forderung selbst übernimmt, in Bezug auf den Erwerb des Gebäudes durch den Sicherungsnehmer der Tatbestand von § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG ausgelöst3. Die nach § 1 Abs. 2 GrEStG anfallende Steuer wird vom Wert der Gegenleistung berechnet, d.h. vom Anrechnungsbetrag. Die anlässlich der (auflösend bedingten) Sicherungsübereignung anfallende Grunderwerbsteuer wird gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 195 BewG nach dem sog. Grundbesitzwert ermittelt, weil die Sicherungsübereignung lediglich der Sicherung einer Forderung dient, der Sicherungsnehmer für die Übereignung des Sicherungseigentums mithin keine Gegenleistung erbringt4. Streitig ist, ob die Abrede, bei Einritt einer Bedingung

1 Vgl. BFH v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 71 mit Hinw. darauf, dass die Bestellung des Erbbaurechts deshalb auch keinen steuerfreien Rückerwerb des Grundstücks i.S.v. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG darstellen kann. 2 Wird die Sicherungsübereignung unter die auflösende Bedingung gestellt, dass das Gebäudeeigentum nach Erfüllung der besicherten Forderungen automatisch an den Sicherungsgeber zurückfällt, wird die Grunderwerbsteuer zwar festgesetzt, jedoch zinslos gestundet; vgl. FinMin. Bayern v. 14.6.1985, StEK GrEStG 1983, § 1 Nr. 20; FinMin. Bad.-Württ. v. 17.11.2003, DStR 2003, 2121; Erlass des Finanzsenators von Berlin v. 14.1.2004, DStR 2004, 275. 3 Vgl. FinMin. Bayern v. 14.6.1985, Ziff. 3, StEK GrEStG 1983, § 1 Nr. 20; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 673. 4 Vgl. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 189; FinMin. Sachs. v. 25.1.1993, UVR 1983, 159.

Behrens

401

1057

§ 1 Rz. 1057 Erwerbsvorgänge das Gebäude an Erfüllungs Statt übernehmen zu können, in Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG eine aufschiebend bedingte Gegenleistung darstellt1. Dafür spricht (allerdings nur vom Ergebnis her), dass dann für beide gem. § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG zu besteuernden Vorgänge die Bemessungsgrundlagen gleich hoch sein sollten. Dagegen spricht jedoch, dass das Sicherungseigentum planmäßig nicht beim Sicherungsnehmer verbleiben, sondern nach Tilgung der besicherten Forderungen an den Sicherungsgeber zurückfallen soll; nicht für das Gebäudeeigentum, sondern für die besicherte Forderung wird vom Sicherungsnehmer bzw. Gläubiger eine Leistung an Erfüllungs Statt angenommen.

1 Gegen die Einordnung einer solchen Abrede als aufschiebend bedingte Gegenleistung Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499, und Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 65; für diese Einordnung Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 189.

402

Behrens

§ 2 Grundstücke (1) Unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen. Jedoch werden nicht zu den Grundstücken gerechnet: 1. Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, 2. Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen, 3. das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins. (2) Den Grundstücken stehen gleich 1. Erbbaurechte, 2. Gebäude auf fremdem Boden, 3. dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und des § 1010 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (3) Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, so werden diese Grundstücke als ein Grundstück behandelt. Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf einen oder mehrere Teile eines Grundstücks, so werden diese Teile als ein Grundstück behandelt. A. I. II. III. IV. B. I.

II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücksdefinition (Abs. 1) Anknüpfung an den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff (Abs. 1 Satz 1) 1. Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts a) Begriff des Grundstücks . . . . . . . . . . b) Bestandteile des Grundstücks . . . . . . c) Keine Bestandteile des Grundstücks . . . 2. Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentliche Gebäudebestandteile . . . . . . Einschränkungen des Grundstücksbegriffs (Abs. 1 Satz 2) 1. Maschinen und Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören (Satz 2 Nr. 1) a) Zweck der Einschränkung . . . . . . . . b) Maschinen und Betriebsvorrichtungen . c) Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . 2. Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen (Satz 2 Nr. 2) a) Zweck der Einschränkung . . . . . . . . b) Mineralgewinnungsrechte . . . . . . . . c) Sonstige Gewerbeberechtigungen . . . . 3. Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins (Satz 2 Nr. 3) . . . . . . . .

1 2 3 5

II. 6 7 12 16 17

III.

18 19 22

41 42 44

D. I. II.

45

C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2) I. Erbbaurechte (Abs. 2 Nr. 1) 1. Begriff und Inhalt des Erbbaurechts . . . . . 46

III.

2. Grunderwerbsteuerrelevante Erbbaurechtsvorgänge a) Bestellung und Übertragung eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlängerung des Erbbaurechts . . . . . c) Heimfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufhebung des Erbbaurechts . . . . . . . e) Erlöschen des Erbbaurechts . . . . . . . f) Übertragung des Erbbaurechts kraft Gesetzes und in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebäude auf fremdem Boden (Abs. 2 Nr. 2) 1. Gebäude als sonderrechtsfähige bewegliche Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertungsbefugnis an einem Gebäude . . Dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte (Abs. 2 Nr. 3) 1. Grundzüge des Sondereigentums a) Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . b) Begründung von Sondereigentumseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung von Sondereigentum . . . . d) Wohnungs- und Teilerbbaurecht . . . . e) Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht . 2. Einräumung von Sondernutzungsrechten . Mehrere Grundstücke, Grundstücksteile als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrere Grundstücke als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3 Satz 1) 1. Ein Rechtsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Einheit von Grundstücken . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrere Grundstücksteile als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . .

Lieber

48 51 53 56 59 61

63 68

70 73 77 79 80 81

83

84 85 88 89

403

§ 2 Rz. 1 Grundstücke Literatur: Behrens/Meyer-Wirges, Erbbaurechte im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2006, 1866; Behrens, Grunderwerbsteuer bei der Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden, UVR 2017, 152; Bruschke, Grunderwerbsteuerliche Behandlung von Erbbaurechten, UVR 2007, 153; Halaczinsky, Grunderwerbsteuerliche Behandlung der Verlängerung eines Erbbaurechts, Besprechung des Urteils des FG Münster vom 10.4.2014, 8 K 3046/11, UVR 2014, 269; Heine, Gebäude auf fremdem Grund und Boden, UVR 2009, 332; Martin, Verwertungsbefugnis an Gebäuden, die nicht Grundstücksbestandteile nach § 95 BGB sind, BB 1983, 1982; Rosmanith, Sondernutzungsrecht bei Erwerb von Sondereigentum nach dem WEG und Grunderwerbsteuergesetz, UVR 1991, 143.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Die Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG beziehen sich auf inländische Grundstücke. § 2 GrEStG definiert den grunderwerbsteuerlichen Grundstücksbegriff. In § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG wird zunächst von dem Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts ausgegangen. § 2 Abs. 1 Satz 2 GrEStG werden bestimmte Teile des Grundstücks aus dem Grundstücksbegriff ausgenommen. In § 2 Abs. 2 GrEStG erfolgt in entgegengesetzter Richtung eine Gleichstellung der Erbbaurechte, der Gebäude auf fremdem Boden sowie dinglich gesicherter Sondernutzungsrechte mit dem Grundstück und somit eine Einbeziehung in den Grundstücksbegriff. § 2 Abs. 3 GrEStG schließlich knüpft an den konkreten Rechtsvorgang an und qualifiziert eine Mehrheit von Grundstücken, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, als „ein Grundstück“ im grunderwerbsteuerlichen Sinne sowie auf der anderen Seite Teilflächen eines Grundstücks als ein Grundstück.

II. Bedeutung und Telos 2

Die Definition des Grundstücks in § 2 ist von zentraler Bedeutung für das Grunderwerbsteuerrecht. Denn nur ein Rechtsvorgang, der sich auf ein inländisches Grundstück bezieht, unterliegt der Grunderwerbsteuer. Mit der gegenständlichen Begrenzung des Grundstücks wird zum anderen die Bemessungsgrundlage i.S.d. §§ 8 und 9 GrEStG bestimmt.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3

Sachlicher Geltungsbereich: Die Bestimmung des Grundstücks gilt für alle Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG, also den Transfer von Eigentum am Grundstück nach § 1 Abs. 1 GrEStG, die Einräumung einer Verwertungsmöglichkeit am Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG sowie die fingierten Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG, durch die die besondere Sachherrschaft über Grundstücke im Eigentum von Gesellschaften erfasst wird.

4

Verhältnis zu anderen Vorschriften: § 2 Abs. 1 GrEStG weist einen engen Bezug zum Grundstücksverständnis des BGB und der Grundbuchordnung auf. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG greift auf die Erbbaurechtsverordnung 1919 zurück und behandelt das Erbbaurecht als eigenständiges Grundstück. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG stellt Gebäude auf fremdem Boden den Grundstücken gleich, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Gebäude um einen Scheinbestandteil des Grundstücks i.S.d. § 95 BGB handelt. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG stellt die dinglich gesicherten Sondernutzungsrechte nach § 15 WEG und § 1010 BGB den Grundstücken gleich. Die Regelung in § 2 Abs. 3 GrEStG, wonach mehrere Grundstücke, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, als ein Grundstück qualifizieren, hat Bedeutung für die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 1 GrEStG. Gleiches gilt für die flächenmäßige Aufteilung gem. § 7 GrEStG. Hier ist ein Grundstück i.S.d. § 7 Abs. 1 bzw. 2 GrEStG die wirtschaftliche Einheit von Grundstücken. Weitere Konsequenzen ergeben sich für die örtliche Zuständigkeit nach § 17 GrEStG.

404

Lieber

B. Grundstücksdefinition (Abs. 1)

Rz. 7 § 2

IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 2 GrEStG 1940. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG wurde ein- 5 gefügt durch Art. 23 des StÄndG 1991 vom 24.6.19911. Die Ergänzung für die dinglich gesicherten Sondernutzungsrechte ist ab dem 28.6.1991 anzuwenden. Durch das StÄndG 20012 wurde § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG angefügt, der das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins aus dem Grundstücksbegriff ausschließt. Die Regelung ist erstmals auf nach dem 31.12.2001 verwirklichte Erwerbsvorgänge anzuwenden (§ 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG). Durch Art. 13 des Wohnungseigentumsmodernisierung vom 16.10.20203 wurde § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG dahingehend geändert, dass die Wörter „im Sinne des § 15 des Wohnungseigentumsgesetz“ durch die Wörter „nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetz“ ersetzt werden. Die Änderung hat keine materiellen Auswirkungen auf die grunderwerbsteuerlich relevanten Sachverhalte.

B. Grundstücksdefinition (Abs. 1) I. Anknüpfung an den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff (Abs. 1 Satz 1) 1. Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts a) Begriff des Grundstücks Für das „Grundstück“ in Abs. 1 Satz 1 wird an den bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff angeknüpft. Allerdings enthält das BGB selbst keine gesetzliche Definition des Grundstücksbegriffs. Nach allgemeiner Auffassung ist Grundstück im Rechtssinn ein räumlich abgegrenzter, katastermäßig vermessener und bezeichneter Teil der Erdoberfläche (auch Gewässer), der im Regelfall im Grundbuch als Grundstück geführt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO). Letzteres gilt dann nicht, wenn es sich um Grundstücke (z.B. des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Kirchen) handelt, die nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten ein Grundbuchblatt erhalten, oder wenn das Grundbuchamt wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 GBO von der Führung eines Grundbuchblatts absieht. In diesen Fällen wird das Grundstück aufgrund seiner Lage bzw. durch seine Begrenzung durch die Grenzen benachbarter Grundstücke bzw. durch seine eigenen natürlichen Grenzen bestimmt (Grundstück im tatsächlichen Sinn). Das Grundstück muss im Inland belegen sein. Nicht relevant ist der Sitz der Gesellschaft, in deren Vermögen sich ein inländisches Grundstück befindet, und auf die sich der Erwerbsvorgang wie z.B. die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG bezieht. Aus der Bezugnahme auf das bürgerliche Recht ergibt sich, dass auch der ideelle Miteigentumsanteil an einem Grundstück (Bruchteilseigentum) als „Grundstück“ gewertet wird. Beim Erwerb von Miteigentum liegen dementsprechend grunderwerbsteuerlich so viele Erwerbsvorgänge vor, wie Miteigentumsanteile erworben werden.

6

b) Bestandteile des Grundstücks Bestandteile sind die körperlich zusammenhängenden Teile einer einheitlichen Sache. Das BGB un- 7 terscheidet zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen. Wesentliche Bestandteile sind nach § 93 BGB solche Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Diese Voraussetzungen liegen dann nicht vor, wenn der eine oder der andere Bestandteil nach seiner Trennung noch in der bisherigen Art, sei es auch erst in Verbindung mit einer neuen Sache, wirtschaftlich genutzt werden kann. Dabei schaden verhältnismäßig geringfügige Wertminderungen infolge der Trennung nicht. Wesentliche Bestandteile können gem. § 93 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Unwesentliche Bestandteile sind nicht zwingend mit dem Eigentumsübergang an einem Grundstück verbunden, sie können von der Übereignung ausgenommen werden. Bezüglich wesentlicher Bestandteile können Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks schuldrechtliche Vereinbarungen treffen. So kann z.B. 1 BGBl. I 1991, 1322. 2 BGBl. I 2001, 3794. 3 BGBl. I 2020, 2187.

Lieber

405

§ 2 Rz. 7 Grundstücke vereinbart werden, dass der Erwerber die Übereignung des Grund und Bodens erst nach Abbruch des Gebäudes verlangen kann. Für die Besteuerung ist maßgebend, in welchem Zustand das Grundstück nach dem schuldrechtlichen Geschäft erworben werden soll.1 8

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 94 Abs. 1 BGB die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Aufstehende Gebäude und Bauwerke sind nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks; dies gilt aber dann nicht, wenn es sich bei dem Gebäude um einen Scheinbestandteil i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt oder die Sonderregelung nach Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB für im Beitrittsgebiet gelegene Gebäude, Baulichkeiten, Anlagen, Anpflanzungen oder Einrichtungen eingreift. Bei Bestehen eines Erbbaurechts sind Gebäude Bestandteile desselben. Wesentliche Bestandteile sind auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), z.B. das aufstehende Holz, die Ernte. Pflanzen werden bereits mit dem Einpflanzen, Samen mit dem Aussäen wesentliche Grundstücksbestandteile (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Soweit Pflanzen nur zu einem vorübergehenden Zwecke eingepflanzt sind (z.B. Pflanzenbestand und Bäume einer Baumschule), sind sie gem. § 95 BGB bloße Scheinbestandteile. Von den Grundstücksbestandteilen zu unterscheiden ist auch das Zubehör (s. hierzu Rz. 14).

9

Als Bestandteile des Grundstücks gelten ferner Rechte, die mit dem Eigentum am Grundstück verbunden sind (§ 96 BGB). Rechte i.S.d. § 96 BGB sind die sog. subjektiv-dinglichen Rechte, die dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks hinsichtlich eines anderen Grundstücks zustehen. Solche Rechte sind insbesondere Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB), Reallasten (§ 1105 Abs. 2 BGB), Überbau- und Notwegrenten (§§ 912 ff. BGB), das Vorkaufsrecht, wenn es zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt ist (§ 1094 Abs. 2 BGB). Auch das Jagdrecht ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Bundesjagdgesetzes als wesentlicher Bestandteil untrennbar mit dem Grundstück verbunden.2 Ist das Recht zur Gewinnung von Bodenbestandteilen eines anderen Grundstücks (z.B. Recht zur Sandausbeute) Inhalt einer Grunddienstbarkeit, gehört es zum Eigentum am herrschenden Grundstück und ist für das dienende Grundstück eine dauernde Last.3

10

Grunderwerbsteuerlich nicht relevant sind solche Vermögenspositionen, die auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das hat der BFH für die miterworbene Vermögensposition „Erbbauzinsanspruch“ (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ErbbauRG) entschieden mit dem Verweis auf den Sinn und Zweck der Grunderwerbsteuer, den Rechtverkehr mit Grundstücken zu erfassen und nicht den Erwerb von Geldleistungsansprüchen.4 Auch der Anspruch auf Brandentschädigung, der nach landesrechtlichen Vorschriften Bestandteil des Grundstücks sein kann und somit kraft Gesetzes auf den Erwerber des Schadensgrundstücks übergeht, unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.5 Gleiches muss für die Überbau- und Notwegerenten (§ 912 Abs. 2, § 917 Abs. 2 BGB) sowie die sonstigen Reallasten (§ 1110 BGB) gelten. Nicht zum Grundstück gehören auch die Milch-Referenzmenge6 und das nicht an eine bestimmte Ackerfläche gebundene Rübenlieferungsrecht.7

11

Das Guthaben aus der Instandhaltungsrücklage nach dem WEG ist eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition. Die Instandhaltungsrücklage dient der wirtschaftlichen Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Sie ist Teil des Verwaltungsvermögens, das gem. § 10 Abs. 7 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehört und über das nicht gesondert verfügt werden kann. Dem Veräußerer einer Eigentumswohnung steht zivilrechtlich kein Anteil am Verwaltungsvermögen zu, den er übertragen kann. Eigentümer des Verwaltungsvermögens ist vielmehr der Verband, an dem der jeweilige Wohnungseigentümer nur über seine Mitgliedschaft beteiligt ist. Die Instandhaltungsrücklage geht mit dem Eintritt des Erwerbers in die Eigentümergemeinschaft über. Wird bei Erwerb der Eigentumswohnung das Guthaben aus der Instandhaltungsrücklage mit abgegolten, so wird hiermit ein Entgelt für einen (ggf. erst zukünftig entstehenden) geldwerten Anspruch auf Bezahlung von Instandhaltungsaufwendungen aus der Instand1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34. BFH v. 16.6.2008 – II B 75/07, BFH/NV 2008, 1878. Vgl. BFH v. 22.6.1966 – II 74/63, BStBl. III 1966, 550; v. 19.11.1968 – II R 16/68, BStBl. II 1969, 90. BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152. Vgl. BFH v. 23.10.1985 – II R 111/83, BStBl. II 1986, 189. Vgl. OFD Nds. v. 31.5.2011 – S 4521-107-St-262, GrESt-Kartei ND 1083 § 9 GrEStG. Vgl. OFD Hannover v. 25.6.1990 – S 4521-115-StH 434, UVR 1990, 380.

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B. Grundstücksdefinition (Abs. 1)

Rz. 12 § 2

haltungsrücklage aufgewendet. Nach früherer Auffassung unterlag der Erwerb eines solchen Anspruchs nicht der Grunderwerbsteuer, weil das Entgelt nicht für den Erwerb des Grundstücks, hier der Eigentumswohnung, gezahlt wird.1 Der BFH hat im Jahr 2016 entschieden: Im Zwangsversteigerungsverfahren ist die Instandhaltungsrücklage nicht gesonderter Gegenstand des Versteigerungsverfahrens und ist insbesondere im Wertgutachten nicht gesondert ausgewiesen. Insofern kam der BFH zu dem Ergebnis, dass beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung das Meistgebot nicht um die anteilige Instandhaltungsrücklage gekürzt werden kann, weil diese nicht Bestandteil des Rechtsträgerwechsels ist.2 Diese Rechtsprechung hat der BFH 2020 für einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung fortgesetzt.3 Die anteilige Instandhaltungsrücklage ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG) und geht bei einem Eigentümerwechsel nicht auf den Erwerber über. Auch wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Teil des Kaufpreises „für die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens“ geleistet wird, und der Instandhaltungsrücklage im Kaufvertrag folglich ein eigenständiger Wert zugemessen wurde, bleibt es dabei, dass der vereinbarte Kaufpreis der Grunderwerbsteuer unterliegt. c) Keine Bestandteile des Grundstücks Keine Bestandteile des Grundstücks sind sog. Scheinbestandteile, d.h. Bauwerke oder andere Sachen, 12 die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in das Gebäude eingefügt sind, und zwar unabhängig von der Festigkeit der Verbindung bzw. Einfügung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Nutzungsdauer der eingefügten Sache die voraussichtliche Vertragsdauer übersteigt und die Sache nach ihrem zu erwartenden Ausbau noch einen Wiederverwendungswert haben wird. In diesen Konstellationen einer Errichtung bzw. Einfügung für eine begrenzte Dauer sind die maßgeblichen Vermögenswerte zivilrechtlich als bewegliche Sachen einzuordnen. Sie sind demnach auch kein Grundstück i.S.d. § 2 Abs. 1 GrEStG. Eine Einfügung zu einem nur vorübergehenden Zweck ist dann gegeben, wenn die spätere Trennung von Anfang an beabsichtigt war oder mit Sicherheit zu erwarten ist.4 Darauf, ob die Trennung nach kürzerer oder erst nach längerer Dauer erfolgt, kommt es nicht an. Ebenfalls nicht entscheidend ist, ob die Verbindung fest oder lösbar ist. Allerdings kann eine nur unter wesentlicher Beschädigung der einen oder anderen Sache zu lösende Verbindung oder auch ein sonstiger Umstand auf die fehlende Absicht späterer Trennung schließen lassen.5 Zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind z.B. Ausstellungshallen für die Dauer einer Messe, Baugerüste und -hütten, Pflanzenbestände einer Baumschule, Gewächs- und Gartenhäuser. Verbindet ein Mieter oder anderer Nutzungsberechtigter Sachen mit dem Grund und Boden oder dem Gebäude, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung wird nicht schon durch massive Bauweise und lange Dauer des Nutzungsvertrags entkräftet.6 Einbauten durch den Mieter bzw. Pächter, die nach Ablauf des Mietvertrags (Pachtvertrags) beseitigt werden müssen, gehen nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers über. Anders ist die rechtliche Wertung, wenn Gebäude oder eingefügte Sachen dazu bestimmt sind, nach Ende des Mietoder Pachtverhältnisses den Zwecken des Vermieters oder Verpächters zu dienen oder dieser die Gebäude bzw. Bestandteile bei Vertragsbeendigung übernimmt. Dann liegt keine Errichtung bzw. Einfügung zu einem nur vorübergehenden Zweck vor.

1 So auch Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 54; Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 13a a.E.; zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung BFH v. 9.10.1991 – II R 91/90, BFH/NV 1992, 264. 2 BFH v. 2.3.2016 – II R 27/14, BStBl. II 2016, 619; FG Sachs. v. 25.6.2014 – 6 K 193/12, DStR 2015, 1103; a.A. FG Berlin-Bdb. v. 26.2.2015 – 15 K 4320/10, EFG 2015, 948 (Rev. Az. BFH: II R 29/15); Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 54. 3 BFH v. 16.9.2020 – II R 49/17, DNotZ 2021, 280; vgl. auch FG Köln v. 17.10.2017 – 5 K 2297/16, EFG 2018, 470. 4 BFH v. 9.4.1997 – II R 95/94, BStBl. II 1997, 452; v. 31.7.1997 – III R 247/94, BFH/NV 1998, 215. 5 BFH v. 18.6.1971 – III R 10/69, BStBl. II 1971, 618; v. 9.8.1966 – I 86/65, BStBl. III 1967, 65. 6 Vgl. BFH v. 14.1.2014 – IX R 54/99, BFH/NV 2014, 1088 m.w.N.

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§ 2 Rz. 13 Grundstücke 13

Keine Grundstücksbestandteile sind solche Bauwerke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese sind Bestandteil des entsprechenden dinglichen Rechts (z.B. Erbbaurecht, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch). Bauwerke, die aufgrund gestatteten oder zu duldenden Überbaus (§ 912 BGB) auf das Nachbargrundstück hinüberreichen, sind zwar, weil in Ausübung eines Rechts errichtet, nicht Bestandteile des Grundstücks, auf dem sie stehen; sie sind jedoch nicht bewegliche Sachen, sondern Bestandteile des Stammgrundstücks.1 Ist Inhalt einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) das Recht, auf dem belasteten Grundstück eine bauliche Anlage zu errichten und zu halten, so ist das Bauwerk ebenfalls Bestandteil des herrschenden Grundstücks.

14

Zum Grundstück im grunderwerbsteuerlichen Sinne gehört auch nicht das Zubehör i.S.v. §§ 97, 98 BGB. Zubehör sind diejenigen beweglichen Sachen, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entscheidend ist grundsätzlich die Verkehrsauffassung (§ 97 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es muss sich um einen Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Sachen mit dem Grundstück handeln, der von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist. Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet keine Zubehöreigenschaft (§ 97 Abs. 2 BGB). Zubehör sind danach z.B. die zum Grundstück gehörenden Treppenläufer, Beleuchtungskörper, Mülltonnen, mitvermietete Einrichtungsgegenstände, Hotelinventar, Gaststätteninventar, Baumaterial und Baugeräte auf einem Baugrundstück, Waschmaschinen, Einbauküchen, Herde, Öfen u.Ä.2 Die Verpflichtung des Grundstücksverkäufers zur Übereignung des Grundstücks erstreckt sich im Zweifel auch auf dessen Zubehör (§ 311c BGB); es kann allerdings eine abweichende Regelung im Kaufvertrag getroffen werden. Wenn sich beim Erwerb eines Grundstücks der Kaufvertrag auch auf das Zubehör erstreckt, unterliegt der Kaufpreisanteil, der auf das Zubehör entfällt, nicht der Grunderwerbsteuer. Das gilt auch für das Zwangsversteigerungsverfahren, bei dem sich der Eigentumsübergang am Grundstück immer auch auf das Zubehör erstreckt (§ 20 Abs. 2 ZVG i.V.m. § 1120 BGB). Der Anteil des Meistgebots, der auf das Zubehör entfällt, scheidet aus der Besteuerung aus, weil er nicht für das Grundstück aufgewendet wird.

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Ebenfalls kein rechtlicher Bestandteil des Grundstücks ist das rechtlich selbständige Gebäudeeigentum nach § 288 Abs. 4, § 292 Abs. 3, § 295 Abs. 2 ZGB. An dieser Rechtslage hat sich durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nichts geändert. Nach Art 231 § 5 Abs. 3 EGBGB erlischt das selbständige Gebäudeeigentum, wenn nach dem 31.12.2000 das Eigentum am Grundstück übertragen wird, es sei denn, das Nutzungsrecht oder das Gebäudeeigentum ist im Grundbuch des veräußerten Grundstücks eingetragen oder dem Erwerber bekannt. Anders als das selbständige Gebäudeeigentum wird das Baulichkeiteneigentum nach dem ZGB als bewegliche Sache behandelt. Nach § 295 Abs. 1 ZGB umfasste das Eigentum am Grundstück den Boden und die mit dem Boden fest verbundenen Gebäude und Anlagen sowie Anpflanzungen. Abweichend davon konnten Wochenendhäuser sowie andere Baulichkeiten, die der Erholung, Freizeitgestaltung oder ähnlichen persönlichen Bedürfnissen dienten („Datschen“) und in Ausübung eines vertraglich vereinbarten Nutzungsrechts errichtet wurden, im Eigentum des Nutzungsberechtigten stehen (§ 296 Abs. 1 Satz 1 ZGB), d.h. losgelöst vom Eigentum am Boden. Gemäß § 312 Abs. 1 ZGB konnten landwirtschaftlich nicht genutzte Bodenflächen den Bürgern der früheren DDR zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung, Erholung und Freizeitgestaltung überlassen werden. Auf der Grundlage von § 312 Abs. 2 ZGB konnte zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden, dass der Nutzungsberechtigte auf der Bodenfläche ein Wochenendhaus oder andere Baulichkeiten errichten durfte, die der Erholung, Freizeitgestaltung oder ähnlichen persönlichen Bedürfnissen dienten. Für das vom Eigentum am Grund und Boden getrennte Eigentum an diesen Baulichkeiten galten die Bestimmungen über das Eigentum an beweglichen Sachen entsprechend (§ 296 Abs. 1 Satz 2 ZGB). Diese Eigenschaft als selbständige bewegliche Sache haben solche Baulichkeiten durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nicht verloren. Das Eigentum an der Baulichkeit geht erst im Fall der Vertragsbeendigung kraft Gesetzes auf den Grundstückseigentümer über. Die Baulichkeit wird dann wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, wenn sie nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden fest verbunden ist (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SchuldRAnpG). 1 So auch Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 10; Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 77. 2 Vgl. auch Abschn. 1 Abs. 4 BewRGr.

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B. Grundstücksdefinition (Abs. 1)

Rz. 17 § 2

2. Gebäude Begriff: Unter „Gebäude“ versteht man Bauwerke, die Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche 16 Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähren, den Aufenthalt von Menschen gestatten, fest mit dem Grund und Boden verbunden sind, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest sind.1 Der Begriff des Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Bauwerk über die Erdoberfläche hinaus ragt. Auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befindliche Bauwerke, z.B. Tiefgaragen, Lagerkeller, können Gebäude sein. Unerheblich ist auch, ob das Bauwerk auf eigenem oder fremden Grund und Boden steht (zum Gebäude auf fremdem Boden s. Rz. 63 ff.). Ein Gebäude ist fest mit dem Grund und Boden verbunden, wenn es auf einem Fundament ruht. Auf Tiefe, Art und Material der Fundamentierung kommt es nicht an.2 Eine feste Verbindung mit dem Boden ist auch dann anzunehmen, wenn das Bauwerk mit dem Fundament nicht verankert ist, sondern nur infolge der eigenen Schwere auf dem Fundament ruht.3 Fertiggaragen mit fabrikmäßig vorgefertigter Bodenplatte sind als Gebäude zu bewerten, wenn sie nur auf dem geglätteten Erdreich aufgestellt werden, denn die Bodenplatte hat die Funktion eines Fundaments.4 Eine Baumarkthalle, die auf einer eigens hergestellten durchgehenden Betonplatte ruht und für deren tragende Betonpfeiler Fundamente mit erheblichen Ausmaßen in die Erde eingelassen worden sind, ist ein Gebäude.5 Allein auf dem Boden aufgesetzten transportablen Wellblechbaracken fehlt jedoch mangels Eigenschwere die erforderliche feste Verbindung.6 Eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden ist auch dann anzunehmen, wenn bei Bauwerken entweder eine auf Dauer angelegte Nutzung (mindestens sechs Jahre) gegeben ist oder aufgrund der Zweckbestimmung eine dauernde Nutzung zu erwarten ist (z.B. Wohn- oder Bürocontainer7). 3. Wesentliche Gebäudebestandteile Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zu seiner Herstellung eingefügten 17 Sachen (§ 94 Abs. 2 BGB). Zur Herstellung eingefügt heißt, dass durch den eingefügten Gegenstand das Gebäude zu dem wird, was es darstellen soll. Danach gehört zu den wesentlichen Bestandteilen i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB nicht nur, was zur Herstellung eines Gebäudes notwendig ist (z.B. Mauern, Ziegel, Wände, Türen, Fenster), sondern auch, was dem betreffenden Gebäude ein bestimmtes Gepräge, eine besondere Eigenart gibt.8 Zur Herstellung eines Gebäudes eingefügt sind danach in erster Linie die Baumaterialien. Für Gegenstände, die der Ausstattung oder Einrichtung eines Bauwerks dienen, gilt dies nur, wenn nach der Verkehrsanschauung erst deren Einfügung dem Gebäude ein bestimmtes Gepräge gibt oder wenn die dem Baukörper besonders angepasst sind und deswegen mit ihm eine Einheit bilden.9 Die Beurteilung nach der Verkehrsanschauung erfolgt nach dem Wesen, dem Zweck und der Beschaffenheit des konkreten Gebäudes.10 Beispiele für wesentliche Bestandteile sind: Türen, Fenster, Treppen, fest eingebaute Badeeinrichtungen, Wandverkleidungen, Bodenbeläge, Kachelöfen, Zentralheizungsanlagen, Heizkessel, Warmwasser- und Brennstoffversorgungsanlagen, Aufzüge. Auch fest eingebaute, nicht ohne Beschädigung herausnehmbare Möbel sind als wesentliche Bestandteile zu qualifizieren.11 Einbauküchen werden aber nur dann zu wesentlichen Bestandteilen, wenn sie durch Einpassen in die für sie bestimmte Stelle mit den sie umschließenden Gebäudeteilen (Seitenwände und Rückenwand) vereinigt werden.12 Handelt es sich nur um serienmäßige Anbaumöbel (z.B. Baukastensysteme), die jederzeit woanders verwendet werden können, stellen sie lediglich Zu-

1 Vgl. BFH v. 28.5.2003 – II R 41/01, BStBl. II 2003, 693; v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812; v. 26.10.2011 – II R 27/10, BStBl. II 2012, 274 = FR 2012, 373. 2 BFH v. 10.6.1988 – III R 65/84, BStBl. II 1998, 847 = FR 1988, 563. 3 BFH v. 18.6.1986 – II R 222/83, BStBl. II 1986, 787. 4 BFH v. 4.10.1978 – II R 15/77, BStBl. II 1979, 190. 5 BFH v. 21.11.1996 – III B 164/94, DStRE 1997, 683. 6 Vgl. BFH v. 26.10.2011 – II R 27/10, BStBl. II 2012, 274 = FR 2012, 373. 7 Vgl. BFH v. 23.9.1988 – III R 67/85, BStBl. II 1989, 113 = FR 1989, 212. 8 BFH v. 16.6.1977 – III R 76/75, BStBl. II 1977, 590. 9 BFH v. 31.7.1997 – III R 247/94, BFH/NV 1998, 215. 10 BFH v. 16.6.1977 – III R 76/75, BStBl. II 1977, 590. 11 BFH v. 8.5.1953 – III 23/53 S, BStBl. III 1953, 192. 12 BFH v. 1.12.1970 – VI R 358/69, BStBl. II 1971, 162; v. 29.10.1976 – VI R 127/73, BStBl. II 1977, 152.

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§ 2 Rz. 17 Grundstücke behör dar. Versorgungsleitungen für Strom, Wasser, Heizung sind nur insoweit Bestandteile eines Gebäudes, als sie in das Gebäude eingefügt sind

II. Einschränkungen des Grundstücksbegriffs (Abs. 1 Satz 2) 1. Maschinen und Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören (Satz 2 Nr. 1) a) Zweck der Einschränkung 18

Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, werden aus den Grundstücksbestandteilen herausgenommen. Damit soll sichergestellt werden, dass nur der Grundbesitz, nicht aber Betriebsvorrichtungen mit Grunderwerbsteuer belastet werden. Gewerbliches und landwirtschaftliches Produktionsvermögen soll nicht mit einer zusätzlichen Steuer belastet werden, wenn es den Eigentümer wechselt.1 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG bezieht sich nur auf diejenigen Betriebsvorrichtungen, die wesentliche Bestandteile entweder des Grundstücks unmittelbar oder eines Gebäudes als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sind (§ 94 BGB). Denn nur diese können nach bürgerlichem Recht nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein. Betriebsvorrichtungen, die Zubehör des Grundstücks sind (§§ 97, 98 BGB), fallen schon aus dem Grundstücksbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG heraus. b) Maschinen und Betriebsvorrichtungen

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Die Formulierung „Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören“ entspricht der Regelung in § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG; nur der Klammerzusatz „Betriebsvorrichtungen“ fehlt in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG. Die Übereinstimmung geht auf das Grunderwerbsteuergesetz 1940 zurück.2 Insofern orientiert sich die Abgrenzung von Betriebsvorrichtungen zu dem Grundstück an der Rechtsprechung zu § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG. Die Herausnahme der Betriebsvorrichtungen und Maschinen aus dem grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff gilt – anders als im Bewertungsgesetz – auch für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke.3

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Die Entscheidung der Frage, ob die einzelnen Teile von Gebäuden Betriebsvorrichtungen sind, hängt davon ab, ob sie der Benutzung von Gebäuden ohne den gegenwärtig ausgeübten Betrieb dienen oder ob sie in einer besonderen Beziehung zu diesem Betrieb stehen. Als Betriebsvorrichtungen können dabei nur solche Vorrichtungen angesehen werden, mit denen das Gewerbe unmittelbar betrieben wird.4 Zwischen der Vorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein besonders enger Zusammenhang bestehen, wie er bei einer Maschine üblicherweise gegeben ist. Gebäude als Ganzes und Außenanlagen sind keine Betriebsvorrichtungen; diese Begriffe schließen sich gegenseitig aus.5 Bauten im Inneren von größeren Werkhallen (Meisterbüros, Materiallager, Schalträume etc.) sind im Regelfall zum Gebäude zu rechnen, weil der insgesamt vorhandene Gebäuderaum durch die Einbauten lediglich unterteilt wird. Bei Einbauten wie z.B. Transformatorenräumen ist zu prüfen, ob ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt von Menschen möglich ist. Ist ein solcher Aufenthalt ausgeschlossen oder auch mit Schutzkleidung nur kurzfristig möglich (z.B. für Inspektionsgänge), sind solche Einbauten Betriebsvorrichtungen.6

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Zur Abgrenzung Betriebsvorrichtungen/Gebäude bzw. Grundstück kann auf die gleichlautenden Ländererlasse zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 5.6.20137 zurückgegriffen werden, die eine Reihe von Einzelfällen zusammenstellen.

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Vgl. BFH v. 1.2.1989 – II R 240/85, BStBl. II 1989, 518. Vgl. amtliche Gesetzesbegründung unter II. § 2, RStBl. 1940, 387 ff. Vgl. BFH v. 20.2.1991 – II R 61/88, BStBl. II 1991, 531. Vgl. BFH v. 10.10.1990 – II R 171/87, BStBl. II 1991, 59; v. 7.3.2002 – III R 13/99, BStBl. II 2002, 433 = FR 2002, 746. 5 Vgl. BFH v. 15.6.2005 – II R 67/04, BStBl. II 2005, 688. 6 Vgl. BFH v. 24.1.1952 – III 110/50 S, BStBl. III 1952, 84; v. 24.5.2007 – II R 68/05, BStBl. II 2008, 12. 7 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 5.6.2013 – S 3130, BStBl. I 2013, 734.

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B. Grundstücksdefinition (Abs. 1)

Rz. 31 § 2

c) Einzelfälle aus der Rechtsprechung Arbeitsbühnen, Bedienungsbühnen und Galerien aller Art, die ausschließlich zur Bedienung und Wartung der Maschinen, Apparate etc. bestimmt und geeignet sind, sind Betriebsvorrichtungen. Ihre Abgrenzung gegenüber den Geschossdecken ist nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen.1

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Personenaufzüge dienen überwiegend der Benutzung des Gebäudes. Sie sind in mehrgeschossigen Gebäuden zur raschen und sicheren Abwicklung des Personenverkehrs allgemein üblich.2 Auch Rolltreppen und Rollsteige, die zur Bewältigung des Publikumsverkehrs dienen, sind dem Gebäude zuzurechnen.3 Dagegen sind Lastenaufzüge in gewerblich genutzten Gebäuden, die unmittelbar dem Betriebsvorgang dienen, Betriebsvorrichtungen.4

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Fahrstuhlschächte, die innerhalb eines Gebäudes liegen, haben regelmäßig auch konstruktive Funktionen (Aufnahme der Eigen- und Nutzlasten angrenzender Geschossdecken); sie gehören daher zum Gebäude. Autoaufzüge in Parkhäusern sind Betriebsvorrichtungen. Mehrfachparkanlagen zählen dagegen zum Gebäude.5 Auch Anlagen für den Transport von Rohstoffen oder Gegenständen der Fertigung (z.B. Förderbänder) sind den Betriebsvorrichtungen zuzurechnen.

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Beleuchtungsanlagen gehören grundsätzlich zum Gebäude.6 Spezialbeleuchtungsanlagen, die nicht zur Gebäudebeleuchtung erforderlich sind, z.B. für Schaufenster, sind Betriebsvorrichtungen. Das Gleiche gilt für Kraftstromanlagen, die ganz oder überwiegend einem Betriebsvorgang dienen.

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Sammelheizungsanlagen, Be- und Entlüftungsanlagen, Klimaanlagen, Warmwasseranlagen, Be- und 26 Entwässerungsanlagen sowie Müllschluckanlagen sind regelmäßig Teile des Gebäudes.7 Sie rechnen aber dann zu den Betriebsvorrichtungen, wenn sie ganz oder überwiegend einem Betriebsvorgang dienen, z.B. Klimaanlagen in Chemiefaserfabriken, Tabakfabriken und Reinräumen. Bäder, die der Körperpflege dienen, zählen zum Gebäude.8 Dagegen sind Bäder, die Heilzwecken (z.B. 27 in Kur- und Krankenhäusern) oder mit denen das Gewerbe betrieben wird (z.B. in Badeanstalten) Betriebsvorrichtungen. Schwimmbecken in Hotels sind unselbständige Gebäudeteile und nicht Betriebsvorrichtungen.9 Autowaschanlagen sind regelmäßig Gebäude, soweit in ihnen ein Aufenthalt von Menschen möglich ist.10

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Lagerhallen sind regelmäßig Gebäude. Wenn in vollautomatisierten Hochregallagern während des Betriebsablaufs der Aufenthalt von Menschen nicht möglich ist, sind sie Betriebsvorrichtungen.11

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Nicht zum Gebäude rechnen Kühleinrichtungen, Absaugvorrichtungen, Bewetterungsanlagen, Entstaubungsanlagen und dergleichen. Stahltüren, Stahlkammern und Stahlfächer von Tresoranlagen sind ebenso wie die dazugehörigen Alarmanlagen Betriebsvorrichtungen.

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Sprinkleranlagen sind regelmäßig Gebäudebestandteile, da sie der Gebäudenutzung dienen. Sie kön- 31 nen als Betriebsvorrichtungen qualifiziert werden, wenn mit ihnen – ähnlich wie bei Maschinen – das Gewerbe unmittelbar betrieben wird.12 Das ist z.B. der Fall, wenn vom Produktionsvorgang eine unmittelbare Brandgefahr ausgeht (Funkenflug) oder hochexplosive und leicht entzündbare Produkte (Feuerwerkskörper) produziert und gelagert werden. Sprinklerköpfe, die an Maschinen oder sons-

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BFH v. 12.2.1982 – III R 127/78, BStBl. II 1982, 448. RFH v. 26.11.1936 – III A 160/36, RStBl. 1936, 1253; v. 21.10.1937 – III A 261/37, RStBl. 1938, 275. BFH v. 5.3.1971 – III R 90/69, BStBl. II 1971, 455. BFH v. 7.10.1977 – III R 48/76, BStBl. II 1978, 186; v. 28.2.2013 – III R 35/12, BStBl. II 2013, 606. FG Hess. v. 14.2.2006 – 12 K 4807/01, EFG 2006, 1656. BFH v. 8.10.1987 – IV R 56/85, BStBl. II 1988, 440 = FR 1988, 77. BFH v. 7.3.1974 – VIII R 30/71, BStBl. II 1974, 429; v. 20.3.1975 – IV R 16/72, BStBl. II 1975, 689, v. 29.10.1976 – III R 131/74, BStBl. II 1977, 143; v. 7.9.2000 – III R 48/97, BStBl. II 2001, 253 = FR 2001, 551. BFH v. 12.8.1982 – III R 118/79, BStBl. II 1982, 782. BFH v. 11.12.1991 – II R 14/89, BStBl. II 1992, 278. BFH v. 14.11.1975 – III R 150/74, BStBl. II 1976, 198. BFH v. 18.3.1987 – II R 222/84, BStBl. II 1987, 551. BFH v. 13.12.2001 – III R 21/98, BStBl. II 2002, 310.

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§ 2 Rz. 31 Grundstücke tigen Produktionseinrichtungen angebracht sind, können auch dann Betriebsvorrichtung sein, wenn die Sprinkleranlage als solche Gebäudebestandteil ist. 32

Schallschutzvorrichtungen an Decken und Wänden sind regelmäßig Bestandteile des Gebäudes.1 Nur in den Fällen, in denen von dem in dem Gebäude ausgeübten Gewerbebetrieb ein so starker Lärm ausgeht, dass ohne entsprechende Schutzvorkehrungen der Betriebsablauf selbst in Frage gestellt wäre, sind Schallschutzvorrichtungen ausnahmsweise Betriebsvorrichtungen.2

33

Öl- und Benzintanks in Mineralölraffinerien und Tankstellen sind Betriebsvorrichtungen, nicht aber in Bauwerken zur Lagerung von Öl für Sammelheizungen oder Warmwasseraufbereitungsanlagen. Das Tankwärterhaus einer Tankstelle sowie die Tankstellenüberdachung sind Gebäude.3

34

Solaranlagen sind regelmäßig wesentliche Gebäudebestandteile. Photovoltaikanlagen sind Gebäudebestandteile, soweit sie allein der Energieversorgung zum Eigenbedarf dienen. Dienen sie dagegen ausschließlich der Energieerzeugung und Einspeisung in öffentliche Energienetze, sind sie Betriebsvorrichtungen, soweit die Anlage nicht ausnahmsweise – als Ersatz für eine Dacheindeckung – Gebäudebestandteil ist.4 Windkraftanlagen sind Betriebsvorrichtungen.

35

Einfriedungen stehen grundsätzlich in keiner besonderen Beziehung zu einem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie gehören deshalb als Außenanlagen zum Grundstück. Das Gleiche gilt für Bodenbefestigungen (Straße, Wege, Plätze). Sie sind im Allgemeinen zu besseren Befahrbarkeit des Bodens geschaffen und haben keine besondere Beziehung zu einem auf dem Grundstück ausgeübten Betrieb. Schutzgitter innerhalb des Umspannwerks eines Elektrizitätsunternehmens sowie Platzbefestigungen, die der Wartung der Anlage und nicht zugleich dem sonstigen Verkehr innerhalb eines Werks dienen (Schalterstraßen, Trafostraßen, Umkehrplatz) sind dagegen Betriebsvorrichtungen.5 Teststrecken der Automobilwerke sind ebenfalls Betriebsvorrichtungen.6 Bodenbefestigungen der Tankstellenbetriebe sind wie die Einfriedungen, die in diesen Fällen üblich sind, wegen ihrer besonderen betrieblichen Ausgestaltung und Zweckbestimmung als Betriebsvorrichtungen anzusehen.7 Freistehende Rampen zählen regelmäßig zu den Außenanlagen, da mit ihnen das Gewerbe nicht unmittelbar betrieben wird.

36

Beleuchtungsanlagen auf Straßen und Plätzen eines gewerblich genutzten Grundstücks stehen im Allgemeinen in keiner besonderen Beziehung zum Betrieb. Nur dann, wenn diese Anlagen überwiegend einem Betriebsvorgang dienen (z.B. Ausleuchtung eines Lagerplatzes für Zwecke der Materiallagerung oder Ausleuchtung von Container-Terminals), sind sie den Betriebsvorrichtungen zuzurechnen.

37

Gleise, Kräne und sonstige mechanische Verladeeinrichtungen sind Betriebsvorrichtungen. Das Gleiche gilt für den Oberbau (Schienen, Schwellen und Bettung) und den Unterbau (Aufschüttungen und Befestigungen der Dämme und dergleichen) von Schienenbahnen.

38

Brücken, die nur dem üblichen Verkehr auf dem Grundstück dienen, stehen in keiner besonderen Beziehung zu einem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb. Aus dem Umstand allein, dass eine Brücke zwei Betriebsteile miteinander verbindet, kann keine besondere Beziehung der Brücke zu einem Gewerbebetrieb hergeleitet werden.

39

Bei den Uferbefestigungen der Hafengrundstücke ist zu unterscheiden zwischen Kaimauern und anderen Uferbefestigungen. Kaimauern sind Uferbefestigungen, die hauptsächlich dem Hafenbetrieb dienen (Beladung und Entladung von Schiffen). Sie sind Betriebsvorrichtungen. Die anderen Uferbefestigungen (Böschungen, Ufereinfassungen), die ausschließlich zur Stützung des Erdreichs und zur Erhaltung des Hafenbeckens bestimmt sind, gehören dagegen als Außenanlagen zum Grundstück, auch wenn sie in der Form von Ufermauern aus Stein oder Stahlbeton errichtet sind.8 1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 11.12.1987 – III R 191/85, BStBl. II 1988, 300. BFH v. 23.3.1990 – III R 63/87, BStBl. II 1990, 751. BFH v. 30.11.1955 – II 41/55, BStBl. III 1956, 21. Vgl. FinMin. Bay. v. 3.4.2008, HEB 2013 § 9 GrEStG Rz. 40 ff.; LFD Erfurt v. 14.4.2008, NWB 2008, 2108. BFH v. 2.6.1971 – III R 18/70, BStBl. II 1971, 673. BFH v. 19.2.1974 – VIII R 20/73, BStBl. II 1975, 20. BFH v. 23.2.1962 – III 222/58 U, BStBl. III 1962, 179. BFH v. 14.2.1969 – III 60/65, BStBl. II 1969, 394.

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B. Grundstücksdefinition (Abs. 1)

Rz. 43 § 2

In der Land- und Forstwirtschaft werden Gewächshäuser i.d.R. als Gebäude qualifiziert.1 Drainageanlagen zur Entwässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen sind Betriebsvorrichtungen, wenn sie aus einen Rohrsystem bestehen. Ein System von Erdgräben für Drainage wird demgegenüber nicht als Betriebsvorrichtung gewertet.2 Rebstöcke im Weinbau sind ebenfalls keine Betriebsvorrichtungen.3

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2. Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen (Satz 2 Nr. 2) a) Zweck der Einschränkung Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen gehören nicht zu den Grundstücken. 41 Grundstücksgleiche Rechte sind schon nach der Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG kein für die Grunderwerbsteuer relevanter Grundbesitz. Der Rechtsverkehrssteuer soll nur der Übergang von Grundstücken unterfallen. Lediglich die Erbbaurechte sind in § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleichgestellt. Insofern unterliegen Gewerbeberechtigungen, die grundstücksgleiche Rechte sind, grundsätzlich nicht der Grunderwerbsteuer. Die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG bezweckt, auch die Gewerbeberechtigungen aus dem Grundstücksbegriff herauszunehmen, die Grundstücksbestandteile i.S.d. § 96 BGB sind und damit zum Grundstück gehören. Insofern ist der Anwendungsbereich von Satz 2 Nr. 2 auf die Gewerbeberechtigungen beschränkt, die als subjektiv-dingliche Rechte i.S.d. § 96 BGB Bestandteile des Grundstücks sind.4 b) Mineralgewinnungsrechte Mineralvorkommen sind chemisch und physikalisch einheitliche Bestandteile der Erdkruste (natürli- 42 che Ablagerungen anorganischer Stoffe aller Aggregatszustände). Hierzu zählen z.B. Metalle, Edelsteine, Halbedelsteine und andere Steine wie z.B. Marmor, Salze, Quarze, Erz, Steinkohle, Mineralöl, Schwefel und Schwefelverbindungen. Nicht dazu gehören Erde, Kies und Sand als unmittelbarer Bestandteil der Grundstückssubstanz. Das Mineralgewinnungsrecht (Bergbauberechtigung) ist eine besondere Form der Gewerbeberech- 43 tigung. Grundsätzlich ist der Eigentümer eines Grundstücks zum Abbau von Grundstückssubstanz (z.B. Sand, Kies, Kalkstein) berechtigt. Bezüglich bestimmter Mineralien bzw. Bodenschätze ist das Ausbeuterecht des Grundstückseigentümers durch das Bergrecht eingeschränkt. Mineralgewinnungsrechte sind im Bundesberggesetz vom 13.8.19805 geregelt. Bodenschätze sind mit Ausnahme von Wasser alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde, auf dem Meeresgrund, im Meeresuntergrund oder im Meerwasser vorkommen.6 Eigentumsrechtlich ist zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen zu unterscheiden. Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundstückseigentümers und sind damit Bestandteil des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BBergG); auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück hingegen nicht (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG). § 3 Abs. 3 und 4 BBergG enthalten Auflistungen grundeigener und bergfreier Bodenschätze. Bergfreie Bodenschätze sind insbesondere Metalle wie Gold, Silber, Platin, Aluminium, Blei, Eisen, Mangan, Nickel, Zinn, Zink und die seltenen Metalle einschließlich der Lanthaniden und Aktiniden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BBergG), Halbmetalle und Nichtmetalle (insbesondere Phosphor und Schwefel), bestimmte Erze, Kohlenwasserstoffe, Graphit, Stein- und Braunkohle, Stein-, Kali-, Magnesiumund Bohrsalze sowie Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b BBergG). Die Gewinnung bergfreier Bodenschätze bedarf der Bewilligung durch schriftlichen Verwaltungsakt (§ 16 BBergG) oder der Verleihung des Bergwerkseigentums (§ 9 Abs. 1 BBergG). Das Bergwerkseigentum kann nicht mit dem Eigentum an einem Grundstück vereinigt oder einem Grundstück zugeschrieben werden (§ 9 Abs. 2 BBergG). 1 2 3 4 5 6

BFH v. 25.3.1977 – III R 5/75, BStBl. II 1977, 594; v. 21.1.1988 – IV R 116/86, BStBl. II 1988, 628. BFH v. 20.2.1991 – II R 61/88, BStBl. II 1991, 531. BFH v. 1.2.1989 – II R 240/85, BStBl. II 1989, 518. Vgl. auch BFH v. 21.7.2005 – II B 79/04, BFH/NV 2005, 2053 m.w.N. BGBl. I 1980, 1310. Vgl. § 3 Abs. 1 BBergG v. 13.8.1980, BGBl. I 1980, 1314.

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§ 2 Rz. 44 Grundstücke c) Sonstige Gewerbeberechtigungen 44

Für den Ausschluss der sonstigen Gewerbeberechtigungen sind nur diejenigen relevant, die als subjektiv-dingliche Rechte i.S.d. § 96 BGB Bestandteile des Grundstücks sind.1 Ist das Recht zur Gewinnung von Bodenbestandteilen eines anderen Grundstücks (z.B. Recht zur Sandausbeute) Inhalt einer Grunddienstbarkeit, gehört es zum Eigentum am herrschenden Grundstück. Ferner kommen in Betracht das nach Landesrecht fortbestehende Bergwerkseigentum (Art. 67 EGBGB, § 149 BBergG), die Rechte auf Abbau nichtbergrechtlicher Mineralien nach Maßgabe des Landesrechts (Art. 68 EGBGB), die als selbständige Gerechtigkeiten bestellten Kohlenabbaugerechtigkeiten und Salzabbaugerechtigkeiten in Niedersachsen sowie entsprechende Rechte nach dem jeweiligen Landesrecht (Art. 68 EGBGB), die Bahneinheiten (Art. 112 EGBGB), die Realgewerbeberechtigungen nach Landesrecht (Art. 74 EGBGB), die jagd-, fischerei- und wasserrechtlichen Gerechtigkeiten (Art. 69 EGBGB). 3. Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins (Satz 2 Nr. 3)

45

Für Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2001 stattfinden, wird das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins aus den Grundstücksbestandteilen herausgenommen.2 Dahinter steht die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 ErbbauRG, wonach der Anspruch auf den Erbbauzins wesentlicher Bestandteil des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ist, soweit es sich um noch nicht fällige Leistungen handelt. Der BFH hatte mit Urteil vom 30.1.19913 entschieden, dass die Grunderwerbsteuer nur den Rechtsverkehr mit Grundstücken erfasst, nicht aber die miterworbene Vermögensposition „Erbbauzinsanspruch“. Mit der Einfügung von Satz 2 Nr. 3 sowie Aufhebung von § 1 Abs. 7 durch das StÄndG 2001 vom 20.12.2001 hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung Rechnung getragen.

C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2) I. Erbbaurechte (Abs. 2 Nr. 1) 1. Begriff und Inhalt des Erbbaurechts 46

Grundstücksgleiches Recht: Ein Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG; § 1012 BGB). Nicht nur das von dem Berechtigten errichtete Bauwerk wird zum wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts, sondern auch ein bei der Bestellung des Erbbaurechts bereits vorhandenes Bauwerk, sofern es gem. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB zuvor schon Bestandteil des Grundstücks war (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG). Ein Erbbaurecht kann entgeltlich oder unentgeltlich bestellt werden. Für die entgeltliche Bestellung kann als Gegenleistung eine einmalige Zahlung oder auch die Verpflichtung zu laufenden Zahlungen (Erbbauzins) oder die Leistung eines anderen Gegenstandes (z.B. Grundschulden oder Rentenschulden) vereinbart werden. Die Entstehung (Bestellung) sowie die Übertragung des Erbbaurechts erfolgt durch Verpflichtungsgeschäft und Eintragung im Grundbuch. Das Erbbaurecht ist bürgerlich-rechtlich ein grundstücksgleiches Recht, da die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften sowie die Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum gem. § 11 Abs. 1 ErbbauRG entsprechende Anwendung finden. Das Erbbaurecht kann somit wie ein Grundstück belastet werden, auch mit einem Untererbbaurecht. Erbbauberechtigter kann auch der Eigentümer des belasteten Grundstücks sein („Eigentümererbbaurecht“).

47

Besondere Formen: Das Gesamterbbaurecht ist als Belastung mehrerer Grundstücke (auch verschiedener Eigentümer) mit einem einheitlichen Erbbaurecht zulässig. Es ermöglicht einheitliche Gebäude auf mehreren Grundstücken. Der wesentliche Inhalt (z.B. Laufzeit; nicht aber Erbbauzins) muss für alle Grundstücke gleich sein.

1 Vgl. BFH v. 15.9.1971 – II 42/65, BStBl. II 1972, 190. 2 Zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG. 3 BFH v. 30.1.1991 – II R 89/87 – BStBl. II 1991, 271.

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C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2)

Rz. 52 § 2

2. Grunderwerbsteuerrelevante Erbbaurechtsvorgänge a) Bestellung und Übertragung eines Erbbaurechts Die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts ist grundsätzlich grunderwerbsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.1 Gleiches gilt für die Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts, d.h. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts begründet, unterfällt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.2 Die auf die Bestellung eines Erbbaurechts oder auf die Übertragung eines Erbbaurechts gerichtete Einigung unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, wenn der Einigung kein Rechtsgeschäft, das einen entsprechenden Anspruch begründet, vorausgegangen ist. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der Wert der für die Bestellung oder Übertragung des Erbbaurechts vereinbarten Gegenleistung. Dazu gehören der nach § 13 BewG kapitalisierte Wert der Erbbauzinsverpflichtung zzgl. der vereinbarten Zuzahlung oder sonstiger Leistungen. Die Verpflichtung zur Gebäudeherstellung ist regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts.3 Was für das Erbbaurecht selbst zutrifft, gilt in gleicher Weise für die Bestellung oder Übertragung eines Untererbbaurechts.4

48

Auch die Tatbestände der sog. Zwischengeschäfte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG können für Erbbaurechte wie für Grundstücke erfüllt werden, d.h. Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Abtretung des Anspruchs auf Bestellung eines Erbbaurechts oder Übertragung begründen bzw. die Abtretung dieses Anspruchs unterliegen der Grunderwerbsteuer.5

49

Bei der Planung eines Gesamterbbaurechts an mehreren Grundstücken, die im Eigentum verschiede- 50 ner Personen stehen, kann jeder der Eigentümer sich zur Bestellung des Gesamterbbaurechts verpflichten. Der bzw. die jeweils anderen Eigentümer müssen sich mit der Begründung des Gesamterbbaurechts an ihrem jeweiligen Grundstück einverstanden erklären und sich ebenfalls verpflichten. Damit wird nicht etwa ein gesamter Erwerbsvorgang begründet, sondern so viele Erwerbsvorgänge wie Grundstückseigentümer an der Bestellung mitwirken.6 Denn die Bestellung des Gesamterbbaurechts beruht auf mehreren gesonderten schuldrechtlichen Verträgen, auch wenn sich die verschiedenen Eigentümer in einer Vertragsurkunde zur Bestellung des Gesamterbbaurechts verpflichten. Wird das bereits bestehende Gesamterbbaurecht übertragen, liegt nur ein Erwerbsvorgang vor. b) Verlängerung des Erbbaurechts Erbbaurechte werden für eine bestimmte Zeitdauer bestellt und erlöschen regelmäßig durch Zeitablauf (§ 27 Abs. 1 ErbbauRG). Sie können durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung verlängert werden. Die Verlängerung wird als eine neue grundstücksgleiche Belastung des Grundstücks gewertet (§ 27 Abs. 3 ErbbauRG). Daraus folgt, dass die Begründung eines Anspruchs auf Verlängerung des Erbbaurechts als solcher ebenfalls der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt.7 Die Vereinbarung erfolgt zwischen dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und dem Eigentümer des Erbbaurechts zum Zeitpunkt der Verlängerung. Auf die ursprünglichen Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Bestellung des Erbbaurechts kommt es nicht an. Die Grunderwerbsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts abgeschlossen wird (§ 38 AO).

51

Auch bei der Verlängerung ist Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer der Wert der Gegenleistung, der sich aus dem kapitalisierten Wert der Erbbauzinsverpflichtung für die Laufzeit der Verlängerung sowie der vereinbarten Zuzahlung und sonstiger Leistungen ermittelt. Für die Ermittlung des Kapitalwerts ist auf den Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung abzustellen. Das bedeutet, dass der Kapitalwert der Erbbauzinsen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung gem.

52

1 Vgl. BFH v. 28.11.1967 – II R 37/66, BStBl. II 1968, 223; v. 21.12.1977 – II R 47/73, BStBl. II 1978, 318; v. 9.8.1978 – II R 164/73, BStBl. II 1978, 678; v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 72. 2 Vgl. BFH v. 14.11.2007 – II R 64/06, BStBl. II 2008, 486. 3 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199. 4 Vgl. BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135. 5 Vgl. BFH v. 28.11.1967 – II 1/64, BStBl. II 1968, 222. 6 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 53/10, BStBl. II 2013, 755 = AO-StB 2013, 266; a.A. Pahlke6, § 2 GrEStG Rz. 66. 7 BFH v. 18.8.1993 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766.

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§ 2 Rz. 52 Grundstücke § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen ist.1 Für die Verlängerung eines Erbbaurechts vor Vertragsablauf vertreten die Finanzverwaltung2 und das FG Münster3 die Auffassung, dass der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs von dem Zeitpunkt des Zahlungsbeginns auf den Zeitpunkt der Besteuerung nicht abzuzinsen sei. Begründet wird die Sichtweise damit, dass sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Erbbauberechtigte ihre Leistungspflicht erst in der Zukunft erfüllen müssen, so dass der Grundstückseigentümer nicht vorleistungspflichtig ist. c) Heimfall 53

Zum Inhalt eines Erbbaurechts kann nach § 2 Nr. 4 ErbbauRG auch die Verpflichtung des Erbbauberechtigten gehören, das Erbbaurecht unter bestimmten Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen (Heimfall). Dieser Heimfallanspruch ist nicht übertragbar. Der Grundstückseigentümer kann jedoch verlangen, dass das Erbbaurecht auf einen von ihm bezeichneten Dritten übertragen wird (§ 3 ErbbauRG). Weder der Eintritt der Voraussetzungen für den Heimfall noch das Heimfallverlangen des Grundstückseigentümers erfüllt die Voraussetzungen eines zweiseitigen Verpflichtungsgeschäfts für den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Erst die dingliche Einigung über die Übertragung des Erbbaurechts führt zur Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.4

54

Wird der Heimfallanspruch in der Weise geltend gemacht, dass der Eigentümer des Grundstücks die Übertragung des Erbbaurechts auf einem von ihm benannten Dritten verlangt, handelt es sich eine (weitere) erstmalige Bestellung des Erbbaurechts. Die Steuerpflicht ergibt sich dann aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Bemessungsgrundlage ist das zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Dritten vereinbarte Entgelt, insbesondere der kapitalisierte Erbbauzins. Es kommt nicht zu einem steuerbaren Zwischenerwerb des Grundstückseigentümers. Der BFH hat eine Verwertungsbefugnis des Grundstückseigentümers i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG diskutiert, diese aber im Ergebnis abgelehnt, weil der Grundstückseigentümer im Zusammenhang mit der Auswechselung des Erbbauberechtigten keine wirtschaftlichen Vorteile erlangt.5

55

Es kann auch zu einem Heimfall kommen, weil der Erbbauberechtigte eine Hauptleistungspflicht aus dem Vertrag nicht erfüllt, insbesondere die Zahlung der Erbbauzinsen. Nach § 9 Abs. 4 ErbbauRG kann Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten den Heimfallanspruch nur dann begründen, wenn der Erbbauberechtigte mit dem Erbbauzins mindestens in Höhe zweier Jahresbeträge im Rückstand ist. Im Hinblick auf die Zweijahresfrist des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG scheidet eine Rückgängigmachung schon unter diesem Aspekt aus. Auch ist die Übertragung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer in Ausübung des Heimfallanspruchs im Grunde keine Rückgängigmachung der Bestellung des Erbbaurechts.6 Der BFH lässt jedoch die Anwendung von § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ausnahmsweise zu, wenn der Heimfallanspruch auf die Nichterfüllung von Vertragspflichten zurückgeht, die in einem schuldrechtlichen Vertrag übernommen wurden und zivilrechtlich eine Hauptleistung darstellen. Das ist z.B. die schuldrechtliche Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Bebauung des Grundstücks.7 d) Aufhebung des Erbbaurechts

56

Das Erbbaurecht kann vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit aufgehoben werden. Dazu bedarf es der Zustimmung des Grundstückseigentümers (§ 26 ErbbauRG). Das Rechtsgeschäft unterliegt der

1 BFH v. 24.2.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625; a.A. FG Münster v. 10.4.2014 – 8 K 3046/11 GrE, EFG 2014, 1220. 2 Gleichlautende Ländererlasse v. 16.9.2015 – S 4500, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.4; so auch Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 189. 3 FG Münster v. 10.4.2014 – 8 K 3046/11 GrE, EFG 2014, 1220. 4 Vgl. BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130. 5 BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130. 6 Vgl. BFH v. 26.2.1975 – II B 44/74, BStBl. II 1975, 418. 7 Vgl. BFH v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683; so auch gleichlautende Ländererlasse v. 16.9.2015 – S 4500, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.6.

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C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2)

Rz. 62 § 2

Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.1 Bemessungsgrundlage sind die ausbedungene Entschädigung und etwaige sonstige Leistungen. Hierzu gehört auch die vom Grundstückseigentümer zu leistende Entschädigung für das vom Erbbauberechtigten errichtete oder erworbene Gebäude oder Bauwerk. Ist das Erbbaurecht dinglich belastet, so ist die Übernahme dieser Belastungen Teil der Entschädigung und damit auch der Gegenleistung. Der kapitalisierte Wert der erlöschenden Erbbauzinsverpflichtung gehört dagegen nicht zur Gegenleistung. Auch Leistungen des Erbbauberechtigten an den Grundstückseigentümer, damit dieser der Aufhebung des Erbbaurechts zustimmt, zählen nicht zur Gegenleistung. Die Aufhebung des Erbbaurechts ist auch dann steuerbar, wenn der Grundstückseigentümer das Grundstück in einem einheitlichen Vertrag an einen Dritten verkauft, der mit der Grundbucheintragung unbelastetes Eigentum am Grundstück erwirbt.2

57

Die Aufhebung des Erbbaurechts ist dann nicht steuerbar, wenn der bisherige Erbbauberechtigte im 58 Zusammenhang mit der Aufhebung des Erbbaurechts das belastete Grundstück selbst erwirbt und die Aufhebung des Erbbaurechts sowie die Eigentumsumschreibung zeitgleich erfolgen. Es fehlt an einem Wechsel des Rechtsträgers.3 e) Erlöschen des Erbbaurechts Erlischt das Erbbaurecht durch Zeitablauf (§§ 27 ff. ErbbauRG), so handelt es sich dabei nicht um 59 einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang.4 Mit dem Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf räumt der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer keine ihm noch zustehende Berechtigung an dem Erbbaurecht ein. Dieses erlischt vielmehr mit dem Eintritt des vertraglichen Endtermins, weil es dem Berechtigten von vorherein nur mit diesem Inhalt eingeräumt worden ist. Das Erbbaurecht ist gewissermaßen verbraucht. Das betrifft auch den Übergang des Eigentums an Gebäuden oder sonstigen Bauwerken anlässlich 60 der Beendigung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer, und zwar auch dann, wenn dieser an den Erbbauberechtigten eine dem Wert des Gebäudes angemessene Entschädigung zu zahlen hat. Rechtlich wechselt das Gebäude aus der Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts unmittelbar in die Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 12 Abs. 3 ErbbauRG; §§ 93, 94 BGB). Der Wechsel in der Bestandteilseigenschaft und damit der Eigentumswechsel erfolgen zwar kraft Gesetzes, es liegt jedoch gleichwohl kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, weil es sich bei dem Gebäude nicht um ein Gebäude auf fremdem Boden i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 handelt. f) Übertragung des Erbbaurechts kraft Gesetzes und in der Zwangsversteigerung Aus der Gleichstellung des Erbbaurechts mit einem Grundstück folgt, dass nicht nur die rechts- 61 geschäftliche Übertragung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterliegt, sondern auch eine Übertragung des Erbbaurechts kraft Gesetzes und die Übertragung durch behördlichen Ausspruch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Das ist insbesondere bei der Verschmelzung oder Umwandlung von Gesellschaften der Fall, zu deren Vermögen ein Erbbaurecht gehört. Geht ein Erbbaurecht im Rahmen einer Zwangsversteigerung auf einen Dritten über, so unterliegt der Übergang der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Mit dem Meistgebot erwirbt der Bietende den Anspruch auf Erwerb des Eigentums am versteigerten Erbbaurecht durch Erteilung des Zuschlags und erfüllt damit den Grunderwerbsteuertatbestand.

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Vgl. BFH v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136. Vgl. FG Bremen v. 15.12.1992 – II 134/90 K, EFG 1993, 341. Vgl. FG Schl.-Holst. v. 19.9.2002 – 3 K 67/01, EFG 2002, 1629. Vgl. BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BStBl. II 1995, 334.

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§ 2 Rz. 63 Grundstücke

II. Gebäude auf fremdem Boden (Abs. 2 Nr. 2) 1. Gebäude als sonderrechtsfähige bewegliche Sache 63

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere die Gebäude. Das gilt entsprechend für das Erbbaurecht (§ 12 Abs. 1 ErbbauRG). Die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks oder des Erbbaurechts können nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein (§ 93 BGB). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für solche Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden sind (Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB; für das Erbbaurecht § 12 Abs. 2 ErbbauRG i.V.m. § 95 BGB). Ist ein Gebäude Scheinbestandteil, wird es bürgerlich-rechtlich als eine bewegliche Sache gewertet. Auch die Gebäude oder anderen Werke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind, werden nicht zu Bestandteilen des Grundstücks (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein solches Recht kann z.B. ein Nießbrauch (§ 1030 BGB) oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) sein.

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Zu den Gebäuden auf fremden Boden gehört auch das selbständige Gebäudeeigentum im Beitrittsgebiet. Selbständiges Gebäudeeigentum entstand aufgrund der Verleihung eines Nutzungsrechts an einem volkseigenen Grundstück für die Errichtung und Nutzung eines Eigenheims (§§ 287, 288 Abs. 4 ZGB), aufgrund Zuweisung genossenschaftlich genutzten Bodens zum Bau von Eigenheimen oder anderen persönlichen Bedürfnissen dienenden Gebäuden (§§ 291, 292 Abs. 3 ZGB), aufgrund Verkaufs volkseigener Gebäude sowie im Zusammenhang mit Gebäuden, die von einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft errichtet wurden.1 Das nach § 288 Abs. 4 bzw. § 292 Abs. 2 ZGB entstandene selbständige Gebäudeeigentum blieb durch den Beitritt unberührt (Art. 231 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Die Übertragung des Gebäudeeigentums unterliegt der Grunderwerbsteuer. Kein grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang ist das Erlöschen des Gebäudeeigentums, wenn nach dem 31.12.2000 das Eigentum an dem Grundstück übertragen wird (Art. 231 § 5 Abs. 3 Satz 1 EGBGB).

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Die Gleichstellung der Gebäude auf fremden Boden mit den Grundstücken bewirkt, dass Rechtsvorgänge, die solche Gebäude betreffen, der Grunderwerbsteuer unterliegen. So kann ein Gebäude, das Scheinbestandteil ist, sicherungsübereignet werden (§§ 929 ff. BGB). Diese Sicherungsübereignung unterliegt der Grunderwerbsteuer, entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (Verpflichtungsgeschäft) oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (dingliches Rechtsgeschäft). Die Steuer wird nach den Verwaltungsanweisungen der Länder festgesetzt und gestundet.2 Fällt das Eigentum an dem Gebäude nach Erfüllung der Verpflichtungen des Sicherungsgebers an diesen zurück, liegt ein auflösend bedingter Erwerb vor; die Festsetzung der gestundeten Steuer für die Sicherungsübereignung ist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO aufzuheben3 (vgl. auch § 1 Rz. 273 f.).

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Gebäude auf fremdem Boden müssen den Gebäudebegriff erfüllen, d.h. das Bauwerk muss den Aufenthalt von Menschen gestatten, fest mit dem Grund und Boden verbunden sein, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest sein. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass „ortsfest gemachte Schwimmkörper wie Hausboote, Restaurantschiffe u.Ä.“ den Gebäudebegriff erfüllen.4 Nach bürgerlichem Recht ist eine Sache mit dem Boden fest verbunden, wenn eine Trennung zur Beschädigung führt oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist.5 Ein Restaurantschiff ist grundsätzlich nur mit Drahtseilen und Tauen gesichert, so dass es nicht durch die Bewegung des Wassers seinen Standort verlassen kann. Es liegt deshalb keine feste Verbindung mit dem Boden im vorgenannten Sinne vor.6

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Das Gebäude muss im Zeitpunkt des Erwerbs bereits vorhanden sein. Ein transportables Gebäude wie z.B. ein Fertighaus, das erworben wird und auf einem Grundstück aufgestellt wird, ist noch kein

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Zu Einzelheiten s. Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 30 ff. FinMin. BW v. 17.11.2003 – 3-S4500/31, NWB 2004, 366. Krit. Pahlke6, § 2 GrEStG Rz. 119: für entsprechende Anwendung von § 16 GrEStG; Behrens, UVR 2017, 152. Vgl. FinMin. Berlin v. 4.2.2009 – III C S 4500 – 6/2006; OFD Koblenz v. 19.11.2012 – S 3190-St 35 6. Vgl. Ellenberger in Grüneberg81, § 94 BGB Rz. 2. So auch BFH v. 26.10.2011 – II R 27/10, BStBl. II 2012, 274 = FR 2012, 373.

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C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2)

Rz. 72 § 2

Gebäude auf fremdem Boden, selbst wenn es durch die Verbindung mit dem fremden Grundstück dazu wird. Der Erwerbsvorgang unterliegt somit nicht der Grunderwerbsteuer.1 2. Verwertungsbefugnis an einem Gebäude Neben den selbständig verkehrsfähigen Gebäuden, die bürgerlich-rechtlich nicht wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks oder eines Erbbaurechts sind, erfasst § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch Gebäude, die bürgerlich-rechtlich dem Grundstückseigentümer gehören, aber grunderwerbsteuerlich i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG einem Dritten zuzurechnen sind. Hat der Pächter auf dem im Eigentum des Verpächters stehenden Grundstück (zu einem nicht nur vorübergehenden Zweck) ein Gebäude auf eigene Rechnung und für seine Zwecke errichtet, besitzt ein anderer als der Eigentümer die Wertsubstanz und die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung. Ist vereinbart, dass der Pächter bei Beendigung der Pacht das Gebäude wieder entfernen muss, fällt mit der tatsächlichen Entfernung des Gebäudes die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit weg. Ist vereinbart, dass der Verpächter das Gebäude bei Beendigung der Pacht gegen Entschädigung übernehmen kann und übernimmt er es, so geht die Verwertungsmöglichkeit vom Pächter auf den Eigentümer über. Dieser Vorgang unterliegt nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.2 Gleiches gilt wenn der Pächter seine Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich des Gebäudes auf einen neuen Pächter überträgt.

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Bei der vorzeitigen einvernehmlichen Auflösung eines Pachtverhältnisses und Verkauf von Grundstück und Gebäude durch den Eigentümer des Grundstücks an einen Dritten erlangt der Eigentümer zunächst die Verwertungsbefugnis am Gebäude und gibt diese an den Dritten weiter. Für einen solchen Vorgang fällt zweimal Grunderwerbsteuer an, einmal nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG für den Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude durch den Grundstückseigentümer, und zum anderen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb des Grundstücks mit aufstehendem Gebäude durch den Dritten.3

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III. Dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte (Abs. 2 Nr. 3) 1. Grundzüge des Sondereigentums a) Wohnungs- und Teileigentum Auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 WEG kann an Wohnungen Wohnungseigentum und an nicht zu 70 Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes Teileigentum begründet werden. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 2 WEG). Teileigentum ist das Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen (z.B. Läden, Garagen), wiederum verbunden mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 3 WEG). Sondereigentum und Miteigentum bilden eine rechtliche Einheit (§ 6 WEG), wobei das Sondereigentum zum Miteigentumsanteil gehört. Zum Sondereigentum gehören die Wohnung bzw. die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume sowie die dazu gehörigen in § 5 Abs. 1 WEG abgegrenzten Bestandteile. Zum gemeinschaftlichen Eigentum (Miteigentum i.S.d. § 1008 BGB) gehören das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen (§ 1 Abs. 5 WEG), auch wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden (§ 5 Abs. 2 WEG).

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Die aus Sondereigentum und Miteigentum bestehenden rechtlichen Einheiten sind als Grundstücke 72 i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu qualifizieren.4 Der Erwerb unterliegt bereits der Grunderwerbsteu1 Vgl. BFH v. 28.1.1998 – II R 46/95, BStBl. II 1998, 275; v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818. 2 Vgl. BFH v. 18.9.1974 – II R 92/68, BStBl. II 1975, 245; v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796; v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305. 3 Vgl. BFH v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526. 4 Vgl. BFH v. 15.12.1954 – II R 114/54 U, BStBl. III 1955, 53; v. 25.6.1980 – II R 28/79, BStBl. II 1981, 332; v. 23.11.2011 – II R 64/09, BStBl. II 2012, 355.

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§ 2 Rz. 72 Grundstücke er, wenn die Teilungserklärung noch nicht vollzogen ist, das Wohnungsgrundbuch noch nicht angelegt ist und das Wohnungs- bzw. Teileigentum mangels Gebäudeerrichtung noch nicht entstanden ist.1 b) Begründung von Sondereigentumseinheiten 73

Die Begründung des Wohnungs- bzw. Teileigentums kann durch Teilung nach § 8 WEG erfolgen. Dabei kommt es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel und somit auch nicht zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang.2

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Vertragliche Einräumung von Sondereigentum: Nach § 3 Abs. 1 WEG kann das Miteigentum an einem Grundstück (i.S.v. § 1008 BGB) durch Vertrag der Miteigentümer in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Miteigentümer abweichend von § 93 BGB das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird. Dabei wird Sondereigentum an den Wohnungen eingeräumt, d.h. jeder Miteigentümer erhält das restliche Miteigentum und damit das Sondereigentum an einer Wohnung und gibt das bisherige Miteigentum an den anderen Wohnungen auf. Soweit dabei das Miteigentum an dem Sondereigentum von einem Miteigentümer auf einen anderen Miteigentümer übertragen wird, unterliegt der Vorgang der Grunderwerbsteuer. Das Sondereigentum bezieht sich auf bestimmte Flächen des Grundstücks. Folglich findet § 7 Abs. 1 GrEStG Anwendung, so dass nur ein Mehrwerterwerb steuerpflichtig ist.3

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Spätere Erhöhungen des Miteigentumsanteils eines Wohnungs- oder Teileigentümers führen zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang, und zwar auch dann, wenn die ursprüngliche Teilungserklärung anhand der Bauplanung deswegen geändert werden muss, weil tatsächlich eine geringere Anzahl von Sondereigentumseinheiten geschaffen wurde.4 Ein späterer Tausch von bestimmten Wohnungsbzw. Teileigentumseinheiten zwischen einzelnen Miteigentümern führt ebenfalls zu grunderwerbsteuerbaren Vorgängen. Eine (teilweise) Befreiung nach § 7 Abs. 1 GrEStG ist selbst dann nicht möglich, wenn der Tausch vor dem Entstehen des Sondereigentums stattfindet. Denn für § 7 Abs. 1 GrEStG ist die Begründung der jeweiligen Ansprüche auf bestimmte, noch einzutragende Sondereigentumseinheiten entscheidend. Ist diese bereits erfolgt, kann die spätere Abtretung der durch den Teilungsvertrag begründeten Ansprüche nicht als Realteilung unter den Miteigentümern i.S.d. § 7 Abs. 1 GrEStG qualifizieren.5

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Wird Wohnungs- bzw. Teileigentum an einem Gebäude im Wege der Teilung nach § 8 WEG durch eine Gesamthandsgemeinschaft begründet, so kann die Befreiung nach § 7 Abs. 2 GrEStG Anwendung finden, wenn die Teilungserklärung und die Übertragung der dabei begründeten Sondereigentumseinheiten aufgrund planmäßiger Durchführung in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erfolgen.6 c) Beendigung von Sondereigentum

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Bei Aufhebung der Gemeinschaft bestimmt sich der Anteil der Miteigentümer nach dem Verhältnis der Werte ihrer Wohnungs- bzw. Teileigentumsrechte zur Zeit der Aufhebung der Gemeinschaft (§ 17 WEG). Bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums tritt solange keine Rechtsänderung ein, als die Bruchteilsberechtigung am Grundstück nicht verändert wird. Der Erwerb des Miteigentums an den Sondereigentumseinheiten führt jedoch zu einem Rechtsträgerwechsel und damit zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang. Dieser ist grundsätzlich auch steuerpflichtig, weil die Befreiungsvorschriften der §§ 5 bis 7 GrEStG diesen Fall nicht erfassen. Dem Rechtsgedanken des § 5 Abs. 2 GrEStG und § 7 Abs. 1 GrEStG folgend sollten jedoch nur echte Wertverschiebungen zwischen Rechtsträgern der

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Vgl. BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667. Vgl. auch BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156. Vgl. BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667. Vgl. FG München v. 17.2.2016 – 4 K 644/14, EFG 2016, 741. Vgl. BFH v. 12.10.1988 – II R 6/86, BStBl. II 1989, 54. Vgl. BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156.

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C. Dem Grundstück gleichstehende Rechte und Gebäude (Abs. 2)

Rz. 81 § 2

Grunderwerbsteuer unterliegen.1 Dementsprechend will die Finanzverwaltung Grunderwerbsteuer nicht erheben, wenn mit der Aufhebung von Sondereigentum an Wohnungen und anschließender Realteilung jeder Beteiligte Eigentum entsprechend der bisherigen Aufteilung in Wohnungseigentum erwirbt.2 Entziehung des Sondereigentums: Gemäß § 18 WEG können die anderen Wohnungs- bzw. Teileigentümer die Veräußerung von Wohnungs- oder Teileigentum verlangen, wenn sich dieser Eigentümer einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht hat, dass den anderen Wohnungs- bzw. Teileigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Kommt er diesem Verlangen nicht nach, so kann er durch Urteil zur Veräußerung verpflichtet werden. Das Urteil berechtigt jeden Miteigentümer der Eigentümergemeinschaft zur Zwangsvollstreckung (§ 19 Abs. 1 WEG). Wird das Urteil vollstreckt, führt die Zwangsvollstreckung selbst noch nicht zu Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer entsteht erst mit der Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG.3

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d) Wohnungs- und Teilerbbaurecht Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (§ 30 Abs. 1 WEG). Ein Erbbauberechtigter kann das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung von § 8 WEG teilen (§ 30 Abs. 2 WEG). Da das Erbbaurecht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleichgestellt ist, gelten die Ausführungen unter Rz. 69 bis 77 entsprechend. Gleiches gilt für das Teilerbbaurecht, welches mit dem Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen verbunden ist. An die Stelle des Miteigentumsanteils an einem Grundstück tritt der Anteil an einem Erbbaurecht und an die Stelle des Grundstücks das Erbbaurecht.

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e) Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht Das Dauerwohnrecht ist eine dingliche Grundstücksbelastung in der Art, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, unter Ausschluss des Eigentümers eine bestimmte Wohnung in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude zu bewohnen oder in anderer Weise zu nutzen (§ 31 Abs. 1 WEG). Das Dauerwohnrecht kann an einem Grundstück, an einem Erbbaurecht, an einem Wohnungseigentumsrecht oder an einem Wohnungserbbaurecht bestellt werden. Entsprechendes gilt für das Dauernutzungsrecht an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen. Die Einräumung und Übertragung solcher Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG, weil sie den Grundstücken nicht gleichgestellt sind. Im Einzelfall kann die Bestellung eines Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrechts den Tatbestand der Einräumung einer Verwertungsbefugnis an i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllen. Dafür muss die rechtliche Ausgestaltung des Rechts aber so weit gehen, dass dem Berechtigten die Substanz an dem Gebäude oder Gebäudeteil zusteht4 (s. hierzu § 1 Rz. 239).

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2. Einräumung von Sondernutzungsrechten Nach § 15 Abs. 1 WEG können die Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer den Gebrauch des 81 Sondereigentums und den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung regeln. Ein Sondernutzungsrecht entsteht, wenn einem Wohnungseigentümer ein alleiniges und ausschließliches Nutzungs- oder Gebrauchsrecht an Teilen des Gemeinschaftseigentums gewährt wird (z.B. 1 So auch Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 42; Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 264. 2 Gleichlautende Ländererlasse v. 9.12.2015 – 36-S 4514-1/1, BStBl. I 2015, 1029, Tz. 1 Abs. 4. 3 So auch Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 265; a.A. Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 43: Steuerbarkeit aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG mit Hinweis auf „freiwillige Versteigerung“, die aber inzwischen durch die Zwangsversteigerung ersetzt wurde. 4 So BFH v. 23.4.1953 – IV 494/52 U, BStBl. III 1953, 171.

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§ 2 Rz. 81 Grundstücke an Kfz-Stellplätzen, Garten, bestimmten Gemeinschaftsräumen wie Keller- und Bodenräume). Die Begründung erfolgt entweder im Zuge der Teilungserklärung (§ 8 WEG) oder durch nachträgliche Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 WEG). Die Entstehung erfordert die Eintragung im Grundbuch. Nach § 1010 BGB können vergleichbare Vereinbarungen mit dinglicher Wirkung auch zwischen Miteigentümern eines Grundstücks geschlossen werden. Zivilrechtlich ist das dinglich gesicherte Sondernutzungsrecht weder Bestandteil (§§ 93, 94 BGB) des Sondereigentums bzw. des gemeinschaftlichen Eigentums noch – mangels subjektiv-dinglicher Berechtigung – ein Recht i.S.d. § 96 BGB. 82

Die Verpflichtung zur Übertragung dinglich gesicherter Sondernutzungsrechte innerhalb der Gemeinschaft unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das gilt auch, wenn das Sondernutzungsrecht zusammen mit dem Sondereigentum auf einen Dritten übertragen wird. Die nachträgliche Vereinbarung eines dinglich gesicherten Sondernutzungsrechts begründet eine Verpflichtung, die ebenfalls der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt. Das Gleiche gilt für dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte an Erbbaurechten und Wohnungserbbaurechten sowie Teilerbbaurechten.

D. Mehrere Grundstücke, Grundstücksteile als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3) I. Regelungszweck 83

Das Grunderwerbsteuergesetz knüpft nicht an den Eigentumsübergang an Grundstücken an, sondern an bestimmte Erwerbsvorgänge. Vor diesem Hintergrund ordnet § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG an, dass mehrere Grundstücke i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 GrEStG als ein Grundstück behandelt werden, wenn sie zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören. Die Regelung soll verhindern, dass eine einheitliche Veräußerung mehrerer zu einer wirtschaftlichen Einheit gehörender Grundstücke i.S.d. bürgerlichen Rechts eine Vielzahl von Steuerfällen auslöst. Bezieht sich der Rechtsvorgang auf einen oder mehrere Teile eines Grundstücks, sind auch die Teile gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 GrEStG als Grundstück zu behandeln. Damit wird berücksichtigt, dass sich ein Erwerbsvorgang auch auf vermessene oder nicht vermessene Teilflächen eines Grundstücks beziehen kann.

II. Mehrere Grundstücke als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3 Satz 1) 1. Ein Rechtsvorgang 84

Mehrere Grundstücke müssen von einem Rechtsvorgang erfasst sein. Ein einheitlicher Rechtsvorgang, z.B. Erwerb von Grundstücken, kann auch bei mehreren Verträgen angenommen werden, wenn alle Beteiligten beabsichtigen, eine einheitliche Regelung zu treffen und zwischen den mehreren Verträgen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.1 2. Wirtschaftliche Einheit von Grundstücken

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Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit ist ein sog. Typusbegriff.2 Die Bestimmung richtet sich nach grunderwerbsteuerlichen Gesichtspunkten, die wirtschaftliche Einheit in der Bewertung i.S.v. § 2 BewG ist insofern nicht maßgebend. Im Regelfall werden sich die Beurteilung für Grunderwerbsteuerzwecke und die nach Bewertungsrecht jedoch decken. Für die Zuordnung zum Typus der wirtschaftlichen Einheit wird auf die örtliche Gewohnheit, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zugehörigkeit abgestellt.3 Dabei spielen sowohl die objektiven Merkmale wie z.B. der räumliche Zusammenhang und die äußerliche Gestaltung der Grundstücke4 als auch subjektive Merkmale wie die Zweckbestimmung durch den Eigentümer eine Rolle.5 Die objektiven Merkmale haben i.d.R. Vor1 2 3 4 5

BFH v. 16.9.1959 – II 94/57, BStBl. III 1960, 5; v. 4.7.1979 – II R 59/74, BStBl. II 1979, 681. Vgl. BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336. Vgl. BFH v. 28.2.1962 – II 213/59, HFR 1962, 307. Vgl. BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64. Vgl. BFH v. 15.10.1954 – III 148/54, BStBl. III 1955, 2.

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D. Mehrere Grundstücke, Grundstücksteile als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3)

Rz. 89 § 2

rang.1 Die mehreren Grundstücke können zunächst im Eigentum mehrerer Personen stehen und erst in der Hand eines Erwerbers zu einer wirtschaftlichen Einheit werden.2 Unerheblich ist, ob für die einzelnen Einheiten jeweils ein eigenes Grundbuchblatt angelegt oder eine eigene Flurstücknummer vergeben ist.3 Positivbeispiele: Wenn Wohnung und Garage sachlich und räumlich eng zusammengehören, kann 86 eine wirtschaftliche Einheit aus dem Sondereigentum an der Wohnung und dem Teileigentum an der Garage bestehen.4 Mehrere Eigentumswohnungen können zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, wenn sie durch bauliche Maßnahmen (z.B. Wanddurchbruch) zur einheitlichen Nutzung zusammengefasst sind.5 Mehrere landwirtschaftliche Grundstücke können eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn sie räumlich zusammenhängen oder nahe beieinander liegen und natürlich oder durch besondere Umstände verbunden sowie zu einer gleichen, gleichartigen oder aufeinander abgestimmten Bewirtschaftung geeignet sind.6 Negativbeispiele: Allein die Zweckbestimmung von Mietwohnhäusern zur vermögensverwaltenden 87 Vermietung macht diese nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit. Mehrere zusammenliegende Mietshäuser werden auch dann nicht als wirtschaftliche Einheit angesehen, wenn der Gebäudekomplex gemeinschaftlich verwaltet wird, den Mietern eine gemeinschaftliche Tiefgarage zur Verfügung steht und die Gebäude durch Ver- und Entsorgungsleitungen miteinander verbunden sind.7 Gleiches gilt für eine Wohnanlage mit gemeinsamem Innenhof, aber rechtlich selbständigen Grundstücken und jeweils einzelnen Hauseingängen.8 Gegen die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit spricht der Umstand, dass die einzelnen Gebäude eigenständig nutzbar sind und unabhängig voneinander veräußert werden können. Mehrere Teilflächen eines Grundstücks werden nicht dadurch zu einer wirtschaftlichen Einheit, dass sich auf ihnen Betriebsvorrichtungen (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG) befinden, die durch Leitungen miteinander verbunden sind und demselben Zweck (Windkraftanlage) dienen, aber ihrerseits jeweils ein gesondertes Wirtschaftsgut sind.9 3. Rechtsfolgen Werden mehrere Grundstücke, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, in einem Rechtsvorgang übertragen, werden diese Grundstücke wie ein Grundstück behandelt. Daraus folgt, dass ein Grunderwerbsteuerbescheid und ggf. ein Feststellungsbescheid zu erlassen ist. Die Bagatellgrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG bezieht sich auf die wirtschaftliche Einheit und nicht das jeweilige einzelne Grundstück. Gleiches gilt für die flächenmäßige Aufteilung gem. § 7 GrEStG. Hier ist ein Grundstück i.S.d. § 7 Abs. 1 bzw. 2 GrEStG die wirtschaftliche Einheit von Grundstücken. Weitere Konsequenzen ergeben sich für die örtliche Zuständigkeit nach § 17 GrEStG. Die Einheitsbetrachtung gilt allerdings nicht, wenn die einzelnen Grundstücke in verschiedenen Bundesländern liegen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

88

III. Mehrere Grundstücksteile als wirtschaftliche Einheit (Abs. 3 Satz 2) Bezieht sich der Rechtsvorgang auf einen oder mehrere Teile eines Grundstücks, so werden diese Teile als ein Grundstück behandelt. Zum Rechtsvorgang s. Rz. 84. Teile eines Grundstücks können nur reale Teile, d.h. Teilflächen sein. Keine Teile des Grundstücks sind ideelle Anteile (Miteigentumsanteile).

1 Vgl. BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336; v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156; v. 10.5.2006 – II R 17/05, BFH/NV 2006, 2124. 2 So auch Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 36; Pahlke6, § 2 GrEStG Rz. 137. 3 Vgl. FG München v. 4.7.2012 – 4 K 2555/09, EFG 2012, 2051. 4 Vgl. BFH v. 16.9.1959 – II 94/57, BStBl. III 1960, 5. 5 Vgl. BFH v. 23.2.1979 – III R 73/77, BStBl. II 1979, 547. 6 Vgl. BFH v. 30.10.1974 – II R 102/70, BStBl. II 1975, 270. 7 Vgl. BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336. 8 Vgl. BFH v. 10.5.2006 – II R 17/05, BFH/NV 2006, 2124; v. 25.1.2012 – II R 25/10 – BStBl. II 2012, 403. 9 Vgl. BFH v. 25.1.2012 – II R 25/10, BStBl. II 2012, 403.

Lieber

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§ 2 Rz. 90 Grundstücke 90

Teilflächen werden als Grundstück behandelt, wenn sie grundbuchrechtlich noch nicht als Grundstück erfasst sind. Die Teilfläche des Grundstücks muss hinreichend bestimmbar sein.1 Die Größe und die Grenzen der zu vermessenden Teilfläche müssen sich mit hinreichender Bestimmtheit aus den gesamten Umständen ermitteln lassen. Wird beim sog. Messungskauf auf einen amtlichen Veränderungsnachweis Bezug genommen, sind die Grenzen und die geographische Lage des Grundstücks hinreichend bestimmt. Es sollte jedoch auch ausreichen, wenn die Vertragspartner die Grenzen des künftigen Grundstücks in einer Anlage zur notariellen Urkunde flächenmäßig eindeutig beschreiben (Lageskizze).2

1 BFH v. 17.11.1990 – II R 42/88, BStBl. II 1991, 144. 2 So auch Hofmann11, § 2 GrEStG Rz. 38.

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Lieber

Zweiter Abschnitt Steuervergünstigungen (§§ 3–7)

§ 3 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung Von der Besteuerung sind ausgenommen: 1. der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert (§ 8) 2 500 Euro nicht übersteigt; 2. der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind; 3. der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses. Den Miterben steht der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner gleich, wenn er mit den Erben des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat oder wenn ihm in Anrechnung auf eine Ausgleichsforderung am Zugewinn des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners ein zum Nachlass gehöriges Grundstück übertragen wird. Den Miterben stehen außerdem ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner gleich; 4. der Grundstückserwerb durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des Veräußerers; 5. der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung; 5a. der Grundstückserwerb durch den früheren Lebenspartner des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft; 6. der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind oder deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Den Abkömmlingen stehen die Stiefkinder gleich. Den in den Sätzen 1 und 2 genannten Personen stehen deren Ehegatten oder deren Lebenspartner gleich; 7. der Erwerb eines zum Gesamtgut gehörigen Grundstücks durch Teilnehmer an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft zur Teilung des Gesamtguts. Den Teilnehmern an der fortgesetzten Gütergemeinschaft stehen ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner gleich; 8. der Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses. Voraussetzung ist, dass für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks oder das Eigentum an dem Grundstück erlangt hatte, die Steuer entrichtet worden ist. Die Anwendung der Vorschrift des § 16 Abs. 2 bleibt unberührt. A. I. II. III.

Grundaussagen Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich der Steuerbefreiungen a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . b) § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . c) § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . d) § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG . . . . e) § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG . . . . f) § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . 2. Zusammenschau mit anderen Befreiungsvorschriften . . . . . . . . . .

1 3

5 6 8.1 9 12 13 14

3. Anwendbarkeit auf Erwerbe im Zusammenhang mit Gesellschaften . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . B. Erwerb geringwertiger Grundstücke (Nr. 1) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerb von Bruchteilseigentum (§§ 741 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb von bzw. durch Ehegatten 1. Zugewinngemeinschaft . . . . . . . 2. Gütergemeinschaft . . . . . . . . .

17 19

. . .

23

. . .

27

. . . . . .

30 33

C. Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Böing/Berke

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§ 3 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Anwendbarkeit auf die Ergänzungstatbestände 1. § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . 45 2. § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . 50.1 3. § 1 Abs. 3 GrEStG a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . 51 b) Umfang aa) Ermittlung des Umfangs der Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . 57 bb) Änderungen im Grundstücksbestand . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Werterhöhungen der Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . 68 III. Grundstückserwerb von Todes wegen 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . 69 2. Grundstückserwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 75 b) Sondererbfolge . . . . . . . . . . . . 78 c) Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . 84 d) Ausschlagung der Erbschaft . . . . . 87 e) Ausführung einer unwirksamen Verfügung von Todes wegen . . . . . 88 f) Erbvergleich . . . . . . . . . . . . . . 89 g) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . 90 h) Güterrechtliche Besonderheiten aa) Zugewinngemeinschaft . . . . . 92 bb) (Fortgesetzte) Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Grundstückserwerb durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 96 b) Wahlvermächtnis . . . . . . . . . . . 99 c) Verschaffungsvermächtnis . . . . . . 100 d) Kaufrechtsvermächtnis . . . . . . . . 101 e) Vorkaufrechtsvermächtnis . . . . . . 105 f) Geldvermächtnis . . . . . . . . . . . 106 g) Ausschlagung eines Vermächtnisses 107 4. Grundstückserwerb aufgrund Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Grundstückserwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . 110 6. Grundstückserwerb kraft gesellschaftsrechtlichen Anteilsübergangs (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG) . . . . . . . 113 7. Grundstückserwerb als Abfindung i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG a) Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . 119 b) Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch . 121 IV. Grundstücksschenkungen unter Lebenden 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . 125

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Böing/Berke

2. Grundstückserwerb aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . b) Unbenannte Zuwendungen . . . . . c) Vorweggenommene Erbfolge . . . . d) Unentgeltliche Übertragungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . e) Mittelbare Grundstücksschenkung . f) Schenkweise Übertragung eines Übereignungsanspruchs . . . . . . . g) Kettenschenkung . . . . . . . . . . . h) Gemischte Grundstücksschenkung . 3. Grundstücksschenkung unter Auflage (Nr. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Tatbestände des § 7 ErbStG . . 5. Schenkung eines Grundstücks von dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft an diese Gesellschaft a) Rechtslage vor Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG . . . . . . . . . . . b) Rechtslage nach Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG . . . . . . . . . . . D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3) I. Hintergrund und Historie der Vorschrift II. Begünstigte Erwerbsvorgänge . . . . . . . 1. Begünstigte Personen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb durch Miterben (Nr. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerb durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb durch den Ehegatten oder Lebenspartner eines Miterben (Nr. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb eines Nachlassgrundstücks . . . 3. Erwerb zur Teilung des Nachlasses . . . 4. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4) I. Hintergrund und Historie der Vorschrift II. Begünstigte Erwerbsvorgänge . . . . . . . III. Bestehende Ehe . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestehende Lebenspartnerschaft . . . . . V. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verfahrensrechtliche Besonderheiten . . F. Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft (Nr. 5, 5a) I. Hintergrund und Anwendungsbereich . II. Erwerb durch den früheren Ehegatten nach der Scheidung . . . . . . . . . . . . . III. Vermögensauseinandersetzung . . . . . .

128 131 133 134 136 137 140 142 146 152

155 158

160 163 171 172 178 182 184 190 193

194 196 207 210 213 217

218 220 223

A. Grundaussagen IV. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 V. Lebenspartnerschaft nach Nr. 5a . . . . . 229 G. Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte (Nr. 6) I. Hintergrund und Historie . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb durch Verwandte in gerade Linie, Nr. 6 Satz 1 Alt. 1 . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erwerb durch Personen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind erloschen ist, Nr. 6 Satz 1 Alt. 2 . . . V. Erwerb durch Stiefkinder, Nr. 6 Satz 2 . . VI. Erwerb durch den Ehegatten oder Lebenspartner einer begünstigten Person, Nr. 6 Satz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten . . .

231 234 236

239 241

247 249 251

H. Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Nr. 7)

Rz. 1 § 3

I. II. III. IV. V.

Hintergrund und Historie . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . Fortgesetzte Gütergemeinschaft . . . . . Begünstigte Personen . . . . . . . . . . . Erwerb eines zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . VI. Zur Teilung des Gesamtguts . . . . . . . VII. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . J. Rückerwerb bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses (Nr. 8) I. Hintergrund und Historie . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . III. Rückerwerb durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses . . IV. Entrichtung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb durch den Treuhänder . . . V. Verhältnis zu § 16 GrEStG . . . . . . . . VI. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

252 254 255 257

. 258 . 260 . 262

. 263 . 265 . 269 . 271 . 272 . 273

Literatur: Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 01.07.2021, DB 2021, 866; Behrens, Wie weit reicht der einheitliche Lebensvorgang, dessen Doppelbelastung § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG verhindern soll?, BB 2015, 2525; Behrens, Schlussfolgerungen aus den gleichlautenden Länder-Erlassen zu § 1 Abs. 3a und § 6a GrEStG n.F. vom 9.10.2013, DStR 2013, 2726; Behrens, Zur Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen i.S. von § 1 Abs. 2a GrEStG gemäß § 16 GrEStG, DStR 2011, 1611; Bron, Grunderwerbsteuerliche Vereinigung von Kapitalgesellschaftsanteilen aufgrund von Schenkung oder Erbfall, BB 2015, 1438; Höne/Nienhaus, Steuerpflicht von Grundstücksschenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften? – § 7 Abs. 8 ErbStG versus § 3 Nr. 2 GrEStG, UVR 2012, 306; Kesseler, Die grunderwerbsteuerliche Behandlung des Familienwohnheims nach der Scheidung, DStR 2010, 2173; Kraft/Jung, Gestaltungsansätze für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft in Bezug auf die Grunderwerbsteuer, ErbStB 2021, 278; Rutemöller, Neuere Rechtsentwicklung bei der Vermeidung einer Doppelbelastung von Anteilsvereinigungen mit Grunderwerb- bzw. Erbschaft- und Schenkungsteuer gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, DStZ 2016, 239; Teiche, Fiktive Grundstückserwerbe und ihre Begünstigung nach § 3 ErbStG, BB 2008, 196; Viskorf/Weiten, Zur Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG im Rahmen der Erbauseinandersetzung, ZErb 2021, 16; Viskorf, Neueste Rechtsentwicklung an der Grenzlinie zwischen Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 GrEStG), FS Spiegelberger, 518; Wachter/Wiedmann, Grunderwerbsteuer bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft – Überblick über den neuen Referentenentwurf zu § 1 Abs. 2b GrEStG, UVR 2019, 211; Wachter, Grunderwerbsteuerbefreiung für Erwerb von Miteigentumsanteilen von Geschwistern aufgrund interpolierender Betrachtung von § 3 Nr. 6 und § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, ZEV 2016, 218; Wälzholz, Aktuelle grunderwerbsteuerliche Gestaltungsprobleme im Rahmen der Erbauseinandersetzung, ZEV 2016, 369; Wrenger, Grunderwerbsteuerbefreiung aufgrund interpolierender Betrachtung, DStR 2017, 18.

A. Grundaussagen I. Regelungsgegenstand In § 3 GrEStG werden die „allgemeinen Ausnahmen von der Besteuerung“ geregelt. Da es sich bei der 1 Grunderwerbsteuer um eine Rechtsverkehrssteuer handelt, kennt das Grunderwerbsteuerrecht keine persönlichen, sondern nur sachliche Steuerbefreiungen (obwohl diese z.T. an personenbezogene Merkmale anknüpfen). Bei den Steuerbefreiungen ist zwischen den sog. echten Steuerbefreiungen (§§ 3 und 4 GrEStG) und den Steuerbefreiungen in Sonderfällen (§§ 5 bis 7 GrEStG) zu differenzieren. Trotz ihrer systematischen Stellung zählen die Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a und b GrEStG ebenfalls zu den Steuerbefreiungen.1

1 BFH v. 28.7.1999 – II R 25/98, BStBl. II 2000, 206.

Böing

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§ 3 Rz. 2 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung 2

§ 3 GrEStG enthält in einem enumerativen Katalog die „allgemeinen Ausnahmen von der Besteuerung“. Tatsächlich handelt es sich in rechtstechnischer Sicht jedoch nicht um Ausnahmen von der Steuerbarkeit nach § 1 GrEStG, sondern vielmehr um Steuerbefreiungen.1 Die ungenaue Begrifflichkeit im GrEStG ist darauf zurückzuführen, dass nach älteren Vorstellungen der Begriff der Steuerbefreiung den persönlichen Steuerbefreiungen vorbehalten war. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen in § 3 GrEStG ist an keinen Antrag gebunden, die Gewährung erfolgt vielmehr durch die Finanzbehörde von Amts wegen. Dennoch empfiehlt es sich, einen entsprechenden Antrag zu stellen und auf die Steuerbefreiung hinzuweisen, da die Finanzbehörden nicht verpflichtet sind, die Voraussetzungen für etwaige Steuervergünstigungen ohne erkennbare Anhaltspunkte zu ermitteln.

II. Bedeutung 3

Bei den Steuerbefreiungen in § 3 GrEStG handelt es sich um sachliche Steuerbefreiungen, die zur Folge haben, dass die Steuer für den Erwerbsvorgang selbst entfällt. Dagegen würde bei einer persönlichen Steuerbefreiung die Steuer nur für den Steuerpflichtigen entfallen, der unter die Befreiung fällt, während die Steuerbefreiung für andere Steuerpflichtige möglicherweise nicht greifen würde. Innerhalb der Steuerbefreiungen in § 3 GrEStG finden sich auch personenbezogene Steuerbefreiungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie an Umstände anknüpfen, die entweder in der Person des Erwerbers (z.B. Erbe) oder in einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber (z.B. Verwandter in gerader Linie oder Ehegatte) begründet sind. Als personenbezogene Befreiungen werden im Allgemeinen die Befreiungen in § 3 Nr. 2 bis 7 GrEStG eingeordnet, wobei § 3 Nr. 2 GrEStG auch gelegentlich als rein sachliche Steuerbefreiung klassifiziert wird.2

4

Für die Frage, ob eine personenbezogene Steuerbefreiung greift, ist auf das persönliche Verhältnis zwischen der Person des früheren Inhabers des grunderwerbsteuerlich maßgebenden Rechts und der Person des späteren Rechtsinhabers abzustellen.3 Darunter sind aber nicht immer die am Erwerbsvorgang Beteiligten zu verstehen. Eine Ausnahme stellt z.B. der echte Vertrag zugunsten Dritter dar. In diesen Fällen entsteht der Anspruch auf die Grundstücksübereignung unmittelbar bei dem Dritten, obwohl er nicht Beteiligter des Erwerbsgeschäfts ist. Bei der Prüfung der Anwendbarkeit der personenbezogenen Steuerbefreiungen ist allein das Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Grundstücksveräußerer maßgebend.4 Bei einem Erwerb durch Zwangsversteigerung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) oder Enteignung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) ist auf das Verhältnis zwischen dem früheren Eigentümer und dem Meistbietenden bzw. Erwerber abzustellen.5 Bei der Abtretung von Übereignungsansprüchen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) ist der Erwerb des Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und der Erwerb des Anspruchs durch die Abtretung (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) zu unterscheiden. Für eine Befreiung des Abtretungsanspruchs kommt es allein auf das Verhältnis zwischen Abtretendem und Abtretungsempfänger an.6

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich der Steuerbefreiungen a) Anwendbarkeit 5

Die personenbezogenen Befreiungen i.S.v. § 3 GrEStG sind trotz ihres Wortlauts nicht auf den reinen Grundstückserwerb beschränkt, sondern grundsätzlich auf alle Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG anwendbar.7 Dies ist allerdings nur insoweit möglich, als der einzelne Befreiungstatbestand Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 5. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 17; Teiche, BB 2008, 196 (197). Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 3. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 27; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 4; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 1. 5 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 5; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 1. 6 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 25. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 18; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 1.

1 2 3 4

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Böing

A. Grundaussagen

Rz. 8.1 § 3

oder die grunderwerbsteuerliche Konstruktion des Erwerbsvorgangs einer Befreiung nicht entgegenstehen.1 Besonderheiten bestehen im Bereich der Ergänzungstatbestände: b) § 1 Abs. 2a GrEStG Bei Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert der Gesetzgeber einen Übergang des 6 Grundstücks von der Personengesellschaft in alter Zusammensetzung auf eine Personengesellschaft in neuer Zusammensetzung (vgl. § 1 Rz. 411). Trotz dieses – wenn auch fingierten – Grundstücksübergangs von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand sind die personenbezogenen Steuerbefreiungen, die auf das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abstellen (§ 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG), anwendbar (s. Rz. 200). Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Erwerben von einer Gesamthand oder durch eine Gesamthand persönliche Eigenschaften der Gesamthänder, die für eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG relevant sind, quotal in dem Maße zu berücksichtigen, wie der jeweilige Gesamthänder am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist.2 Dies gilt ausdrücklich auch für die Übertragung von einer Gesamthandsgemeinschaft auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft. Überträgt also ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft auf seinen Ehegatten, ist die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen gem. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG nicht zu erheben.3 Auch die Finanzverwaltung wendet die personenbezogenen Steuerbefreiungen bei § 1 Abs. 2a GrEStG an, zieht jedoch § 6 Abs. 3 GrEStG jedenfalls nicht explizit mit heran.4 Auch § 3 Nr. 2 GrEStG ist im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG anwendbar, sofern Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft schenkweise übertragen werden (vgl. Rz. 45 ff.). Wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst, so ist der Vorgang insoweit steuerfrei, wie er auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht.5

7

Eine Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG auf Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG ist nach überwiegender Auffassung nicht möglich, da es bei Anteilen an Personengesellschaften im Rahmen des Erbfalls in der Regel zu einer quotalen Sondererbfolge auf den einzelnen Miterben kommt und der übertragene Gesellschaftsanteil daher nicht zum ungeteilten Nachlass gehört und eine Auseinandersetzung insoweit nicht erforderlich ist.6 Eine Entscheidung durch den BFH liegt zu dieser Rechtsfrage jedoch noch nicht vor (zu Einzelheiten vgl. Rz. 168 ff.)

8

c) § 1 Abs. 2b GrEStG Noch ungeklärt ist die Frage, ob und inwieweit die Steuerbefreiungen auf den zum 1.7.2021 neu eingeführten Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG anwendbar sind. Die Vorschrift soll aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter den gleichen Voraussetzungen wie § 1 Abs. 2a GrEStG Anteilseignerwechsel an Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz erfassen und fingiert den Erwerb eines Grundstücks durch eine neue Kapitalgesellschaft (zu Einzelheiten vgl. § 1 Rz. 475 ff.). Nach der Gesetzesbegründung sollen die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände und die Nichterhebungsregelungen auf § 1 Abs. 2b GrEStG keine Anwendung finden.7 Dem kann jedenfalls für die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG nicht gefolgt werden. Auch der durch § 1 Abs. 2b GrEStG fingierte Grundstückserwerb muss – ebenso wie der durch § 1 Abs. 2a GrEStG fingierte Grundstückserwerb – insoweit steuerfrei sein, als er auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht.8

1 2 3 4 5 6 7 8

Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 8. BFH v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266. Gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Rz. 8.2 (zu § 3 Nr. 6 GrEStG). BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 282; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 30. BT-Drucks. 19/13439, 12. So auch Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (871); Wachter/Wiedmann, UVR 2019, 211 (216 f.).

Böing

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8.1

§ 3 Rz. 9 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung d) § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG 9

Bei der Anwendbarkeit der Steuerbefreiungen auf die Fälle der Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG ist zunächst zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zu differenzieren. Bei der Vereinigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist § 3 Nr. 2 GrEStG nach geänderter Auffassung des BFH anwendbar, wenn die Anteile schenkweise übertragen oder von Todes wegen erworben werden (vgl. Rz. 51 ff.). Eine Steuerbefreiung tritt insoweit ein, als die Anteilsübertragungen zur Anteilsvereinigung beigetragen haben und diese dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterlegen haben.1

10

Die (weiteren) personenbezogenen Steuerbefreiungen sind auf die Vereinigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nicht anwendbar (vgl. Rz. 202). Besteuert wird im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, wird grunderwerbsteuerlich so behandelt, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben.2 Da nach dieser Fiktion die Übertragung des Grundstücks von der Gesellschaft auf den Anteilserwerber erfolgt, können personenbezogene Steuerbefreiungen, die auf das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber abstellen (z.B. § 3 Nr. 4 GrEStG: Ehegatte; § 3 Nr. 6 GrEStG: Verwandter in gerade Linie), nicht auf die Anteilsvereinigung von Kapitalgesellschaften angewendet werden.3 Ebenso findet § 3 Nr. 3 GrEStG auf die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft keine Anwendung, auch wenn die Übertragung im Rahmen der Erbauseinandersetzung auf einen Miterben erfolgt (vgl. Rz. 164 f.). Aufgrund der Erwerbskonstruktion wird kein Grundstück aus dem Nachlass, sondern ein Gesellschaftsgrundstück erworben, so dass eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG ausscheidet.4

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Eine andere Beurteilung ist bei der Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft geboten. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG auf Personengesellschaften aus zwei Gründen stark eingeschränkt ist. Dies liegt zunächst daran, dass § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig zu prüfen ist. Eine weitere Einschränkung ergibt sich daraus, dass unter „Anteil an der Gesellschaft“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG jedenfalls bisher die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital zu verstehen war.5 Ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG trotz der Einschränkungen erfüllt, so wird auch hier derjenige, der die Anteile in seiner Hand vereinigt, wie bei einer Vereinigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft so behandelt, als habe er ein Grundstück von der Gesellschaft erworben. Bei einer Personengesellschaft sind jedoch die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer des Gesellschaftsvermögens. Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaften rechtfertigt es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d.h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen und die personenbezogenen Befreiungsvorschriften, die auf das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abstellen, anzuwenden.6 Werden also Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft von einem Ehegatten auf den anderen Ehegatten oder zwischen Verwandten in gerader Linie übertragen, so finden § 3 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG insoweit Anwendung (i.V.m. § 6 Abs. 2 GrEStG, da durch die Fiktion eine Übertragung von einer Personengesellschaft auf den Gesellschafter

1 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793; Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Rz. 1 und 2. 2 BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505 m.w.N. 3 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 zu § 3 Nr. 6 GrEStG; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 12. 4 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 290; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 29. 5 Insoweit zeichnet sich eine Änderung der Rechtsprechung ab, vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; zu Einzelheiten vgl. § 1 Rz. 734. 6 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 13 und 210; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Rz. 3.

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A. Grundaussagen

Rz. 15 § 3

anzunehmen ist). Umstritten ist, ob auch § 3 Nr. 3 GrEStG in diesen Fällen anwendbar ist (vgl. Rz. 165).1 e) § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG Kommt es zur Übertragung bereits vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden (Personen- oder Kapital-)Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG, so wird grunderwerbsteuerlich ein Übergang des Grundstücks vom Veräußerer auf den Erwerber der Anteile fingiert.2 Dies rechtfertigt es, die personenbezogenen Steuerbefreiungen, die auf das persönliche Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer abstellen, auf die Anteilsübertragung anzuwenden.3 Gleiches gilt für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG.4

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f) § 1 Abs. 3a GrEStG Für das Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG gelten dieselben Grundsätze wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG. Auch bei § 1 Abs. 3a GrEStG ist danach zu unterscheiden, ob durch den Hinzuerwerb von Anteilen erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung erworben wird (dann fiktiver Erwerb des Grundstücks von der Gesellschaft) oder ob diese von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen wird (dann fiktiver Erwerb des Grundstücks durch den übertragenden Rechtsträger).5 Im Rahmen von § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG ist außerdem – ebenso wie bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG – danach zu unterscheiden, ob es sich bei der grundbesitzenden Gesellschaft um eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Die personenbezogenen Steuerbefreiungen sind entsprechend den für § 1 Abs. 3 GrEStG dargestellten Grundsätzen (vgl. Rz. 9 ff.) anwendbar.6

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2. Zusammenschau mit anderen Befreiungsvorschriften Nach der Rechtsprechung des BFH kann sich aus der Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften 14 eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt (sog. Interpolation).7 Eine Steuerbefreiung aufgrund interpolierender Betrachtung kann sich insbesondere ergeben, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Weg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären.8 So ist z.B. der Erwerb eines Grundstücks durch einen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit. Dieser Miterbe könnte sodann das Grundstück steuerfrei nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG auf einen Verwandten in gerader Linie, z.B. seinen Vater, übertragen. Aufgrund interpolierender Betrachtung der beiden Befreiungsvorschriften ist auch die direkte Übertragung des Grundstücks von der Erbengemeinschaft auf den Vater des Miterben steuerfrei. Der Gesetzgeber hat diverse Fälle einer interpolierenden Betrachtung ausdrücklich gesetzlich geregelt. So hat er z.B. in § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG den Verwandten in gerader Linie deren Ehegatten bzw. Lebenspartner gleichgestellt (vgl. Rz. 247 f.). Gleiches gilt für § 3 Nr. 3 Satz 3 GrEStG (vgl. Rz. 182 f.). In beiden Fällen wäre es möglich, ein Grundstück zunächst auf den Verwandten in gerade Linie (§ 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG) bzw. den Miterben (§ 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) zu übertragen und sodann eine Weiterübertragung auf den Ehegatten vorzunehmen, die nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerfrei wäre. Aus der Tat1 Bejahend: Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 176; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 47; ablehnend: OFD Nds. v. 19.10.2016 – S 4514 – 54 – St 262, DB 2016, 2575. 2 BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 15. 3 In Abgrenzung zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG: BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793; MeßbacherHönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 55; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 15; Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2013, 1069 Rz. 1. 4 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 291; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 29. 5 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; ausführlich Behrens, DStR 2013, 2726 (2727, 2729). 6 So auch Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 16. 7 BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177 Rz. 13 m.w.N. 8 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5 Rz. 16, BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2018, 322; Pahlke6, Vorb. §§ 3 bis 7 GrEStG Rz. 10.

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§ 3 Rz. 15 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung sache, dass der Gesetzgeber einige Fälle ausdrücklich geregelt hat, darf aber keinesfalls geschlossen werden, dass eine Interpolation in gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fällen nicht möglich ist.1 16

Allerdings sind der Interpolation als methodischer Gesetzesauslegung Grenzen gesetzt. So darf diese immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen.2 Auch darf kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliegen.3 Wird ein Grundstück nicht zwischen Geschwistern direkt übertragen, sondern zur Erlangung einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG zunächst auf die Eltern und sodann von diesen auf das Geschwisterkind, so liegt regelmäßig ein Gestaltungsmissbrauch vor.4 Eine andere Beurteilung kann aber geboten sein, wenn ein außerhalb der Steuerersparnis liegender beachtlicher Grund vorhanden ist. Ein solcher kann sich bei einer Neugestaltung der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Interesse eines Elternteils ergeben, gegenüber dem begünstigten Kind selbst als Schenker aufzutreten, wobei dieses Interesse mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen muss. In einem solchen Fall kann die Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern als abgekürzter Leistungsweg einer freigebigen Zuwendung eines Elternteils an die Schwester des Beschenkten in interpolierender Betrachtung des § 3 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit sein. Dies wurde durch den BFH auch für den Fall anerkannt, dass ein Elternteil Miteigentumsanteile an einem Grundstück schenkweise auf seine Kinder überträgt und diese verpflichtet, anteilige Miteigentumsanteile auf später geborene Geschwister zu übertragen.5 Hier sei die interpolierende Betrachtung nicht durch § 42 AO ausgeschlossen, da die Übertragung von Miteigentumsanteilen auf später geborene Geschwister auf der Intention des schenkenden Elternteils beruhe, den Kindern und künftigen Kindern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu gleichen Teilen zu übertragen (zu Einzelheiten bei der Übertragung von Grundstücken zwischen Geschwistern vgl. Rz. 238 ff.) 3. Anwendbarkeit auf Erwerbe im Zusammenhang mit Gesellschaften

17

Auf Erwerbe von oder durch Kapitalgesellschaften sind die Steuerbefreiungen nur insoweit anwendbar, als ihre Anwendungsvoraussetzungen durch Kapitalgesellschaften überhaupt erfüllt werden können. So können die Vorschriften des § 3 Nr. 2 bzw. 3 GrEStG auch auf eine Kapitalgesellschaft Anwendung finden, da diese als juristische Person Erbin oder Vermächtnisnehmerin sein kann. Im Gegensatz dazu sind die Steuerbefreiungen in § 3 Nr. 4 bis 7 GrEStG auf Erwerbsvorgänge mit Kapitalgesellschaften nicht anwendbar, da Kapitalgesellschaften die geforderten persönlichen Verhältnisse nicht erfüllen können (z.B. keine Ehe eingehen und auch kein Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie begründen).6 Eine differenzierte Beurteilung ist im Bereich von § 1 Abs. 3 GrEStG geboten, wenn also nicht eine Kapitalgesellschaft als Veräußerer oder Erwerber auftritt, sondern Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft übergehen (vgl. Rz. 9 ff.).

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Die personenbezogenen Steuerbefreiungen sind dagegen auf Erwerbe von oder durch Gesamthandsgemeinschaften anwendbar. Zwar werden Gesamthandsgemeinschaften im Grunderwerbsteuerrecht als selbständige Rechtsträger behandelt (vgl. § 1 Rz. 11 ff.), jedoch ist das Vermögen der Gesellschaft das Eigentum der Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit. Dies hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand oder von einer Gesamthand insoweit steuerlich zu begünstigen, wie die erwerbende oder veräußernde Person an der Gesamthand beteiligt ist, §§ 5 und 6 GrEStG. Die Stellung der Gesamthänder zum Gesamthandsvermögen rechtfertigt es, die personenbezogenen Befreiungen quotal auch auf solche Erwerbvorgänge durchschlagen zu lassen, an denen Gesamthandsgemeinschaften als Veräußerer oder Erwerber beteiligt sind.7 Überträgt ein Ehemann z.B. ein Grundstück auf eine GbR, an der nicht er selbst, sondern seine Ehefrau beteiligt 1 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 34. 2 BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292 Rz. 9; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 35. 3 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 11. 4 BFH v. 30.11.1960 – II 154/59 U, BStBl. III 1961, 21; FG Münster v. 28.5.2008 – 8 K 1597/06 GrE, EFG 2008, 1998; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 2; Pahlke6, Vorb. §§ 3 bis 7 GrEStG Rz. 11. 5 BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292. 6 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 10. 7 BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 239; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 9.

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B. Erwerb geringwertiger Grundstücke (Nr. 1)

Rz. 23 § 3

ist, so ist dieser Vorgang in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbegünstigt. Allerdings ist auch in diesen Fällen § 5 Abs. 3 GrEStG zu beachten.1 Sollte es daher innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 GrEStG zu einer Verminderung der Beteiligung der Ehefrau an der GbR kommen, ist die Steuer insoweit nachzuerheben.

IV. Rechtsentwicklung Vor dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 gab es eine große Anzahl von Steuerbefreiungen, die dazu führten, dass im Ergebnis ca. 80 % aller steuerbaren Vorgänge von der Steuer befreit waren. Durch das GrEStG 1983 wurde das Grunderwerbsteuerrecht bundeseinheitlich geregelt und die Anzahl der Steuerbefreiungen deutlich reduziert. Zum Ausgleich wurde der für damalige Verhältnisse hohe Steuersatz von 7 % auf 2 % ermäßigt.

19

Seit dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 ist § 3 GrEStG mehrfach geändert worden: Durch das JStG 20 1997 ist § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG (Schenkung unter Auflage) zur Klarstellung neu gefasst worden. Durch das Steuer-Euroglättungsgesetz2 ist zum 1.1.2002 in § 3 Nr. 1 GrEStG die Freigrenze von „5.000 Deutsche Mark“ durch „2.500 Euro“ ersetzt worden. Weitergehende Änderungen brachte das JStG 20103. Zum einen wurde § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG dergestalt geändert, dass Erwerbe von Personen steuerbefreit sind, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Der Gesetzgeber hielt es für geboten, diese Personen aufgrund ihres durch die leibliche Verwandtschaft begründeten Näheverhältnisses grunderwerbsteuerlich zu begünstigen, auch wenn das Verwandtschaftsverhältnis rechtlich erloschen ist.4 Diese Änderung ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden, vgl. § 23 Abs. 9 GrEStG i.d.F. des JStG 2010. § 23 Abs. 9 GrEStG ist zwar durch das AmtshilfeRLUmsG5 erneut geändert worden, dies gilt jedoch nur für Erwerbsvorgänge im Zusammenhang mit Lebenspartnern. Der zeitliche Anwendungsbereich für erloschene Verwandtschaftsverhältnisse hat sich dagegen nicht geändert, so dass diese Steuerbefreiung auch weiterhin für Erwerbsvorgänge anwendbar ist, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden.6

21

Außerdem wurde in Satz 3 als begünstigte Person neben dem Ehegatten auch der Lebenspartner aufgenommen. Dies gilt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Die Erweiterung auf den Lebenspartner war zunächst nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 9 GrEStG i.d.F. des JStG 2010. Das BVerfG7 hat jedoch die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten in Bezug auf die Grunderwerbsteuerbefreiung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des JStG 2010 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet. § 23 Abs. 9 GrEStG wurde deshalb geändert, so dass hinsichtlich der Änderung in § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG eine Anwendung für Erwerbsvorgänge bereits nach dem 31.7.2001 besteht.

22

B. Erwerb geringwertiger Grundstücke (Nr. 1) I. Allgemeines Nach § 3 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks von der Besteuerung ausgenommen, wenn der für die Besteuerung maßgebende Wert (§ 8 GrEStG) 2.500 Euro nicht übersteigt. Dieser Wert 1 BFH v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557 Rz. 30; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 42. 2 Gesetz v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1790. 3 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 4 BT-Drucks. 17/2249, 172. 5 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 26.6.2013, BGBl. I 1809. 6 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 3. 7 BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179.

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§ 3 Rz. 23 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung stellt eine Freigrenze dar und erfasst die sog. Bagatellerwerbe. Bei Anwendung des Höchststeuersatzes von derzeit 6,5 v.H. (Bdb., NW, Saarl., Schl.-Holst., Thür.) bedeutet dies in den einschlägigen Fällen einen Verzicht des Fiskus auf eine Steuer von max. 162,50 Euro. Bei Überschreitung des Werts von 2.500 Euro ist die Steuer sodann von der vollen Bemessungsgrundlage zu erheben. 24

Maßgeblich für die Berechnung der Freigrenze ist die Höhe der nach den §§ 8 und 9 GrEStG zu ermittelnden Bemessungsgrundlage. Zu beachten ist dabei, dass § 3 Nr. 1 GrEStG neben anderen Steuerbefreiungsvorschriften Anwendung findet. Ist also ein Erwerbsvorgang nach anderen Vorschriften nur teilweise von der Steuer befreit oder begünstigt (insb. nach §§ 5 bis 7 GrEStG), so ist lediglich die „verbleibende“ Bemessungsgrundlage an § 3 Nr. 1 GrEStG zu messen und kann die Freigrenze dann im Ergebnis zu einer vollständigen Befreiung von der Steuer führen.

25

Trotz vollständiger Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 GrEStG „unterfällt“ der betreffende Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer, so dass auch Bagatellfälle von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 9a UStG befreit sind. Außerdem sind die Erwerbe trotz ihrer Befreiung von der Grunderwerbsteuer regulär anzeigepflichtig nach § 18 GrEStG (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). In einigen Ländern kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Umschreibung im Grundbuch auch ohne Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung i.S.d. § 22 GrEStG erfolgen, da die Verwaltung z.T. aus Vereinfachungsgründen in Bagatellfällen auf ihre Erteilung verzichtet (so z.B. in BW o. Sa.-Anh.)1.

26

Werden im Rahmen einer freiwilligen Versteigerung (§ 156 BGB) mehrere Grundstücksparzellen getrennt zugeschlagen, so kommt mit jedem Zuschlag ein gesonderter Kaufvertrag über ein Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne zustande. Dies gilt auch für den Erwerb durch Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG), soweit nicht ein Gesamtausgebot i.S.d. § 63 ZVG vorliegt und die zusammen ausgebotenen Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG bilden. Demnach ist auch die Freigrenze jeweils gesondert zu berechnen.

II. Erwerb von Bruchteilseigentum (§§ 741 ff. BGB) 27

Beim Bruchteilseigentum i.S.d. §§ 741 ff. BGB gehört eine Sache mehreren Personen, wobei sich die Miteigentumsanteile nach Bruchteilen bestimmen. Jeder Miteigentümer kann über seinen Anteil gem. § 747 Satz 1 BGB nach Belieben verfügen. In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht gelten Miteigentumsanteile an einem Grundstück als selbständige Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG.2 Der Erwerb eines jeden Miteigentumsanteils stellt daher grundsätzlich einen nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang dar, für den die Freigrenze jeweils gesondert zu berechnen ist. Dabei kommt es entsprechend dem Wortlaut des § 3 Nr. 1 GrEStG („Erwerb“) stets darauf an, was der jeweilige Veräußerer grunderwerbsteuerrechtlich verliert bzw. der jeweilige Erwerber grunderwerbsteuerrechtlich erlangt.

28

Steht dem (den) veräußernden Miteigentümer(n) nur ein Erwerber gegenüber, sind folgende Fälle zu unterscheiden: – Veräußern mehrere Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile durch getrennte Rechtsgeschäfte (u.U. auch in einer notariellen Urkunde3) an einen Erwerber zu Alleineigentum, so liegt eine entsprechende Vielzahl steuerbarer Erwerbsvorgänge vor. Bei einer grunderwerbsteuerrechtlichen Betrachtung verliert jeder der veräußernden Miteigentümer die Rechte an (s)einem Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG. Die Freigrenze berechnet sich mithin für jeden dieser Vorgänge gesondert.

1 FinMin. BW v. 22.11.1996 – S 4540/9, GrESt-Kartei BW § 22 GrEStG Karte 2; OFD Magdeburg v. 14.9.2011, S 4540-9-St 271, GrESt-Kartei ST § 22 GrEStG Karte 3. 2 BFH v. 28.3.2007 – II R 15/06, BFH/NV 2007, 1349; Viskorf in Boruttau19, § 2 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 20; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 5. 3 Koord. Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018 – S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 I (Bsp. 1).

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Berke

B. Erwerb geringwertiger Grundstücke (Nr. 1)

Rz. 30 § 3

– Nichts anderes kann gelten, wenn sämtliche Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile gemeinschaftlich auf einen Erwerber zu Alleineigentum übertragen.1 Zwar verfügen die Miteigentümer in diesem Fall über das Grundstück im Ganzen i.S.d. § 747 Satz 2 BGB, jedoch darf nicht verkannt werden, dass jeder einzelne Miteigentumsanteil ein Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne darstellt (§ 2 GrEStG), an dem der Veräußerer sämtliche Rechte verliert. Hinzu kommt, dass es für die rechtliche Einordnung keinen Unterschied machen kann, ob einer der Miteigentümer seinen Anteil am Grundstück zunächst zurückbehält (Vielzahl steuerbarer Vorgänge, s.o.) oder sämtliche Miteigentümer ihre Anteile zeitgleich veräußern. – Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn ein einzelner Miteigentümer mehrere rechtlich selbständige ideelle Bruchteile auf einen Erwerber zu Alleineigentum überträgt. In diesem Fall stellt die Summe der erworbenen Anteile einen einheitlichen steuerbaren Erwerbsvorgang dar.2 Die Freigrenze ist dementsprechend nur einmalig für den Gesamterwerb zu berechnen. Stehen dem (den) Veräußerer(n) mehrere Erwerber gegenüber, so sind folgende Konstellationen zu 29 unterscheiden: – Wird das bisherige Alleineigentum des Veräußerers an einem Grundstück auf mehrere Erwerber zu Miteigentum nach Bruchteilen übertragen, liegt eine der Erwerberzahl entsprechende Vielzahl nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgänge vor. Die Freigrenze i.S.d. § 3 Nr. 1 GrEStG ist mithin jeweils gesondert zu berechnen. – Wird ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf mehrere Erwerber zu Miteigentum nach Bruchteilen übertragen, liegen so viele steuerbare Vorgänge i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG vor, wie Erwerber beteiligt sind. Es kommt hier nur darauf an, was der Erwerber in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht erhält. Von welchem der Veräußerer der konkrete Miteigentumsanteil jeweils erworben wird, kann nicht bestimmt werden.3 Für die Vielzahl der Erwerbe ist die Freigrenze dementsprechend jeweils gesondert zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die veräußernden Miteigentümer nicht das Grundstück als solches übertragen wollen, sondern in gesonderten Rechtsgeschäften ausdrücklich nur ihren jeweiligen Miteigentumsanteil an die Erwerber zu Bruchteilen übertragen. In diesem Fall ist die Veräußerung jedes Miteigentumsanteils für sich zu betrachten und es gelten die nachfolgenden Überlegungen entsprechend.4 – Überträgt ein einzelner Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil an einem Grundstück an mehrere Erwerber zu Miteigentum nach Bruchteilen, so stellt der Erwerb jedes Bruchteils an dem Miteigentumsanteil einen steuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG dar. Die Freigrenze ist daher jeweils gesondert zu ermitteln.

III. Erwerb von bzw. durch Ehegatten 1. Zugewinngemeinschaft Die vorstehenden Grundsätze zum Bruchteilseigentum gelten gleichfalls, wenn im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) lebende Ehegatten ein Grundstück veräußern. Jeder Ehegatte einer Zugewinngemeinschaft kann nach § 1364 BGB sein Vermögen selbständig verwalten und hierüber verfügen; ein gemeinschaftliches Vermögen besteht nicht. Veräußern Eheleute, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, ein Grundstück an nur einen Erwerber, so liegen zwei Erwerbsvorgänge vor, für die jeweils die Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG greift. Dies gilt unabhängig davon, ob nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages die Eheleute das gesamte Grund-

1 Koord. Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018 – S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 I (Bsp. 1); a.A.: Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 5; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 82; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 20 a.E.; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 14. 2 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 88; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 20. 3 Koord. Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018 – S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 II (Bsp. 3.1). 4 Koord. Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018 – S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 I (Bsp. 4).

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30

§ 3 Rz. 30 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung stück oder ihre Miteigentumsanteile hieran veräußern.1 Stehen in diesen Fällen auch auf der Seite der Erwerber im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten, die das Grundstück je zur Hälfte erwerben, so liegen auch in diesem Fall lediglich zwei (und nicht vier) Erwerbsvorgänge vor (da nicht bestimmbar ist, von welchem Miteigentümer der jeweilige Anteil erworben wird, s.o. Rz. 29, 2. Spiegelstrich). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn in dem der Veräußerung zugrundeliegenden Vertrag ausdrücklich vereinbart wird, dass jeder veräußernde Ehegatte seinen Miteigentumsanteil jeweils hälftig auf die erwerbenden Ehegatten überträgt. In diesem Fall ist von insgesamt vier Erwerbsvorgängen auszugehen, für die jeweils die Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG greift.2 31

Dies gilt entsprechend für Lebenspartner, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben (§ 6 LPartG).

32

Einstweilen frei. 2. Gütergemeinschaft

33

Anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) leben. Nach § 1416 BGB wird das Vermögen der Ehegatten gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut). Über ihren Anteil am Gesamtgut und an den einzelnen zum Gesamtgut gehörenden Gegenständen können die Ehegatten nach § 1419 Abs. 1 BGB nicht allein verfügen, da das Gesamtgut gesamthänderisch gebunden ist. Sie können vielmehr über zum Gesamtgut gehörende Gegenstände nur gemeinschaftlich und im Ganzen verfügen. Veräußern die Ehegatten ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück oder einen zum Gesamtgut gehörenden Miteigentumsanteil an einem Grundstück, liegt dementsprechend nur ein nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG steuerbarer Rechtsvorgang vor und ist die Freigrenze somit nur einmalig zu berücksichtigen.3

34

Erwerben Ehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, ein Grundstück gemeinsam zum Gesamtgut, liegen zunächst zwei Erwerbsvorgänge vor, für die jeweils die Freigrenze i.S.d. § 3 Nr. 1 GrEStG zu berechnen ist. Da die Gütergemeinschaft (im Gegensatz zu anderen Gesamthandsgemeinschaften) grunderwerbsteuerrechtlich nicht als eigenständiger Rechtsträger angesehen wird,4 erwirbt nicht die Gesamthand, sondern es erwerben die Ehegatten. Die sich in diesen Fällen außerdem vollziehenden wechselseitigen Erwerbe zum Gesamtgut kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB) sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgänge, die aber nach § 3 Nr. 4 und § 5 Abs. 1 GrEStG (hinsichtlich des jeweiligen eigenen Anteils) von der Grunderwerbsteuer befreit sind.

35

Erwirbt dagegen nur ein Ehegatte der Gütergemeinschaft das Grundstück, liegt zunächst lediglich ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG vor, für den die Freigrenze zu berücksichtigen ist. Der sich außerdem vollziehende Erwerb zum Gesamtgut kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB) stellt einen weiteren steuerbaren Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dar, der aber nach § 3 Nr. 4 GrEStG von der Steuer befreit ist.

36

Dies gilt entsprechend für Lebenspartner, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben (§ 7 LPartG).

C. Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen (Nr. 2) I. Allgemeines 37

Die Vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sieht eine Steuerbefreiung für Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen i.S.d. ErbStG vor. Ob ein nach § 1 GrEStG steuerbarer 1 FG Nürnberg v. 25.10.2007 – V 265/2006, DStRE 2008, 714; koord. Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018 – S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 II (Bsp. 3.1). 2 Koordinierter Ländererlass, z.B. FinMin. NW v. 12.10.2018, S4505-11-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 3 II (Beispiel 3.2). 3 BFH v. 28.3.2007 – II R 15/06, BFH/NV 2007, 1349. 4 BFH v. 24.10.1956 – II 60/56 U, BStBl. III 1956, 364 (Rz. 12).

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 44 § 3

Grundstückserwerb von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ausgenommen wird, beurteilt sich ausschließlich nach dem ErbStG (Prävalenz der Erbschaft-/Schenkungsteuer). Der Grundstückserwerb muss also einen Tatbestand des ErbStG (vgl. §§ 3 und 7 ErbStG) erfüllen, um von der Besteuerung nach dem GrEStG befreit zu sein. Dabei ist das ErbStG in seiner jeweils gültigen Fassung anzuwenden (dynamische Verweisung). Zu beachten ist, dass ein Grundstückserwerb auch dann nach § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei ist, wenn der Vorgang zwar grundsätzlich nach dem ErbStG steuerbar ist, aber im Ergebnis keine Erbschaft-/Schenkungsteuer festgesetzt wird (bspw. wegen Nichtausschöpfung der Freibeträge i.S.d. § 16 ErbStG). Mit der Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG soll verhindert werden, dass ein und derselbe Lebenssachverhalt 38 sowohl mit Erbschaft-und Schenkungsteuer als auch mit Grunderwerbsteuer belastet wird. Zweck ist also die Verhinderung einer steuerlichen Doppelbelastung. Die Anwendbarkeit und der Umfang der Steuerbefreiung werden demnach maßgeblich von der Frage bestimmt, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt und dieser bei Nichtanwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG zum einen mit Erbschaftund Schenkungsteuer und zum anderen mit Grunderwerbsteuer belastet würde.1 Eine besondere Regelung enthält § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG für Grundstücksschenkungen unter Auflage. 39 Derartige Grundstücksschenkungen sind nicht vollständig von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen, sondern unterliegen der Grunderwerbsteuer, soweit der Wert der Auflage bei der Berechnung der Schenkungsteuer abziehbar ist (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 146 ff.). Die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG umfasst entgegen seinem Wortlaut nicht nur Grundstücks- 40 erwerbe als solche, sondern erstreckt sich auf sämtliche Tatbestände des § 1 GrEStG. Der BFH hat hierzu in einem Fall der Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG aufgrund einer (gemischten) Schenkung ausgeführt: „Der in § 3 Nr. 2 Satz 1 verwendete Begriff „Grundstücksschenkungen unter Lebenden“ ist […] nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Sie gilt vielmehr aufgrund ihres […] Zwecks, eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden, auch dann, wenn Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer Personengesellschaft ist“2 (zu den Einzelheiten s. Rz. 46 ff.). Eine vollständige rechtstechnische Übereinstimmung zwischen den Tatbeständen des ErbStG und des GrEStG ist vor dem Hintergrund des Zwecks der Vermeidung einer Doppelbesteuerung nicht erforderlich. So findet § 3 Nr. 2 GrEStG bspw. in den Fällen eines Grundstückserwerbs durch Vermächtnis Anwendung, obwohl die Erbschaftsteuer (nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) an den Anfall des Vermächtnisses mit dem Erbfall, die Grunderwerbsteuer (gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) dagegen an die spätere Auflassung an den Vermächtnisnehmer anknüpft (s. hierzu Rz. 96 ff.).

41

Außerdem findet § 3 Nr. 2 GrEStG auch in den Fällen der Anwachsung Anwendung, wenn dem Gesellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft die Anteile des anderen Gesellschafters schenkweise zugewendet werden. Zwar knüpft die Schenkungsteuer hier an die freigebige Zuwendung des Gesellschaftsanteils an, während der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Übergang des Grundstücks aus dem Gesamthandvermögen in das Alleineigentum des Gesellschafters (§ 738 BGB) zugrunde liegt. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund des Normzwecks irrelevant.3

42

Der Bescheid über die Festsetzung von Erbschaft-/Schenkungsteuer ist für die Grunderwerbsteuer nicht bindend i.S.d. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (kein Grundlagenbescheid). Kommt es zu unanfechtbaren widerstreitenden Festsetzungen der Erbschaft-/Schenkungsteuer einerseits und der Grunderwerbsteuer andererseits, scheidet eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO daher aus. Eine Änderungsmöglichkeit besteht allenfalls nach § 174 AO.

43

Die Prävalenz der Erbschaft-/Schenkungsteuer umfasst nicht auch die steuerrechtliche Bewertung eines Grundstücks. Die Bewertung im Rahmen der Erbschaft-/Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer erfolgt nicht nach einem übereinstimmenden Maßstab, sondern vielmehr nach den jeweils für diese Steuerart geltenden Regeln. Eine Bindung der Grunderwerbsteuer an die der Besteuerung der

44

1 BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608 = FR 1984, 513; Meincke/Hannes/Holtz17, Einf. ErbStG Rz. 5; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 32. 2 BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59 (Rz. 10). 3 BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59.

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§ 3 Rz. 44 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung Erbschaft/Schenkung zugrunde gelegten Werte lässt sich § 3 Nr. 2 GrEStG nicht entnehmen1 (vgl. hierzu insb. Grundstücksschenkung unter Auflage, Rz. 151).

II. Anwendbarkeit auf die Ergänzungstatbestände 1. § 1 Abs. 2a GrEStG 45

Ändert sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft derart, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht wird, so gilt dies als Übergang des Gesellschaftsvermögens bzw. -grundstücks von der bisherigen Gesellschaft auf die in der Gesellschafterzusammensetzung veränderte „neue“ Gesellschaft. Der Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG liegt also keine tatsächliche, sondern nur eine durch Anteilsübertragungen ausgelöste, rein fiktive Grundstücksübertragung zugrunde (vgl. hierzu § 1 Rz. 299 ff.).

46

Im Falle der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG ausschließlich im Hinblick auf Anteilsschenkungen unter Lebenden, da nach § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG von Todes wegen erworbene Anteile bereits im Rahmen der Steuerbarkeit bei der Berechnung des Vomhundertsatzes kraft Gesetzes außer Betracht bleiben.

47

Der in § 3 Nr. 2 GrEStG verwendete Begriff der „Grundstücksschenkungen unter Lebenden“ ist nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Vielmehr sind im Hinblick auf den Zweck der Vermeidung einer Doppelbelastung eines einheitlichen Lebenssachverhalts sowohl mit Schenkungsteuer als auch mit Grunderwerbsteuer auch solche freigebigen Zuwendungen umfasst, deren Gegenstand Anteile an einer Personengesellschaft sind.2 Die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die Steuerbarkeit nach dem ErbStG einerseits – Übertragung von Gesellschaftsanteilen – und dem GrEStG andererseits – (fiktive) Übertragung eines Grundstücks – stehen der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG nach einhelliger Auffassung nicht entgegen.3

48

Unerheblich ist, ob die schenkweise Übertragung der Anteile die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG durch Erreichen bzw. Überschreiten der Beteiligungsgrenze von 95 % (bzw. nach n.F. 90 %) ausgelöst hat oder ob sie nur eine der zur Erreichung der Grenze innerhalb von fünf (bzw. nach n.F. zehn) Jahren insgesamt zu addierenden Anteilsübertragungen darstellt.4

49

Hinsichtlich des Umfangs der Steuerbefreiung ist zu beachten, dass der (fiktive) Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG durch die „neue“ Gesellschaft nur insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als er auf (einer) vorangegangenen Schenkung(en) beruht. Der Umfang der Steuerbefreiung entspricht also dem prozentualen Anteil des schenkweise übertragenen Gesellschaftsanteils, der zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat.

50

Soweit eine zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragende Anteilsübertragung auf einer gemischten Schenkung beruht (s. auch Rz. 142 ff.), ist der Vorgang in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Erwerbsteil aufzuspalten. Der unentgeltliche Teil unterliegt der Schenkungsteuer und damit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. Der entgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts ist dagegen (vorbehaltlich anderer Befreiungsvorschriften) der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Für die Einordnung als gemischte Anteilsschenkung ist das Verhältnis des Verkehrswerts des Anteils zu der hierfür übernommenen Gegenleistung maßgeblich.5

1 BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479. 2 BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409 (Rz. 11). 3 BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409; v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 (Tz. 8). 4 Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 (zu der entspr. Problematik bei § 1 Abs. 3 GrEStG); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 37. 5 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 (zu der entspr. Problematik bei § 1 Abs. 3 GrEStG); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 38.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 53 § 3

2. § 1 Abs. 2b GrEStG Unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks des § 3 Nr. 2 GrEStG sowie der zu § 1 Abs. 2a GrEStG er- 50.1 gangenen Rechtsprechung des BFH und Auffassung der Finanzverwaltung gelten die Ausführungen zu § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Verwirklichung des neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG entsprechend. Die sachbezogene Steuerbefreiungsvorschrift knüpft zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit (Erbschaft- und) Schenkungsteuer auf der einen und Grunderwerbsteuer auf der anderen Seite ausschließlich an die schenkweise Übertragung von Anteilen an, so dass es für die Anwendbarkeit keine Rolle spielen kann, ob es sich um Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt.1 Hinsichtlich eines Anteilserwerbs von Todes wegen ist zu beachten, dass dieser (entsprechend der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG) nach § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG bereits bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht bleibt, so dass die Gefahr einer Doppelbesteuerung mit Erbschaft- und Grunderwerbsteuer insoweit nicht besteht. 3. § 1 Abs. 3 GrEStG a) Anwendbarkeit Im Rahmen der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. hierzu § 1 Rz. 471 ff.) kommt der Frage 51 der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sowohl im Hinblick auf Anteilserwerbe von Todes wegen als auch im Hinblick auf schenkweise erworbene Anteile Bedeutung zu. Der BFH hatte die Grunderwerbsteuerbefreiung für Anteilsvereinigungen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG aufgrund von Schenkungen und Erbfällen zunächst verneint mit dem Argument, dass der grunderwerbsteuerrechtliche Grundstückserwerb sich auf der einen Seite im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vollziehe, während die unentgeltliche Anteilsübertragung auf der anderen Seite im Verhältnis der Gesellschafter untereinander erfolge. Inzwischen hat er diese Ansicht ausdrücklich aufgegeben. In seiner Entscheidung vom 23.5.2012 bejaht der BFH die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in einem Fall der Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft insoweit, als sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruht.2 Dem liegen dieselben Überlegungen zugrunde, wie im Rahmen der Anerkennung der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG oder in den Fällen der schenkweise Anteilsübertragung, die zur Auflösung einer grundbesitzenden Personengesellschaft führt (Anwachsung): Für die Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist maßgebend, dass trotz der unterschiedlichen rein rechtstechnischen Anknüpfungspunkte der Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer nur ein Lebenssachverhalt der Besteuerung zugrunde liegt, nämlich die freigebige Zuwendung eines Anteils an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft. Diese führt zum einen zu einer Steuerbarkeit i.S.d. ErbStG und löst zum anderen zugleich eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung aus. Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks ist zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Anteilsvereinigung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer insoweit zu befreien, als sie auf dieser freigebigen Zuwendung beruht. Die Finanzverwaltung hat sich dieser geänderten Auffassung angeschlossen.3 Die Rechtsprechungsänderung muss gleichermaßen auch für Anteilsvereinigungen aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen und auch unabhängig davon gelten, ob es sich um die Vereinigung von Anteilen an einer Kapital- oder einer Personengesellschaft handelt.

52

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gilt vor dem Hintergrund des Regelungszwecks des 53 § 3 Nr. 2 GrEStG unabhängig davon, ob die schenkweise übertragenen bzw. von Todes wegen erworbenen Anteile den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst oder lediglich zu seiner Verwirklichung beigetragen haben. Soweit der tatbestandsauslösenden Anteilsübertragung unentgeltliche Anteilserwerbe desjenigen vorausgegangen sind, in dessen Hand sich die Anteile letztlich i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG vereinigen, unterlagen diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Erbschaft-/Schenkungsteuer. Führen diese Erwerbe in der Summe mit späteren Anteilserwerben zu einer steuerbaren Anteilsvereinigung, ist es vor dem Gesetzeszweck des § 3 Nr. 2 GrEStG nur konsequent, die Anteils-

1 So auch Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (871); Wachter/Wiedmann, UVR 2019, 211 (216 f.). 2 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 3 Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069.

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§ 3 Rz. 53 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung vereinigung (auch) insoweit von der Grunderwerbsteuer zu befreien, als sie auf früheren erbschaft-/ schenkungsteuerbaren Erwerben beruht. 54

Die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG scheidet nach dem BFH aus, wenn eine schenkweise Übertragung von (Kapital-)Gesellschaftsanteilen mit der Verpflichtung verbunden wird, diese anschließend innerhalb einer bestimmten Frist in eine (Personen-)Gesellschaft einzubringen und erst der Einbringungsvorgang zu einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG führt.1 Für die Anwendung der Befreiungsnorm auch auf Anteilsvereinigungen sei maßgebend, dass lediglich ein Lebenssachverhalt, nämlich die freigebige Zuwendung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer unterliege. An einem einheitlichen Lebenssachverhalt und der Doppelbesteuerung eines solchen fehle es aber, wenn die freigebige Zuwendung des Gesellschaftsanteils für sich noch keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG auslöse und erst weitere Rechtsvorgänge, nämlich die Einbringung in eine (Personen-)Gesellschaft, schließlich zu einer Steuerbarkeit führten. Als Rechtsverkehrsteuer knüpfe die Grunderwerbsteuer an einzelne, jeweils isoliert zu betrachtende Rechtsvorgänge an. Überzeugender erscheint es indes, im Hinblick auf den Telos des § 3 Nr. 2 GrEStG ein mehraktiges Geschehen u.U. zu einem einheitlichen Lebenssachverhalt zusammenzufassen, wenn nach dem Willen des Schenkers (bzw. Erblassers) mehrere Teilakte von vornherein ein einheitliches Ziel verfolgen und nach einer Gesamtschau der objektiven Umstände und der konkreten Vereinbarung dem Zuwendungsempfänger kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt, so dass die weiteren Rechtsvorgänge daher nicht auf seinem freien Willensentschluss beruhen. Durch die Verknüpfung der freigebigen Anteilszuwendung mit der Auflage der Einbringung in eine (Personen-)Gesellschaft verbindet der Schenker mehrere an sich rechtlich selbständige Vorgänge zu einem einheitlichen Vorgang, so dass auch die zeitlich nachfolgende Einbringung letztlich auf dem Willen des Schenkers beruht.2 Einstweilen frei.

55–56

b) Umfang aa) Ermittlung des Umfangs der Unentgeltlichkeit 57

Für die Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung ist zu beachten, dass die Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG nur insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit ist, als schenkweise Anteilserwerbe vorliegen. Im Übrigen ist sie dagegen steuerpflichtig. Es ist mithin zu ermitteln, inwieweit die Anteilsvereinigung insgesamt auf schenkweisen bzw. entgeltlichen Anteilserwerben beruht. Dazu ist hinsichtlich aller Anteilserwerbe zunächst festzustellen, inwieweit die Anteile in der Hand des Erwerbers mit den Verkehrswerten zu den jeweiligen Stichtagen jeweils unentgeltlich bzw. entgeltlich erworben wurden und zu berechnen, wie viel Prozent der Anteile insgesamt unentgeltlich erworben wurden.3

58

Zu dem Umfang der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Fällen, in denen nicht sämtliche Anteile, sondern lediglich (mind.) 95 % (bzw. nach n.F. 90 %) durch schenkweise Anteilsübertragungen vereinigt werden, hat sich der BFH bislang nicht explizit geäußert. Die Finanzverwaltung schließt im Umfang der unbewegten Anteile (also max. i.H.v. 5 % bzw. nach n.F. 10 %) eine Steuerbefreiung aus, da in dieser Höhe eben keine (schenkweise) Anteilsübertragung vorliege und demnach auch nicht die Gefahr einer Doppelbesteuerung bestehe.4 In der Literatur wird diese Vorgehensweise z.T. kritisiert.5 Die Auffassung der Finanzverwaltung stehe in klarem Widerspruch zu dem auch vonseiten der Finanzverwaltung immer wieder angeführten Gesetzeszweck des § 3 Nr. 2 GrEStG, eine Doppelbesteuerung ein und desselben Lebensvorgangs mit Erbschaft-/Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Hintergrund dieser Argumentation ist, dass bei einer Vereinigung von lediglich 1 2 3 4 5

BFH v. 22.2.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653. Behrens, BB 2015, 2525. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 40; Weilbach, § 3 GrEStG Seite 18a; Bron, BB 2015, 1438 (1440); Rutemöller, DStZ 2016, 239 (241 Fn. 23).

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 61 § 3

95 % (bzw. nach n.F. 90 %) der Anteile zu Ungunsten des Steuerpflichtigen aufgrund der Fiktion des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG der volle Grundbesitzwert besteuert wird. Demnach müsse auch umgekehrt zugunsten des Steuerpflichtigen eine Steuerbefreiung i.H.v. 100 % gewährt werden, sobald es durch schenkweise Anteilserwerbe zu einer Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG durch Vereinigung von (mind.) 95 % (bzw. nach n.F. 90 %) der Anteile kommt. Diese in der Literatur vertretene Auffassung verkennt jedoch, dass im Rahmen der Erbschaft-/Schen- 59 kungsteuer eine Besteuerung der Anteilsübertragungen ausschließlich in der Höhe erfolgt, in der die Anteile auch tatsächlich bewegt wurden. Führen diese Bewegungen durch Erreichen des erforderlichen Grenzwerts von 95 % (bzw. nach n.F. 90 %) zu der Fiktion eines Grundstückserwerbs, erscheint es zum einen zwingend, dass aufgrund dieser Fiktion des Erwerbs eines vollständigen Grundstücks (und nicht etwa eines Miteigentumsanteils i.H.v. 95 % bzw. 90 % an diesem) auch der volle Grundbesitzwert besteuert wird. Zum anderen darf nicht verkannt werden, dass tatsächlich auch nur eine Besteuerung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer hinsichtlich der bewegten Anteile erfolgt ist. Die Gefahr einer Doppelbesteuerung über die bewegten Anteile hinaus besteht mithin objektiv nicht. Des Weiteren läge eine kaum zu erklärende Benachteiligung desjenigen Anteilserwerbers vor, der bspw. aufgrund von zwei schenkweisen Anteilsübertragungen nicht nur 95 % (bzw. 90 %), sondern gleich 99 % der Anteile in seiner Hand vereinigt und damit auch in dieser Höhe der Schenkungsteuer unterliegt. Hinzu kommt, dass eine Steuerbefreiung i.H.v. 100 % wohl kaum auf die genannten Fälle der vollständigen schenkweisen Anteilsübertragung beschränkt werden könnte. Die von der Literatur angeführte Argumentation greift gleichermaßen in den Fällen, in denen die Anteilsvereinigung nur teilweise auf schenkweisen Übertragungen beruht. Wurden dem Erwerber bspw. 35 % der Anteile entgeltlich und nur 60 % schenkweise zugewendet, dürfte die Literatur konsequenterweise auch nicht von einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG i.H.v. 60 % ausgehen, sondern (bei Zugrundelegung der a.F.) vielmehr i.H.v. (100x60):95 = 63,157894 %. Jedenfalls ist kein Grund ersichtlich, warum die Grenze für eine vollständige Befreiung hier bei 95 % bzw. 90 % schenkweise zugewendeter Anteile liegen sollte. Im Ergebnis ist daher der Auffassung der Finanzverwaltung zu folgen. Auch wenn der BFH bislang noch nicht über einen solchen Fall zu befinden hatte, die Ausführungen in seinem Urteil vom 15.10.20141 (s. hierzu Rz. 61 ff.) sprechen dafür, dass er die Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls teilt. Sind einzelne Anteile im Wege einer gemischten Schenkung (s. Rz. 142 ff.) übertragen worden, ist zu 60 beachten, dass der Schenkungsteuer nur der freigebige Teil der Zuwendung unterliegt und insofern auch nur dieser Teil nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Der Umfang des unentgeltlichen bzw. entgeltlichen Erwerbsteils bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts des Anteils zum Verkehrswert der hierfür übernommenen Gegenleistung des Erwerbers.2 Die Grundbesitzwerte (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) sind also nur insoweit als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzen, als sie auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs entfallen, denn diesbezüglich scheidet eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG aus. bb) Änderungen im Grundstücksbestand In den Fällen der Anteilsvereinigung aufgrund mehrerer, zeitlich gestreckter Anteilserwerbe sind sowohl Änderungen des Grundstücksbestands als auch Werterhöhungen der Grundstücke in dem Zeitraum, über den sich die Tatbestandserfüllung erstreckt, zu beachten (zu letzteren s. Rz. 63 ff.).3 Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG kommt dabei nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung nur insoweit in Betracht, als ein Grundstück der Gesellschaft durchgehend, d.h. sowohl im Zeitpunkt der jeweiligen Anteilsübertragung als auch im Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Anteilsvereinigung, zuzurechnen war.4

1 2 3 4

BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 32). Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069.

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§ 3 Rz. 62 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung 62

Entgegen kritischer Stimmen in der Literatur1 erscheint dieses Erfordernis konsequent: Die grundsätzliche Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG setzt zunächst voraus, dass sich im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung (mind.) ein Grundstück im Vermögen der Gesellschaft befindet. Hält die Gesellschaft mehrere Grundstücke in ihrem Vermögen, so liegt eine entsprechende Vielzahl grunderwerbsteuerbarer Vorgänge vor. Für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist ausgehend vom Bestand der Grundstücke im Zeitpunkt der Tatbestandserfüllung für jeden steuerbaren Vorgang, d.h. für jedes Grundstück im Gesellschaftsvermögen, einzeln zu überprüfen, ob eine potenzielle Doppelbesteuerung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits vorliegt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Gesellschaft im Zeitpunkt einer Steuerbarkeit nach dem ErbStG (wegen schenkweiser Anteilsübertragung) grunderwerbsteuerlich auch ein Grundstück zuzurechnen war, andernfalls besteht schon keine potenzielle Gefahr einer Doppelbesteuerung, so dass für die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG kein Raum ist. cc) Werterhöhungen der Grundstücke

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Für die Beurteilung des Umfangs der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind neben den Änderungen im Grundstücksbestand auch etwaige Werterhöhungen der Grundstücke zwischen den einzelnen Übertragungsvorgängen die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG beigetragen haben, zu berücksichtigen.2 Werterhöhungen (bspw. durch eine Grundstücksbebauung), die sich im Laufe der Zeit bis zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG realisieren, die aber bei einer früheren Anteilsübertragung noch nicht eingetreten waren, konnten also zu diesem Zeitpunkt keine potenzielle Schenkungsteuer auslösen. Die Gefahr einer Doppelbelastung, die durch Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG verhindert werden soll, bestand daher nicht. Diese Werterhöhungen bleiben somit bei der Ermittlung der Steuerbegünstigungsquote für die früheren Stichtage unberücksichtigt.

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Der BFH führt hierzu in einem obiter dictum aus: „Die Steuerbegünstigungsquote für eine nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auslösende Anteilsübertragung ist ausgehend von dem Anteil zu ermitteln, zu dem Anteile der Gesellschaft unentgeltlich übertragen wurden, und im Verhältnis der Verkehrswerte des Grundstücks zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung und zum Zeitpunkt der nachfolgenden Anteilsvereinigung zu mindern.“3 Zur Verdeutlichung führt der BFH folgendes Beispiel an: „Wird […] ein Anteil der Gesellschaft von 50 % unentgeltlich übertragen und hat das Grundstück zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von 100.000 Euro, so ist bei einer weiteren unentgeltlichen Anteilsübertragung von 50 %, bei der das Grundstück einen Verkehrswert von 1.000.000 Euro aufweist, der mit der Anteilsvereinigung verbundene fiktive Erwerb des Grundstücks i.H.v. insgesamt 55 % begünstigt. Die Begünstigung besteht i.H.v. 50 % aufgrund der zweiten Anteilsübertragung welche die Anteilsvereinigung auslöst, und i.H.v. 5 % (= 50 % × 100.000 Euro/1.000.000 Euro) aufgrund der ersten Anteilsübertragung.“4

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Die Ausführungen des BFH begegnen der Kritik, dass es im Rahmen des § 3 Nr. 2 GrEStG ausreiche, wenn die bloße Möglichkeit der Besteuerung nach dem ErbStG bestehe und es auf die konkrete Steuerpflicht gerade nicht ankomme.5 Die grundsätzliche Steuerbarkeit nach dem ErbStG sei aber im vorstehenden Beispiel für sämtliche Anteilsübertragungen in vollem Umfang gegeben. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die grundsätzliche Steuerbarkeit auch nach dem ErbStG nur deshalb für die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG ausreicht, weil mit ihr im Regelfall die Gefahr einer Doppelbesteuerung einhergeht. Soweit diese Gefahr im konkreten Fall jedoch nicht besteht, bleibt vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks kein Raum für die Anwendung der Befreiungsvorschrift.

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Allerdings dürfte die Anwendung der vorstehenden Grundsätze in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Da sich die zur Tatbestandserfüllung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG führenden Anteilsübertragungen über einen unbegrenzten Zeitraum erstrecken können, wird die Ermitt1 2 3 4 5

Bron, BB 2015, 1438 (1439); Rutemöller, DStZ 2016, 239 (244). BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 40 ff.). BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 42). BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 42). Bron, BB 2015, 1438 (1440); Rutemöller, DStZ 2016, 239 (244).

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 71 § 3

lung der maßgeblichen Tatsachen insbesondere im Hinblick auf weit zurückliegende Anteilsübertragungen z.T. schwierig sein. Dies gilt umso mehr, als die Ermittlung der Steuerbegünstigungsquote laut BFH an die Verkehrswerte im Zeitpunkt der jeweiligen Anteilsübertragung anknüpft, ohne die insoweit maßgebliche Verkehrswertermittlung näher zu erläutern. Den Aspekt der praktischen Nachweisschwierigkeiten hat auch der BFH in seinem obiter dictum erkannt und hierzu angemerkt, dass bei etwaigen Nachweisschwierigkeiten nach den allgemeinen Beweislastregeln zu entscheiden sei.1 Die Nachweispflicht hinsichtlich steuermindernder Tatsachen trifft nach den allgemeinen Regeln den Steuerpflichtigen.2 Bei einer Anteilsvereinigung obliegt demnach die Feststellungslast für die Steuerbegünstigung i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gem. § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG dem Erwerber. Dieser muss sowohl das Vorliegen einer unentgeltlichen Anteilsübertragung als auch alle weiteren Umstände nachweisen, die sich auf die Höhe der Steuerbegünstigung auswirken.3 Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in den Fällen der schenkweisen Übertragung (bzw. des Übergangs von Todes wegen) bereits vereinigter Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG ist unzweifelhaft gegeben. Grunderwerbsteuerrechtlich wird hier eine Grundstücksübertragung von demjenigen Gesellschafter, der die Anteile bisher in seiner Hand vereinigt hatte (und dem die Gesellschaftsgrundstücke deshalb grunderwerbsteuerrechtlich zugerechnet wurden), auf den Bedachten fingiert. Auch hier liegt zwar keine Identität des Zuwendungsgegenstandes i.S.d. ErbStG (Gesellschaftsanteile) und des GrEStG (Grundstück) vor, aber die Anteilsschenkung und die (fiktive) Grundstücksübertragung vollziehen sich in demselben Rechtsverhältnis. Die vorstehend erörterten Grundsätze zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gelten für die Anwendung in diesen Fällen entsprechend.

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4. § 1 Abs. 3a GrEStG Der Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG gilt als Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Da § 3 Nr. 2 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG inzwischen grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung findet, kann für Erwerbe i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG nichts anderes gelten. Die vorstehend erörterten Grundsätze gelten entsprechend.

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III. Grundstückserwerb von Todes wegen 1. Vorbemerkungen § 3 ErbStG enthält eine abschließende Aufzählung aller Vorgänge, die als Erwerbe von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegen. Wird ein Grundstück von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG erworben, so ist der Erwerbsvorgang nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

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Die wichtigsten Steuertatbestände setzen einen erbrechtlichen Rechtsgrund i.S.d. BGB voraus (z.B. 70 Erbanfall, § 1922 BGB; Vermächtnis, §§ 2147 ff. BGB; geltend gemachter Pflichtteilsanspruch, §§ 2303 ff. BGB). Der Erwerb muss auf diesem Rechtsgrund beruhen, ein bloßer Zusammenhang mit dem Erbfall reicht dagegen nicht aus. Ein Erwerb von Todes wegen scheidet aus, wenn der Zuwendungsempfänger bereits aus einem anderen Rechtsgrund einen Anspruch auf den Zuwendungsgegenstand hat und der Erwähnung im Testament somit eine rein deklaratorische Bedeutung zukommt.4 Im Unterschied zur Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) setzt der Erwerb von Todes wegen – außer im Falle der Schenkung auf den Todesfall (s. Rz. 110 ff.) – weder eine Bereicherung des Erwerbers noch einen Bereicherungswillen des Zuwendenden voraus. Auch die Zuwendung einer Gegenleistung für die Erbeinsetzung bzw. die Aussetzung eines Vermächtnisses zu Lebzeiten des Erblassers schließt einen Erwerb von Todes wegen nicht aus.5 1 2 3 4 5

BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 47). BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739. BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 = AO-StB 2015, 64 (Rz. 45 ff.). BFH v. 24.10.1984 – II R 103/83, BStBl. II 1985, 137. Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 5.

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§ 3 Rz. 72 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung 72

Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung sind beim Erwerb durch Erbanfall nicht anwendbar. Der Erbe erhält das Vermögen im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) nach Art und Umfang genau so, wie es der Erblasser hatte. Wird also der Erbe durch Testament oder Erbvertrag verpflichtet, aus Mitteln des Nachlasses ein Grundstück zu erwerben, stellt dieser nachfolgende Erwerb keinen Vorgang i.S.d. § 3 ErbStG dar, so dass auch eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ausscheidet.

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Die Finanzbehörden haben im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht nach § 88 AO im Besteuerungsverfahren zu prüfen, ob ein Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG vorliegt. Für Erbscheine gilt auch im Steuerrecht die Vermutung der Richtigkeit (§ 2365 BGB). Diese bezieht sich insbesondere auf das Erbrecht und die Höhe der Erbteile. Liegen aber gewichtige Gründe vor, die an der Richtigkeit des Erbscheins zweifeln lassen, so sind die Finanzbehörden/-gerichte verpflichtet selbst zu ermitteln (§ 88 AO, § 76 Abs. 1 FGO).

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Auf die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 GrEStG) zur Grundbuchberichtigung wegen Eigentümerwechsels durch Erbfolge an einem Grundstück wird vonseiten der Verwaltung aus Gründen der Vereinfachung regelmäßig verzichtet.1 Sie wird lediglich erteilt, wenn das Grundbuchamt auf ihre Vorlage besteht. 2. Grundstückserwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Rechtliche Grundlagen

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Mit dem Tod einer Person geht deren Vermögen als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) nach § 1922 Abs. 1 BGB auf einen oder mehrere Erben über. Dabei kann die Gesamtrechtsnachfolge entweder auf dem Gesetz (§§ 1924 ff. BGB) oder auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers (Testament, § 1937 BGB; Erbvertrag, § 1941 BGB) beruhen. Soweit sich im Vermögen des Erblassers ein Grundstück befindet, liegt ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang vor, der nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist. Da der Erbe in sämtliche vererblichen Rechtspositionen des Erblassers einrückt, bezieht sich die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG darüber hinaus auch auf vererbte Ansprüche des Erblassers aus Rechtsgeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5, Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG oder einen vererbten Anspruch auf Auflassung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.

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Sofern das Vermögen des Erblassers auf einen Alleinerben übergeht, tritt die Steuerbefreiung für den Übergang des Grundstücks auf diesen unmittelbar und endgültig ein. Soweit mehrere Erben vorhanden sind, geht der gesamte Nachlass zunächst auf die Miterbengemeinschaft (§ 2032 BGB) über. Erbschaftsteuerrechtlich ist der Erbanfall bei dem jeweiligen Miterben entsprechend seiner Erbquote zu erfassen, ohne dass es eine Rolle spielt, welche Gegenstände oder Vermögensmassen dem einzelnen Miterben im Rahmen einer späteren Auseinandersetzung übertragen werden. Befindet sich ein Grundstück im Nachlassvermögen, so geht auch dieses zunächst ungeteilt auf die Erbengemeinschaft über. Auf diesen Übergang des Grundstücks findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Anwendung. Wird das Grundstück anschließend im Rahmen der Auseinandersetzung auf einen der Miterben weiterübertragen, richtet sich die Frage der Steuerbefreiung dieses Vorgangs nicht mehr nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, sondern vielmehr nach § 3 Nr. 3 GrEStG.

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Eine die Erbauseinandersetzung regelnde Teilungsanordnung i.S.d. § 2048 BGB, durch die angeordnet wird, welche Gegenstände einem Erben aus dem Nachlass zukommen sollen, ohne ihn wertmäßig ggü. den anderen Miterben zu begünstigen, spielt bei der Besteuerung des Erbanfalls bei dem einzelnen Miterben keine Rolle. Ihr kommt lediglich schuldrechtliche Wirkung zu, während der Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausschließlich den durch Erbfolge eingetretenen dinglichen Vermögenszuwachs umfasst.2 Wird in Befolgung einer Teilungsanordnung ein Nachlassgrundstück im Rahmen der Auseinandersetzung auf einen der Miterben übertragen, richtet sich die Frage der Steuerbefreiung dieses Vorgangs wiederum nach § 3 Nr. 3 GrEStG. 1 Vgl. bspw.: FinMin. NW v. 2.5.2011 – S 4540-1-V A 6, GrESt-Kartei NW § 22 GrEStG Karte 6; OFD Magdeburg v. 14.9.2011 – S 4540-9-St 271, GrESt-Kartei ST § 22 GrEStG Karte 3; Oberfinanzdirektion Nds. V. 21.7.2011, GrESt-Kartei ND 1983 § 22 GrEStG Karte 1. 2 BFH v. 10.11.1982 – II R 85/78, II R 86/78, BStBl. II 1983, 329.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 81 § 3

b) Sondererbfolge Das vom Grundsatz der Gesamterbfolge (Universalsukzession) ausgehende Erbrecht lässt eine Sondererbfolge (Singularsukzession) in einzelne Nachlassgegenstände nur vereinzelt zu. Ein Beispiel der Sondererbfolge sind die Fälle erbrechtlicher Nachfolgeklauseln bei Personengesellschaften. Bei einer sog. Nachfolgeklausel geht der Anteil eines verstorbenen Gesellschafters mit seinem Tod auf den/die Erben über und die Gesellschaft wird automatisch mit dem/den Erben fortgesetzt. Die Fälle der erbrechtlichen Nachfolgeklausel spielen für die Grunderwerbsteuer allerdings regelmäßig keine Rolle, da der Gesellschafterwechsel bei einer Personengesellschaft lediglich in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar ist, hierbei jedoch der Erwerb von Anteilen von Todes wegen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG außer Betracht bleibt.

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Eine weitere Sondererbfolge besteht in den der Höfeordnung unterliegenden Fällen. Diese gilt als partielles Bundesrecht nur für die Vererbung in Hamburg, Nds., NW und Schl.-Holst. gelegener landund forstwirtschaftlicher Betriebe einer bestimmten Größenordnung (mind. 10.000 Euro Wirtschaftswert). Durch die Regelungen der Höfeordnung soll die Erhaltung des Hofes als wirtschaftliche Einheit gesichert werden. Der Nachlass des Erblassers wird in das Hofesvermögen und das hoffreie Vermögen aufgeteilt. Das Hofesvermögen fällt bei Vorhandensein mehrerer Erben gem. § 4 Satz 1 HöfeO ohne Zwischenerwerb durch die Erbengemeinschaft im Wege der Sonderrechtsnachfolge allein dem Hoferben an. Die weichenden Miterben erwerben mithin kein Gesamthandseigentum am Hof, erhalten aber gem. § 4 Satz 2 HöfeO als Ausgleich einen am Hofwert orientierten Abfindungsanspruch gegen den Hoferben auf Auszahlung ihres Erbteils in Geld (§ 12 HöfeO). Die Miterben erhalten zudem einen Abfindungsergänzungsanspruch, wenn der Hoferbe den Hof oder zum Hof gehörende Grundstücke innerhalb von zwanzig Jahren nach dem Erbfall veräußert (§ 13 HöfeO).

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Der BFH und Teile der Literatur sehen in den Bestimmungen der HöfeO eine gesetzliche Art der Teilungsanordnung mit dinglicher Wirkung und halten sie daher für erbschaftsteuerrechtlich ebenso irrelevant wie die (rein schuldrechtlich wirkende) Teilungsanordnung i.S.d. § 2048 BGB oder eine etwaige unter den Miterben frei vereinbarte Auseinandersetzung.1 Obwohl ein Zwischenerwerb durch die Erbengemeinschaft als Gesamthandgemeinschaft nach überwiegender Auffassung nicht stattfindet, wird der Hof neben dem hoffreien Vermögen erbschaftsteuerrechtlich zunächst dem Gesamtnachlass zugerechnet und bei den einzelnen Miterben entsprechend ihrer Quote besteuert. Die sich sogleich mit dem Erbfall kraft Gesetzes vollziehende (Teil-)Auseinandersetzung durch eine direkte Übertragung des Hofes auf den Hoferben dürfte damit konsequenterweise nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar, aber nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei sein. Für eine (zusätzliche) Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG bleibt mangels Erbschaftsteuerbarkeit dieses Übergangs aus dem Nachlass (der Erbengemeinschaft) auf den Hoferben kein Raum. Finanzverwaltung und Literatur wenden hier dagegen § 3 Nr. 2 GrEStG bzw. § 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 GrEStG mit dem Argument an, dass sich der Erwerb „durch Erbanfall“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vollziehe und nicht das Ergebnis der Abwicklung eines Erbfalls sei.2

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Soweit ein Abfindungsanspruch weichender Miterben gem. § 12 HöfeO durch die Übertragung eines Grundstücks abgegolten wird, fällt dieser Grundstückserwerb nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG.3 In seiner Entscheidung vom 29.9.2015 führt der BFH aus, dass der Miterbe in diesem Fall das Grundstück nicht von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sondern vielmehr zur Abgeltung seines an die Stelle des Erbteils tretenden schuldrechtlichen Abfindungsanspruchs erwerbe. Dieser Anspruch sei grundsätzlich auf eine Geldzahlung gerichtet. Einigen sich Hoferbe und Miterbe nachfolgend darauf, dass dieser Anspruch durch die Übertragung eines Grundstücks abgegolten werden soll (Erfüllungsabrede), so bringe diese zwar das ursprüngliche Schuldverhältnis zum Erlöschen, verändere aber nicht den für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Inhalt des (Geld-)Anspruchs. Es handele sich vielmehr um eine „Leistung an Erfüllung statt“. Dieser Argumentation folgend liegen mithin auch rechtlich zwei separate – wenn auch tatsächlich zusammengefasste – Lebensvorgänge vor, die unabhängig voneinander besteuert werden: der Erwerb des Abfindungsanspruchs

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1 BFH v. 1.4.1992 – II R 21/89, BStBl. II 1992, 669; Meincke/Hannes/Holtz17, § 3 ErbStG Rz. 23; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 125; Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 81. 2 OFD Rheinland v. 5.7.2011 – S 4505-1001-St 235, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 6; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 148; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 181. 3 BFH v. 29.9.2015 – II R 23/14, BStBl. II 2016, 104.

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§ 3 Rz. 81 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung aufgrund der Hofübergabe an den Hoferben (steuerbar nach ErbStG) und der Erwerb des Grundstücks aufgrund der Erfüllungsabrede (steuerbar nach GrEStG). Für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG bleibt daher kein Raum. Gleiches gilt für den Abfindungsergänzungsanspruch nach § 13 HöfeO. 82

Ferner stellt der BFH in dem vorgenannten Urteil klar, dass die Grundstücksübertragung keinen Fall der Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG darstelle.1 Die Übergabe des Hofes an den Hoferben führe nämlich nicht zu einer Enterbung der anderen Abkömmlinge, da ihnen die Abfindungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO an der Stelle ihres Erbteils zustehen. Der Einordnung der Grundstücksübertragung als Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG dürfte regelmäßig entgegenstehen, dass diese nur bis zu ihrer Annahme (§ 1943 BGB) und nur innerhalb der Frist des § 1944 BGB ggü. dem Nachlassgericht (§ 1945 BGB) erklärt werden, und nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden kann (§ 1950 BGB).

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Der BFH führt weiter aus, dass eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ebenfalls nicht greife, da der Grundstückserwerb durch den weichenden Miterben hier nicht zur Teilung des Nachlasses erfolge. Ein Grundstück gehöre im Falle einer Miterbengemeinschaft nur so lange zum Nachlass, als es den Erben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit i.S.d. § 2032 Abs. 1 BGB zustehe. Mit der Übertragung des Eigentums an einem Hofgrundstück im Wege des Erbanfalls (oder der vorweggenommenen Erbfolge) auf den Hoferben zu Alleineigentum hat das Hofgrundstück seine Eigenschaft als Nachlassgrundstück verloren. c) Vor- und Nacherbschaft

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Durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) kann ein Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst dann zum Erben wird, wenn zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist (§ 2100 BGB). Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe werden – zeitlich nacheinander – Erben desselben Erblassers und desselben Vermögens. Der Nacherbe wird somit nicht Erbe des Vorerben.

85

Im Rahmen einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2100 ff. BGB) stellen der Erwerb des Vorerben und der spätere Erwerb des Nacherben eigenständige Erwerbe durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Soweit sich ein Grundstück im Nachlass befindet, liegen grunderwerbsteuerrechtlich ebenfalls jeweils eigenständige nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgänge vor, die jeweils nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit sind.

86

Bei Rechtsgeschäften zwischen Vor- und Nacherben bzw. bei Rechtsgeschäften dieser mit Dritten ist im Hinblick auf die Steuerbarkeit nach dem ErbStG und damit auch im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu differenzieren: – Überträgt der Vorerbe in Ansehung der Nacherbschaft bereits vor Eintritt des Nacherbfalls ein Nachlassgrundstück auf den Nacherben, so wird dieser Fall gem. § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG dem Eintritt des Nacherbfalls gleichgestellt. Der Erwerbsvorgang unterliegt mithin der Erbschaftsteuer und ist daher nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. – Überträgt der Nacherbe sein Nacherbenrecht hinsichtlich eines Nachlasses mit Grundbesitz auf den Vorerben (der damit unbeschränkter Vollerbe wird), ist dieser Vorgang nicht grunderwerbsteuerbar. Eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 GrEStG scheidet mangels Rechtsträgerwechsels bzgl. des Grundstücks aus. Der Nacherbe erwirbt mit dem Eintritt des Vorerbfalls ein Anwartschaftsrecht, das als solches veräußerlich und vererbbar ist. In Bezug auf ein zum Nachlass gehörendes Grundstück kann er daraus aber weder Eigentumsrechte an dem Grundstück (diese stehen dem Vorerben zu) noch Ansprüche auf dessen rechtsgeschäftliche Übereignung ableiten. Mangels Rechtsträgerschaft des Nacherben fehlt es auch an einem Rechtsträgerwechsel von diesem auf den Vorerben. Auch eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG scheidet aus, da die Rechtsstellung des Nacherben keinerlei Verwertungsbefugnisse hinsichtlich des Grundstücks vermittelt. Gleiches gilt bei einem gegenüber dem Vorerben erklärten Verzicht auf das Nacherbenrecht. 1 BFH v. 29.9.2015 – II R 23/14, BStBl. II 2016, 104 (Rz. 25).

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 89 § 3

– Überträgt der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf einen am Erbfall nicht beteiligten Dritten (derivativer Nacherbe), stellt dessen Erwerb bei Eintritt des Nacherbfalls einen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §§ 1922, 2139 BGB erbschaftsteuerbaren Vorgang dar.1 Umfasst der erworbene Nachlass ein Grundstück, ist dessen Erwerb zudem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. – Wird im Falle einer Übertragung auf den Vorerben bzw. Dritten oder im Falle eines Verzichts hinsichtlich des Nacherbenrechts als Gegenleistung die Übertragung eines Grundstücks vereinbart, gilt die Übertragung auf den Nacherben gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG als steuerbare Zuwendung des Erblassers. Da § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG keine Aussage über den Inhalt der Gegenleistung trifft, gilt das als Entgelt für die Übertragung des Anwartschaftsrechts, was der Nacherbe und der Vorerbe/ Dritte als Gegenleistung vereinbaren; denn § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG knüpft an einen Leistungsaustausch an, der ohne diese Regelung nicht zur Erbschaft-/Schenkungsteuer herangezogen werden könnte.2 Vereinbaren die Parteien als Gegenleistung die Übertragung eines Grundstücks, unterliegt dieser Vorgang somit gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG der Erbschaftsteuer und ist damit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. d) Ausschlagung der Erbschaft Wird die Erbschaft erfolgreich nach den §§ 1942 ff. BGB ausgeschlagen, gilt der Erbanfall an den 87 Ausschlagenden gem. § 1952 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Wird dem Ausschlagenden als Abfindung für die Ausschlagung der Erbschaft ein Grundstück übertragen, ist dieser Grundstückserwerb gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erbschaftsteuerbar (s. hierzu Rz. 119 ff.). Dementsprechend ist der Erwerbsvorgang nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Wird dagegen eine Abfindung in Geld vereinbart und schließlich in Erfüllung dieses Anspruchs ein Grundstück übertragen, stellt die Übertragung eine Leistung „an Erfüllung statt“ dar, die von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht umfasst wird.3 Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. ErbStG ist in diesem Fall der vereinbarungsgemäß auf Geld gerichtete Abfindungsanspruch, nicht dagegen das übertragene Grundstück. Die Grundstücksübertragung beruht vielmehr auf der nachfolgenden Erfüllungsabrede. Es liegen demzufolge auch zwei verschiedene Lebensvorgänge vor, so dass es der von § 3 Nr. 2 GrEStG bezweckten Befreiung von der Grunderwerbsteuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer nicht bedarf. e) Ausführung einer unwirksamen Verfügung von Todes wegen Wird eine Verfügung von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie unwirksam ist (bspw. wegen eines Formverstoßes i.S.d. § 125 BGB), so ist das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs im Umfang der tatsächlichen Ausführung u.U. erbschaftsteuerlich beachtlich (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO). Voraussetzung hierfür ist zum einen, dass eine (wenngleich auch nicht den Wirksamkeitserfordernissen genügende) Anordnung des Erblassers vorliegt, die dieser im Hinblick auf seinen Tod getroffen hat, und zum anderen, dass die Ausführung der Anordnung(en) unter Anerkennung des Erblasserwillens erfolgen.4 Soweit durch die tatsächliche Ausführung der unwirksamen Verfügung von Todes wegen zugleich ein Tatbestand des GrEStG verwirklicht wird, ist dieser Vorgang nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, da die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung der erbschaftsteuerrechtlichen folgt.

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f) Erbvergleich Der Erbvergleich – die einvernehmliche Bereinigung streitiger Erbrechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben und sonstigen Be1 BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. 2 BFH v. 30.10.1979 – II R 4/76, BStBl. II 1980, 46. 3 BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775 (zum Verzicht auf den Pflichtteils- o. Pflichtteilsergänzungsanspruch). 4 Meincke/Hannes/Holtz 17, § 3 ErbStG Rz. 33 f.; Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 56.

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§ 3 Rz. 89 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung rechtigten zufallenden Beträge – wurde von der früheren Rechtsprechung1 stets als erbschaftsteuerrechtlich beachtlich angesehen. Diesen Grundsatz hat der BFH inzwischen eingeschränkt: Da weder die Miterben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung die Bestimmung des Steuerpflichtigen und den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung zu beeinflussen, muss die erbschaftsteuerliche Anerkennung eines Erbvergleichs eine restriktiv zu handhabende Ausnahme bleiben.2 Ein Vergleich i.S.d. § 779 BGB stellt lediglich einen schuldrechtlichen Vertrag dar, der grundsätzlich kein dingliches Erbrecht begründen kann. Demnach kann ihm auch nur dann erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung zukommen, wenn er seinen letzten Rechtsgrund doch noch im Erbrecht findet. Nur unter dieser Voraussetzung ist so zu verfahren, als hätte der Erblasser die entsprechende Regelung durch Verfügung von Todes wegen getroffen. Bei Beendigung einer erbrechtlichen Streitigkeit durch Erbvergleich ist mithin zu differenzieren:3 – Wird der Vergleich abgeschlossen, um einvernehmlich Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder die Höhe der den Erben zufallenden Beträge zu beseitigen, unterliegen die Regelungen der Erbschaftsteuer. Soweit die Regelungen des Vergleichs ein zum Nachlass gehörendes Grundstück betreffen und so ein Tatbestand des § 1 GrEStG verwirklicht wird, scheidet eine zusätzliche Besteuerung nach dem GrEStG gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG aus. – Wird der Vergleich dagegen abgeschlossen, um die Ungewissheit zu beseitigen, ob überhaupt ein Erbanfall vorliegt, und wird im Zuge dessen dem weichenden Erbprätendenten eine Abfindung gewährt, liegt darin kein erbschaftsteuerbarer Erwerb. Denn die Abfindungszahlung beruht in diesem Fall nicht auf dem Willen des Erblassers. Soweit die Abfindung in Form eines Grundstücks gewährt wird, unterliegt der Erwerb daher der Grunderwerbsteuer, eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG scheidet aus. g) Anwachsung 90

Bei einer zweigliedrigen Personengesellschaft kann der Tod eines der Gesellschafter nach § 738 BGB zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter führen. Es liegt dann ein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens von der Personengesellschaft auf den verbleibenden Gesellschafter vor. Die Rechtsfolge der Anwachsung tritt (soweit nicht gesellschaftsvertraglich abbedungen) bei einer OHG stets und bei einer KG beschränkt auf den Tod des Kommanditisten (vgl. § 177 HGB) kraft Gesetzes gem. § 131 Abs. 3 Nr. 1 (i.V.m. § 161 Abs. 2) HGB ein, bei einer GbR dagegen nur aufgrund einer von § 727 Abs. 1 BGB abweichenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag (sog. Fortsetzungsklausel). Befinden sich Grundstücke im Vermögen der Gesellschaft, ist der Übergang des im Gesamthandvermögen befindlichen Grundstücks in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters kraft Anwachsung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbar (vgl. § 1 Rz. 81). Ist der überlebende Gesellschafter Erbe (oder Miterbe) des verstorbenen Gesellschafters, ist der Grundstückserwerb nach § 738 BGB zum einen steuerbegünstigt nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe der eigenen vermögensmäßigen Beteiligung des überlebenden Gesellschafters (vorbehaltlich § 6 Abs. 4 GrEStG) und im Übrigen steuerbefreit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, da in diesem Fall ein Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt.

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Ist der verbleibende Gesellschafter, dem das Gesellschaftsvermögen nach § 738 BGB zuwächst, dagegen nicht auch (Mit-)Erbe des verstorbenen Gesellschafters, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur dann in Betracht, wenn § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG einschlägig ist (siehe hierzu Rz. 115). h) Güterrechtliche Besonderheiten aa) Zugewinngemeinschaft

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Wird eine Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines der Ehegatten beendet, erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten gem. §§ 1931 Abs. 3 i.V.m. 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel 1 BFH v. 24.7.1972 – II R 35/70, BStBl. II 1972, 886. 2 BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = FR 2009, 245. 3 Esskandari/Bick, ErbStB 2011, 214 (215).

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Rz. 97 § 3

(fiktive Zugewinnausgleichsforderung). Der überlebende Ehegatte wird auch in dieser Höhe (Mit-)Erbe des Verstorbenen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge i.S.d. § 1922 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 ErbStG, nach deren Wortlaut im Umfang des fiktiven Zugewinnausgleichs kein Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG vorliegen soll, ist als reine Freibetragsregelung zu verstehen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut gilt also auch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um die fiktive Zugewinnausgleichsforderung uneingeschränkt als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG- sie wird lediglich durch einen Abzugsposten bei der Wertermittlung für die Besteuerung nach dem ErbStG neutralisiert.1 Gehört zum Nachlass des verstorbenen Ehegatten ein Grundstück, so ist dessen Erwerb in Höhe der um ein Viertel erhöhten Erbquote des Ehegatten nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt entsprechend für Lebenspartner, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben (§ 6 LPartG).

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bb) (Fortgesetzte) Gütergemeinschaft Im Güterstand der Gütergemeinschaft lebende Ehegatten können vereinbaren, dass diese nach dem Tod eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird (§ 1483 Abs. 1 BGB). Die Abkömmlinge treten beim Tod des erstversterbenden Ehegatten an dessen Stelle in die Gesamthandgemeinschaft hinsichtlich des Gesamtguts ein. Zivilrechtlich gehört der Anteil des Verstorbenen am Gesamtgut im Verhältnis zu den Abkömmlingen nach § 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht zu seinem Nachlass. Die Abkömmlinge erwerben den Anteil nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge i.S.d. § 1922 BGB, sondern vielmehr kraft Güterrechts. Demgegenüber stellt § 4 Abs. 1 ErbStG klar, dass der Erwerb der Abkömmlinge für erbschaftsteuerliche Zwecke als Erwerb von Todes wegen zu charakterisieren ist. Da sich die grunderwerbsteuerrechtliche an der erbschaftsteuerrechtlichen Einordnung orientiert, bedeutet dies (soweit zum Gesamtgut ein Grundstück gehört), dass dessen Übergang auf die Abkömmlinge nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar, aber nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (und darüber hinaus nach § 3 Nr. 6 GrEStG) steuerfrei ist.

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Dies gilt ebenso für Lebenspartner, die im Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt und eine entsprechende Vereinbarung über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft getroffen haben (§ 7 LPartG).

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3. Grundstückserwerb durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Rechtliche Grundlagen Unter einem Vermächtnis ist die letztwillige Zuwendung eines Vermögensvorteils an einen Dritten 96 (Vermächtnisnehmer) zu verstehen, der nicht zugleich als Erbe eingesetzt ist (§ 1939 BGB). Anders als der Erbe wird der Vermächtnisnehmer nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers Eigentümer des vermachten Gegenstands, sondern er erwirbt durch das Vermächtnis das Recht, von dem Beschwerten (§ 2147 BGB) die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB). Das Vermächtnis als solches stellt den Rechtsgrund für die Übereignung (im Falle eines vermachten Grundstücks durch Auflassung, § 925 BGB, und Eintragung im Grundbuch, § 873 BGB) dar. Das Vermächtnis unterliegt als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaft- 97 steuer. Soweit es sich bei dem vermachten Gegenstand um ein Grundstück handelt, sind hinsichtlich der Grunderwerbsteuerbarkeit folgende Vorgänge zu unterscheiden: Zunächst geht mit dem Tod des Erblassers das Grundstück nach § 1922 BGB auf den/die Erben über. Dieser Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, aber steuerfrei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, da er als Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt (s. insoweit oben Rz. 75). In einem weiteren Schritt hat der beschwerte Erbe das Grundstück durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 BGB) an den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Dieser Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, aber ebenfalls steuerfrei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, da er nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb durch Vermächtnis der Erbschaftsteuer unterliegt. Die unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkte der Erbschaftsteuer auf der einen Seite (Anfall des Vermächtnisses) und der Grunderwerbsteuer auf der anderen Seite (Auflassung an den Vermächtnisnehmer) spielen im Hin1 Meincke/Hannes/Holtz 17, § 5 ErbStG Rz. 1.

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§ 3 Rz. 97 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung blick auf den Normzweck des § 3 Nr. 2 GrEStG keine Rolle. Vielmehr umfasst der einheitliche Lebensvorgang eines „Erwerbs durch Vermächtnis“ i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sowohl den Anfall des Vermächtnisses bei dem Vermächtnisnehmer als auch die anschließende Verschaffung des Grundstückseigentums durch den Erben. 98

Ist das vermachte Grundstück belastet (bspw. mit Grundschulden) und übernimmt der Vermächtnisnehmer diese Belastungen (§ 2165 BGB), erwirbt er das Grundstück letztlich „teilentgeltlich“. Erbschaftsteuerrechtlich findet jedoch keine Aufspaltung eines solchen Sachvermächtnisses in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil statt. Dieser Betrachtung ist für die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu folgen, so dass der Grundstückserwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG insgesamt steuerfrei ist.1 Dasselbe gilt, sofern der Vermächtnisnehmer seinerseits durch Auflagen (§ 1940 BGB), ein Unter- (§ 2147 BGB) oder Nachvermächtnis (§ 2191 BGB) oder in sonstiger Weise (etwa durch die Zahlung eines geringen Aufpreises) beschwert ist. b) Wahlvermächtnis

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Beruht der Grundstückserwerb auf einem Wahlvermächtnis (§ 2154 Abs. 1 Satz 1 BGB), gilt ein vom Vermächtnisnehmer ausgewähltes Grundstück gem. § 263 Abs. 2 BGB als von Anfang an aufgrund des ausgesetzten Vermächtnisses geschuldete Leistung. Der Grundstückserwerb gilt als Erwerb von Todes wegen durch Vermächtnis i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und unterliegt demnach der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. c) Verschaffungsvermächtnis

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Wird dem Vermächtnisnehmer ein Grundstück vermacht, das nicht (allein) zum Nachlass gehört (Verschaffungsvermächtnis, §§ 2169, 2170 BGB), sind folgende Konstellationen zu unterscheiden, die im Ergebnis ausnahmslos zu einem steuerfreien Erwerb durch den Vermächtnisnehmer führen: – Gehört das vermachte Grundstück dem Erben/Beschwerten, so ist seine Übertragung auf den Vermächtnisnehmer ebenso steuerfrei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG wie die Übertragung eines Nachlassgrundstücks. Gleiches muss gelten, wenn das Vermächtnis teils aus dem Nachlass, teils aus dem Eigenvermögen des Erben/Beschwerten zu erfüllen ist oder auch, wenn das vermachte Grundstück zum Vermögen einer Personengesellschaft gehört, an der der Erblasser, der Erbe/Beschwerte und der Vermächtnisnehmer beteiligt sind.2 – Muss der Erbe/Beschwerte das Grundstück erst von einem Dritten erwerben, so unterliegt dieser Erwerb der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die anschließende Übertragung auf den Vermächtnisnehmer ist dagegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG steuerbar, aber nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. – Erwirbt der Erbe/Beschwerte das Grundstück direkt zugunsten des Vermächtnisnehmers (§ 328 BGB), liegt lediglich ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang vor. Die sich dem Kaufvertrag zwischen dem Erben/Beschwerten und dem Grundstückseigentümer anschließende Auflassung an den Vermächtnisnehmer stellt den bloßen Vollzug dieses steuerbaren Erwerbsvorgangs (und gleichzeitig den Vollzug des Vermächtnisses) dar und unterliegt nicht (erneut) der Grunderwerbsteuer. d) Kaufrechtsvermächtnis

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Räumt der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen dem Vermächtnisnehmer das Recht ein, ein zum Nachlass gehörendes Grundstück von dem/den Erben zu einem i.d.R. unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis zu erwerben (Kaufrechtsvermächtnis), ist fraglich, ob Gegenstand des Vermächtnisses das Recht ist, unmittelbar die Übertragung eines bestimmten Grundstücks aus dem Nachlass zu fordern. In diesem Fall läge ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG steuerbarer Grundstückserwerb vor, der seinen Rechtsgrund in der Verfügung von Todes wegen hat und daher nach § 3 Nr. 2 Satz 1 1 BFH v. 21.7.1993 – II R 118/90, BStBl. II 1993, 765. 2 BFH v. 12.12.1979 – II R 79/75, BStBl. II 1980, 220.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 106 § 3

GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Gegenstand des zugewendeten Vermächtnisses könnte dagegen auch ein rein schuldrechtlicher Anspruch sein, den Abschluss des Kaufvertrages über das Grundstück vom Beschwerten zu fordern. In diesem Fall läge ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, der einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht zugänglich ist, da hier nicht die Verfügung von Todes wegen, sondern erst der sich anschließende Abschluss des Kaufvertrags die Grunderwerbsteuerbarkeit begründet. Während der BFH in früheren Urteilen grundsätzlich davon ausgegangen war, dass durch ein Kaufrechtsvermächtnis grundsätzlich ein Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück zugewendet wird und der entsprechende Erwerb daher nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei ist,1 hat der BFH diese Rechtsprechung mit Urteil vom 16.1.2019 ausdrücklich aufgegeben.2 Bei einem derartigen Vermächtnis sei vielmehr stets durch Auslegung zu ermitteln, ob der vermachte Gegenstand lediglich das Recht auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrags oder der Anspruch auf Übertragung des Grundstücks ist. Nur in letzterem Fall sei es mit dem Ziel und Zweck von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG vereinbar, den Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer zu befreien, da der Erwerb des Grundstücks durch Vermächtnis bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich der Erbschaftsteuer unterliege. Die Finanzverwaltung hat sich dieser neuen Auffassung angeschlossen.3

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Für ein vermachtes Recht auf Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück könne sprechen, dass 103 in dem Vermächtnis noch kein oder zumindest noch kein konkreter, sondern lediglich ein bestimmbarer Kaufpreis genannt werde und dieser erst in dem Kaufvertrag festgelegt werden müsse. Ein weiteres Indiz könne die Vorgabe eines zeitlichen Rahmens für die Ausübung des Kaufrechts sein, da in diesem Fall offenbleibe, ob der Vermächtnisnehmer den Anspruch ausübe und es überhaupt zu einem grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang hinsichtlich des Grundstücks komme. Umgekehrt spreche ein bereits im Vermächtnis konkret festgelegter Kaufpreis für die Zuwendung eines Übereignungsanspruchs durch die Verfügung von Todes wegen. Für die Praxis kommt es also in den Fällen des Kaufrechtsvermächtnisses entscheidend auf die For- 104 mulierung an. Nur sofern das Vermächtnis unmittelbar die Übertragung eines bestimmten Grundstücks aus dem Nachlass zum Gegenstand hat, liegt ein Grundstückserwerb von Todes wegen vor und greift die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. e) Vorkaufrechtsvermächtnis Bei einem Vorkaufrechtsvermächtnis räumt der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen dem Vermächtnisnehmer lediglich das Recht auf Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechts ein. Das Vorkaufrechtsvermächtnis ist bereits mit der Bewilligung und Eintragung des dinglichen Vorkaufrechts im Grundbuch erfüllt. Der sich anschließende Erwerb des Grundstücks durch Abschluss eines entsprechenden Grundstückskaufvertrags ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit, da es insoweit an einem Bezug zur Verfügung von Todes wegen fehlt.4

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f) Geldvermächtnis Bei einem Geldvermächtnis findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grundsätzlich kei- 106 ne Anwendung, auch wenn der Beschwerte dieses durch die Übereignung eines Grundstücks abgelten will. Nimmt der Vermächtnisnehmer eine andere als die geschuldete Leistung an, ist diese als Leistung an Erfüllung statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB einzuordnen. Als solche bringt sie zwar das ursprüngliche Schuldverhältnis ohne weiteres zum Erlöschen, allerdings kann der für die Erbschaftsteuer maßgebliche Inhalt des Vermächtnisanspruchs (hier: Geldanspruch) dadurch nicht nachträglich verändert werden. Nach der Entstehung des Erbschaftsteueranspruchs (mit dem Erbfall) zwischen dem Beschwer1 BFH v. 13.8.2008 – II R 7/07, BStBl. II 2008, 982 = FR 2009, 192; v. 8.10.2008 – II R 15/07, BStBl. II 2009, 245. 2 BFH v. 16.1.2019 – II R 7/16, BStBl. II 2019, 617. 3 FinMin. NW v. 22.10.2020 – S 4505-3-V A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 4. 4 BFH v. 8.10.2008 – II R 15/07, BStBl. II 2009, 245.

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§ 3 Rz. 106 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung ten und dem Vermächtnisnehmer getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch verändern.1 Der auf der Erfüllungsabrede beruhende Grundstückserwerb des Vermächtnisnehmers ist daher nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer ausgenommen. g) Ausschlagung eines Vermächtnisses 107

Im Falle der Ausschlagung eines Vermächtnisses (§ 2180 BGB) und der Übertragung eines Grundstücks als Abfindung hierfür, findet in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG Anwendung (vgl. hierzu auch Rz. 119 ff.). Danach gilt das Grundstück als vom Erblasser zugewendet und damit als von Todes wegen erworben i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Da die grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtung der erbschaftsteuerrechtlichen folgt, ist mithin der Grundstückserwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Hinsichtlich des Umfangs der Steuerbefreiung ist zu beachten, dass diese nur so weit gehen kann, wie das Grundstück auch tatsächlich als Abfindung für die Ausschlagung hingegeben wurde. Soweit der ausschlagende Vermächtnisnehmer einen Aufpreis zu zahlen hat, liegt in dieser Höhe gerade kein Erwerb von Todes wegen, sondern ein entgeltlicher Erwerb vor, der anteilig der Grunderwerbsteuer unterliegt. 4. Grundstückserwerb aufgrund Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

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Der Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) ist ebenso wie der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) ein reiner Geldanspruch. Wird ein solcher Anspruch geltend gemacht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG) und zu seiner Abgeltung ein Grundstück hingegeben, handelt es sich dabei um eine Leistung „an Erfüllung statt“ (§ 364 Abs. 1 BGB). Durch die Übertragung des Grundstücks wird zwar das ursprüngliche Schuldverhältnis zum Erlöschen gebracht, sein für die Erbschaftsteuer maßgeblicher Inhalt (Geldanspruch) jedoch nicht verändert.2 Demzufolge scheidet eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG mangels Erbschaftsteuerbarkeit des Erwerbsvorgangs aus.

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Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Grundstück dem Pflichtteilsberechtigten nicht zur Abgeltung des Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs, sondern als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Anspruch übertragen wird. In diesen Fällen gilt die Abfindung nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG als vom Erblasser zugewendetes Surrogat und wird somit der Erbschaftsteuer unterworfen. Der Grundstückserwerb wird demnach zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer befreit (s. auch Rz. 121 ff.). 5. Grundstückserwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG)

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Auf ein Schenkungsversprechen, welches unter der Bedingung erteilt wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, finden nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Erbschaftsteuerrechtlich unterfallen derartige Schenkungsversprechen als „Schenkungen auf den Todesfall“ der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG, wenn die Zuwendung nach zivilrechtlichen Maßstäben zu einer Bereicherung des Beschenkten führt und sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.

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Ist der Gegenstand eines solchen Schenkungsversprechens ein Grundstück und erfolgt die zu einer Bereicherung führende Zuwendung voll unentgeltlich, so ist der Vollzug des Schenkungsversprechens durch Übertragung des Grundstücks nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer befreit.

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Erfolgt die Übertragung in Vollziehung des Schenkungsversprechens dagegen nur teilweise unentgeltlich, so finden die Grundsätze der gemischten Schenkung Anwendung (vgl. Rz. 142 ff.). Der Erwerb ist in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuspalten. Hinsichtlich des entgeltli1 BFH v. 25.10.1995 – II R 5/92, BStBl. II 1996, 97; v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. II 1999, 23 = FR 1999, 663 mit Anm. Viskorf. 2 BFH v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. II 1999, 23 = FR 1999, 663 mit Anm. Viskorf; v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 117 § 3

chen Teils scheidet eine Besteuerung nach dem ErbStG mangels Bereicherung des Beschenkten aus. Demzufolge entfällt insoweit auch eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. 6. Grundstückserwerb kraft gesellschaftsrechtlichen Anteilsübergangs (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG gilt als Schenkung auf den Todesfall auch der Übergang des (Teils eines) Anteils eines Gesellschafters an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter, soweit der Wert dieses Anteils nach § 12 ErbStG die Höhe der Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Besteuert wird hier die durch Abfindung unter Wert ausgelöste Bereicherung der Mitgesellschafter. Grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz haben Anteilsübergänge grundsätzlich nur dann, wenn die Gesellschaft Grundbesitz hat und durch sie ein Rechtsträgerwechsel an diesem bewirkt wird.

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Zu einem grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechsel kommt es beim Tod eines Gesellschafters einer grundbesitzenden zweigliedrigen Personengesellschaft, wenn kraft Gesetzes oder gesellschaftsvertraglicher Regelung die Gesellschaft fortgeführt wird, ohne dass die Erben an die Stelle des verstorbenen Gesellschafters treten. In diesen Fällen geht das Gesellschaftsvermögen nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB kraft Anwachsung auf den einzig verbleibenden Gesellschafter über. Der damit verbundene Erwerb des Gesellschaftsgrundstücks ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbar. Ist der verbleibende Gesellschafter in diesen Fällen (Mit-)Erbe des verstorbenen Gesellschafters, kommt es neben der Begünstigung hinsichtlich des eigenen Anteils nach § 6 Abs. 2 GrEStG (unter Berücksichtigung der Einschränkungen des Abs. 4) im Übrigen zu einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, da der Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt.

114

Ist der verbleibende Gesellschafter dagegen kein (Mit-)Erbe des verstorbenen Gesellschafters, kommt 115 neben der Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur dann in Betracht, wenn § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG einschlägig ist. Die letztgenannte Vorschrift fingiert eine Schenkung auf den Todesfall und damit einen Erwerb von Todes wegen, wenn und soweit der Wert des gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangenen Gesellschaftsanteils nach § 12 ErbStG höher ist als der gesetzliche (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 105 Abs. 3 HGB) oder gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindungsanspruch der von der Nachfolge in das Gesellschaftsvermögen ausgeschlossenen Erben. In Höhe des die Abfindungsansprüche übersteigenden Steuerwerts des Anteils liegt eine Bereicherung des verbleibenden Gesellschafters vor und damit ein als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erbschaftsteuerbarer Vorgang. Aufgrund dieser Steuerbarkeit ist der Erwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in gleicher Höhe von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer befreit. In Höhe der zu leistenden Abfindungsansprüche erfolgt der Erwerb dagegen nicht von Todes wegen, sondern gerade entgeltlich. In dieser Höhe ist der Erwerb daher grunderwerbsteuerpflichtig. Im Rahmen einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist zu beachten, dass nach Satz 6 der Vor- 116 schrift bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes solche Anteile außer Betracht bleiben, die von Todes wegen erworben wurden. Wenn und soweit in den Fällen gesellschaftsrechtlicher Anteilsübergänge § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG einschlägig ist, gelten diese Anteile gerade als von Todes wegen erworben und bleiben somit bereits im Rahmen der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG außer Betracht, so dass sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht stellt. Soweit ein neuer Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG den Gesellschaftsanteil dagegen mit einer entsprechenden Ausgleichsverpflichtung übernimmt, greift insoweit § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG nicht. Es liegt mithin kein Erwerb von Todes wegen vor, so dass auch § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG nicht greift und der Anteilsübergang bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes mitberücksichtigt wird. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG muss dann aber wiederum mangels Erwerbs von Todes wegen ausscheiden. Führt ein Anteilsübergang i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG (unter Beachtung des Vorrangs des 117 § 1 Abs. 2a GrEStG) zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG an einer Personengesellschaft, gelten die vorstehenden Ausführungen (Rz. 51 ff.) entsprechend. Für das Beispiel einer GmbH & Co. KG bedeutet das Folgendes: Vereinigen sich die Anteile an der KG durch einen ErBerke

453

§ 3 Rz. 117 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung werb von Todes wegen in der Hand eines Gesellschafters, so ist der damit verbundene (fiktive) Grundstückserwerb hinsichtlich der Kommanditanteile dieses Gesellschafters nach § 6 Abs. 2 GrEStG steuerbegünstigt und hinsichtlich der angewachsenen Kommanditanteile nach § 3 Nr. 2 GrEStG in der Höhe steuerfrei, in welcher der Wert der Anteile hinter den Abfindungsansprüchen zurückbleibt. Gleiches gilt für die erworbene mittelbare Gesamthandberechtigung über die Komplementär-GmbH. Entsprechendes gilt auch für die Fälle, in denen durch einen Anteilsübergang i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht wird. 118

Bewirkt ein Anteilsübergang i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG oder einen Übergang bereits in der Hand des Erblassers vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG an einer Kapitalgesellschaft, ist die Steuerbefreiungsnorm des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG uneingeschränkt anzuwenden. Gleiches gilt für § 1 Abs. 3a GrEStG. 7. Grundstückserwerb als Abfindung i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG a) Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses

119

Nach § 1942 bzw. § 2176 BGB hat der Erbe bzw. Vermächtnisnehmer das Recht, den ihm angefallenen Erwerb nach dem Erbfall (§§ 1946, 2180 BGB) auszuschlagen, mit der Folge, dass der Anfall an sie gem. § 1953 bzw. § 2180 BGB als nicht erfolgt gilt. Zu einer Erbschaftsteuerpflicht für den Ausschlagenden wegen des zurückgewiesenen Erwerbs kommt es nicht. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ihm an Stelle des ausgeschlagenen Erwerbs eine Abfindung zufällt. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG wird diese als Surrogat für den ausgeschlagenen Erwerb behandelt und gilt daher als vom Erblasser zugewendet. Gegenstand der Erbschaftsteuer ist das, was als Abfindung gewährt wird.

120

Grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz erlangen die Fälle, wenn als Abfindung für die Ausschlagung ein Grundstück übertragen wird. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet und damit als Erwerb von Todes wegen, was als Abfindung (u.a.) für die Ausschlagung einer Erbschaft bzw. eines Vermächtnisses gewährt wird. Der Grundstückserwerb ist mithin nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erbschaftsteuerbar und damit grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer befreit. Der Umfang der Steuerbefreiung richtet sich nach der Höhe des ursprünglich von Todes wegen zugefallenen Erwerbs. Die Steuerbefreiung greift lediglich, sofern und soweit das Grundstück tatsächlich für die Ausschlagung hingegeben wird.1 Hat der Erwerber zusätzlich zu der Ausschlagung einen Aufpreis für das Grundstück zu zahlen, so unterliegt der Grundstückserwerb anteilig der Grunderwerbsteuer, da in dieser Höhe kein erbschaftsteuerbarer Erwerb vorliegt. b) Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch

121

Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG unterwirft auch die Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch der Erbschaftsteuer. Es handelt sich dabei zwingend um einen Verzicht auf die Geltendmachung des bereits entstandenen Pflichtteilsanspruchs nach dem Erbfall (für die Fälle des Verzichts gegen Abfindung vor dem Erbfall ist § 7 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 1 ErbStG einschlägig), aber vor seiner Geltendmachung. Nachdem der Pflichtteilsanspruch einmal geltend gemacht worden ist, kann er nämlich nicht mehr nachträglich durch einen Schulderlass seitens des Pflichtteilgläubigers erlöschen.

122

Wird als Abfindung für den Verzicht ein Grundstück übertragen, gilt das Grundstück nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG als vom Erblasser zugewendet, so dass der Erwerb der Erbschaftsteuer unterliegt und daher nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer befreit ist.

123

Abzugrenzen von den Fällen der Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft/eines Vermächtnisses bzw. des Verzichts auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch sind die Fälle der Leistung an Erfüllung statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB. Hat der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsanspruch bereits geltend gemacht, unterliegt dieser reine Geldanspruch gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Wird der Geldanspruch dann aber durch die Übertragung eines Grundstücks abgegolten, so beruht der Erwerb des Grundstücks nach der Rechtsprechung gerade nicht mehr auf der Verfügung von To1 BFH v. 21.6.1989 – II R 135/85, BStBl. II 1989, 731.

454

Berke

C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 129 § 3

des wegen, sondern auf der nach Entstehung des Erbschaftsteueranspruchs getroffenen Vereinbarung der Parteien (Erfüllungsabrede). Zwar führen diese zum Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses, sie können aber den einmal entstandenen Erbschaftsteueranspruch weder aufheben noch verändern. Demzufolge scheidet eine Besteuerung der nachfolgenden Grundstücksübertragung zur Abgeltung eines Vermächtnisses bzw. eines Pflichtteilsanspruchs nach dem ErbStG aus. Der Grundstückserwerb ist mangels Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig. Zur Vermeidung einer Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs mit Erbschaftsteuer und einer zusätzlichen Besteuerung der Grundstücksübertragung mit Grunderwerbsteuer ist in der Kautelarpraxis darauf zu achten, dass die Grundstücksübertragung als reine Abfindungsleistung für den Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch ausgestaltet wird. Zu beachten ist weiterhin, dass diese Ausgestaltung als Abfindung nach der Rechtsprechung nur solange möglich erscheint, wie der Pflichtteilsanspruch noch nicht geltend gemacht wurde und demzufolge der Erbschaftsteueranspruch nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG noch nicht entstanden ist. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht in der Bekundung des Entschlusses des Berechtigten in Form eines ernstlichen Verlangens auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben.

123.1

Eine Grundstücksübertragung unter Lebenden als Abfindung für einen Erbverzicht i.S.d. §§ 2346, 2352 BGB gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als Schenkung unter Lebenden (s. Rz. 152).

124

IV. Grundstücksschenkungen unter Lebenden 1. Rechtliche Grundlagen § 7 ErbStG enthält eine abschließende Aufzählung aller Erwerbe, die als Schenkung unter Lebenden gelten und als solche der Schenkungsteuer unterliegen. Handelt es sich bei dem Gegenstand einer solchen Schenkung um ein Grundstück, ist dessen Übertragung zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar, aber gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Eine Einschränkung gilt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG für Grundstücksschenkungen unter einer Auflage: derartige Schenkungen sind hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Berechnung der Schenkungsteuer abziehbar sind, von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ausgenommen.

125

Die z.T. unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte der Grunderwerbsteuer auf der einen Seite (nach 126 § 1 Nr. 1 GrEStG mit notariellem Schenkungsversprechen) und der Schenkungsteuer auf der anderen (mit Ausführung der Zuwendung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) sind unerheblich, da § 3 Nr. 2 GrEStG ausschließlich auf die Tatbestandsmäßigkeit der freigebigen Zuwendung i.S.d. ErbStG abstellt. Die Vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG begünstigt nicht allein isolierte Grundstücksschenkungen, sondern darüber hinaus in den Fällen einer schenkweisen Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft auch fingierte Grundstückserwerbe i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG.

127

2. Grundstückserwerb aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) a) Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung Die freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist ein rein steuerrechtlicher Begriff. Sie setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Zuwendung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich erfolgt. Diese objektive Komponente der Bereicherung erfordert, dass der Bedachte über den Zuwendungsgegenstand im Innenverhältnis zum Zuwendenden zivilrechtlich tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.1

128

In subjektiver Hinsicht setzt eine freigebige Zuwendung den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit voraus. Der Wille zur Freigebigkeit erfordert lediglich, dass der Zuwendende sich der Unent-

129

1 BFH v. 28.10.2009 – II R 32/08, BFH/NV 2010, 893; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 m.w.N.

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§ 3 Rz. 129 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung geltlichkeit bewusst ist und er den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des Begriffs der (Un-)Entgeltlichkeit „nach Laienart“ zutreffend erfasst. Das heißt der Wille zur Unentgeltlichkeit ist dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten.1 Eine darüber hinausgehende Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Der Begriff der freigebigen Zuwendung ist damit weitergehend als der zivilrechtliche Begriff der Schenkung, der das Einigsein beider Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung verlangt (§ 516 Abs. 1 BGB). 130

Der Gegenstand der freigebigen Zuwendung richtet sich grundsätzlich danach, was nach dem übereinstimmenden Willen von Zuwendendem und Bedachtem geschenkt sein soll. Entscheidend ist darüber hinaus allerdings, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber er im Verhältnis zum Zuwendenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.2 Wird etwa ein Grundstück unentgeltlich übertragen, jedoch mit der Auflage, dass der Bedachte dieses zeitnah veräußert, ist Gegenstand der Zuwendung somit nicht das Grundstück, sondern vielmehr der damit zu erzielende Veräußerungserlös (mittelbare Geldschenkung).3 b) Unbenannte Zuwendungen

131

Zuwendungen unter Ehegatten sind zivilrechtlich in der Regel nicht als Schenkungen i.S.d. §§ 516 ff. BGB, sondern vielmehr als sog. „unbenannte Zuwendungen“ zu qualifizieren. Die Besonderheit dieser unbenannten (ehebedingten) Zuwendungen liegt darin, dass ihnen die Erwartung des zuwendenden Ehegatten zugrunde liegt, dass die Ehe Bestand haben werde und die Zuwendung um der Ehe willen als Beitrag zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht wird. Demnach fehlt es in aller Regel an der zivilrechtlich erforderlichen Einigkeit der Parteien über die Unentgeltlichkeit. Die zivilrechtliche Einordnung als unbenannte Zuwendung ist allerdings in steuerrechtlicher Hinsicht für die Beurteilung der objektiven Unentgeltlichkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG irrelevant. Diese Beurteilung richtet sich ausschließlich nach den vorgenannten Grundsätzen (Rz. 128 ff.). Die Unentgeltlichkeit kann nicht allein deswegen verneint werden, weil der unbenannten Zuwendung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen. Die frühere Auffassung des BFH, wonach derartige Zuwendungen stets dem „Ausgleich für geleistete Mitarbeit“ des bedachten Ehegatten oder dessen „angemessener Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens“ dienten und daher entgeltlich erfolgten,4 ist inzwischen überholt. Es ist allgemein davon auszugehen, dass unbenannte Zuwendungen objektiv unentgeltlich erfolgen und daher der Schenkungsteuer unterliegen, sofern sich der leistende Ehegatte der Unentgeltlichkeit bewusst ist.5

132

Die vorstehenden Überlegungen gelten gleichermaßen für Zuwendungen unter Lebenspartnern i.S.d. § 1 LPartG. c) Vorweggenommene Erbfolge

133

Unter dem zivilrechtlichen Begriff der vorweggenommenen Erbfolge wird die rechtsgeschäftliche Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger verstanden. Da es sich hierbei um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt, durch das schon zu Lebzeiten des (künftigen) Erblassers Rechte und Pflichten begründet werden, richtet sich die vorweggenommene Erbfolge nicht nach dem Erbrecht. Vielmehr bestehen im Rahmen der Rechtsgeschäfte unter Lebenden vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, wobei das auf die vorweggenommene Erbfolge gerichtete Rechtsgeschäft typischerweise eine Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 (oder Nr. 2) ErbStG enthält.6 Wird mithin ein Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, ist dessen nach 1 2 3 4 5 6

BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. BFH v. 13.3.1996 – II R 51/95, BStBl. II 1996, 548. FG Münster v. 7.6.2017 – 8 K 2338/14 GrE. BFH v. 28.11.1984 – II R 133/83, BStBl. II 1985, 159. Gebel in T/G/J/G, § 7 ErbStG Rz. 171. Meincke/Hannes/Holtz 17, § 7 ErbStG Rz. 4.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 136 § 3

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG steuerbarer Erwerb daher regelmäßig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer ausgenommen. d) Unentgeltliche Übertragungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts Unentgeltliche Übertragungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts können nur dann eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen, wenn diese keinen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt. Träger der öffentlichen Verwaltung sind dagegen nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz und damit auch an haushaltsrechtliche Vorschriften gebunden. Diese Bindung der vollziehenden Gewalt lässt eine freigebige Zuwendung nicht zu, ohne dass damit zugleich eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben einherginge. Daher sind unentgeltliche Vermögensübertragungen der öffentlichen Hand grundsätzlich (und unabhängig von einem etwaigen Ermessensspielraum) mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verknüpft, sie erfolgen damit gerade nicht freigebig. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig überschreitet.1

134

Die vorgenannte Einschränkung gilt jedoch nicht für Vermögensübertragungen durch Kirchen bzw. deren Untergliederungen (wie etwa katholische Kirchengemeinden). Diese unterliegen gerade nicht dem staatlichen Haushaltsrecht, sondern ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen der für alle geltenden Gesetze (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung); sie sind somit nicht daran gehindert freigebige Zuwendungen zu erbringen.2

135

e) Mittelbare Grundstücksschenkung In den Fällen einer mittelbaren Grundstücksschenkung scheidet eine Befreiung von der Grund- 136 erwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG aus. Dies gilt unabhängig davon, ob die mittelbare Grundstücksschenkung im Wege der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks oder zur Bebauung eines dem Bedachten bereits gehörenden Grundstücks oder im Wege des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages zugunsten des Bedachten (§ 328 BGB) erfolgt. In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht ist für die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG allein das Verhältnis zwischen Zuwendendem und Bedachtem ausschlaggebend. In diesem Verhältnis vollzieht sich bei der mittelbaren Grundstücksschenkung zwar die freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, nicht jedoch der nach § 1 GrEStG steuerbare Grundstückserwerb. In den Fällen der Hingabe des Geldes zum Erwerb (oder zur Bebauung) eines Grundstücks vollzieht sich der Grundstückserwerb vielmehr zwischen dem Bedachten und dem Dritten (Grundstücksverkäufer). In diesem Verhältnis liegt jedoch ein entgeltlicher Erwerb vor (auch wenn letztlich der Zuwendende den Kaufpreis begleicht), so dass hier eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ausscheidet. Der in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht in diesen Fällen z.T. schwierigen Abgrenzung der mittelbaren Grundstücksschenkung von der Geldschenkung unter der Auflage des Grundstückserwerbs kommt in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht keine Bedeutung zu, da sich auch in den letztgenannten Fällen der Grundstückserwerb nicht zwischen Zuwendendem und Bedachtem vollzieht und eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG daher ausscheidet. Gleiches gilt außerdem für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages zugunsten des Bedachten i.S.d. § 328 BGB, da auch hier im Verhältnis zwischen Zuwendendem und Bedachtem kein grunderwerbsteuerrechtlich relevanter Vorgang vorliegt und das Grundstück im Ergebnis entgeltlich vom Dritten erworben wird. Dieser Einordnung steht auch der mit der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG verfolgte Gesetzeszweck der Vermeidung einer Doppelbesteuerung eines einheitlichen Lebenssachverhalts nicht entgegen. Zwar unterliegt in den genannten Gestaltungsformen die Erbringung der Geldleistung an den Bedachten der Schenkungsteuer und der damit verwirklichte Grundstückserwerb der Grunderwerbsteuer, es handelt sich dabei jedoch um zwei getrennte, rechtlich selbständige Erwerbsvorgänge.

1 BFH v. 1.12.2004 – II R 46/02, BStBl. II 2005, 311 = FR 2005, 606 mit Anm. Viskorf; v. 29.3.2006 – II R 15/04, BStBl. II 2006, 557 = FR 2006, 702. 2 BFH v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632.

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§ 3 Rz. 137 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung f) Schenkweise Übertragung eines Übereignungsanspruchs 137

In den Fällen der schenkweisen Übertragung eines Übereignungsanspruchs auf den Bedachten sind in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht zwei verschiedene Gestaltungen zu unterscheiden: Der BFH bejaht in diesen Fällen eine mittelbare Grundstücksschenkung dann, wenn der Bedachte im Innenverhältnis zum Zuwendenden ausschließlich die Erfüllung des abgetretenen Anspruchs herbeiführen darf und nicht befugt ist, über den Anspruch anderweitig (etwa durch Weiterübertragung) zu verfügen.1 Aufgrund der genannten Zweckbindung kann der Bedachte im Verhältnis zum Zuwendenden erst über das Grundstück frei verfügen und ist somit auch erst durch dessen Erwerb bereichert i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

138

Im Gegensatz dazu liegt gerade keine mittelbare Grundstücksschenkung vor, wenn der Käufer eines Grundstücks den ihm zustehenden Übereignungsanspruch schenkweise auf den Bedachten überträgt und der Schenkungsvertrag keine Zweckbindung enthält.2 Gegenstand der Zuwendung ist in diesem Fall der Übereignungsanspruch, da der Bedachte mangels Zweckbindung bereits über diesen frei verfügen kann und mithin eine entsprechende Bereicherung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt.

139

In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht dürften beide Fälle jedoch identisch zu behandeln sein. Die Steuerbarkeit ergibt sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG. Die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist bei schenkweiser Übertragung des Übereignungsanspruchs ohne Zweckbindung unproblematisch zu bejahen, da in diesem Fall sowohl der Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer ein und derselbe Lebensvorgang, nämlich die Anspruchsabtretung, zugrunde liegt. In den Fällen, in denen der Übereignungsanspruch schenkweise übertragen wird und die Parteien im Innenverhältnis zugleich eine Zweckbindung dergestalt vereinbaren, dass der Bedachte ausschließlich die Erfüllung des übertragenen Anspruchs herbeiführen darf, kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG steuerbare Erwerb ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Auch wenn hier die Schenkungsteuer hinsichtlich der für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlichen Bereicherung nicht schon an die Abtretung des Übereignungsanspruchs, sondern erst an die anschließende Herbeiführung der Erfüllung anknüpft, erscheint es gerade im Hinblick auf die Zweckbindung gekünstelt, zwei verschiedene Lebensvorgänge anzunehmen. Nach dem in der Zweckbindung klar zum Ausdruck kommenden Willen des Zuwendenden3 gehören beide Vorgänge (Anspruchsübertragung und Anspruchserfüllung) im Sinne eines einheitlichen Erwerbsvorgangs zusammen. Es handelt sich damit im Ergebnis um rein rechtstechnisch verschiedene Anknüpfungspunkte der Grunderwerbsteuer einerseits (Anspruchsübergang) und Schenkungsteuer andererseits (Anspruchserfüllung), denen im Hinblick auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG keine Bedeutung zukommt. g) Kettenschenkung

140

Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung in Form eines Grundstücks, das er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung an einen Dritten weiterzugeben hat und tatsächlich weitergibt (Kettenschenkung), liegen grunderwerbsteuerrechtlich zwei steuerbare Vorgänge vor. Zunächst erfolgt die Übertragung des Grundstücks mit der Verpflichtung zur Weiterübertragung auf die Mittelsperson. Diese ist für sich genommen nicht schenkungsteuerbar, da es im Hinblick auf die Verpflichtung zur Weitergabe ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit des Bedachten an einer Bereicherung in seinem Verhältnis zum Zuwendenden fehlt. Demzufolge scheidet eine Schenkungsteuerbarkeit grundsätzlich aus. In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht bleibt somit für die Steuerbefreiung des nach § 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgangs nach § 3 Nr. 2 GrEStG kein Raum. In der Weiterübertragung des Grundstücks von der Mittelsperson auf den Dritten (= Bedachten) scheitert die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG aus den gleichen Gründen, da aufgrund der bestehenden Verpflichtung der Mittelsperson zur Weitergabe grundsätzlich keine Freigebigkeit der Zuwendung gegeben ist und damit auch in diesem Verhältnis eine Schenkungsteuerbarkeit ausscheidet. Allerdings bedient man sich schenkungsteuerrechtlich einer Gesamtbetrachtung beider Vorgänge, die im Ergebnis zu 1 BFH v. 10.11.2004 – II R 44/02, BStBl. II 2005, 188 = FR 2005, 269 mit Anm. Viskorf. 2 BFH v. 21.5.2001 – II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404. 3 Behrens, BB 2015, 2525 (2527) zur Relevanz des Willens.

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Berke

C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 142 § 3

einer freigebigen Zuwendung des Schenkers an den bedachten Dritten und damit doch noch zu einer Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führt.1 Grunderwerbsteuerrechtlich liegt aber gerade in diesem Verhältnis zwischen Schenker und Bedachtem kein nach § 1 steuerbarer Grundstückserwerb vor. Der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerb vollzieht sich zwischen der Mittelsperson und dem Dritten. Damit unterliegen im Falle der Kettenschenkung sowohl die Grundstücksübertragung auf die Mittelsperson als auch die Weiterübertragung auf den Dritten der Grunderwerbsteuer, während zusätzlich die schenkungsteuerrechtliche Gesamtbetrachtung dieser beiden Teilakte zu einer Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führt. Diese bisher in der Literatur so vertretene Auffassung2 wurde nunmehr durch das Urteil des BFH vom 25.8.2020 bestätigt: § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG setze voraus, dass sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollziehe, was bei der Vollziehung einer Schenkungsauflage ausgeschlossen sei.3 Dieses Ergebnis vermag nicht zu überzeugen. Zum einen sind keine Gründe ersichtlich, warum von 141 der für die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grundsätzlich geltenden Maßgeblichkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer an dieser Stelle abgewichen werden wird. Zum anderen erscheint die Gewährung der Steuerbefreiung auch vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks sinnvoll, denn im Ergebnis handelt es sich um einen einheitlichen Vorgang, dessen Doppelbelastung mit Erbschaft-/Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gerade vermieden werden soll. Da bei der Kettenschenkung das angestrebte und gewollte einheitliche Ziel beider Teilakte die Bereicherung des Dritten (Bedachten) um das Grundstück ist, liegt hier insgesamt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor. Dies muss mit der gleichen Begründung wie für die Schenkungsteuer auch für die Grunderwerbsteuer gelten. Auch der von der Literatur zum Teil herangezogene Vergleich mit der mittelbaren Grundstücksschenkung kann hier nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Im Gegensatz zu den Fällen der Kettenschenkung kann man bei einer mittelbaren Grundstücksschenkung, bei der das Geld vom Schenker zum Erwerb eines bestimmten Grundstücks zugewendet und das Grundstück letztlich entgeltlich von einem Dritten erworben wird, schwerlich von einem freigebigen Erwerb des Grundstücks vom Schenker sprechen. Vielmehr sind die Zuwendung des Geldes und der Erwerb des Grundstücks als getrennte Lebensvorgänge einzuordnen. Vorzugswürdig erscheint es daher, den Erwerb des bedachten Dritten von der Mittelsperson, der sich bei einer Gesamtbetrachtung als Erwerb vom Schenker darstellt, nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer auszunehmen.4 In dem vorgenannten Urteil hat der BFH außerdem festgehalten, dass sich in den Fällen einer Ketten- 141.1 schenkung auch keine Steuerbefreiung aus der Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften oder durch die mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift ergebe.5 Zwar komme eine Zusammenschau grundsätzlich in Betracht, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Leistungsweg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe ebenfalls steuerfrei wären. Ein abgekürzter Leistungsweg liege aber gerade nicht vor, wenn der Gegenstand der Schenkungsauflage bereits ganz oder teilweise Gegenstand der Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an die Mittelsperson gewesen sei, da der Schenker den Gegenstand in diesen Fällen auch unmittelbar dem Dritten hätte zuwenden können. Der Leistungsweg werde in diesen Fällen nicht verkürzt, sondern vielmehr verlängert. h) Gemischte Grundstücksschenkung Eine gemischte freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist dann gegeben, wenn einer höherwertigen Leistung eine Leistung von geringerem Wert gegenübersteht und die höherwertige Zuwendung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthält, ohne dass sich die höherwertige Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen lässt.6 1 BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. 2 Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 19; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 238; nicht ganz eindeutig Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 142. 3 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. 4 So auch Viskorf in FS Spiegelberger, 518 (521). 5 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322 (Rz. 26). 6 BFH v. 21.10.1981 – II R 176/78, BStBl. II 1982, 83.

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142

§ 3 Rz. 142 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung Schenkungsteuerrechtlich relevant ist nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der Zuwendung, da es im Übrigen an einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden fehlt. 143

Die Ermittlung, ob und inwieweit eine teilweise unentgeltliche Übertragung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt, erfordert zum einen in objektiver Hinsicht eine Gegenüberstellung, Bewertung und Saldierung der gesamten in dem Kaufvertrag begründeten gegenseitigen Leistungspflichten. Zum anderen muss sich in subjektiver Hinsicht (zumindest) derjenige Vertragspartner, der sich zu der höherwertigen Leistung verpflichtet hat, der Unausgewogenheit der gegenseitigen Leistungen bewusst sein.1

144

Wird im Rahmen einer gemischten Schenkung ein Grundstück übertragen, ist zunächst der Grundstückserwerb insgesamt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Soweit der Grundstückserwerb aber unentgeltlich erfolgt und somit der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt, ist dieser Erwerbsteil nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. In dem Umfang, in dem sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen, liegt dagegen keine freigebige Zuwendung i.S.d. ErbStG vor. Der entgeltliche Teil des Grundstückserwerbs unterliegt daher mit der entsprechenden Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer und ist mangels Schenkungsteuerbarkeit nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG befreit.

145

Gemischte freigebige Zuwendungen liegen auch im Rahmen von Erbauseinandersetzungen vor, wenn einem der Erben mehr zugeteilt wird, als ihm bei einer Erbauseinandersetzung nach den gesetzlichen Vorschriften oder nach der Verfügung von Todes wegen zustünde. In diesem Fall liegt hinsichtlich des den Erbteil übersteigenden Erwerbs eine Bereicherung im Sinne einer freigebigen Zuwendung desjenigen vor, auf dessen Kosten die Bereicherung erfolgt, i.d.R. also der übrigen Erben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die eingetretene Bereicherung auf Kosten der anderen Erben gerade der Beseitigung einer Ungewissheit oder eines Streites darüber dienen sollte, was dem Erben bei Auflösung der Erbengemeinschaft zustehe2 (vgl. insoweit auch die Ausführungen zum Erbvergleich Rz. 89). 3. Grundstücksschenkung unter Auflage (Nr. 2 Satz 2)

146

Eine Schenkung unter Auflage i.S.d. § 525 BGB liegt vor, wenn eine unentgeltliche Zuwendung unter einer Nebenbestimmung erfolgt, die den Bedachten zu einer Leistung (Tun oder Unterlassen) verpflichtet, die aus dem Zuwendungsgegenstand bzw. seinem Wert zu entnehmen ist. In Abgrenzung zu einer gemischten Schenkung (s. Rz. 142) wird der gesamte Gegenstand geschenkt und soll die Leistung nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage bzw. aus dem Wert der Zuwendung erfolgen.3 Es liegt also gerade kein Austauschverhältnis vor.

147

Für Grundstücksschenkungen unter Auflage gilt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG eine Besonderheit insoweit, als die Befreiung des Erwerbs von der Grunderwerbsteuer nur so weit reicht, wie der Wert der Auflage auch tatsächlich (rechnerisch) der Schenkungsteuer unterliegt. Soweit der Wert der Auflage dagegen bei der Berechnung der Schenkungsteuer abziehbar ist, unterliegt der Grundstückserwerb der Grunderwerbsteuer.

148

In schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht sind Grundstücksschenkungen unter einer Leistungsauflage von Grundstücksschenkungen unter einer Nutzungs- oder Duldungsauflage zu unterschieden. Maßgeblich ist dabei der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen. Eine Leistungsauflage liegt vor, soweit dem Bedachten Geld- oder Sachleistungen auferlegt sind, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Grundstücks auch aus seinem persönlichen Vermögen erbringen kann. Für die Leistungserbringung ist also irrelevant, ob der Bedachte das zugewendete Grundstück behält oder es ganz oder teilweise veräußert. Ist der Bedachte zu Geldzahlungen verpflichtet ist regelmäßig von einer Leistungsauflage auszugehen.4 Grundstücksschenkungen unter einer Leistungsauflage werden nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung behandelt und in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgespalten (s. Rz. 144). Die z.T. äußerst schwierige Abgrenzung zwischen einer Schen1 2 3 4

BFH v. 30.3.1994 – II R 7/92, BStBl. II 1994, 580 (Rz. 19); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 146. BFH v. 14.7.1982 – II R 125/79, BStBl. II 1982, 714. Koch in MüKo8, § 525 BGB Rz. 2 u. 4. BFH v. 13.4.2011 – II R 27/09, BStBl. II 2011, 730 = FR 2011, 723; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 261.

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C. Grundstückserwerbe von Todes wegen u. Grundstücksschenkungen (Nr. 2)

Rz. 151 § 3

kung unter einer Leistungsauflage und einer gemischten Schenkung ist somit aufgrund der identischen Handhabung für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung. Im Gegensatz dazu liegt eine Nutzungs- oder Duldungsauflage vor, wenn der Bedachte zwar um das Eigentum am Grundstück bereichert ist, ihm aber die Nutzungen nicht sofort vollumfänglich gebühren. Beispiele hierfür sind nach ständiger Rechtsprechung Grundstücksschenkungen unter der Auflage einer Nießbrauchbestellung (§§ 1030 ff. BGB) oder der Bestellung eines dinglichen Wohnrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des Zuwendenden oder eines Dritten.1 In diesen Fällen bewirkt die Auflage ein Hinausschieben des mit dem Eigentumsübergang grundsätzlich verbundenen vollen Nutzungsrechts auf Zeit. Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern die Bereicherung des Bedachten i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und sind damit grundsätzlich schenkungsteuerrechtlich abziehbar. Dies gilt (seit 1.1.2009)2 auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Zuwendenden selbst oder seinem Ehegatten zusteht. Nicht bereicherungsmindernd und damit schenkungsteuerrechtlich nicht abziehbar sind dagegen Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugutekommen (§ 10 Abs. 9 ErbStG). Grunderwerbsteuerrechtlich liegt im Umfang des Werts der Nutzungs- oder Duldungsauflage eine Gegenleistung vor. Um auch in dieser Konstellation dem Zweck der Vermeidung einer Doppelbesteuerung gerecht zu werden, stellt § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG insoweit klar, dass nur solche Auflagen der Grunderwerbsteuer unterliegen, die schenkungsteuerrechtlich abziehbar sind.

149

Umstritten war bislang, ob eine Grundstücksschenkung unter der Nutzungs- oder Duldungsauflage 150 hinsichtlich des Werts dieser Auflage auch dann der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn die Schenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist und sich deshalb eine schenkungsteuerrechtliche Abziehbarkeit der Auflage nicht auswirken konnte. Die Frage wurde inzwischen höchstrichterlich dahingehend beantwortet, dass es allein darauf ankomme, dass die Auflage dem Grunde nach bereicherungsmindernd abziehbar sei.3 Dabei ist unerheblich, ob die Auflage tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde oder nicht. Das gelte auch dann, wenn die Grundstücksschenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist. Der BFH argumentiert insbesondere damit, dass der Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG insofern eindeutig sei, und der Gesetzgeber es durch eine entsprechende Formulierung klar zum Ausdruck hätte bringen können und müssen, wenn eine Schenkung unter einer Auflage nur insoweit der Grunderwerbsteuer unterliegen sollte, als der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogen wurde. Es spielt also konsequenterweise für die Grunderwerbsteuer auch in diesem Fall keine Rolle, ob tatsächlich Schenkungsteuer festgesetzt wurde oder nicht. Fraglich war bisweilen zudem, welcher Wert der Besteuerung i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zugrunde 151 zu legen ist. In Betracht kommt insoweit ein Gleichlauf mit dem für Zwecke der Schenkungsteuer ermittelten Kapitalwert der Auflage oder eine eigenständige Berechnung nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Bewertungsvorschriften. Diese Frage ist inzwischen höchstrichterlich geklärt.4 Bei konsequenter Fortführung des Gedankens, dass es in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht allein darauf ankommt, dass die Auflage nur dem Grunde nach bei der Schenkungsteuer bereicherungsmindernd abziehbar ist (s.o.), kann es für die Bemessung der Grunderwerbsteuer auch nicht darauf ankommen, mit welchem Wert die Auflage bei der Schenkungsteuer berücksichtigt wurde oder (im Falle der vollständigen Schenkungsteuerfreiheit) zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits hat verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen. Etwas anderes lässt sich auch der Vorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nicht entnehmen. Hätte der Gesetzgeber hier eine von dem genannten Grundsatz abweichende Behandlung zulassen wollen, hätte er eine andere Formulierung wählen können bzw. müssen. Die Auflage unterliegt daher mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer selbst geltenden Vorschriften ermittelten Wert der Grunderwerbsteuer. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG relevant. Dabei auftretende Wertdifferenzen sind nach Auffassung des BFH auch dann zumutbar, wenn

1 BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479. 2 Aufhebung des Abzugsverbots gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) mit Wirkung ab 1.1.2009. 3 BFH v. 12.7.2016 – II R 57/14, BStBl. II 2016, 897. 4 BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479; v. 9.2.2017 – II B 38/15, BFH/NV 2017, 617.

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§ 3 Rz. 151 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung der Wert der Auflage, der der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist, höher ist als der bei der Schenkungsteuer (jedenfalls dem Grunde nach) abziehbare Wert. 4. Weitere Tatbestände des § 7 ErbStG 152

Verzichtet ein künftiger Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer durch Rechtsgeschäft mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten auf die Erwerbsaussicht (§§ 2346, 2352 BGB), so wird ihm hierfür regelmäßig eine Abfindung gewährt. Die Gewährung der Abfindung gilt nach dem Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ausdrücklich als Schenkung. Wird ein Grundstück als Abfindung im vorstehenden Sinne übertragen, so ist der Grundstückserwerb des Verzichtenden demnach gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit (zur Abfindung durch Übertragung eines Grundstücks im Falle der Erbausschlagung und des Pflichtteils- oder Vermächtnisverzichts s. Rz. 119 ff.).

153

Durch Verfügung von Todes wegen kann ein Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst dann zum Erben wird, wenn zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist (§ 2100 BGB). Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe werden – zeitlich nacheinander – Erben desselben Erblassers und desselben Vermögens, dessen Substanz der Vorerbe für den Nacherben zu erhalten hat. Überträgt der Vorerbe noch vor Eintritt des Nacherbfalls ein Nachlassgrundstück auf den Nacherben, so wird diese Übertragung nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG dem Nacherbfall gleichgestellt. Der Grundstückserwerb des Nacherben ist daher nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer ausgenommen (vgl. auch Rz. 86).

154

Nach § 7 Abs. 7 ErbStG gilt als Schenkung der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beruhende Übergang des Anteils auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ablebens ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. § 7 Abs. 7 ErbStG ist damit eine Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG, die speziell den Fall des Ausscheidens durch den Tod des Gesellschafters regelt. Die Ausführungen hierzu (s. Rz. 113 ff.) gelten entsprechend. 5. Schenkung eines Grundstücks von dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft an diese Gesellschaft a) Rechtslage vor Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG

155

Nach gefestigter Rechtsprechung war § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zunächst dahingehend auszulegen, dass Einlagen in eine Kapitalgesellschaft, die über die Beteiligungsquote des zuwendenden Gesellschafters und die nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln geschuldeten Beträge hinausgehen und dadurch die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter begünstigen (disquotale Einlage), keine freigebigen Zuwendungen darstellen, sondern vielmehr dem Gesellschaftszweck dienen und damit als gesellschaftsrechtliche Vorgänge einzustufen sind.1 Eine freigebige Zuwendung lag danach weder an die Gesellschaft noch an die übrigen Gesellschafter vor.

156

Für die grunderwerbsteuerrechtliche Einordnung, die sich im Rahmen der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG nach der schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung richtet, hatte diese Rechtsprechung zur Folge, dass die disquotale Einlage eines Kapitalgesellschafters in Form eines Grundstücks mangels Schenkungsteuerbarkeit nicht zu einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG führte und somit steuerbar war.

157

Gleiches galt auch für die Fälle der Kapitalerhöhung einer Gesellschaft, sofern der Gesellschafter eine Sacheinlage in Form eines Grundstücks erbringt, dessen Wert den der Kapitalerhöhung übersteigt. Im Hinblick auf den übersteigenden Betrag lag demnach weder eine freigebige Zuwendung noch eine gemischte Schenkung i.S.d. ErbStG vor, so dass die Übertragung des Grundstücks auf die Kapitalgesellschaft nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei gestellt wurde.

1 BFH v. 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010, 566 = FR 2010, 1003.

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D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3)

Rz. 161 § 3

b) Rechtslage nach Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG Um die schenkungsteuerrechtlichen Besteuerungslücken in Fällen disquotaler Einlagen zu schließen, wurde zwischenzeitlich durch Art. 11 des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz die bestehende Vorschrift des § 7 ErbStG um einen Abs. 8 erweitert. Die neue Vorschrift gilt für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 ErbStG). Sie fingiert eine Schenkung zwischen dem Zuwendenden und einer natürlichen Person oder Stiftung, die an der Kapitalgesellschaft (unmittelbar oder mittelbar) beteiligt ist, ohne dass es auf einen Willen zur Unentgeltlichkeit ankommt. Zuwendungsgegenstand ist die durch die disquotale Einlage bewirkte Werterhöhung der Anteile der übrigen Gesellschafter.

158

Grunderwerbsteuerrechtlich führt die Neueinführung des § 7 Abs. 8 ErbStG zu einer erheblichen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. Fraglich ist allerdings der Umfang der Steuerbefreiung. Da grundsätzlich ein schon nach dem ErbStG steuerbarer Lebenssachverhalt vorliegt, erscheint es zunächst konsequent, eine vollständige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG anzunehmen. Allerdings ist zu beachten, dass § 7 Abs. 8 ErbStG nur insoweit greift, als eine an der Gesellschaft (unmittelbar oder mittelbar) beteiligte natürliche Person oder Stiftung durch die Leistung des Zuwendenden an einer durch die Zuwendung bewirkten Werterhöhung ihrer Anteile partizipiert. Das heißt soweit der Zuwendende selbst an der Gesellschaft beteiligt ist, liegt keine steuerpflichtige Werterhöhung seiner Anteile vor, da zwischen dem Zuwendenden und dem Begünstigten keine Personenidentität bestehen darf.1 Vor dem Hintergrund des auch vom BFH immer wieder betonten Zwecks der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, die Besteuerung ein und desselben Lebenssachverhalts mit Erbschaft-/Schenkungsteuer auf der einen und Grunderwerbsteuer auf der anderen Seite zu vermeiden, muss die vollständige Steuerbefreiung hier ausscheiden. Vielmehr kommt eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur insoweit in Betracht, als überhaupt ein schenkungsteuerbarer Vorgang vorliegt. Nur insoweit kann es tatsächlich zu der nach dem Gesetzeszweck zu vermeidenden Doppelbelastung mit Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer kommen. In Höhe der eigenen Beteiligung des zuwendenden Gesellschafters kann die Befreiung mangels Schenkungsteuerbarkeit dagegen nicht greifen und ist der Vorgang insoweit grunderwerbsteuerbar.2

159

D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3) I. Hintergrund und Historie der Vorschrift Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG soll die Auseinandersetzung einer grundbesitzenden Er- 160 bengemeinschaft erleichtern, bei der es sich um eine nicht auf Dauer angelegte Zufallsgemeinschaft handelt. Erfasst werden von der Befreiungsvorschrift in erster Linie Erwerbe von Nachlassgrundstücken durch Miterben. Dieser Erwerb des Miterben von der Erbengemeinschaft soll im Ergebnis grunderwerbsteuerlich genauso behandelt werden wie der Erwerb von Todes wegen durch einen Alleinerben oder Vermächtnisnehmer, der ebenfalls nach § 3 Nr. 2 GrEStG vollumfänglich von der Steuer befreit ist. Gäbe es § 3 Nr. 3 GrEStG nicht, wäre zwar der Übergang eines Grundstücks vom Erblasser auf die Er- 161 bengemeinschaft nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei, die Übertragung von der Erbengemeinschaft auf einen Miterben jedoch nur teilweise begünstigt: Es handelt sich um den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf einen Gesellschafter, der nach § 6 Abs. 2 GrEStG insoweit steuervergünstigt wäre, wie der Miterbe an der Erbengemeinschaft beteiligt ist. § 3 Nr. 3 GrEStG verfolgt daher den Zweck, auch die Fälle steuerfrei zu stellen, die von § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erfasst sind, bei denen der Miterbe also einen Grundstücksteil oder ein ganzes Grundstück abweichend vom Verhältnis seines Erbteils erwirbt. Im Ergebnis ist also auch der Erwerb eines ganzen Grundstücks (oder mehrerer Grundstücke) durch einen Miterben gegen Abfindung der anderen Miterben nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei.3 Es kommt nicht darauf an, ob für das Grundstück ein Gegenwert erbracht werden muss.4 1 2 3 4

Weinmann in Mönch/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 263. So auch Höne/Nienhaus, UVR 2012 Nr. 10, 306 (308). BFH v. 15.12.1972 – II R 123/66, BStBl. II 1973, 363. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 206; G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 74.

Berke und Böing

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§ 3 Rz. 162 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung 162

Neben dem Miterbenerwerb begünstigt § 3 Nr. 3 GrEStG unter bestimmten Voraussetzungen auch den Erwerb durch den überlebenden Ehegatten des Erblassers (Satz 2) sowie den Erwerb durch den Ehegatten eines Miterben (Satz 3). Durch das JStG 20101 wurden in § 3 Nr. 3 Satz 2 und 3 GrEStG auch jeweils die Lebenspartner mit aufgenommen. Diese Änderung galt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Hintergrund für diese Gesetzesänderung war die Feststellung des BVerfG, dass es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstieß, dass eingetragene Lebenspartner vor Inkrafttreten des JStG 2010 nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreit waren.2

II. Begünstigte Erwerbsvorgänge 163

§ 3 Nr. 3 GrEStG stellt seinem Wortlaut nach nur auf den Erwerb eines Grundstücks ab. Dennoch ist anerkannt, dass die Befreiungsvorschrift grundsätzlich auch auf andere Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG Anwendung findet, sofern dies ihrer Struktur nach möglich ist. Besonderheiten bestehen insoweit im Bereich der Ergänzungstatbestände: Gehen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft von der Erbengemeinschaft auf einen Miterben dergestalt über, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG ausgelöst wird, so ist § 3 Nr. 3 GrEStG auf diesen Vorgang anwendbar.3 Dies ist möglich, da der Miterbe das Grundstück qua Fiktion grunderwerbsteuerlich aus dem Nachlass erwirbt, obwohl es sich zivilrechtlich natürlich um ein Grundstück der Kapitalgesellschaft handelt. Anders stellt sich die Situation jedoch dar, wenn ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft erwirbt, die bei ihm zu einer Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG führen.

164

Beispiel (Anwendbarkeit bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG): Die Kinder K1 und K2 sind hälftige Miterben. Zum Nachlass gehört ein 50 %iger Anteil an einer KG sowie ein 50 %iger Anteil an der zugehörigen Komplementär-GmbH. Die KG ist zu 85 % an einer grundbesitzenden GmbH beteiligt. Die übrigen Anteile an der KG, an der Komplementär-GmbH sowie an der grundbesitzenden GmbH hält K 1. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung vereinbaren die Kinder, dass K1 die Gesellschaftsanteile und K2 den Rest des Nachlasses übernimmt.

165

Durch die Erbauseinandersetzung wird § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausgelöst, da sich die Anteile an der grundbesitzenden GmbH erstmalig in der Hand von K1 (teilweise mittelbar, teilweise unmittelbar) vereinigen. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.4 Bei grunderwerbsteuerlicher Betrachtung findet also ein fiktiver Erwerb des Grundstücks durch K1 von der GmbH statt. Da demnach kein Grundstück aus dem Nachlass, sondern ein Gesellschaftsgrundstück erworben wird, kommt nach Auffassung des BFH eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG nicht in Betracht.5 Diese Auffassung wird auch von der Literatur geteilt6, wobei teilweise für Personengesellschaften eine differenzierte Betrachtung gefordert wird.7 Die Finanzverwaltung macht keine Unterscheidung und erkennt die Steuerbefreiung sowohl für Personen- wie auch für Kapitalgesellschaften nicht an.8

166

Eine andere Beurteilung ist bei Anteilsübertragungen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG geboten. Gehen bei einer Erbauseinandersetzung bereits vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von der Erbengemeinschaft auf einen der Miterben über, so wird durch § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG ein fiktiver Übergang des Grundstücks aus dem Nachlass auf den Miterben der Besteuerung

1 2 3 4 5 6

Jahressteuergesetz v. 8.1.2010, BGBl. I 2010, 1768. BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 291; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 29. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536. BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 290; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 29; Wälzholz, ZEV 2016, 369 (370). 7 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 176; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 47. 8 OFD Nds. v. 19.10.2016 – S 4514 – 54 – St 262, DB 2016, 2575.

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Böing

D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3)

Rz. 170 § 3

unterworfen. Obwohl es sich zivilrechtlich um ein Grundstück der Gesellschaft handelt, wird es grunderwerbsteuerlich demjenigen zugerechnet, der mindestens 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %) der Anteile an der Gesellschaft hält. Dies ist zunächst die Erbengemeinschaft und nach der Anteilsübertragung der Miterbe. Diese Änderung in der Zuordnung des Grundstücks dürfte für eine Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG sprechen.1 Ob diese Ansicht auch durch den BFH geteilt wird, bleibt abzuwarten. In seiner Entscheidung zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG2 hat der BFH nicht allein auf den Umstand abgestellt, dass dort der fingierte Erwerb von der Gesellschaft auf den Miterben erfolgt ist. Er hat vielmehr auch allgemein ausgeführt, dass § 3 Nr. 3 GrEStG nach seinem Wortlaut nicht den Erwerb von Gesellschaftsanteilen erfasst und dass zivilrechtlich ein Anteilserwerb und nicht ein Grundstückserwerb gegeben sei. Das Grundstück habe nicht zum Nachlass gehört, sondern sei ein Gesellschaftsgrundstück gewesen. Die weitere Rechtsprechungsentwicklung ist daher im Auge zu behalten. Dieselbe Problematik stellt sich bei der Frage der Anwendbarkeit von § 3 Nr. 3 GrEStG auf die Fälle des § 1 Abs. 3a GrEStG. Auch hier ist die Beurteilung danach vorzunehmen, ob ein Grundstückserwerb von der Gesellschaft oder dem Gesellschafter fingiert wird.3

167

Weitere Besonderheiten bestehen bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Hier sind zunächst die zivilrechtlichen Besonderheiten zu beachten, die mit der Vererbung von Personengesellschaftsanteilen einhergehen. Grundsätzlich hat der Tod eines Gesellschafters einer OHG und der Tod eines persönlichen haftenden Gesellschafters einer KG dessen Ausscheiden zur Folge, § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB. Der Tod eines Gesellschafters einer GbR führt sogar zur Auflösung der Gesellschaft, § 727 BGB. Davon abweichend kann jedoch vereinbart werden, dass die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt wird (sog. Nachfolgeklausel). Eine Fortsetzung mit den Erben erfolgt außerdem beim Tod eines Kommanditisten, § 177 HGB. Sind mehrere Erben vorhanden, wird dennoch nicht die Erbengemeinschaft Mitglied der Personengesellschaft. Es kommt vielmehr zu einer Sondererbfolge der Miterben, durch die die Miterben abweichend von § 1922 BGB entsprechend ihrer Erbquote Gesellschafter der Personengesellschaft werden. Der quotale Übergang des Gesellschaftsanteils auf die Miterben bleibt als Erwerb von Todes wegen bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG ohnehin außer Betracht, vgl. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG. Umstritten ist jedoch, ob eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG in Betracht kommt, wenn im Zuge der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Anteile an der Personengesellschaft auf einen Miterben übertragen werden und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird.

168

Beispiel (Anwendbarkeit bei § 1 Abs. 2a GrEStG): Der Erblasser war zu 15 % an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG beteiligt, für die vertraglich eine einfache Nachfolgeklausel vereinbart worden war. Der Sohn des Erblassers (K1) hatte vor zwei Jahren die verbleibenden 85 % an der KG durch Rechtsgeschäft erworben. K1 und K2 werden jeweils hälftig Miterben. Im Zuge der Erbauseinandersetzung wird nun ein Anteil von 10 % auf K1 übertragen.

169

Durch den Erbfall wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht ausgelöst, da die von Todes we- 170 gen erworbenen Anteile nicht mitzählen, § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG. Durch die Übertragung der 10 % im Rahmen der Auseinandersetzung wird jedoch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht. Bei dieser rechtsgeschäftlichen Übertragung findet § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG keine Anwendung, da es sich nicht um einen Erwerb von Todes wegen handelt. Fraglich ist, ob dieser Vorgang nach § 3 Nr. 3 GrEStG von der Steuer befreit ist. Dies wird teilweise mit der Begründung bejaht, dass die Gesellschaftsanteile zum Nachlass gehören und daher auch in eine Erbauseinandersetzung einbezogen werden können.4 Überwiegend wird eine Anwendbarkeit von § 3 Nr. 3 GrEStG auf Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG abgelehnt, da aufgrund der quotalen Sondererbfolge auf den einzelnen Miterben der übertragene Gesellschaftsanteil nicht zum ungeteilten Nachlass gehört und eine Auseinandersetzung insoweit nicht erforderlich sei.5 Der BFH hat zu der Frage bisher nicht Stellung nehmen müssen. Mit Blick auf

1 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 291; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 29; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 176. 2 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. 3 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 279; für eine Anwendbarkeit: Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 176. 4 Wälzholz, ZEV 2016, 369 (370); FG Hamburg v. 21.7.2006 – 3 K 14/06, EFG 2007, 145 (rkr.); für eine Anwendbarkeit auch Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 174, 175; unklar: Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 47. 5 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 282; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 30.

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§ 3 Rz. 170 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung die Entscheidungen zur Anwendbarkeit bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG1 und bei Abfindungsergänzungsansprüchen nach § 13 HöfeO2 ist jedoch davon auszugehen, dass der BFH zu Ungunsten des Steuerpflichtigen entscheiden und eine Anwendbarkeit auf § 1 Abs. 2a GrEStG ablehnen wird. Der BFH hat in seinen Entscheidungen betont, dass ein Erwerb des Grundstücks aus dem Nachlass erfolgen muss, um eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG annehmen zu können. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG bei nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgängen zu beachten sind, wobei die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG nicht ausgeschlossen wird.3 1. Begünstigte Personen a) Allgemeines 171

Unter die Befreiung des § 3 Nr. 3 GrEStG fallen Erwerbe durch einen Miterben (Satz 1), unter weiteren Voraussetzungen Erwerbe durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Erblassers (Satz 2) sowie Erwerbe durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Miterben (Satz 3). b) Erwerb durch Miterben (Nr. 3 Satz 1)

172

Hat ein Erblasser mehrere Erben, so wird sein Nachlass gem. § 2032 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Unter einem Miterben ist derjenige zu verstehen, der unmittelbar durch den Erbfall als einer der Erben Teilnehmer dieser Erbengemeinschaft geworden ist. Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, über einen Nachlassgegenstand können die Erben dagegen nur gemeinschaftlich verfügen, § 2040 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich ist der Miterbe berechtigt, jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen. Der Erleichterung dieser Auseinandersetzung dient die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG.

173

Als Miterbe ist auch der Erbeserbe anzusehen, also der Erbe des eigentlichen Miterben4, sowie der Nacherbe beim Eintritt des Nacherbfalls5. Eine Steuerbefreiung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Erbfall noch vor der Teilung des Nachlasses eintritt. Kein Miterbe ist der Pflichtteilsberechtigte. Schlägt ein durch die Einsetzung eines Nacherben beschränkter Erbe die Erbschaft aus und verlangt den Pflichtteil, so ist die Hingabe eines Grundstücks zur Abgeltung des Pflichtteilanspruchs nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.6 Auch der Vermächtnisnehmer sowie der Auflagenbegünstigte sind als solche keine Miterben und können daher § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie zusätzlich zu ihrer Stellung als Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigter auch Miterben sind.

174

Kein Miterbe ist derjenige, der die Erbschaft ausgeschlagen an. Im Fall der Ausschlagung einer Erbschaft gilt der Anfall als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 BGB), wobei die Ausschlagung auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirkt. Erwirbt also der Ausschlagende von der Erbengemeinschaft ein Grundstück, so ist dieser Erwerb aufgrund des rückwirkenden Verlusts der Miterbenstellung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit. Eine Steuerbefreiung des Erwerbs durch eine andere Person als einen Miterben entspräche auch nicht dem Zweck der Befreiungsvorschrift, die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft zu erleichtern.7

175

Anstatt des Ausschlagenden wird derjenige Erbe, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte, § 1953 Abs. 2 BGB. Dieser nachrückende Erbe wird sodann „Miterbe“ i.S.d. § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG und kann bei einem Grundstückserwerb von der Erbengemeinschaft von der Steuerbefreiung profitieren. Der Ausschlagende wird auch nicht dadurch wieder

1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. BFH v. 29.9.2015 – II R 23/14, BFH/NV 2016, 148. Gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Rz. 8. BFH v. 27.6.1967 – II 50/64, BFHE 89, 573. BFH v. 22.9.1976 – II S 6/75, BStBl. II 1977, 13. BFH v. 17.11.1955 – II 70/55 U, BStBl. III 1956, 7. BFH v. 20.12.1972 – II R 84/67, BStBl. II 1973, 365.

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D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3)

Rz. 179 § 3

Miterbe, dass er später einen Erbteil erwirbt. Dieser nachträgliche Erwerb ändert nichts daran, dass der Ausschlagende seine Stellung als Erbe aufgegeben hat.1 Möglich bleibt aber die Anwendung anderer Befreiungsvorschriften, z.B. § 3 Nr. 6 GrEStG. Erwirbt also eine Mutter von der aus ihren Kindern bestehenden Erbengemeinschaft ein Grundstück, so ist dieser Vorgang jedenfalls nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der Steuer befreit.2 Auch der Erbteilskäufer, der einen Erbteil erwirbt, ohne zuvor die Erbschaft ausgeschlagen zu haben, 176 ist nicht als Miterbe anzusehen. Er kann daher trotz seiner Beteiligung am Nachlass keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG beanspruchen, wenn er ein Grundstück von der Erbengemeinschaft erwirbt.3 Gleiches gilt, wenn der Erbteil nicht entgeltlich, sondern schenkweise erworben worden ist.4 Dem Erbteilserwerber kann aber nach den allgemeinen Grundsätzen die Steuervergünstigungen nach § 6 bzw. § 7 Abs. 2 GrEStG zustehen, wobei allerdings die Vorschriften § 6 Abs. 4 bzw. § 7 Abs. 3 GrEStG zu beachten sind. Für die anderen Miterben hat die Aufnahme eines Erbteilskäufers in die Erbengemeinschaft keine Konsequenzen. Sie können ihrerseits weiterhin die Befreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG beanspruchen, wenn sie ein Grundstück aus dem Nachlass erwerben.5 Erwirbt nicht ein Dritter, sondern ein Miterbe einen weiteren Erbteil hinzu, so steht ihm die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG zu. Er ist bereits Miterbe aufgrund seines eigenen Erbteils; diese Eigenschaft verliert er nicht durch den Zukauf eines weiteren Erbteils.6 Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG kann nicht mehr in Betracht kommen, wenn der Miterbe durch Übertragung seines Erbteils aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist. Unabhängig von der Frage, ob er in diesem Fall zivilrechtlich noch als Miterbe anzusehen ist, kann die Steuerbefreiung jedenfalls deshalb nicht mehr in Frage kommen, weil keine vermögensmäßige Beteiligung am Nachlass mehr vorliegt, so dass der Erwerb eines Grundstücks nicht mehr der Teilung des Nachlasses zwischen Miterben dienen kann7.

177

c) Erwerb durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 3 Satz 2) Nach § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG steht den Miterben der überlebende Ehegatte gleich, wenn er mit den Erben des verstorbenen Ehegatten gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat oder wenn ihm in Anrechnung auf eine Ausgleichsforderung am Zugewinn des verstorbenen Ehegatten ein zum Nachlass gehörendes Grundstück übertragen wird. Gleiches gilt nach dem durch das JStG 20108 geänderten Wortlaut auch für Lebenspartner. Die Änderung gilt rückwirkend für alle Rechtsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Im Folgenden wird jeweils aus Vereinfachungsgründen nur der Ehegatte erwähnt.

178

Ist der überlebende Ehegatte Erbe geworden, so ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. Ist der überlebende Ehegatte Miterbe neben weiteren Erben, z.B. den gemeinsamen Kindern, so ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks bereits nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit. Für § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG ist daher nur Raum, wenn der überlebende Ehegatte weder Allein- noch Miterbe geworden ist. Die Steuerbefreiung greift zum einen, wenn der überlebende Ehegatte mit den Erben des verstorbenen Ehegatten gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat. Dies setzt voraus, dass die Ehegatten im vertraglich zu begründenden Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt haben, der sich durch gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Ehegatten auszeichnet (Gesamtgut, § 1416 BGB). Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst und keine fortgesetzte Gütergemeinschaft (vgl. Rz. 252 ff.) vereinbart, so gehört

179

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 10.6.1964 – II 30/61 U, BStBl. III 1964, 486. BFH v. 20.12.1972 – II R 84/67, BStBl. II 1973, 365. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 187; BFH v. 15.12.1965 – II 172/62, HFR 1966, 176. BFH v 22.9.1976 – II S 6/75, BStBl. II 1977, 13; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 187, weist daraufhin, dass die Schenkung des Erbteils selbst jedoch steuerfrei nach § 3 Nr. 2 GrEStG ist. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 187. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 302. FG München v. 20.1.1993 – 4 K 1767/89, UVR 1994, 250 (rkr.); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 302; a.A. Kraft/Jung, ErbStB 2021, 278 (282). Gesetz v. 8.1.2010, BGBl. I 2010, 1768.

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§ 3 Rz. 179 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut zum Nachlass und der verstorbene Ehegatte wird nach den allgemeinen Vorschriften beerbt, § 1482 BGB. Die Gütergemeinschaft endet und das Gesamtgut ist entsprechend §§ 1474 ff. BGB auseinanderzusetzen. Der Erwerb eines Grundstücks durch den überlebenden Ehegatten im Rahmen der Auseinandersetzung des Gesamtguts ist dann nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Alt. 1 GrEStG steuerfrei. Die Steuerbefreiung findet auch Anwendung, wenn für eine vor dem 3.10.1990 im Gebiet der ehemaligen DDR geschlossene Ehe aufgrund einer Erklärung nach Art. 234 § 4 Abs. 2 BGB der ehemalige gesetzliche Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuchs der DDR fortgilt. In diesen Fällen finden auf das bestehende und künftige gemeinschaftliche Eigentum die Vorschriften über das Gesamtgut der Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung. 180

Nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 GrEStG findet die Steuerbefreiung außerdem Anwendung, wenn dem Ehegatten ein zum Nachlass gehörendes Grundstück in Anrechnung auf eine Zugewinnausausgleichsforderung übertragen wird. Die Ehegatten müssen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, was gem. § 1363 Abs. 1 BGB der Fall ist, wenn sie ehevertraglich nichts anderes geregelt haben. Bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft wird der Zugewinn, den die Ehegatten während der Ehe erzielt haben, ausgeglichen. Für den Zugewinnausgleich bestehen zwei Möglichkeiten: Grundsätzlich erfolgt der Ausgleich pauschal durch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten, § 1371 Abs. 1 BGB (sog. erbrechtliche Lösung). Wird der überlebende Ehegatte allerdings nicht Erbe bzw. Vermächtnisnehmer oder schlägt er die Erbschaft aus, so kann er Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB verlangen (sog. güterrechtliche Lösung). Der Befreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 GrEStG unterfallen nur Grundstücksübertragungen im Rahmen eines Zugewinnausgleichs nach der güterrechtlichen Lösung. Grundstückserwerbe, die dagegen auf dem erbrechtlichen Zugewinnausgleich beruhen, sind bereits nach § 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit.

181

Bei der güterrechtlichen Lösung kommt es nicht zu einem pauschalen Ausgleich, sondern zu einer Berechnung des tatsächlichen Zugewinns der Ehegatten. Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen zu Beginn der Ehe übersteigt. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht diesem die Hälfte des übersteigenden Betrags als Ausgleichsforderung zu, § 1378 BGB. Bei dieser Forderung handelt es sich um eine reine Geldforderung. Wird dem überlebenden Ehegatten zur Befriedigung dieser Forderung ein zum Nachlass gehörendes Grundstück übertragen, so steht ihm die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 GrEStG zu. d) Erwerb durch den Ehegatten oder Lebenspartner eines Miterben (Nr. 3 Satz 3)

182

Nach § 3 Nr. 3 Satz 3 GrEStG stehen den Miterben ihre Ehegatten und Lebenspartner gleich. Während § 3 Nr. 3 Satz 2 GrEStG den Erwerb eines Grundstücks durch den überlebenden Ehegatten des Erblassers regelt, geht es in Satz 3 um den Erwerb durch die Ehegatten bzw. Lebenspartner der Miterben. Diese können ein zum Nachlass gehörendes Grundstück unmittelbar von der Erbengemeinschaft steuerfrei erwerben. Dies gilt unabhängig von dem ehelichen Güterstand, der zwischen dem Miterben und seinem Ehegatten gilt. Gäbe es Satz 3 nicht, wäre ein Zwischenerwerb des Grundstücks durch den Miterben erforderlich, der dieses sodann steuerfrei nach § 3 Nr. 4 GrEStG auf seinen Ehegatten weiterübertragen müsste.

183

Um die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 3 GrEStG in Anspruch nehmen zu können, muss der Miterbe noch Mitglied der Erbengemeinschaft sein und außerdem die Ehe zwischen dem Miterben und dem Ehegatten noch bestehen. Auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder Verlobte findet die Steuerbefreiung, ebenso wie bei § 3 Nr. 4 GrEStG, keine Anwendung.1 2. Erwerb eines Nachlassgrundstücks

184

§ 3 Nr. 3 GrEStG befreit nur den Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks. Ein Grundstück gehört, wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt, solange zum Nachlass, wie es den Erben 1 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 191.

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D. Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks (Nr. 3)

Rz. 187 § 3

in dieser Eigenschaft in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht, vgl. § 2032 Abs. 1 BGB.1 Zum Nachlass zählen zunächst nur diejenigen Grundstücke, die sich im Zeitpunkt des Erbfalls im zivilrechtlichen Eigentum des Erblassers befunden haben.2 Außerdem gehört ein Grundstück bereits dann zum Nachlass, wenn es dem Erblasser nach grunderwerbsteuerlichen Kriterien, also aufgrund eines nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgangs, zuzurechnen war.3 Es genügt also, wenn der Erblasser einen Kaufvertrag über ein Grundstück abgeschlossen hatte, er aber noch nicht im Grundbuch als Eigentümer eintragen wurde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Gleiches gilt für die anderen Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 1 GrEStG. Gemäß § 2041 BGB gehört zum Nachlass auch, was auf Grund eines zum Nachlass gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlass bezieht. Als nachlasszugehörig sind also auch diejenigen Grundstücke anzusehen, die die Erbengemeinschaft aufgrund dieses sog. Surrogationserwerbs erworben hat.4 Von einem Surrogationserwerb kann aber nicht ausgegangen werden, wenn ein Grundstück mit Mitteln erworben wird, die aus dem Verkauf eines einem Miterben zugewiesenen Grundstücks stammen.5 Auch ganz allgemein zählen Grundstücke, die die Erbengemeinschaft außerhalb von § 2041 BGB erwirbt, nicht als Nachlassgrundstücke, so dass ihr Erwerb durch einen Miterben nicht durch § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt ist.

185

Nicht zum Nachlass gehört außerdem das Grundstück, das der Erblasser nur treuhänderisch für ei- 186 nen Treugeber hält. Der Treugeber hat gegenüber den Miterben einen Anspruch auf Herausgabe und Rückübereignung des Grundstücks, so dass ihm das Grundstück zuzurechnen ist. Auch die Grundstücke, die vom Erblasser auf einen Treuhänder übertragen wurden, gehören nicht zum Nachlass. In den Nachlass fällt jedoch der Anspruch auf Rückübereignung, so dass dieser Anspruch durch einen Miterben nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei erworben werden kann. Wird das Eigentum an dem Grundstück auf die Erbengemeinschaft zurückübertragen, kann das Grundstück unter den Voraussetzungen des § 2041 BGB zum Nachlassgrundstück werden. Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Nachlass, wenn es auf einen Miterben oder auf einen Dritten übertragen worden ist. Gleiches gilt, wenn die notwendige gesamthänderische Bindung, etwa durch die Umwandlung in Bruchteilseigentum, gelöst wird.6 Von der Lösung der gesamthänderischen Bindung ist auch dann auszugehen, wenn ein zum Nachlass gehörendes Grundstück auf eine andere Gesamthand (z.B. GbR) übertragen wird, an der die Erben zu gleichen Anteilen wie an dem Nachlass beteiligt sind. Es liegt dann eine andere gesellschaftsrechtliche Verbindung und ein anderes Zuordnungsobjekt als die Erbengemeinschaft vor. Dies hat zur Folge, dass zwar die Einbringung des Grundstücks in die andere Gesamthand steuerfrei nach § 3 Nr. 3 GrEStG ist (in Höhe des Anteils, zu dem die Miterben an der erwerbenden Gesamthand beteiligt sind7). Kommt es jedoch im Zuge der Auseinandersetzung der Gesamthand zu einer Übertragung eines Grundstücks auf einen der Gesellschaf-

1 BFH v. 7.2.2001 – II R 5/99, BFH/NV 2001, 938. 2 Ein Grundstück fällt dagegen nicht in den Nachlass, wenn es bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf die späteren Erben übertragen wurde, vgl. FG Nürnberg v. 23.11.2020 – 4 K 1100/19, EFG 2021, 1048. Der BFH hat die gegen das Urteil eingelegte NZB als unbegründet zurückgewiesen und betont, dass eine teleologische Erweiterung der Vorschrift auf einen „vorweggenommenen Nachlass“ ausgeschlossen sei, vgl. BFH v. 25.5.2021 – II B 87/20, BFH/NV 2021, 1208. 3 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 327; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 30; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 178. 4 BFH v. 10.11.1970 – II 117/65, BStBl. II 1971, 251. 5 BFH v. 18.7.1973 – II 165/65, BStBl. II 1973, 829; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 27. 6 BFH v. 7.2.2001 – II R 5/99, BFH/NV 2001, 938; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 328. Vereinbaren Miterben jedoch zunächst die Bildung von Bruchteilseigentum und sodann die Übertragung auf einen der Erben zu Alleineigentum, kann § 3 Nr. 3 GrEStG dennoch zur Anwendung kommen, wenn eine Gesamtvereinbarung vorliegt und die Bildung des Bruchteilseigentums dinglich nicht umgesetzt wurde, vgl. FG Münster v. 29.10.2020 – 8 K 809/18 GrE, ErbStB 2021, 42 (rkr.). 7 BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278; nach Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 207 erfolgt die Steuervergünstigung jedoch in Zusammenschau mit § 6 Abs. 3 GrEStG, so dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten wäre. Dagegen spricht jedoch, dass eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG auch nach den allgemeinen Grundsätzen, also ohne eine Zusammenschau mit § 3 Nr. 3 GrEStG, in Betracht käme.

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187

§ 3 Rz. 187 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung ter, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG nicht mehr in Betracht.1 Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand nur als Zwischenlösung auf dem Weg zur endgültigen Auseinandersetzung durch anteilige Übernahme des Grundstücks zu Alleineigentum gewollt war.2 188

Die Nachlasszugehörigkeit ist auch problematisch in den Fällen der Übertragung von Grundstücken nach der HöfeO. Der Erwerb des Alleineigentums an dem Hof durch den Hoferben gem. § 4 HöfO vollzieht sich nach h.M. ohne vorherigen Zwischenerwerb der Erbengemeinschaft im Wege der Sondernachfolge.3 Der Erwerb des Hofes durch den Hoferben ist in vollem Umfang nach § 3 Nr. 2 bzw. § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei.4 Überträgt der Hoferbe das Eigentum an einem solchen Hofgrundstück zur Abgeltung des Abfindungsergänzungsanspruchs i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 2 HöfeO auf einen anderen Abkömmling des Hofübergebers, so ist der Grundstückserwerb weder nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG noch nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der GrESt befreit.5 Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG scheidet nach Auffassung des BFH aus, weil in Bezug auf das übertragene Grundstück keine gesamthänderische Bindung bestanden hat. Der Hofübernehmer bzw. Hoferbe werde vielmehr aufgrund rechtsgeschäftlicher Übertragung Alleineigentümer, so dass eine Auseinandersetzung über einzelne Grundstücke nicht erforderlich sei. Die Finanzverwaltung teilt die Auffassung des BFH bzw. hat sich dieser angeschlossen6 (s. zu der Problematik auch Rz. 81 ff.).

189

Dem Wortlaut nach erfasst § 3 Nr. 3 GrEStG nur den Erwerb eines Grundstücks aus dem Nachlass. Die Steuerbefreiung erfasst darüber hinaus jedoch auch den Erbteilserwerb durch einen Miterben. Der Erwerb eines Anteils an einer grundbesitzenden Erbengemeinschaft unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Steuer.7 Diese Beurteilung weicht zwar von dem für Gesamthandsgemeinschaften allgemein geltenden Grundsatz ab, dass der Wechsel im Personenstand als solcher grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer auslöst. Die Abweichung ist jedoch dadurch gerechtfertigt, dass die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet ist und die Gesamthandsbindung außerdem gelockert ist, da der Erbteilsinhaber gem. § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB über seinen Anteil verfügen kann.8 Auch der Erwerb eines Erbteils kann der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG unterfallen, da eine zu begünstigende Erbauseinandersetzung auch dann anzunehmen ist, wenn ein Miterbe dadurch ausscheidet, dass er seinen Erbteil auf einen anderen Miterben überträgt.9 3. Erwerb zur Teilung des Nachlasses

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Der Erwerb des Grundstücks muss nach dem Wortlaut von § 3 Nr. 3 GrEStG „zur Teilung des Nachlasses“ erfolgen. Dies setzt voraus, dass das Grundstück zu einem noch ungeteilten Nachlass gehört und der Erwerb des Grundstücks der Teilung dieses Nachlasses dient. Die Teilung des Nachlasses erfolgt in der Regel durch einen zwischen den Miterben geschlossenen Auseinandersetzungsvertrag oder durch eine Maßnahme eines eingesetzten Testamentsvollstreckers. Gleiches gilt bei einer Teilungsversteigerung.

191

Die Teilung des Nachlasses muss nicht in einem Zug, sondern kann auch in einzelnen Schritten erfolgen. Von § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt sind auch einzelne Maßnahmen zur Teilung des Nachlas1 BFH v. 7.2.2001 – II R 5/99, BFH/NV 2001, 938; zur Weiterübertragung auf eine andere GbR FG Hamburg v. 15.4.2016, – 3 K 213/15, ErbStB 2016, 270 (rkr.). 2 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 328. 3 BFH v. 1.4.1992 – II R 21/89, BStBl. II 1992, 669. 4 Steuerfrei nach § 3 Nr. 2 GrEStG im Umfang des Erbteils des Hoferben, im Übrigen steuerfrei nach § 3 Nr. 3 GrEStG; so auch Pahlke, § 3 GrEStG Rz. 181, Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 148. 5 BFH v. 29.9.2015 – II R 23/14, BFH/NV 2016, 148; anders ist es jedoch, wenn es sich um ein Grundstück aus dem sog. hoffreien Vermögen handelt; hier greift die Befreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG; s. dazu MeßbacherHönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 149. 6 OFD Rheinland v. 5.7.2011 – S 4505-1001-St 235, StEK GrEStG 1983 § 3 Nr. 33; nunmehr auch gegen eine Anwendbarkeit von § 3 Nr. 3 GrEStG: OFD Hannover v. 26.1.2016 – S 4505-24-St 261, DStR 2016, 1035. 7 BFH v. 9.7.2014 – II R 50/12, BStBl. II 2015, 399. 8 BFH v. 4.2.2004 – II B 147/02, BFH/NV 2004, 813. 9 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 339; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 195; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 28.

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E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4)

Rz. 194 § 3

ses1, also z.B. die sukzessive Übertragung einzelner Nachlassgrundstücke auf die Miterben. Die Auseinandersetzung ist vollzogen, wenn die Nachlassgrundstücke auf einen Miterben übertragen worden sind, sei es zu Allein- oder zu Bruchteilseigentum. Grundstücksübertragungen, die nach der Auseinandersetzung erfolgen, sind dann nicht mehr nach § 3 Nr. 3 GrEStG von der Steuer befreit, auch wenn sie zwischen zwei Miterben erfolgen. Hier liegt keine Auseinandersetzung mehr vor, sondern ein zwischen den Miterben geschlossener Vertrag über den Verkauf eines Grundstücks, das nicht mehr zum Nachlass gehört.2 Tauschen Erben daher ihre Grundstücke bzw. Miteigentumsanteile, die sie im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhalten haben, sind die Übertragungsvorgänge nicht nach § 3 Nr. 3 GrEStG von der Steuer befreit.3 Gleiches gilt, wenn ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zunächst in eine Personengesellschaft eingebracht wird und sodann einer der Miterben das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Denn auch in diesen Fällen kommt es durch die Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand zu einer Aufhebung der Eigenschaft des Grundstücks als Nachlassgrundstück. Das gilt auch dann, wenn die Übertragung auf die Personengesellschaft von Beginn an nur als Zwischenlösung auf dem Weg zur endgültigen Auseinandersetzung durch anteilige Übernahme des Grundstücks zu Alleineigentum gewollt war. Steuerbefreit ist, wenn die Auseinandersetzung in mehreren Schritten erfolgt, nicht der Vorgang in seiner Gesamtheit, sondern nur der oder die Teilakte, durch den oder durch die die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Nachlass gelöst wird.4 Auch mehraktige Rechtsvorgänge können steuerfrei sein, allerdings nur dann, wenn sie ein einheitliches Rechtsgeschäft bzw. einheitliches Vertragswerk bilden.5 Sind eine Auseinandersetzungsvereinbarung und eine nachfolgende Grundstücksübertragung als untrennbare Bestandteile eines Gesamtvertrags zu verstehen, so unterfällt der Gesamtvertrag der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG.6 Zu beachten ist allerdings, dass es sich um Ausnahmefälle handelt und mehraktige Übertragungsvorgänge im Rahmen einer Erbauseinandersetzung wegen des möglichen Verlustes der Steuerbefreiung besser vermieden werden sollten.7

192

4. Interpolation In § 3 Nr. 3 Satz 3 GrEStG findet sich ein gesetzlich geregelter Fall der Interpolation, nämlich der Zu- 193 sammenschau der Steuerbefreiung aus § 3 Nr. 3 und § 3 Nr. 4 GrEStG. Neben diesem ausdrücklichen Fall gibt es weitere, in denen aufgrund einer interpolierenden Betrachtungsweise eine Steuerbefreiung in Betracht kommt: So ist die Übertragung eines Nachlassgrundstücks von der Erbengemeinschaft auf eine Person, die mit dem Miterben in gerader Linie verwandt ist, steuerfrei durch eine Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG.8 Gleiches gilt für die Übertragung von der Erbengemeinschaft auf den geschiedenen Ehegatten eines Miterben, sofern auch die übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG vorliegen.9

E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4) I. Hintergrund und Historie der Vorschrift Die durch das GrEStG 1983 eingeführte Steuerbefreiung befreit Grundstücksübertragungen von der Steuer, die zwischen Ehegatten erfolgen. Durch das JStG 201010 wurde die Vorschrift auch auf Erwerbe durch den Lebenspartner ausgedehnt. Dies gilt rückwirkend für Erwerbsvorgänge, die nach dem 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BFH v. 27.6.1967 – II 50/64, BFHE 89, 573. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 350; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 197. FG Rh.-Pf. v. 16.4.2015 – 4 K 1380/13, EFG 2015, 1295 (rkr.). BFH v. 7.2.2001 – II R 5/99; BFH/NV 2001, 938. FG Sachsen v. 25.6.2003 – 6 K 1625/00, EFG 2003, 1567 (rkr.); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 351; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 28; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 195. FG Münster v. 29.10.2020 – 8 K 809/18 GrE, ErbStB 2021, 42 (rkr.). So auch Viskorf/Weiten, ZErb 2021, 16 (20). FinMin. Saarl. v. 10.7.2017 – S 4505-2#002-2017/86640, DStR 2017, 1998. Weitere Fälle bei Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 208. Jahressteuergesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768.

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§ 3 Rz. 194 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung 31.7.2001 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Die Erweiterung auf den Lebenspartner war zunächst nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 i.d.F. des JStG 2010. Das BVerfG1 hat jedoch die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten in Bezug auf die Grunderwerbsteuerbefreiung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des JStG 2010 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet. § 23 Abs. 9 GrEStG wurde deshalb entsprechend geändert. 195

Die Steuerbefreiung gilt unabhängig vom Güterstand der Ehegatten, vom Motiv der Übertragung sowie unabhängig davon, ob für die Übertragung ein Entgelt zu entrichten ist. Die Vorschrift ist in Abgrenzung zu § 3 Nr. 5 bzw. Nr. 5a GrEStG zu sehen. § 3 Nr. 4 GrEStG ist nur anzuwenden, solange die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft noch besteht. Wurde die Ehe geschieden bzw. die Lebenspartnerschaft aufgehoben, kommt nur noch eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 bzw. 5a GrEStG in Betracht, wobei diese Befreiung in sachlicher Hinsicht auf die Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung bzw. Aufhebung der Lebenspartnerschaft beschränkt ist (vgl. Rz. 223 ff.).

II. Begünstigte Erwerbsvorgänge 196

Seinem Wortlaut nach erfasst § 3 Nr. 4 GrEStG nur den (gewöhnlichen) Grundstückserwerb zwischen Ehegatten. Dennoch erstreckt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG. Lediglich bei der Vereinigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG greift die Steuerbefreiung nicht (vgl. Rz. 202).

197

§ 3 Nr. 4 GrEStG kann auch im Bereich einer Vertragsübernahme Anwendung finden. Im Gegensatz zum Neuabschluss eines Vertrags kommt es bei der Vertragsübernahme für die Anwendbarkeit personenbezogener Steuerbefreiung auf das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem neuen Käufer an. Schließt der Ehemann einen Kaufvertrag über ein Grundstück ab und erwirbt dann die Ehefrau im Rahmen einer Vertragsübernahme das Grundstück, so kommt § 3 Nr. 4 GrEStG zum Tragen.2

198

Die Befreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG kann auch im Bereich von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Anwendung finden. Wird eine Personengesellschaft auf eine andere verschmolzen, so sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG erfüllt, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein inländisches Grundstück gehört. Der Vorgang ist gem. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG begünstigt, wenn und soweit an der einen Gesellschaft der eine Ehegatte und an der aufnehmenden Gesellschaft der andere Ehegatte beteiligt ist.3

199

Ein nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbefreiter Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG kann auch im Zusammenhang mit dem Güterstand der Gütergemeinschaft vorliegen. Wird eine Gütergemeinschaft vereinbart, so wird das Vermögen der Ehegatten gemeinschaftliches Vermögen (sog. Gesamtgut). Die Gegenstände brauchen nicht durch Rechtsgeschäft übertragen zu werden, sie werden vielmehr kraft Gesetzes gemeinschaftlich, § 1416 Abs. 2 BGB. Gehen dabei Grundstücke über, so liegt ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, der nach § 3 Nr. 4 (i.V.m. § 5 Abs. 2) GrEStG begünstigt ist. Gleiches gilt, wenn während der Ehe ein Grundstück von einem Ehegatten allein erworben wird. In diesem Fall wird das Grundstück durch den Erwerb zum Gesamtgut, so dass auch insoweit ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbarer, aber nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbefreiter Vorgang vorliegt.4 Dies gilt ebenso für einen Ehegattenmiterwerb im Rahmen eines fortgeführten Güterstands der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach dem FGB der ehemaligen DDR, da hier die Vorschriften über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung finden, vgl. Art. 234 § 4a Abs. 2 EGBGB.

200

Auch im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG findet § 3 Nr. 4 i.V.m. § 6 Abs. 3 GrEStG entsprechende Anwendung (vgl. Rz. 6 ff.). Überträgt ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft 1 BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179. 2 BFH v. 22.9.2010 – II R 36/09, BFH/NV 2011, 304. 3 BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BFH/NV 2015, 619; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 210; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 53. 4 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 381.

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E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4)

Rz. 203 § 3

auf seinen Ehegatten, so ist darin ungeachtet der bestehenden Ehe ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel zu sehen, der den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst, sofern die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Ehe führt aber dazu, dass die Grunderwerbsteuer entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft nicht zu erheben ist.1 Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine reine (dauerhafte) Steuerbefreiung handelt, sondern um eine besondere Form der Nichterhebung, so dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten ist und sich der Anteil des Ehegatten nicht innerhalb von fünf Jahren vermindern darf. Auch die Finanzverwaltung wendet die personenbezogenen Steuerbefreiungen bei § 1 Abs. 2a GrEStG an, zieht jedoch § 6 Abs. 3 GrEStG jedenfalls nicht explizit mit heran.2 Im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG ist bei der Anwendbarkeit von § 3 Nr. 4 GrEStG zu differenzieren: 201 Werden bereits vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Kapital- oder Personengesellschaft von einem Ehegatten auf den anderen übertragen, so dass der Tatbestand von § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG erfüllt wird, findet die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG Anwendung. Zwar werden in diesen Fällen keine Grundstücke, sondern Gesellschaftsanteile übertragen, jedoch wird grunderwerbsteuerlich eine Grundstücksübertragung von dem Veräußerer der Anteile auf den Erwerber der Anteile fingiert.3 Diese Fiktion rechtfertigt es, die Veräußerung von bereits vereinigten Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft wie eine Veräußerung des Grundstücks selbst zu behandeln. Aus diesem Grund findet § 3 Nr. 4 GrEStG, wie auch die anderen personenbezogenen Steuerbefreiungen, Anwendung, wenn die Übertragung der Anteile von einem auf den anderen Ehegatten erfolgt.4 Eine differenzierte Beurteilung ist im Bereich der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG geboten. Kommt es durch die Übertragung von Anteilen auf einen Ehegatten zu einer erstmaligen Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG, so findet § 3 Nr. 4 GrEStG keine Anwendung, da bei der Anteilsvereinigung grunderwerbsteuerlich ein fingierter Grundstücksübergang von der Kapitalgesellschaft auf den Gesellschafter stattfindet, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen (vgl. § 1 Rz. 691). Da die Kapitalgesellschaft und der Gesellschafter nicht verheiratet (und auch nicht verwandt) sein können, scheidet eine Befreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG aus.5 Halten also Ehegatten je 50 % an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und überträgt ein Ehegatte seine Anteile auf den anderen Ehegatten, so liegt eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung in der Hand des in der Gesellschaft verbleibenden Ehegatten vor. Da grunderwerbsteuerlich eine Übertragung des Grundstücks von der GmbH auf den verbleibenden Ehegatten fingiert wird, findet die Befreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG keine Anwendung.

202

Eine andere Beurteilung ist bei der Vereinigung von Anteilen an einer Personengesellschaft geboten. 203 Bei der Anwendbarkeit von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG auf Personengesellschaften ist zunächst die Besonderheit zu beachten, dass § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig zu prüfen ist. Darüber hinaus war unter „Anteil an der Gesellschaft“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG jedenfalls bisher die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital zu verstehen6, was den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Personengesellschaften zusätzlich stark einschränkt (vgl. § 1 Rz. 734). Eine Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist z.B. dann anzunehmen, wenn bei einer GmbH & Co. KG einer der Kommanditisten alle Kommanditanteile sowie mindestens 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %) der Anteile an der Komplementär-GmbH übernimmt. In diesen Fällen wird derjenige, der die Anteile in seiner Hand vereinigt, wie bei einer Vereinigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, so behandelt, als habe er ein Grundstück von 1 BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 210; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 358; Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 53. 2 Gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Rz. 8.2 (zu § 3 Nr. 6 GrEStG). 3 BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 15. 4 In Abgrenzung zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG: BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793; MeßbacherHönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 55; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 15; Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Rz. 1. 5 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 zur gleichen Problematik bei § 3 Nr. 6; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 12. 6 Insoweit zeichnet sich eine Änderung der Rechtsprechung ab, vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; zu Einzelheiten vgl. § 1 Rz. 734.

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§ 3 Rz. 203 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung der Gesellschaft erworben. Bei einer Personengesellschaft sind jedoch die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer des Gesellschaftsvermögens. Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaften rechtfertigt es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d.h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen und die personenbezogenen Befreiungsvorschriften, insbesondere also auch § 3 Nr. 4 GrEStG, anzuwenden.1 Werden also Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft von einem Ehegatten auf den anderen Ehegatten übertragen, so findet § 3 Nr. 4 GrEStG insoweit Anwendung. Ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG erfolgt auch hier eine Steuervergünstigung i.V.m. § 6 GrEStG (anders als bei § 1 Abs. 2a hier i.V.m. § 6 Abs. 2 GrEStG), da nach der grunderwerbsteuerlichen Betrachtung ein Grundstück von der Gesellschaft auf einen Gesellschafter übergeht. Soweit der erwerbende Ehegatte bereits an der Gesamthand beteiligt war, greift darüber hinaus auch § 6 Abs. 2 GrEStG in direkter Anwendung, so dass der Vorgang auch vollständig begünstigt sein kann.2 204

Die Nichtanwendbarkeit von § 3 Nr. 4 (bzw. § 3 Nr. 6) GrEStG auf die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft stößt in der Literatur teilweise auf Kritik.3 Für eine Gleichbehandlung mit der Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG wird angeführt, dass es keinen Unterschied machen könne, ob die Anteilsübertragung in einem Schritt oder in zwei Teilakten erfolge. § 1 Abs. 3 GrEStG solle außerdem als Ergänzungstatbestand fiktive Grundstücksübertragungen erfassen. Eine Grundstücksübertragung sei aber auch dann von der Steuer befreit, wenn sie in zwei Teilakten erfolge, also zwei 50 %ige Miteigentumsanteile in zeitlichem Abstand übertragen würden. Dagegen wird eingewandt, dass sich auch die Übertragung von Miteigentumsanteilen am Grundstück zwischen der GmbH als Eigentümerin des Grundstücks und dem Kind bzw. Ehegatten vollziehen würde, so dass auch diese Übertragung nicht begünstigt wäre.4 Letztere Auffassung überzeugt zwar nicht, da § 1 Abs. 3 GrEStG den Alleinherrscher über eine grundbesitzende Gesellschaft so behandeln will, als habe er auch die Herrschaft über deren Grundstücke, so dass der Vergleich mit der Übertragung der Miteigentumsteile durchaus seine Berechtigung findet. Dennoch bleibt es in der grunderwerbsteuerlichen – fiktiven – Betrachtung so, dass das Grundstück nicht von dem Gesellschafter, sondern von der Gesellschaft übertragen wird, so dass für eine Anwendung von § 3 Nr. 4 bzw. 6 GrEStG kein Raum ist. Die Situation wird dadurch etwas entschärft, dass der BFH immerhin die Steuerbefreiung von § 3 Nr. 2 GrEStG auf (unentgeltliche) Anteilsvereinigungen für anwendbar erklärt hat.5 (vgl. Rz. 52). Die Unterscheidung durch den BFH zwischen den beiden Steuerbefreiungen erscheint gerechtfertigt, da die fiktive grunderwerbsteuerliche Erwerbskonstruktion (die Kapitalgesellschaft überträgt auf den erwerbenden Gesellschafter) einer Anwendbarkeit von § 3 Nr. 2 GrEStG nicht entgegensteht. Diese Steuerbefreiung verfolgt den Zweck, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer zu vermeiden. Der fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke beruht ebenso wie der Erwerb der Gesellschaftsanteile auf einer Schenkung. In Abgrenzung dazu ist bei § 3 Nr. 4 bzw. 6 GrEStG kein sachlicher Grund vorhanden, entgegen dem Wortlaut der Vorschrift die Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu befreien.6

205

Dieselben Grundsätze wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG gelten auch für das Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG. Auch hier ist danach zu unterscheiden, ob durch den Hinzuerwerb von Anteilen erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung erworben wird (dann fiktiver Erwerb des Grundstücks von der Gesellschaft) oder ob diese von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen wird (dann fiktiver Erwerb des Grundstücks durch den übertragenden Rechtsträger).7 Im Rahmen von § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG ist außerdem – ebenso wie bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG – danach zu unterscheiden, ob es sich bei der grundbesitzenden Gesellschaft um eine Personengesellschaft oder eine

1 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 13 und 210; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Rz. 3. 2 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 186a. 3 Gottwald, ZEV 2012, 499. 4 Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 58. 5 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 6 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 Tz. 28. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 359; ausführlich Behrens, DStR 2013, 2726 (2727, 2729).

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E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4)

Rz. 209 § 3

Kapitalgesellschaft handelt. Die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 4 bzw. 6 GrEStG sind entsprechend den für § 1 Abs. 3 GrEStG dargestellten Grundsätzen anwendbar.1 Auch außerhalb der Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG kann § 3 Nr. 4 GrEStG Bedeutung zukommen. Dies gilt insbesondere für Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand oder von einer Gesamthand auf einen der Gesellschafter, §§ 5 und 6. Ist an der Gesamthand oder an dem Grundstück der Ehegatte beteiligt, so kommt auch in diesen Fällen eine Anwendung von § 3 Nr. 4 GrEStG in Betracht (vgl. § 5 Rz. 66 ff.).

206

III. Bestehende Ehe Einzige tatbestandliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist das Bestehen 207 einer Ehe (bzw. Lebenspartnerschaft, vgl. Rz. 210) zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber, und zwar im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs. Unter einer Ehe, die im Zivilrecht nicht ausdrücklich definiert ist, verstand das Grundgesetz bisher die auf freiem Entschluss beruhende Vereinigung eines Mannes und einer Frau.2 Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts3 zum 1.10.2017 kann nunmehr auch eine Ehe zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts geschlossen werden. Die Ehe muss wirksam geschlossen worden sein und im Erwerbszeitpunkt noch fortbestehen. Der in § 3 Nr. 4 GrEStG verwendete Begriff des „Ehegatten“ erfasst nur Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts, so dass der Erwerb durch einen Verlobten oder den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht begünstigt ist, auch wenn aus der Beziehung Kinder hervorgegangen sind.4 Die Nichtgewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für diese Personengruppen verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Dem Gesetzgeber ist es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, Ehegatten gegenüber Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steuerrechtlich zu privilegieren. Nichteheliche Gemeinschaften unterscheiden sich wesentlich von der Ehe, bei der das Gemeinschaftsverhältnis durch Gesetz eine eingehende Ordnung erfahren hat. § 3 Nr. 4 GrEStG ist aus diesen Gründen nach Auffassung des BFH trotz der Beschränkung auf Ehegatten verfassungsgemäß.5 Eine Steuerbefreiung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach dem Grundstückserwerb geheiratet haben. Auch nach Auffassung des BVerfG ist es zulässig, bei steuerrechtlichen Regeln zwischen Ehegatten und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu differenzieren.6 Die Form einer Eheschließung im Inland bestimmt sich grundsätzlich nach deutschem Recht, Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB.7 Eine Ehe wird dadurch wirksam geschlossen, dass die Eheschließenden vor einem Standesbeamten erklären, dass sie die Ehe miteinander eingehen wollen, § 1310 BGB. Diese Erklärung muss persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheschließenden abgegeben werden, § 1311 Satz 1 BGB.

208

Die Ehe besteht bis zu ihrer Auflösung, die durch den Tod eines Ehegatten oder durch Aufhebung bzw. Scheidung der Ehe erfolgen kann. Eine Aufhebung bzw. eine Scheidung können nur durch richterliche Entscheidung vorgenommen bzw. geschieden werden (§ 1313 Satz 1 und § 1564 Satz 1 BGB). Die Ehe ist jeweils mit der Rechtskraft dieser Entscheidung aufgelöst, so dass nachfolgende Grundstückserwerbe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nach § 3 Nr. 4 GrEStG, sondern allenfalls nach § 3 Nr. 5 GrEStG steuerfrei sind. Ein Getrenntleben der Ehegatten oder die Einleitung des Scheidungsverfahrens haben dagegen noch keine Auswirkungen auf die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG.8 Von einer auflösbaren Ehe ist die sog. Nichtehe zu unterscheiden. Diese leidet an so

209

So auch Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 16. BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239. Gesetz v. 20.7.2017, BGBl. I 2017, 787. BFH v. 11.10.2002 – II B 193/01, BFH/NV 2003, 201. BFH v. 25.4.2001 – II R 72/00, BStBl. II 2001, 610; BFH v. 1.12.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540 (zu § 3 Nr. 5a GrEStG). 6 BVerfG v. 1.6.1983 – 1 BvR 107/83, BStBl. II 1984, 172 (zur Erbschaftsteuer). 7 Ausnahmen ggf. bei der Eheschließung von Ausländern, vgl. Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB. 8 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 215; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 369. 1 2 3 4 5

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§ 3 Rz. 209 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung schwerwiegenden formellen oder materiellen Mängeln, dass keine Ehe im rechtlichen Sinne zustande gekommen ist und eine Begünstigung nach § 3 Nr. 4 GrEStG daher nicht in Betracht kommt.1

IV. Bestehende Lebenspartnerschaft 210

Durch das JStG 20102 wurden die Steuerbefreiungsvorschriften (§ 3 Nr. 3 bis Nr. 7 GrEStG) dergestalt geändert, dass alle Befreiungen, die bis dato nur für Ehegatten galten, auch für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft Anwendung finden sollen. Hintergrund der Änderungen war das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“3, durch das Lebenspartnerschaften rechtliche Anerkennung erfahren haben. Durch das LPartG wurden gesetzlichen Regelungen für die Lebenspartnerschaft bestimmt, die an die Vorschriften der Ehe angelehnt sind.4 Zu beachten ist, dass es sich um eine eingetragene Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG handeln muss. Grundstückserwerbe durch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind dagegen nicht begünstigt.5

211

Seit der Änderung des § 3 Nr. 4 GrEStG findet die Steuerbefreiung nunmehr auch Anwendung bei der Grundstücksübertragung zwischen Lebenspartnern. Dies gilt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, vgl. § 23 Abs. 9 GrEStG6. Die – deutliche – Rückwirkung war erforderlich, weil das BVerfG § 3 Nr. 4 GrEStG für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt hatte, soweit eine Steuerbefreiung für Lebenspartner vor dem Inkrafttreten des JStG 2010 nicht möglich war.7

212

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG setzt voraus, dass die Lebenspartnerschaft wirksam begründet worden ist. § 1 LPartG setzt für eine Begründung voraus, dass zwei Personen gleichen Geschlechts gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Die Lebenspartnerschaft besteht so lange, bis sie auf Antrag eines oder beider Lebenspartner durch richterliche Entscheidung aufgehoben wird, § 15 Abs. 1 LPartG.

V. Interpolation 213

Auch im Rahmen von § 3 Nr. 4 GrEStG kann sich durch eine wertende Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften (sog. Interpolation) eine Steuerbefreiung ergeben, die allein im Wortlaut von § 3 Nr. 4 GrEStG bzw. der anderen Steuerbefreiungsvorschrift nicht zum Ausdruck kommt. So ist z.B. der Erwerb eines Grundstücks steuerfrei, das von dem ehemaligen Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung auf den neuen Ehegatten übertragen wird (Zusammenschau mit § 3 Nr. 5 GrEStG).

214

Neben den Steuerbefreiungen kommt auch eine Interpolation mit den Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG in Betracht (vgl. § 5 Rz. 66 ff.). Dies gilt gleichermaßen für Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand wie auch für Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand. Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vergünstigung greift auch für die Übertragung von Miteigentümern auf eine Gesamthand, vgl. § 5 Abs. 1 GrEStG. In interpolierender Betrachtungsweise mit § 3 Nr. 4 bzw. 6 GrEStG ist die Übertragung auch begünstigt, soweit an der Gesamthand Personen beteiligt sind, die mit dem Eigentümer entweder verheiratet (§ 3 Nr. 4 GrEStG) bzw. in gerader Linie verwandt (§ 3 Nr. 6 1 2 3 4 5 6 7

Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 215; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 368. Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. LPartG v. 16.2.2001, BGBl. I 2001, 166 (LPartG). Vgl. im Einzelnen Mayer, ZEV 2001, 169. BFH v. 1.12.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540 (zu § 3 Nr. 5a GrEStG). I.d.F. d. AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 1809. BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179; ausführlich zur Rechtsentwicklung Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 52.

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E. Grundstückserwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner (Nr. 4)

Rz. 217 § 3

GrEStG) sind.1 Zu beachten ist allerdings, dass es sich in rechtstechnischer Sicht nicht um eine Steuerbefreiung, sondern um eine modifizierte Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG handelt. Es wird über § 3 Nr. 4 GrEStG lediglich das Tatbestandsmerkmal „Gesamthänder“ ersetzt bzw. durch seinen Ehegatten ergänzt. Die übrigen Voraussetzungen der Begünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG, insbesondere die in § 5 Abs. 3 GrEStG bestimmte Behaltefrist von fünf Jahren, ist von dem Ehegatten einzuhalten.2 Er muss also seine Gesamthänderstellung für fünf Jahre aufrechterhalten, damit die Steuer für den Übertragungsvorgang nicht nacherhoben wird. Andererseits kann § 3 Nr. 4 GrEStG auch dazu führen, dass die Behaltefrist in § 5 Abs. 3 GrEStG ge- 215 rade keine Anwendung findet. Hat ein Alleineigentümer ein Grundstück in eine Gesamthand eingebracht, an der er beteiligt ist, und überträgt er später seine Beteiligung an der Gesamthand auf seinen Ehegatten, so wäre die Steuer für den Einbringungsvorgang gem. § 5 Abs. 3 GrEStG eigentlich nachzuerheben. Da § 5 Abs. 3 GrEStG als Missbrauchsverhinderungsvorschrift jedoch die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraussetzt, entfällt die Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht, wenn die vom Gesetz geforderte Steuerumgehung objektiv ausscheidet. Bei einer unmittelbaren Grundstücksübertragung zwischen Ehegatten wäre der Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen, so dass auch der Anteilsübergang auf den Ehegatten innerhalb der Behaltefrist keine Nacherhebung nach § 5 Abs. 3 GrEStG auslöst.3 Diesbezüglich ist aber zu beachten, dass der erwerbende Ehegatte als Rechtsnachfolger an die fünfjährige Behaltefrist des Rechtsvorgängers gebunden ist und Weiterübertragungen der Beteiligung die Rechtsfolgen von § 5 Abs. 3 GrEStG auslösen.4 Auch im Bereich der Grundstücksübergänge von einer Gesamthand auf einen oder mehrere Gesell- 216 schafter (§ 6 Abs. 1 und 2 GrEStG) kann sich in Zusammenschau mit § 3 Nr. 4 GrEStG eine Steuervergünstigung ergeben. Wird ein Grundstück von der Gesamthand nicht auf einen Gesellschafter, sondern auf seinen Ehegatten übertragen, so ist dieser Vorgang nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigt, wobei allerdings die Sperrfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG zu beachten ist.5 Einschränkungen können sich bei der Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand auf Ehegatten als Miteigentümer ergeben: Wird im Zuge der Auflösung einer aus drei Gesellschaftern bestehenden GbR ein im Gesellschaftsvermögen befindliches Grundstück auf einen der Gesellschafter und dessen Ehefrau zu je hälftigem Miteigentum übertragen, so setzt sich der Anteil des übernehmenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen i.H.v. einem Drittel in seinem Miteigentumsanteil am Grundstück fort. Unter Berücksichtigung von § 6 Abs. 1 GrEStG unterliegt somit ein Sechstel des Werts des gesamten Grundstückes der Grunderwerbsteuer. Der Ehefrau kann dagegen eine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG nicht zugebilligt werden, da sie ihren Miteigentumsanteil nicht von ihrem Ehemann erworben hat. Dessen gesamthänderische Beteiligung am Grundstück hat sich in seinem Miteigentumsanteil fortgesetzt, so dass der Gedanke des § 6 Abs. 1 GrEStG bereits verbraucht ist.6

VI. Verfahrensrechtliche Besonderheiten Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG darf der Erwerber eines Grundstücks erst dann als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Eintragung keine steuerlichen Bedenken entgegenstehen. Von diesem Grundsatz können die obersten Finanzbehörden der Länder im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen Ausnahmen zulassen, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG. Auf Basis dieser Ermächtigung ist für Grundstückserwerbe durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des 1 BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329 Rz. 12; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 428 (zu § 3 Nr. 6 GrEStG); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 216. 2 BFH v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557 Rz. 30 (zu § 3 Nr. 6 GrEStG); Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 362. 3 BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 (zu § 3 Nr. 2 GrEStG); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 210; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 104. 4 Gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Rz. 7.4.2. 5 BFH v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 428; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 216. 6 BFH v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 361; Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 36.

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217

§ 3 Rz. 217 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung Veräußerers die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erforderlich.1 Auf Verlangen der Grundbuchämter erteilt das Finanzamt jedoch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG wird durch die Vereinfachungsregel nicht berührt.

F. Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft (Nr. 5, 5a) I. Hintergrund und Anwendungsbereich 218

Steuerbefreit ist gem. § 3 Nr. 5 GrEStG der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers, wenn die Übertragung im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgt. Da nach der Scheidung keine bestehende Ehe mehr vorliegt, greift in diesen Fällen § 3 Nr. 4 GrEStG nicht mehr ein. Die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 5 GrEStG wurde geschaffen, um infolge der Scheidung notwendig gewordene Vermögensauseinandersetzungen nicht mit Grunderwerbsteuer zu belasten.

219

Im Unterschied zu § 3 Nr. 4 GrEStG, der den Erwerb durch den Ehegatten uneingeschränkt von der Steuer befreit, ist die Befreiung in § 3 Nr. 5 GrEStG in sachlicher Hinsicht auf die Vermögensauseinandersetzung beschränkt. Liegt also eine Grundstücksübertragung zwischen geschiedenen Ehegatten vor, ohne dass oder nachdem eine Vermögensauseinandersetzung erfolgt ist, so findet die Steuerbefreiung keine Anwendung. Die geschiedenen Ehegatten stehen sich dann wie fremde Dritte gegenüber, so dass ein Grundstückserwerb zwischen ihnen nicht (mehr) begünstigt ist.2 Auch für Grundstücksübertragungen im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und zwischen Verlobten gilt § 3 Nr. 5 GrEStG nicht.3 Anders ist die Rechtslage bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Insoweit wurde durch den Gesetzgeber mit dem JStG 20104 eine entsprechende Regelung in § 3 Nr. 5a GrEStG eingeführt (vgl. Rz. 229 f.).

II. Erwerb durch den früheren Ehegatten nach der Scheidung 220

§ 3 Nr. 5 GrEStG umfasst nur solche Grundstückübertragungen, die durch den „früheren Ehegatten“ und „nach der Scheidung“ erfolgen. Die Steuerbefreiung knüpft damit an die Ehe im bürgerlichrechtlichen Sinne an, sie findet daher auf nichteheliche Lebensgemeinschaften keine Anwendung.5 Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Dies ist der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 BGB. Die Scheidung erfolgt auf Antrag eines oder beider Ehegatten durch richterliche Entscheidung. Mit der Rechtskraft der Entscheidung ist die Ehe aufgelöst, § 1564 Satz 2 BGB.6

221

Vom reinen Wortlaut des § 3 Nr. 5 GrEStG nicht erfasst sind Fälle, in denen die Ehe nicht geschieden, sondern gem. §§ 1313 ff. BGB aufgehoben werden. Auch die Aufhebung der Ehe erfolgt durch richterliche Entscheidung, deren Rechtskraft zur Auflösung der Ehe führt, § 1313 Satz 2 BGB. Eine Aufhebung der Ehe erfolgt jedoch nur in seltenen Fällen, etwa, wenn der eine Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt wurde, vgl. § 1313 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB. Die Folgen einer Eheaufhebung bestimmen sich teilweise nach den Vorschriften über die Scheidung. So bestimmt § 1318 Abs. 3 BGB, dass die Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft und den Versorgungsausgleich entsprechend anwendbar sind, soweit dies nicht im Hin1 FinMin. NW v. 2.5.2011 – S 4540-1-V A 6, GrESt-Kartei NW § 22 Karte 6; G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 83. 2 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 220. 3 BFH v. 11.10.2002 – II B 193/01, BFH/NV 2003, 201; BFH v. 1.12.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540 (zu § 3 Nr. 5a GrEStG); Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 220. 4 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 5 BFH v. 11.10.2002 – II B 193/01, BFH/NV 2003, 201. 6 Vgl. insoweit Art. 17 EGBGB, soweit ausländisches Recht anzuwenden ist.

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F. Auseinandersetzung nach Scheidung/Aufhebung (Nr. 5, 5a)

Rz. 224 § 3

blick auf die Umstände bei der Eheschließung grob unbillig wäre. Kommt es diesbezüglich zu Grundstücksübertragungen zwischen den früheren Ehegatten, so bestehen keine Bedenken, auf diese Übertragungen ebenfalls § 3 Nr. 5 GrEStG anzuwenden.1 Der Grundstückserwerb muss „durch den früheren Ehegatten“ erfolgen. Erwerber und Veräußerer 222 müssen also vor dem Erwerb miteinander verheiratet gewesen und die Ehe muss infolge Scheidung aufgelöst sein. Nicht begünstigt ist ein Erwerb von einem Gesamtrechtsnachfolger des geschiedenen Ehegatten.2 Durch § 3 Nr. 5 GrEStG sollten nur Grundstücksübertragungen zwischen geschiedenen Ehegatten im Rahmen der infolge der Scheidung notwendig gewordenen Vermögensauseinandersetzung begünstigt werden, ein steuerfreier Erwerb vom Gesamtrechtsnachfolger des geschiedenen Ehegatten war nach der Intention des Gesetzgebers dagegen nicht vorgesehen. Im Wege der Auslegung darf kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden, so dass eine Steuerbefreiung beim Erwerb vom Rechtsnachfolger ausscheidet. Überträgt also die zweite Ehefrau als Rechtsnachfolgerin ihres Mannes einen Miteigentumsanteil auf die geschiedene erste Ehefrau, so kommt eine Befreiung auch dann nicht in Betracht, wenn sich die Übertragung noch im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung vollzieht.3

III. Vermögensauseinandersetzung Die Übertragung des Grundstücks muss im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgen. Begünstigt ist jede Vermögensauseinandersetzung, die ihre Ursache in der Scheidung hat. Andere Grundstücksübertragungen zwischen geschiedenen Ehegatten, die nicht durch die Scheidung verursacht sind, unterfallen dagegen nicht der Steuerbefreiung. Zur Vermeidung einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausweitung der Befreiungsvorschrift auf sämtliche Vermögensauseinandersetzungen mit Grundstücken nach einer Ehescheidung muss darauf abgestellt werden, dass die Auseinandersetzung durch die Scheidung notwendig geworden ist. Vermögensauseinandersetzungen, die zwar zeitlich nach einer Ehescheidung erfolgen, jedoch auf keinem zwingenden familienrechtlichen Hintergrund beruhen, sind daher nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.4

223

Eine Vermögensauseinandersetzung erstreckt sich auf die Regelung sämtlicher vermögensrecht- 224 licher Beziehungen der geschiedenen Ehegatten.5 Sie ist also nicht auf die reine güterrechtliche Auseinandersetzung beschränkt, sondern umfasst auch Regelungen über den nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB) sowie den Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB).6 Werden also – unabhängig vom Güterstand – Grundstücksübertragungen vorgenommen, um Ansprüche auf Unterhalt oder einen Versorgungsausgleich abzugelten, so findet § 3 Nr. 5 GrEStG Anwendung. Hinsichtlich der güterrechtlichen Auseinandersetzung gibt es güterstandsspezifische Besonderheiten. Eine eigentliche Vermögensauseinandersetzung findet im Güterstand der Gütergemeinschaft statt. Wird in diesem Güterstand die Ehe geschieden, so müssen sich die Ehegatten über das Gesamtgut auseinandersetzen, § 1471 BGB. Dabei wird jedem Ehegatten der Wert dessen zurückerstattet, was er in die Gütergemeinschaft eingebracht hat, § 1478 BGB. Kommt es in diesem Zusammenhang zur Übertragung eines Grundstücks, so ist diese steuerfrei nach § 3 Nr. 5 GrEStG. Gleiches gilt auch, wenn in die Auseinandersetzung ein Grundstück einbezogen wird, das nicht zum Gesamtgut gehört, sondern als Vorbehaltsgut im Alleineigentum eines Ehegatten stand.7 Haben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, so erfolgt nach der Scheidung der Ehe ein güterrechtlicher Ausgleich des Zugewinns nach §§ 1372 ff. BGB. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu, § 1378 1 So auch Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 389; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 221; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 38. 2 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 223. 3 BFH v. 23.3.2011 – II R 33/09, BStBl. II 2011, 980. 4 FG Hessen v. 10.5.2012 – 5 K 2338/08, EFG 2012, 1874 (rkr.); FG Nürnberg v. 28.4.2020 – 4 K 1791/18, EFG 2020, 1153 (rkr.). 5 BFH v. 23.3.2011 – II R 33/09, BStBl. II 2011, 980; v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177. 6 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 224; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 38. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 396; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 38.

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§ 3 Rz. 224 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung Abs. 1 BGB. Wird in Anrechnung auf diese Ausgleichsforderung ein Grundstück übertragen, so ist dieser Erwerb nach § 3 Nr. 5 GrEStG von der Steuer befreit. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt nicht in Betracht, da aufgrund der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung kein unentgeltlicher Vorgang liegt. Lebten die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung, kommt es grundsätzlich nicht zu einer güterrechtlichen Auseinandersetzung. Werden dennoch Grundstücke übertragen, die zuvor im Miteigentum der Ehegatten oder im Alleineigentum eines Ehegatten standen, etwa zum Ausgleich von Unterhaltsansprüchen, ist auch dieser Erwerb steuerfrei. Natürlich fallen auch „Paketlösungen“, bei denen ein Grundstück zur Abgeltung diverser (Unterhalts-, Versorgungsausgleichsund Zugewinnausgleichs-)Ansprüche übertragen wird, unter die Steuerbefreiung.1 225

Nicht erforderlich ist, dass es durch die Übertragung zu einer endgültigen Zuordnung eines Grundstücks zum früheren Ehegatten kommt. Eine derartige Einschränkung des Tatbestands des § 3 Nr. 5 GrEStG ergibt sich weder aus dessen Wortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien. Eine begünstigte Vermögensauseinandersetzung liegt daher auch dann vor, wenn Eheleute zur Regelung ihrer Vermögensverhältnisse anlässlich der Scheidung ein Grundstück, das im Alleineigentum eines Ehegatten stand, in eine von den geschiedenen Eheleuten neu gegründete GbR einbringen.2

226

Der Gesetzgeber hat für die Steuerfreiheit in § 3 Nr. 5 GrEStG keine ausdrückliche Frist vorgesehen, innerhalb derer die Grundstücksübertragung nach der Scheidung erfolgen muss. Die Finanzverwaltung und die untergerichtliche Rechtsprechung sind jedoch früher bei einem längeren Zeitraum zwischen Scheidung und Grundstücksübertragung davon ausgegangen, dass die Vermögensauseinandersetzung zwischen den Ehegatten bereits ein Ende gefunden hat und die Grundstücksübertragung daher nicht mehr steuerfrei ist.3 Der BFH hat dazu festgestellt, dass in § 3 Nr. 5 GrEStG eine zeitliche Beschränkung nicht vorgesehen sei, ein langer Zeitraum zwischen Scheidung und Grundstücksübertragung jedoch darauf hindeuten könne, dass eine scheidungsbedingte Vermögensauseinandersetzung nicht mehr vorliege.4 Im konkreten Fall hatten Ehegatten im Zusammenhang mit ihrer Scheidung vereinbart, dass sie vorerst Miteigentümer des weiterhin von einem Ehegatten und dem gemeinsamen Kind genutzten Wohnhauses bleiben und der nutzende Ehegatte ein notariell beurkundetes Ankaufsrecht für den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten erhält. Den nach 15 Jahren aufgrund des Ankaufsrechts erfolgten Erwerb hat der BFH noch der scheidungsbedingten Vermögensauseinandersetzung zugerechnet. Allein mit der wirksamen Begründung eines Ankaufsrechts für den Miteigentumsanteil sei noch keine Vermögensauseinandersetzung erfolgt. Die Vermögensauseinandersetzung ende vielmehr erst mit dem tatsächlichen Vollzug der Vereinbarung, also dann, wenn das Ankaufsrecht ausgeübt wird.5 Auch in der Literatur wird zu Recht davon ausgegangen, dass die Vermögensauseinandersetzung an keine konkrete Frist gebunden ist, sondern nur einen sachlichen Zusammenhang mit der Scheidung erfordert.6 Ein Zusammenhang endet jedoch dort, wo sich die geschiedenen Ehegatten wie fremde Dritte gegenüberstehen. So kann eine Steuerfreiheit nicht mehr angenommen werden, wenn die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem ehemaligen Familienheim erst 28 Jahren nach der Trennung der Ehegatten erfolgt.7 Da weder der Gesetzgeber noch der BFH eine konkrete zeitliche Befristung bestimmt haben, kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Es ist daher ratsam, die Auseinandersetzung nach einer Scheidung nicht zu lange hinauszuschieben oder andernfalls die Gründe darzulegen, die zu einer verzögerten Regelung geführt haben (z.B. Gutachtertätigkeiten, Verhandlungen mit den finanzierenden Banken, Rechtsstreitigkeiten über Unterhaltsansprüche usw.). Hinsichtlich der endgültigen Regelung der Eigentumsverhältnisse am Familienheim könnte darüber hinaus geltend gemacht werden, dass sich geschiedene Ehegatten diesbe-

1 G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 87. 2 BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177, wobei sich hier die Befreiung aus einer interpolierenden Betrachtung mit § 5 Abs. 2 GrEStG ergibt. 3 FG Köln v. 1.8.2008 – 5 K 1751/06, EFG 2009, 1485; Kesseler, DStR 2010, 2173. 4 BFH v. 23.3.2011 – II R 33/09, BStBl. II 2011, 980. 5 Im Ergebnis kam eine Steuerbefreiung dennoch nicht in Betracht, da der Erwerb nicht mehr vom früheren Ehegatten, sondern von dessen Rechtsnachfolger erfolgte. 6 Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 38; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 394; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 225. 7 FG Berlin-Bdb. v. 26.6.2015 – 15 K 4021/13, EFG 2015, 1627 (rkr.).

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F. Auseinandersetzung nach Scheidung/Aufhebung (Nr. 5, 5a)

Rz. 230 § 3

züglich nie wie fremde Dritte gegenüberstehen und eine Auseinandersetzung auch zu einem späten Zeitpunkt steuerfrei möglich sein muss.1 Nach endgültigem Abschluss der Vermögensauseinandersetzung ist die Anwendung von § 3 Nr. 5 GrEStG ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn als Gegenleistung für eine Grundstücksübertragung zwischen geschiedenen Ehegatten auf ein Recht verzichtet wird, das durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung begründet worden ist (z.B. eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt). Eine solche Übertragung zählt nicht mehr zur Vermögensauseinandersetzung, da die Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen abgeschlossen war. Die Verrechnung mit etwaigen Ansprüchen aus einer Auseinandersetzungsvereinbarung stellt keinen Zusammenhang mit der Scheidung mehr dar, sondern nur einen abgekürzten Zahlungsweg. Es sollte gut abgewogen werden, ob in eine Scheidungsvereinbarung eine Abgeltungsklausel aufgenommen wird, dass die Vermögensauseinandersetzung umfassend beendet ist. In diesen Fällen können spätere Grundstücksübertragungen zwischen den früheren Ehegatten nicht mehr steuerfrei erfolgen.

227

IV. Interpolation Auch im Bereich des § 3 Nr. 5 GrEStG kann eine wertende Zusammenschau mehrerer Befreiungs- 228 vorschriften eine Befreiungsvorschrift ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften für sich allein betrachtet nicht zum Ausdruck kommt (sog. Interpolation). So kann der Erwerb eines Grundstücks von dem geschiedenen Ehegatten durch den neuen Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung in Zusammenschau mit § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbefreit sein. Auch eine Zusammenschau mit §§ 5 und 6 GrEStG kommt in Betracht. Erwirbt eine Gesamthand, an der der frühere Ehegatte des Veräußerers beteiligt ist, im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung der Ehegatten ein Grundstück, führt die interpolierende Betrachtungsweise dazu, den Grundstückserwerb so zu behandeln, als wäre er durch den geschiedenen Ehegatten erfolgt. Nach den Rechtsgedanken der § 3 Nr. 5 und § 5 Abs. 2 GrEStG ist der Grundstückserwerb zu der Quote steuerfrei, zu der der frühere Ehegatte an der Gesamthand beteiligt ist.2 Gleiches gilt, wenn beide früheren Ehegatten an einer Gesamthand beteiligt sind und auf diese im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung Grundstücke übertragen.3

V. Lebenspartnerschaft nach Nr. 5a Nach § 3 Nr. 5a GrEStG ist der Grundstückserwerb durch den früheren Lebenspartner des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft steuerfrei.4 Die Vorschrift wurde durch das JStG 20105 eingefügt, um die Lebenspartnerschaft der Ehe gleichzustellen. Die Anwendung der Befreiung war ursprünglich nur für solche Erwerbsvorgänge vorgesehen, die nach dem 31.12.2010 verwirklicht werden. Nachdem das BVerfG dieses Vorgehen für verfassungswidrig erklärt hatte6, wurde § 23 Abs. 9 GrEStG durch das AmtshilfeRLUmsG7 neu gefasst. Die Steuerbefreiung gilt nunmehr für alle Erwerbsvorgänge, die die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, soweit die entsprechenden Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

229

Eine Lebenspartnerschaft wird – ebenso wie die Ehe – durch richterliche Entscheidung aufgehoben, § 15 LPartG. Diese Aufhebung hat ähnliche Folgen wie die Ehescheidung: auch hier kommt es zu einem Zugewinnausgleich (§ 6 Satz 2 LPartG) sowie Regelungen über den nachpartnerschaftlichen Un-

230

1 2 3 4

So auch Kesseler, DStR 2010, 2173 (2176). BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177 Tz. 14. BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177 Tz. 15; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 226. Die Vorschrift erfasst nicht den Grundstückserwerb durch den früheren Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, vgl. BFH v. 1.12.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540. 5 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 6 BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BFH/NV 2012, 1758. 7 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809.

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§ 3 Rz. 230 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung terhalt (§ 16 LPartG) und den Versorgungsausgleich (§ 20 LPartG). Wird zur Abgeltung dieser Ansprüche ein Grundstück übertragen, so ist dieser Erwerb nach § 3 Nr. 5a GrEStG steuerfrei. Hinsichtlich der zeitlichen und sachlichen Anforderungen an die Steuerbefreiung wird auf die Ausführungen zu § 3 Nr. 5 GrEStG verwiesen, die auch hier uneingeschränkt gelten (vgl. Rz. 220 ff.).

G. Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte (Nr. 6) I. Hintergrund und Historie 231

Durch § 3 Nr. 6 GrEStG werden solche Grundstückserwerbe von der Steuer freigestellt, die durch Verwandte in gerade Linie bzw. durch ihnen gleichgestellte Personen erfolgen (z.B. Stiefkinder oder Ehegatten/Lebenspartner der Verwandten in gerader Linie). Zu beachten ist, dass die Steuerbefreiung nur Bedeutung bei entgeltlichen bzw. teilentgeltlichen Vorträgen erlangt, da im Fall der Unentgeltlichkeit auch § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung finden kann.

232

Die Vorschrift ist durch das JStG 20101 in zwei Punkten geändert worden. In Satz 1 der Vorschrift wurden solche Personen aufgenommen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Der Gesetzgeber hielt es für geboten, diese Personen aufgrund ihres durch die leibliche Verwandtschaft begründeten Näheverhältnisses grunderwerbsteuerlich zu begünstigen, auch wenn das Verwandtschaftsverhältnis rechtlich erloschen ist.2 Diese Änderung ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden, vgl. § 23 Abs. 9 i.d.F. des JStG 2010.3

233

Außerdem wurde in Satz 3 als begünstigte Person neben dem Ehegatten auch der Lebenspartner aufgenommen. Dies gilt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Die Erweiterung auf Lebenspartner war zunächst nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 GrEStG i.d.F. des JStG 2010. Das BVerfG4 hat jedoch die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten in Bezug auf die Grunderwerbsteuerbefreiung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des JStG 2010 für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet. § 23 Abs. 9 GrEStG wurde deshalb geändert, so dass hinsichtlich der Änderung in § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG eine Anwendung für Erwerbsvorgänge bereits nach dem 31.7.2001 besteht.

II. Anwendungsbereich 234

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG setzt voraus, dass die Grundstücksübertragung zwischen Personen erfolgt, die zueinander in einem in der Vorschrift erwähnten begünstigten Verhältnis stehen.

235

Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für den klassischen Grundstückskaufvertrag zwischen den begünstigten Personen, sondern kommt auch bei den übrigen Erwerbstatbeständen des § 1 GrEStG in Betracht. Dies gilt grundsätzlich auch für die Ergänzungstatbestände, wobei zu beachten ist, dass die Befreiung bei der Vereinigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG nicht eingreift. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs wird auf die Ausführungen zu § 3 Nr. 4 GrEStG verwiesen, die auch hier uneingeschränkt gelten (vgl. Rz. 200 ff.).

III. Erwerb durch Verwandte in gerade Linie, Nr. 6 Satz 1 Alt. 1 236

Steuerfrei nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG ist zunächst der Erwerb durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind. Verwandte in gerader Linie sind gem. § 1589 Satz 1 BGB Per1 2 3 4

Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. BT-Drucks. 17/2249, S. 172. Ebenso Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 3 GrEStG Rz. 3. BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179.

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G. Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte (Nr. 6)

Rz. 238 § 3

sonen, deren eine von der anderen abstammt, also Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel, sowie die entfernteren Voreltern bzw. Abkömmlinge. Da § 1589 BGB nur auf die Abstammung abstellt, kommt es nicht darauf an, ob die Eltern verheiratet waren oder sind. Auch ein nichteheliches Kind ist daher mit seiner Mutter und seinem Vater in gerader Linie verwandt. Mutter eines Kindes ist gem. § 1591 BGB die Frau, die es geboren hat. Als Vater ist dagegen nicht zwingend der biologische Vater anzusehen, sondern gem. § 1592 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist. Eine Verwandtschaft in gerader Linie entsteht auch durch die Annahme eines Minderjährigen als Kind (sog. Adoption). Durch die Annahme erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden bzw. in den Fällen der Adoption durch Ehegatten die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten, § 1754 Abs. 1 und 2 BGB. Es wird ein umfassendes Verwandtschaftsverhältnis zu dem Annehmenden und zu dessen Verwandten begründet, so dass die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG greift. In Bezug auf die leiblichen Eltern hat die Annahme zur Folge, dass das Verwandtschaftsverhältnis erlischt (§ 1755 Abs. 1 BGB), so dass § 3 Nr. 6 Satz 1 Alt. 1 GrEStG nicht mehr anwendbar ist. Etwaige Grundstücksübertragungen sind jedoch dennoch steuerbefreit, vgl. § 3 Nr. 6 Satz 1 Alt. 2 GrEStG (vgl. Rz. 239 ff.). Eine etwas andere Beurteilung ist bei der Annahme eines Volljährigen als Kind geboten. Mit der Annahme des Volljährigen erlangt auch dieser die Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden, § 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1754 Abs. 1 bzw. 2 BGB. Jedoch erstrecken sich die Wirkungen grundsätzlich nicht auf die Verwandten des Annehmenden und das Verhältnis des Angenommenen zu seinen bisherigen Verwandten bleibt durch die Annahme unberührt, § 1770 BGB. Zu beachten ist für beide Fälle der Adoption, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG voraussetzt, dass Veräußerer und Erwerber im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes miteinander in gerade Linie verwandt sind. Die Annahme muss daher in diesem Zeitpunkt bereits wirksam sein, was voraussetzt, dass der Annahmebeschluss des Vormundschaftsgerichts bereits zugestellt sein muss. Die Rechtswirkung des Beschlusses gilt nur für die Zukunft, er erzeugt keine Wirkung für die Vergangenheit. Wird also der Beschluss über die erfolgte Adoption erst nach dem Erwerbsvorgang zugestellt, so ist ein Erwerb zwischen dem Annehmenden und dem angenommenen Kind nicht nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei.

237

Keine Verwandten in gerader Linie sind Geschwister. Diese stammen nicht voneinander ab, sondern 238 von derselben dritten Person, vgl. § 1589 Abs. 1 BGB. Sie sind nicht in gerader Linie, sondern in der Seitenlinie verwandt. Grundstückserwerbe zwischen Geschwistern sind daher grundsätzlich nicht nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass eine Übertragung auf ein Elternteil und eine Weiterübertragung auf das Geschwisterkind jeweils nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG steuerfrei wären, da es sich dann um zwei Übertragungen zwischen Verwandten in gerader Linie handeln würde. Erfolgt eine solche Zwischenschaltung der Eltern, um die Steuerfreiheit der Übertragung zu erreichen, ohne dass ein außerhalb der Steuerersparnis liegender Grund für die Gestaltung ersichtlich ist, so ist dies als Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO anzusehen (vgl. Rz. 16).1 In letzter Zeit kommt in diese Rechtsprechung jedoch etwas Bewegung2: So hatte der BFH im Jahr 2014 entschieden, dass eine Übertragung zwischen Geschwistern in interpolierender Betrachtung des § 3 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein kann, wenn die Übertragung als abgekürzter Leistungsweg einer freigebigen Zuwendung der Eltern an das Geschwisterkind angesehen werden kann.3 Ein Fall von § 42 AO sei hier nicht anzunehmen, da es sich um einen beachtlichen Grund für die gewählte Gestaltung handele, dass bei einer Neugestaltung der vorweggenommenen Erbfolge die Eltern daran interessiert seien, gegenüber dem begünstigten Kind selbst als Schenker aufzutreten. Eine interpolierende Betrachtung von § 3 Nr. 2 und § 3 Nr. 6 GrEStG wurde durch den BFH 2015 auch für den Fall anerkannt, dass ein Elternteil Miteigentumsanteile an einem Grundstück schenkweise auf seine Kinder überträgt und diese verpflichtet sind, anteilige Miteigentumsanteile auf später geborene Geschwister zu übertragen.4 Hier sei die interpolierende Betrachtung nicht durch § 42 AO aus1 BFH v. 30.11.1960 – II 154/59 U, BStBl. III 1961, 21; FG Münster v. 28.5.2008 – 8 K 1597/06 GrE, EFG 2008, 1998; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 2; Pahlke6, Vorb. §§ 3 bis 7 GrEStG Rz. 11. 2 Ein Überblick über die Rechtsprechungsentwicklung findet sich bei Wrenger, DStR 2017, 18. 3 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5. 4 BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292.

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§ 3 Rz. 238 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung geschlossen, da die Übertragung von Miteigentumsanteilen auf später geborene Geschwister auf der Intention des schenkenden Elternteils beruhe, den Kindern und künftigen Kindern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu gleichen Teilen zu übertragen. Im Jahr 2018 hat der BFH erneut eine unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils unter Geschwistern als steuerbefreit angesehen, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hatte.1 Eine Steuerfreiheit kann sich aber immer nur dann ergeben, wenn sich der verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe ebenfalls steuerfrei wären.2 Die Zusammenschau grunderwerbsteuerlicher Befreiungsvorschriften darf außerdem nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs über ihren Zweck hinaus führen, und es muss für die gewählte Übertragung ein über die Steuerersparnis hinausgehender beachtlicher Grund ersichtlich sein.3 Zu beachten ist, dass eine Steuerbefreiung bei der Übertragung zwischen Geschwistern nur in Ausnahmefällen greifen kann, so dass in der Steuerplanung Zurückhaltung geboten ist und außersteuerliche Gründe in den Verträgen deutlich dokumentiert werden müssen.4

IV. Erwerb durch Personen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind erloschen ist, Nr. 6 Satz 1 Alt. 2 239

Die erst durch das JStG 20105 eingefügte zweite Tatbestandsalternative in § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG begünstigt Erwerbe zwischen Personen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlichrechtlich erloschen ist. Mit der Annahme als Kind erlöschen gem. § 1755 Abs. 1 BGB das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. Dies gilt für die Annahme Minderjähriger uneingeschränkt und für die Annahme von Volljährigen nur ausnahmsweise, wenn das Familiengericht bestimmt, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten sollen, § 1772 Abs. 1 BGB (sog. Volljährigenadoption mit starker Wirkung).

240

Obwohl bürgerlich-rechtlich die Verwandtschaft zu den leiblichen Eltern und deren Verwandten erlischt und somit § 3 Nr. 6 Satz 1 Alt. 1 GrEStG nicht mehr eingreift, bleibt die Steuerbefreiung für Erwerbe zwischen diesen Personen über § 3 Nr. 6 Satz 1 Alt. 2 GrEStG erhalten. Die Adoption führt also im Ergebnis dazu, dass Erwerbe zwischen dem angenommenen Kind und dem Annehmenden (bzw. den Verwandten) wie auch Erwerbe zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern (bzw. den Verwandten) steuerfrei sind. Nicht begünstigt ist allerdings ein ehemaliges Adoptionsverhältnis, wenn also das Annahmeverhältnis aufgehoben worden ist.6

V. Erwerb durch Stiefkinder, Nr. 6 Satz 2 241

Den Abkömmlingen werden gem. § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG die Stiefkinder gleichgestellt. Die Vorschrift enthält eine gesetzlich normierte Zusammenschau zwischen der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 4 GrEStG und der Befreiung gem. § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG.7 Denn eine Übertragung auf ein Stiefkind wäre auch dergestalt möglich, dass zunächst auf den Ehegatten (§ 3 Nr. 4 GrEStG) und sodann von diesem auf sein Kind übertragen würde (§ 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG).

1 BFH v. 7.11.2018 – II R 38/15, BStBl. II 2019, 325. 2 S. dazu BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. 3 BFH v. 7.11.2018 – II R 38/15, BStBl. II 2019, 325; FG Nürnberg v. 23.11.2020 – 4 K 1100/19, EFG 2021, 1048 (die eingelegte NZB wurde als unbegründet zurückgewiesen, vgl. BFH v. 25.5.2021, II B 87/20). 4 Wachter, ZEV 2016, 218 (221); Wrenger, DStR 2017, 18 (21). 5 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 6 BFH v. 17.3.2010 – II R 46/08, BStBl. II 2010, 554; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 238. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 416: „kodifizierte Interpolation“.

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G. Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte (Nr. 6)

Rz. 246 § 3

Der Begriff des Stiefkindes wird weder durch das GrEStG, noch durch andere Steuergesetze oder 242 durch das BGB genau definiert.1 Er ist demnach entsprechend dem Sinn und Zweck des jeweiligen Gesetzes auszulegen. Die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG hat ihren Grund darin, dass ein Ehepartner auch zu solchen Kindern, die nur von dem anderen Teil abstammen und keine gemeinsamen Kinder sind, persönliche Bindungen haben kann, so dass auch Erwerbe zwischen einem Ehepartner und seinem Stiefkind grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt werden sollen. Stiefkinder i.S.d. § 3 Nr. 6 GrEStG sind daher die (leiblichen) Kinder des anderen Ehepartners.2 Zu den Stiefkindern zählen auch diejenigen Kinder, die von dem anderen Ehegatten durch Adoption angenommen wurden.3 Dies gilt auch für einen als Kind angenommenen Volljährigen, § 1767 BGB. Die Annahme begründet ein Kindschaftsverhältnis des angenommenen Volljährigen zu dem annehmenden Ehegatten, § 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1754 Abs. 2 BGB. Auch wenn der angenommene Volljährige in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht – im Gegensatz zum minderjährigen adoptierten Kind – nicht mit dem Ehegatten des Annehmenden verschwägert ist (vgl. § 1770 Abs. 1 Satz 2 BGB), kann trotzdem eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG gewährt werden.4 Etwas anderes lässt sich dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung nicht entnehmen und würde auch den persönlichen Beziehungen zwischen dem Angenommenen und dem Ehegatten des Annehmenden nicht gerecht. Nicht als Stiefkinder anzusehen sind die Kinder aus der zweiten Ehe des geschiedenen Ehegatten in Bezug auf den ersten Ehegatten. Auch Pflegekinder sind keine Stiefkinder.5

243

Das Stiefkindverhältnis endet nicht mit der Auflösung der Ehe, die das Verhältnis begründet hat. Durch die Eheauflösung enden die persönlichen Beziehungen nicht, die den Gesetzgeber dazu veranlasst haben, auch den Erwerb des Stiefkindes steuerfrei zu stellen. Es ist daher unerheblich, ob die Ehe zur Zeit des Erwerbsvorganges noch besteht oder infolge Tod oder Scheidung beendet ist.6 Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen.7 Nach Auflösung der Ehe können allerdings keine Stiefkindverhältnisse mehr begründet werden. Werden Kinder also erst nach der Auflösung der Ehe durch den früheren Ehegatten geboren oder angenommen, handelt es sich dabei um keine Stiefkinder i.S.d. § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG.8

244

Steuerfrei nach § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG ist auch der Erwerb durch die Abkömmlinge eines Stiefkindes 245 (sog. Stiefenkel).9 Gleiches muss für den umgekehrten Erwerb gelten, wenn also ein Stiefelternteil ein Grundstück von einem Abkömmling des Stiefkindes erwirbt. Beide Steuerbefreiungen ergeben sich letztlich aus einer Gleichstellung der Stiefkinder mit den Abkömmlingen. Aus dieser Gleichstellung folgt auch die Steuerfreiheit eines Erwerbs, der nicht durch das Stiefelternteil selbst, sondern durch dessen Verwandten in gerade Linie erfolgt.10 Dies gilt jedoch nur für Verwandte in aufsteigender Linie, also insb. Eltern und Großeltern.11 Diese Grundsätze gelten auch für die Lebenspartnerschaft, so dass die Kinder eines Lebenspartners 246 als Stiefkinder des anderen Lebenspartners anzusehen sind.12 Die Verwandten eines Lebenspartners gelten als mit dem anderen Lebenspartner verschwägert, § 11 Abs. 2 Satz 1 LPartG. In der Lebenspartnerschaft besteht ebenso wie in der Ehe eine besondere persönliche Bindung auch zu den Kindern des Partners, so dass auch im Rahmen der Lebenspartnerschaft eine Grunderwerbsteuerbefreiung zu gewähren ist. Außerdem ist zu beachten, dass es sich bei § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG um einen gesetzlich geregelten Fall der Interpolation handelt. Die Übertragung zwischen den Ehegatten wäre gem. § 3 Nr. 4 GrEStG ebenso steuerfrei wie die Übertragung zwischen dem einem Ehegatten und 1 Im bürgerlichen Recht finden sich z.B. Umschreibungen als „nicht gemeinschaftliche Kinder“, vgl. § 1444 Abs. 2, § 1466 BGB. 2 BFH v. 19.4.1989 – II R 27/86, BStBl. II 1989, 627. 3 BFH v. 31.1.1973 – II 30/65, BStBl. II 1973, 453. 4 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 417; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 245. 5 BFH v. 24.11.2005 – II B 27/05, BFH/NV 2006, 743. 6 BFH v. 19.4.1989 – II R 27/86, BStBl. II 1989, 627; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 246. 7 Koordinierter Ländererlass, z.B. FinMin. Sachsen v. 11.10.1993 – S 4505 – 5 – 52258, DStR 1993, 1909. 8 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 418; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 246. 9 BFH v. 7.7.1965 – II 123/62 U, BStBl. III 1965, 513. 10 Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 42; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 419. 11 So auch Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 247. 12 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 245; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 420.

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§ 3 Rz. 246 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung seinem Abkömmling gem. § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG. Gleiches gilt aber nach dem Wortlaut von § 3 Nr. 4 GrEStG ebenso für den Erwerb zwischen Lebenspartnern. Ein Lebenspartner könnte daher zunächst sein Grundstück steuerfrei auf seinen Lebenspartner übertragen (§ 3 Nr. 4 GrEStG) und dieser sodann das Grundstück auf seinen leiblichen Abkömmling (§ 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG).

VI. Erwerb durch den Ehegatten oder Lebenspartner einer begünstigten Person, Nr. 6 Satz 3 247

Durch § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG wird der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung auf die Ehegatten und Lebenspartner der begünstigten Personen ausgeweitet. Die Steuerbefreiung beruht auf einer wertenden Zusammenschau (Interpolation) zwischen § 3 Nr. 4 und § 3 Nr. 6 GrEStG, da eine Übertragung zunächst auf den Verwandten in gerade Linie und sodann auf dessen Ehegatten erfolgen könnte, ohne Steuer auszulösen. Der Lebenspartner wurde durch das JStG 20101 als zusätzliche begünstigte Person aufgenommen. Dies gilt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht werden, § 23 Abs. 9 GrEStG. Begünstigt durch § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks eines Schwiegerkindes durch die Schwiegereltern und umgekehrt auch der Erwerb durch die Schwiegereltern vom Schwiegerkind.2

248

Umstritten ist, ob die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft mit der begünstigten Person im Erwerbszeitpunkt noch wirksam bestehen muss. Der Wortlaut von § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG spricht insoweit nur vom „Ehegatten“, nicht jedoch vom „früheren Ehegatten“ (bzw. Lebenspartner). Eine Befreiung bei Übertragung auf den früheren Ehegatten wird in der Literatur daher teilweise verneint.3 Zur Begründung wird außerdem angeführt, dass ein steuerfreier Grundstückserwerb durch einen früheren Ehegatten bzw. Lebenspartner durch § 3 Nr. 5 bzw. Nr. 5a GrEStG auf die Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung bzw. Aufhebung begrenzt ist. Die interpolierende Betrachtungsweise in § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG könne aber nicht weiter reichen als § 3 Nr. 4 GrEStG, der nur eingreift, solange die Ehe/Lebenspartnerschaft besteht.4 Die Finanzverwaltung und andere Vertreter in der Literatur halten die Steuerbefreiung auch über das Bestehen der Ehe bzw. der Lebenspartnerschaft hinaus für anwendbar.5 Gegen diese Auffassung spricht jedoch der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift, der den früheren Ehegatten nicht mit umfasst. Die BFH-Rechtsprechung zur Auflösung der Ehe bei einem Stiefkindverhältnis ist auf das Schwiegerkindverhältnis nicht übertragbar, da § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG auf das Stiefkind abstellt, welches nicht ausdrücklich gesetzlich definiert ist. Der Begriff wird vielmehr nach dem Sinn der Vorschrift so ausgelegt, dass die besondere persönliche Bindung begünstigt werden soll. Diese Bindung endet jedoch nicht durch die Auflösung der Ehe, so dass das Kind des früheren Ehegatten ein Stiefkind i.S.v. § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG bleibt. Anders ist es jedoch beim Schwiegerkind, da § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG ausdrücklich vom Ehegatten spricht, der klar definiert ist und der auch im GrEStG vom früheren Ehegatten unterschieden wird. Die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG ist daher jedenfalls auf Fälle der Scheidung der Ehe bzw. der Auflösung der Lebenspartnerschaft nicht anwendbar. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls für die Fälle geboten sein, in denen die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft durch den Tod des Kindes endet. Wird in solchen Fällen ein Grundstück von den Schwiegereltern auf das dann verwitwete Schwiegerkind übertragen, könnte man eine Anwendbarkeit von § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG bejahen. Zwar greift auch hier der Wortlaut nicht, da auch in diesem Fall keine bestehende Ehe mehr vorliegt, da diese durch den Tod beendet wurde. Eine interpolierende Betrachtungsweise zwischen § 3 Nr. 4 und § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG kommt also nicht mehr in Betracht. Zu beachten ist aber, dass § 3 Nr. 4 GrEStG hier nicht aufgrund einer freien Entscheidung (Scheidung der Ehe) nicht mehr greift, sondern nur deshalb, weil ein Erwerb und eine Weiterübertragung durch den verstorbenen Ehegatten nicht mehr möglich ist. Bei einer geplanten Übertragung eines Grundstücks auf ein Schwiegerkind würde es im Fall des Todes des Ehegatten nur vom 1 2 3 4 5

Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 423; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 43. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 424; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 43. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 424. Koordinierter Ländererlass, z.B. FinMin. Sachsen v. 11.10.1993 – S 4505 – 5 – 52258, DStR 1993, 1909; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 250 (wohl anders in Rz. 251); Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 57.

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H. Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Nr. 7)

Rz. 252 § 3

Zufall abhängen, ob eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG noch möglich ist. Gleiches gilt zwar auch im Rahmen von § 3 Nr. 4 GrEStG, wenn ein Ehegatte dem anderen ein Grundstück übertragen will und er vor dem Erwerbsvorgang verstirbt. In diesen Fällen dürfte der andere Ehegatte aber jedenfalls Miterbe sein und könnte das Grundstück sodann jedenfalls nach § 3 Nr. 2 oder Nr. 3 GrEStG steuerfrei erwerben. Eine steuerfreie (entgeltliche) Übertragung eines Grundstücks von den Schwiegereltern auf das Schwiegerkind wäre jedoch dauerhaft nicht mehr möglich. Dies könnte es möglicherweise rechtfertigen, die Steuerbefreiung anzuerkennen, wenn die Ehe nicht durch Scheidung, sondern durch Tod beendet wurde. Solange die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung ohnehin sowohl im Fall des Todes, wie auch im Fall der Scheidung anerkennt1, ist nicht damit zu rechnen, dass die Frage durch die Rechtsprechung entschieden werden wird.

VII. Interpolation Auch im Rahmen von § 3 Nr. 6 GrEStG kann sich durch eine Zusammenschau mit einer anderen Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschrift selbst nicht zum Ausdruck kommt. So ist z.B. der Erwerb eines Nachlassgrundstücks von der Erbengemeinschaft durch eine Person steuerfrei, die zwar nicht selbst Miterbe ist, aber im Verhältnis zum Miterben zu dem nach § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigten Personenkreis gehört.

249

Neben den Steuerbefreiungen kommt auch eine Interpolation mit den Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 in Betracht. Dies gilt gleichermaßen für Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand wie auch für Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand. Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. die entsprechenden Ausführungen unter Rz. 213 ff., die hier ebenfalls uneingeschränkt gelten.

250

VIII. Verfahrensrechtliche Besonderheiten Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG darf der Erwerber eines Grundstücks erst dann als Eigentümer in das 251 Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Eintragung keine steuerlichen Bedenken entgegenstehen. Von diesem Grundsatz können die obersten Finanzbehörden der Länder im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen Ausnahmen zulassen, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG. Auf Basis dieser Ermächtigung ist für Grundstückserwerbe durch Verwandte in gerade Linie bzw. andere durch § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigte Personen die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erforderlich.2 Auf Verlangen der Grundbuchämter erteilt das Finanzamt jedoch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG wird durch die Vereinfachungsregel nicht berührt.

H. Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Nr. 7) I. Hintergrund und Historie Durch § 3 Nr. 7 Satz 1 GrEStG wird der Erwerb eines zum Gesamtgut gehörigen Grundstücks durch 252 Teilnehmer an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft zur Teilung des Gesamtguts von der Besteuerung ausgenommen. Als begünstigter Erwerber kommt außerdem der Ehegatte eines Teilnehmers der Gütergemeinschaft in Betracht, § 3 Nr. 7 Satz 2 GrEStG. Durch das JStG 20103 wurde der Anwendungsbereich auf die Lebenspartner der Teilnehmer erweitert. Diese Neuregelung ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht wurden. § 3 Nr. 7 Satz 2 GrEStG ist ein gesetzlicher Fall der Interpolation, da es ohne diesen Satz auch möglich wäre, ein Grundstück zunächst steuerfrei nach § 3 Nr. 7 Satz 1 GrEStG auf einen Teilnehmer der fortgesetzten Gütergemein1 Koordinierter Ländererlass, z.B. FinMin. Sachsen v. 11.10.1993 – S 4505 – 5 – 52258, DStR 1993, 1909. 2 FinMin. NW v. 2.5.2011 – S 4540-1-V A 6, GrESt-Kartei NW § 22 GrESt Karte 6; G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 91. 3 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768.

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487

§ 3 Rz. 252 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung schaft und dann von diesem auf den Ehegatten bzw. Lebenspartner nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerfrei zu übertragen. 253

Die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 7 GrEStG ist notwendig, weil es andernfalls zu einer Steuerbefreiungslücke käme, da andere Vorschriften nicht greifen. Eine Befreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG kommt nur solange in Betracht, wie die Ehe besteht. Die Befreiung nach § 3 Nr. 5 GrEStG greift nur für Übertragungen im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung. § 3 Nr. 3 GrEStG findet keine Anwendung, da der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft nicht zum Nachlass gehört, § 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB. Gäbe es § 3 Nr. 7 GrEStG nicht, käme bei Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft nur eine anteilige Steuervergünstigung nach §§ 6, 7 GrEStG in Betracht.

II. Anwendungsbereich 254

§ 3 Nr. 7 GrEStG stellt seinem Wortlaut nach nur auf den Erwerb eines Grundstücks ab. Dennoch ist anerkannt, dass die Befreiungsvorschrift grundsätzlich auch auf andere Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG Anwendung findet, sofern dies ihrer Struktur nach möglich ist. Besonderheiten bestehen insoweit im Bereich der Ergänzungstatbestände: Gehen im Rahmen der Teilung des Gesamtguts Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf einen der Teilnehmer über, kann der Tatbestand des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht werden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 3 Nr. 7 GrEStG wird auf die Ausführungen zu § 3 Nr. 3 GrEStG verwiesen, die hier ebenfalls Anwendung finden (vgl. Rz. 163 ff.).

III. Fortgesetzte Gütergemeinschaft 255

Leben Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft, so können sie durch Ehevertrag vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird, § 1483 Abs. 1 Satz 1 BGB. Gleiches gilt für die eingetragene Lebenspartnerschaft. Auch Lebenspartner können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch einen Lebenspartnerschaftsvertrag regeln, wobei die §§ 1409 bis 1563 BGB entsprechend gelten. Wurde der Güterstand der Gütergemeinschaft gewählt und außerdem die fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart, so besteht sie nach dem Tod eines der Lebenspartner aus dem anderen Lebenspartner und den aufgrund einer Adoption gemeinschaftlichen Abkömmlingen. Mit dem Tod des Ehegatten bzw. Lebenspartners entsteht also die fortgesetzte Gütergemeinschaft, wobei die Abkömmlinge an die Stelle des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners treten. In den Nachlass des verstorbenen Ehegatten fallen nur das Sondergut und das Vorbehaltsgut des verstorbenen Ehegatten, nicht jedoch sein Anteil am Gesamtgut, § 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB.

256

In bestimmten Fällen kommt es vor, dass es nicht zur fortgesetzten Gütergemeinschaft kommt, etwa weil der überlebende Ehegatte ablehnt (§ 1484 BGB) oder weil ein Ehegatte die Fortsetzung der Gütergemeinschaft durch letztwillige Verfügung ausschließt, was jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist (§ 1509 BGB). In diesen Fällen fällt der Anteil des Verstorbenen am Gesamtgut doch in den Nachlass, der verstorbene Ehegatte wird nach den allgemeinen Vorschriften beerbt (§ 1510 i.V.m. § 1482 BGB). Sind mehrere Erben vorhanden, die sich auseinandersetzen, so findet auf eine Grundstücksübertragung in diesen Fällen § 3 Nr. 3 und nicht § 3 Nr. 7 GrEStG Anwendung.1

IV. Begünstigte Personen 257

Zu den begünstigten Personen nach § 3 Nr. 7 Satz 1 GrEStG gehören die Teilnehmer der fortgesetzten Gütergemeinschaft, also der überlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner und die gemeinschaftlichen zur Erbfolge berufenen Abkömmlinge. Verstirbt ein anteilsberechtigter Abkömmling, so rückt dessen

1 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 443; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 256.

488

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H. Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Nr. 7)

Rz. 261 § 3

Abkömmling nach, § 1490 BGB.1 Zu den Abkömmlingen gehören auch die angenommenen Kinder, § 1754 BGB. Begünstigte Erwerber sind nach § 3 Nr. 7 Satz 2 GrEStG auch die Ehegatten bzw. Lebenspartner der Teilnehmer an der fortgesetzten Gütergemeinschaft, also die Ehegatten/Lebenspartner der Abkömmlinge und der neue Ehegatte/Lebenspartner des überlebenden Ehegatten. Wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet, führt dies zur Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1493 Abs. 1 BGB) und zur Auseinandersetzung über das Gesamtgut.

V. Erwerb eines zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks Das Grundstück muss zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehören. In zivilrecht- 258 licher Hinsicht gehört zum Gesamtgut alles, was beim Tode des Erstversterbenden Gesamtgut war. Maßgebend für die Anwendung von § 3 Nr. 7 GrEStG ist jedoch nicht eine zivilrechtliche, sondern eine grunderwerbsteuerliche Betrachtung. Zum Gesamtgut „gehören“ daher die Grundstücke, die im Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden dem Gesamtgut aufgrund der Verwirklichung eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder 3 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs zuzurechnen waren.2 Andererseits gehören Grundstücke nicht mehr zum Gesamtgut, wenn sie dem Gesamtgut im Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden aufgrund eines Erwerbsvorgangs nicht mehr zuzurechnen sind. Für die Auslegung des Begriffs „gehören“ kann auf die im Rahmen von § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. § 1 Rz. 330 ff. und § 1 Rz. 725 ff.).3 Auf den zivilrechtlichen Eigentumsübergang, also die Umschreibung im Grundbuch, kommt es nicht an. Ein Grundstück gehört daher bereits dann zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft, wenn der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen worden ist. Im Verkaufsfall gehört dementsprechend ein Grundstück dann nicht mehr zum Gesamtgut, wenn bereits der Vertrag über den Verkauf wirksam abgeschlossen worden ist. Das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft umfasst auch das Vermögen, das der überlebende Ehegatte aus dem Nachlass des verstorbenen Ehegatten erwirbt sowie das, was er nach dem Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft zum Gesamtgut erwirbt, § 1485 Abs. 1 BGB. Zu beachten ist, dass der Erwerb eines Grundstücks zum Gesamtgut nicht nach § 3 Nr. 7 GrEStG steuerfrei ist, auch dann, wenn er vielleicht die Auseinandersetzung erleichtert.4 Grundstücke, die ein gemeinschaftlicher Abkömmling zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft hat oder später erwirbt, gehören dagegen nicht zu dem Gesamtgut, § 1485 Abs. 2 BGB.

259

VI. Zur Teilung des Gesamtguts Der Erwerb des Grundstücks aus dem Gesamtgut muss „zur Teilung des Gesamtguts“ erfolgen. Erforderlich ist also, dass eine Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft erfolgt. Der Erwerb eines Grundstücks von der Gütergemeinschaft ohne Auseinandersetzung fällt nicht unter § 3 Nr. 7 GrEStG. Eine Auseinandersetzung erfolgt im Fall der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, § 1497 Abs. 1 BGB. Die Gütergemeinschaft endet mit der Aufhebungserklärung oder mit dem Tod des überlebenden Ehegatten (§§ 1492, 1494 BGB), mit der Wiederverheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft des überlebenden Ehegatten (§ 1493 BGB) sowie durch rechtskräftiges Urteil nach der Aufhebungsklage eines Abkömmlings (§§ 1495, 1496 BGB). Im Rahmen der sich anschließenden Auseinandersetzung greift sodann die Steuerbefreiung aus § 3 Nr. 7 GrEStG.

260

Nicht erforderlich ist, dass die Auseinandersetzung über das Gesamtgut umfassend und in einem Zug 261 erfolgt. Außerdem gibt es auch keine Frist, innerhalb derer die Auseinandersetzung abgeschlossen sein muss. Unter die Steuerbefreiung fallen daher auch einzelne Vorgänge, die der Teilung des Gesamtguts dienen.5 Ob der erwerbende Teilnehmer für das Grundstück eine Gegenleistung zu entrichten hat oder 1 2 3 4 5

Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 44. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 260. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 260. Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 44. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 452.

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§ 3 Rz. 261 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung ob das Grundstück wertvoller ist als der Wert des Anteils am Gesamtgut, spielt für die Anwendung von § 3 Nr. 7 GrEStG keine Rolle.1 Grundstücksübertragungen, die erst nach Abschluss der Auseinandersetzung erfolgen, sind nicht mehr nach § 3 Nr. 7 GrEStG steuerfrei. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur Teilung eines Nachlasses i.S.v. § 3 Nr. 3 GrEStG verwiesen, die hier entsprechend gelten (vgl. Rz. 190 ff.).

VII. Interpolation 262

Auch im Rahmen von § 3 Nr. 7 GrEStG kann sich durch eine Zusammenschau mit einer anderen Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschrift selbst nicht zum Ausdruck kommt. So ist z.B. der unmittelbare Erwerb eines Grundstücks aus dem Gesamtgut durch einen Abkömmling eines Teilnehmers an der fortgesetzten Gütergemeinschaft in Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei. Erwirbt z.B. der Enkel eines Teilnehmers an der Gütergemeinschaft ein Grundstück aus dem Gesamtgut, so gehört dieser zwar nicht zu den in § 3 Nr. 7 GrEStG begünstigten Personen, kann aber über § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG (Verwandter in gerader Linie) im Ergebnis als eine solche begünstigte Person behandelt werden.2 Neben den Steuerbefreiungen kommt auch eine Interpolation mit der Steuervergünstigung in § 5 GrEStG in Betracht. Wird ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück auf eine Gesamthand übertragen, so ist der Vorgang in Zusammenschau von § 3 Nr. 7 GrEStG mit § 5 GrEStG in Höhe des Anteils begünstigt, zu dem der überlebende Ehegatte oder ein begünstigter Abkömmling an der Gesamthand beteiligt ist.3

J. Rückerwerb bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses (Nr. 8) I. Hintergrund und Historie 263

§ 3 Nr. 8 GrEStG befreit den Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung eines Treuhandverhältnisses von der Grunderwerbsteuer. Voraussetzung ist jedoch, dass die Steuer für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder das Grundstück erlangt hat, entrichtet worden ist. Im Rahmen eines Treuhandverhältnisses entsteht Grunderwerbsteuer zunächst nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG für den Erwerb des Treuhänders vom Treugeber. Die Rückübereignung vom Treuhänder an den Treugeber unterliegt ebenfalls der Grunderwerbsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Diese doppelte Belastung erschien dem Gesetzgeber unbillig und soll durch § 3 Nr. 8 GrEStG vermieden werden.4 Der Rückerwerb ist also steuerfrei, sofern nicht ohnehin § 16 Abs. 2 GrEStG eingreift (vgl. § 16 Rz. 99). Indem die Entrichtung der Steuer für den ersten Vorgang zur Voraussetzung der Befreiung bestimmt wird, wird sichergestellt, dass jedenfalls einmal Grunderwerbsteuer erhoben wird. Bevor die Steuerbefreiung bundeseinheitlich gesetzlich normiert wurde, wurde die Steuer für derartige Fälle von den Finanzbehörden aus Billigkeitsgründen nicht erhoben. Diese Erwägungen führten schließlich zu Steuerbefreiungen in einzelnen Bundesländern und schlussendlich zur Einführung von § 3 Nr. 8 GrEStG durch das GrEStG 1983.5

264

Zu beachten ist, dass die Begriff Treuhänder, Treugeber und Treuhandverhältnis in § 3 Nr. 8 GrEStG nicht definiert werden. Die Finanzverwaltung versteht unter einem Treuhänder denjenigen, der von einem anderen, dem Treugeber, Vermögensrechte (z.B. an einem Grundstück) zu eigenem Recht erworben hat und diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse ausübt.6

1 2 3 4 5 6

Weilbach, § 3 GrEStG Rz. 60. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 455. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 263. BT-Drucks. 9/251, 18. Zur Entstehungsgeschichte Sack in Boruttau16, § 3 GrEStG Rz. 466. Gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 mit übersichtlichen Grundfällen zu der Begründung, Übertragung oder Rückgängigmachung von Treuhandverhältnissen.

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J. Rückerwerb bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses (Nr. 8)

Rz. 268 § 3

II. Anwendungsbereich Die Steuerbefreiung greift ihrem Wortlaut nach nur beim Rückerwerb eines Grundstücks. Es ist aber allgemein anerkannt, dass die Vorschrift grundsätzlich auf alle Tatbestände des § 1 GrEStG Anwendung findet, sofern dem nicht die grunderwerbsteuerliche Konstruktion des Erwerbsvorgangs oder der Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift entgegensteht.

265

Auch der Rückerwerb der Verwertungsbefugnis i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG kann nach § 3 Nr. 8 GrEStG steuerfrei sein. Vereinbart der zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks mit einem Dritten, dass er dessen Treuhänder wird, erlangt er hierdurch die Rechtsstellung eines Treuhänders, bleibt aber Eigentümer des Grundstücks. Durch die Begründung des Treuhandverhältnisses erwirbt der Dritte als Treugeber die Verwertungsbefugnis, so dass Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG entsteht. Erwirbt in solchen Fällen der Treuhänder die Verwertungsbefugnis vom Treugeber zurück, etwa indem der Treuhandvertrag aufgehoben wird, so unterliegt dieser Übergang der Verwertungsbefugnis ebenfalls der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Obwohl kein Rückerwerb eines Grundstücks vorliegt, ist dieser Vorgang dennoch nach § 3 Nr. 8 GrEStG von der Steuer befreit, da die Verwertungsbefugnis im Vergleich zum Eigentum eine schwächere Rechtsmacht vermittelt und es nicht gerechtfertigt ist, den Rückerwerb der Verwertungsbefugnis schlechter zu behandeln als den Rückerwerb des Volleigentums an einem Grundstück.1

266

Auch auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG findet § 3 Nr. 8 GrEStG (analog) Anwendung, 267 wenn eine Rückübertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft vom Treuhänder auf den Treugeber erfolgt, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst. Die übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 8 GrEStG müssen erfüllt sein, insbesondere muss also die Steuer für den ersten Erwerb entrichtet worden sein.2 Die Steuerbefreiung kann aber nur insoweit greifen, wie das Grundstück bereits bei der Anteilsübertragung auf den Treuhänder zum Vermögen der Personengesellschaft gehörte und dort auch verblieben ist.3 Auch auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG findet die Steuerbefreiung Anwendung. Überträgt ein Treugeber im Rahmen eines Treuhandverhältnisses mindestens 90 % (vor dem 1.7.2021: 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf einen Treuhänder, so ist dieser Vorgang zunächst je nach Ausgestaltung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG oder Nr. 4 GrEStG steuerpflichtig. Der Rückerwerb durch den Treugeber ist dann in entsprechender Anwendung von § 3 Nr. 8 GrEStG steuerfrei.4 Dies gilt jedoch nur, wenn die Steuer für den Ersterwerb entrichtet wurde (§ 3 Nr. 8 Satz 2 GrEStG) und wenn das Grundstück bereits bei Anteilsübertragung auf den Treuhänder zum Vermögen der Gesellschaft gehört hat und im Zeitpunkt der Rückübertragung noch gehört. Wurden in der Zwischenzeit weitere Grundstücke hinzuerworben, so kommt eine Steuerbefreiung nicht in Betracht, da jedenfalls die Voraussetzung des § 3 Nr. 8 Satz 2 GrEStG nicht erfüllt ist. Der Rückerwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die im Zeitpunkt der Begründung des Treuhandverhältnisses noch gar kein Grundstück hatte, ist also nicht nach § 3 Nr. 8 GrEStG steuerfrei. Das gilt auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft die Grundstücke während der Dauer des Treuhandverhältnisses vom Treugeber des Treuhändergesellschafters erworben hat. Der Gesetzgeber will mit § 3 Nr. 8 GrEStG nur eine Doppelbesteuerung im Verhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber verhindern, nicht hingegen die mehrfache Belastung mit Grunderwerbsteuer im Dreipersonenverhältnis.5

1 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 464; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 265; a.A. Gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Rz. 2.2.1.2. 2 BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341 Rz. II.2 zu einem Fall der Nichtentrichtung der Steuer für den ersten Erwerbsvorgang; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 465; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 266; Gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Rz. 5.2.4. 3 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 266. 4 Gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.20018, BStBl. I 2018, 1074, Tz. 1.3.1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 466; Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 266; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45. 5 FG Düsseldorf v. 14.3.2006 – 3 K 2358/03 GE, EFG 2006, 839 (rkr.); Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45, Weilbach § 3 GrEStG Rz. 62.

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§ 3 Rz. 269 Allgemeine Ausnahmen von der Besteuerung

III. Rückerwerb durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses 269

Es muss ein Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber vorliegen. Davon kann nur die Rede sein, wenn der Treugeber zunächst selbst Eigentümer des betreffenden Grundstücks war und dieses dem Treuhänder übertragen hat bzw. den Übereignungsanspruch daran verschafft hat und es sodann zurückerwirbt. Keine Steuerbefreiung tritt ein, wenn der Treugeber erstmalig das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Wird ein Grundstück treuhänderisch für einen Dritten (Treugeber) erworben und dann vom Treuhänder auf den Treugeber übertragen, so ist kein Rückerwerb anzunehmen, da der Treugeber vielmehr erstmalig das Eigentum an dem Grundstück erwirbt.1

270

Sind zwischen dem ersten Erwerb und dem Rückerwerb bei Auflösung des Treuhandverhältnisses Wertveränderungen am Grundstück eingetreten, so hat dies für die Anwendung von § 3 Nr. 8 GrEStG keine Konsequenzen.2

IV. Entrichtung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb durch den Treuhänder 271

Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks oder das Eigentum an dem Grundstück erlangt hatte, die Steuer entrichtet worden ist, § 3 Nr. 8 Satz 2 GrEStG. Davon ist nur dann auszugehen, wenn die Steuer durch tatsächliche Zahlung an das Finanzamt geleistet worden ist3. Von einer Entrichtung kann dagegen nicht ausgegangen werden, wenn der Vorgang steuerfrei war, die Steuer erlassen wurde, Verjährung eingetreten ist oder die Steuer aus sonstigen Gründen nicht gezahlt worden ist. Dass es auf die tatsächliche Zahlung ankommt, wird auch aus einem Wortlautvergleich mit § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG deutlich. Dort kommt es auf die Steuer an, die für den vorausgegangenen Rechtsvorgang „berechnet“ worden ist. Entscheidend ist im Rahmen von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG also – im Gegensatz zu § 3 Nr. 8 GrEStG – die Festsetzung der Steuer, nicht aber ihre Entrichtung.4

V. Verhältnis zu § 16 GrEStG 272

Nach § 3 Nr. 8 Satz 3 GrEStG bleibt § 16 Abs. 2 GrEStG unberührt. Nach § 16 Abs. 2 GrEStG wird im Fall des Rückerwerbs unter bestimmten weiteren Voraussetzungen sowohl die Steuer für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Rechtsvorgang nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben. Kommt § 16 Abs. 2 GrEStG zur Anwendung, so werden beide Erwerbsvorgänge nicht besteuert, während § 3 Nr. 8 GrEStG nur den Rückerwerb steuerfrei stellt. § 16 Abs. 2 GrEStG reicht also deutlich weiter als § 3 Nr. 8 GrEStG. Die Vorschriften unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihren Rechtsfolgen, sondern auch bezüglich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen. Für § 16 Abs. 2 GrEStG ist erforderlich, dass der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) oder dass das dem Erwerbsvorgang zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) oder dass die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist also insbesondere die Frist des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG abgelaufen, so kommt nur noch eine Anwendung der Befreiung in § 3 Nr. 8 GrEStG in Betracht, da diese grundlos und fristlos gewährt wird. Allerdings ist der Anwendungsbereich von § 3 Nr. 8 GrEStG dadurch eingeschränkt, dass die Steuer für den ersten Erwerb entrichtet worden sein muss, während eine Entrichtung für § 16 Abs. 2 GrEStG keine Rolle spielt. Zu beachten ist außerdem, dass eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG ausgeschlossen sein kann, wenn Anzeigepflichtigen missachtet wurden, vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG. Liegen die tatbestandli-

1 Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45; G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 105; insgesamt kommt es in dieser Konstellation zu drei grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgängen, s. dazu FG Köln v. 21.4.1988 – 1 K 637/87, EFG 1988, 647 (rkr.). 2 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 267; G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 107. 3 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 472; Behrens, DStR 2009, 1611 (1614). 4 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1283; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45.

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J. Rückerwerb bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses (Nr. 8)

Rz. 273 § 3

chen Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 und § 3 Nr. 8 GrEStG vor, so kommt § 16 Abs. 2 GrEStG jedenfalls auch zum Tragen, so dass, sofern der entsprechende Antrag nach § 16 GrEStG gestellt wird, im Ergebnis beide Erwerbe nicht besteuert werden.1

VI. Interpolation Auch im Rahmen von § 3 Nr. 8 GrEStG kann sich durch eine Zusammenschau mit einer anderen Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der einzelnen Befreiungsvorschrift selbst nicht zum Ausdruck kommt. So kommt z.B. eine Befreiung in Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG in Betracht, wenn nicht der Treugeber selbst das Grundstück zurückerwirbt, sondern ein Verwandter in gerader Linie (z.B. ein Kind oder ein Elternteil).2

1 Nach G/B/B/S6, Kap. 3 Rz. 103 und Behrens, DStR 2009, 1611 (1614) sind die Vorschriften nebeneinander anwendbar; nach Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 269, besteht für § 3 Nr. 8 GrEStG kein Raum, wenn die Voraussetzungen für beide Vorschriften vorliegen. 2 Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 472.; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 45.

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273

§ 4 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung Von der Besteuerung sind ausgenommen: 1. der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient; 2. der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Staat, wenn das Grundstück für die Zwecke von Botschaften, Gesandtschaften oder Konsulaten dieses Staates bestimmt ist und Gegenseitigkeit gewährt wird; 3. der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Staat oder eine ausländische kulturelle Einrichtung, wenn das Grundstück für kulturelle Zwecke bestimmt ist und Gegenseitigkeit gewährt wird; 4. der Übergang von Grundstücken gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 3 und von Gesellschaftsanteilen gemäß § 1 Absatz 3 Nummer 2 und 4 als unmittelbare Rechtsfolge eines Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften, der durch Vereinbarung der beteiligten Gebietskörperschaften mit Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Stelle oder durch Gesetz zustande kommt, sowie Rechtsgeschäfte über Grundstücke gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 1 und über Gesellschaftsanteile gemäß § 1 Absatz 3 Nummer 1 und 3 aus Anlass der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde; 5. 1der Erwerb eines Grundstücks von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sowie der Rückerwerb des Grundstücks durch die juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch im Sinne des § 3 Abs. 2 des Grundsteuergesetzes benutzt wird und zwischen dem Erwerber und der juristischen Person des öffentlichen Rechts die Rückübertragung des Grundstücks am Ende des Vertragszeitraums vereinbart worden ist. 2Die Ausnahme von der Besteuerung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts auf die Rückübertragung des Grundstücks verzichtet oder das Grundstück nicht mehr für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt wird; 6. Erwerbe, die allein auf dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union beruhen. A. I. II. III. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . Grundstückserwerb aufgrund Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder Grenzänderungen (Nr. 1) . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

1 2 3

. . .

4

C. Grundstückserwerb durch ausländischen Staat für diplomatische und konsularische Zwecke (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

D. Grundstückserwerb durch ausländischen Staat oder ausländische kulturelle Einrichtung für kulturelle Zwecke (Nr. 3) . . . . . . . . . . 37 E. Erwerbsvorgänge aus Anlass einer kommunalen Gebietsreform (Nr. 4) . . . . . . 44 F. Erwerbsvorgänge im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft (Nr. 5) . . . . . . . . . . 53 G. Erwerbsvorgänge aufgrund des BREXIT (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Literatur: Bruschke, Grunderwerbsteuer bei unentgeltlichen Grundstücksübertragungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechtes und ähnlichen Institutionen, UVR 2007, 309; Drosdzol, Steuerrechtsänderungen durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz, UVR 2006, 21; Förster, Steuerbefreiungen im System des Grunderwerbsteuergesetzes, SteuerStud 2009, 9; Heine, Chancen und Risiken bei Einbringungen in Stiftungen, Vereine und kommunale Körperschaften, UVR 2015, 17; Peppersack, Grunderwerbsteuer bei Public Private Partnerships (PPP), BB 2008, 640; Rodewald, Die steuerlichen Auswirkungen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, BB 2009, 356; Schenke/Gebhardt, Steuerrechtliche Probleme der Public Private Partnership (PPP), DStZ 2005, 213; Weitemeyer, Die Änderungen im Steuerrecht nach dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz, NVwZ 2006, 1376; Bron, Gelöste und ungelöste Steuerfragen nach dem Brexit-Steuerbegleitgesetz, BB 2016, 664.

Nienhaus

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§ 4 Rz. 1 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Nach § 4 GrEStG sind nach § 1 GrEStG steuerbare Grundstückserwerbe für bestimmte Rechtsträger aufgrund enumeriert aufgeführter Rechtsvorgänge von der Besteuerung ausgenommen.

II. Bedeutung und Telos 2

Der Anwendungsbereich von § 4 GrEStG ist aufgrund des gesetzlich kodifizierten Begünstigungskreises und der entsprechend enumeriert aufgeführten Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 GrEStG stark eingeschränkt. Auch wenn aufgrund der ausgeprägten Einschränkungen der praktische Anwendungsfall dieser Vorschrift eher gering ist, so können die entsprechend verwirklichten Sachverhalte bei Nichtanwendbarkeit der in § 4 GrEStG genannten Begünstigungen erhebliche steuerliche Belastungen nach sich ziehen. Neben diesen in § 4 GrEStG genannten Befreiungen sind in einer Reihe von anderen Gesetzen spezielle Befreiungen von der Grunderwerbsteuer geregelt worden. Beispielhaft genannt seien hier § 6 Abs. 3 EnWG für Entflechtungsmaßnahmen nach §§ 7, 8 EnWG und § 14 Abs. 4 StFG für Erwerbsvorgänge durch den aufgrund des Finanzmarkstabilisierungsfondsgesetzes1 eingerichteten Fonds.

III. Rechtsentwicklung 3

Für vor dem 1.1.1999 bzw. in den Jahren 2004 bis 2006 verwirklichte Erwerbsvorgänge beinhaltete § 4 GrEStG in den Nr. 5 bis 8 Befreiungen, die im Zuge der Herstellung der Deutschen Einheit in das GrEStG eingefügt wurden. Aufgrund zeitlicher Befristung wurden diese durch das AmtshilfeRLUmsG2 entfernt, eine neue Nr. 4 in das Gesetz eingefügt, und die bisherige Nr. 9 wurde zur Nr. 5. Mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz (Brexit-StBG)3 wurde eine neue Nr. 6 angefügt.

B. Grundstückserwerb aufgrund Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder Grenzänderungen (Nr. 1) 4

Der Grundstückserwerb durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts (vgl. Rz. 5) ist nach § 4 Nr. 1 GrEStG begünstigt, wenn das Grundstück – aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben (vgl. Rz. 9) oder aus Anlass von Grenzänderungen (vgl. Rz. 11) – von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts übergeht und – das Grundstück nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient (vgl. Rz. 17). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll der Wechsel des Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von der Grunderwerbsteuer befreit sein, sofern mit diesem Aufgabenwechsel auch ein rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Übergang des Grundstückseigentums verbunden ist.4

5

Der Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist gesetzlich nicht kodifiziert. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind rechtsfähige Körperschaften, die ihre Rechtsfähigkeit und ihre rechtliche Gestaltung aus dem öffentlichen Bundes- und Landesrecht herleiten. Nach allgemeiner

1 2 3 4

BGBl. I 2008, 1982. BGBl. I 2013, 1809. BGBl. I 2019, 357. BFH v. 21.1.2004 – II R 1/02, BFH/NV 2004, 1120.

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B. Öffentlich-rechtliche Aufgaben, Grenzänderungen (Nr. 1)

Rz. 9 § 4

Auffassung1 sind dies alle mitgliedschaftlich verfassten und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehenden Organisationen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, die staatliche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln unter staatlicher Aufsicht wahrnehmen. Hierzu gehören die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Landkreise, Gemeinden), die kraft öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Personal- oder Vereinskörperschaften (Berufs-, Handels-, Handwerks-, Industrie- und Landwirtschaftskammern), die Verbandskörperschaften (Gemeindeverbände, Landschaftsverbände, Zweckverbände), die Anstalten des öffentlichen Rechts (Bundesbank, Landeszentralbanken, öffentliche Sparkassen, Rundfunkanstalten) sowie Zweckvermögen und Stiftungen, letztere beiden unter der einschränkenden Voraussetzung, dass diese ihre Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts entweder von einem staatlichen Hoheitsakt oder sonst aus Verwaltungsübung oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten können.2 Weiterhin gehören zu den begünstigten juristische Person des öffentlichen Rechts auch die Religionsgemeinschaften,3 die jüdischen Kultusgemeinschaften und andere in den einzelnen Bundesländern als juristische Personen des öffentlichen Rechts anerkannte Religionsgesellschaften. Juristische Person des öffentlichen Rechts können auch Stiftungen des privaten Rechts gründen. Davon 6 wird insbesondere von Kommunen verstärkt Gebrauch gemacht, um im Rahmen von gemeinnützigen Stiftungen bestimmte kulturelle bzw. soziale Angebote aufrechterhalten zu können. Die Stiftungen können auch als Mittelbeschaffungskörperschaften gegründet werden, die Spenden für kulturelle oder soziale Einrichtungen sammeln sollen. Diese von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gegründeten Stiftungen des privaten Rechts sind keine juristische Person des öffentlichen Rechts. Voraussetzung ist, dass das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Auf- 7 gaben oder Grenzänderungen von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts übergeht4. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Grundstückserwerb durch die juristische Person des öffentlichen Rechts aufgrund eines Verpflichtungsgeschäftes oder kraft Gesetzes vollzogen wird. Es muss jedoch ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grund der Grundstücksüber- 8 tragung und der tatsächlich erfolgten Übertragung des Grundstücks vorliegen. Ein zeitlicher Zusammenhang wird gesetzlich nicht gefordert und kann der Gewährung der Begünstigung entgegenstehen. Nicht begünstigt ist demnach eine wesentlich spätere Übertragung des Grundstücks auf die juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn diese zwar zuvor die öffentlich-rechtliche Aufgabe übernommen hat, das Grundstück jedoch zwischenzeitlich nicht für die übernommene Aufgabe genutzt wurde.5 Hingegen würde die Begünstigung eintreten, wenn die Übertragung des Grundstücks zeitlich wesentlich später nach dem Übergang der öffentlich-rechtlichen Aufgabe erfolgen würde, das Grundstück aber in der Zwischenzeit der erwerbenden juristischen Person des öffentlichen Rechts für die übertragende Aufgabe gedient hat. Unter „öffentlich-rechtliche Aufgaben“ sind nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungsauffas- 9 sung6 Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind, sich aus der Staatsgewalt ableiten und staatlichen Zwecken dienen7 (sog. Hoheitsbetrieb). Bei der Prüfung, ob eine Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts überwiegend der Ausübung hoheitlicher Gewalt dient, ist darauf abzustellen, inwieweit eine aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung ihrer Art nach einheitlich als hoheitlich zu beurteilende Tätigkeit der Er-

1 Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 11; Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 3; a.A. FG München v. 19.6.2019 – 4 K 2515/16, EFG 2019, 1617, rkr., wobei das FG „eine bloß nach dem Privatrecht ausgestaltete Vermietung des gemeindlichen Vermögens an Dritte“ nicht als öffentlich-rechtliche Aufgabe einer Gemeinde deklarierte und damit eine Begünstigung nach § 4 Nr. 1 GrEStG für den erfolgten Grundstücksübergang versagte. 2 BFH v. 5.9.1958 – III 179/57 U, BStBl. III 1958, 478. 3 Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV. 4 BFH v. 27.11.2019 – II R 40/16, BStBl. II 2020, 233, mit Verweis auf BFH v. 1.9.2011 – II R 16/10, BStBl. II 2012, 148. 5 RFH v. 27.8.1929 – II A 439/29, RFHE 25, 298. 6 R 4.4 Abs. 1 KStR 2015. 7 BFH v. 21.11.1967 – I 274/64, BStBl. II 1968, 218.

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§ 4 Rz. 9 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung füllung öffentlicher Aufgaben1 oder der Erzielung von Einnahmen und damit wirtschaftlichen Interessen der juristischen Person des öffentlichen Rechts dient. Wird die Tätigkeit vorrangig ausgeübt, um Einnahmen zu erzielen, und dienen vorhandene Zwangs- oder Monopolrechte vorrangig auch dazu, die juristische Person des öffentlichen Rechts vor Konkurrenz zu schützen und ihr die Einnahmen aus der Tätigkeit zu sichern, dient die Tätigkeit nicht mehr überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt. Anders ist es, wenn die Erzielung von Einnahmen nur ein Nebenzweck der Tätigkeit ist.2 Ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Hoheitsbetriebes ist, dass der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung zur Annahme der Leistung verpflichtet ist (z.B. Anstalten zur Straßenreinigung). Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich auch die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung, in denen private Unternehmen durch den Wettbewerb mit Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen.3 10

Nicht begünstigt sind Grundstücksübergänge von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück für Tätigkeiten außerhalb des öffentlich-rechtlichen Bereichs genutzt wird und diese Aufgabe mit übertragen wird4 oder Grundstücksübergänge zwischen konfessionsverschiedenen Religionsgemeinschaften vollzogen werden.5 Ebenso nicht begünstigt ist die Übertragung eines Grundstücks mit aufstehender Schule von einer Gemeinde an eine Religionsgesellschaft6 oder die Bestellung von Erbbaurechten im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung hinsichtlich der Spezialisierung der durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts betriebenen Krankenhäuser.7

11

Zu den Grenzänderungen gehören die Zusammenlegung von Gemeinden (Eingemeindung) oder die Zusammenlegung von Kirchengemeinden.

12

Bei der Zusammenlegung von katholischen wie evangelischen Kirchengemeinden handelt es sich um eine sog. Universalsukzession, die dazu führt, dass die im Eigentum der untergehenden Kirchengemeinde(n) befindlichen Grundstücke im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Kirchengemeinde nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG übergehen. Bei der Zusammenlegung von Kirchengemeinden ist zu beachten, dass der Grundbesitz einer Kirchengemeinde verschiedenen (kirchlichen) Bereichen zugeordnet sein kann.

13

Die Bildung oder Veränderung von katholischen Kirchengemeinden bedarf nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden8 der staatlichen Anerkennung. Hierunter fallen nach § 1 Abs. 2 der Vereinbarung die Errichtung, Auflösung, Zusammenlegung und Trennung oder die Änderung der Grenzen von Kirchengemeinden. Nach den §§ 2 bis 4 der Vereinbarung entscheidet der Regierungspräsident über den Antrag des Diözesanbischofs. Die Anerkennung wirkt ab dem Zeitpunkt, der in der kirchlichen Errichtungsurkunde angegeben ist, frühestens jedoch erst von dem Tage der Anerkennung an (vgl. § 6 der Vereinbarung). Sowohl die kirchliche Errichtungsurkunde als auch die staatliche Anerkennung durch den Regierungspräsidenten sind nach § 7 der Vereinbarung im Amtsblatt des Regierungspräsidenten und der Diözese zu veröffentlichen. Hierbei sind zwei Formen zu unterscheiden, die sich unmittelbar aus der bischöflichen Urkunde ergeben. Bei Anschluss oder Zupfarrung nimmt eine bestehende Kirchengemeinde die andere(n) Kirchengemeinde(n), die aufgelöst wird (werden), auf. Die aufnehmende Kirchengemeinde übernimmt hierbei alle Rechte und Pflichten der aufgenom1 vgl. hierzu BFH v. 27.11.2019 – II R 40/16, BStBl. II 2020, 233, bzgl. eines Schulträgerwechsels nach dem Thüringer Schulgesetz. 2 BFH v. 23.10.1996 – I R 1/94, I R 2/94, BStBl. II 1997, 139 = UR 1997, 341 mit Anm. Weiss = FR 1997, 57. 3 BFH v. 25.1.2005 – I R 63/03, BStBl. II 2005, 501 = FR 2005, 846. 4 RFH v. 14.1.1930 – II A 635/29, RFHE 26, 167. 5 BFH v. 1.9.2011 – II R 16/10, BStBl. II 2012, 148. 6 BFH v. 13.7.1966 – II 140/63, BFHE 86, 693; v. 16.5.1975 – III R 54/74, BStBl. II 1975, 746. 7 BFH v. 17.5.1989 – II R 98/86, BFH/NV 1990, 263. 8 GV. NRW 1960, 426.

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B. Öffentlich-rechtliche Aufgaben, Grenzänderungen (Nr. 1)

Rz. 18 § 4

menen Kirchengemeinde(n). Dies ist vergleichbar mit der Verschmelzung zur Aufnahme gem. § 2 Nr. 1 UmwG. Grunderwerbsteuerlich relevant ist hierbei nur das Vermögen der „untergehenden“ Kirchengemeinde(n). Bei der Auflösung und Neuerrichtung durch Vereinigung werden alle bisherigen Kirchengemeinden aufgelöst. Rechtsnachfolgerin, auf die alle Rechte und Pflichten übergehen, ist die neue Kirchengemeinde, die gleichzeitig errichtet wird. Dies ist vergleichbar mit der Verschmelzung zur Neugründung gem. § 2 Nr. 2 UmwG. Grunderwerbsteuerlich relevant ist hierbei das gesamte Vermögen aller von der Zusammenlegung betroffenen Kirchengemeinden. Der Beschluss über die Zusammenlegung evangelischer Kirchengemeinden bedarf gem. Art. 4 des 14 Staatsgesetzes betreffend der Kirchenverfassungen der Evangelischen Landeskirchen vom 8.4.19241 der staatlichen Mitwirkung. Dieses Mitwirkungsrecht wird durch die jeweilige Bezirksregierung ausgeübt. Auch hier sind zwei Formen zu unterscheiden, die sich unmittelbar aus der jeweiligen Urkunde ergeben. Bei der Auflösung nimmt eine bestehende Kirchengemeinde die andere(n) Kirchengemeinde(n), die aufgelöst wird (werden), auf. Die aufnehmende Kirchengemeinde übernimmt hierbei alle Rechte und Pflichten der aufgenommenen Kirchengemeinde(n). Dies ist vergleichbar mit der Verschmelzung zur Aufnahme gem. § 2 Nr. 1 UmwG. Grunderwerbsteuerlich relevant ist hierbei nur das Vermögen der „untergehenden“ Kirchengemeinde(n). Bei der Auflösung und Neubildung werden alle bisherigen Kirchengemeinden aufgelöst. Rechtsnachfolgerin, auf die alle Rechte und Pflichten übergehen, ist die neue Kirchengemeinde, die gleichzeitig errichtet wird. Dies ist vergleichbar mit der Verschmelzung zur Neugründung gem. § 2 Nr. 2 UmwG. Grunderwerbsteuerlich relevant ist hierbei das gesamte Vermögen aller von der Zusammenlegung betroffenen Kirchengemeinden. Das Grundstück muss hierbei von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder Grenzänderungen übertragen werden. Damit sind sämtliche Erwerbe von oder durch eine (private) Gesellschaft, die die öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt, nicht begünstigt.2 Dies gilt selbst dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts alle Anteile an einer juristischen Person des privaten Rechts hält. Hierdurch wird der private Rechtsträger nicht zu einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und damit nicht selbst zum begünstigten Rechtsträger.3

15

Gemeinsame Voraussetzung für den begünstigten Übergang eines Grundstücks aufgrund der Übertragung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aufgrund von Grenzänderungen ist, dass das Grundstück nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dienen darf.

16

Da das GrEStG keine Definition des Begriffes „Betrieb gewerblicher Art“ (BgA) enthält, sind nach einhelliger Auffassung die einschlägige Gesetzesdefinition in § 4 Abs. 1 KStG und die hierzu ergangene Rechtsprechung für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung maßgebend.4 Als Betrieb gewerblicher Art werden alle Einrichtungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bezeichnet, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen. Betrieb gewerblicher Art müssen sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich herausheben. Der Betrieb gewerblicher Art besitzt neben seiner wirtschaftlichen Tätigkeitsfeld grds. keine weitere außerbetriebliche Sphäre.5

17

Ein Betrieb gewerblicher Art wird als Inbegriff fortdauernder wirtschaftlicher Verrichtungen de- 18 finiert, der unter einem einheitlichen Willen auf ein bestimmtes sachliches Ziel gerichtet ist, dadurch in sich wirtschaftlich zusammenhängt und eine funktionelle Einheit bildet, sich aber innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts als etwas Besonderes heraushebt.6 Dieser Gedanke liegt insoweit noch dem heutigen Körperschaftsteuerrecht zugrunde, als dass alle Betriebe der öffentlichen Hand der Körperschaftsteuer zu unterwerfen sind, die das äußere Bild eines Gewerbebetriebes bieten. Als Einrichtung i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG ist daher jede nachhaltige und selbstän-

1 2 3 4 5 6

Preußische Gesetzessammlung 1924, 221. BFH v. 21.1.2004 – II R 1/02, BFH/NV 2004, 1120; v. 9.11.2016 – II R 12/15, BStBl. II 2017, 211. BFH v. 9.11.2016 – II R 12/15, BStBl. II 2017, 211. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 23. BFH v. 24.4.2002 – I R 20/01, BStBl. II 2003, 412 = FR 2002, 1222. RFH v. 22.10.1929 – I Aa 644/29, RStBl. 1929, 666; v. 25.7.1933 – I A 74/33, RStBl. 1933, 1060; BFH v. 13.3.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391.

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§ 4 Rz. 18 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung dige Tätigkeit zu verstehen, die sich als wettbewerbsrelevante Tätigkeit von den übrigen Aufgaben der juristischen Person des öffentlichen Rechts abgrenzen lässt. 19

Bei einem Jahresumsatz von über 130.000 Euro wird die Annahme einer solchen Einrichtung indiziert.1 Liegt tatsächlich eine eigene Einrichtung vor, so ist die Grenze von 130.000 Euro unerheblich. Merkmale für eine wirtschaftliche Selbständigkeit einer Einrichtung können sein: – Organisatorische Einheit (z.B. Institute an Universitäten; Ämter von Gemeinden …), – gesonderte Geschäftsleitung, – getrennte Buchführung, – gesondert geführter Haushalt. Es handelt sich hierbei um einzelne Merkmale, die nicht alle zeitgleich vorliegen müssen. Ist nach dem äußeren Bild davon auszugehen, dass eine eigenständige Einrichtung vorliegt, können einzelne Merkmale nicht gegeben sein.

20

Ein sog. Eigenbetrieb bzw. eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung ist immer eine Einrichtung i.S.d. § 4 KStG.

21

In Fortführung der Rechtsprechung des BFH2 wird dem Begriff der „Einrichtung“ nunmehr auch eine tätigkeitsbezogene Betrachtung zugemessen.3 Hiernach ist für die Annahme einer Einrichtung eine organisatorisch verselbständigte Abteilung nicht (mehr) notwendig. Die Einbeziehung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einen überwiegend mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Betrieb schließt es nicht aus, die einbezogene Tätigkeit gesondert zu beurteilen und als eigenständige Einheit von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb zu unterscheiden.4 Maßgeblich für das Vorliegen einer Einrichtung sei allein, dass sich die verschiedenen Tätigkeiten voneinander unterscheiden und trennen lassen. Anhaltspunkte hierfür können eine gesonderte Einnahmen-und Ausgabenrechnung oder eine gesonderte Abrechnung der Leistungen sein.

22

Für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist immer dann von einem Betrieb gewerblicher Art auszugehen, wenn dieser nach den Kriterien des KStG angenommen wird, unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen oder einen von der Körperschaftsteuer befreiten Betrieb gewerblicher Art handelt. Unbeachtlich ist auch, ob ein Betrieb gewerblicher Art gemeinnützig ist oder nicht.

23

Einen Sonderfall stellt eine der Art nach gewerbliche Betätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts dar, mit der die Umsatzgrenze von 35.000 Euro5 nicht überschritten und demnach grundsätzlich kein Betrieb gewerblicher Art angenommen wird. Denn für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist fraglich, ob das fehlende Überschreiten der Umsatzgrenze bei einer dem Grunde nach gewerblichen Tätigkeit schädlich ist oder nicht. Dies muss auch in Kontext zur Befreiung nach § 4 Nr. 5 GrEStG (vgl. Rz. 61) gesehen werden, da dort jede gewerbliche Tätigkeit – unabhängig von der Umsatzhöhe – als begünstigungsschädlich angesehen wird. Die zu § 4 Nr. 5 GrEStG geltenden Ansichten sind unter dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Gesetzesauslegung auch für Zwecke des § 4 Nr. 1 GrEStG zu berücksichtigen. Demnach kann grunderwerbsteuerlich eine dem Grunde nach gewerbliche Tätigkeit trotz Unterschreitens der maßgeblichen Umsatzgrenze als begünstigungsschädlich angesehen werden.

24

Die reine Vermögensverwaltung (u.a. die Vermietung oder Verpachtung von Grundbesitz bzw. Bestellung von Erbbaurechten) sowie eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung begründen für sich betrachtet keinen Betrieb gewerblicher Art, soweit diese Verwaltung nicht selbst durch einen (anderen) Betrieb gewerblicher Art der juristischen Person des öffentlichen Rechts erfolgt. Die Nutzung durch den Berechtigten (= Mieter, Pächter, Erbbauberechtigten) des von der juristischen Person des öffentlichen Rechts vermögensverwalteten Grundbesitzes ist für die Frage „Betrieb gewerblicher Art?“ nicht relevant. 1 2 3 4 5

R 4.1 Abs. 4 KStR 2015, Abschnitt 2.11 Abs. 4 Satz 3 UStAE. BFH v. 14.4.1983 – V R 3/79, BStBl. II 1983, 491 = UR 1983, 145 mit Anm. Prugger. BFH v. 3.2.2010 – I R 8/09, BStBl. II 2010, 502. H 4.1 Einrichtung KStH 2015. R 4.1 Abs. 5 KStR 2015.

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B. Öffentlich-rechtliche Aufgaben, Grenzänderungen (Nr. 1)

Rz. 27 § 4

Die von einer Kommune betriebenen Kindergärten, Kinderhorte und Kindertagesstätten sind unbeschadet des Rechtsanspruchs von Kindern ab dem vollendeten dritten Lebensjahr auf Förderung in Tageseinrichtungen gem. § 24 SGB VIII keine Hoheitsbetriebe, sondern Betriebe gewerblicher Art.1 Soweit Kindergärten, Kinderhorte und Kindertagesstätten von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften geführt werden, sind keine Betrieb gewerblicher Art anzunehmen. Bei diesen Einrichtungen steht regelmäßig eine pastorale Aufgabe im Vordergrund, die private Unternehmer sowie Städte und Gemeinden nicht in gleicher Weise wahrnehmen können.

25

Nicht begünstigt ist ferner die Übertragung von Anteilen an Kapital- oder Personengesellschaften 26 aufgrund des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen, wenn hierdurch ein Tatbestand des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht wird2. Denn insoweit gehört der Grundbesitz der Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG), oder es wird ein Grundstückserwerb von der Personen-/Kapitalgesellschaft durch die juristische Person des öffentlichen Rechts fingiert (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 bzw. Abs. 3a GrEStG). In diesen Fällen mangelt es bereits an einem Grundstücksübergang von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Bei § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG und den nach § 1 Abs. 3a GrEStG gleichgestellten Sachverhalten wird zwar ein Grundstücksübergang vom bisherigen Anteilseigner (juristische Person des öffentlichen Rechts) auf den neuen Anteilseigner (juristische Person des öffentlichen Rechts) fingiert, so dass die Grundvoraussetzung des § 4 Nr. 1 GrEStG erfüllt ist. Jedoch wird das Grundstück, da es zum zivilrechtlichen Vermögen der Personen-/Kapitalgesellschaft gehört, grundsätzlich und überwiegend für einen Betrieb gewerblicher Art genutzt, was einer Begünstigung wiederum entgegensteht. Bei der Überwiegensprüfung kommt es nicht auf die einzelne Parzelle im Grundbuch, sondern auf die wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG) an. Zur Ermittlung des Anteils ist für grunderwerbsteuerliche Zwecke vorrangig auf die Nutzung der Flächen der jeweiligen wirtschaftlichen Einheit abzustellen. Bei unterschiedlicher Nutzung einer Fläche ist die jeweilige Nutzungszeit zu ermitteln, wobei die überwiegende Nutzung maßgeblich für die Zuordnung der wirtschaftlichen Einheit ist. Überwiegend bedeutet, dass das Grundstück zu mehr als 50 % einem Betrieb gewerblicher Art dienen muss, damit eine Befreiung nicht gewährt werden kann. Die Kirchengemeinde A und die Kirchengemeinde B sollen zur Kirchengemeinde AB zusammengelegt werden. Der Zusammenschluss erfolgt durch Urkunde des Bischofs vom 15.8.2020, welche vom zuständigen Regierungspräsidenten mit Urkunde vom 26.9.2020 anerkannt wird. Die Urkunden werden am 12.10.2020 in den jeweils zuständigen Amtsblättern veröffentlicht. Zum Vermögen der beiden Kirchengemeinden gehört umfangreicher Grundbesitz, welcher dem Grunde nach § 4 Nr. 1 GrEStG begünstigt ist. Hinsichtlich des bisher von der Kirchengemeinde A genutzten „Gemeindehauses“ besteht die Besonderheit, dass dieses auch entgeltlich für außerkirchliche Zwecke verwendet wird. Weiterhin gehört zum Vermögen beider Kirchengemeinden jeweils ein 50 %-Anteil an der grundbesitzenden A-GmbH, die auf diesem Grundstück ein Krankenhaus betreibt. Am 26.9.2020 geht sämtlicher Grundbesitz nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG kraft Gesetzes von den bisherigen Kirchengemeinden A und B auf die neue Kirchengemeinde AB über. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 GrEStG sind dem Grunde nach erfüllt. Hinsichtlich des Gemeindehauses ist eine Prüfung vorzunehmen, ob das Grundstück nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Nach den von der Kirchengemeinde gemachten Aufzeichnungen der letzten drei Jahre ergibt sich eine durchschnittliche Nutzungszeit für kirchliche Zwecke i.H.v. ca. 60 % und für außerkirchliche Zwecke i.H.v. 40 %. Hierbei werden Leerstandszeiten den begünstigten kirchlichen Zwecken zugeordnet. Mangels überwiegender Nutzung (. 50 %) für Zwecke eines Betriebes gewerblicher Art ist auch für das Gemeindehaus eine Befreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG zu gewähren. Hinsichtlich der Anteile an der A-GmbH verwirklicht die Kirchengemeinde AB am 26.9.2020 eine erstmalige Vereinigung von Anteilen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG fingierten Übergang des Grundbesitzes von der A-GmbH auf die Kirchengemeinde AB scheidet aus, da der Grundbesitz – wenn auch nur fiktiv – nicht von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übertragen wird.

1 BFH v. 12.7.2012 – I R 106/10, BStBl. II 2012, 837. 2 FG Münster v. 7.6.2017 – 8 K 3992/14, EFG 2017, 1286, das durch BFH v. 4.3.2020 – II R 35/17, BStBl. II 2020, 514 wegen eines unzutreffenden Besteuerungsstichtages aufgehoben wurde. Nachgehend FG Münster v. 17.6.2021 – 8 K 364/21, STE 2021, 540 – Revision ist beim BFH unter dem Az. II R 24/21 anhängig.

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§ 4 Rz. 28 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung 28

Es besteht kein Nachversteuerungsvorbehalt. Eine zuvor gewährte Befreiung ist demnach nicht zu widerrufen, wenn das erworbene Grundstück im Nachhinein nicht mehr zu öffentlich-rechtlichen Zwecken genutzt wird.

29

Bzgl. der Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG bei unentgeltlichen Grundstücksübertragungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechtes vgl. § 3 Rz. 134.

30

Soweit erfolgte Grundstücksübergänge nicht nach § 4 Nr. 1 GrEStG begünstigt sind, beispielsweise aufgrund der überwiegenden Nutzung des Grundstücks durch einen Betrieb gewerblicher Art, kann für alle nach dem 6.6.2013 verwirklichten Erwerbsvorgänge eine Befreiung nach § 4 Nr. 4 GrEStG (vgl. Rz. 44) in Betracht kommen.

C. Grundstückserwerb durch ausländischen Staat für diplomatische und konsularische Zwecke (Nr. 2) 31

Der Grundstückserwerb durch einen ausländischen Staat für Zwecke von Botschaften, Gesandtschaften oder Konsulaten dieses ausländischen Staates ist unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit von der Besteuerung nach § 4 Nr. 2 GrEStG ausgenommen. Ebenso können Grundstückserwerbe für Wohnzwecke des Personals der diplomatischen Missionen und seiner konsularischen Vertretungen ausländischer Staaten begünstigt sein.1

32

Gegenseitigkeit bedeutet, dass eine Begünstigung nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass der das Grundstück erwerbende ausländische Staat seinerseits die Bundesrepublik Deutschland von der Entrichtung entsprechender Abgaben für den Grundstückserwerb für diplomatische Zwecke im ausländischen Staat freistellt. Die Gegenseitigkeit ist in jedem einzelnen Fall eines Grundstückserwerbs durch das Auswärtige Amt über seine Auslandsvertretungen zu klären.2 Ggf. hat der ausländische Staat als Erwerber durch eine entsprechende Verbalnote des Auswärtigen Amtes eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu beantragen.3

33

Die Begünstigung ist bei Gegenseitigkeit im Übrigen zu gewähren, wenn im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs die Absicht, das erworbene Grundstück dem begünstigten Zweck zuzuführen und die Erfüllung des beabsichtigten Zwecks nach objektiven Kriterien von vornherein nicht offenbar unmöglich ist, bestanden hat.4

34

Nach Ansicht von Viskorf5 ist bei einem erworbenen Grundstück, das sowohl begünstigten wie auch nicht begünstigten Zwecken dient, die Befreiung auf die abgrenzbaren Teilflächen zu begrenzen, die nach § 4 Nr. 2 GrEStG begünstigt sind. In der Praxis wird diese Abgrenzung eher selten vorzunehmen sein, da entweder der ausländische Staat den Erwerb auf das notwendige (Flächen-)Maß beschränkt oder aber den kompletten erworbenen Grundbesitz nach objektiven Kriterien nur einer begünstigten Zweckbestimmung zuordnet.

35

Es besteht kein Nachversteuerungsvorbehalt. Eine zuvor gewährte Befreiung ist demnach nicht zu widerrufen, wenn das erworbene Grundstück im Nachhinein nicht der gesetzlichen Zweckbestimmung zugeführt wird oder das Grundstück am Anfang zweckbestimmt genutzt wurde und sich im zeitlichen Nachgang zum Erwerb die Verwendung in einen nicht begünstigten Zweck ändert.6

36

Die aufgrund völkerrechtlicher Verträge zu gewährenden Grunderwerbsteuervergünstigungen, die gem. Art. 59 Abs. 2 GG zu innerstaatlichen Recht geworden sind, bestehen trotz Aufhebung von § 24 GrEStG7 fort.

1 2 3 4 5 6 7

FinMin. NW v. 14.6.1984, GrESt-Kartei NRW, § 4 GrEStG, Karte 1 I. FinMin. NW v. 11.11.1997, GrESt-Kartei NRW, § 4 GrEStG, Karte 1 II. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 32 a.E. BFH v. 31.3.1982 – II R 155/79, BStBl. II 1982, 421. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 31. Viskorf in Boruttau19, § 4, GrEStG Rz. 32 a.E.; Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 7. JStG 1997, BGBl. I 1996, 2049.

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E. Erwerbsvorgänge aus Anlass einer kommunalen Gebietsreform (Nr. 4)

Rz. 44 § 4

D. Grundstückserwerb durch ausländischen Staat oder ausländische kulturelle Einrichtung für kulturelle Zwecke (Nr. 3) Der Grundstückserwerb durch einen ausländischen Staat oder eine ausländische kulturelle Einrichtung für kulturelle Zwecke sind unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit von der Besteuerung nach § 4 Nr. 3 GrEStG ausgenommen.

37

Kulturelle Zwecke sind solche, mit denen ausländische Staaten oder deren kulturelle Einrichtungen die Lebensformen ihrer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung vermitteln wollen. Hierzu gehören u.a. Bibliotheken, Sprachinstitute, Ausstellungsgebäude und Kommunikationszentren. Aufgrund des Einführungserlasses zu § 4 GrEStG vom 21.12.19821 dürften hierunter auch überstaatliche kulturelle Einrichtungen wie Wissenschaftsorganisationen, Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen zu erfassen sein.2

38

Nicht begünstigt ist ein im Inland eingetragener Verein, der sich die religiöse Betreuung der im Inland lebenden ausländischen Volksgruppe zum Ziel gesetzt hat.3

39

Gegenseitigkeit bedeutet, dass eine Begünstigung nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass 40 der das Grundstück erwerbende ausländische Staat oder die ausländische kulturelle Einrichtung seinerseits die Bundesrepublik Deutschland von der Entrichtung entsprechender Abgaben für den Grundstückserwerb für kulturelle Zwecke im ausländischen Staat freistellt. Die Gegenseitigkeit ist in jedem einzelnen Fall eines Grundstückserwerbs durch das Auswärtige Amt über seine Auslandsvertretungen zu klären.4 Ggf. hat der ausländische Staat oder die ausländische kulturelle Einrichtung als Erwerber durch eine entsprechende Verbalnote des Auswärtigen Amtes eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu beantragen.5 Die Begünstigung ist bei Gegenseitigkeit im Übrigen zu gewähren, wenn im Zeitpunkt des Grund- 41 stückserwerbs die Absicht bestanden hat, das erworbene Grundstück dem begünstigten Zweck zuzuführen und die Erfüllung des beabsichtigten Zwecks nach objektiven Kriterien von vornherein nicht offenbar unmöglich ist.6 Nach Ansicht von Viskorf7 ist bei einem erworbenen Grundstück, das sowohl begünstigten als auch nicht begünstigten Zwecken dient, die Befreiung auf die abgrenzbaren Teilflächen zu begrenzen, die nach § 4 Nr. 3 GrEStG begünstigt sind. In der Praxis wird diese Abgrenzung eher selten vorzunehmen sein, da entweder der ausländische Staat oder die ausländische kulturelle Einrichtung den Erwerb auf das notwendige (Flächen-)Maß beschränkt oder aber den kompletten erworbenen Grundbesitz nach objektiven Kriterien nur einer begünstigten Zweckbestimmung zuordnet.

42

Es besteht kein Nachversteuerungsvorbehalt. Eine zuvor gewährte Befreiung ist demnach nicht zu widerrufen, wenn das erworbene Grundstück im Nachhinein nicht der gesetzlichen Zweckbestimmung zugeführt wird oder das Grundstück am Anfang zweckbestimmt genutzt wurde und sich im zeitlichen Nachgang zum Erwerb die Verwendung in einen nicht begünstigten Zweck ändert.8

43

E. Erwerbsvorgänge aus Anlass einer kommunalen Gebietsreform (Nr. 4) § 4 Nr. 4 GrEStG begünstigt bestimmte Rechtsvorgänge, die aufgrund eines Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften (1. Alt.) oder aufgrund des durch Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde (2. Alt.) eintretenden Übergangs von Grundstücken oder Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach dem 6.6.2013 (§ 23 Abs. 11 GrEStG) verwirklicht werden.

1 2 3 4 5 6 7 8

BStBl. I 1982, 968. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 36. FG Köln v. 31.5.1989 – 11 K 1026/87, EFG 1989, 647. FinMin. NW v. 11.11.1997, GrESt-Kartei NRW, § 4 GrEStG, Karte 1 II. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 32 a.E. BFH v. 31.3.1982 – II R 155/79, BStBl. II 1982, 421. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 31. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 31 a.E.; Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 7.

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44

§ 4 Rz. 45 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung 45

Begünstigte Rechtsvorgänge sind neben den tatsächlichen Grundstücksübergängen aufgrund Verpflichtungsgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) oder kraft Gesetzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) auch fiktive Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn diese sich als „unmittelbare Rechtsfolge“ eines Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften oder der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde ergeben. Kraft Gesetzeswortlaut nicht erfasst sind die fiktiven Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG.

46

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 4 Nr. 1 GrEStG zu sehen und begünstigt darüber hinaus auch verwirklichte Rechtsvorgänge ohne Übergang von öffentlich-rechtlichen Aufgaben (vgl. Rz. 9) und solche Grundstücke, die von einem Betrieb gewerblicher Art (vgl. Rz. 17) genutzt werden. Die Vorschrift ist insoweit weiter gefasst als § 4 Nr. 1 GrEStG.

47

§ 4 Nr. 4 GrEStG ist jedoch auch enger als § 4 Nr. 1 GrEStG ausgelegt, in dem zum einen nur Rechtsvorgänge aufgrund des Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften und zum anderen nur Rechtsgeschäfte in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde begünstigt sind.

48

Zu den kommunalen Gebietskörperschaften zählen Gemeinden, Landkreise, Bezirke und Landschaftsverbände. Der Zusammenschluss von kommunalen Gebietskörperschaften beruht auf Gesetz oder Hoheitsakt. Rechtsgeschäftlich veranlasste Rechtsträgerwechsel am Grundstück oder an Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften werden von § 4 Nr. 4 Alt. 1 GrEStG nicht erfasst. Erfasst werden ausschließlich Rechtsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG, die sich aufgrund des Zusammenschlusses kommunaler Gebietskörperschaften durch Gesetz oder Hoheitsakt und damit ohne vorhergehendes Verpflichtungsgeschäft ergeben. Nicht begünstigt sind jedoch Umwandlungsvorgänge, die im Zusammenhang mit einer kommunalen Gebietsreform stehen, denn insoweit ist der verwirklichte Tatbestand nicht Rechtsfolge des Zusammenschlusses der Gebietskörperschaften, sondern basiert auf einem diesem Zusammenschluss vorgelagerten Rechtsgeschäft. Die Gemeinde A und die Gemeinde B sind jeweils zu 50 % Anteilseigner der AB Wohnungsbaugesellschaft mbH, zu deren Vermögen umfangreicher Grundbesitz gehört. Daneben gehört den beiden Gemeinden weiterer umfangreicher Grundbesitz. Im Rahmen einer Gebietsreform des Bundeslandes sollen die Gemeinde A und Gemeinde B zur Gemeinde AB zusammengelegt werden. Der Zusammenschluss wird mit Gesetz vom 15.12.2016 und mit Wirkung zum 1.1.2017 beschlossen. Mit Wirkung zum 1.1.2017 gehen sämtlicher Grundbesitz und alle Anteile an der AB Wohnungsbaugesellschaft mbH kraft Gesetzes von den Gemeinden A und B auf die Gemeinde AB über. Bzgl. des Grundbesitzes ist dies steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Die Anteile an der AB Wohnungsbaugesellschaft mbH werden nunmehr erstmals nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in der Hand der Gemeinde AB vereinigt. Hinsichtlich der beiden steuerbaren Tatbestände sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 4 GrEStG erfüllt, da diese aufgrund eines Zusammenschlusses von Gebietskörperschaften nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden.

49

Nach § 4 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG sind ausschließlich Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück oder Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, die ihre Grundlage in einem Rechtsgeschäft im Vorgriff auf die Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde haben, begünstigt. Demnach erfasst § 4 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG ausschließlich die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG verwirklichten Rechtsvorgänge. Soweit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Grundstücksübergänge als Rechtsfolge der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde verwirklicht werden, sind diese nicht nach § 4 Nr. 4 GrEStG, aber ggf. nach § 4 Nr. 1 GrEStG (vgl. Rz. 4), begünstigt.

50

Der Abschluss des auf die Übereignung des Grundstücks bzw. der Anteile gerichteten Rechtsgeschäfts muss aus Anlass der Aufhebung der Kreisfreiheit einer Gemeinde abgeschlossen werden und damit im „unmittelbaren Zusammenhang“ mit der Aufhebung stehen. Der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Aufhebung der Kreisfreiheit müssen demnach in einem objektiv nachprüfbaren zeitlichen wie sachlichen Zusammenhang stehen, dessen Feststellungslast der Steuerpflichtige trägt.

51

Im Gegensatz zu § 4 Nr. 4 Alt. 1 GrEStG ist es im Rahmen von § 4 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG keine Voraussetzung, dass an dem begünstigten Rechtsvorgang ausschließlich kommunale Gebietskörperschaften bzw. Gemeinden, deren Kreisfreiheit aufgehoben wird, teilnehmen.1 Lediglich der das Vermögen übertragende Rechtsträger muss eine Gemeinde sein, deren Kreisfreiheit aufgehoben wird, die anlässlich 1 Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 39; Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 10.

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F. Erwerbsvorgänge im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft (Nr. 5)

Rz. 57 § 4

der Aufhebung Grundbesitz oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften durch Rechtsgeschäft überträgt. Die Begünstigung nach § 4 Nr. 4 GrEStG stellt nach dem Beschluss der Europäischen Kommission keine europarechtswidrige staatliche Beihilfe dar.1 Zur Begründung wird angeführt, dass die Neugliederung der Gebietskörperschaften, die zum Steuertatbestand führt, aus Gründen des Allgemeinwohls und der Ordnungspolitik stattfinde. Der Zweck dieser Neugliederung von Gebietskörperschaften sei weder der Zusammenschluss zweier wirtschaftlicher Tätigkeiten noch die Entwicklung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Rahmen, in dem die Grundstücksübertragung stattfinde, unterscheide sich grundlegend von jeder Situation, in der sich ein privates Unternehmen befinden könnte. Darüber hinaus sollte nach der Logik der Grunderwerbsteuer die bloße Neugliederung von Gebietskörperschaften aus ordnungspolitischen Gründen nicht zu einem Steuertatbestand führen. Die Maßnahme sei somit durch die Natur und den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt.

52

F. Erwerbsvorgänge im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft (Nr. 5) In Zeiten knapper Haushaltsmittel und stetig steigender Investitions- und Sanierungsvorhaben sucht die öffentliche Hand zur Realisierung dieser Vorhaben die Kooperation mit privaten Investoren. Die Durchführung wird verstärkt mittels sog. „Public Private Partnerships“-Projekte (PPP- Projekte) oder „Öffentlich Private Partnerschaften“-Projekte (ÖPP-Projekte) vollzogen. Diesen Projekten ist gemein, dass sich der private Investor gegenüber der öffentlichen Hand dazu verpflichtet, bestimmte Investitionen durchzuführen und das Investitionsobjekt über einen gewissen Zeitraum zu betreiben und zu erhalten.

53

Sofern im Zuge eines PPP/ÖPP-Projektes Grundbesitz übertragen wird, kommt eine Begünstigung 54 nach § 4 Nr. 5 GrEStG nur bei Erfüllung der nachstehenden drei Voraussetzungen sowohl für die Übertragung an den privaten Unternehmer als auch die Rückübertragung des Grundstücks an die öffentliche Hand in Betracht: – Das Grundstück muss von der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu Beginn des Vertragszeitraums an das private Unternehmen übertragen werden (vgl. Rz. 56). – Während des Vertragszeitraums hat der private Unternehmer im Rahmen einer PPP/ÖPP der juristischen Person des öffentlichen Rechts das Grundstück zur Nutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch i.S.d. § 3 Abs. 2 GrEStG zu überlassen (vgl. Rz. 60). – Zwischen dem Erwerber und der juristischen Person des öffentlichen Rechts muss die Rückübertragung des Grundstücks am Ende des Kooperationszeitraums fest vereinbart worden sein (vgl. Rz. 62). Für den besonderen Fall, dass das Projekt und damit die Übertragung des Grundstücks an den privaten Investor vor dem 8.9.20052 erfolgte, verbleibt es bei der Steuerpflicht für die Übertragung des Grundstücks. Die spätere Rückübertragung an die juristische Person des öffentlichen Rechts ist bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen begünstigt3.

55

Das Grundstück muss von der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu Beginn des Vertrags- 56 zeitraums an das private Unternehmen übertragen werden. Entscheidendes Kriterium ist, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts als zivilrechtliche Eigentümerin eines Grundstücks dieses dem privaten Investor für die zweckmäßige Bestimmung zu Beginn des Projekts überträgt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift und mangels Ausschluss sind unter dem von § 4 Nr. 5 GrEStG verwendeten Grundstücksbegriff sämtliche in § 2 GrEStG definierte Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte zu subsumieren. Die Begünstigung erfasst demnach auch die Fälle der Bestellung eines Erbbaurechtes (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) durch die juristische Person des öffentlichen Rechts zugunsten des privaten Investors, da beim Erlöschen des Erbbaurechtes durch Zeitablauf und Heimfall des Erbbaurechts an die juristi1 Schreiben der Europäischen Kommission v. 26.5.2014 – C(2014) 3152 final (http://ec.europa.eu/competition/ state_aid/cases/252183/252183_1549584_69_2.pdf). 2 Inkrafttreten des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes, BGBl. I 2005, 2676. 3 So auch BFH v. 10.4.2019 – II R 16/17, BStBl. II 2019, 624.

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57

§ 4 Rz. 57 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung sche Person des öffentlichen Rechts diese so gestellt wird, als wenn sie das Grundstück an den privaten Investor übertragen und zurückübertragen bekommen hätte.1 58

Gebäude auf fremdem Grund und Boden i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, die in der Person des privaten Investors auf dem Grundstück der juristische Person des öffentlichen Rechts begründet werden und deren Entstehung als „eigennützige Erwerberleistung“ nicht grunderwerbsteuerbar ist, die nach Ablauf der bestimmungsgemäßen Nutzung an die juristische Person des öffentlichen Rechts als Grundstückseigentümerin übertragen werden, unterliegen nach Sinn und Zweck der Vorschrift ebenfalls der Begünstigung, obwohl diese keine Rückübertragung darstellt.2

59

In allen anderen Fällen, in denen das private Unternehmen das für die begünstigten Zwecke vorgesehene Gebäude auf einem bereits in seinem Eigentum befindlichen oder eigens zu diesem Zweck angeschafften Grundstück errichtet, kann keine Begünstigung nach § 4 Nr. 5 GrEStG in Betracht kommen, da das Grundstück nicht von der juristischen Person des öffentlichen Rechts übertragen wird.

60

Öffentlicher Dienst oder Gebrauch i.S.d. § 3 Abs. 2 GrStG sind die Ausübung der öffentlichen Gewalt als hoheitliche Tätigkeit oder der bestimmungsgemäße Gebrauch durch die Allgemeinheit. Öffentlicher Dienst und öffentlicher Gebrauch lassen sich kaum voneinander trennen. „Öffentlicher Dienst oder Gebrauch“ wird daher als Sammelbegriff verwendet. Die Annahme eines öffentlichen Dienstes oder Gebrauchs wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass hierfür ein Entgelt erhoben wird. Das Entgelt darf jedoch nicht in der Absicht, Gewinn zu erzielen, gefordert werden. Eingehende Ausführungen zur hoheitlichen Tätigkeit enthält Abschnitt 9 GrStR, zum Gebrauch (durch die Allgemeinheit) Abschnitt 10 GrStR.

61

Hierbei ist eine bei der Körperschaftsteuer (§ 4 Abs. 5 KStG) und bei der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 GewStDV) getroffene Entscheidung, ob ein sog. Hoheitsbetrieb oder Öffentlicher Dienst oder Gebrauch vorliegt, für die Grundsteuer und damit für die Grunderwerbsteuer zu übernehmen. Von vornherein nicht anzunehmen ist dies bei Betrieben gewerblicher Art (vgl. Rz. 17) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Ein Betrieb gewerblicher Art wird u.a. angenommen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts von einigem Gewicht ist. Nach Auffassung der Verwaltung ist dieses Kriterium ab einem Jahresumsatz von mehr als 35.000 Euro stets erfüllt.3 Fehlt es nur an dieser Voraussetzung oder kommt es wegen des Freibetrags von § 24 KStG nicht keiner körperschaftsteuerlichen Festsetzung, so ist für die Grundsteuer und damit Grunderwerbsteuer gleichwohl anzunehmen, dass der Grundbesitz nicht für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird.

62

Die Rückübertragung des Grundstücks am Ende des Kooperationszeitraums muss fest vereinbart worden sein. Ein bloßes Optionsrecht auf Rückübertragung ist nicht ausreichend und steht einer Begünstigung entgegen.4

63

Es besteht gem. § 4 Nr. 5 Satz 2 GrEStG ein Nachversteuerungsvorbehalt, wenn entweder die juristische Person des öffentlichen Rechts auf die Rückübertragung verzichtet oder das Grundstück nicht mehr für die begünstigten Zwecke genutzt wird. Der Wegfall der Begünstigungsvoraussetzungen stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, aufgrund dessen vorbehaltlich der Regelungen zu § 16 GrEStG sowohl die Begünstigung für die ursprüngliche Übertragung an den privaten Investor zu versagen als auch die spätere Rückübertragung an die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht (mehr) begünstigt ist.

64

Um auf eine Rückübertragung zu verzichten, muss die juristische Person des öffentlichen Rechts dies ausdrücklich erklären, da insoweit die ursprünglichen Vertragsbedingungen mit dem privaten Investor geändert werden.5 Bezieht sich der Verzicht auf Rückübertragung nur auf einen (abgrenzbaren) Teil des Grundstücks, so entfällt die Begünstigung nur insoweit. Ist die Rückübertragung vereinbartet, wird diese tatsächlich aber nicht vorgenommen, so entfallen ebenfalls rückwirkend die Begünstigungsvoraussetzungen. 1 2 3 4 5

Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 49; Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 20. Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 48. R 4.1 Abs. 5 KStR 2015. FinMin. NW v. 4.4.2006, GrEStG-Kartei NRW, § 4 GrEStG, Karte 2. Hofmann11, § 4 GrEStG Rz. 18.

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G. Erwerbsvorgänge aufgrund des BREXIT (Nr. 6)

Rz. 70 § 4

Endet die Nutzung des Grundstücks für begünstigte Zwecke durch Zeitablauf oder aus anderen 65 Gründen und vor der Rückübertragung an die juristische Person des öffentlichen Rechts, so wird hierdurch der Nachversteuerungsvorbehalt ausgelöst. Ebenso entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit die Begünstigung, wenn das Grundstück aufgrund eines vertraglichen Anspruches an die juristische Person des öffentlichen Rechts zurückzuübertragen ist, weil bspw. das Grundstück innerhalb vertraglich vereinbarter Fristen nicht nach Maßgabe des Projekts bebaut oder genutzt werden kann.1 Im letzteren Fall kann ggf. § 16 GrEStG Anwendung finden (§ 16 Rz. 3).

G. Erwerbsvorgänge aufgrund des BREXIT (Nr. 6) Gesellschaften in der Rechtsform der britischen Limited mit inländischer Geschäftsleitung werden 66 auf Grund der Niederlassungsfreiheit derzeit in Deutschland als solche zivilrechtlich anerkannt. Dies ändert sich mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass die betreffenden Gesellschaften nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union nach einer der in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehenden Auffangrechtsformen behandelt werden, d.h. als OHG, GbR oder – wenn die Gesellschaften nur einen Gesellschafter haben – als Einzelkaufmann oder Privatperson. Sofern an einer Limited mit inländischer Geschäftsleitung nur ein Gesellschafter beteiligt ist, gibt es 67 verschiedene Fallkonstellationen, in denen allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ein grunderwerbsteuerrechtlicher Tatbestand ausgelöst werden könnte2. Die Vorschrift soll verhindern, dass es allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer kommt. Erfasst werden von der Begünstigung neben möglichen Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 GrEStG 68 auch entsprechende Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG. In den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG ist jedoch offen, ob die Begünstigung nur „insoweit“3 zu gewähren ist, als der Tatbestand durch den BREXIT-bedingten Gesellschafterwechsel erfolgt oder aber über die Begünstigung der BREXIT-bedingte Gesellschafterwechsel gar nicht erst als „Zählerwerb“ i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG zu erfassen ist. Nach der hier vertretenden Ansicht ist der BREXIT-bedingte Gesellschafterwechsel als „Zählerwerb“ i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG zu erfassen und nur insoweit nach § 4 Nr. 6 GrEStG endgültig von der Besteuerung ausgenommen, als dieser steuerbare Gesellschafterwechsel aufgrund des BREXITerfolgt. Durch einen BREXIT-bedingten Gesellschafterwechsel dürften in aller Regel keine Erwerbsvorgänge 69 nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG ausgelöst werden, da die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft zuvor schon in der Hand des betroffenen Rechtsträgers (wirtschaftlich) vereinigt waren4. Durch einen BREXIT-bedingten Gesellschafterwechsel dürften keine Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst werden, da der BREXIT5 vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG6 vollzogen wurde und für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG sämtliche Anteilsübergänge vor dem 1.7.2021 außer Betracht blieben.7

1 Viskorf in Boruttau19, § 4 GrEStG Rz. 51. 2 Bron, BB 2016, 664 (669). 3 Analoge Anwendung der Grundsätze zu § 6a GrEStG aus Tz. 2.4 des gleichlautenden Ländererlasses v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960. 4 Bron, BB 2016, 664 (669). 5 Zwischen dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zum 1.2.2020 und dem 31.12.2020 galt die im Austrittsabkommen festgelegte Übergangsphase. Sie hat Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung Zeit gegeben, sich auf das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und der EU-Zollunion vorzubereiten. Seit dem 1.1.2021 ist das Vereinigte Königreich nun nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion. 6 Vgl. § 23 Abs. 23 GrEStG. 7 Tz. 3 gleichlautender Ländererlass vom 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006.

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70

§ 5 Übergang auf eine Gesamthand (1) 1Geht ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) über, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. 2Satz 1 gilt nicht für eine Gesamthand, die nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes optiert hat, es sei denn, die Ausübung und Wirksamkeit der Option liegt länger als die in Absatz 3 Satz 1 genannte Frist zurück und die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht länger als die in Absatz 3 Satz 1 genannte Frist. 3Satz 1 gilt nicht für eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Absatz 1 des Körperschaftsteuergesetzes mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt wird. (2) 1Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. 2Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. 3Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. (3) 1Die Absätze 1 und 2 sind insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. 2Satz 1 gilt nicht, soweit allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. 3Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt die Ausübung der Option nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes als Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand, wenn die Option innerhalb der jeweils für Satz 1 geltenden Frist ausgeübt und wirksam wird. A. I. II. III. IV. B. I.

II.

III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2) Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragender Mit- oder Alleineigentümer im Sinne von Abs. 1 und Abs. 2 . Gesamthand/Gesamthandsgemeinschaft 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begünstigte Gesamthandsgemeinschaften a) Inländische Gesamthandsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Gemeinschaften . . . c) Nicht begünstigte Gemeinschaften/ Gesellschaften . . . . . . . . . . . . 3. Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 6 8 12

13

14 16

20

22 23 24

V. Übergang von Grundstücken und begünstigte Übertragungsvorgänge 1. Grundstücksbegriff . . . . . . . . . . . 2. Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begünstigte Übertragungsvorgänge a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . bb) Erstmalige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . cc) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG . . . . e) Abgrenzung § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . f) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kein Durchgriff durch Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . h) Umwandlungsvorgänge aa) Formwechsel . . . . . . . . . . bb) Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . .

30 32 37 38 38.1 39 40 41 42 43 44 45 47

29.1

Schley

509

§ 5 Übergang auf eine Gesamthand

VI. VII.

VIII. IX.

X.

cc) Verschmelzung einer grundbesitzenden Gesamthand . . . . dd) Spaltungsvorgänge . . . . . . . . Beteiligung am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft/Beteiligungsquote . . Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung 1. Ermittlung der Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand . . . . . 2. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . 3. Ermittlung der Höhe der Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG . . . . . . . Einschränkungen für nach § 1a KStG optierende Gesellschaften (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . Ausschluss für bestimmte Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und inländischer Geschäftsleitung (Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Ausschluss der Steuerbefreiung/ Nachbehaltensfrist (Abs. 3) I. Allgemeines 1. Sinn und Zweck der Regelung . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . a) Verlängerung der Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre durch Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (Satz 1) . . . b) Rechtsfolgen des Brexit (Satz 2) . . c) Rechtsfolgen der Ausübung der durch das KöMoG eingeführten Option nach § 1 Abs. 1a KStG . . II. Wegfall der Steuervergünstigung bei Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand 1. Verminderung des Anteils am Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Verminderung des Anteils am Vermögen führende Fallkonstellationen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung an einen Dritten aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . (1) Anwendbarkeit der personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG . . . . . . . . (2) Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG für Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden . . . . . . . . . .

510

Schley

48 49 50

57 64 65 66

70.1

70.4

. .

71 74

. .

74.1 74.2

.

74.3

.

75

.

76

. .

77 78

.

79

.

80

(3) Auswirkungen einer aufgrund von § 3 GrEStG unschädlichen Anteilsverminderung auf den Lauf der Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . 84 (4) Die Anteilsübertragung löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG aus . . . 86 c) Ausscheiden des Gesellschafters . . . 90 d) Beitritt neuer Gesellschafter . . . . . 94 e) Schuldrechtliche Vereinbarungen . . 97 f) Umwandlungsvorgänge auf der Ebene des grundstücksübertragenden Gesamthänders aa) Formwechsel . . . . . . . . . . . 101 bb) Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge . . . . . . . . . . 107 g) Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der erwerbenden Gesamthand aa) Formwechsel . . . . . . . . . . . 108 bb) Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge . . . . . . . . . . 112 h) Auflösung der erwerbenden Gesamthand, Anwachsung . . . . . 113 i) Veränderung variabler Kapitalkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 j) Wechsel einer unmittelbaren Beteiligung zu einer mittelbaren Beteiligung und umgekehrt . . . . . . . . 120 k) Rechtsfolgen des Brexit (Satz 2) . . . 121.1 l) Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG (Satz 3) . . . . . . . 121.2 3. Erhöhung der vermögensmäßigen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Kein Wegfall der Steuervergünstigung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Das übertragene Grundstück befindet sich im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr im Gesamthandsvermögen der erwerbenden Gesamthand . . . . . . 125 c) Die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus . . . . 126 d) Auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung . . . . . . . 127 IV. Berechnung der Sperrfrist . . . . . . . . . 129

V. Rechtsfolgen der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . .

133 134

Übergang auf eine Gesamthand

§5

D. Aufeinanderfolge von mehreren der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbeständen (§ 1 Abs. 6 GrEStG) . . . .

139

Literatur: Behrens, Neue RETT-Blocker-Vermeidungsvorschrift in § 1 Abs. 3a GrEStG durch AmtshilfeRLUmsG – Rechtliche Anteilsvereinigung aufgrund „Innehabens“ von (ggf. durchgerechnet) mindestens 95 % an grundbesitzender Gesellschaft, DStR 2013, 1405; Behrens, Anwendung von § 5 Abs. 3 GrEStG trotz Fehlens einer objektiven Steuervermeidungsmöglichkeit – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil II R 2/13 vom 17.12.2014, DStR 2016, 518; Behrens, Mittelbare Gesellschafterwechsel bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach dessen Änderung durch das StÄndG 2015, BB 2017, 1046; Behrens, Die Durchführung aufschiebend bedingter Grundstückskäufe löst die Grundstückszuordnung zum Gesellschaftsvermögen aus, BB 2013, 1576; Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer durch quotenwahrenden Formwechsel einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit mindestens 95 %igem Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft? – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 16.02.2006, UVR 2008, 16; Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 01.07.2021, DB 2021, 866; Broemel, Zur teleologischen Reduktion der grunderwerbsteuerlichen Sperrfristen in §§ 5, 6 GrEStG, DB 2019, 1470; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der „Share Deals“ – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Broemel/Tigges, Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei den grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbeständen, DStR 2020, 2342; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749; Bruschke, Die Sperrvorschriften des GrEStG beim Übergang von Grundstücken unter Beteiligung einer Gesamthand, UVR 2020, 370; Egner/Geißler, Die Stiftung als „long-term-RETT-Blocker“ – Gestaltungsideen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer im Rahmen grunderwerbsteuerlicher Ergänzungstatbestände, DStZ 2015, 333; Fleischer/Keul, Jüngste Erlasse zu Share Deals in der Grunderwerbsteuer, StbG 2019, 104; Fuhrmann, Gesellschafterwechsel und Grunderwerbsteuer, kösdi 2014, 18768; Fuhrmann, Gestaltungsmissbrauch – neue Rechtsprechung, Probleme und Lösungsansätze, kösdi 2013, 18410; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung grunderwerbsteuerlicher Reformmodelle zu ShareDeals – Teil II, DStR 2021, 1272; Hutmacher, Grunderwerbsteuerbefreiung bei der Anteilsvereinigung und der Übertragung vereinter Anteile bei Kapitalgesellschaften, ZNotP 2013, 333; Illing, Das Ende für Gestaltungsmodelle mit RETT-Blocker-Strukturen in der Grunderwerbsteuer durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinien sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, DStZ 2013, 504; Liekenbrock/Joisten, Der Ländererlass zu § 1 Abs. 3a GrEStG – geregelte und ungeregelte Fälle, Ubg 2013, 743; Loose, Nachträgliche Erhebung von GrESt nach formwechselnder Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft – Anmerkungen zu den BFHUrteilen vom 25.9.2013 – II R 17/12 (DB 2014 S. 224) und II R 2/12 (DB 2014, 221), DB 2014 S. 207; Mies/Greiser, Die Anwendbarkeit der Vergünstigungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG, DStR 2008, 1319; Patt, Realteilung einer Personengesellschaft zu Buchwerten – Gefahr des nachträglichen Wegfalls früherer Steuervergünstigungen?, EStB 2014, 182; Rödding, Neue Entwicklungen im Immobiliensteuerrecht, BB 2017, 1052; Saecker, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen bei Familienpersonengesellschaften, NWB 2020, 2407; Saecker, Grunderwerbsteuerliche Folgen des Formwechsels – Das Spannungsfeld grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften, NWB 2012, 3798; Saecker, Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand – Aktuelle Rechtsentwicklungen und Tendenzen – Praktische Anwendungsfälle, NWB 2012, 3637; Schanko, Zur Anwendung der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, UVR 2013, 12; Schanko, § 1 Abs. 2a GrEStG: Auswirkungen des sukzessiven Anteilseignerwechsels bei einer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft auf die Fünfjahresfrist, UVR 2017, 126, Schanko, Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer als Reaktion auf steigende Steuersätze, UVR 2016, 16; Schley, Grunderwerbsteuerreform – Die Einschränkung von Immobilien-ShareDeals nach dem Referentenentwurf des „Jahressteuergesetzes 2019“, GmbHR 2019, 645; Schley, Die ImmobilienGmbH, Steueroptimierung bei Aufbau und Übertragung von Immobilienvermögen, NWB-EV 2020, 155, 198 und 227; Strahl, Grunderwerbsteuer und ausgewählte gesellschaftsrechtliche Transaktionen, RNotZ 2021, 61; Tiede, § 1 Abs. 3a GrEStG – Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen – Geltung der Steuerbefreiungsvorschriften, StuB 2014, 888; Wälzholz, Aktuelle Fragen der Grunderwerbsteuer in der notariellen Gestaltungspraxis, MittBayNot 2017, 9; Wagner, KöMoG – Einschränkungen bei der Befreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG bei Ausübung der Körperschaftsteuer-Option nach § 1a KStG i.d.F. des KöMoG, DStZ 2021, 604. Verwaltungsanweisungen: BMF-Schreiben vom 24.12.1999 – Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BStBl. I 1999, 1076; BMF-Schreiben vom 19.3.2004 – Steuerliche Einordnung der nach dem Recht der Bundesstaaten der USA gegründeten Limited Liability Company, BStBl. I 2004, 411; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018 – Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG, BStBl. I 2018, 1334; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018 – Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG, BStBl. I 2018, 1314; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.9.2018 – Anwendung des § 1 Abs. 3a

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§ 5 Rz. 1 Übergang auf eine Gesamthand GrEStG, BStBl. I 2018, 1078; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.9.2018 – Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG, BStBl. I 2018, 1069; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29.6.2021 zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, BStBl. I 2021, 1006; OFD Niedersachsen vom 21.1.2016 – Grunderwerbsteuer; § 5 Abs. 3 GrEStG, juris.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Die §§ 5 und 6 GrEStG sehen Steuervergünstigungen für die Übertragung von Grundstücken zwischen einer Gesamthandsgemeinschaft und den an ihr beteiligten Gesamthändern (Gesellschaftern) vor. § 5 GrEStG regelt die Fälle, in denen ein Grundstück von mehreren Miteigentümern (Abs. 1) bzw. von einem Alleineigentümer (Abs. 2) auf die Gesamthand übertragen wird („Grundstücksübertragung auf eine Gesamthand“). § 6 GrEStG regelt die umgekehrte Übertragungsrichtung, bei der ein Grundstück von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer Gesamthänder (Abs. 1), in das Alleineigentum eines Gesamthänders (Abs. 2) oder auf eine andere Gesamthand (Abs. 3) übertragen wird („Grundstücksübertragung von einer Gesamthand“).

2

Bei dem grundstücksaufnehmenden Personenzusammenschluss i.S.v. § 5 GrEStG bzw. bei dem grundstücksübertragenden Personenzusammenschluss i.S.v. § 6 GrEStG muss es sich jeweils um eine Gesamthandsgemeinschaft handeln. Hiervon erfasst werden alle inländischen Gesamthandsgemeinschaften (z.B. GbR, OHG und KG). Begünstigt sind auch ausländische Gesellschaftsformen, wenn diese nach Maßgabe eines Rechtstypenvergleichs eine mit inländischen Gesamthandsgemeinschaften vergleichbare Rechtsstruktur aufweisen.1 Kapitalgesellschaften sind keine Gesamthandsgemeinschaften, so dass diese weder als erwerbender Rechtsträger i.S.v. § 5 GrEStG noch als übertragender Rechtsträger i.S.v. § 6 GrEStG in Betracht kommen können. Kapitalgesellschaften können jedoch als Gesellschafter (Gesamthänder) einer Gesamthandsgemeinschaft nach den §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sein, wenn sie ein Grundstück auf ihre Gesamthand übertragen (§ 5 GrEStG) bzw. ein Grundstück von ihrer Gesamthand erwerben (§ 6 GrEStG).

3

Soweit der das Grundstück übertragende bzw. das Grundstück erwerbende Gesamthänder an der Gesamthand beteiligt ist, wird die Grunderwerbsteuer nach § 5 bzw. § 6 GrEStG nicht erhoben. Beispiel zu § 5 GrEStG: A und B sind hälftige Miteigentümer eines Grundstücks, das sie auf eine OHG übertragen, an der sie zu jeweils 25 % beteiligt sind. Die Grunderwerbsteuer wird nach § 5 Abs. 1 GrEStG zu 50 % nicht erhoben, da A und B insoweit an der OHG beteiligt sind. Beispiel zu § 6 GrEStG: An einer OHG sind die Gesellschafter A, B und C jeweils zu gleichen Teilen beteiligt. Die OHG überträgt ein im Gesamthandsvermögen befindliches Grundstück auf den Gesellschafter A. Die Grunderwerbsteuer wird nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu einem Drittel nicht erhoben, da A insoweit an der OHG beteiligt ist.

4

Die Steuervergünstigungen nach den §§ 5, 6 GrEStG kommen nicht nur bei der Übertragung von Grundstücken zur Anwendung, sondern sind vom Grundsatz her – über den Wortlaut der Vorschriften hinaus – auf sämtliche grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 GrEStG anwendbar. Dies umfasst auch den Übergang der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG sowie die fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG. Auf den mit Wirkung zum 1.7.2021 neu eingeführten Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die Nichterhebungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG hingegen keine Anwendung finden, da diese Vor-

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411 und v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 7 § 5

schrift ausschließlich für Kapitalgesellschaften gilt.1 Dies führt zu einer deutlichen Verschlechterung gegenüber der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage. Beispiel: Rechtslage bis zum 30.6.2021: A hält sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Er überträgt sämtliche Geschäftsanteile auf eine OHG, an der A zu 50 % beteiligt ist. Durch die Übertragung sämtlicher Anteile an der grundbesitzenden GmbH auf die OHG wird ein nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht. In Höhe der Beteiligung des A (50 %) an der OHG bleibt der Erwerb nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei. Rechtslage ab dem 1.7.2021: Die Übertragung der Geschäftsanteile auf die OHG unterfällt nunmehr dem vorrangig zur Anwendung kommenden § 1 Abs. 2b GrEStG. Da hierbei die Steuerbefreiung des § 5 GrEStG nicht zur Anwendung kommen soll, kann vorliegend die Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG nicht mehr in Anspruch genommen werden. Hierdurch kommt es bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaften nach Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG zu steuerlichen Mehrbelastungen, wenn die Übertragung (Einbringung) nicht ausnahmsweise in den Anwendungsbereich der Konzernklausel nach § 6a GrEStG fällt.2 Dieses Ergebnis zeigt, dass der neu eingeführte Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nur unzureichend auf die Steuerbefreiungstatbestände abgestimmt ist.

Zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen machen die §§ 5 Abs. 1 und Abs. 3, 6 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG die Gewährung der Steuervergünstigungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Bei Eintritt bestimmter schädlicher Ereignisse können bereits gewährte Steuervergünstigungen rückwirkend entfallen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG führen der Verlust oder die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesamthänders an der grundstücksaufnehmenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: innerhalb von fünf Jahren) nach der Übertragung des Grundstücks zu einem (teilweisen) Ausschluss der nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigung. Der Wortlaut dieser Regelung ist indes sehr weit gefasst, so dass auch Fallkonstellationen erfasst werden, die unzweifelhaft keine missbräuchliche Gestaltung darstellen. Es haben sich daher eine Reihe von Fallgruppen herausgebildet, bei denen diese Vorschrift teleologisch zu reduzieren ist.

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II. Bedeutung und Telos Gesamthandsgemeinschaften sind aus grunderwerbsteuerlicher Sicht selbstständige Rechtsträger.3 Daher stellt die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften und den an ihr Beteiligten (Gesamthändern) vom Grundsatz her einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG dar. Eine entsprechende Erhebung der Grunderwerbsteuer bei solchen Grundstücksübertragungen würde jedoch unbillig sein, da nach bisherigen zivilrechtlichen Grundsätzen jeder an der Gesamthand Beteiligte bereits aufgrund seiner Stellung als Gesamthänder sachenrechtlich am Gesamthandsvermögen und damit auch am übertragenen Grundstück mitberechtigt ist („gesamthänderische Mitberechtigung“).4

6

Die Regelungen der §§ 5 und 6 GrEStG tragen diesen Umständen dadurch Rechnung, dass bei Grundstücksübertragungen von Gesamthändern auf ihre Gesamthand (§ 5 GrEStG) bzw. von einer Gesamthand auf ihre Gesamthänder (§ 6 GrEStG) trotz des erfolgten Rechtsträgerwechsels und des hierdurch bedingten steuerbaren Erwerbsvorgangs nach § 1 GrEStG, die Grunderwerbsteuer in Höhe der Quote nicht erhoben wird, in der eine Beteiligungsidentität zwischen der dinglichen Beteiligung am Grundstück und der dinglichen Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht. Wie sich die Abschaffung des Gesamthandsprinzips zum 1.1.2024 durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) auf die

7

1 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. hierzu Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1116/1117). 3 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Tz. 12 und gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1. 4 Vgl. zum Ganzen BFH v. 2.10.1974 – II R 62/68, BStBl. II 1975, 150 Tz. 7 sowie Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 2, Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 4 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 3, 4.

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§ 5 Rz. 7 Übergang auf eine Gesamthand Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG auswirkt, ist derzeit noch völlig offen (vgl. hierzu Rz. 12).

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 8

Die Vorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG finden nur Anwendung auf die Übertragung von inländischen Grundstücken. Erwerbsvorgänge in Bezug auf im Ausland belegene Grundstücke unterliegen nicht der deutschen Grunderwerbsteuer (vgl. § 1 Abs. 1 GrEStG: „inländische Grundstücke“), so dass die §§ 5, 6 GrEStG insoweit keinen Anwendungsbereich haben.

9

Auch ausländische Gesellschaften mit in Deutschland belegenem Grundbesitz können nach den §§ 5 und 6 GrEStG begünstigt sein, wenn diese eine mit inländischen Gesamthandsgemeinschaften vergleichbare Rechtsstruktur aufweisen („Rechtstypenvergleich“).1

10

Die §§ 5 und 6 GrEStG sind im Zusammenhang zu sehen: § 5 GrEStG regelt die Übertragung von Grundstücken der Gesamthänder auf ihre Gesamthand, § 6 GrEStG die umgekehrte Übertragungsrichtung, bei der ein Grundstück von der Gesamthand auf die Gesamthänder übertragen wird. Die Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG sowie die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG (Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern) stehen selbstständig nebeneinander.

11

Bei Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand können die allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG in Kombination mit § 5 GrEStG zur Anwendung kommen.2 Beispiel: M überträgt ein ihm gehörendes Grundstück auf eine OHG, an der neben ihm auch seine Frau (F) und sein Sohn (S) zu jeweils gleichen Teilen beteiligt sind. Die Grundstücksübertragung ist in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit. Soweit M an der OHG beteiligt ist, greift die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG. Soweit F und S beteiligt sind, greifen die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 4 GrEStG bzw. § 3 Nr. 6 i.V.m. § 5 Abs. 2 GrEStG.

IV. Rechtsentwicklung 12

Die Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG in der Fassung der Bekanntmachung des GrEStG vom 26.2.19973 wurden im Zeitraum zwischen der Neubekanntmachung des GrEStG zum 1.1.19974 bis Ende 2020 nicht verändert und entsprachen überdies dem Wortlaut des § 5 GrEStG 1940.5 Die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG wurde erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.19996 eingefügt und ist auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG). Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20207 wurden § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um eine Regelung ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG).

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411 und v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5. 3 BGBl. I 1997, 418, ber. BGBl. I, 1997, 1840 = BStBl. I 1997, 313. 4 Vgl. Neubekanntmachung des GrEStG v. 17.12.1982 (BGBl. I 1982, 1777) aufgrund des Art. 31 Abs. 1 des JStG 1997 v. 20.12.1996 (BGBl. I 1996, 2049). 5 Vgl. hierzu Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 6 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 1. 6 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402 = BStBl. I 1999, 304. 7 Jahressteuergesetz 2020, BGBl. I 2020, S. 3096.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12 § 5

Grunderwerbsteuerreform (Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes1): Auf Initiative der Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen sollten die sog. RETT-Blocker-Gestaltungen2 eingeschränkt werden, mit deren Hilfe der Anfall von Grunderwerbsteuer bei Share Deals im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (fast) vollständig vermieden werden kann. Ein Regierungsentwurf zur Änderung des GrEStG wurde bereits am 31.7.2019 vorgelegt.3 Dieser sah die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG), die Verminderung der in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG geregelten Beteiligungsgrenzen von 95 % auf 90 % und die Verlängerung der Fünfjahresfristen in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, § 6 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 GrEStG auf zehn bzw. fünfzehn Jahre vor.4 Es dauerte indes noch knapp zwei Jahre, bis die Reform der Grunderwerbsteuer verabschiedet wurde und mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft trat.5 Inhaltlich entspricht das verabschiedete Gesetz im Wesentlichen dem Regierungsentwurf vom 31.7.2019, ergänzt um die sog. Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG).6 Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wurde mit der Vorschrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.7 Danach können diese Gesellschaften auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Diese Fiktion gilt allerdings lediglich für Ertragsteuerzwecke. Für die Grunderwerbsteuer gilt diese Fiktion ausdrücklich nicht, so dass die optierenden Gesellschaften für Grunderwerbsteuerzwecke nach wie vor wie Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften behandelt werden und damit auch die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch nehmen können. Zur Vermeidung von (für den Gesetzgeber) missliebigen Gestaltungen wurden in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG entsprechende Regelungen aufgenommen. Diese Vorschriften sollen verhindern, dass Grundbesitz unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG auf eine Gesamthandsgemeinschaft übertragen wird, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung für Ertragsteuerzwecke nach § 1a KStG optiert. Ohne die entsprechenden Änderungen der §§ 5 und 6 GrEStG, die erst kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens aufgrund einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in das Gesetz aufgenommen wurden, hätten optierende Immobilien-Personengesellschaften von der niedrigen Gesamtsteuerbelastung einer Kapitalgesellschaft profitieren können (15,83 % Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, keine Gewerbesteuer, wenn die Gesellschaft die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG in Anspruch nehmen kann), ohne dass im Zusammenhang mit der Übertragung der Immobilien auf die Personengesellschaft Grunderwerbsteuer angefallen wäre. Dies hätte für Immobilien-Personengesellschaften deutliche Vorteile gegenüber Immobilien-Kapitalgesellschaften bedeutet, auf die Immobilien in der Regel nicht ohne Anfall von Grunderwerbsteuer übertragen werden können.8 Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind zum 1.7.2021 in Kraft getreten.9 Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021 (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG)10 wird das Recht der Personengesellschaften mit Wirkung zum 1.1.2024 umfassend reformiert.11 Das Gesetz hat insbesondere die Abschaffung des in §§ 718, 719 BGB geregelten Gesamthandsprinzips für die rechtsfähige GbR zum Gegenstand. Nach 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Vgl. hierzu Demleitner in Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, § 17 Rz. 1 ff. Vgl. RegE v. 30.7.2019, BT-Drucks. 19/13437. Vgl. hierzu Schley, GmbHR 2019, 645. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Vgl. zu den umfangreichen Anwendungsregelungen § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG. Vgl. zu den in Kraft getretenen Änderungen Behrens/Wagner, DB 2021, 866. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230. Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Rechtsform der GmbH bei Immobilieninvestitionen Schley, NWB-EV 2020, 155, 198 und 227. Vgl. Art. 12 Abs. 2 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. BGBl. I 2021, 3436. Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635; vgl. hierzu Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 und K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16.

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§ 5 Rz. 12 Übergang auf eine Gesamthand § 713 BGB in der ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung verfügt die GbR als Grundform aller Personen(-handels-)gesellschaften über ein eigenes Gesellschaftsvermögen. Das Gesamthandsprinzip bestimmte seit Einführung des BGB im Jahr 1900, dass die GbR – als Grundtypus sämtlicher Personengesellschaften – kein eigenes Gesellschaftsvermögen hat, sondern dass das Vermögen vielmehr den Gesellschaftern in ihrer „gesamthänderischen Verbundenheit“ zugeordnet wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum MoPeG sollen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips keine „Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften“ verbunden sein.1 Zu den Auswirkungen der Abschaffung des Gesamthandsprinzips auf die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG (Übergang auf eine Gesamthand/Übergang von einer Gesamthand) werden in der Gesetzesbegründung zum MoPeG keine Aussagen getroffen. Der „Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft“ vertritt insoweit die Auffassung, die §§ 5 und 6 GrEStG und die dort verwendeten Begriffe der „Gesamthand“ steuerrechtsautonom auszulegen oder die durch die zivilrechtliche Abschaffung des Gesamthandsprinzips entstandene Regelungslücke durch eine analoge Auslegung zu schließen.2 Beide Lösungsvorschläge überzeugen indes nicht. Vielmehr würden die Vorschriften §§ 5 und 6 GrEStG m.E. nach einer Abschaffung des Gesamthandsprinzips ins Leere gehen, wenn ihnen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips die zivilrechtliche Grundlage entzogen wird. Denn diese Befreiungsvorschriften beruhen auf der dinglichen Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesamthandsvermögen (vgl. hierzu Rz. 20), die es durch die Statuierung eines eigenen Gesellschaftsvermögens zukünftig nicht mehr geben wird (vgl. § 713 BGB in der ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung). Insoweit bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die §§ 5 und 6 GrEStG an die ab 2024 geltende Rechtslage angepasst werden, damit die bislang in den Anwendungsbereich der Vorschriften fallenden Personenzusammenschlüsse weiterhin begünstigt bleiben (vgl. zu den begünstigten Gesamthandsgemeinschaften Rz. 22). Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 25.6.2021 (Steuervermeidungsabwehrgesetz)3 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG Regelungen aufgenommen, wonach die Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelten sollen, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit diesen Regelungen Gestaltungen verhindert werden, nach denen einer Drittlandsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigungen nach § 5 oder 6 GrEStG gewährt werden und gleichzeitig ohne Einhaltung der Fristen nach § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.4 Die Regelungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Es erscheint zweifelhaft, dass diesen Vorschriften in der Praxis eine größere Bedeutung zukommen wird.5

B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2) I. Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand (Abs. 1) 13

Nach § 5 Abs. 1 GrEStG wird beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand die Grunderwerbsteuer insoweit nicht erhoben, als der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass alle übertragenden Miteigentümer des Grundstücks zugleich auch an der erwerbenden Gesamthand beteiligt sind. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass sämtliche Beteiligte der Gesamthand zugleich Miteigentümer des übergehenden Grundstücks sind.

1 2 3 4 5

So ausdrücklich RegE v. 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, S. 106. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 (7). BGBl. I 2021, 2056. Vgl. BT-Drucks. 19/30470 v. 9.6.2021, S. 52. Vgl. hierzu auch Wagner, DStZ 2021, 604 (609).

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 18 § 5

Der Umfang der Steuerbefreiung bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach der Deckungsgleichheit zwischen dem vom Miteigentümer übertragenen Grundstücksbruchteil und seinem Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesamthand.1 Beispiel: A, B und C sind jeweils zu 1/3 Miteigentümer eines Grundstücks. Sie verkaufen das Grundstück an eine OHG, an der A, B, X und Y zu jeweils 1/4 beteiligt sind. Die Veräußerung des Grundstücks stellt einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Die Grunderwerbsteuer wird jedoch nach § 5 Abs. 1 GrEStG zu 1/2 nicht erhoben, da A und B an der erwerbenden Gesamthand zu jeweils 1/4 beteiligt sind.

II. Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand (Abs. 2) Beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand wird nach § 5 Abs. 2 GrEStG die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Übertragende am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist.

14

§ 5 Abs. 2 GrEStG findet auch dann Anwendung, wenn der Übertragende einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück auf die Gesamthand überträgt, da es sich auch bei einem Miteigentumsanteil grunderwerbsteuerlich um ein Grundstück i.S.v. § 2 GrEStG handelt, so dass ein entsprechender Erwerbsvorgang einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 GrEStG darstellt.2 Gleiches dürfte auch für den Fall gelten, dass von mehreren Miteigentümern Miteigentumsanteile an einem Grundstück auf eine Gesamthand übertragen werden und nur ein Miteigentümer zugleich an der Gesamthand beteiligt ist. Übertragen hingegen mehrere Miteigentümer Miteigentumsanteile an einem Grundstück auf die Gesamthand und sind mehrere Miteigentümer an der Gesamthand beteiligt, ist der Anwendungsbereich von § 5 Abs. 1 GrEStG eröffnet.3

15

III. Übertragender Mit- oder Alleineigentümer im Sinne von Abs. 1 und Abs. 2 Als übertragender Mit- oder Alleineigentümer des Grundstücks im Sinne von Abs. 1 und Abs. 2 kommen im Anwendungsbereich von § 5 GrEStG nur natürliche und juristische Personen in Betracht. Handelt es sich beim übertragenden (Mit-)Eigentümer um eine Gesamthandsgemeinschaft, ist § 6 Abs. 3 GrEStG einschlägig, der die Grundstücksübertragung zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften zum Gegenstand hat. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 GrEStG ist lex specialis zu § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG.4

16

Für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach Abs. 1 und Abs. 2 ist es unerheblich, ob der übertragende (Mit-)Eigentümer bereits vor der Übertragung des Grundstücks an der Gesamthand beteiligt war oder erst infolge der Übertragung am Vermögen der Gesamthand beteiligt wird. Entscheidend ist ausschließlich, dass der Übertragende im maßgeblichen Übertragungszeitpunkt (Verwirklichung des Erwerbsvorgangs bzw. Zeitpunkt der Steuerentstehung, vgl. Rz. 32 ff., 129 ff.) am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Auch die Übertragung eines Grundstücks auf eine neu gegründete Gesamthand kann nach Abs. 1 und Abs. 2 begünstigt sein. Voraussetzungen hierfür sind, dass die Gesamthand im maßgeblichen Übertragungszeitpunkt bereits zivilrechtlich wirksam entstanden ist und der Übertragende im Zuge der Übertragung des Grundstücks am Vermögen der Gesamthand beteiligt wird.5

17

Für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen ist es grundsätzlich unerheblich, auf welchem 18 Rechtsgrund die Übertragung des Grundstücks beruht. Übertragungen kraft Rechtsgeschäft (z.B. Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 35 m.w.N. Vgl. Fuhrmann, kösdi 2014, 18768 m.w.N. Vgl. zum Ganzen Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 35 m.w.N. Vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714 sowie Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 17; a.A. Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 12. 5 Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 13.

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§ 5 Rz. 18 Übergang auf eine Gesamthand Grundstückskaufvertrag) oder kraft Gesetzes (z.B. Anwachsung) können gleichermaßen begünstigt sein. 19

Die Zusammensetzung der aufnehmenden Gesamthand ist unerheblich. An dieser können somit natürliche Personen, juristische Personen und/oder andere Gesamthandsgemeinschaften beteiligt sein. Entscheidend für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach Abs. 1 und Abs. 2 ist ausschließlich, dass der übertragende (Mit-)Eigentümer des Grundstücks eine natürliche oder juristische Person ist, die an der aufnehmenden Gesamthand beteiligt ist. Beispiel: Eine GmbH überträgt ein in ihrem Alleineigentum stehendes Grundstück an eine OHG. Am Vermögen der OHG sind zu jeweils 1/4 eine natürliche Person, eine GbR, ein eingetragener Verein und die GmbH beteiligt. Die Grunderwerbsteuer wird zu einem Viertel nach § 5 Abs. 1 GrEStG nicht erhoben. Dies entspricht dem Anteil der GmbH am Vermögen der OHG. Wer die übrigen Gesellschafter der OHG sind, ist insoweit unbeachtlich.

IV. Gesamthand/Gesamthandsgemeinschaft 1. Allgemeines 20

Im Anwendungsbereich der §§ 5 und 6 GrEStG sind Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) bzw. von einer Gesamthand (§ 6 GrEStG) begünstigt. Die Befreiungsvorschriften setzen zwingend voraus, dass es sich bei dem erwerbenden bzw. übertragenden Rechtsträger um eine Gesamthand/Gesamthandsgemeinschaft handelt. Hintergrund ist, dass Gesamthandsgemeinschaften grunderwerbsteuerrechtlich selbstständige Rechtsträger sind und Erwerbsvorgänge zwischen einer Gesamthand und den an ihr Beteiligten vom Grundsatz her der Grunderwerbsteuer unterliegen.1 Dies lässt jedoch außer Acht, dass sich bei Gesamthandsgemeinschaften – anders als bei juristischen Personen – auf der Ebene der Gesamthand keine rechtliche Verselbständigung des Gesamthandsvermögens vollzieht. Vermögen der Gesamthand stellt vielmehr sog. Gesamthandseigentum dar. Dies bedeutet, dass Inhaber des Gesamthandsvermögens die an der Gesamthand Beteiligten (= Gesamthänder) sind (vgl. z.B. § 718 Abs. 1 BGB: „Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“). Die Gesamthänder können über ihren Anteil am Gesamthandsvermögen auch nicht isoliert verfügen (gesamthänderische Bindung, § 719 BGB).2 Um dieser dinglichen Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesamthandsvermögen Rechnung zu tragen, sind Grundstücksübertragungen auf bzw. von einer Gesamthand nach §§ 5, 6 GrEStG begünstigt.

21

Für die Anwendbarkeit der §§ 5, 6 GrEStG ist es allerdings unerheblich, ob der Gesamthand nach dem GrEStG die Eigenschaft als selbstständiger Rechtsträger zuerkannt wird oder nicht. § 5 GrEStG ist daher auch auf Grundstücksübertragungen auf Gesamthandsgemeinschaften anwendbar, die grunderwerbsteuerlich nicht oder nur eingeschränkt als selbstständige Rechtsträger anzusehen sind.3 Die Finanzverwaltung scheint ohnehin davon auszugehen, dass sämtliche Gesamthandsgemeinschaften grunderwerbsteuerrechtlich selbstständige Rechtsträger sind.4 Ebenfalls unbeachtlich ist, ob die Übertragung des Grundstücks auf eine bestehende oder neu gegründete Gesamthand erfolgt. Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG sind, dass die Gesamthand im maßgeblichen Übertragungszeitpunkt bereits zivilrechtlich wirksam entstanden ist und der Übertragende im Zuge der Übertragung des Grundstücks am Vermögen der Gesamthand beteiligt wird.5 1 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Tz. 12; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1, S. 1. 2 Vgl. zum Ganzen Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 3, 4; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 2; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 4; Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 5. 3 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 3; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 4; jeweils unter Hinweis auf BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Tz. 1. 5 Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 13.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 23 § 5

2. Begünstigte Gesamthandsgemeinschaften a) Inländische Gesamthandsgemeinschaft Zu den inländischen Gesamthandsgemeinschaften gehören – die Offene Handelsgesellschaft (OHG), § 105 HGB; – die Kommanditgesellschaft (KG), § 161 HGB, auch in der Ausprägung der GmbH & Co. KG; dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine originär gewerbliche GmbH & Co. KG (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG), eine gewerblich infizierte GmbH & Co. KG (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) oder eine entprägte GmbH & Co. KG handelt. Die ertragsteuerlichen Unterscheidungen sind im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 5, 6 GrEStG unbeachtlich, da es sich bei der GmbH & Co. KG ungeachtet ihrer konkreten (ertragsteuerlichen) Ausgestaltung um eine Gesamthand im Sinne dieser Vorschriften handelt; – die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), § 705 BGB; – die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV); – die Partnerschaftsgesellschaft (PartG), § 1 PartGG; – die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB), § 8 Abs. 4 PartGG, da es sich bei dieser Gesellschaftsform – ebenso wie bei der herkömmlichen Partnerschaftsgesellschaft – um eine Personengesellschaft und nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt;1 – der nicht rechtsfähige Verein, § 54 BGB; – die „unechte“ Vorgesellschaft; – die Erbengemeinschaft, § 2032 BGB; dies gilt auch dann, wenn sich die Zusammensetzung der ursprünglichen Erbengemeinschaft durch Erbteilskauf (§§ 2033 ff. BGB) verändert hat. Der Erbteilskäufer wird zwar nicht Miterbe, jedoch Mitglied der Erbengemeinschaft und damit Gesamthänder;2 – die eheliche Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) – und die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§ 1483 BGB).

22

b) Ausländische Gemeinschaften Ausländische Gesellschaften sind begünstigt, wenn deren rechtliche Struktur den inländischen Gesamthandsgemeinschaften entspricht. Welche ausländischen Gesellschaften nach einem Rechtstypenvergleich den deutschen Gesamthandsgemeinschaften entsprechen, lässt sich den Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens vom 24.12.19993 entnehmen.4 In der nachfolgenden Übersicht sind ausgewählte ausländische Gesellschaftsformen dargestellt, die den deutschen Gesamthandsgemeinschaften vergleichbar und somit nach den §§ 5, 6 GrEStG begünstigungsfähig sind: Staat Abkürzung Rechtsform vergleichbar mit Belgien SNC Société en nom collectif OHG Société en commandite simple oder Kommanditaire Vennootschap KG Frankreich SNC Société en nom collectif OHG SCS Société en commandite simple KG SC Société civile GbR SCP Société civile professionelle PartG Großbritannien General Partnership OHG Limited Partnership KG Italien S.a. Societa a accomandita KG Luxemburg Societe en commandite KG 1 2 3 4

Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 7. Vgl. Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 1 und Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 4. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2 sowie BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411.

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§ 5 Rz. 23 Übergang auf eine Gesamthand Staat Niederlande Polen

Abkürzung VoF CV S.K. S.c.

Schweiz

KMG KLG

Spanien

SrC SC GP LP

USA

Rechtsform Vennootschap onder Firma Commanditaire Vennootschap Spólka handlowa jawna Spólka komandytowa Spólka prawa cywilnego (Spolka cywilna) Kommanditgesellschaft Kollektivgesellschaft (Kaufmännische Gesellschaft) Einfache Gesellschaft Sociedad Regular Colectiva Compania Sociedad en Comandita General Partnership Limited Partnership Unincorporated Joint Venture

vergleichbar mit OHG KG OHG KG GbR KG OHG GbR OHG KG OHG KG GbR

c) Nicht begünstigte Gemeinschaften/Gesellschaften 24

Keine Gesamthandsgemeinschaften und damit nicht nach §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sind Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA, eG, SE, UG), der eingetragene Verein, die Stiftung, die Genossenschaft, der VVaG und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die „echte“ Vorgesellschaft ist ebenfalls Kapitalgesellschaft und damit keine Gesamthand.1

25

Bei den Kapitalgesellschaften und sonstigen juristischen Personen handelt es sich um eigene Rechtssubjekte mit eigenem Vermögen. Die „Gesellschafter“ sind allenfalls an der Kapitalgesellschaft, nicht jedoch (unmittelbar) an ihrem Vermögen beteiligt. Eine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Vermögen der Kapitalgesellschaft bzw. sonstigen juristischen Person, die der gesamthänderischen Mitberechtigung vergleichbar ist, besteht bei diesen Rechtssubjekten nicht. Es ist somit im Hinblick auf Art. 3 GG nicht zu beanstanden, dass Kapitalgesellschaften und sonstige juristische Personen nicht in gleichem Maße nach §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sind wie Gesamthandsgemeinschaften.2

26

Die KGaA (§ 278 HGB) ist ebenfalls keine Gesamthand i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG. Es handelt sich vielmehr um eine Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Vermögen keiner gesamthänderischen Bindung unterliegt.3

27

Die stille Gesellschaft (§ 230 HGB) ist zwar Personengesellschaft, jedoch handelt es sich bei ihr um eine reine Innengesellschaft. Als solche hält sie kein Gesellschaftsvermögen, so dass Grundstücksübertragungen von bzw. auf eine stille Gesellschaft nicht in Betracht kommen. Überträgt der stille Gesellschafter als Vermögenseinlage ein Grundstück, geht diese Einlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts über; eine vermögensmäßige Beteiligung an einer Gesamthand wird durch diese Einlage nicht begründet. Gleiches gilt für eine atypische stille Gesellschaft, bei der der Stille ertragsteuerlich als Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist4, sowie für Unterbeteiligungen.5

28

Die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741, § 1008 BGB) hat kein gesamthänderisches Vermögen, sondern ein gemeinschaftliches Vermögen zu Bruchteilen und ist deshalb keine Gesamthand i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG. Miteigentum nach Bruchteilen liegt vor, wenn jeder Berechtigte über seinen Bruchteil verfügen kann, während eine Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen nur durch die Berechtigten gemeinschaftlich erfolgen kann.6 Im Gegensatz dazu können die an einer Gesamthand Beteiligten über ihren Anteil am Gesamthandsvermögen gerade nicht verfügen (vgl. z.B. § 719 BGB).

1 2 3 4 5 6

Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 6. Vgl. zum Ganzen Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 9, 18 ff. Vgl. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 2; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 7. Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 16; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 11. Vgl. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 2. Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 5.

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Rz. 31 § 5

B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Auch ein inländischer Investmentfonds ist nicht als Gesamthand anzusehen.1 Nach § 1 KAGB ist In- 29 vestmentvermögen jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren. Das mit dem Kapital der Anleger erworbene Vermögen stellt ein Sondervermögen dar. An diesem sind die einzelnen Anleger jedoch nicht unmittelbar dinglich mitberechtigt, so dass die Anwendbarkeit der §§ 5, 6 GrEStG auf Investmentfonds ausscheidet. Darüber hinaus sind Investmentvermögen in der Rechtsform der Personengesellschaft (z.B. Investment-KG) von der Investmentbesteuerung nach dem InvStG ausgenommen.2 Hieran dürfte sich auch durch die zum 1.1.2018 in Kraft getretene Neuregelung des InvStG durch das Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG) vom 19.7.2016 nichts ändern, bei der ein neues Besteuerungsregime der transparenten Besteuerung für Spezialfonds ermöglicht wird. Diese transparente Besteuerung in ertragsteuerlicher Hinsicht dürfte jedoch nicht dazu führen, dass die Anleger hierdurch nunmehr auch dinglich am Sondervermögen beteiligt sind.3 Auch nach den Neuregelungen werden Investmentvermögen in der Rechtsform der Personengesellschaft von der Investmentbesteuerung nach dem InvStG nicht erfasst.4 3. Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) Die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG beruhen auf dem in §§ 718, 719 BGB verankerten Gesamthandsprinzip und der daraus abgeleiteten dinglichen Berechtigung der Gesellschafter an den Grundstücken der Gesamthand. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.20215 wird das Gesamthandsprinzip mit Wirkung zum 1.1.2024 abgeschafft, indem die GbR – als Grundform sämtlicher Personen(-handels-)gesellschaften – zukünftig über ein eigenes Gesellschaftsvermögen verfügen wird (vgl. § 713 BGB n.F.). Ausweislich der Gesetzesbegründung zum MoPeG sollen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips keine (ertragsteuerlichen) Auswirkungen verbunden sein.6 In Bezug auf die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG für „Gesamthandsgemeinschaften“ dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass diese ohne Anpassungen des Gesetzgebers nicht weiter Bestand haben können, wenn diesen Regelungen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips die zivilrechtliche Grundlage entzogen wird. Die weiteren Entwicklungen für die ab dem 1.1.2024 geltende Rechtslage bleiben abzuwarten (vgl. hierzu auch Rz. 12).

29.1

V. Übergang von Grundstücken und begünstigte Übertragungsvorgänge 1. Grundstücksbegriff § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG setzen den Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand voraus. Hierbei gilt der Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG. Erfasst werden danach Grundstücke im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Hierzu gehören auch ideelle (unabgeteilte) Miteigentumsanteile an einem Grundstück. Darüber hinaus zählen zu den Grundstücken im grunderwerbsteuerlichen Sinne auch Erbbaurechte und Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 2 Abs. 3 GrEStG). Gleiches gilt für Teilflächen von Grundstücken (§ 2 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Vgl. zum Ganzen § 2 Rz. 6 ff.

30

Nicht zu den inländischen Grundstücken gehören Maschinen und Betriebsvorrichtungen, und zwar auch dann, wenn es sich zivilrechtlich um wesentliche Bestandteile des Grundstücks nach § 94 BGB handelt. Gleiches gilt für Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen sowie das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins (vgl. § 2 Abs. 1 GrEStG).

31

1 2 3 4 5 6

Vgl. Sanna in Griesar/Jochum, eKomm, § 5 GrEStG Rz. 9. Vgl. Böcker, NWB 2016, 2789. Vgl. zu den Neuregelungen des InvStG Böcker, NWB 2016, 2789 und Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953. Vgl. Böcker, NWB 2016, 2789. BGBl. I 2021, 3446. Vgl. RegE v. 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, S. 106.

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§ 5 Rz. 31 Übergang auf eine Gesamthand Hinweis: Es empfiehlt sich bei Grundstückskaufverträgen stets, den Gesamtkaufpreis für das Objekt aufzuteilen insbesondere in Grund und Boden, Gebäude und sonstige mitverkaufte Bestandteile bzw. Sachen. Bestandteile bzw. Sachen, die nicht den Grundstücksbegriff nach § 2 GrEStG erfüllen, unterliegen von vornherein nicht der Grunderwerbsteuer. Darüber hinaus können für diese in der Regel auch wesentlich höhere AfA-Sätze in Anspruch genommen werden. Die im notariellen Grundstückskaufvertrag vorgenommene Kaufpreisaufteilung ist von der Finanzverwaltung zu akzeptieren, wenn keine nennenswerten Bedenken gegen die wirtschaftliche Haltbarkeit der Aufteilung vorliegen. Solche Bedenken liegen vor, wenn die Kaufpreisaufteilung in erheblicher Weise von den jeweiligen Verkehrswerten abweicht.1

2. Übergang 32

Ein Übergang eines Grundstücks auf die Gesamthand liegt vor, wenn das Grundstück dieser grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies ist nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 GrEStG i.V.m. § 1 GrEStG der Fall.2 Nach anderer Auffassung kommt es auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung i.S.v. § 38 AO an.3 Die Bestimmung des „Übergangszeitpunkts“ ist insbesondere relevant für die Berechnung der Fristen nach § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG. Für die Berechnung dieser Fristen sind die §§ 186 ff. BGB entsprechend anzuwenden.4

33

Was ein „Erwerbsvorgang“ ist, ist durch die Überschrift des § 1 GrEStG festgelegt: Erwerbsvorgänge sind diejenigen Rechtsvorgänge, welche gemäß den Besteuerungstatbeständen des § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen.5 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind.6 Auf den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück kommt es insoweit nicht an.

34

In der Regel dürfte der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs dem Zeitpunkt der Steuerentstehung entsprechen.7 Ausnahmen gelten jedoch insbesondere dann, wenn ein Grundstückskaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung steht oder von einer Genehmigung abhängig ist (vgl. § 14 GrEStG). In diesen Fällen ist der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits mit Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages verwirklicht, während der Zeitpunkt der Steuerentstehung vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung abhängig ist.

35

Die §§ 5, 6 GrEStG sind grundsätzlich auf sämtliche Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 GrEStG anwendbar und damit auch auf die fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG (vgl. hierzu nachfolgend unter Rz. 37). Bei diesen wird der (wirtschaftliche) Übergang von mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %) der Gesellschaftsanteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft mit dem Übergang eines Grundstücks gleichgestellt und daher der Grunderwerbsteuer unterworfen (vgl. hierzu § 1 Rz. 299 ff.). Auf den mit Wirkung zum 1.7.2021 neu eingeführten Ergänzungstatbestand des § 1

1 Vgl. hierzu BFH v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397 = FR 2016, 228 mit Anm. Bode sowie Rödding, BB 2017, 1052 (1058). Vgl. zur alten Berechnungshilfe des BMF zur Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden sowie Gebäude BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, FR 2021, 115 und Jacoby/Geiling, DStR 2021, 705. Am 21.4.2021 hat das BMF eine neue Arbeitshilfe zur Verfügung gestellt, die den Kritikpunkten der vorgenannten BFH-Entscheidung Rechnung tragen soll. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6, ebenso Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 92 und Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 23. 3 Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 24; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 92 und Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 16e; wohl ebenso BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; vgl. zum Ganzen auch Rz. 129 ff. 4 Vgl. BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96. 5 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 22. 6 Vgl. BFH v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. 7 Vgl. auch Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 9.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 36 § 5

Abs. 2b GrEStG sollen die §§ 5 und 6 GrEStG hingegen keine Anwendung finden.1 Dies führt zu einer deutlichen Verschlechterung gegenüber der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage (vgl. hierzu Rz. 4). Hinweis: Die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft ist insbesondere auch für die Frage der Anwendbarkeit der § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG von Bedeutung. Voraussetzung für die Realisierung dieser Erwerbstatbestände ist, dass „zum Vermögen“ der betreffenden Personen- oder Kapitalgesellschaften ein inländisches Grundstück „gehört“. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine solche Zurechnung erst im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld gegeben. Der BFH führt hierzu in der Entscheidung vom 11.12.2014 unter den Textziffern 18 und 19 wie folgt aus:2 „Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück „gehört“ der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (…). Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war (…). Für die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung genügt es dabei nicht, wenn lediglich ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 GrEStG verwirklicht wurde (…). Vielmehr muss einer der in § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG geregelten Tatbestände i.S.d. § 38 AO verwirklicht worden sein. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Solange die Grunderwerbsteuer noch nicht entstanden ist, ist die Annahme, das gekaufte Grundstück gehöre bereits i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen des Erwerbers, nicht gerechtfertigt.“

In Hinblick auf die Erfüllung der fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG sind folglich folgende Fallgestaltungen zu unterscheiden: Beispiel: Mit notariellem Anteilskaufvertrag vom 17.5.2017 verkauft und überträgt A 100 % der Geschäftsanteile an einer GmbH an eine OHG, an der er zu 50 % beteiligt ist. Die GmbH hatte am 10.5.2017 mit notariellem Grundstückskaufvertrag ein Grundstück erworben. Der Eigentumswechsel ist noch nicht im Grundbuch eingetragen. Sonstige Grundstücke hält die GmbH nicht. Es könnte der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht sein, der nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe der Beteiligung des A am Vermögen der OHG (50 %) steuerbefreit sein könnte. Dies setzt jedoch voraus, dass zum Vermögen der GmbH im Zeitpunkt des Anteilskaufvertrags ein inländisches Grundstück gehört (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Zivilrechtlich war die GmbH im Zeitpunkt des Abschlusses des Anteilskaufvertrags (noch) nicht Eigentümerin des Grundstücks. Hierauf kommt es jedoch bei der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung nicht an. Vielmehr ist entscheidend, dass am 10.5.2017 ein entsprechender Grundstückskaufvertrag geschlossen wurde. Für diesen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang entsteht die Steuer bereits mit Abschluss des Vertrages. Das Grundstück ist der GmbH damit zum Zeitpunkt des Anteilskaufvertrags und der Übertragung der Geschäftsanteile am 17.5.2017 bereits zuzurechnen, so dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorliegt.3 In Höhe von 50 % ist dieser Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei. Hinweis: Nach Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG zum 1.7.2021 würde in diesem Beispiel nicht § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG zur Anwendung kommen, sondern der vorrangige § 1 Abs. 2b GrEStG mit der Folge, dass die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG nicht in Anspruch genommen werden könnte. Abwandlung: Fall wie zuvor, allerdings mit dem Unterschied, dass die GmbH mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 10.5.2017 ihr einziges Grundstück an einen fremden Dritten veräußert hat. Zum Zeitpunkt des notariellen Anteilskaufvertrags 17.5.2017 war die GmbH noch als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nicht erfüllt, da der GmbH das Grundstück am 17.5.2017 nicht mehr zuzurechnen war. Das Grundstück wurde bereits am 10.5.2017 durch einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren und steuerpflichtigen Vorgang veräußert, so dass ihr das Grundstück ab diesem Zeitpunkt im

1 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Tz. 18, 19 = ZfIR 2015, 266 mit Anm. Schley. 3 Vgl. hierzu Schley, ZfIR 2015, 269.

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§ 5 Rz. 36 Übergang auf eine Gesamthand grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne nicht mehr zuzurechnen ist, auch wenn sie zivilrechtlich noch Eigentümerin des Grundstücks war.

3. Begünstigte Übertragungsvorgänge a) Allgemeines 37

In den Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG können grundsätzlich alle in § 1 GrEStG genannten Erwerbsvorgänge fallen. Hierbei ist es unerheblich, ob das Grundstück kraft Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes auf die Gesamthand übergeht. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG finden neben dem klassischen Grundstückskauf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch Anwendung, wenn die Verwertungsbefugnis an einem inländischen Grundstück auf die Gesamthand übergeht, § 1 Abs. 2 GrEStG. Ebenso können auch die fiktiven Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG von § 5 GrEStG erfasst sein. Bei diesen wird der (wirtschaftliche) Übergang von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Gesellschaftsanteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft mit dem Übergang eines Grundstücks gleichgestellt und daher der Grunderwerbsteuer unterworfen. Auf den mit Wirkung zum 1.7.2021 neu eingeführten Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die §§ 5 und 6 GrEStG hingegen keine Anwendung finden.1 Insoweit gelten jedoch gewisse Einschränkungen, die nachfolgend näher erläutert werden sollen: b) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG

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Übertragungen von Anteilen an Personengesellschaften, die einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen, werden von § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst. Hintergrund ist, dass § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang eines Grundstücks von der bisherigen Personengesellschaft auf eine neue Personengesellschaft mit geändertem Gesellschafterbestand fingiert. Dementsprechend handelt es sich um den (fiktiven) Übergang eines Grundstücks von einer Personengesellschaft (alt) auf eine andere Personengesellschaft (neu), die vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst wird, der die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften zum Gegenstand hat.2 Beispiel: An einer im Jahr 2010 gegründeten grundbesitzenden OHG sind A mit 94 %, B und C jeweils mit 3 % beteiligt. A hat seine Beteiligung Anfang 2013 durch Rechtsgeschäft erworben, B und C sind jeweils seit der Gründung an der OHG beteiligt. Im Jahr 2017 veräußert B seine 3 %ige Beteiligung an den A. Durch die Übertragung wird der Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ausgelöst, da A kein Altgesellschafter im Sinne dieser Vorschrift ist, da er noch nicht seit fünf Jahren an dieser beteiligt ist und er über 97 % der Anteile verfügt. Der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgang ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 GrEStG in Höhe von 94 % begünstigt. Allerdings greift der Begünstigungsausschluss nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG, da A den Anteil an der OHG vor weniger als fünf Jahren durch Rechtsgeschäft erworben hat. Der Erwerb unterliegt in voller Höhe der Grunderwerbsteuer. Es wäre wesentlich vorteilhafter gewesen, die Anteile erst im Jahr 2018 zu erwerben, wenn A kein Neugesellschafter mehr gewesen wäre. Vgl. hierzu das Beispiel unter Rz. 42.

c) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG 38.1

Auch im Anwendungsbereich des zum 1.7.2021 neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG wird – ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG – bei einem Gesellschafterwechsel von mindestens 90 % innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren fingiert, dass der Übergang eines Grundstücks von der bisherigen Kapitalgesellschaft auf eine neue Kapitalgesellschaft stattgefunden hat. Da die Vorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG jedoch ausschließlich auf Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften zur Anwendung

1 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 5, 7 und Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 12.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 40 § 5

kommt, sollen die für Gesamthandsgemeinschaften geltenden §§ 5 und 6 GrEStG auf den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG keine Anwendung finden.1 Dies führt bei der Einbringung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, an der der übertragende Gesellschafter beteiligt ist (Anwendungsbereich des § 5 GrEStG), zu einer deutlichen Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Gleiches gilt für die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft, deren Anteile von einer Personengesellschaft gehalten werden, auf einen Gesellschafter der Personengesellschaft (Anwendungsbereich des § 6 GrEStG). Denn wenn bislang durch diese Übertragungsvorgänge der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG auf der Ebene der aufnehmenden Personengesellschaft (§ 5 GrEStG) bzw. des aufnehmenden Gesellschafters (§ 6 GrEStG) ausgelöst wurde, konnte die aufnehmende Personengesellschaft die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG bzw. der aufnehmende Gesellschafter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch nehmen (vgl. Rz. 4 mit einem entsprechenden Beispiel sowie § 6 Rz. 4). Ab dem 1.7.2021 führen solche Übertragungen von Anteilen an grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaften jedoch zur Verwirklichung des vorrangig anwendbaren § 1 Abs. 2b GrEStG, so dass Steuerbefreiungen nach den §§ 5 und 6 GrEStG für den fingierten Erwerb des Grundstücks durch eine „neue“ Kapitalgesellschaft in geänderter Zusammensetzung nicht mehr zur Anwendung kommen können.2 Wird durch die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft hingegen der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG ausgelöst (erstmalige Anteilsvereinigung in einer Hand), führt der neue § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu einer Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Denn bei der erstmaligen Anteilsvereinigung konnten auch nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage keine Steuervergünstigungen nach den §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch genommen werden (vgl. hierzu Rz. 40). d) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG aa) Allgemeines Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG unterscheidet zwischen der erstmaligen Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzhaltenden Personen- oder Kapitalgesellschaft in der Hand eines Erwerbers (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) und der Übertragung bereits vereinigter Anteile im Umfang von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) auf einen (anderen) Erwerber (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG). Diese Unterscheidung ist von wesentlicher Bedeutung für die Anwendbarkeit der §§ 5, 6 GrEStG.

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bb) Erstmalige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG Im Falle der erstmaligen Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) der Anteile an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft wird nicht ein Grundstückserwerb von den einbringenden Gesellschaftern fingiert, sondern vielmehr ein Erwerb von der grundbesitzenden Gesellschaft selbst.3 Mit dem Erwerb von 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.4 Handelt es sich bei der grundstückshaltenden Gesellschaft um eine Personengesellschaft ist die Steuerbefreiung des § 6 GrEStG einschlägig. Die Anwendung des § 5 GrEStG scheidet von vornherein aus, da die Grundstücksübertragung von einer Personengesellschaft (Gesamthand) in den Anwendungsbereich von § 6 GrEStG fällt. Vereinigen sich die Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft (Gesamthand) in der Hand eines Gesellschafters der Personengesellschaft (Gesamthänder), 1 Vgl. RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1116/1117). 3 Vgl. BFH v. 22.2.2017 – II R 52/14, DStR 2017, 875 und BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544; Mies/ Greiser, DStR 2008, 1319. 4 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544 und BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, GmbHR 2003, 487.

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§ 5 Rz. 40 Übergang auf eine Gesamthand ist § 6 Abs. 2 GrEStG einschlägig, vereinigen sich die Anteile in der Hand einer anderen Personengesellschaft (Gesamthand), ist § 6 Abs. 3 GrEStG einschlägig, der die Grundstücksübertragung zwischen Gesamthandsgemeinschaften zum Gegenstand hat und insoweit lex specialis (vgl. hierzu Rz. 16)1 gegenüber § 5 GrEStG ist.2 Handelt es sich bei der grundstückshaltenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile sich in der Hand der erwerbenden Gesamthand erstmals vereinigen, scheidet die Anwendung von § 5 GrEStG nach ständiger Rechtsprechung des BFH und der h.M. in der Literatur aus.3 Begründet wird dies damit, dass bei einer erstmaligen Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft zuvor kein Gesellschafter eine entsprechende Sachherrschaft über diese Gesellschaft ausgeübt hat. Eine entsprechende Herrschaftsmacht soll nach der Rechtsprechung des BFH vielmehr erst bei einer Anteilsvereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorliegen. Der Erwerb einzelner Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft könne nicht mit dem Erwerb von Miteigentumsanteilen an Grundstücken der Kapitalgesellschaft gleichgestellt werden.4 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da sie in hinreichendem Maße die eigene Rechtspersönlichkeit von Kapitalgesellschaften berücksichtigt. Bei einer Kapitalgesellschaft ist eben diese selbst Eigentümerin der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke und nicht – wie bei Gesamthandsgemeinschaften – die Gesamthänder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Aus diesem Grund ist es auch folgerichtig, erst bei einer Inhaberschaft von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft eine Sachherrschaft anzunehmen und nur die Übertragung einer entsprechenden Beteiligung mit der Übertragung eines Grundstücks gleichzusetzen, welche dann in den Anwendungsbereich von § 5 GrEStG fallen kann. Mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG, vgl. hierzu Rz. 12) zum 1.1.2024 fällt die vorstehende Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Personenund Kapitalgesellschaften im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG indes weg. Insoweit wäre es angezeigt – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Verwerfungen, die die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Einbringung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft zur Folge hat (vgl. hierzu Rz. 4 und Rz. 38.1) –, die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG auch für Kapitalgesellschaften zu öffnen. Beispiel: A und B sind die alleinigen Gesellschafter einer grundbesitzenden GmbH, an der sie jeweils 50 % der Geschäftsanteile halten. A und B übertragen sämtliche Anteile an der GmbH auf eine OHG, deren alleinige Gesellschafter sie sind. Rechtslage bis 30.6.2021: Die Anteilsvereinigung auf der Ebene der OHG ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG steuerbar. § 5 GrEStG findet keine Anwendung, da der Erwerb einzelner Anteile einer grundbesitzenden GmbH nicht mit dem Erwerb von Miteigentumsanteilen am Grundstück der GmbH gleichgestellt ist. Rechtslage ab 1.7.2021: Nach der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage ist im vorstehenden Beispiel der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG einschlägig, der dem § 1 Abs. 3 GrEStG vorgeht. Auch bei Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG kommt eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG nicht in Betracht. Im Anwendungsbereich der Anteilsvereinigung in einer Hand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG hat sich die Rechtslage durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG somit nicht verschlechtert.

1 Vgl. auch BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 53. 2 Vgl. zur Anwendbarkeit von § 6 GrEStG auf die Anteilvereinigung in einer Hand § 6 Rz. 25 ff. sowie gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Tz. 3. 3 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544 und v. 22.2.2017 – II R 52/14, DStR 2017, 875 jeweils m.w.N., Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 39; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 13; Sanna in Griesar/Jochum, eKomm, § 5 GrEStG Rz. 13 ff.; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 22; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 57. 4 Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544 und v. 22.2.2017 – II R 52/14, BStBl II 2017, 653.

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Rz. 42 § 5

B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

cc) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG Werden bereits vereinigte Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG auf eine Gesamthand über- 41 tragen, ist § 5 Abs. 2 GrEStG anwendbar. Dies gilt vom Grundsatz für die Übertragung von Personenund Kapitalgesellschaftsanteilen gleichermaßen. Bei der Übertragung von Anteilen an einer Personengesellschaft ist jedoch der Anwendungsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu beachten (§ 1 Abs. 3 GrEStG: „…soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt…“, vgl. hierzu Rz. 38 und 42). Überträgt eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine Gesamthand, ist § 5 GrEStG einschlägig, wenn der übertragende an der Gesamthand beteiligt ist. Handelt es sich beim Übertragenden hingegen um eine Personengesellschaft, ist § 6 GrEStG einschlägig (vgl. § 6 Rz. 25 ff.). Aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht handelt es sich bei der Übertragung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der (bereits zuvor vereinigten) Anteile an einer Personengesellschaft um einen Wechsel ihrer Gesellschafter. Bei einem entsprechenden Gesellschafterwechsel wird der Erwerb durch eine „neue“ Personengesellschaft mit geändertem Gesellschafterbestand fingiert. Auf diesen Vorgang kommt § 6 GrEStG zur Anwendung. Die § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG besteuern nicht den Erwerb der Anteile als solchen, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke sowie eine damit verbundene Sachherrschaft und stellen den Übergang von 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einem Grundstücksübergang gleich. Diesen Steuertatbeständen liegt ein (fingierter) Grundstückserwerb vom Veräußerer „aller“ (= mind. 90/95 %) Anteile zugrunde. Diese grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion rechtfertigt es, die Veräußerung „aller“ (bereits vereinigten) Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft wie eine Veräußerung des Grundstücks selbst zu behandeln und damit bei einer Übertragung „aller“ Anteile auf eine Gesamthand die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG zu gewähren.1 Gehen also mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine Gesamthand über, ist der nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG steuerbare Erwerb der Gesamthand nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu dem Anteil steuerfrei, zu dem der übertragende Gesellschafter an der Gesamthand beteiligt ist.2 Dem übertragenden Gesellschafter ist das Grundstück grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, da dieser mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft hält, so dass er über eine entsprechende Sachherrschaft über das Grundstück verfügt. Beispiel: A hält sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Er überträgt sämtliche Geschäftsanteile auf eine OHG, an der A zu 50 % beteiligt ist. Rechtslage bis zum 30.6.2021: Die Anteilsvereinigung auf der Ebene der OHG ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG steuerbar. In Höhe der Beteiligung des A (50 %) bleibt der Erwerb nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei. Rechtslage ab 1.7.2021: Nach der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage ist im vorstehenden Beispiel der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG einschlägig, der dem § 1 Abs. 3 GrEStG vorgeht. Bei Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG kommt eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG nicht in Betracht, so dass sich in den Fällen der Übertragung bereits zu 95 % bzw. 90 % vereinigter Anteile die Rechtslage durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG verschlechtert hat.

e) Abgrenzung § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG Würde es sich im vorgenannten Beispiel bei der grundbesitzenden Gesellschaft um eine Personengesellschaft handeln – z.B. eine GmbH & Co. KG, bei der die Komplementär-GmbH am Vermögen der KG nicht beteiligt ist –, wäre nicht § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG, sondern vielmehr § 1 Abs. 2a GrEStG einschlägig. Denn aus Sicht der KG gehen 100 % der Kommanditanteile auf die OHG als neuen Gesellschafter über. Auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG findet jedoch nicht § 5 GrEStG, sondern vielmehr ausschließlich § 6 GrEStG Anwendung (vgl. Rz. 38). 1 So BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544 Tz. 21. 2 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 15.

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42

§ 5 Rz. 42 Übergang auf eine Gesamthand Hinweis: Im Regelungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG war bislang zu beachten, dass sich nach bisherigem Verständnis der Personengesellschaftsanteil einer Quotelung entzog, da jeder Anteil an einer Personengesellschaft – unabhängig vom Umfang der Beteiligung – aufgrund der sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen gleichwertig war („Pro-Kopf-Betrachtung“). In der Entscheidung vom 27.5.2020 hat der BFH die Pro-Kopf-Betrachtung bei einer mittelbaren Beteiligung aufgegeben.1 In dieser Entscheidung stellt der BFH dann über den konkreten Urteilsfall hinaus und entgegen der Entscheidung vom 12.3.20142 in einem obiter dictum fest, es spreche viel dafür, dass auch für die unmittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgeblich ist. Es ist folglich damit zu rechnen, dass die Pro-Kopf-Betrachtung im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG bei nächster Gelegenheit durch den BFH auch bei unmittelbaren Beteiligungen an einer Personengesellschaft verworfen wird. Insoweit führt Kugelmüller-Pugh (Richterin im für die Grunderwerbsteuer zuständigen II. Senat) wie folgt aus:3 „Es ist zu erwarten, dass der BFH auch für die Beurteilung einer Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf unmittelbarer Ebene bei einer Personengesellschaft von der prozentualen Höhe des Anteils am Vermögen der Personengesellschaft – und nicht mehr von der auf unmittelbarer Ebene zivilrechtlich einschlägigen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen – ausgehen wird.“ Beispiel: An einer im Jahr 2010 gegründeten grundbesitzenden OHG sind A mit 94 %, B und C jeweils mit 3 % beteiligt. A hat seine Beteiligung Anfang 2013 durch Rechtsgeschäft erworben, B und C sind jeweils seit der Gründung an der OHG beteiligt. Ende 2018 veräußert B seine 3 %ige Beteiligung an den A. Durch die Übertragung wird nicht der Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ausgelöst, da A seit mehr fünf Jahren an der OHG beteiligt ist und damit (begünstigter) Altgesellschafter ist. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde in Anwendung der Pro-Kopf-Betrachtung aufgrund der gesamthänderischen Mitberechtigung von C ebenfalls nicht verwirklicht werden. A hat jedoch eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von 97 % an der OHG inne, so dass der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2018 verwirklicht wird. Die auf diesen Erwerbsvorgang entfallende Steuer wird jedoch in Höhe von 94 % nach § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 GrEStG nicht erhoben. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG steht dem nicht entgegen, da A diese Beteiligung vor mehr als fünf Jahren erworben hat. Nach Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung auch auf unmittelbarer Beteiligungsebene wäre hingegen bereits der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Ein Rückgriff auf die subsidiäre Vorschrift des § 1 Abs. 3a GrEStG würde nicht mehr in Betracht kommen.

f) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG 43

Auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG (Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung) finden die §§ 5, 6 GrEStG grundsätzlich Anwendung.4 Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG, da der Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG einen Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG fingiert. Wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG bezogen auf eine grundbesitzende Kapitalgesellschaft verwirklicht, ist der Erwerb der wirtschaftlichen Beteiligung an dieser mangels dinglicher Berechtigung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen der Kapitalgesellschaft nicht nach § 5 GrEStG begünstigt.5 Wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG bezogen auf eine grundbesitzende Personengesellschaft verwirklicht, sind § 6 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG anwendbar (vgl. hierzu vorstehendes Beispiel unter Rz. 42).6

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; vgl. hierzu auch Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356. DStR 2020, 2675. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 5, 7; Illing, DStZ 2013, 504 (512); Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 16. 5 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 15. 6 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 17 sowie gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.3.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 47 § 5

g) Kein Durchgriff durch Kapitalgesellschaften Die Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG greift nicht, wenn eine Kapitalgesellschaft ein Grundstück auf eine Personengesellschaft überträgt, an der ihr Alleingesellschafter beteiligt ist.1

44

Beispiel: A hält sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Die GmbH überträgt ein ihr gehörendes Grundstück auf eine OHG, an der A zu 50 % beteiligt ist. Es liegt ein nach § 1 GrEStG steuerbarer Erwerb vor. § 5 GrEStG findet keine Anwendung, da das Grundstück nicht A, sondern vielmehr ausschließlich der GmbH zugerechnet wird. A ist als Gesellschafter nicht unmittelbar dinglich am Gesellschaftsvermögen der GmbH beteiligt.

h) Umwandlungsvorgänge aa) Formwechsel Bei Umwandlungsvorgängen gilt in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG Folgendes:

45

Bei einem Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) stellt sich die Frage der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 46 oder 2 GrEStG von vornherein nicht, da durch einen Formwechsel lediglich das „Rechtskleid“ der betreffenden Gesellschaft geändert wird. Die Identität der Gesellschaft bleibt erhalten, ein anderer Rechtsträger ist an diesem Vorgang nicht beteiligt. Ein Formwechsel kann daher keinen Übergang eines Grundstücks auslösen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen homogenen Formwechsel (z.B. GmbH in AG) oder einen heterogenen Formwechsel (z.B. OHG in GmbH) handelt (vgl. hierzu Rz. 104). Insoweit folgt die Grunderwerbsteuer dem Zivilrecht. Anders wird der Formwechsel hingegen bei der Ertragsteuer behandelt, bei der ein Formwechsel im Anwendungsbereich des §§ 25, 20 ff. UmwStG eine übertragende Umwandlung darstellt. Bedeutung hat der Formwechsel jedoch im Anwendungsbereich von § 5 Abs. 3 GrEStG bei der Frage, ob ein Formwechsel der erwerbenden Gesamthand oder des grundstücksübertragenden Gesamthänders eine nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommene Vergünstigung entfallen lässt (vgl. hierzu Rz. 102 ff.). bb) Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft Die Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG) einer grundbesitzenden Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft stellt einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang dar. Die Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger auf eine Personenhandelsgesellschaft (Gesamthand) als übernehmenden Rechtsträger ist nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG begünstigt, weil es an einer dinglichen Beteiligung der übertragenden Kapitalgesellschaft am Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft fehlt, die über den Erwerbszeitpunkt (Verschmelzung) hinausgeht. Die Kapitalgesellschaft erlischt vielmehr mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der aufnehmenden Personengesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG).2 Hinweis: Die Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft stellt einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dar, für den in der Regel keine Steuervergünstigung nach §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch genommen werden kann. Allenfalls kommt unter den engen Voraussetzungen des § 6a GrEStG eine Vergünstigung in Betracht. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich unter grunderwerbsteuerrechtlichen Gesichtspunkten die Verschmelzungsrichtung dergestalt zu bestimmen, dass die grundbesitzende Gesellschaft aufnehmender Rechtsträger ist, auf den eine andere Gesellschaft verschmolzen wird. Hat der übertragende Rechtsträger keinen Grundbesitz, wird durch die Verschmelzung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst.

1 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 16. 2 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 113.

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§ 5 Rz. 48 Übergang auf eine Gesamthand cc) Verschmelzung einer grundbesitzenden Gesamthand 48

Die Verschmelzung einer Personenhandelsgesellschaft/Gesamthand auf eine andere Personenhandelsgesellschaft/Gesamthand fällt in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 GrEStG (vgl. hierzu § 6 Rz. 66). Wurde eine Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommen, kann die Verschmelzung des übertragenden oder des übernehmenden Rechtsträgers zum Wegfall der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG führen (vgl. Rz. 107, 112). dd) Spaltungsvorgänge

49

Spaltungsvorgänge können einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang darstellen, wenn hiervon inländische Grundstücke betroffen sind. Aufspaltungs- und Abspaltungsvorgänge, an denen als übertragender Rechtsträger eine Kapitalgesellschaft und als aufnehmender Rechtsträger eine Personenhandelsgesellschaft beteiligt sind, sind nicht nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG begünstigt.1 In Betracht kommt allenfalls eine Vergünstigung nach § 6a GrEStG. Die Ausgliederung eines Grundstücks aus dem Unternehmen eines Einzelkaufmanns (§ 123 UmwG) zur Aufnahme in eine Personenhandelsgesellschaft ist nach § 5 Abs. 2 GrEStG begünstigt.2 Die Spaltung von Personenhandelsgesellschaften fällt in den Anwendungsbereich von § 6 GrEStG (vgl. § 6 Rz. 37). Zu den Auswirkungen von Spaltungsvorgängen auf einen etwaigen Wegfall bereits gewährter Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 GrEStG vgl. Rz. 107, 112.

VI. Beteiligung am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft/Beteiligungsquote 50

Nach den §§ 5, 6 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der übertragende bzw. erwerbende Gesamthänder am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Unter Anteil am Vermögen ist – zum einen die sachenrechtliche (dingliche) unmittelbare Mitberechtigung des grundstücksübertragenden bzw. -übernehmenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, und – zum anderen die vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück zu verstehen.3 Die sachenrechtliche bzw. dingliche Rechtsstellung als Gesamthänder ist für die Frage von Bedeutung, ob nach den §§ 5, 6 GrEStG überhaupt dem Grunde nach eine Vergünstigung in Betracht kommt. In welchem Umfang eine Steuervergünstigung gewährt wird, richtet sich nach der Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück.4 Beispiel: An einer GmbH & Co. KG ist der Kommanditist A zu 100 % am Vermögen der KG beteiligt. Die KomplementärGmbH ist vermögensmäßig nicht beteiligt. Die Komplementär-GmbH überträgt ein Grundstück auf die KG. Die Komplementär-GmbH ist zwar aufgrund ihrer Gesellschafterstellung Gesamthänderin und damit unmittelbar dinglich mitberechtigt, eine Vergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG kann sie jedoch nicht in Anspruch nehmen, da sie nicht am Vermögen der KG und damit auch nicht am Grundstück beteiligt ist. Zu den Auswirkungen der (angedeuteten) Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung vgl. Rz. 42.

51

Die unmittelbare dingliche Mitberechtigung folgt bürgerlich-rechtlich bzw. handelsrechtlich bereits aus der Gesellschafterstellung bei einer Personen(-handels-)gesellschaft und ist mit dieser untrennbar verbunden. Wirtschaftliche Aspekte sind für die Frage nach der dinglichen Mitberechtigung am Ge1 2 3 4

Vgl. hierzu Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 3. Vgl. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 3 und Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 118. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 3. Vgl. hierzu Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 18 ff.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 55 § 5

samthandsvermögen ebenso unbeachtlich wie die Höhe der Beteiligung am Gewinn und Verlust oder die Vereinbarung einer von der Vermögensbeteiligung abweichenden Auseinandersetzungsquote.1 Schuldrechtliche Vereinbarungen führen nicht zu einer unmittelbar dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Bei einer (atypisch) stillen Gesellschaft geht die Einlage des stillen Gesellschafters nach § 335 Abs. 1 HGB in das Vermögen des Kaufmanns über; er erwirbt hierdurch jedoch keine dingliche Berechtigung am Handelsgewerbe des Kaufmanns. Vielmehr kann der stille Gesellschafter allenfalls auf schuldrechtlicher Basis verlangen, so gestellt zu werden, als sei er am Gesamthandsvermögen beteiligt. Entsprechendes gilt für Unterbeteiligungen. Die Unterbeteiligten sind zum einen nicht unmittelbar am Gesamthandsvermögen mit berechtigt. Zum anderen bestehen zwischen dem Unterbeteiligten und dem Gesellschafter (Gesamthänder) lediglich schuldrechtliche Vereinbarungen.

52

Bei Treuhandverhältnissen ist zivilrechtlich allein der Treuhänder Gesellschafter und damit am Ge- 53 samthandsvermögen dinglich beteiligt. Der Treugeber hat lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen den Treuhänder, nicht jedoch (dingliche) Ansprüche gegen die Gesamthand. Die schuldrechtlichen Ansprüche des Treugebers gegenüber dem Treuhänder (insbesondere Herausgabeanspruch nach § 667 BGB) begründen keine dingliche Mitberechtigung des Treugebers am Gesamthandsvermögen. Eine Zurechnung der Beteiligung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht.2 Sowohl zivilrechtlich als auch grunderwerbsteuerrechtlich ist bei Treuhandverhältnissen die Beteiligung ausschließlich dem Treuhänder zuzurechnen; nur dieser ist dinglich an der Gesamthand beteiligt. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob es sich um eine offene oder verdeckte Treuhand handelt, oder ob die Vereinbarung einer Treuhand gegen die Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Gesamthand verstößt.3 Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen hat zur Folge, dass mittelbare Beteiligungen im Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG keine Berücksichtigung finden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beteiligung an einer Gesamthand von einer Kapitalgesellschaft vermittelt bzw. gehalten wird. In einem solchen Fall ist ausschließlich die Kapitalgesellschaft unmittelbar dinglich beteiligt; die dahinter stehenden Gesellschafter sind nur mittelbar an der Gesamthand beteiligt.4

54

Beispiel: A ist alleiniger Gesellschafter einer GmbH. Diese wiederum hält 100 % der Anteile an einer OHG. A verkauft ein Grundstück an die OHG. Es liegt ein Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. § 5 Abs. 2 GrEStG findet keine Anwendung, da A nicht unmittelbar dinglich an der OHG beteiligt ist. Die mittelbare Beteiligung an der OHG über die GmbH reicht nicht aus.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der dinglichen Mitberechtigung gilt indes bei 55 doppelstöckigen Personengesellschaften. Hierbei ist eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen Gesamthand beteiligt. Bei einer solchen Konstellation ist nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungsobjekt anzusehen, sondern vielmehr ist ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten.5 Zur Ermittlung der Höhe der Beteiligung am Vermögen der grundstückserwerbenden Gesamthand sind die Beteiligungsquoten durchzurechnen.6 Beispiel: A ist zu 50 % an einer OHG beteiligt, die wiederum zu 60 % an einer GbR beteiligt ist. A verkauft der GbR ein Grundstück. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. In Höhe von 30 % wird die Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben, da A insoweit (durchgerechnet) mittelbar an der GbR beteiligt ist.

1 2 3 4 5 6

Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 26 m.w.N. Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 25. Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 27 m.w.N. Vgl. hierzu Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 23 und Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 26.2. Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 22.

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§ 5 Rz. 56 Übergang auf eine Gesamthand 56

Die vermögensmäßige Beteiligung muss zu dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird bzw. im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (vgl. hierzu Rz. 32 ff., 129 ff.). Dieser Zeitpunkt ist auch relevant für die Ermittlung der Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand. Verliert der Gesamthänder nach diesem Zeitpunkt seine dingliche Mitberechtigung an der Gesamthand oder vermindert sich seine vermögensmäßige Beteiligung, kann dies zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führen, wonach eine bereits gewährte Steuervergünstigung rückwirkend entfallen kann (vgl. hierzu Rz. 71 ff.).

VII. Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung 1. Ermittlung der Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand 57

Um den Umfang der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG zu bestimmen, ist zu ermitteln, in welcher Höhe der grundstücksübertragende bzw. -erwerbende Gesamthänder am Vermögen der Gesamthand und damit auch am nämlichen Grundstück, das Gegenstand der Steuerbefreiung ist, beteiligt ist („Beteiligungsquote“).

58

Bei den Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) wird in den Gesellschaftsverträgen zumeist abweichend von den Regelungen des HGB (vgl. §§ 120, 161 Abs. 2 HGB) eine feste und unveränderliche Beteiligungsquote festgelegt, zu der die Gesellschafter am Vermögen der Gesamthand beteiligt sind. Hinweis zu in der Praxis üblichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag einer KG: „Die Gesellschaft hat ein Festkapital von 1.000 Euro. Hieran sind die Gesellschafter wie folgt beteiligt: a) der persönlich haftende Gesellschafter X mit einem festen Kapitalanteil von 200 Euro, d.h. zu 20 Prozent, b) der Kommanditist Y mit einem festen Kapitalanteil von 800 Euro, d.h. zu 80 Prozent Der feste Kapitalanteil ist maßgeblich für die Beteiligung des Gesellschafters am Ergebnis und am Vermögen sowie an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben der Gesellschaft sowie für sein Stimmrecht.“

Entsprechende Regelungen über die Beteiligung am Vermögen (sowie am Ergebnis und Auseinandersetzungsguthaben) finden sich üblicherweise auch in Gesellschaftsverträgen von GbR und Partnerschaftsgesellschaften. Die Bestimmung der Beteiligungsquote ist somit unproblematisch, wenn diese im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben ist und zum maßgeblichen Zeitpunkt des Übergangs des Grundstücks auch entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Regelungen verfahren wird. Sofern die Gesellschafter ihr Beteiligungsverhältnis von vornherein durch unveränderliche „feste“ Kapitalanteilsbeträge (z.B. auf „Kapitalkonto I“) festgelegt haben, ist für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen auf das Kapitalkonto I abzustellen.1 Unbeachtlich für die Bestimmung der Beteiligungsquote sind die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesamthandsgemeinschaft sowie die Höhe einer (von der Vermögensbeteiligung abweichenden) Auseinandersetzungsquote.2 59

Grundsätzlich entspricht die Beteiligungsquote des Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand auch der Beteiligungsquote am nämlichen Grundstück. Allerdings können die Gesellschafter abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen treffen, die – sofern sie zivilrechtlich wirksam und ernsthaft gewollt sind und auch entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt werden – grunderwerbsteuerrechtlich anzuerkennen sind.3 Durch solche Gesellschaftervereinbarungen kann in Bezug auf das Grundstück eine (von der Beteiligungsquote an der Gesamthand) abweichende Beteiligungsquote vereinbart werden.4 So findet die Vorschrift des § 5 Abs. 2 GrEStG keine Anwendung, wenn ein Gesamthänder einer KG, an der er zu 50 % vermögensmäßig beteiligt ist, ein Grundstück überträgt und durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung geregelt wird, dass er mit Rücksicht auf

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Vgl. FG Berlin-Bdb. v. 15.4.2013 – 4 V 4250/12, EFG 2013, 1257. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 26. Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 48.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 63 § 5

sein geplantes zukünftiges Ausscheiden aus der KG für die Dauer seiner Beteiligung von der (anteiligen) Teilhabe am Wert dieses Grundstücks ausgeschlossen ist.1 Gestaltungshinweis: Durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, inwieweit einzelne oder alle Gesellschaftsgrundstücke nur bestimmten Gesellschaftern oder den Gesellschaftern zu besonderen Anteilen gehören sollen, lässt sich im Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG erreichen, dass ein Gesamthänder eine höhere Vergünstigung in Anspruch nehmen kann, als ihm nach seiner Beteiligung am Vermögen der Gesamthand zustehen würde. Wichtig ist hierbei, dass entsprechende Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam und ernsthaft gewollt sind und auch tatsächlich durchgeführt werden.2 Beispiel: A ist an einer OHG mit 20 % beteiligt. Er verkauft der OHG ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück. In einer Gesellschaftervereinbarung regeln die Gesellschafter der OHG, dass ausschließlich A an dem Grundstück und den entsprechenden stillen Reserven vermögensmäßig beteiligt sein soll. Nach Maßgabe der Rechtsprechung3 sollte diese Vereinbarung grunderwerbsteuerrechtlich anerkannt werden mit der Folge, dass der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 100 % steuerbefreit ist.

Problematisch ist die Bestimmung der Beteiligungshöhe bei GbR, OHG und KG in den Fällen, in denen (gesellschafts-)vertragliche Regelungen über die konkrete und feste Höhe der Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Gesamthand fehlen. Bei OHG und KG gehen die gesetzlichen Regelungen der §§ 120, 161 Abs. 2 HGB von einem variablen Kapitalanteil aus, der fortlaufenden Änderungen unterworfen ist. In den Fällen der fehlenden gesellschaftsvertraglich vereinbarten festen Vermögensbeteiligung sind das Vermögen der Gesamthand sowie der verhältnismäßige Anteil des einzelnen Gesamthänders daran zu ermitteln. Maßgebend für die Wertermittlung sind die Vorschriften des Handelsrechts i.V.m. den allgemeinen Bewertungsvorschriften nach §§ 1 ff. BewG. Danach sind die gemeinen Werte (§ 9 BewG) bzw. die Teilwerte (§ 10 BewG) anzusetzen.4 Hierzu bedarf es einer Vermögensaufstellung auf den Stichtag der Grundstücksübertragung, anhand derer das Reinvermögen der Gesellschaft sowie die verhältnismäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders daran zu ermitteln sind.5

60

Bei der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) stimmt die Beteiligungsquote mit der Auseinandersetzungs- 61 quote überein. Diese wird durch das Verhältnis der Erbteile bestimmt. Allerdings können sich entsprechende Änderungen durch den Ausgleich von Vorempfängen nach den §§ 2050 ff. BGB ergeben. Die durch die Erbteile (ggf. berichtigt um die Ausgleichsansprüche) bestimmten Auseinandersetzungsanteile können vertraglich nicht mit grunderwerbsteuerrechtlicher Wirkung geändert werden.6 Teilungsanordnungen führen ebenfalls nicht zu einer Veränderung der Auseinandersetzungsquote.7 Bei der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) steht der Überschuss, der nach der Berichti- 62 gung der Gesamtgutsverbindlichkeiten verbleibt, den Ehegatten jeweils hälftig zu (sog. Halbteilungsgrundsatz, § 1476 BGB). Bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1483 BGB) sind etwaige Vorausempfänge, die die Abkömmlinge erhalten haben, auszugleichen und bei der Ermittlung des entsprechenden Anteils am Gesamtgut zu berücksichtigen.8 Der praktische Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG ist bei der Erbengemeinschaft und den Gütergemeinschaften aufgrund der Steuerbefreiungsvorschriften des § 3 Nr. 3 bis 5 und 7 GrEStG allerdings eher gering.

1 Vgl. BFH v. 9.11.1988 – II R 188/84, BStBl. II 1989, 201. 2 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. 3 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833 sowie FG Berlin-Bdb. v. 15.4.2013 – 4 V 4250/12, EFG 2013, 1257. 4 Grundlegend BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. Vgl. hierzu auch Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 12; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 37; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 39 ff. 5 Vgl. zu den Einzelheiten BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833; v. 3.3.1993 – II R 4/90, BFH/NV 1993, 494; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 39 ff. 6 BFH v. 15.12.1965 – II 172/62, HFR 1966, 176. 7 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 42. 8 Vgl. hierzu Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 43, 44.

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§ 5 Rz. 64 Übergang auf eine Gesamthand 2. Maßgeblicher Zeitpunkt 64

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird bzw. der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (vgl. hierzu Rz. 32 ff., 129 ff.). Verringert sich nach diesem Zeitpunkt der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand, kann dies zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führen, wonach eine bereits gewährte Steuervergünstigung rückwirkend (anteilig) entfallen kann (vgl. hierzu Rz. 71 ff.). 3. Ermittlung der Höhe der Steuerbefreiung

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Die Höhe der Steuerbefreiung errechnet sich aus der Höhe der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand und der Grunderwerbsteuer, die sich auf Basis der Bemessungsgrundlage nach §§ 8, 9 GrEStG sowie dem anzuwendenden Grunderwerbsteuersatz ergibt. Beispiel: A verkauft einer OHG mit Sitz in Köln, an deren Vermögen er zu 75 % beteiligt ist, ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück für 1 Mio. Euro. Bemessungsgrundlage ist nach §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis in Höhe von 1 Mio. Euro. Der GrESt-Satz liegt in Nordrhein-Westfalen bei 6,5 %, so dass die Grunderwerbsteuer 65.000 Euro beträgt. Nach § 5 Abs. 2 GrEStG wird diese in Höhe von 75 % nicht erhoben, so dass sich die Grunderwerbsteuer auf 16.250 Euro reduziert.

VIII. Anwendung der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG 66

Vermögensgegenstände einer Gesamthand stehen nicht in deren Eigentum, sondern vielmehr im gesamthänderisch gebundenen Eigentum der an der Gesamthand dinglich beteiligten Gesamthänder/ Gesellschafter (vgl. § 718 BGB für die GbR). Diese Besonderheit rechtfertigt es, bei Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG anzuwenden.1 Nach st. Rspr. des BFH ist es seit langem anerkannt, dass die relative Selbstständigkeit und Rechtsträgerschaft der Gesamthand es nicht ausschließen, dieser die persönlichen Eigenschaften der Gesamthänder quotal zuzurechnen.2 Im Ergebnis führt dies dazu, den Rechtsgedanken der persönlichen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG im Wege einer wertenden Zusammenschau (interpolierende Betrachtungsweise) mit der Vergünstigungsvorschrift des § 5 GrEStG in Einklang zu bringen.3 Durch diese Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften kann sich eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt.4 Ob die vorstehenden Grundsätze nach Abschaffung des Gesamthandsprinzips mit Wirkung zum 1.1.2024 durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) weiterhin zur Anwendung kommen, bleibt abzuwarten (vgl. hierzu Rz. 12). Vgl. zu den Grenzen einer wertenden Zusammenschau die Entscheidung des BFH v. 25.8.2020.5 Beispiel: M verkauft ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück an eine OHG, an der neben ihm auch seine Frau (F) und sein Sohn (S) zu jeweils gleichen Teilen beteiligt sind. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Soweit M an der OHG beteiligt ist, greift die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG. Die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 4 GrEStG bzw. § 3 Nr. 6 GrEStG greifen vom Wortlaut her nicht, da die OHG als eigenständiger grunderwerbsteuer1 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 29 ff.; im Ergebnis auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5. 2 Vgl. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528; v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. 1969, 400; v. 10.2.1982 – II R 152/80, BStBl. II 1982, 481. 3 Vgl. zur interpolierenden Betrachtungsweise auch BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5; v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177. 4 So auch BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5 Tz. 16; vgl. zu den Grenzen der interpolierenden Betrachtungsweise BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. 5 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

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B. Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 70 § 5

rechtlicher Rechtsträger mit M weder in gerader Linie verwandt noch mit diesem verheiratet ist. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG findet vom Wortlaut her auf F und S keine Anwendung, da es sich bei ihnen nicht um den (Mit-)Eigentümer des Grundstücks handelt. Erst eine wertende Zusammenschau der Vergünstigungsvorschriften der § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG einerseits und der Vorschrift des § 5 GrEStG andererseits führt dazu, dass die Grundstücksübertragung auf die OHG auch bezüglich der auf F und S entfallenden Beteiligung an der OHG steuervergünstigt ist, so dass vorliegend keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist.

Eine entsprechende Vergünstigung nach § 5 GrEStG kann unter Einbeziehung der Rechtsgedanken 67 der persönlichen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG auch dann in Anspruch genommen werden, wenn das Grundstück von einem nicht an der Gesamthand Beteiligten auf diese übertragen wird. Beispiel: S verkauft ein ihm gehörendes Grundstück an eine OHG, an der seine Eltern jeweils zu 50 % beteiligt sind. Für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang wird die Steuer aufgrund einer interpolierenden Betrachtungsweise von § 5 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG vollständig nicht erhoben.1

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG über eine in- 68 terpolierende Betrachtungsweise ist jedoch, dass alle übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung vorliegen. Wenn also im vorgenannten Beispiel die Eltern von A innerhalb von fünf Jahren nach der Übertragung des Grundstücks aus der OHG ausscheiden, würde § 5 Abs. 3 GrEStG Anwendung finden mit der Folge, dass die in Anspruch genommene Steuervergünstigung rückwirkend wegfällt. Nach Auffassung der FinVerw. ist es unschädlich, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung 69 nicht vorliegen oder später wegfallen, jedoch die Voraussetzungen für eine andere Steuervergünstigung erfüllt sind. In einem solchen Fall soll diese von Amts wegen gewährt werden.2 Beispiel: A verkauft ein ihm gehörendes Grundstück an eine OHG, an der er zu 50 % beteiligt ist. Die übrigen 50 % hält sein Sohn S. Zwei Jahre später scheidet A aus der OHG aus. Für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG bzw. nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG vollständig nicht erhoben. Im Zeitpunkt des Ausscheidens von S liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 GrEStG vor mit der Folge, dass die Nichterhebung von Grunderwerbsteuer i.H.v. 50 % rückwirkend entfallen müsste. Insoweit greift jedoch der Rechtsgedanke der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG, so dass von einer rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung über § 5 Abs. 3 GrEStG abzusehen ist.3

Auf die Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG findet die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG keine Anwendung (vgl. Rz. 40, 42), so dass sich insoweit die Frage nach dem Zusammenspiel mit den personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG nicht stellt. Auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 sowie Abs. 3a GrEStG findet § 5 GrEStG jedoch Anwendung, so dass insoweit auch die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG berücksichtigt werden können.4 Gehen mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG auf einen Dritten über, so können für diese Übertragung die persönlichen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG in Anspruch genommen werden, wenn es sich bei dem Dritten z.B. um den Sohn des die Anteile übertragenden Gesellschafters handelt (§ 3 Nr. 6 GrEStG).5 Nichts anderes kann über die interpolierende Betrachtungsweise für den Fall gelten, dass die Anteile nicht unmittelbar auf den Sohn übergehen, sondern vielmehr auf eine Gesamthand übertragen werden, deren alleiniger Gesamthänder der Sohn des Übertagenden ist. Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang ist aufgrund einer wertenden Zusammenschau der Ver-

1 Vgl. hierzu BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528 sowie Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 63 ff. 2 Vgl. gleichlaulautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5. 3 Vgl. hierzu gleichlaulautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4. 4 Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 66 sowie gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078. 5 Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 1.

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§ 5 Rz. 70 Übergang auf eine Gesamthand günstigungsvorschriften § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG in Höhe der Beteiligungsquote des S am Vermögen der Gesamthand (vorliegend 100 %) begünstigt.

IX. Einschränkungen für nach § 1a KStG optierende Gesellschaften (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2) 70.1

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wurde mit der Vorschrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.1 Danach können diese Gesellschaften auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Diese Fiktion gilt allerdings lediglich für Ertragsteuerzwecke. Für die Grunderwerbsteuer gilt diese Fiktion ausdrücklich nicht, so dass die optierenden Gesellschaften für Grunderwerbsteuerzwecke nach wie vor wie Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften behandelt werden und damit auch die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch nehmen können. Zur Vermeidung von (für den Gesetzgeber) missliebigen Gestaltungen wurden in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 und § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG entsprechende Regelungen aufgenommen (vgl. zu den ertragsteuerlichen Hintergründen Rz. 12). Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Die durch das KöMoG eingefügten Änderungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG regeln eine Art Vorbehaltensfrist bei nach § 1a KStG optierenden Gesellschaften. Danach kann eine Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG bei einer optierenden Gesellschaft nur dann in Anspruch genommen werden, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Die Ausübung und Wirksamkeit der Option nach § 1a KStG liegt länger als zehn Jahre zurück und (2) die Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesellschafters an der optierenden Gesellschaft besteht ebenfalls länger als zehn Jahre. Ist eine der beiden vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks auf eine nach § 1 Abs. 1a KStG optierende Gesellschaft keine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG in Anspruch genommen werden. Die Regelungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG betreffen mithin den Fall, dass eine Gesellschaft zunächst nach § 1 Abs. 1a KStG zur Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz optiert und anschließend ein Grundstück auf die optierende Gesellschaft übertragen wird.2

70.2

Der umgekehrte Fall, dass zuerst ein Grundstück unter Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG auf die Gesamthand übertragen worden ist und erst danach die Option zur Körperschaftsteuerpflicht erfolgt, wird von dem neu eingeführten § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG erfasst. Danach stellt die Option nach § 1a KStG innerhalb der auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG einen Sperrfristverstoß dar, mit der Folge, dass eine im Rahmen der Grundstücksübertragung nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommene Steuervergünstigung nachträglich wegfällt. Die Rechtslage ist insoweit identisch mit dem heterogenen Formwechsel der Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft, der ebenfalls einen Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG darstellt (vgl. hierzu Rz. 111).

70.3

Durch die vorgenannten Änderungen wollte der Gesetzgeber offenbar Gestaltungen verhindern, bei denen die ertragsteuerlichen Vorzüge der optierenden Gesellschaft (niedrige Steuerbelastung von 15,83 % Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, keine Gewerbesteuer, wenn die Gesellschaft die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG in Anspruch nehmen kann) mit den Vorteilen der §§ 5 und 6 GrEStG kombiniert werden können („das Beste aus zwei Welten“). Denn die Fiktion des § 1a KStG gilt nur für Ertragsteuerzwecke und nicht für die Grunderwerbsteuer oder die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Ohne die vorgenannten Einschränkungen des § 5 GrEStG hätten für optierende Immobilien-Personengesellschaften deutliche Vorteile gegenüber den Immobilien-Kapi-

1 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230. 2 Vgl. zu den Änderungen der §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG auch Wagner, DStZ 2021, 604.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 71 § 5

talgesellschaften bestanden, auf die Immobilien in der Regel nicht ohne Anfall von Grunderwerbsteuer übertragen werden können.1

X. Ausschluss für bestimmte Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und inländischer Geschäftsleitung (Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3) Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 25.6.2021 (Steuervermeidungsabwehrgesetz)2 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG Regelungen aufgenommen, wonach die Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelten sollen, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit diesen Regelungen Gestaltungen verhindert werden, nach denen einer Drittlandsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigungen nach § 5 oder 6 GrEStG gewährt werden und gleichzeitig ohne Einhaltung der Fristen nach § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.3 Die Regelungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Offenbar möchte der Gesetzgeber mit diesen Regelungen einer abstrakten „Missbrauchsgefahr“ vorbeugen, die sich aufgrund von Qualifikationskonflikten im internationalen Gesellschaftsrecht und der durch das KöMoG eingeführten Optionsmöglichkeit nach § 1 Abs. 1a KStG ergeben könnten. Es erscheint allerdings zweifelhaft, dass diesen Vorschriften in der Praxis eine größere Bedeutung zukommen wird.4

70.4

C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3) I. Allgemeines 1. Sinn und Zweck der Regelung Nach § 5 Abs. 3 GrEStG sind die Steuervergünstigungen nach den Abs. 1 und Abs. 2 insoweit nicht 71 anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre, Nachbehaltensfrist bzw. Sperrfrist) nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (Sperrfristverstoß). Es handelt sich hierbei um eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift, durch die die jahrzehntelange Rspr. des BFH zu § 42 AO und insbesondere zur Gesamtplanrechtsprechung abgelöst wird.5 Durch die zehnjährige/fünfjährige Nachbehaltensfrist sollen insbesondere Gestaltungen verhindert werden, bei denen ein eigentlich beabsichtigter und der Grunderwerbsteuer unterliegender Grundstückskauf (asset deal) als Anteilskaufvertrag (share deal) vollzogen wird, um unter Ausnutzung der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG und unter Beachtung der 90 %/95 %-Grenzen in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden.6 Beispiel: A überträgt ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf eine GmbH & Co. KG, an deren Vermögen er als einziger Kommanditist zu 100 % beteiligt ist. Anschließend verkauft und überträgt er einen Teil-Kommanditanteil im Umfang von 94,9 % an B.

1 Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Rechtsform der GmbH bei Immobilieninvestitionen Schley, NWB-EV 2020, 155, 198 und 227. 2 BGBl. I 2021, 2056. 3 Vgl. BT-Drucks. 19/30470 v. 9.6.2021, S. 52. 4 Vgl. hierzu auch Wagner, DStZ 2021, 604 (609). 5 Vgl. zur früheren Rspr. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 72, 73. 6 Vgl. zur Intention des Gesetzgebers auch BT-Drucks. 14/265 v. 13.1.1999, S. 204.

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§ 5 Rz. 71 Übergang auf eine Gesamthand Rechtslage bis 30.6.2021: Die Übertragung des Grundstücks ist aufgrund von § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe steuerfrei. Die anschließende Anteilsübertragung würde ebenfalls keine Grunderwerbsteuer auslösen, da die 95 %-Grenze nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erreicht wird. Dieser Gestaltung soll die Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG entgegenwirken, indem sie die ursprünglich nach § 5 Abs. 2 GrEStG gewährte Steuervergünstigung nachträglich in dem Umfang wieder aberkennt, wie sich der Anteil des A an der KG innerhalb von fünf Jahren verringert (= 94,9 %). Die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG bleibt im Ergebnis also nur in Höhe von 5,1 % erhalten. Rechtslage ab 1.7.2021: Nach der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage könnten im vorstehenden Beispiel durch die Absenkung der steuerauslösenden Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % nur noch max. 89,9 % der Anteile an der KG übertragen werden, ohne den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG zu verwirklichen.

72

Die Vorschrift zielt somit darauf ab, nur für solche Übertragungsvorgänge die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG bestehen zu lassen, bei denen der grundstückseinbringende Gesamthänder auch nach der Einbringung über einen Zeitraum von zehn/fünf Jahren seine gesamthänderische Mitberechtigung aufrechterhält und darüber hinaus an dem eingebrachten Grundstück vermögensmäßig beteiligt bleibt. Die Gesetzesformulierung „Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand“ ist gemessen an der Zielrichtung des § 5 GrEStG und dem Charakter des Abs. 3 als Missbrauchsverhinderungsvorschrift aber nicht präzise und deshalb auslegungsbedürftig. Aufgrund der Objektivierung des Tatbestands des § 5 Abs. 3 GrEStG, stellt der Wortlaut der Norm ausschließlich darauf ab, dass sich die vermögensmäßige Beteiligung des grundstückübertragenden Gesellschafters innerhalb von zehn/fünf Jahren nach der Übertragung tatsächlich verringert. Weder kommt es für den Ausschluss der nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommenen Vergünstigungen nach dem Gesetzestext darauf an, was der Grund für die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung war, noch, ob sich das Grundstück im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes überhaupt im Gesamthandsvermögen befindet und nicht vielleicht bereits zuvor durch einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang aus dem Gesamthandsvermögen ausgeschieden ist. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 GrEStG ist es jedoch Steuerumgehungen zu verhindern. Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG geht somit über dessen Telos hinaus. Erforderlich ist dementsprechend eine teleologische Reduktion. Da § 5 Abs. 3 GrEStG im Sinne der Missbrauchsverhinderung die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung voraussetzt, ist die Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, dass – trotz der Aufgabe der gesamthänderischen Mitberechtigung oder der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders – die Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG nicht entfällt, wenn die vom Gesetz geforderte Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist.1

73

Es haben sich eine Reihe von Fallgruppen herausgebildet, denen keinerlei Missbrauchspotential innewohnt bzw. bei denen eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist, und für die der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG daher einschränkend auszulegen bzw. teleologisch zu reduzieren ist. Die entsprechenden „Sperrfristverstöße“ führen bei diesen „begünstigten“ Fallgruppen trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht zur (teilweisen) Versagung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen (vgl. zu diesen „begünstigten“ Fallgruppen Rz. 124 ff.).2 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

74

Die Vorschrift ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG). Für davor liegende Zeiträume ist die Rechtsprechung des BFH zur Einschränkung der Steuervergünstigung nach § 42 AO zu beachten.3 Diese Rechtsprechung hat mit der Einführung des § 5 Abs. 3 1 Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 und Behrens/Schmitt, UVR 2004, 270 (272). 2 Vgl. zum Ganzen gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7 ff.; Behrens, DStR 2016, 518; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 16 ff.; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 75 ff.; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 46 ff.; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 39, 84 ff. 3 Vgl. zur früheren Rspr. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 72, 73.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 74.1 § 5

GrEStG als typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift zwar ihren unmittelbaren Anwendungsbereich verloren, jedoch ist die Rechtsprechung damit nicht gegenstandlos. Vielmehr können die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen von missbräuchlichen Gestaltungen auch unter Geltung des § 5 Abs. 3 GrEStG bei der Frage nach der teleologischen Reduktion der Vorschrift herangezogen werden (vgl. hierzu nachfolgend Rz. 123 ff.). a) Verlängerung der Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre durch Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (Satz 1) Die durch Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20211 von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängerten Fristen des § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG sollen nach der allgemeinen Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge Anwendung finden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Darüber hinaus bestimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 24 GrEStG eine Vertrauensschutzregelung, wonach die auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängerten Fristen des § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG nicht gelten, wenn die bislang geltenden Fünfjahresfristen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelungen am 1.7.2021 bereits abgelaufen waren. Für den Fall, dass die bislang geltenden fünfjährigen Nachbehaltensfristen der § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG infolge eines Erwerbsvorgangs vor dem 1.7.2021 bereits zu laufen begonnen haben, aber zum 30.6.2021 noch nicht abgelaufen waren, fehlt es hingegen an einer Anwendungsregelung in § 23 GrEStG, so dass insoweit die bisherigen Fünfjahresfristen weiter gelten müssen, und nicht etwa die auf zehn Jahre verlängerten Fristen. Entgegen der Intention des Gesetzgebers2 werden diese Fälle nicht von der allgemeinen Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG erfasst. Denn diese Vorschrift erfasst sowohl die mit Wirkung zum 1.7.2021 geänderten bzw. neu in das Gesetz aufgenommenen steuerauslösenden Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 2b, § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3a GrEStG als auch u.a. die geänderten Nichterhebungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG. Sowohl die geänderten Ergänzungstatbestände als auch die geänderten Nichterhebungsvorschriften sollen auf „Erwerbsvorgänge“ nach dem 1.7.2021 zur Anwendung kommen. Mit „Erwerbsvorgänge“ in diesem Sinne sind die in § 1 GrEStG genannten Erwerbsvorgänge gemeint. Der Eintritt eines Verstoßes gegen die in § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG geregelten Nachbehaltensfristen vollzieht sich jedoch nicht durch einen Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG, sondern vielmehr durch eine Anteilsverminderung, die in der Regel durch Rechtsgeschäft erfolgt. Eine solche Anteilsverminderung kann, muss jedoch nicht zugleich einen Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 GrEStG erfüllen. Insoweit hätte es in den Anwendungsregelungen des § 23 Abs. 18 ff. GrEStG einer ausdrücklichen Regelung bedurft, dass die durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfristen der § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch auf Anteilsverminderungen („Sperrfristverstöße“) Anwendung finden, wenn die bislang geltende Fünfjahresfrist zum 1.7.2021 noch nicht abgelaufen war. Indem eine solche Regelung fehlt, gelten die auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfristen des § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nur für solche Erwerbsvorgänge, die ab dem 1.7.2021 erfolgen, und nicht etwa für Sperrfristverstöße von bis zum 30.6.2021 verwirklichten Erwerbsvorgängen. Für diese Fälle bleibt es bei den bisherigen Fünfjahresfristen. Beispiel: A hat am 1.6.2021 eine in seinem Eigentum stehende Immobilie auf eine KG übertragen, an der er zu 100 % beteiligt ist. Am 2.7.2026 veräußert A 50 % der Anteile an der KG an einen fremden Dritten. Die Grundstücksübertragung am 1.6.2021 ist steuerbar, aber nach § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe steuerfrei. Die Veräußerung der 50 %igen Beteiligung am 2.7.2026 führt nicht zu einem Sperrfristverstoß, da die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG a.F. abgelaufen ist. Die zum 1.7.2021 auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist findet keine Anwendung, da der Fall des Sperrfristverstoßes von den Anwendungsregelungen des § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG nicht erfasst ist.

1 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 2 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 14 und 18.

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539

74.1

§ 5 Rz. 74.2 Übergang auf eine Gesamthand b) Rechtsfolgen des Brexit (Satz 2) 74.2

Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20201 wurden § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um Regelungen ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt (vgl. hierzu Rz. 76 und Rz. 121.1). c) Rechtsfolgen der Ausübung der durch das KöMoG eingeführten Option nach § 1 Abs. 1a KStG

74.3

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)2 wurde mit der Vorschrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt. In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG in das Gesetz aufgenommen worden, wonach die Ausübung der Option nach § 1a KStG innerhalb der auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG einen Sperrfristverstoß darstellt. Die Rechtslage ist insoweit identisch mit dem heterogenen Formwechsel der Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft, die ebenfalls einen Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG darstellt (vgl. hierzu Rz. 12 und Rz. 121.2).

II. Wegfall der Steuervergünstigung bei Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand 1. Verminderung des Anteils am Vermögen 75

§ 5 Abs. 3 GrEStG kommt bei einer Verminderung des Anteils des grundstücksübertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahre) nach dem Übergang des Grundstücks zur Anwendung (Sperrfristverstoß). Eine Verminderung des Anteils am Vermögen liegt dann vor, wenn der Gesamthänder entweder – seine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, verliert oder – sich seine vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück verringert.3 Die sachenrechtliche bzw. dingliche Rechtsstellung als Gesamthänder war Voraussetzung dafür, dass dem Grunde nach überhaupt eine Vergünstigung nach § 5 GrEStG in Anspruch genommen werden konnte. Wird diese Rechtsstellung vollständig – etwa durch Austritt des Gesamthänders aus der Gesellschaft – beendet, liegt der stärkste Fall der Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG vor, der die nach Abs. 1 oder Abs. 2 in Anspruch genommenen Vergünstigungen vollständig entfallen lässt. Verringert sich indessen innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist (bis zum 30.6.2021: fünfjährige Sperrfrist) lediglich die Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand, bleibt die dingliche Mitberechtigung des Gesamthänders erhalten, so dass es nach § 5 Abs. 3 GrEStG nur zu einer anteiligen Versagung der nach Abs. 1 oder Abs. 2 in Anspruch genommenen Steuervergünstigung kommen kann. Beispiel: A überträgt im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf eine GmbH & Co. KG, an deren Vermögen er als einziger Kommanditist zu 100 % beteiligt ist. Im Jahr 2017 veräußert A einen Teil-Kommanditanteil im Umfang von 30 % an einen fremden Dritten. Die Übertragung des Grundstücks im Jahr 2015 war aufgrund von § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe steuerfrei. Durch die Anteilsveräußerung im Jahr 2017 und die hierdurch bedingte Verminderung der vermögensmäßigen

1 Jahressteuergesetz (JStG) 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 2 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230. 3 Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 3 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 18 ff. sowie eingehend oben unter Rz. 50 ff.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 77 § 5

Beteiligung des A an der KG liegt ein Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG vor, der zu einer rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung im Umfang von 30 % führt. Hinweis: Eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des übertragenden Gesellschafters ist von vornherein dann unschädlich, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr zum Vermögen der Gesamthand gehört. Ist das Grundstück zuvor bereits durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang aus dem Gesamthandsvermögen ausgeschieden, ist eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, so dass § 5 Abs. 3 GrEStG auf nachfolgende Verringerungen der Beteiligung keine Anwendung findet (vgl. Rz. 125).

2. Zur Verminderung des Anteils am Vermögen führende Fallkonstellationen a) Allgemeines Die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung kann durch eine Vielzahl von Tatbeständen 76 verursacht werden, deren Auswirkungen im Folgenden näher dargestellt werden. Von (praktischer) Relevanz sind insbesondere folgende Sachverhalte: – Vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung an einen Dritten (Rz. 77 ff.), – Ausscheiden des Gesellschafters (Rz. 90 ff.), – Beitritt neuer Gesellschafter (Rz. 94 ff.), – Schuldrechtliche Vereinbarungen (Rz. 97 ff.), – Umwandlungsvorgänge auf der Ebene des grundstücksübertragenden Gesellschafters (Rz. 101 ff.), – Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der erwerbenden Gesamthand (Rz. 108 ff.), – Auflösung der erwerbenden Gesamthand, Anwachsung (Rz. 113 ff.), – Veränderung variabler Kapitalkonten (Rz. 117 ff.) und – Wechsel einer unmittelbaren Beteiligung zu einer mittelbaren Beteiligung (Rz. 120 ff.). Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20201 wurden § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um eine Regelung ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt (vgl. hierzu Rz. 12 und 121.1). Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)2 wurde mit der Vorschrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.3 In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG in das Gesetz aufgenommen worden, wonach die Ausübung der Option nach § 1a KStG innerhalb der auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG einen Sperrfristverstoß darstellt. Die Rechtslage ist insoweit identisch mit dem heterogenen Formwechsel der Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft, die ebenfalls einen Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG darstellt (vgl. hierzu Rz. 12 und Rz. 121.2). b) Vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung an einen Dritten aa) Grundsatz Die vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung an einen Dritten führt vom Grundsatz her zum Wegfall bzw. zur Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft und damit entsprechend zur Versagung der nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen. Klassischer Anwendungsfall ist die Veräußerung der Beteiligung an einen Dritten. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligung im Rahmen einer Treuhandvereinbarung auf einen Treuhänder übertragen wird. Denn bei Treuhandverhältnissen ist zivilrechtlich allein der Treuhänder Gesellschafter und damit am Gesamthandsvermögen dinglich beteiligt. Der Treugeber hat lediglich 1 Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.2020, BGBl. 2020 I 2020, 3096. 2 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 3 Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230.

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77

§ 5 Rz. 77 Übergang auf eine Gesamthand schuldrechtliche Ansprüche gegen den Treuhänder, nicht jedoch (dingliche) Ansprüche gegen die Gesellschaft (Gesamthand). Die schuldrechtlichen Ansprüche des Treugebers gegenüber dem Treuhänder (insbesondere der Herausgabeanspruch nach § 667 BGB) begründen keine dingliche Mitberechtigung des Treugebers am Gesamthandsvermögen. Eine Zurechnung der Beteiligung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht.1 Demgemäß führt die Übertragung der gesamten Beteiligung auf einen Treuhänder zum Vergünstigungsausschluss nach § 5 Abs. 3 GrEStG. bb) Ausnahmen 78

Vom vorgenannten Grundsatz abweichend, löst die vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung bei nachfolgenden Konstellationen mangels Vorliegen einer objektiven Steuerumgehungsmöglichkeit keine nachteiligen Steuerfolgen nach § 5 Abs. 3 GrEStG aus: (1) Anwendbarkeit der personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG

79

Wird der Anteil auf Personen übertragen, bei denen eine Grundstücksübertragung aufgrund einer personenbezogenen Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG steuerfrei wäre (insbesondere bei einer Übertragung auf den Ehegatten, § 3 Nr. 4 GrEStG oder auf Kinder, § 3 Nr. 6 GrEStG), führt dies nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG. Zwar sind die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG auf die Übertragung einer Beteiligung nicht unmittelbar anwendbar, jedoch ist der dahinter stehende Rechtsgedanke bei Anteilsübertragungen entsprechend zu berücksichtigen.2 Dass bei solchen Fallgestaltungen § 5 Abs. 3 GrEStG keine Anwendung finden darf, zeigt auch folgende Überlegung: Die Übertragung eines Grundstücks auf eine Gesamthand, an der neben dem übertragenden Gesellschafter nur nach § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG begünstigte Personen beteiligt sind, ist nach § 5 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 3 GrEStG in voller Höhe von der Steuer ausgenommen (vgl. hierzu Rz. 66 ff.). Demgemäß darf auch die Verringerung der Beteiligung durch die Übertragung zugunsten von nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG begünstigten Personen nicht zu einem Sperrfristverstoß führen. Beispiel: M überträgt ein ihm gehörendes Grundstück auf eine OHG, an der neben ihm auch seine Frau (F) und sein Sohn (S) zu jeweils gleichen Teilen beteiligt sind. Die Grundstücksübertragung ist in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit. Soweit M an der OHG beteiligt ist, greift die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG. Soweit F und S beteiligt sind, greifen die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 4 GrEStG bzw. § 3 Nr. 6 i.V.m. § 5 Abs. 2 GrEStG.

(2) Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG für Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden 80

Wird die Beteiligung schenkweise auf einen Dritten übertragen, führt die dadurch bedingte Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung aufgrund der sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG ebenfalls nicht zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG. In den in § 3 Nr. 2 GrEStG genannten Fällen des Grundstückserwerbs von Todes wegen bzw. der Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes fehlt es regelmäßig an der erforderlichen objektiven Steuerumgehungsmöglichkeit, weil der entsprechende Erwerbsvorgang bei einer unmittelbaren Grundstücksübertragung auf die Erwerber von der Grunderwerbsteuer befreit wäre. Dementsprechend liegt eine durch eine Anteilsschenkung bewirkte Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung nicht in der Zielrichtung des § 5 Abs. 3 GrEStG und ist im Wege einer teleologischen Reduktion der Norm aus ihrem Anwendungsbereich auszuscheiden.3

1 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 25. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 21; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 48; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 104. 3 Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302; Behrens/Schmitt, BB 2009, 818 (819); Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 18; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 103.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 84 § 5

Auf die Frage, ob sich die in § 3 Nr. 2 GrEStG genannten Erwerbe im Wege einer interpolierenden Betrachtungsweise als „personenbezogene Beziehung von grunderwerbsteuerlicher Bedeutung“ zurechnen lassen, soll es nach Auffassung des BFH nicht ankommen.1 Etwas anderes gilt jedoch bei einer gemischten Schenkung.2 Eine gemischte Schenkung ist in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Nur in Höhe des unentgeltlichen Teils bleiben die nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen erhalten, in Höhe des entgeltlichen Teils liegt ein Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG vor.

81

Beispiel: A überträgt im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück zum Kaufpreis von 100.000 Euro auf eine GmbH & Co. KG, an deren Vermögen er zu 50 % beteiligt ist. Im Jahr 2017 überträgt A Anteile i.H.v. 30 % an der KG auf seine Nichte zum Kaufpreis von 100.000 Euro. Der Verkehrswert der Anteile beträgt 500.000 Euro.3 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang im Jahr 2015 ist nach § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 50 % steuerbegünstigt. Die Anteilsübertragung im Jahr 2017 stellt eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung an der KG dar, so dass eine rückwirkende Versagung der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 GrEStG in Betracht kommt. Die Anteilsübertragung auf die Nichte erfolgte im Wege einer gemischten Schenkung. Die Entgeltlichkeitsquote beträgt 20 % (100.000 Euro/500.000 Euro). Soweit die Anteile entgeltlich übertragen worden sind, ist die ursprüngliche Steuerfestsetzung zu ändern und die Steuer i.H.v. weiteren 6 % (20 % von 30 %), also insgesamt von 56 % festzusetzen. Soweit die Anteile unentgeltlich übertragen worden sind (80 % von 30 % = 24 %), bleibt die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG erhalten.

Bei einer Schenkung unter Auflage dürften die gleichen Grundsätze wie bei einer gemischten Schen- 82 kung gelten.4 Die Auflage stellt eine Gegenleistung dar, die in Relation zum Verkehrswert der übertragenen Beteiligung zu setzen ist. In Höhe des unentgeltlichen Teils bleibt die ursprünglich nach § 5 GrEStG in Anspruch genommene Steuervergünstigung erhalten. Verstirbt der übertragende Gesellschafter innerhalb der Sperrfrist stellt dies ebenfalls keinen Sperrfristverstoß dar, da „der Tod eines Gesellschafters nicht zu den Gestaltungsmitteln (gehört), die eingesetzt werden, um das Steuervermeidungspotential, das mit der Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG eingeschränkt werden soll, auszuschöpfen“.5 Diesem Rechtsgedanken trägt das GrEStG auch an anderen Stellen im Gesetz Rechnung (vgl. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG und § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Gesellschaft unter den verbliebenen Gesellschaftern (ggf. unter Einritt der Erben) fortgeführt wird (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB) oder ob die Gesellschaft aufgelöst wird (vgl. § 727 Abs. 1 BGB).6

83

(3) Auswirkungen einer aufgrund von § 3 GrEStG unschädlichen Anteilsverminderung auf den Lauf der Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG Es stellt sich die Frage, ob eine aufgrund von § 3 GrEStG nach § 5 Abs. 3 GrEStG unschädliche Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung zur Folge hat, dass die Rechtsnachfolger des grundstücksübertragenden Gesellschafters die durch die Grundstücksübertragung des Rechtsvorgängers in Gang gesetzte Sperrfrist zu beachten haben. Nach h.M. läuft die Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG gegenüber den Rechtsnachfolgern weiter, da diese in die Rechtsstellung des grundstücksübertragenden Gesellschafters eingetreten sind („Fußstapfentheorie“). Nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommene Vergünstigungen bleiben den Rechtsnachfolgern folglich nur dann und insoweit erhalten, wie diese ihre Gesellschafterstellung unverändert aufrechterhalten. Vermindern diese innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) nach der Übertragung des Grundstücks durch den Rechtsvorgänger ihre vermögensmäßige Betei1 Vgl. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302 Tz. 12. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 18; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 77. 3 Nach Tz. 7.4.1. der gleichlaulautenden Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334. 4 So auch Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 18. 5 So Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 17; unstrittig, vgl. statt vieler Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 76 m.w.N. 6 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 86.

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§ 5 Rz. 84 Übergang auf eine Gesamthand ligung an der Gesamthand, sollen die vom Rechtsvorgänger nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 GrEStG rückwirkend zu versagen sein.1 Nach Behrens/Schmitt2 sei indes nicht ersichtlich, warum im Falle einer Anteilsverminderung nach Schenkung vor Ablauf der Fünfjahresfrist ein Missbrauchsfall vorliegen soll.3 85

Richtigerweise wird man für die Frage, ob die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung durch die Rechtsnachfolger des grundstücksübertragenden Gesellschafters einen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG darstellt, danach unterscheiden müssen, ob es sich um eine „schädliche“ oder eine „begünstigte“Anteilsübertragung der Rechtsnachfolger handelt. Können für die Anteilsübertragung der Rechtsnachfolger sachliche oder personenbezogene Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 2 bis 7 GrEStG in Anspruch genommen werden (Beispiele: Der Rechtsnachfolger verschenkt die Beteiligung – § 3 Nr. 2 GrEStG – oder überträgt diese an seinen Ehegatten oder seine Kinder – § 3 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG) oder stellt die Anteilsübertragung einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang dar, indem mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile an der Gesamthand auf einen Nichtgesellschafter übergehen, liegt eine „begünstigte“ Anteilsübertragung vor mit der Folge, dass diese keinen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG durch die Rechtsnachfolger auslöst. Wäre es auf der Ebene des Rechtsvorgängers zu einer entsprechenden Anteilsverminderung gekommen, hätte dies ebenfalls nicht nach § 5 Abs. 3 GrEStG zu einer Versagung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen geführt. Es ist unter Missbrauchsgesichtspunkten kein Grund ersichtlich, warum dies beim Rechtsnachfolger anders sein sollte. Liegt jedoch eine „schädliche“ Anteilsübertragung durch die Rechtsnachfolger vor (Beispiel: Veräußerung der Beteiligung an einen fremden Dritten) ist es m.E. gerechtfertigt, darin einen Sperrfristverstoß zu sehen, der zur rückwirkenden Versagung der vom Rechtsvorgänger in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 GrEStG führt. Hätte der Rechtsvorgänger selbst die Beteiligung z.B. an einen fremden Dritten veräußert, hätte dies ebenfalls einen Sperrfristverstoß zur Folge gehabt. In diesem Zusammenhang macht es m.E. auch keinen Unterschied, ob die vorhergehende Anteilsübertragung an die Rechtsnachfolger aufgrund einer sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG oder aufgrund einer personenbezogenen Steuerbefreiung z.B. nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG keinen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG dargestellt hat. (4) Die Anteilsübertragung löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG aus

86

Löst die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung. Grund hierfür ist, dass keine der Steuerumgehung dienende missbräuchliche Anteilsverminderung an der Gesamthand vorliegt, wenn hierdurch ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang ausgelöst wird. Hierbei ist die Steuerbarkeit des Vorgangs ausreichend. Es ist zur teleologischen Reduktion von § 5 Abs. 3 GrEStG nicht erforderlich, dass der Vorgang steuerpflichtig ist.4 Demgemäß liegt auch dann kein Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG vor, wenn durch die Anteilsverminderung ein steuerbarer Erwerbstatbestand des § 1 GrEStG ausgelöst wird, der jedoch (z.B. nach § 6a GrEStG) steuerbefreit ist. Kritisch ist insoweit allerdings die Entscheidung des BFH v. 17.12.20145 zu sehen, in der der BFH einen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG angenommen hat, obwohl der zum Sperrfristverstoß führende Vorgang den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst hat. In dieser Entscheidung hat sich der BFH nicht mit einer teleologischen Reduktion des § 5 Abs. 3 GrEStG auseinandergesetzt, sondern vielmehr ohne nähere Begründung einen Sperrfristverstoß angenommen. Grund hierfür 1 Vgl. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II 2003, 528 (bei dieser Entscheidung ging es allerdings nicht um die sachliche Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG, sondern vielmehr um eine personenbezogene Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG); so auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 und 7.4.2; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 76; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 48; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 107 ff. 2 Behrens/Schmitt, BB 2010, 292 ff. 3 Behrens/Schmitt, BB 2010, 292 (294). 4 Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 115/116; vgl. insoweit auch die gleichlautenden Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7, in denen stets nur auf die Steuerbarkeit eines Vorgangs abgestellt wird. 5 BFH v. 17.12.2014 – II R 2/13, BStBl. II 2015, 557; vgl. hierzu auch Behrens, DStR 2016, 518.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 89 § 5

könnte sein, dass im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht allein durch den die Steuerbefreiung des § 5 GrEStG in Anspruch nehmenden Gesellschafter ausgelöst wurde, sondern vielmehr der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nur deshalb verwirklicht wurde, weil auch die Mitgesellschafter Anteile übertragen haben, auch wenn die Übertragungen in einem Akt erfolgten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt der Fall, in dem der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bei mehreren Anteilsübertragungen in einem Rechtsakt ausgelöst wird, zutreffend nicht zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG.1 Mit der Entscheidung vom 25.8.20202 hat der BFH im Zusammenhang mit der fünfjährigen Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass eine teleologische Reduktion der in § 6 Abs. 4 GrEStG geregelten Vorbehaltensfrist bereits dann zu erfolgen hat, wenn der Verstoß durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst wurde. Die dortigen Grundsätze lassen sich uneingeschränkt auf sämtliche in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG geregelten Vor- oder Nachbehaltensfristen (Sperrfristen) übertragen. Nach diesen Grundsätzen liegt kein Sperrfristverstoß vor, wenn dieser durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst wurde. Auf Basis der vorgenannten Entscheidung gilt dies auch dann, wenn Grunderwerbsteuer für diesen grunderwerbsteuerbaren Vorgang weder festgesetzt noch gezahlt worden ist. Auch in diesen Fällen fehle es an einer abstrakten Missbrauchsgefahr – ebenso wie bei einer Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs –, der mit den in den §§ 5 und 6 GrEStG geregelten Vor- und Nachbehaltensfristen begegnet werden soll. Vor allem bei nachfolgenden Fallkonstellationen kann eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang erfüllen, der zur Unanwendbarkeit von § 5 Abs. 3 GrEStG führen kann:

87

Beendet der grundstücksübertragende Gesellschafter seine dingliche Mitberechtigung an der Gesamthand vollständig, indem er als vorletzter Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Gesellschaft ausscheidet, führt dies beim verbleibenden Gesellschafter zu einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbaren Anwachsung. Vollzieht sich die Anwachsung sukzessiv in mehreren Rechtsakten, bleibt es allerdings bei der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 GrEStG (vgl. hierzu Rz. 113 ff.).3

88

Durch die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung kann ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG ausgelöst werden. Auf den zum 1.7.2021 neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG sollen §§ 5 und 6 GrEStG von vornherein keine Anwendung finden (vgl. Rz. 4). Ähnlich wie bei der Anwachsung ist es auch bei den vorgenannten Ersatzrealisationstatbeständen für die Frage der (Nicht-)Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 GrEStG von Bedeutung, ob der Erwerbstatbestand in einem Rechtsakt oder sukzessiv in mehreren Rechtsakten verwirklicht wird.4

89

Beispiel: A verkauft im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück an eine OHG, an deren Vermögen er mit 95 % beteiligt ist. Die übrigen 5 % hält B. Im Jahr 2017 überträgt A einen OHG-Anteil i.H.v. 90 % und B seinen 5 %igen OHG-Anteil in einem Rechtsakt an den C.5 Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksveräußerung im Jahr 2015 wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 95 % nicht erhoben. Im Jahr 2017 hat der A zwar seine vermögensmäßige Beteiligung an der OHG i.H.v. 90 % vermindert, jedoch kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung, da 95 % der Anteile an der OHG in einem Rechtsakt auf den neuen Gesellschafter C übergegangen sind, so dass der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist. Beispiel: A verkauft im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück an eine OHG, an deren Vermögen er mit 95 % beteiligt ist. Die übrigen 5 % hält B. Im Jahr 2016 überträgt A einen OHG-Anteil i.H.v. 90 % an C. Im Jahr 2017 überträgt B seinen 5 %igen OHG-Anteil an D.6

1 2 3 4

Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1. BFH v. 25.8.2020 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162; vgl. hierzu auch Behrens, BB 2021, 354. Vgl. hierzu mit Beispielen gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6. Vgl. zum Ganzen gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 84 ff.; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 116 ff. 5 Beispiel nach gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1. 6 Beispiel nach gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.2.

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§ 5 Rz. 89 Übergang auf eine Gesamthand Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksveräußerung im Jahr 2015 wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 95 % nicht erhoben. Die Übertragung der 90 %igen Beteiligung von A auf C im Jahr 2016 stellt keinen steuerbaren Rechtsvorgang dar. § 5 Abs. 3 GrEStG ist anwendbar und führt zur Rückgängigmachung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen im Umfang von 90 %. Durch die 5 %ige Anteilsübertagung von B auf D im Jahr 2017 ist der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt, da innerhalb von 5 Jahren 95 % der Anteile an der OHG auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Auf die Bemessungsgrundlage dieses Erwerbsvorgangs ist nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG die Bemessungsgrundlage im Jahr 2016 anzurechnen, für die die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG rückwirkend zu versagen ist. Hierdurch soll eine Doppelbesteuerung aus der ursprünglichen Übertragung des Grundstücks und der Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG vermieden werden. Hinweis: Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG fehlt eine solche Anrechnungsmöglichkeit. Ist der (wirtschaftlichen) Anteilsvereinigung durch mehrere Rechtsakte eine zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führende Anteilsverminderung vorausgegangen, unterliegt die Anteilsvereinigung der Besteuerung. Die durch die Anteilsminderung nach § 5 Abs. 3 GrEStG ausgelöste rückwirkende Versagung der Steuervergünstigung für die ursprüngliche Übertragung des Grundstücks bleibt unberücksichtigt, so dass es insoweit zu einer Doppelbesteuerung kommt. Dieses Ergebnis erscheint nicht sachgerecht, da kein Grund ersichtlich ist, im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG eine Anrechnung vorzunehmen, im Anwendungsbereich der § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG hingegen nicht. Es dürfte sich daher um ein gesetzgeberisches Versehen handeln, dass eine dem § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG vergleichbare Anrechnungsmöglichkeit bei § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG fehlt. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage erscheint daher eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG im Regelungsbereich des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG geboten.1 Wird ein Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG durch einen Rechtsakt ausgelöst, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG – ebenso wie im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG – nicht zur Anwendung.2

c) Ausscheiden des Gesellschafters 90

Scheidet der Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, verliert er hierdurch vollständig seine dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen und damit auch am nämlichen Grundstück. Als Gründe für das Ausscheiden kommen in Betracht (vgl. § 131 Abs. 3 HGB): – Kündigung des Gesellschafters, – Kündigung durch Privatgläubiger des Gesellschafters, – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, – Gesellschafterbeschluss oder – Ausschluss des Gesellschafters (mit oder ohne dessen Zustimmung). Erfolgt ein solches Ausscheiden innerhalb der fünfjährigen Sperrfrist, kommt es grundsätzlich zur vollständigen rückwirkenden Versagung der nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen.

91

Ausnahmen gelten jedoch bei folgenden Konstellationen:

92

Ein Ausscheiden durch Tod (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB) führt nicht zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG, da „der Tod eines Gesellschafters nicht zu den Gestaltungsmitteln (gehört), die eingesetzt werden, um das Steuervermeidungspotential, das mit der Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG eingeschränkt werden soll, auszuschöpfen“.3 Diesem Rechtsgedanken trägt das GrEStG auch an anderen Stellen im Gesetz Rechnung (vgl. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG und § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG).

1 Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 16 will bei diesen Fallgestaltungen die Rückgängigmachung der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 GrEStG als eigenständigen Erwerbsvorgang behandeln, so dass im Rahmen der (wirtschaftlichen) Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG die Vorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG zur Anwendung kommen kann, um auf diese Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden; krit. hierzu Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 86. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.2. 3 So Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 17; unstrittig, vgl. statt vieler Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 76 m.w.N.

546

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 97 § 5

Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Gesellschaft unter den verbliebenen Gesellschaftern (ggf. unter Einritt der Erben) fortgeführt wird (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB) oder ob die Gesellschaft aufgelöst wird (vgl. § 727 BGB).1 Das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft führt zur liquidationslosen Vollbeendigung und damit zum Erlöschen der Gesellschaft. Das Gesamthandsvermögen geht kraft Anwachsung auf den verbleibenden Gesellschafter über.2 Eine solche Anwachsung stellt keinen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG dar, da hierdurch ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst wird. Wird in Bezug auf das übertragene Grundstück ein steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst, fehlt es objektiv an einer missbräuchlichen Steuerumgehung, so dass § 5 Abs. 3 GrEStG nicht anwendbar ist (vgl. zur Anwachsung nachfolgend unter Rz. 113).3

93

d) Beitritt neuer Gesellschafter Der Beitritt neuer Gesellschafter und eine damit einhergehende Verringerung der verhältnismäßigen Beteiligung der Altgesellschafter führt zu einer Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand und damit zu einem Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG.4

94

Etwas anderes würde dann gelten, wenn durch gesellschaftsvertragliche Regelungen bestimmt wird, 95 dass der grundstücksübertragende Gesellschafter auch nach dem Beitritt neuer Gesellschafter im gleichen Umfang wie bisher dinglich am Grundstück beteiligt bleibt (vgl. zu schuldrechtlichen Vereinbarungen nachfolgend unter Rz. 97). Ein Sperrfristverstoß liegt ebenfalls nicht vor, soweit sich die vermögensmäßige Beteiligung des grund- 96 stückseinbringenden Gesellschafters zugunsten von Neugesellschaftern verschiebt, die mit diesem i.S.v. § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG familiär verbunden sind. Es ist allgemein anerkannt, dass die unmittelbare Übertragung der Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters auf Personen i.S.v. § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG und eine damit einhergehende Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führt (vgl. hierzu Rz. 79).5 Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass sich die Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters mittelbar zugunsten von nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG begünstigten Neugesellschaftern verschiebt. e) Schuldrechtliche Vereinbarungen Grundsätzlich entspricht die vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand auch zugleich der vermögensrechtlichen Beteiligung am Grundstück. Allerdings können die Gesellschafter abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen treffen, die – sofern sie zivilrechtlich wirksam und ernsthaft gewollt sind und auch entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt werden – grunderwerbsteuerrechtlich anzuerkennen sind.6 Durch solche Gesellschaftervereinbarungen kann in Bezug auf das Grundstück eine (von der Beteiligungsquote an der Gesamthand) abweichende Beteiligungsquote vereinbart werden (vgl. hierzu Rz. 59 ff.).7 Vereinbaren die Gesellschafter nach der Übertragung des Grundstücks, dass der übertragende Gesellschafter an dem Grundstück vermögensmäßig nicht oder nicht entsprechend seiner Beteiligungsquote beteiligt sein soll, stellt dies einen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG dar.

1 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 86. 2 Vgl. Kamanabrou in Oetker, Handelsgesetzbuch7, § 131 Rz. 14. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, 1029 Tz. 7.6. und Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 23. 4 Vgl. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 25. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 21; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 48; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 104. 6 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. 7 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 48.

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97

§ 5 Rz. 97 Übergang auf eine Gesamthand Beispiel: Der A ist an einer OHG mit 50 % beteiligt. Er verkauft der OHG im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück. Im Jahr 2017 schließen die Gesellschafter eine Gesellschaftervereinbarung, wonach der A an dem Grundstück und den entsprechenden stillen Reserven ab sofort vermögensmäßig nicht mehr beteiligt ist. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang war im Jahr 2015 nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 50 % steuerbefreit. Durch die Gesellschaftervereinbarung im Jahr 2017 wurde die vermögensmäßige Beteiligung von A an dem Grundstück beendet. Hierdurch wird der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG verwirklicht mit der Folge, dass die nach § 5 Abs. 2 GrEStG gewährte Steuervergünstigung rückwirkend wegfällt. Dass A nach wie vor mit 50 % am Vermögen der OHG beteiligt bleibt, ist unerheblich. Es gilt die grundstücksbezogene Betrachtungsweise.1

98

Umgekehrt kann eine Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung des übertragenden Gesellschafters an der Gesamthand durch eine entsprechende Gesellschaftervereinbarung zur Vermeidung von nachteiligen Rechtsfolgen nach § 5 Abs. 3 GrEStG kompensiert werden. Beispiel: A ist an einer OHG mit 50 % beteiligt. Er verkauft der OHG im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück. Im Jahr 2017 treten der OHG weitere Gesellschafter bei mit der Folge, dass sich die vermögensmäßige Beteiligung von A an der Gesamthand auf 25 % verringert. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang war im Jahr 2015 nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 50 % steuerbefreit. Der Beitritt der Neugesellschafter und die dadurch bedingte Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung von A an der OHG hätte zur Folge, dass die im Jahr 2015 gewährte Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG i.H.v. 25 % rückgängig gemacht werden würde. Vereinbaren die Gesellschafter jedoch im Zuge des Beitritts der Neugesellschafter, dass A nach wie vor mit 50 % am Grundstück vermögensmäßig beteiligt sein soll, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung.

99

Voraussetzung für die grunderwerbsteuerrechtliche Anerkennung entsprechender schuldrechtlicher Vereinbarungen ist stets, dass der grundstücksübertragende Gesamthänder unmittelbar dinglich am Gesamthandsvermögen mitberechtigt ist. Diese dingliche Mitberechtigung leitet sich allein aus der Stellung als Gesamthänder ab (vgl. hierzu Rz. 50). Das Ausscheiden des grundstückseinbringenden Gesellschafters innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) nach der Übertragung des Grundstücks löst daher i.d.R. die nachteiligen Rechtsfolgen des § 5 Abs. 3 GrEStG aus (vgl. hierzu Rz. 90 ff.); eine Kompensation über schuldrechtliche Vereinbarungen etwa des Inhalts, dass der ausgeschiedene Gesellschafter weiterhin am Grundstück vermögensmäßig beteiligt sein soll, kommt nicht in Betracht. Allein über schuldrechtliche Vereinbarungen kann eine dingliche (Mit-)Berechtigung am Gesamthandsvermögen (und damit auch an einem zum Gesamthandsvermögen gehörenden Grundstück) einer Gesamthandsgemeinschaft nicht begründet werden (vgl. hierzu Rz. 52).

100

Aus diesen Gründen führen auch (atypisch) stille Beteiligungen sowie Unterbeteiligungen als bloße schuldrechtliche Vereinbarungen nicht zu einer dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Bei Treuhandverhältnissen ist zivilrechtlich allein der Treuhänder Gesellschafter und damit am Gesamthandsvermögen dinglich beteiligt. Der Treugeber hat lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen den Treuhänder, nicht jedoch (dingliche) Ansprüche gegen die Gesellschaft (vgl. hierzu Rz. 52, 53). f) Umwandlungsvorgänge auf der Ebene des grundstücksübertragenden Gesamthänders aa) Formwechsel

101

Umwandlungsvorgänge auf der Ebene des grundstücksübertragenden Gesamthänders können zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führen, wenn dieser seine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen der erwerbenden Gesamthand verliert oder zumindest seine vermögensmäßige Beteiligung einschränkt wird.

102

Der Formwechsel (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 190 ff. UmwG) unterliegt als solcher nicht der Grunderwerbsteuer, da an ihm nur ein Rechtsträger beteiligt ist, dessen Identität durch den Formwechsel erhalten 1 Vgl. hierzu Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 8, 25 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 82.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 107 § 5

bleibt; dieser ändert lediglich sein „Rechtskleid“. Unabhängig hiervon ist jedoch die Frage zu sehen, ob durch einen Formwechsel ein Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG begründet werden kann. Nach dem UmwG kommen folgende Umwandlungskonstellationen in Betracht:1

103

Bisherige Rechtsform

Mögliche neue Rechtsform

Vorschrift des UmwG

OHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft

GmbH, AG, KGaA oder eG

§ 214, § 225a

GmbH, AG, KgaA

GbR, OHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft, GmbH, AG, KGaA oder eG

§ 226

eG

GmbH, AG, KGaA

§ 258

rechtsfähiger Verein

GmbH, AG, KGaA

§ 272

VVaG

AG

§ 291

Im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 GrEStG ist hierbei die Unterscheidung zwischen homogenen und heterogenen Formwechseln von Bedeutung. Ein homogener Formwechsel liegt vor, wenn die rechtliche Struktur der Gesellschaftsform erhalten bleibt. Dies ist z.B. bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft der Fall (z.B. Formwechsel einer GmbH in eine AG). Ein heterogener oder auch kreuzender Formwechsel liegt hingegen vor, wenn eine Rechtsform anderer rechtlicher Struktur angenommen wird z.B. Formwechsel GmbH in eine GbR und umgekehrt).

104

Ein homogener Formwechsel des übertragenden Gesamthänders führt nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG und zwar unabhängig davon, ob es sich bei diesem um eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft handelt.2

105

Ein heterogener Formwechsel des übertragenden Gesamthänders führt zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG (bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) und damit zur rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigungen. Denn hierdurch verliert der übertragende Gesellschafter seine gesamthänderische Mitberechtigung an der erwerbenden Gesamthand. Dies gilt sowohl für den Wechsel einer Kapitalgesellschaft in einer Personengesellschaft als auch für den umgekehrten Fall des Wechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft.3

106

bb) Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge Geht das Vermögen einer grundstücksübertragenden Kapitalgesellschaft im Wege der Verschmel- 107 zung (§§ 2 ff. UmwG) oder Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) auf einen anderen Rechtsträger über, führt dies zum Verlust ihrer dinglichen Mitberechtigung an der erwerbenden Gesamthand. Gleiches gilt im Falle der Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) oder Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG), wenn die Beteiligung an der erwerbenden Gesamthand zum abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögen gehört. In sämtlichen vorgenannten Fällen hat die Kapitalgesellschaft ihre dingliche Mitberechtigung an der erwerbenden Gesamthand verloren, indem diese auf einen anderen Rechtsträger übergegangen ist. Damit ist § 5 Abs. 3 GrEStG anwendbar, so dass die in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen rückwirkend entfallen.4 Handelt es sich beim übertragenden Rechtsträger um eine Personengesellschaft, ist § 6 GrEStG einschlägig.

1 Vgl. Golombek, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, „Formwechsel“, Rz. 4. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.1 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 94. 3 Vgl. BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.1; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 93. 4 Vgl. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 28; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 114, 116, 120.

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§ 5 Rz. 108 Übergang auf eine Gesamthand g) Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der erwerbenden Gesamthand aa) Formwechsel 108

Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der erwerbenden Gesamthand können zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG beim grundstücksübertragenden Gesamthänder führen, wenn diese zum Verlust seiner unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen führen oder zumindest seine vermögensmäßige Beteiligung einschränken.

109

Nach dem UmwG sind lediglich folgende Gesamthandsgemeinschaften zum Formwechsel berechtigt (vgl. zu den möglichen Umwandlungskonstellationen Rz. 103): Die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG sowie die Partnerschaftsgesellschaft (§ 191 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwG). Für diese kommt nach dem UmwG ein heterogener Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft in Betracht (§ 214 Abs. 1, § 225a UmwG). Ein homogener Formwechsel in eine andere Personen(-handels-)gesellschaft ist nach dem UmwG nicht zulässig (vgl. Rz. 103). Die Umwandlung einer GbR in eine OHG vollzieht sich außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwG. Die GbR wird durch den Betrieb eines Handelsgewerbes automatisch zur OHG (§ 105 Abs. 1 HGB). Auf einen entsprechenden Willen der Gesellschafter kommt es nicht an.1

110

Ein homogener Formwechsel der erwerbenden Gesamthand in eine andere Gesamthand lässt die gesamthänderische Mitberechtigung des grundstücksübertragenden Gesellschafters unberührt. Ein solcher Formwechsel führt nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG.2

111

Ein heterogener Formwechsel der erwerbenden Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft führt zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG und damit zur rückwirkenden Versagung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen. Denn die Gesellschafter (und damit auch der grundstücksübertragende Gesellschafter) einer Kapitalgesellschaft sind an deren Gesellschaftsvermögen nicht mehr dinglich mitberechtigt; vielmehr ist allein die Kapitalgesellschaft Eigentümerin des Gesellschaftsvermögens. Die bloße mittelbare Teilhabe der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft an Wertveränderungen des Gesellschaftsvermögens und damit auch der Gesellschaftsgrundstücke über ihre allgemeine Beteiligung an den Erträgen der Gesellschaft reicht dazu nicht aus.3 Die gleichen Rechtsfolgen treten aufgrund des durch das KöMoG4 vom 25.6.2021 mit Wirkung zum 1.7.2021 eingefügten § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG ein, wenn eine Gesamthand innerhalb der Sperrfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG nach § 1a KStG zur Körperschaftsteuerpflicht optiert (vgl. hierzu Rz. 12 und 121.2). Infolge des durch den heterogenen Formwechsel eintretenden Verlusts der unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung des grundstücksübertragenden Gesellschafters sind die in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen vollständig rückgängig zu machen.5 bb) Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge

112

Geht das Vermögen der erwerbenden Gesamthand im Wege der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG) auf einen anderen Rechtsträger über, sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt. Grund hierfür ist, dass diese Verschmelzung einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang darstellt, so dass die für die Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG erforderliche objektive Steuerumgehung fehlt.6 Gleiches gilt, wenn das übertragene Grundstück im Wege der Spaltung (§ 123 UmwG) auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Auch insoweit liegt ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang vor, so dass § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung kommt.7 Vgl. Lieder in Oetker, Handelsgesetzbuch7, § 105 HGB Rz. 7. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.1.1. Vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BStBl. II 2015, 504. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.1.2. 6 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 115 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 92. 7 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 119 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 92.

1 2 3 4 5

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 116 § 5

h) Auflösung der erwerbenden Gesamthand, Anwachsung Führt der Tod eines Gesellschafters (vgl. § 727 Abs. 1 BGB) oder ein anderes Ereignis (z.B. Gesellschafterbeschluss zum Austritt oder zum Ausschluss von Gesellschaftern) zur Auflösung der Gesellschaft, wird allein dadurch (noch) kein Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG ausgelöst. Denn die Auflösung der Gesellschaft bedeutet noch nicht deren (Voll-)Beendigung, sondern sie bewirkt vielmehr den Übergang einer werbenden Gesellschaft in eine Liquidationsgesellschaft. Ein Gesellschafterwechsel tritt hierbei nicht ein und auch die Identität der Gesellschaft bleibt erhalten.1

113

Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer Personen(-handels-)gesellschaft (zweigliedrige Gesellschaft) aus, führt dies i.d.R. zur sofortigen liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft, da eine solche Gesellschaft zwingend eine Personenmehrheit voraussetzt (vgl. § 705 BGB). Das Gesellschaftsvermögen fällt dem verbleibenden Gesellschafter kraft Anwachsung zu.2 Eine solche Anwachsung stellt keinen Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG dar, wenn das Gesamthandsvermögen mitsamt dem nämlichen Grundstück innerhalb der Sperrfrist übergeht auf – den grundstücksübertragenden Gesamthänder, – einen anderen Gesellschafter oder – einen fremden Dritten (in einem Rechtsakt). Denn in diesen Fällen liegt jeweils ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang vor, da das Gesamthandsvermögen und damit auch das nämliche Grundstück kraft Gesetzes übergeht.3 Wird in Bezug auf das übertragene Grundstück ein nach § 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst, fehlt es stets an der für die Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG erforderlichen Möglichkeit einer missbräuchlichen Steuerumgehung. Es fehlt an dem von der Vorschrift vorausgesetzten – keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand auslösenden – Ausscheiden des Grundstücks aus dem grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnungsbereich des übertragenden Gesamthänders. Ob für den Anwachsungsvorgang möglicherweise die Steuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG ganz oder teilweise nicht erhoben wird, ist insoweit unerheblich, da es lediglich auf die Steuerbarkeit des Vorgangs ankommt.4

114

Die unter vorstehender Rz. 114 genannten Rechtsfolgen treten gleichermaßen ein, wenn das Gesamt- 115 handsvermögen und damit auch das nämliche Grundstück im Zuge der auf die Auflösung der Gesellschaft folgenden Liquidation auf den grundstücksübertragenden Gesamthänder, einen anderen Gesellschafter oder einen fremden Dritten übergeht. Auch hierbei wird in Bezug auf das nämliche Grundstück der Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG erfüllt, so dass ein Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG zu verneinen ist.5 Vollzieht sich die Anwachsung nicht in einem, sondern in mehreren Rechtsakten, kann dies zur Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 GrEStG führen. Beispiel: A verkauft im Jahr 2015 ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück an eine OHG, an deren Vermögen er mit 50 % beteiligt ist. Weitere Gesellschafter sind B und C, die jeweils mit 25 % am Vermögen der OHG beteiligt sind. Im Jahr 2016 übernimmt B zunächst den Anteil des A und im Jahr 2017 den Anteil des C. Er führt das Unternehmen als Einzelunternehmen fort.6 Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksveräußerung im Jahr 2015 wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 50 % nicht erhoben. Indem A im Jahr 2016 aus der OHG ausscheidet, hat er seine dingliche Mitberechtigung an der OHG vollständig verloren. Die in Anspruch genommene Steuervergünstigung ist nach § 5 Abs. 3 GrEStG rückwirkend zu versagen. Dass es im darauffolgenden Jahr 2017 zu einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbaren Anwachsung kommt, hat keinen Einfluss auf die Versagung der Steuervergünstigungen im Jahr 2016; die Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG wird hierdurch nicht wieder rückgängig gemacht.

1 2 3 4 5 6

Vgl. hierzu Kamanabrou in Oetker, Handelsgesetzbuch7, § 131 Rz. 19. Vgl. hierzu Kamanabrou in Oetker, Handelsgesetzbuch7, § 131 Rz. 14. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 115. Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 87. Nach gleichlaulautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6 Beispiel 11.

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551

116

§ 5 Rz. 117 Übergang auf eine Gesamthand i) Veränderung variabler Kapitalkonten 117

Die Bestimmung der vermögensmäßigen Beteiligung ist bei bestimmten Gesamthandsgemeinschaften (insbesondere GbR, KG und OHG) problematisch, wenn die Beteiligungsquote unter Einbeziehung von variablen Kapitalkonten ermittelt werden muss. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Gesellschafter entweder gar keine festen (und unveränderlichen) Kapitalkonten haben oder die Gesellschafter zwar feste Kapitalkonten haben, sich die Beteiligungshöhe jedoch auch unter Einbeziehung variabler Kapitalkonten ermittelt, auf denen laufende Gewinne und Verluste sowie Entnahmen und Einlagen verbucht werden. In diesen Fällen ist die vermögensmäßige Beteiligung der Gesellschafter ständigen Veränderungen unterworfen, so dass sich im Hinblick auf § 5 Abs. 3 GrEStG die Frage stellt, unter welchen Voraussetzungen eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung am Gesamthandsvermögen anzunehmen ist. Eine sachgerechte Antwort zu finden, bereitet Schwierigkeiten.1

118

Die Ausgangsüberlegung ist folgende: Es dürfte bereits unter Praktikabilitätsgesichtspunkten untunlich sein, jede geringfügige Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders am Gesamthandsvermögen innerhalb des Fünfjahreszeitraums mit den Rechtsfolgen des § 5 Abs. 3 GrEStG zu belegen. Auf der anderen Seite darf eine erhebliche Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung in Hinblick auf § 5 Abs. 3 GrEStG nicht unberücksichtigt bleiben. Wo indes die Grenze zu ziehen ist, ab wann eine gewisse Erheblichkeitsschwelle erreicht ist, die die Rechtsfolgen des § 5 Abs. 3 GrEStG auslöst, ist schwerlich zu bestimmen. Pahlke befürwortet unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eine Nichtbeanstandungsgrenze in Höhe der Bagatellgrenze nach § 3 Nr. 1 GrEStG (Bemessungsgrundlage beträgt nicht mehr als 2.500 Euro).2 Diese Größenordnung dürfte jedoch deutlich zu niedrig sein und in der Praxis kaum weiterhelfen.

119

Sachgerechter erscheint es, auf eine Unschädlichkeitsgrenze i.H.v. 5 % abzustellen, wie sie auch in anderem Kontext zur Anwendung kommt:3 Vermindert sich die vermögensmäßige Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders innerhalb des Fünfjahreszeitraums um mehr als 5 % im Vergleich zum Zeitpunkt der Übertragung, erscheint die Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG angezeigt. j) Wechsel einer unmittelbaren Beteiligung zu einer mittelbaren Beteiligung und umgekehrt

120

Die Vergünstigungen nach § 5 GrEStG werden auch dann gewährt, wenn der grundstücksübertragende Gesellschafter seine Beteiligung an der aufnehmenden Gesamthand über eine weitere Gesamthand hält und damit nur mittelbar an der aufnehmenden Gesamthand beteiligt ist (Ausnahme vom Grundsatz der unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung bei doppelstöckigen Personengesellschaften/Gesamthandsgemeinschaften, vgl. hierzu Rz. 55). Aus diesem Grund findet § 5 Abs. 3 GrEStG keine Anwendung, wenn die Beteiligung an der grundstückserwerbenden Gesamthand von einer – über eine oder mehrere Gesamthandsgemeinschaften bestehenden – mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung verstärkt wird. Gleiches gilt für die Abschwächung einer unmittelbaren zu einer mittelbaren Beteiligung, wenn sich hierdurch der Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesamthand nicht vermindert. Soweit sich durch die Abschwächung jedoch die Beteiligung am Vermögen der erwerbenden Gesamthand vermindert hat, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG zur Anwendung. Für die Ermittlung der mittelbaren vermögensmäßigen Beteiligung an der erwerbenden Gesamthand sind Beteiligungsquoten der Gesellschaften zu multiplizieren.4

121

Wird eine unmittelbare Beteiligung an der grundstückserwerbenden Gesamthand unter Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft zu einer mittelbaren Beteiligung abgeschwächt, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG zur Anwendung. Denn hierdurch wird die unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Ver1 Vgl. zum Ganzen Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 27; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 50; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 85. 2 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 50. 3 Vgl. z.B. die Geringfügigkeitsgrenze i.H.v. 5 % im Rahmen von § 9 Abs. 2 UStG, bei der Frage, ob ein Grundstück „ausschließlich“ für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze genutzt wird, Abschn. 9.2 Abs. 3 UStAE. 4 Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.7 mit entsprechenden Beispielen sowie Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 125.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 122 § 5

mögen der erwerbenden Gesamthand vollständig beendet, da die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht dinglich am Vermögen der Gesamthand mitberechtigt sind (vgl. hierzu Rz. 25). k) Rechtsfolgen des Brexit (Satz 2) Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20201 wurden § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG 121.1 mit Wirkung zum 1.2.2020 um eine Regelung ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt. Hiermit sollen ausweislich der Gesetzesbegründung folgende Fälle erfasst werden: Wenn an einer Limited mit inländischer Geschäftsleitung, der vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG gewährt wurde, nur ein Gesellschafter beteiligt ist, tritt durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited. Dadurch vermindert sich der Anteil am Vermögen der Gesamthand, und es kann insoweit zur Versagung der Vergünstigung nach § 5 Absatz 3 Satz 1 GrEStG kommen (Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist). Um dies zu verhindern, wurde § 5 Abs. 3 GrEStG um einen Satz 2 ergänzt, wonach eine nach § 5 GrEStG in Anspruch genommene Steuervergünstigung nicht allein dadurch entfällt, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ausgetreten sind. l) Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG (Satz 3) Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)2 wurde mit der Vor- 121.2 schrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.3 Danach können diese Gesellschaften auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Diese Fiktion gilt allerdings lediglich für Ertragsteuerzwecke. Für die Grunderwerbsteuer gilt die Fiktion ausdrücklich nicht, so dass die optierenden Gesellschaften für Grunderwerbsteuerzwecke nach wie vor wie Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften behandelt werden und damit auch die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch nehmen können. Zur Vermeidung von (für den Gesetzgeber) missliebigen Gestaltungen wurden in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 und § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG entsprechende Regelungen aufgenommen (vgl. zu den ertragsteuerlichen Hintergründen Rz. 12). Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Die durch das KöMoG eingefügte Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG sieht vor, dass die Ausübung der Option nach § 1a KStG innerhalb der auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG einen Sperrfristverstoß darstellt. Die Rechtslage ist insoweit identisch mit dem heterogenen Formwechsel der Gesamthand in eine Kapitalgesellschaft, die ebenfalls einen Sperrfristverstoß i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG darstellt (vgl. hierzu Rz. 111). Der umgekehrte Fall, dass eine Gesellschaft zunächst nach § 1a KStG optiert und anschließend ein Grundstück auf die Gesellschaft übertragen wird, wird von § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG erfasst (vgl. hierzu Rz. 70.2). 3. Erhöhung der vermögensmäßigen Beteiligung Eine Erhöhung der vermögensmäßigen Beteiligung innerhalb der Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG hat keinerlei Einfluss auf die nach Abs. 1 oder Abs. 2 in Anspruch genommene Steuervergünstigung. Insbesondere wird eine in der Vergangenheit im Rahmen einer Grundstücksübertragung gewährte Steuervergünstigung nicht dadurch erhöht, dass der übertragende Gesellschafter nachträglich seine vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand erhöht. Grund hierfür ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen zum Zeitpunkt des Übergangs des Grundstücks dem Grunde und der Höhe nach vorliegen müssen. Nachträgliche Veränderungen der Betei1 BGBl. 2020 I S. 3096. 2 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 3 Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230.

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122

§ 5 Rz. 122 Übergang auf eine Gesamthand ligungsquote unterliegen ausschließlich den Regelungen des § 5 Abs. 3 GrEStG, der nur bei einer Verminderung der Beteiligung Anwendung findet. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift mit dem Ziel, missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden und die folglich entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung eng auszulegen ist. Eine analoge Anwendung auf Fälle der nachträglichen Erhöhung der vermögensmäßigen Beteiligung scheidet daher aus. Kam es in der Vergangenheit zu einem Sperrfristverstoß aufgrund einer Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung, kann dieser auch nicht durch eine später erfolgende Erhöhung der Beteiligung wieder rückgängig gemacht werden. Vielmehr treten die Rechtsfolgen des § 5 Abs. 3 GrEStG mit Verwirklichung des betreffenden Tatbestands ein. Ebenso wenig soll die Vorschrift des § 16 GrEStG (Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung) zur Anwendung kommen, wenn der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wurde (vgl. Rz. 138 ff.).

III. Kein Wegfall der Steuervergünstigung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion 1. Allgemeines 123

Wie oben unter Rz. 71 ff. bereits ausgeführt, handelt sich bei § 5 Abs. 3 GrEStG um eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Durch die Sperrfrist sollen insbesondere Gestaltungen verhindert werden, bei denen ein eigentlich beabsichtigter und der Grunderwerbsteuer unterliegender Grundstückskauf (asset deal) als Anteilskaufvertrag (share deal) vollzogen wird, um unter Ausnutzung der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG und unter Beachtung der 90 %/ 95 %-Grenzen in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden:1 Beispiel: A überträgt ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück auf eine GmbH & Co. KG, an deren Vermögen er als einziger Kommanditist zu 100 % beteiligt ist. Anschließend verkauft und überträgt er einen Teil-Kommanditanteil im Umfang von 94,9 % an B. Rechtslage bis 30.6.2021: Die Übertragung des Grundstücks ist aufgrund von § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe steuerfrei. Die anschließende Anteilsübertragung würde – ohne die Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG – ebenfalls keine Grunderwerbsteuer auslösen, da die 95 %-Grenze nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erreicht wird. Rechtslage ab 1.7.2021: Nach der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage könnten im vorstehenden Beispiel durch die Absenkung der steuerauslösenden Beteiligungsschwelle von 95 % auf 90 % nur noch maximal 89,9 % der Anteile an der KG übertragen werden, ohne den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG zu verwirklichen.

§ 5 Abs. 3 GrEStG zielt folglich darauf ab, eine Steuerumgehung durch die missbräuchliche Ausnutzung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG zu verhindern. Aufgrund der Objektivierung des Tatbestands, bei der für den Ausschluss der Vergünstigungen nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG ausschließlich darauf abgestellt wird, dass sich die vermögensmäßige Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesamthänders vermindert, ist der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 GrEStG sehr weit gefasst (vgl. hierzu Rz. 71 ff.). Es werden folglich vom Wortlaut der Norm auch Sachverhalte erfasst, bei denen eine Steuerumgehung von vornherein ausgeschlossen ist. 2. Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion a) Allgemeines 124

Insbesondere bei folgenden Konstellationen ist eine Steuerumgehung ausgeschlossen, so dass § 5 Abs. 3 GrEStG trotz Erfüllung des Tatbestands nicht zur Anwendung kommt, also teleologisch reduziert wird:

1 Vgl. zur Intention des Gesetzgebers auch BT-Drucks. 14/265 v. 13.1.1999, S. 204.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 127 § 5

– Im Zeitpunkt der Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung befindet sich das Grundstück nicht mehr im Gesamthandsvermögen, da es zuvor durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang aus dem Gesamthandsvermögen ausgeschieden ist (vgl. Rz. 125); – die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus (vgl. Rz. 126); – auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung (vgl. Rz. 127). b) Das übertragene Grundstück befindet sich im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr im Gesamthandsvermögen der erwerbenden Gesamthand Ist das Grundstück, für dessen Übertragung eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG in Anspruch genommen wurde, bereits vor der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung (Sperrfristverstoß) durch einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang aus dem Gesamthandsvermögen ausgeschieden, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung. In diesen Fällen ist eine missbräuchliche Gestaltung objektiv ausgeschlossen.1

125

Hinweis: Zur teleologischen Reduktion des § 5 Abs. 3 GrEStG ist es ausreichend, dass das Ausscheiden des Grundstücks auf einem nach § 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang beruhte. Es ist nicht erforderlich, dass der Vorgang auch grunderwerbsteuerpflichtig war, also tatsächlich Grunderwerbsteuer ausgelöst hat. Ausreichend ist vielmehr, dass der Vorgang zwar nach § 1 GrEStG steuerbar ist, jedoch z.B. nach § 3 GrEStG oder § 6a GrEStG steuerfrei war.2 Beispiel: Im Jahr 2015 hat A ein in seinem Alleineigentum befindliches Grundstück auf eine GmbH & Co. KG übertragen, an deren Vermögen er als einziger Kommanditist zu 100 % beteiligt war. Im Jahr 2016 wird das Grundstück a) an einen fremden Dritten, b) an die Ehefrau des A verkauft. Im Jahr 2017 veräußert A seine gesamte Kommanditbeteiligung. Die Veräußerung der Kommanditbeteiligung im Jahr 2017 erfüllt den Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG. Trotzdem wird die Vorschrift sowohl in der Variante a) als auch in der Variante b) nicht angewendet, da das Grundstück zuvor durch einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang – in der Variante a) steuerbar und steuerpflichtig, in der Variante b) steuerbar, aber nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerfrei – ausgeschieden ist.

c) Die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus Löst die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus, kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung. In Betracht kommt hierbei insbesondere die Verwirklichung des Erwerbstatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG infolge einer Anwachsung sowie die Verwirklichung der fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (vgl. hierzu Rz. 86 ff., 113 ff.). Auch in diesen Fällen ist eine missbräuchliche Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, da die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung einen steuerbaren Erwerbsvorgang auslöst. Ob und inwieweit dieser Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist, ist für die teleologische Reduktion von § 5 Abs. 3 GrEStG unerheblich.3

126

d) Auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung Vermindert sich die Beteiligung zugunsten von Personen, bei denen eine Grundstücksübertragung aufgrund einer personenbezogenen Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG steuerfrei wäre (insbesondere bei einer Übertragung auf den Ehegatten, § 3 Nr. 4 GrEStG oder auf Kinder, § 3 Nr. 6 GrEStG), führt dies nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG. Zwar sind die Steuerbefreiungen nach § 3 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.2. 2 Vgl. statt vieler Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 115. 3 Vgl. statt vieler Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 115.

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127

§ 5 Rz. 127 Übergang auf eine Gesamthand GrEStG auf die Übertragung einer Beteiligung nicht unmittelbar anwendbar, jedoch ist der dahinter stehende Rechtsgedanke bei Anteilsübertragungen entsprechend zu berücksichtigen.1 Könnte das Grundstück selbst an diese Personen steuerfrei übertragen werden, kann die Übertragung von Anteilen an der grundbesitzenden Gesamthand an eben diese Personen nicht missbräuchlich i.S.v. § 5 Abs. 3 GrEStG sein (vgl. zum Ganzen Rz. 79). Gleiches gilt, wenn sich im Zuge des Beitritts neuer Gesellschafter die vermögensmäßige Beteiligung des übertragenden Gesellschafters zugunsten von z.B. nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG begünstigter Neugesellschafter vermindert (vgl. hierzu Rz. 94 ff.). 128

Geht die Beteiligung schenkweise oder von Todes wegen auf einen Dritten über, kommt insoweit der Rechtsgedanke der sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung. Wenn das Grundstück nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei übergehen könnte, dann kann die entsprechende Übertragung von Anteilen an der grundbesitzenden Gesamthand keine Steuerumgehung sein, die zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG führt (vgl. hierzu Rz. 80 ff.).

IV. Berechnung der Sperrfrist 129

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20212 wurde die fünfjährige Sperrfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG für Erwerbsvorgänge ab dem 1.7.2021 auf zehn Jahre verlängert (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung und zur Weitergeltung der bisherigen Fünfjahresfrist Rz. 74.1). Die Sperrfrist berechnet sich nach §§ 186 ff. BGB.3 Die Frist beginnt mit dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand. Ein Übergang eines Grundstücks auf die Gesamthand liegt vor, wenn das Grundstück dieser grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies ist nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 GrEStG i.V.m. § 1 GrEStG der Fall.4 Nach anderer Auffassung kommt es auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung i.S.v. § 38 AO an.5

130

Was ein „Erwerbsvorgang“ ist, ist durch die Überschrift des § 1 GrEStG festgelegt: Erwerbsvorgänge sind diejenigen Rechtsvorgänge, welche gemäß den Besteuerungstatbeständen des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen.6 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht.7 Auf den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück kommt es insoweit nicht an.

131

Der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist abhängig von dem jeweiligen in § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG genannten Erwerbsvorgang. Es ist somit für jeden einzelnen Erwerbstatbestand gesondert zu prüfen, wann dieser verwirklicht ist. Nachfolgend einige ausgesuchte Beispiele zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs:8 – § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG: Notarieller Abschluss des Grundstückskaufvertrags oder eines anderen schuldrechtlichen Übertragungsvertrages 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4, Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 21; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 48; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 104. 2 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6; ebenso Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 23. 5 Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 24; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 92 und Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 16e; wohl ebenso BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 6 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 22. 7 Vgl. BFH v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. 8 Vgl. hierzu Sanna in Griesar/Jochum, eKomm, § 5 GrEStG Rz. 19 sowie Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 25 ff.

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C. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Abs. 3)

Rz. 135 § 5

– § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG: Bei Verschmelzungsvorgängen die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers – § 1 Abs. 2a GrEStG: Erlangung der dinglichen Gesellschafterstellung – § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG: Wirksamer Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages – § 1 Abs. 3a GrEStG: Grundsätzlich wirksamer Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages. In der Regel dürfte der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs dem Zeitpunkt der Steuerentstehung entsprechen.1 Ausnahmen gelten jedoch insbesondere dann, wenn ein Grundstückskaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung steht oder von einer Genehmigung abhängig ist (vgl. § 14 GrEStG). In diesen Fällen ist der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits mit Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages verwirklicht, während der Zeitpunkt der Steuerentstehung vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung abhängig ist. In Zweifelsfällen sollte im Rahmen der Gestaltungsberatung aus Gründen der Vorsicht auf den späteren Zeitpunkt der Steuerentstehung abgestellt werden.

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V. Rechtsfolgen der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des Veräußerers Vermindert sich die vermögensmäßige Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesamthänders in- 133 nerhalb der Sperrfrist, so ist die nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommene Vergünstigung (anteilig) zu versagen. Auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerentstehung erfolgt eine geänderte Steuerfestsetzung oder es wird erstmalig ein Grunderwerbsteuerbescheid erlassen, wenn für den Erwerbsvorgang bislang aufgrund der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer festgesetzt worden ist. Die (geänderte) Festsetzung der Grunderwerbsteuer erfolgt dann unter Berücksichtigung der verminderten Beteiligung an der Gesamthand. Eine Verzinsung der nachzuentrichtenden Steuer erfolgt nicht (vgl. § 233a Abs. 1 AO). Zu den verfahrensrechtlichen Aspekten vgl. nachfolgend unter Rz. 134 ff. Beispiel: A hatte ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück mit Kaufvertrag vom 22.5.2015 an eine OHG verkauft, an der er zu 80 % beteiligt war. Im Jahr 2017 veräußert er 50 % des OHG-Anteils an einen Dritten. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang war nach § 5 Abs. 2 GrEStG zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs bzw. zum Zeitpunkt der Steuerentstehung am 22.5.2015 zu 80 % von der Grunderwerbsteuer befreit. Durch die Veräußerung seines Teil-OHG-Anteils im Jahr 2017 hat sich sein Anteil am Vermögen der OHG im Sinne von § 5 Abs. 3 GrEStG von 80 % auf 30 % verringert. Die ursprüngliche Steuerfestsetzung, bei der die Grunderwerbsteuer in Höhe von 80 % nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben wurde, ist auf den 22.5.2015 dahingehend zu ändern, dass eine Steuerfreistellung lediglich in Höhe von 30 % erfolgt. Die bislang zu wenig entrichtete Grunderwerbsteuer ist nachzuzahlen. Eine Verzinsung nach § 233a AO erfolgt bereits deshalb nicht, weil die Grunderwerbsteuer nicht zu den in § 233a Abs. 1 AO enumerativ genannten Steuerarten gehört.

VI. Verfahrensfragen Es handelt sich bei § 5 Abs. 3 GrEStG nicht um eine Nacherhebungsvorschrift bzw. Nachversteue- 134 rungsvorschrift. Durch die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift wird kein eigenständiger Besteuerungstatbestand verwirklicht. Vielmehr handelt es sich bei der Verminderung des Anteils am Vermögen i.S.v. Abs. 3 um ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO. Im Hinblick auf die maßgebliche Festsetzungsfrist bewirkt dieses nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO eine Anlaufhemmung mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt.2 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG eine Anzeigepflicht bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung 1 Vgl. auch Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 9. 2 Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 9; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 35 ff.; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 122 ff.

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135

§ 5 Rz. 135 Übergang auf eine Gesamthand nach § 5 Abs. 1 und 2 oder § 6 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG besteht (vgl. § 19 Rz. 148 ff.). Bei verspäteter Erfüllung oder bei Nichterfüllung dieser Anzeigepflicht greift die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Anzeige erstattet worden ist, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Jahres, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung (= Kalenderjahr der Grundstücksübertragung) folgt. Kommen sowohl die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO als auch die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AO zur Anwendung, ist die längere der beiden Anlaufhemmungen für den Beginn der Festsetzungsfrist maßgeblich.1 136

Bei Nichterfüllung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG kann der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bzw. der Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt sein. Neben den entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen hätte dies darüber hinaus eine Verlängerung der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) auf fünf bzw. zehn Jahre zur Folge (§ 169 Abs. 2 AO).

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Damit die Grunderwerbsteuer durch die Finanzämter auch bei fehlender Anzeige festgesetzt werden kann, sind diese gehalten, Steuerfälle zu überwachen, bei denen eine Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG gewährt wurde. Zeigt der Steuerschuldner eine steuerschädliche Anteilsherabsetzung an, ist der Bescheid zu ändern oder erstmals zu erlassen. In den übrigen Fällen ist der Steuerschuldner nach Ablauf der Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG zu befragen, ob sich die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn bzw. fünf Jahren nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs verringert hat.2

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Die Vorschrift des § 16 GrEStG (Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung) soll nach der Rechtsprechung des BFH und der h.M. in der Literatur keine (entsprechende) Anwendung finden, wenn der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wurde. Nach Ansicht des BFH könne dieses rückwirkende Ereignis nicht i.S.v. § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden.3 Die in § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rückgängigmachung bzw. eines Rückerwerbs sollen nach ihrem klaren Wortlaut sowie unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhangs mit den Rechtsvorgängen des § 1 GrEStG eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Fallgestaltungen, in denen lediglich die Voraussetzungen einer zu versagenden Steuerbefreiung nachträglich „rückgängig“ gemacht werden, der steuerbare Erwerbsvorgang selbst aber unberührt bleibt, nicht zulassen.4

D. Aufeinanderfolge von mehreren der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbeständen (§ 1 Abs. 6 GrEStG) 139

§ 1 Abs. 6 GrEStG regelt, wie sich die Aufeinanderfolge mehrerer steuerbarer Rechtsvorgänge bei demselben Erwerber (Erwerberidentität) in Bezug auf dasselbe Grundstück auswirkt. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG unterliegt ein in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG bezeichneter Erwerbstatbestand auch dann der Besteuerung, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Erwerbstatbestand vorausgegangen ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn einem Erwerber zunächst die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück (§ 1 Abs. 2 GrEStG) und zu einem späteren Zeitpunkt das nämliche Grundstück übertragen wird. Dies ist folgerichtig, da jeder verwirklichte Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Besteuerung eines Erwerbsvorgangs verhindert also nicht die Besteuerung eines nachfolgenden Erwerbsvorgangs, selbst wenn sich durch den nachfolgenden Erwerbsvorgang die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des Grundstücks nicht geändert hat. Eine Doppelbesteuerung dieser Erwerbstatbestände wird durch § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG vermieden, indem die Steuer für den späteren Erwerbsvorgang nur insoweit erhoben wird, als die Bemessungsgrundlage für diesen Erwerbsvorgang die Bemessungsgrundlage des vorausgegangenen Er1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 9. 2 So OFD Nds. v. 21.1.2016 – S 4514-15-St 261, juris. 3 Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43. Zust. Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 35; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 96; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 122. 4 So BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43 Tz. 11.

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D. Mehrere Tatbestände (§ 1 Abs. 6 GrEStG)

Rz. 141 § 5

werbsvorgangs übersteigt. Grunderwerbsteuer für den späteren Erwerbsvorgang wird folglich nur auf der Grundlage der übersteigenden Bemessungsgrundlage festgesetzt.1 In Hinblick auf die Steuervergünstigungen nach § 5 GrEStG ist die Aufeinanderfolge mehrerer steuerbarer Erwerbsvorgänge dann unproblematisch, wenn sich die Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand zum Zeitpunkt der Verwirklichung des weiteren Erwerbsvorgangs nicht verändert hat. In diesem Fall ist die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG für beide Erwerbsvorgänge im jeweils gleichen Verhältnis zu gewähren. Die Grunderwerbsteuer ist für den nachfolgenden Erwerbsvorgang aus der Differenzbemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG unter Berücksichtigung der Steuervergünstigungen nach § 5 GrEStG zu erheben.2

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Beispiel: A ist am Vermögen einer OHG zu 75 % beteiligt. Er überträgt der OHG im Jahr 2015 die Verwertungsbefugnis an einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück für 100.000 Euro. Im Jahr 2017 verkauft A der OHG das nämliche Grundstück zu einem Kaufpreis von 250.000 Euro. Die Übertragung der Verwertungsbefugnis im Jahr 2015 ist ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang. Bemessungsgrundlage ist die Gegenleistung i.H.v. 100.000 Euro (§§ 8, 9 GrEStG). Auf diesen Erwerbsvorgang findet die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG Anwendung, so dass sich die Bemessungsgrundlage, von der die Grunderwerbsteuer erhoben wird, auf 25.000 Euro (25 % von 100.000 Euro) verringert. Die darauf entfallende Grunderwerbsteuer wurde entrichtet. Der Verkauf des Grundstücks an die OHG im Jahr 2017 ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. § 1 Abs. 6 GrEStG findet Anwendung, da Erwerber- und Grundstücksidentität gegeben sind. Da sich die Beteiligung am Vermögen des A an der OHG nicht verändert hat, ist § 5 Abs. 2 GrEStG auch auf diesen Erwerbsvorgang anwendbar. Die Bemessungsgrundlage beträgt 62.500 Euro (250.000 Euro ./. 75 %). Hiervon ist nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG die für den Ersterwerb angesetzte Bemessungsgrundlage i.H.v. 25.000 Euro in Abzug zu bringen, so dass sich die Differenzbemessungsgrundlage auf 37.500 Euro vermindert. Die darauf entfallende Grunderwerbsteuer ist im Jahr 2017 zu entrichten.

Problematisch sind jedoch die Fälle, bei denen sich die Beteiligungsverhältnisse an der Gesamthand im Zeitraum zwischen der Verwirklichung der beiden Erwerbsvorgänge geändert haben. Die h.M. will in diesen Fällen die Differenzbemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht bzw. nur eingeschränkt anwenden.3

1 Vgl. zum Ganzen Fischer in Boruttau19, § 1 GrEStG Rz. 1256 ff. 2 Vgl. Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 126. 3 Vgl. BFH v. 30.8.1961 – II 15/60 U, BStBl. III 1961, 519; Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 127; Schnitter in Wilms/Jochum, § 5 GrEStG Rz. 58; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 122; für eine weitergehende Anwendung der Differenzbemessungsgrundlage Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 40.

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§ 6 Übergang von einer Gesamthand (1) 1Geht ein Grundstück von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer an der Gesamthand beteiligter Personen über, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Bruchteil, den der einzelne Erwerber erhält, dem Anteil entspricht, zu dem er am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. 2Wird ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand übertragen, so ist die Auseinandersetzungsquote maßgebend, wenn die Beteiligten für den Fall der Auflösung der Gesamthand eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart haben. (2) 1Geht ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person über, so wird die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. 2Geht ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders über, so gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend. (3) 1Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten entsprechend beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. 2Absatz 1 ist insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert. 3Satz 2 gilt nicht, soweit allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. 4Absatz 1 ist nicht entsprechend anzuwenden, wenn die erwerbende Gesamthand nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes optiert hat und von einer Gesamthand übergeht, die nicht nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes optiert hat; es sei denn die Ausübung und Wirksamkeit der Option liegt länger als die in Satz 2 genannte Frist zurück und die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht länger als die in Satz 2 genannte Frist. 5Absatz 1 ist nicht entsprechend anzuwenden, wenn die erwerbende Gesamthand eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Absatz 1 des Körperschaftsteuergesetzes mit Sitz im Ausland ist, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt wird. (4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten insoweit nicht, als 1. ein Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat oder 2. die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist oder 3. bei einem Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 2 oder Absatz 3a der Erwerber – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil am Vermögen der Personengesellschaft erstmals durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, es sei denn, einer der Erwerbe der Anteile am Gesellschaftsvermögen durch diesen Erwerber – im Fall der Erbfolge durch seinen Rechtsvorgänger – hat zu einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Absatz 2a geführt. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

1 6

. . . . . . . . . .

8 12

B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3 I. Gesamthand/Gesamthandsgemeinschaft . . II. Übergang von Grundstücken und begünstigte Übertragungsvorgänge

13

1. Grundstücksbegriff . . . . . . . . . . . . . 2. Grundstücksübergang von einer Gesamthand a) Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . b) Übergang eines Grundstücks auf einen oder mehrere an der Gesamthand beteiligte(n) Gesellschafter . . . . . . . 3. Begünstigte Übertragungsvorgänge a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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18

19 21 22 23

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§ 6 Übergang von einer Gesamthand

III. IV.

V. C.

I. II. D.

E.

I.

II.

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c) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1 d) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG aa) Erstmalige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . 25 bb) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG . . . . . . . . . . . . 28 e) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 f) Umwandlungsvorgänge aa) Formwechsel . . . . . . . . . . . . 32 bb) Verschmelzung . . . . . . . . . . . 34 cc) Spaltungsvorgänge . . . . . . . . . 37 Anwendung der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG . . . . . . . . 38 Beteiligung am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft/Beteiligungsquote 1. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung der Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . 41 2. Grundsatz der Unmittelbarkeit . . . . . . 42 3. Gesellschaftsvertragliche Regelungen über die Beteiligungsquote . . . . . . . . 44 4. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . 45 Umfang der Steuervergünstigung . . . . . 46 Übergang eines Grundstücks in das Miteigentum an der Gesamthand Beteiligter (Abs. 1) Grundstücksübergang bei Fortbestand der Gesamthand (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . 50 Grundstücksübergang bei Auflösung der Gesamthand (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . 54 Übergang eines Grundstücks in das Alleineigentum eines an der Gesamthand Beteiligten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 59 Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand (Abs. 3) Grundstücksübertragung zwischen Gesamthandsgemeinschaften (Satz 1) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Anwendung auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . 72 Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Satz 2) 1. Allgemeines/Sinn und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 79 3. Voraussetzungen für den Ausschluss der Steuerbefreiung a) Verminderung des Anteils am Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Zur Verminderung des Anteils am Vermögen führende Fallkonstellationen . 83 4. Berechnung der Sperrfrist . . . . . . . . . 84

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5. Kein Wegfall der Steuerbefreiung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion aa) Objektiver Ausschluss einer Steuerumgehung trotz Tatbestandsverwirklichung . . . . 86 bb) Das übertragene Grundstück befindet sich im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr im Gesamthandsvermögen der erwerbenden Gesamthand . . . . . 87 cc) Die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 dd) Auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung . . 89 6. Rechtsfolgen eines Sperrfristverstoßes und Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . 91 III. Rechtsfolgen des Brexit (Satz 3) . . . . . . 95.1 IV. Rechtsfolgen der Ausübung der durch das KöMoG eingeführten Option nach § 1 Abs. 1a KStG (Satz 4) . . . . . . . . . . . 95.2 V. Ausschluss für bestimmte Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und inländischer Geschäftsleitung (Satz 5) . . . . . . 95.3 F. Ausschluss der Steuerbefreiung/ Sperrfristen (Abs. 4) I. Allgemeines/Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen für den Ausschluss der Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . III. Berechnung der Sperrfristen . . . . . . . . IV. Kein Wegfall der Steuerbefreiung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gesamthand besteht seit weniger als zehn Jahren . . . . . . . . . . . . . c) Grundstück wurde erst nach dem Anteilserwerb des betreffenden Gesamthänders erworben . . . . . . . d) Der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung hat einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst . e) Auf den Anteilserwerb findet eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG (sinngemäße) Anwendung . . . . . .

96 97 102

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Übergang von einer Gesamthand f) Der Anteilserwerb führt beim übertragenden Gesellschafter zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 V. Übertragung von Grundstücken im Rahmen der Auflösung eines Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

§6

G. Aufeinanderfolge von mehreren der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbeständen (§ 1 Abs. 6) . . . . . . . . . . . 115

Literatur: Behrens, Neue RETT-Blocker-Vermeidungsvorschrift in § 1 Abs. 3a GrEStG durch AmtshilfeRLUmsG – Rechtliche Anteilsvereinigung aufgrund „Innehabens“ von (ggf. durchgerechnet) mindestens 95 % an grundbesitzender Gesellschaft, DStR 2013, 1405; Behrens, Zur Reichweite der teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 4 GrEStG, BB 2016, 340; Behrens, Mittelbare Gesellschafterwechsel bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach dessen Änderung durch das StÄndG 2015, BB 2017, 1046; Behrens, Inwieweit ist die mögliche Verschärfung der Grunderwerbsteuer-Regelungen betr. Share Deals schon jetzt zu berücksichtigen?, UVR 2017, 15; Behrens, Die Durchführung aufschiebend bedingter Grundstückskäufe löst die Grundstückszuordnung zum Gesellschaftsvermögen aus, BB 2013, 1576; Behrens/Schmidt, Grunderwerbsteuer durch quotenwahrenden Formwechsel einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit mindestens 95 %igem Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft? – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 16.2.2006, UVR 2008, 16; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuerliche Praxisprobleme beim Grundstücksverkauf von der Personengesellschaft an die Gesellschafter, UVR 2021, 59; Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 01.07.2021, DB 2021, 866; Broemel, Zur teleologischen Reduktion der grunderwerbsteuerlichen Sperrfristen in §§ 5, 6 GrEStG, DB 2019, 1470; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der „Share Deals“ – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/ Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Broemel/Tigges, Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei den grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbeständen, DStR 2020, 2342; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749; Bruschke, Die Sperrvorschriften des GrEStG beim Übergang von Grundstücken unter Beteiligung einer Gesamthand, UVR 2020, 370; Egner/Geißler, Die Stiftung als „long-term-RETT-Blocker“ – Gestaltungsideen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer im Rahmen grunderwerbssteuerlicher Ergänzungstatbestände, DStZ 2015, 333; Fleischer/Keul, Jüngste Erlasse zu Share Deals in der Grunderwerbsteuer, StbG 2019, 104; Fuhrmann, Gesellschafterwechsel und Grunderwerbsteuer, kösdi 2014, 18768; Fuhrmann, Gestaltungsmissbrauch – neue Rechtsprechung, Probleme und Lösungsansätze, kösdi 2013, 18410; Görgen, Die Zurechnung von Beteiligungsanteilen bei Personengesellschaften i.R.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 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§ 6 Rz. 1 Übergang von einer Gesamthand Steuerbefreiungen, StuB 2014, 888; Wälzholz, Aktuelle Fragen der Grunderwerbsteuer in der notariellen Gestaltungspraxis, MittBayNot 2017, 9; Wagner, KöMoG – Einschränkungen bei der Befreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG bei Ausübung der Körperschaftsteuer-Option nach § 1a KStG i.d.F. des KöMoG, DStZ 2021, 604. Verwaltungsanweisungen: BMF-Schreiben vom 24.12.1999 – Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BStBl. I 1999, 1076; BMF-Schreiben vom 19.3.2004 – Steuerliche Einordnung der nach dem Recht der Bundesstaaten der USA gegründeten Limited Liability Company, BStBl. I 2004, 411; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018 – Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG, BStBl. I 2018, 1334; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018 – Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG, BStBl. I 2018, 1314; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.9.2018 – Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG, BStBl. I 2018, 1078; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.9.2018 – Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG, BStBl. I 2018, 1069; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29.6.2021 zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, BStBl. I 2021, 1006; OFD Niedersachsen vom 21.1.2016 – Grunderwerbsteuer; § 5 Abs. 3 GrEStG, juris.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Die §§ 5 und 6 GrEStG sehen Steuervergünstigungen für die Übertragung von Grundstücken zwischen einer Gesamthandsgemeinschaft und den an ihr beteiligten Gesamthändern (Gesellschaftern) vor. § 6 GrEStG regelt die Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum eines oder mehrerer Gesamthänder(s) (Abs. 1), in das Alleineigentum eines Gesamthänders (Abs. 2) oder auf eine andere Gesamthand (Abs. 3). § 5 GrEStG regelt hingegen die umgekehrte Übertragungsrichtung, bei der ein Grundstück von mehreren Miteigentümern (Abs. 1) bzw. von einem Alleineigentümer (Abs. 2) auf die Gesamthand übertragen wird (Grundstücksübertragung auf eine Gesamthand). Handelt es sich bei dem grundstückserwerbenden Gesamthänder um eine andere Gesamthand (Personengesellschaft), bestimmen sich die Rechtsfolgen ausschließlich nach § 6 Abs. 3 GrEStG. Geht ein Grundstück anlässlich der Auflösung der Gesamthand auf den oder die Gesamthänder über, kann für den Umfang der Steuervergünstigungen nach § 6 GrEStG eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote zu beachten sein (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 GrEStG).

2

Soweit der das Grundstück erwerbende bzw. das Grundstück übertragende Gesamthänder an der Gesamthand beteiligt ist, wird die Grunderwerbsteuer nach § 6 bzw. § 5 GrEStG nicht erhoben. Beispiel zu § 6 GrEStG: An einer OHG sind die Gesellschafter A, B und C jeweils zu gleichen Teilen beteiligt. Die OHG überträgt ein im Gesamthandsvermögen befindliches Grundstück auf den Gesellschafter A. Die Grunderwerbsteuer wird nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu einem Drittel nicht erhoben, da A insoweit an der OHG beteiligt ist. Beispiel zu § 5 GrEStG: A und B sind hälftige Miteigentümer eines Grundstücks, das sie auf eine OHG übertragen, an der sie zu jeweils 25 % beteiligt sind. Die Grunderwerbsteuer wird nach § 5 Abs. 1 GrEStG zu 50 % nicht erhoben, da A und B insoweit an der OHG beteiligt sind.

3

Bei dem grundstücksübertragenden Personenzusammenschluss i.S.v. § 6 GrEStG bzw. bei dem grundstücksaufnehmenden Personenzusammenschluss i.S.v. § 5 GrEStG muss es sich jeweils um eine Gesamthandsgemeinschaft handeln. Hiervon erfasst werden alle inländischen Gesamthandsgemeinschaften (z.B. GbR, OHG und KG). Begünstigt sind auch ausländische Gesellschaftsformen, wenn diese nach Maßgabe eines Rechtstypenvergleichs eine mit inländischen Gesamthandsgemeinschaften vergleichbare Rechtsstruktur aufweisen.1 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411 und v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 5 § 6

Kapitalgesellschaften sind keine Gesamthandsgemeinschaften, so dass diese weder als übertragender Rechtsträger i.S.v. § 6 GrEStG noch als erwerbender Rechtsträger i.S.v. § 5 GrEStG in Betracht kommen können. Kapitalgesellschaften können jedoch als Gesellschafter (Gesamthänder) einer Gesamthandsgemeinschaft nach den §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sein, wenn sie ein Grundstück von ihrer Gesamthand erwerben (§ 6 GrEStG) bzw. auf ihre Gesamthand übertragen (§ 5 GrEStG). Die Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG kommen nicht nur bei der Übertragung von Grundstücken zur der Anwendung, sondern sind vom Grundsatz her – über den Wortlaut der Vorschriften hinausgehend – auf sämtliche grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 GrEStG anwendbar. Dies umfasst auch den Übergang der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG sowie die fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG. Auf den mit Wirkung zum 1.7.2021 neu eingeführten Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die Nichterhebungsverschriften der §§ 5 und 6 GrEStG hingegen keine Anwendung finden.1 Dies führt zu einer deutlichen Verschlechterung gegenüber der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage.

4

Beispiel: An einer OHG sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt. Die OHG hält sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Die OHG überträgt sämtliche Geschäftsanteile der GmbH an A. Rechtslage bis zum 30.6.2021: Durch die Übertagung sämtlicher Anteile an der grundbesitzenden GmbH auf A wird der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG verwirklicht (Übertragung vereinigter Anteile). Dieser grunderwerbsteuerbare Vorgang bleibt in Höhe von 50 % nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da A insoweit an der übertragenden OHG beteiligt ist. Rechtslage ab dem 1.7.2021: Die Übertragung der Geschäftsanteile auf A unterfällt nunmehr dem vorrangig zur Anwendung kommenden § 1 Abs. 2b GrEStG. Da hierbei die Steuerbefreiung des § 6 GrEStG nicht zur Anwendung kommen soll, kann vorliegend die Steuerbefreiung nach § 6 GrEStG nicht mehr in Anspruch genommen werden. Hierdurch kommt es bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaften nach Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG zu steuerlichen Mehrbelastungen, wenn die Übertragung (Einbringung) nicht ausnahmsweise in den Anwendungsbereich der Konzernklausel nach § 6a GrEStG fällt.2 Dieses Ergebnis zeigt, dass der neu eingeführte Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nur unzureichend auf die Steuerbefreiungstatbestände abgestimmt ist.

Zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen machen die §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 und 6 5 Abs. 4 GrEStG die Gewährung der Steuervergünstigungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Bei Eintritt bestimmter schädlicher Ereignisse können bereits gewährte Steuervergünstigungen rückwirkend entfallen. Nach § 5 Abs. 3 GrEStG führen der Verlust oder die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstücksübertragenden Gesamthänders an der grundstücksaufnehmenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) nach der Übertragung des Grundstücks zu einem (teilweisen) Ausschluss der nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigung (Nachbehaltensfrist). Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG führen der Verlust oder die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des grundstückserwerbenden Gesamthänders an der übertragenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) nach der Übertragung des Grundstücks zu einem (teilweisen) Ausschluss der nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 GrEStG in Anspruch genommenen Steuervergünstigung (Nachbehaltensfrist). § 6 Abs. 4 GrEStG macht die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach den § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG u.a. davon abhängig, dass der grundstückserwerbende Gesamthänder seine Beteiligung an der Gesamthand vor mehr als zehn bzw. fünfzehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) durch Rechtsgeschäft erworben hat (Vorbehaltensfrist). Der Wortlaut dieser Regelungen ist indes sehr weit gefasst, so dass auch Fallkonstellationen erfasst werden, die unzweifelhaft keine missbräuchliche Gestaltung darstellen. Es haben sich daher verschiedene Fallgruppen herausgebildet, bei denen diese Vorschriften teleologisch zu reduzieren sind.

1 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. hierzu Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1116/1117).

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§ 6 Rz. 6 Übergang von einer Gesamthand

II. Bedeutung und Telos 6

Gesamthandsgemeinschaften sind aus grunderwerbsteuerlicher Sicht selbstständige Rechtsträger.1 Daher stellt die Übertragung eines Grundstücks zwischen einer Gesamthandsgemeinschaft und ihren Gesamthändern bzw. zwischen Gesamthandsgemeinschaften untereinander vom Grundsatz her einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG dar. Eine entsprechende Grunderwerbsteuerpflicht solcher Grundstücksübertragungen wäre jedoch unbillig, da nach bisherigen zivilrechtlichen Grundsätzen jeder an der Gesamthand Beteiligte bereits aufgrund seiner Gesamthänderstellung sachenrechtlich am Gesamthandsvermögen und damit auch am übertragenen Grundstück mitberechtigt ist („gesamthänderische Mitberechtigung“).2 Welche Auswirkungen die Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das MoPeG m.W.z. 1.1.2024 auf §§ 5 und 6 GrEStG haben wird, bleibt abzuwarten (vgl. Rz. 12.4).

7

Die Regelungen der §§ 5 und 6 GrEStG tragen diesen Umständen dadurch Rechnung, dass bei Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand auf ihre Gesamthänder (§ 6 GrEStG) bzw. von Gesamthändern auf ihre Gesamthand (§ 5 GrEStG) trotz des erfolgten Rechtsträgerwechsels und des hierdurch bedingten steuerbaren Erwerbsvorgangs nach § 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer in der Quote nicht erhoben wird, in der eine Beteiligungsidentität zwischen der dinglichen Beteiligung am Grundstück und der dinglichen Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 8

Die Vorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG finden nur Anwendung auf die Übertragung von inländischen Grundstücken. Erwerbsvorgänge in Bezug auf im Ausland belegene Grundstücke unterliegen nicht der deutschen Grunderwerbsteuer (vgl. § 1 Abs. 1 GrEStG: „inländische Grundstücke“), so dass die §§ 5, 6 GrEStG insoweit keinen Anwendungsbereich haben.

9

Auch ausländische Gesellschaften mit in Deutschland belegenem Grundbesitz können nach den §§ 5 und 6 GrEStG begünstigt sein, wenn diese eine mit inländischen Gesamthandsgemeinschaften vergleichbare Rechtsstruktur aufweisen („Rechtstypenvergleich“).3

10

Die §§ 5 und 6 GrEStG sind im Zusammenhang zu sehen: § 6 GrEStG regelt die Übertragung von Grundstücken der Gesamthand auf „ihre“ Gesamthänder, § 5 GrEStG die umgekehrte Übertragungsrichtung, bei der ein Grundstück von Gesamthändern auf „ihre“ Gesamthand übertragen wird. Die Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG sowie die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG (Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern) stehen selbstständig nebeneinander.

11

Bei Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand können die allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG in Kombination mit § 6 GrEStG zur Anwendung kommen.4 Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind die Eheleute M und F zu gleichen Teilen beteiligt. M verstirbt, so dass die OHG aufgelöst wird und das Vermögen bei F als Alleinerbin anwächst. Die Anwachsung bei F stellt einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dar. Da F an der OHG zu 50 % beteiligt war, unterliegt der Erwerbsvorgang nach § 6 Abs. 2 GrEStG insoweit nicht der Besteuerung. In Höhe des Erwerbs der übrigen 50 % kommt die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG entsprechend zur Anwendung. Der Erwerb von F unterliegt somit vollständig nicht der Besteuerung.

1 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Tz. 12 und gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1. 2 Vgl. zum Ganzen BFH v. 2.10.1974 – II R 62/68, BStBl. II 1975, 150 Tz. 7 sowie Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 7 ff. und Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 5. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411; v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12.3 § 6

IV. Rechtsentwicklung Die Steuervergünstigungen nach § 6 GrEStG in der Fassung der Bekanntmachung des GrEStG vom 12 26.2.19971 sind – mit Ausnahme von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG – seit der Neubekanntmachung des GrEStG zum 1.1.19972 unverändert geblieben und entsprechen überdies dem Wortlaut des § 6 GrEStG 1940.3 Die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wurde erst durch Art. 13 Nr. 3 des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3794) eingefügt4 und ist gem. § 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31.12.2001 verwirklicht werden. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wurde mithin erst zwei Jahre nach Einführung der korrespondierenden Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG eingeführt (vgl. § 5 Rz. 12). Ob im Zeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2001 im Rahmen von § 6 GrEStG die Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG analog anzuwenden ist, ist umstritten (vgl. hierzu Rz. 79 f.). Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20205 wurden § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um eine Regelung ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt.

12.1

Grunderwerbsteuerreform (Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes):6 Auf Initiative 12.2 der Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen sollten die sog. RETT-Blocker-Gestaltungen7 eingeschränkt werden, mit deren Hilfe der Anfall von Grunderwerbsteuer bei Share Deals im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (fast) vollständig vermieden werden kann. Ein Regierungsentwurf zur Änderung des GrEStG wurde bereits am 31.7.2019 vorgelegt.8 Dieser sah die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG), die Verminderung der in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG geregelten Beteiligungsgrenzen von 95 % auf 90 % und die Verlängerung der Fünfjahresfristen in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, § 6 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 GrEStG auf zehn bzw. fünfzehn Jahre vor.9 Es dauerte indes noch knapp zwei Jahre, bis die Reform der Grunderwerbsteuer verabschiedet wurde und mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft trat.10 Inhaltlich entspricht das verabschiedete Gesetz im Wesentlichen dem Regierungsentwurf vom 31.7.2019, ergänzt um die sog. Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG).11 Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wurde mit der Vor- 12.3 schrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.12 Danach können diese Gesellschaften auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Diese Fiktion gilt allerdings lediglich für Ertragsteuerzwecke. Für die Grunderwerbsteuer gilt die Fiktion ausdrücklich nicht, sodass die optierenden Gesellschaften für Grunderwerbsteuerzwecke nach wie vor wie Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften behandelt werden und damit auch die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch nehmen können. Zur Vermeidung von (für den Gesetzgeber) missliebigen Gestaltungen wurden in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG entsprechende Regelungen aufgenommen. Diese Vor1 BGBl. I 1997, 418, ber. BGBl. I, 1997, 1840 = BStBl. I 1997, 313. 2 Vgl. Neubekanntmachung des GrEStG v. 17.12.1982, BGBl. I 1982, 1777, aufgrund des Art. 31 Abs. 1 des JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 3 Vgl. hierzu Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 7 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 1. 4 BR-Drucks, 14/6877, S. 31 f. 5 Jahressteuergesetz (JStG) 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 6 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 7 Vgl. hierzu Demleitner in Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, § 17 Rz. 1 ff. 8 Vgl. RegE v. 30.7.2019, BT-Drucks. 19/13437. 9 Vgl. hierzu Schley, GmbHR 2019, 645. 10 Vgl. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986; vgl. zu den umfangreichen Anwendungsregelungen § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG. 11 Vgl. zu den in Kraft getretenen Änderungen Behrens/Wagner, DB 2021, 866. 12 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, BGBl. I 2021, 2050; vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230.

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§ 6 Rz. 12.3 Übergang von einer Gesamthand schriften sollen verhindern, dass Grundbesitz unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG auf eine Gesamthandsgemeinschaft übertragen wird, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung für Ertragsteuerzwecke nach § 1a KStG optiert. Ohne die entsprechenden Änderungen der §§ 5 und 6 GrEStG, die erst kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens aufgrund einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in das Gesetz aufgenommen wurden, hätten optierende Immobilien-Personengesellschaften von der niedrigen Gesamtsteuerbelastung einer Kapitalgesellschaft profitieren können (15,83 % Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, keine Gewerbesteuer, wenn die Gesellschaft die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG in Anspruch nehmen kann), ohne dass im Zusammenhang mit der Übertragung der Immobilien auf die Personengesellschaft Grunderwerbsteuer angefallen wäre. Dies hätte für Immobilien-Personengesellschaften deutliche Vorteile gegenüber Immobilien-Kapitalgesellschaften bedeutet, auf die Immobilien in der Regel nicht ohne Anfall von Grunderwerbsteuer übertragen werden können.1 Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. 12.4

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021 (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG)2 wird das Recht der Personengesellschaften mit Wirkung zum 1.1.2024 umfassend reformiert.3 Das Gesetz hat insbesondere die Abschaffung des in §§ 718, 719 BGB geregelten Gesamthandsprinzips für die rechtsfähige GbR zum Gegenstand. Nach § 713 BGB in der ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung verfügt die GbR als Grundform aller Personen(-handels-)gesellschaften über ein eigenes Gesellschaftsvermögen. Das Gesamthandsprinzip sah seit Einführung des BGB im Jahr 1900 vor, dass die GbR – als Grundtypus sämtlicher Personengesellschaften – kein eigenes Gesellschaftsvermögen hat, sondern dass das Vermögen vielmehr den Gesellschaftern in ihrer „gesamthänderischen Verbundenheit“ zugeordnet wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum MoPeG sollen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips keine „Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften“ verbunden sein.4 Zu den Auswirkungen der Abschaffung des Gesamthandsprinzips auf die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG (Übergang auf eine Gesamthand/Übergang von einer Gesamthand) werden in der Gesetzesbegründung zum MoPeG keine Aussagen getroffen. Der „Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft“ vertritt insoweit die Auffassung, die §§ 5 und 6 GrEStG und die dort verwendeten Begriffe der „Gesamthand“ steuerrechtsautonom auszulegen oder die durch die zivilrechtliche Abschaffung des Gesamthandsprinzips entstandene Regelungslücke durch eine analoge Auslegung zu schließen.5 Beide Lösungsvorschläge überzeugen indes nicht. Vielmehr würden die Vorschriften §§ 5 und 6 GrEStG m.E. nach einer Abschaffung des Gesamthandsprinzips ins Leere gehen, wenn ihnen mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips die zivilrechtliche Grundlage entzogen wird. Denn diese Befreiungsvorschriften beruhen auf der dinglichen Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesamthandsvermögen (vgl. hierzu § 5 Rz. 20 und Rz. 14), die es durch die Statuierung eines eigenen Gesellschaftsvermögens zukünftig nicht mehr geben wird (vgl. § 713 BGB in der ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung). Insoweit bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die §§ 5 und 6 GrEStG an die ab 2024 geltende Rechtslage angepasst werden, damit die bislang in den Anwendungsbereich der Vorschriften fallenden Personenzusammenschlüsse weiterhin begünstigt bleiben (vgl. zu den begünstigten Gesamthandsgemeinschaften § 5 Rz. 22 und Rz. 15).

12.5

Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 25.6.2021 (Steuervermeidungsabwehrgesetz)6 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG Regelungen aufgenommen, wonach die Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelten sollen, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als 1 Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Rechtsform der GmbH bei Immobilieninvestitionen Schley, NWB-EV 2020, 155 (198 und 227). 2 BGBl. I 2021, 3436. 3 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635; vgl. hierzu Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 und K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16. 4 So ausdrücklich RegE vom 17.3.2021, BT-Drucks. 19/27635, S. 106. 5 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3 (7). 6 BGBl. I 2021, 2056.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 16 § 6

Personengesellschaft behandelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit diesen Regelungen Gestaltungen verhindert werden, nach denen einer Drittlandsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigungen nach § 5 oder 6 GrEStG gewährt werden und gleichzeitig ohne Einhaltung der Fristen nach § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.1 Die Regelungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Es erscheint zweifelhaft, dass diesen Vorschriften in der Praxis eine größere Bedeutung zukommen wird.2

B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3 I. Gesamthand/Gesamthandsgemeinschaft Die Steuervergünstigungen nach § 6 GrEStG können nur in Anspruch genommen werden, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand auf deren Beteiligte übertragen wird. Der in § 6 GrEStG verwendete Begriff der Gesamthand entspricht hierbei der Legaldefinition in § 5 Abs. 1 GrEStG.3 Daher gelten die Ausführungen unter § 5 Rz. 20 ff. auch im Rahmen von § 6 GrEStG, die nachfolgend kurz zusammengefasst werden sollen. Zu weitergehenden Erläuterungen vgl. § 5 Rz. 20 ff.

13

Grund für die Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG ist, dass Gesamthandsgemeinschaf- 14 ten grunderwerbsteuerrechtlich selbstständige Rechtsträger sind und Erwerbsvorgänge zwischen einer Gesamthand und den an ihr Beteiligten vom Grundsatz her der Grunderwerbsteuer unterliegen.4 Gleiches gilt für Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften, an denen (zum Teil) dieselben Gesamthänder beteiligt sind. Eine entsprechende Steuerpflicht solcher Übertragungsvorgänge würde jedoch außer Acht lassen, dass sich bei Gesamthandsgemeinschaften – anders als bei juristischen Personen – auf der Ebene der Gesellschaft keine rechtliche Verselbständigung des Gesamthandsvermögens vollzieht. Vermögen der Gesamthand stellt vielmehr sog. Gesamthandseigentum dar. Dies bedeutet, dass Inhaber des Gesamthandsvermögens die an der Gesamthand Beteiligten (= Gesamthänder) in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit sind. Kommt es zu Grundstücksübertragungen zwischen der Gesamthand und den an ihr Beteiligten, dann würde ohne die §§ 5 und 6 GrEStG Grunderwerbsteuer in voller Höhe entstehen, obwohl in Höhe der Beteiligungsidentität des Gesamthänders am (übertragenen bzw. erworbenen) Grundstück und am Vermögen der Gesamthand eine Übertragung an sich selbst vorliegt. Dieses unbillige Ergebnis soll durch die §§ 5 und 6 GrEStG verhindert werden. Zu den nach §§ 5 und 6 GrEStG begünstigten Gesamthandsgemeinschaften gehören insbesondere 15 die Personengesellschaften (GbR, OHG, KG), die Partnerschaftsgesellschaft und die Erbengemeinschaft. Auch ausländische Gesellschaften sind begünstigt, wenn deren rechtliche Struktur den inländischen Gesamthandsgemeinschaften entspricht. Welche ausländischen Gesellschaften nach einem Rechtstypenvergleich den deutschen Gesamthandsgemeinschaften entsprechen, lässt sich den Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens vom 24.12.19995 entnehmen (vgl. hierzu auch die Übersicht unter § 5 Rz. 23).6 Ebenso wie es im Anwendungsbereich des § 5 GrEStG unerheblich ist, ob die Übertragung des Grundstücks auf eine bestehende oder neu gegründete Gesamthand erfolgt (vgl. § 5 Rz. 21), ist es im Rahmen von § 6 GrEStG ohne Bedeutung, ob die übertragende Gesamthand nach der Übertragung fortbesteht oder aufgelöst wird. Wie sich den Regelungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG entnehmen lässt, sind auch Grundstücksübertragungen im Rahmen der Auflösung einer Gesamthand begünstigt. 1 2 3 4

Vgl. BT-Drucks. 19/30470 v. 9.6.2021, S. 52. Vgl. hierzu auch Wagner, DStZ 2021, 604 (609). Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 7. Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Tz. 12; gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1. 5 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, 1076, BStBl. I 1999, 1076. 6 Vgl. auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2 sowie BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301, BStBl. I 2004, 411.

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16

§ 6 Rz. 16 Übergang von einer Gesamthand Ebenfalls unbeachtlich ist es für die Anwendung des § 6 GrEStG, ob der erwerbende Gesamthänder nach der Übertragung des Grundstücks weiter an der Gesamthand beteiligt bleibt oder nicht.1 Anders ist dies im Anwendungsbereich des § 5 GrEStG, wenn ein Grundstück von einem Gesamthänder auf die Gesamthand übertragen wird. Voraussetzung für die Inanspruchnahme bzw. das „Behaltendürfen“ der Vergünstigungen nach § 5 GrEStG ist hier, dass der betreffende Gesamthänder nach der Übertragung des Grundstücks mindestens zehn Jahre (bis 30.6.2021: fünf Jahre) an der erwerbenden Gesamthand beteiligt bleibt (vgl. § 5 Abs. 3 GrEStG, Nachbehaltensfrist). Demgegenüber können Vergünstigungen nach § 6 GrEStG von einem Gesamthänder überhaupt erst dann in Anspruch genommen werden, wenn dieser vor dem Erwerb des Grundstücks seit mindestens zehn bzw. fünfzehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) an der übertragenden Gesamthand beteiligt ist (vgl. § 6 Abs. 4 GrEStG, Vorbehaltensfrist). Etwas anderes gilt bei einer Grundstücksübertragung zwischen Gesamthandsgemeinschaften. Hierbei ist neben der Vorbehaltensfrist des Abs. 4 auch eine Nachbehaltensfrist zu beachten (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). 17

Keine Gesamthandsgemeinschaften und damit nicht nach §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sind insbesondere Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA, eG, SE, UG), der eingetragene Verein, die Stiftung, die Genossenschaft, der VVaG und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Bei diesen Kapitalgesellschaften und sonstigen juristischen Personen handelt es sich um eigene Rechtssubjekte mit eigenem bzw. rechtlich verselbständigtem Vermögen. Bei diesen fehlt folglich eine unmittelbare dingliche Mitberechtigung der „Gesellschafter“ am Vermögen des Rechtsträgers, die der gesamthänderischen Mitberechtigung der Gesamthänder bei Gesamthandsgemeinschaften vergleichbar ist, so dass §§ 5 und 6 GrEStG nicht zur Anwendung kommen. Kapitalgesellschaften können jedoch als Gesellschafter (Gesamthänder) einer Gesamthandsgemeinschaft nach den §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sein, wenn sie ein Grundstück auf „ihre“ Gesamthand übertragen (§ 5 GrEStG) bzw. ein Grundstück von „ihrer“ Gesamthand erwerben (§ 6 GrEStG).

II. Übergang von Grundstücken und begünstigte Übertragungsvorgänge 1. Grundstücksbegriff 18

Die Vergünstigungen nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG setzen den Übergang eines Grundstücks einer Gesamthand voraus. Insoweit gilt der Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG. Erfasst werden danach Grundstücke im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Hierzu gehören auch Miteigentumsanteile an einem Grundstück, da das Miteigentum im Rahmen von § 2 Abs. 1 GrEStG dem Alleineigentum gleichgestellt ist.2 Darüber hinaus zählen zu den Grundstücken im grunderwerbsteuerlichen Sinne auch Erbbaurechte und Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 2 Abs. 3 GrEStG). Gleiches gilt für Teilflächen von Grundstücken (§ 2 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, vgl. zum Ganzen § 2 Rz. 6 ff.). Nicht zu den inländischen Grundstücken gehören Maschinen und Betriebsvorrichtungen, und zwar auch dann, wenn es sich zivilrechtlich um wesentliche Bestandteile des Grundstücks nach § 94 BGB handelt. Ebenfalls keine Grundstücke sind Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen sowie das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins (vgl. § 2 Abs. 1 GrEStG). 2. Grundstücksübergang von einer Gesamthand a) Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen

19

Der Übergang eines Grundstücks im Rahmen von § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG setzt – die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen (vgl. Rz. 20) und – den Übergang dieses Grundstücks auf einen oder mehrere an der Gesamthand Beteiligte(n) (vgl. Rz. 21) voraus.

20

Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesamthandsvermögen bestimmt sich nicht nach dem bürgerlichen Recht, sondern vielmehr nach einer eigenständigen grunderwerbsteuerrechtlichen Zu1 Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 1. 2 Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 22.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 22 § 6

rechnung.1 Danach gehört ein Grundstück nicht erst mit der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch zum Vermögen der Gesamthand, sondern bereits dann, wenn ein Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG in Bezug auf das Grundstück verwirklicht ist (z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei Abschluss eines notariellen Grundstückskaufvertrags). Die h.M. fordert darüber hinaus, dass auch die entsprechende Steuerschuld für den Erwerbsvorgang i.S.v. § 38 AO entstanden sein muss.2 Was ein „Erwerbsvorgang“ ist, ist durch die Überschrift des § 1 GrEStG festgelegt: Erwerbsvorgänge sind diejenigen Rechtsvorgänge, welche den Besteuerungstatbeständen der § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen.3 In der Regel dürfte der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs dem Zeitpunkt der Steuerentstehung entsprechen.4 Ausnahmen gelten jedoch insbesondere dann, wenn ein Grundstückskaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung steht oder von einer Genehmigung abhängig ist (vgl. § 14 GrEStG). In diesen Fällen ist der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits mit Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages verwirklicht, während der Zeitpunkt der Steuerentstehung vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung abhängig ist. b) Übergang eines Grundstücks auf einen oder mehrere an der Gesamthand beteiligte(n) Gesellschafter Der Übergang eines Grundstücks i.S.v. § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG bestimmt sich ebenfalls nach der 21 grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung.5 Der Grundstücksübergang auf einen oder mehrere an der Gesamthand Beteiligte(n) liegt somit vor, wenn das Grundstück dem erwerbenden Gesamthänder grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies ist nach h.M. im Zeitpunkt der Steuerentstehung i.S.v. § 38 AO für den Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG der Fall, mit dem das Grundstück von der Gesamthand auf den oder die Gesamthänder übergehen soll (vgl. hierzu Rz. 20). Die Bestimmung des Übergangszeitpunkts ist insbesondere relevant für die Berechnung der Zehnbzw. Fünfzehnjahresfristen (bis. 30.6.2021: Fünfjahresfristen) nach § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG. Für die Berechnung dieser Fristen sind die §§ 186 ff. BGB entsprechend anzuwenden.6 3. Begünstigte Übertragungsvorgänge a) Allgemeines In den Anwendungsbereich von § 6 GrEStG können grundsätzlich alle in § 1 GrEStG genannten Erwerbsvorgänge fallen. Hierbei ist es unerheblich, ob das Grundstück kraft Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes auf die Gesamthänder übergeht. Die Vergünstigungen nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG finden insbesondere auf den Grundstückskauf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Anwendung, darüber hinaus aber auch beim Übergang der Verwertungsbefugnis an einem inländischen Grundstück auf einen Gesamthänder nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Ebenso werden auch die fiktiven Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG von § 6 GrEStG erfasst. Bei diesen wird der (wirtschaftliche) Übergang von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Gesellschaftsanteile einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft mit dem Übergang eines Grundstücks gleichgestellt und daher der Grunderwerbsteuer unterworfen (vgl. hierzu § 1 Rz. 299 ff.). 1 Vgl. BFH v. 20.12.2000 – II R 26/99, GmbHR 2001, 637; v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 = ZfIR 2015, 266 mit Anm. Schley. 2 So die wohl h.M., vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 24; Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 16e; nach a.A. kommt es für die Frage der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung nur auf die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs und nicht zusätzlich auf die Entstehung der Steuerschuld an, vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 8. 3 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 22. 4 Vgl. auch Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 9. 5 Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 8. 6 Vgl. BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96.

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22

§ 6 Rz. 22 Übergang von einer Gesamthand Auf den mit Wirkung zum 1.7.2021 neu eingeführten Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die §§ 5 und 6 GrEStG hingegen keine Anwendung finden.1 b) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG 23

Übertragungen von Anteilen an Personengesellschaften, die einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen, werden von § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst.2 Hintergrund ist, dass § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang eines Grundstücks von der bisherigen Personengesellschaft auf eine neue Personengesellschaft mit geändertem Gesellschafterbestand fingiert. Dementsprechend handelt es sich um den (fiktiven) Übergang eines Grundstücks von einer Personengesellschaft (alt) auf eine andere Personengesellschaft (neu), die vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst wird, der die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften zum Gegenstand hat.3 Beispiel (Rechtslage bis 30.6.2021): An einer im Jahr 2010 gegründeten grundbesitzenden GmbH & Co. KG sind A mit 94 % und B mit 6 % beteiligt. Die Komplementär-GmbH ist am Vermögen der KG nicht beteiligt. A hat seine Beteiligung Anfang 2013 durch Rechtsgeschäft erworben, B und die Komplementärin sind jeweils seit der Gründung an der OHG beteiligt. Im Jahr 2017 veräußert B seine 6 %ige Beteiligung an A. Durch die Übertragung auf A wird der Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG verwirklicht, da innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 % (hier 100 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf A als neuen Gesellschafter übergehen. Der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgang ist nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Höhe von 94 % begünstigt. Allerdings greift der Begünstigungsausschluss nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F., da A den Anteil an der KG vor weniger als fünf Jahren durch Rechtsgeschäft erworben hat. Der Erwerb unterliegt in voller Höhe der Grunderwerbsteuer. Es wäre wesentlich vorteilhafter gewesen, wenn A die Anteile erst im Jahr 2018 erworben hätte, da A dann kein Neugesellschafter im Sinne von § 1 Abs. 2a GrEStG mehr gewesen wäre (vgl. hierzu das Beispiel unter Rz. 30).

24

Wird der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG durch unmittelbare oder mittelbare Veränderungen im Gesellschafterbestand der Gesamthandsgemeinschaft erfüllt, wird über § 6 Abs. 3 GrEStG allenfalls eine max. 10 %ige (bis 30.6.2021: 5 %ige) Steuervergünstigung gewährt werden können, da ansonsten der Tatbestand der Norm nicht erfüllt ist. Beispiel (Rechtslage ab 1.7.2021): An einer grundbesitzenden OHG sind A und B mit jeweils 50 % beteiligt. A veräußert einen Anteil in Höhe von 40 % und B seinen gesamten Anteil an C, so dass dieser über 90 % der Anteile an der OHG verfügt. Da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist der Erwerbsvorgang in Höhe der von A zurückbehaltenen Beteiligung von 10 % begünstigt. Derlei Fallgestaltungen dürften eher theoretischer Natur oder missglückte Fälle sein, da die Verwirklichung des Erwerbstatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG leicht hätte vermieden werden können, indem A nicht 10 %, sondern 10,1 % zurückbehält, der C mithin lediglich 89,9 % der Anteile erwirbt. Nach Ablauf der Fünfzehnjahresfrist nach § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG hätte C dann die restliche Beteiligung von A erwerben können, wobei nur auf den Erwerb der 10,1 %igen Beteiligung Grunderwerbsteuer angefallen wäre (vgl. hierzu das Beispiel unter Rz. 30). Hinweis: Nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG hätte ein fremder Dritter die 10,1 %ige Beteiligung von A erwerben können, ohne dass hierdurch Grunderwerbsteuer ausgelöst worden wäre. Will C hingegen selbst die Anteile erwerben und die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 2 GrEStG im Umfang von 89,9 % in Anspruch nehmen, dann muss er die Fünfzehnjahresfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG abwarten.

c) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG 24.1

Auch im Anwendungsbereich des zum 1.7.2021 neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG wird – ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG – bei einem Gesellschafterwechsel von mindestens 90 % innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren fingiert, dass der Übergang eines Grundstücks von der bisherigen Kapitalgesellschaft auf eine neue Kapitalgesellschaft stattgefunden hat. Da die Vorschrift des § 1 Abs. 2b 1 Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Vgl. auch hierzu auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 3. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 5, 7 und Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 12.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 27 § 6

GrEStG jedoch ausschließlich auf Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften zur Anwendung kommt, sollen die für Gesamthandsgemeinschaften geltenden §§ 5 und 6 GrEStG auf den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG keine Anwendung finden.1 Dies führt bei der Einbringung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, an der der übertragende Gesellschafter beteiligt ist (Anwendungsbereich des § 5 GrEStG), zu einer deutlichen Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Gleiches gilt für die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft, deren Anteile von einer Personengesellschaft gehalten werden, auf einen Gesellschafter der Personengesellschaft (Anwendungsbereich des § 6 GrEStG). Denn wenn bislang durch diese Übertragungsvorgänge der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. 4 GrEStG auf der Ebene der aufnehmenden Personengesellschaft (§ 5 GrEStG) bzw. des aufnehmenden Gesellschafters (§ 6 GrEStG) ausgelöst wurde, konnte die aufnehmende Personengesellschaft die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG bzw. der aufnehmende Gesellschafter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch nehmen (vgl. Rz. 4 mit einem entsprechenden Beispiel sowie § 5 Rz. 4).

24.2

Ab dem 1.7.2021 führen solche Übertragungen von Anteilen an grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaften jedoch zur Verwirklichung des vorrangig anwendbaren § 1 Abs. 2b GrEStG, so dass Steuerbefreiungen nach den §§ 5 und 6 GrEStG für den fingierten Erwerb des Grundstücks durch eine „neue“ Kapitalgesellschaft in geänderter Zusammensetzung nicht mehr zur Anwendung kommen können.2

24.3

Wird durch die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft hingegen der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG ausgelöst (erstmalige Anteilsvereinigung in einer Hand), führt der neue § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu einer Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Denn bei der erstmaligen Anteilsvereinigung konnten auch nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage keine Steuervergünstigungen nach den §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch genommen werden (vgl. hierzu Rz. 27).

24.4

d) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG aa) Erstmalige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG unterscheidet zwischen der erstmaligen Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) der Anteile einer grundbesitzhaltenden Personen- oder Kapitalgesellschaft in der Hand eines Erwerbers (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) und der Übertragung bereits vereinigter Anteile im Umfang von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %) auf einen (anderen) Erwerber (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG, vgl. § 1 Rz. 564 ff.).

25

Bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist die erstmalige (teils unmittelbare, teils mittelbare) Anteilsvereinigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt. Der Umfang der Begünstigung richtet sich danach, in welchem Umfang der Anteilserwerber vor der Anteilsvereinigung an der Personengesellschaft beteiligt war.3

26

Beispiel: An einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG sind A und B jeweils mit 50 % beteiligt. An der KomplementärGmbH, die nicht am Vermögen der KG beteiligt ist, sind A und B ebenfalls zu 50 % beteiligt. A verkauft und überträgt sämtliche Anteile an der KG und der GmbH an B. Mit der Übertragung der Anteile an der KG und der GmbH wird eine Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Hand des B verwirklicht. Dieser Erwerbsvorgang ist nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Höhe von 50 % begünstigt, da B insoweit bereits zuvor an der KG beteiligt war.

Keine Anwendung findet § 6 GrEStG hingegen bei der erstmaligen Vereinigung von Anteilen einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, da diese über kein gesamthänderisch gebundenes Gesamthandsvermögen verfügt, an der die Gesellschafter dinglich mitberechtigt sind.4 1 2 3 4

Vgl. RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1116/1117). Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.2, 7.8.2 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 29. Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 11 sowie Schnitter in Wilms/Jochum, 6 GrEStG Rz. 31.2.

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27

§ 6 Rz. 27 Übergang von einer Gesamthand Mit der Abschaffung des Gesamthandsprinzips durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG, vgl. hierzu Rz. 12) zum 1.1.2024 fällt die vorstehende Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Personenund Kapitalgesellschaften im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG indes weg. Insoweit wäre es angezeigt – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Verwerfungen, die die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft zur Folge hat (vgl. hierzu Rz. 4 und Rz. 24.1) –, die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG auch für Kapitalgesellschaften zu öffnen. bb) Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG 28

Werden bereits vereinigte Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG auf einen Gesamthänder übertragen, war nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage § 6 GrEStG anwendbar, und zwar vom Grundsatz her unabhängig davon, ob es sich um Anteile einer Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt. Bei der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen ist jedoch der Anwendungsvorrang von § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 GrEStG: „…soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt…“). Seit dem 1.7.2021 findet auf die Übertragung von zu mindestens 90 % vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft jedoch nicht mehr § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG Anwendung, sondern vielmehr der vorrangig zu berücksichtigende § 1 Abs. 2b GrEStG. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG jedoch nicht greifen1, so dass sich in den Fällen der Übertragung bereits zu 95 % bzw. 90 % vereinigter Anteile die Rechtslage durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG verschlechtert hat.

29

Werden vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft von einer Gesamthand auf einen ihrer Gesamthänder übertragen, kommt § 6 Abs. 2 GrEStG seit der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage nicht mehr zur Anwendung, da in diesen Fällen der neu eingeführte § 1 Abs. 2b GrEStG anzuwenden ist. Nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage konnte § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommen werden, wenn es sich bei dem erwerbenden Gesamthänder um eine natürliche oder juristische Person handelt. Handelt es sich beim erwerbenden Gesamthänder hingegen um eine andere Gesamthand, war § 6 Abs. 3 GrEStG einschlägig.2 Gingen bislang mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft von einer Gesamthand auf einen „ihrer“ Gesamthänder über, war der nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG steuerbare Erwerb nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu dem Anteil steuerfrei, zu dem der erwerbende Gesamthänder an der Gesamthand beteiligt war. e) Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG

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Auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG (Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung) findet § 6 GrEStG ebenfalls Anwendung. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG, da der Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG einen Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG fingiert. Wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG bezogen auf eine grundbesitzende Personengesellschaft verwirklicht, sind § 6 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG anwendbar.3 Beispiel 1 (Rechtslage bis 30.6.2021): An einer im Jahr 2010 grundbesitzenden OHG sind A und B mit jeweils 48 % und C mit 4 % seit mehr als fünf Jahren beteiligt. A überträgt seine gesamte Beteiligung auf B.4

1 Vgl. RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 11. 2 Zutreffend Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 4; missverständlich Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 12 und Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 31.2, nach denen § 6 GrEStG bei der Übertragung vereinigter Anteile einer Kapitalgesellschaft nur dann einschlägig sein soll, wenn es sich bei dem erwerbenden Gesamthänder um eine Gesamthandsgemeinschaft handelt (§ 6 Abs. 3 GrEStG). Warum die Übertragung vereinigter Anteile einer Kapitalgesellschaft auf eine an der übertragenden Gesamthand beteiligte natürliche oder juristische Person nicht nach § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt sein soll, erschließt sich nicht. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.3 und 7.8.3. 4 Nach gleichlautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.3.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 31 § 6

Durch die Anteilsübertragung hält B 96 % der Anteile an der OHG. § 1 Abs. 2a GrEStG kommt nicht zur Anwendung, da es sich bei B um einen begünstigten Altgesellschafter handelt. § 1 Abs. 3 GrEStG scheidet nach bisherigem Verständnis aufgrund der gesamthänderischen Mitberechtigung des C („Pro-Kopf-Betrachtung“) ebenfalls aus. Der Erwerb ist jedoch nach § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG steuerbar, da B eine wirtschaftliche Beteiligung von 96 % an der grundbesitzenden OHG innehat. Der Erwerb ist nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 48 % begünstigt, da B insoweit seit mindestens fünf Jahren (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F.) an der OHG beteiligt war. Hinweis: Im Regelungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG war bislang zu beachten, dass sich der Personengesellschaftsanteil nach bisherigem Verständnis einer Quotelung entzog, da jeder Anteil an einer Personengesellschaft – unabhängig vom Umfang der Beteiligung – aufgrund der sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen gleichwertig war („Pro-Kopf-Betrachtung“). In der Entscheidung vom 27.5.2020 hat der BFH die Pro-Kopf-Betrachtung bei einer mittelbaren Beteiligung aufgegeben.1 In dieser Entscheidung stellt der BFH dann über den konkreten Urteilsfall hinaus und entgegen der Entscheidung vom 12.3.20142 in einem obiter dictum fest, dass viel dafürspreche, dass auch für die unmittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgeblich ist. Es ist folglich damit zu rechnen, dass die Pro-Kopf-Betrachtung im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG bei nächster Gelegenheit durch den BFH auch bei unmittelbaren Beteiligungen an einer Personengesellschaft verworfen wird. Insoweit führt Kugelmüller-Pugh (Richterin im für die Grunderwerbsteuer zuständigen II. Senat) wie folgt aus:3 „Es ist zu erwarten, dass der BFH auch für die Beurteilung einer Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf unmittelbarer Ebene bei einer Personengesellschaft von der prozentualen Höhe des Anteils am Vermögen der Personengesellschaft – und nicht mehr von der auf unmittelbarer Ebene zivilrechtlich einschlägigen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen – ausgehen wird.“ Beispiel 2 (Rechtslage bis 30.6.2021): A hält 100 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG. Die Komplementär-GmbH ist am Vermögen der KG nicht beteiligt. Im Jahr 2011 verkauft und überträgt A 94,9 % der Anteile an der KG auf B. Im Jahr 2017 verkauft und überträgt A die restliche Beteiligung von 5,1 % auf B, so dass dieser 100 % der Anteile an der KG hält.4 Der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wird weder im Jahr 2011 noch im Jahr 2017 verwirklicht. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde in Anwendung der Pro-Kopf-Betrachtung aufgrund der gesamthänderischen Mitberechtigung der Komplementär-GmbH ebenfalls nicht verwirklicht werden. B hat jedoch eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von 100 % an der KG inne, so dass der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2017 verwirklicht wird. Die auf diesen Erwerbsvorgang entfallende Steuer wird jedoch in Höhe von 94,9 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. steht dem nicht entgegen, da B diese Beteiligung vor mehr als fünf Jahren erworben hat. Nach Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung auch auf unmittelbarer Beteiligungsebene wäre hingegen bereits der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Praxishinweis: Klassische „RETT-Blocker-Gestaltung“ nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage Das Beispiel 2 zeigt eine klassische „RETT-Blocker-Gestaltung“ im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG seit Geltung des § 1 Abs. 3a GrEStG.5 Seit Einführung dieser Vorschrift ist es erforderlich, dass eine „feste“, mindestens 5,1 % umfassende Beteiligung vom Altgesellschafter über einen Zeitraum von fünf Jahren gehalten wird, um den Anfall von Grunderwerbsteuer (weitestgehend) zu vermeiden. Wird nach Ablauf dieser Fünfjahresfrist die restliche Beteiligung vom Altgesellschafter erworben, fällt Grunderwerbsteuer nur auf diese Beteiligung an. In der Praxis werden die gesellschaftsrechtlichen Teilhaberechte sowie die Gewinnbezugsrechte des Gesellschafters während des Fünfjahreszeitraums in der Regel eingeschränkt. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass der Altgesellschafter nicht vollständig (rechtlich und wirtschaftlich) entmachtet wird, da andernfalls die Gefahr besteht, dass ein wirtschaftlicher Übergang der Beteiligung des Altgesellschafters angenommen wird mit der Folge, dass der Erwerber über 100 % der Anteile an der KG verfügt und somit den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst hat. 1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 27.5.2020, II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; vgl. hierzu auch Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257. BFH v. 12.3.2014, II R 51/12, BStBl. II 2016, 356. DStR 2020, 2675. Nach gleichlautenden Ländererlassen v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 7. Eingeführt durch das Amtshilfe-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809; die Vorschrift ist erstmalig anwendbar auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden, § 23 Abs. 11 GrEStG. Vgl. zum Ganzen gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 sowie Behrens, DStR 2013, 1405.

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§ 6 Rz. 31 Übergang von einer Gesamthand In dem der Entscheidung des BFH vom 9.7.20141 zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb ein Käufer 94,4 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG. Es wurde ein beiderseitiges Optionsrecht (Doppeloption, Putund Call-Option) zum Erwerb der verbleibenden 5,6 %igen Beteiligung zu einem festgelegten Kaufpreis eingeräumt, so dass sichergestellt war, dass der verbleibende KG-Anteil nach Ablauf von fünf Jahren in jedem Fall auf den Käufer übergehen würde. In Höhe des Kaufpreises wurde dem Altgesellschafter ein Darlehen gewährt und der abgezinste Betrag sogleich ausgezahlt. Ferner trat der Altgesellschafter das Gewinnstammrecht an den Käufer ab und erteilte diesem die unwiderrufliche Vollmacht, alle mit dem verbliebenen KG-Anteil verbundenen (Gesellschafts-)Rechte wahrzunehmen und Erklärungen gegenüber Dritten abzugeben. In Anbetracht dieser völligen Entmachtung des Altgesellschafters verwundert es nicht, dass der BFH unter Rückgriff auf die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geregelte wirtschaftliche Betrachtungsweise eine Zurechnung des beim Altgesellschafter verbliebenen KG-Anteils beim Käufer angenommen hat. In der Praxis sollte daher bei entsprechenden Gestaltungen darauf geachtet werden, dem Minderheitsgesellschafter ein Mindestmaß an (gesellschaftsrechtlichen) Teilhaberechten zu belassen und ihn auch in gewissem Umfang am Ergebnis der Gesellschaft partizipieren zu lassen. Ebenfalls sollte von einer Doppeloption Abstand genommen werden und vielmehr lediglich dem Käufer ein Optionsrecht zum Erwerb der Minderheitsbeteiligung eingeräumt werden (Call Option). Rechtslage ab dem 1.7.2021 Die Grundstruktur der RETT-Blocker-Gestaltungen hat sich durch die Grunderwerbsteuerreform nicht verändert. Nach der ab dem 1.7.2021 geltenden Rechtslage ist es nunmehr erforderlich, dass der Altgesellschafter eine Beteiligung im Umfang von mindestens 10,1 % über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren hält. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann dann allerdings nicht der Hauptinvestor selbst (im vorstehenden Beispiel der B) die beim Verkäufer verbliebenen restlichen Anteile erwerben, sondern vielmehr müssten diese von einem fremden Dritten erworben werden. Will der Hauptinvestor (B) selbst die Anteile unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG erwerben, muss er den Ablauf der in § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG geregelten Fünfzehnjahresfrist abwarten. Die Vorschrift des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG zielt genau auf die in vorstehendem Beispiel dargestellte Gestaltung ab.2

f) Umwandlungsvorgänge aa) Formwechsel 32

Bei Umwandlungsvorgängen gilt in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 6 GrEStG Folgendes:

33

Bei einem Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) stellt sich die Frage der Anwendbarkeit von § 6 GrEStG von vornherein nicht, da durch einen Formwechsel lediglich das „Rechtskleid“ der betreffenden Gesellschaft geändert wird und es hierdurch nicht zu einem Übergang eines Grundstücks auf einen Gesamthänder kommen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen homogenen Formwechsel (z.B. GmbH in AG) oder einen heterogenen Formwechsel (z.B. OHG in GmbH) handelt. Insoweit folgt die Grunderwerbsteuer dem Zivilrecht. Anders wird der Formwechsel hingegen bei der Ertragsteuer behandelt, bei der ein Formwechsel im Anwendungsbereich der §§ 25, 20 ff. UmwStG eine übertragende Umwandlung darstellt. Bedeutung kann der Formwechsel jedoch im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG bei der Frage haben, ob ein Formwechsel der grundstücksübertragenden Gesamthand eine nach § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG in Anspruch genommene Vergünstigung entfallen lässt.3 Bei einem Formwechsel einer GmbH in eine Personengesellschaft wird den Gesellschaftern die Zeit ihrer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht fiktiv als Beteiligung an der Personengesellschaft angerechnet. Die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG beginnt in diesen Fällen erst mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister zu laufen.4 bb) Verschmelzung

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Die Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG) einer grundbesitzenden Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft stellt einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang dar. 1 2 3 4

BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. Vgl. zum Ganzen Schley, GmbHR 2019, 645. Vgl. BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358. So BFH v. 5.6.2019 – II B 21/18, BFH/NV 2019, 1253.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 36.2 § 6

Die Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger auf eine Tochtergesellschaft als übernehmenden Rechtsträger ist nicht nach § 6 GrEStG begünstigt, weil es an der gesamthänderischen Beteiligung der Tochtergesellschaft am Vermögen der übertragenden (Mutter-)Kapitalgesellschaft fehlt. Hinweis: Die Verschmelzung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft stellt einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dar, für den in der Regel keine Steuervergünstigung nach §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch genommen werden kann. Allenfalls kommt unter den engen Voraussetzungen des § 6a GrEStG eine Vergünstigung in Betracht. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich unter grunderwerbsteuerrechtlichen Gesichtspunkten die Verschmelzungsrichtung dergestalt zu bestimmen, dass die grundbesitzende Gesellschaft aufnehmender Rechtsträger ist, auf den eine andere Gesellschaft verschmolzen wird. Hat der übertragende Rechtsträger keinen Grundbesitz, wird durch die Verschmelzung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst.

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Die Verschmelzung einer Personenhandelsgesellschaft auf eine andere Personenhandelsgesell- 36 schaft fällt in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG. Bei einer vollständigen Beteiligungsidentität zwischen den beteiligten Personenhandelsgesellschaften ist die Verschmelzung in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit. Weichen die Beteiligungsverhältnisse voneinander ab, wird Grunderwerbsteuer in Höhe der Beteiligungsidentität nicht erhoben. Beispiel: An der grundbesitzenden ABC OHG sind A mit 50 % sowie B und C jeweils mit 25 % beteiligt. Die ABC OHG wird im Wege der Verschmelzung zur Aufnahme auf die bestehende XY OHG verschmolzen. An dieser sind danach A mit 25 %, B und C jeweils mit 12,5 % sowie X und Y jeweils mit 25 % beteiligt.1 Die Verschmelzung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar, da zum Vermögen der ABC OHG ein inländisches Grundstück gehört, das im Rahmen der Verschmelzung kraft Gesetzes auf die XY OHG übergegangen ist. Dieser Vorgang ist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GrEStG im Umfang der Beteiligungsidentität der Gesellschafter der beiden Gesellschaften begünstigt. Grunderwerbsteuer wird folglich in Höhe von 50 % (A = 25 %, B und C je 12,5 %) nicht erhoben.

Wird eine grundbesitzende Personenhandelsgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft verschmolzen, kommt eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG insoweit in Betracht, wie die Kapitalgesellschaft an der Personenhandelsgesellschaft beteiligt war.2 Wurde eine Steuervergünstigung nach § 6 GrEStG in Anspruch genommen, kann die Verschmelzung des übertragenden oder des übernehmenden Rechtsträgers zum Wegfall der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG führen.3

36.1

Hinweis: Neben der Verschmelzung nach dem UmwG lässt sich die Zusammenführung von Personengesellschaften auch durch Anwachsung, d.h. durch den Ein- und Austritt von Gesellschaftern bzw. Übertragung von Gesellschaftsanteilen erreichen. Interessant ist hierbei insbesondere die sog. erweiterte Anwachsung, bei der die Gesellschafter/ Mitunternehmer sämtliche Anteile an einer Personengesellschaft (PersG 1) in eine andere Personengesellschaft (PersG 2) gegen Gewährung/Aufstockung von Gesellschaftsrechten einbringen. Hierdurch erlischt die PersG 1 mit der Folge, dass deren Gesellschaftsvermögen nach § 738 BGB der PersG 2 anwächst. Die erweiterte Anwachsung fällt – ebenso wie die Verschmelzung von Personengesellschaften – ertragsteuerlich in den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG (im Gegensatz zur einfachen Anwachsung) mit der Möglichkeit der Buchwertfortführung.4 Gegenüber der Verschmelzung (vgl. § 6 UmwG) hat die erweiterte Anwachsung den Vorteil, dass der Einbringungsvertrag nicht der notariellen Beurkundung bedarf. Ebenso wie bei der Verschmelzung kann bei der Zusammenführung von Personengesellschaften im Wege der (erweiterten) Anwachsung die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG im Umfang der Beteiligungsidentität der Gesellschafter in Anspruch genommen werden, wenn zum Gesellschaftsvermögen der übergehenden Personengesellschaft Grundbesitz gehört.

36.2

1 2 3 4

Nach Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 6. Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 93. Vgl. im Anwendungsbereich von § 5 GrEStG § 5 Rz. 107 und 112. Vgl. BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 01.47 sowie Schwedhelm/Stenert, Die Unternehmensumwandlung, 9. Aufl. 2019, Tz. 1938 ff.

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§ 6 Rz. 37 Übergang von einer Gesamthand cc) Spaltungsvorgänge 37

Spaltungsvorgänge können einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang darstellen, wenn hiervon inländische Grundstücke betroffen sind. Als spaltungsfähige Gesamthandsgemeinschaften kommen nur Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften in Betracht (vgl. § 124 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Aufspaltung einer grundbesitzenden Gesamthand (§ 123 Abs. 1 UmwG) ist nach § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt, wenn es sich bei dem aufnehmenden Rechtsträger um eine Personenhandelsgesellschaft handelt. Der Umfang der Begünstigung bestimmt sich nach der Beteiligungsidentität zwischen den Gesellschaftern dieser beiden Gesellschaften. Eine solche Aufspaltung vollzieht sich unter Auflösung der übertragenden Personenhandelsgesellschaft, so dass für den Umfang der Vergünstigung auf eine etwaige vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote abzustellen ist (vgl. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).1 Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) und Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) aus einer Personenhandelsgesellschaft sind nach § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt, wenn es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine Personenhandelsgesellschaft handelt. Der Umfang der Steuervergünstigung bestimmt sich auch insoweit nach der Beteiligungsidentität der Gesellschafter der übertragenden und der aufnehmenden Gesellschaft.2 Spaltungsvorgänge können nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zum Wegfall einer nach § 6 GrEStG in Anspruch genommenen Vergünstigung führen.3

III. Anwendung der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG 38

Vermögensgegenstände einer Gesamthand stehen nicht in deren Eigentum, sondern vielmehr im gesamthänderisch gebundenen Eigentum der an der Gesamthand dinglich beteiligten Gesamthänder/ Gesellschafter (vgl. § 718 BGB für die GbR). Diese Besonderheit rechtfertigt es, bei Grundstücksübertragungen von einer Gesamthand die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG anzuwenden.4 Die allgemeinen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG finden über die §§ 5 und 6 GrEStG bei Gesamthandsgemeinschaften Anwendung.5 Darüber hinaus kann es bei ein und demselben Übertragungsvorgang auch zum Zusammenwirken mehrerer Befreiungsvorschriften kommen. Hierbei werden die Rechtsgedanken der persönlichen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG im Wege einer wertenden Zusammenschau (interpolierende Betrachtungsweise) mit den Vergünstigungsvorschrift der §§ 5 und 6 GrEStG in Einklang gebracht.6 Durch diese Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften kann sich eine Steuerbefreiung ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, jede für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt.7 Ob die vorstehenden Grundsätze nach Abschaffung des Gesamthandsprinzips mit Wirkung zum 1.1.2024 durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) weiterhin zur Anwendung kommen, bleibt abzuwarten (vgl. hierzu Rz. 12, vgl. zu den Grenzen einer wertenden Zusammenschau die Entscheidung des BFH v. 25.8.20208). Beispiel 1: An der grundbesitzenden MF OHG sind der Ehemann M und dessen Frau F zu jeweils 50 % beteiligt. Sie verkaufen ein Grundstück der OHG an ihr gemeinsames Kind K. 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 94. Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 6 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 95. Vgl. im Anwendungsbereich von § 5 GrEStG § 5 GrEStG Rz. 107 und 112. Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 36; Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 37; Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 33, 34. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5. Vgl. zur interpolierenden Betrachtungsweise auch BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5; v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177; vgl. zu den Grenzen der interpolierenden Betrachtungsweise BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. So auch BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5 Tz. 16. BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 41 § 6

Der Verkauf ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Die personenbezogene Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG greift vom Wortlaut her nicht, da die OHG als eigenständiger grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsträger mit K nicht in gerader Linie verwandt ist. Die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG findet vom Wortlaut her keine Anwendung, da K nicht am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Erst eine wertende Zusammenschau der Vergünstigungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG einerseits und der Vorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG andererseits führt dazu, dass die Grundstücksübertragung von der OHG auf K vollständig begünstigt ist, so dass vorliegend keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Beispiel 2: An einer grundbesitzenden OHG sind A und B zu je 50 % beteiligt. A verstirbt, so dass das gesamte Vermögen der OHG auf den B anwächst, der zudem der alleinige Erbe des verstorbenen A ist. Die Anwachsung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Es kommen jedoch die Steuervergünstigungen nach § 3 Nr. 2 sowie § 6 Abs. 2 GrEStG in einer „ergänzenden Wechselwirkung“ zur Anwendung, so dass der Erwerb vollständig von der Grunderwerbsteuer freigestellt ist. Insoweit kommt es nicht auf die bisherigen Beteiligungsverhältnisse an der OHG an.1 Beispiel 3: An der grundbesitzenden MF OHG sind der Ehemann M und dessen Frau F zu jeweils 50 % beteiligt. Sie verkaufen ein Grundstück der OHG an die MFK OHG, an der M und F jeweils zu 20 % und ihr gemeinsames Kind K zu 60 % beteiligt ist. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Vorgang ist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG im Umfang der Beteiligungsidentität von M und F (= 40 %) begünstigt. In Höhe von 60 % greift die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG, so dass die Grundstücksübertragung in voller Höhe steuerbefreit ist.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach § 6 GrEStG über eine interpolierende Betrachtungsweise ist jedoch, dass alle übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung vorliegen bzw. erhalten bleiben. Wenn also im vorstehenden Beispiel 3 M und/ oder F ihre Beteiligung der MFK OHG innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahre) nach dem Erwerb des Grundstücks an einen fremden Dritten veräußern würde(n), käme es nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu einer rückwirkenden Versagung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen.

39

Würden M und F ihre Beteiligung an der MFK OHG hingegen innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG an ihren Sohn K übertragen, würde dies nicht zu einem rückwirkenden Wegfall der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen führen, da insoweit die (Wertung der) Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG zur Anwendung kommt (vgl. zur teleologischen Reduktion des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG Rz. 85 ff.). Neben einer Einschränkung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG können sich aus den allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG auch Einschränkungen des § 6 Abs. 4 GrEStG ergeben (vgl. hierzu Rz. 106 ff.). Nach der FinVerw. ist es hingegen unschädlich, wenn und soweit die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vorliegen oder später wegfallen, jedoch die Voraussetzungen für eine andere Steuervergünstigung erfüllt sind. In einem solchen Fall soll diese von Amts wegen gewährt werden.2

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IV. Beteiligung am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft/Beteiligungsquote 1. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung der Beteiligungsquote Nach § 6 GrEStG ist die Übertragung eines Grundstücks aus dem Gesamthandsvermögen einer Gesamthandsgemeinschaft in das Miteigentum eines oder mehrerer Gesamthänder(s) (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), in das Alleineigentum eines Gesamthänders (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) oder in das Gesamthandsvermögen einer anderen Gesamthandsgemeinschaft (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) von der Grunderwerbsteuer befreit, soweit der erwerbende Gesamthänder im gleichen Verhältnis am erworbenen

1 Vgl. BFH v. 1.9.1965 – II 93/62 U, BStBl. III 1965, 670. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5.

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41

§ 6 Rz. 41 Übergang von einer Gesamthand Grundstück beteiligt ist, wie er am Gesamthandsvermögen bzw. am Grundstück der übertragenden Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist bzw. war.1 Für den Umfang der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG ist mithin entscheidend, in welcher Höhe er am Vermögen der übertragenden Gesamthand beteiligt ist. Unter Anteil am Vermögen i.S.v. § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG ist – zum einen die sachenrechtliche (dingliche) unmittelbare Mitberechtigung des grundstückserwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, und – zum anderen die vermögensmäßige Beteiligung an der übertragenden Gesamthand bzw. am übertragenden Grundstück zu verstehen.2 Die sachenrechtliche bzw. dingliche Rechtsstellung als Gesamthänder ist für die Frage von Bedeutung, ob nach den § 6 GrEStG überhaupt dem Grunde nach eine Vergünstigung in Betracht kommt. In welchem Umfang eine Steuervergünstigung gewährt wird, richtet sich nach der Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück. Vermögensanteil i.S.d. § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG ist – soweit keine besonderen Vereinbarungen zwischen den Gesamthändern getroffen sind – die verhältnismäßige (prozentuale) Beteiligung der Gesamthänder am Vermögen der Gesamthand.3 Beispiel: Bei der grundbesitzenden A GmbH & Co. KG ist der Kommanditist A zu 40 % am Vermögen der KG beteiligt. Die KG verkauft A ein Grundstück. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Vorgang ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zu 40 % von der Steuer befreit, da A insoweit am Vermögen der KG und damit auch am Grundstück selbst beteiligt ist.

2. Grundsatz der Unmittelbarkeit 42

Die unmittelbare dingliche Mitberechtigung folgt bürgerlich-rechtlich bzw. handelsrechtlich bereits aus der Gesellschafterstellung bei einer Personen(-handels-)gesellschaft und ist mit dieser untrennbar verbunden. Schuldrechtliche Vereinbarungen führen nicht zu einer unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Dementsprechend ist auch bei Treuhandverhältnissen zivilrechtlich allein der Treuhänder Gesellschafter und damit am Gesamthandsvermögen dinglich beteiligt. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen hat zur Folge, dass mittelbare Beteiligungen im Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beteiligung an einer Gesamthand von einer Kapitalgesellschaft gehalten wird. In einem solchen Fall ist ausschließlich auf die Beteiligungsquote der Kapitalgesellschaft selbst und nicht etwa auf die Beteiligungsverhältnisse der an ihr beteiligten Gesellschafter abzustellen. Bei einer unmittelbaren Beteiligung einer Kapitalgesellschaft ist ein Durchgriff auf die dahinter stehenden Gesellschafter grundsätzlich nicht zulässig.4

43

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der dinglichen Mitberechtigung gilt indes bei doppelstöckigen Personengesellschaften. Hierbei ist nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungsobjekt anzusehen, sondern vielmehr ist auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten abzustellen (vgl. zum Ganzen eingehend § 5 Rz. 55 sowie Rz. 69). 3. Gesellschaftsvertragliche Regelungen über die Beteiligungsquote

44

Bei den Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) wird in den Gesellschaftsverträgen zumeist abweichend von den Regelungen des HGB (vgl. §§ 120, 161 Abs. 2 HGB) eine feste und unveränderli1 2 3 4

Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 2. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 3. BFH v. 3.3.1993 – II R 4/90, BFH/NV 1993, 494. Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 2 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 38.

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B. Allgemeine Voraussetzungen der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 bis 3

Rz. 49 § 6

che Beteiligungsquote festgelegt, zu der die Gesellschafter am Vermögen der Gesamthand beteiligt sind. Hinweis zu in der Praxis üblichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag einer KG: „Die Gesellschaft hat ein Festkapital von 1.000 Euro. Hieran sind die Gesellschafter wie folgt beteiligt: a) der persönlich haftende Gesellschafter X mit einem festen Kapitalanteil von 200 Euro, d.h. zu 20 Prozent, b) der Kommanditist Y mit einem festen Kapitalanteil von 800 Euro, d.h. zu 80 Prozent Der feste Kapitalanteil ist maßgeblich für die Beteiligung des Gesellschafters am Ergebnis und am Vermögen sowie an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben der Gesellschaft sowie für sein Stimmrecht.“

Entsprechende Regelungen über die Beteiligung am Vermögen (sowie am Ergebnis und Auseinandersetzungsguthaben) finden sich üblicherweise auch in Gesellschaftsverträgen von GbR und Partnerschaftsgesellschaften. Im Übrigen wird zur Ermittlung der Beteiligungsquote auf die Ausführungen unter § 5 Rz. 57 ff. verwiesen. 4. Maßgeblicher Zeitpunkt In zeitlicher Hinsicht kommt es für die Bestimmung der vermögensmäßigen Beteiligung auf den Übergang des Grundstücks i.S.v. § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG an. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird bzw. im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (vgl. hierzu Rz. 20 ff.). Von Bedeutung ist die Bestimmung dieses Zeitpunkts insbesondere für die Berechnung der zehnjährigen Nachbehaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (vgl. hierzu Rz. 76 ff.) und die Berechnung der Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 GrEStG (vgl. hierzu Rz. 96 ff.).

45

V. Umfang der Steuervergünstigung Geht ein Grundstück bei Fortbestand der übertragenden Gesamthand auf einen oder mehrere Gesamthänder über, kommt es für den Umfang der nach § 6 GrEStG zu gewährenden Vergünstigungen – unter Beachtung der Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 GrEStG – auf die Beteiligungsquote des grundstückserwerbenden Gesellschafters an (vgl. hierzu Rz. 41 ff. sowie § 5 Rz. 57 ff.).

46

Geht ein Grundstück jedoch im Rahmen der Auflösung der übertragenden Gesamthand auf einen oder mehrere Gesamthänder über, ist – unter Beachtung der zeitlichen Vorgaben des § 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG – eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote maßgebend (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GrEStG, vgl. hierzu Rz. 54 ff.).

47

In jedem Falle ist der Umfang der nach § 6 GrEStG zu gewährenden Steuervergünstigung gesamthän- 48 derbezogen zu ermitteln. Maßgebend ist ausschließlich, mit welcher Beteiligungs- oder Auseinandersetzungsquote der grundstückserwerbende Gesamthänder an der Gesamt beteiligt ist. Diese Quote legt das Höchstmaß der Steuervergünstigung nach § 6 GrEStG fest. Ist ein grundstückserwerbender Gesellschafter z.B. zu 20 % an einer OHG beteiligt, dann stellt die Quote von 20 % das Höchstmaß der Steuervergünstigung dar. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Gesamthänder ein Grundstück von ihrer Gesamthand erwerben. Stichtag für die Ermittlung der Beteiligungsquote und damit auch für den Umfang der Steuervergünstigung ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird bzw. im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (vgl. hierzu Rz. 20 ff.).

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§ 6 Rz. 50 Übergang von einer Gesamthand

C. Übergang eines Grundstücks in das Miteigentum an der Gesamthand Beteiligter (Abs. 1) I. Grundstücksübergang bei Fortbestand der Gesamthand (Abs. 1 Satz 1) 50

§ 6 Abs. 1 GrEStG entspricht – mit umgekehrter Übertragungsrichtung – der Vorschrift des § 5 Abs. 1 GrEStG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG unterliegt der Übergang eines Grundstücks aus dem Gesamthandsvermögen einer Gesamthandsgemeinschaft in das Miteigentum mehrerer an der Gesamthand Beteiligter nicht der Grunderwerbsteuer, soweit der Bruchteil, den der einzelne Erwerber erhält, seiner Beteiligung an der übertragenden Gesamthand entspricht. Entgegen des Wortlauts der Vorschrift ist es hierbei allerdings nicht erforderlich, dass alle erwerbenden Miteigentümer des Grundstücks zugleich auch an der übertragenden Gesamthand beteiligt sind. Vielmehr kommt § 6 Abs. 1 GrEStG auch dann zur Anwendung, wenn nur einer von mehreren Erwerbern an der Gesamthand beteiligt ist.1 Denn Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, einem Grundstückserwerber insoweit eine Steuervergünstigung zu gewähren, wie dieser bereits bislang über seine vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand am Grundstück beteiligt war. Ob und inwieweit noch andere Erwerber an der übertragenden Gesamthand beteiligt sind, ist in Anbetracht des mit der Vorschrift verfolgten Zwecks folglich unerheblich.

51

Es ist nicht erforderlich, dass der erwerbende Gesamthänder weiterhin an der Gesamthand beteiligt bleibt. Vielmehr bleibt eine nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG gewährte Steuervergünstigung auch dann erhalten, wenn der Erwerber nach Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück aus der übertragenden Gesamthand ausscheidet. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung ist jedoch, dass der Erwerber vor dem Erwerbsvorgang die Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 GrEStG eingehalten hat. Andernfalls scheidet eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 1 GrEStG von vornherein aus.

52

Eine Steuervergünstigung nach § 6 GrEStG kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Erwerb der Mitgliedschaft an einer Gesamthand und der Erwerb des Grundstücks (-bruchteils) in einem Rechtsakt zusammenfallen. In diesen Fällen würde eine Steuervergünstigung wegen der Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ohnehin nicht in Betracht kommen.

53

Der Umfang der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 GrEStG bestimmt sich nach dem Ausmaß der Deckungsgleichheit zwischen dem erworbenen Bruchteil am Grundstück und der Beteiligung an der Gesamthand. Soweit der Erwerber einen Mehrerwerb erhält, ist insoweit Grunderwerbsteuer zu erheben. Damit erhält der Grundstückserwerber die Steuerfreiheit (nur) insoweit, wie er bereits im Rahmen seiner gesamthänderischen Berechtigung an dem Gesamthandsvermögen und damit auch am entsprechenden Grundstück beteiligt war.2 Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind A, B, C, D und E zu jeweils 20 % beteiligt. A und B erwerben durch notariellen Grundstückskaufvertrag jeweils das hälftige Miteigentum an einem der OHG gehörenden Grundstück. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu insgesamt 40 % (2 × 20 %) steuerfrei. Auf den über die Beteiligung von A und B an der OHG hinausgehenden Mehrerwerb in Höhe von 60 % ist hingegen Grunderwerbsteuer zu entrichten.

II. Grundstücksübergang bei Auflösung der Gesamthand (Abs. 1 Satz 2) 54

Grundsätzlich richtet sich der Umfang der Vergünstigung nach der quotalen Beteiligung des Erwerbers am Vermögen der Gesamthand. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Übertragung des Grundstücks im Rahmen der Auflösung der Gesamthand nach § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GrEStG erfolgt. Hierbei kommt es für den Umfang der Steuervergünstigung auf eine etwaige – von der Beteiligungsquote abweichende – Auseinandersetzungsquote an. Dies gilt insbesondere für GbR, 1 Unstreitig, vgl. BFH v. 21.11.1979 – II R 96/76, BStBl. II 1980, 217; v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879; Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 7. 2 So BFH v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879.

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D. Alleineigentum Gesamthandsbeteiligter (Abs. 2)

Rz. 59 § 6

(GmbH & Co.) KG, OHG und die Partnerschaftsgesellschaften, da bei diesen Gesamthandsgemeinschaften eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart werden kann. Ohne abweichende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen entspricht die Beteiligungsquote am Vermögen der Gesamthand der Auseinandersetzungsquote. Bei der Erbengemeinschaft und den ehelichen Gütergemeinschaften ist indes von vornherein nur auf den Auseinandersetzungsanteil abzustellen.1 Der zeitliche Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG „bei Auflösung der Gesamthand“ 55 umfasst den Zeitraum zwischen dem Beginn der Abwicklung der Gesellschaft und deren Vollbeendigung. Die Abwicklung der Gesellschaft tritt ein, wenn ein Auflösungstatbestand eintritt (z.B. Gesellschafterbeschluss zur Liquidierung der Gesellschaft) und die Gesellschaft infolgedessen ihre werbende, auf einen Erwerbszweck gerichtete Tätigkeit einstellt.2 Die Tätigkeit der Abwicklungsgesellschaft ist darauf gerichtet, noch offene Vertragspflichten zu erfüllen, Forderungen der Gesellschaft (gegenüber Dritten und Gesellschaftern) geltend zu machen, Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begleichen und die Verteilung des Überschusses zwischen den Gesellschaftern vorzunehmen. Die Beendigung der Abwicklungsgesellschaft und damit die Vollbeendigung der Gesellschaft treten ein, wenn kein Aktivvermögen mehr vorhanden ist. Aktivvermögen ist noch so lange vorhanden, wie Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte oder Gesellschafter bestehen. Solange über die Verteilung von Gesellschaftsvermögen gestritten wird, liegt noch keine Vollbeendigung vor. Die Löschung der Gesellschaft im Handels- oder Partnerregister ist für den Eintritt der Vollbeendigung weder erforderlich noch ausreichend. Sie hat lediglich deklaratorische Wirkung.3 Von § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG können bei einer vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Auseinandersetzungsquote folglich alle Grundstücksübertragungen erfasst sein, die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft erfolgen. Denn solange zum Gesellschaftsvermögen noch ein Grundstück gehört, befindet sich diese noch in der Phase der Auflösung und ist noch nicht vollbeendet.

56

Hinsichtlich der Vereinbarung der vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Auseinandersetzungsquote ist die zeitliche Vorgabe des § 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG zu beachten. Danach findet eine abweichende Auseinandersetzungsquote keine Berücksichtigung, wenn diese innerhalb der letzten zehn Jahre (bis 30.6.2021: fünf Jahre) vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Gesellschaft weniger als zehn (fünf) Jahre existiert und die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote bereits bei Gründung vereinbart worden ist (vgl. hierzu Rz. 108).

57

Bei Beachtung der zeitlichen Vorgaben des § 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG kann sich die Maßgeblichkeit der Auseinandersetzungsquote zugunsten wie zulasten des grundstückserwerbenden Gesellschafters auswirken: Übernimmt der Gesellschafter im Rahmen der Auflösung der Gesellschaft ein Grundstück und wurde vor mehr als zehn (fünf) Jahren vereinbart, dass dieser eine höhere Auseinandersetzungsquote erhalten soll als ihm nach seiner Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft zusteht, ist dies in Hinblick auf den Umfang der Vergünstigung nach § 6 GrEStG vorteilhaft. Wurde hingegen eine unter der Beteiligungsquote liegende Auseinandersetzungsquote vereinbart, wirkt sich dies nachteilig auf den Umfang einer Steuervergünstigung nach § 6 GrEStG aus.

58

D. Übergang eines Grundstücks in das Alleineigentum eines an der Gesamthand Beteiligten (Abs. 2) § 6 Abs. 2 GrEStG entspricht – mit umgekehrter Übertragungsrichtung – der Vorschrift des § 5 Abs. 2 GrEStG. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG unterliegt der Übergang eines Grundstücks aus dem Gesamthandsvermögen einer Gesamthandsgemeinschaft in das Alleineigentum eines an der Gesamthand Be-

1 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 26. 2 Vgl. Kilian in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 730 BGB Rz. 6 ff. 3 Vgl. K. Schmidt in MüKo4, § 155 HGB Rz. 52 m.w.N.

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§ 6 Rz. 59 Übergang von einer Gesamthand teiligten nicht der Grunderwerbsteuer, soweit der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Ebenso wie im Anwendungsbereich von § 5 Abs. 2 GrEStG findet § 6 Abs. 2 GrEStG auf die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück Anwendung, da es sich auch bei einem Miteigentumsanteil grunderwerbsteuerlich um ein Grundstück i.S.v. § 2 GrEStG handelt, so dass ein entsprechender Erwerbsvorgang einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 GrEStG darstellt.1 60

Es ist nicht erforderlich, dass der erwerbende Gesamthänder weiterhin an der Gesamthand beteiligt bleibt. Vielmehr bleibt eine nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG gewährte Steuervergünstigung auch dann erhalten, wenn der Erwerber nach dem Erwerb des Grundstücks aus der übertragenden Gesamthand ausscheidet. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung ist jedoch, dass der Erwerber vor dem Erwerbsvorgang die Vorbehaltensfristen des § 6 Abs. 4 GrEStG eingehalten hat. Andernfalls scheidet eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG von vornherein aus.

61

§ 6 Abs. 2 GrEStG ist auch dann anwendbar, wenn der Anteil eines ausscheidenden Gesamthänders dem anderen allein verbleibenden Gesamthänder anwächst (§ 738 Abs. 1 BGB, § 105 Abs. 3 HGB). Durch diese Anwachsung gehen die Grundstücke unter gleichzeitigem Wegfall der gesamthänderischen Bindung in das (Allein-)Eigentum des Übernehmenden über. Damit liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor.2 Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind A und B zu jeweils 50 % beteiligt. B scheidet aus der OHG aus. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zu 50 % steuerfrei.

62

Die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG kann auch auf den Übergang einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG auf eine Einmann-GmbH & Co. KG Anwendung finden. Beispiel: Am Vermögen einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG sind die Kommanditisten A und B seit mehr als zehn Jahren zu jeweils 50 % beteiligt. An der Komplementär-GmbH sind A und B ebenfalls zu 50 % beteiligt. Die Komplementär-GmbH ist am Vermögen der KG nicht beteiligt. B scheidet aus der Gesellschaft aus und überträgt A die Beteiligungen an der KG und der GmbH. A ist damit alleiniger Gesellschafter, so dass eine Einmann-GmbH & Co. KG vorliegt. Der KG-Anteil wächst dem A gemäß §§ 738 Abs. 1 BGB, 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB an. Es liegt eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung in der Hand des A vor. Obwohl die Grundstücke der KG nach wie vor in deren gesamthänderisch gebundenem Eigentum verbleiben (und nicht unmittelbar auf den A als Alleineigentümer übergehen), findet auf diesen Vorgang die Vorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG Anwendung. Derjenige, in dessen Hand sich sämtliche Gesellschaftsanteile (unmittelbar/mittelbar) vereinigt haben, wird fiktiv so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft im Alleineigentum erhalten.3 Die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung in der Hand des A ist daher nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 50 % steuerbefreit. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG findet hierbei keine Anwendung, da die Anwachsung nicht ein inländisches Grundstück betrifft, sondern vielmehr die Anteile einer grundbesitzenden Personengesellschaft, so dass insoweit § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG einschlägig ist. Im vorhergehenden Beispiel unter Rz. 61 kam es nur deswegen zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, da die OHG unter Wegfall der gesamthänderischen Bindung aufgelöst wurde und das Grundstück unmittelbar auf den verbleibenden „Gesellschafter“ übergegangen ist.

63

Eine Steuervergünstigung nach § 6 GrEStG kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Erwerb der Mitgliedschaft an einer Gesamthand und der Erwerb des Grundstücks(-bruchteils) in einem Rechtsakt zusammenfallen. In einem solchen Fall fehlt es an einer vor dem Erwerb bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung, die sich später nach Erwerb des Grundstücks(-teils) an diesem

1 Vgl. Fuhrmann, KÖSDI 2014, 18768 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 12. 3 Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 25 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 14.

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Rz. 67 § 6

E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

fortsetzt. Bedeutung hat diese Konstellation insbesondere bei Bauherrenmodellen.1 Im Übrigen wäre bei diesen Fällen auch die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG zu beachten. Der Umfang der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG bestimmt sich nach der Beteiligungsquote, zu der der erwerbende Gesamthänder am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist.

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Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind A, B, C und D zu jeweils 25 % beteiligt. A erwirbt durch notariellen Grundstückskaufvertrag ein Grundstück der OHG. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zu 25 % steuerfrei.

Geht ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders über (§ 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) kann sich der Umfang der Vergünstigung nach einer vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Auseinandersetzungsquote bestimmen (vgl. hierzu Rz. 54 ff.).

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E. Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand (Abs. 3) I. Grundstücksübertragung zwischen Gesamthandsgemeinschaften (Satz 1) 1. Allgemeines Für die Übertragung von Grundstücken zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften ist § 6 Abs. 3 66 GrEStG einschlägig, der insoweit lex specialis zu § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG ist.2 Aufgrund der grunderwerbsteuerrechtlichen Selbstständigkeit der Gesamthand ist die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften selbst dann grunderwerbsteuerbar, wenn an beiden Gesamthandsgemeinschaften dieselben Personen im selben Verhältnis beteiligt sind. Es wäre jedoch möglich, das Grundstück zunächst aus der übertragenden Gesamthand unter Anwendung des § 6 Abs. 1 GrEStG in das Miteigentum der Gesamthänder zu überführen und anschließend von dort unter Anwendung des § 5 Abs. 1 GrEStG in die aufnehmende Gesamthand zu übertragen. § 6 Abs. 3 GrEStG kombiniert diese beiden Übertragungsvorgänge und ermöglicht so die unmittelbare grunderwerbsteuerfreie Grundstücksübertragung zwischen beteiligungsidentischen Gesamthandsgemeinschaften. Ergänzt wird § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG durch die Missbrauchsregelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (Nachbehaltensfrist) und § 6 Abs. 4 GrEStG (Vorbehaltensfristen, vgl. hierzu Rz. 76 ff. und Rz. 96 ff.). Aufgrund der Kombination von Vor- und Nachbehaltensfrist ist somit mindestens ein Zwanzigjahreszeitraum (bis 30.6.2021: Zehnjahreszeitraum) zu beachten. Innerhalb dieses Zeitraums können Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse Auswirkungen darauf haben, ob überhaupt Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können bzw. ob diese rückwirkend versagt werden.3 Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG findet grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG Anwendung und ist auch bei der Verschmelzung von Gesamthandgemeinschaften sowie bei entsprechenden Spaltungsvorgängen unter Beteiligung von Gesamthandsgemeinschaften einschlägig, (vgl. zur Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG im Fall einer Grundstücksübertragung zwischen Personengesellschaften bei Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft die Entscheidung des FG Düsseldorf v. 8.5.20194, gegen die die Revision beim BFH unter dem Az. II R 16/20 anhängig ist). Praxishinweis: Ertragsteuerrechtlich bereitet die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern (insbesondere von Grundstücken) zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 5 EStG seit vielen Jahren Schwierigkeiten. Grund hierfür sind die divergierenden Auffassungen des I. und IV. BFH-Senats über die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 EStG. 1 Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 24 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714 sowie Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 17; a.A. Weilbach, § 5 GrEStG Rz. 12. 3 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 63. 4 Vgl. FG Düsseldorf, v. 8.5.2019 – 7 K 2629/18 GE, DStRE 2021, 170.

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§ 6 Rz. 67 Übergang von einer Gesamthand Während der IV. Senat die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf diese Fälle analog anwenden will, sieht sich der I. BFH-Senat an einer analogen Anwendung gehindert. Mit Beschluss vom 10.4.2013 hat der I. Senat die Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.1 In der Praxis kann man bei Grundstücken eine steuerneutrale Übertragung oftmals dann erreichen, wenn auf Seiten der übertragenden Personengesellschaft die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG vorliegen. Das Grundstück kann in diesen Fällen zum gemeinen Wert an die Schwesterpersonengesellschaft veräußert werden. Bei der übertragenden Personengesellschaft kann in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven eine § 6bRücklage gebildet werden. Da diese Rücklage nicht gesamthandsbezogen, sondern vielmehr gesamthänderbezogen ist („gesellschafterbezogene Betrachtungsweise“), kann die Rücklage sogleich bei der erwerbenden Personengesellschaft vom Kaufpreis in Abzug gebracht werden. Durch die Übertragung der § 6b-Rücklage auf die erwerbende Personengesellschaft kann folglich eine Buchwertübertragung des Grundstücks erreicht und die Aufdeckung der stillen Reserven vermieden werden. Dieses „§ 6b-Modell“ wird von der Finanzverwaltung akzeptiert.2

68

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG gelten die Vorschriften des Abs. 1 entsprechend beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Steuerfreiheit tritt damit in dem Umfang ein, indem die prozentuale Beteiligung der Gesamthänder in beiden Gesamthandsgemeinschaften deckungsgleich ist.3 Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt. Die OHG verkauft ein Grundstück an eine GbR, an der der Gesellschafter A zu 30 % beteiligt ist. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu 30 % steuerfrei, da insoweit eine Deckungsgleichheit der Beteiligung des A an beiden Gesellschaften besteht.

Über § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kann damit folglich nur dann eine vollständige Steuerfreistellung erreicht werden, wenn an beiden Gesamthandsgemeinschaften dieselben Gesamthänder im selben Beteiligungsverhältnis beteiligt sind. 69

Auch im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, wonach es für den Umfang der Beteiligung auf die unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Vermögen der betreffenden Gesamthandsgemeinschaften ankommt. Eine Ausnahme gilt insoweit für doppelstöckige Gesamthandsgemeinschaften. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen beteiligt ist, ist nach Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen. Vielmehr ist ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten.4 Für die Bestimmung der Deckungsgleichheit der Beteiligungsverhältnisse bei der übertragenden und der erwerbenden Gesamthand ist folglich auf die (durchgerechnete) Beteiligung der Gesamthänder an der Obergesellschaft abzustellen. Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind eine GmbH mit 10 % und eine GbR mit 90 % beteiligt. An der GbR wiederum sind die Gesellschafter A und B mit jeweils 50 % beteiligt. Die OHG verkauft ein Grundstück an eine KG, an der der Gesellschafter A zu 30 % beteiligt ist. Auf den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang findet § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG Anwendung. An der übertragenden OHG ist der Gesellschafter A (durchgerechnet) mittelbar zu 45 % (90 % × 50 %), an der erwerbenden KG (unmittelbar) zu 30 % beteiligt, sodass die Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu 30 % steuerfrei ist, da insoweit eine Deckungsgleichheit der Beteiligung des A bei der übertragenden und der erwerbenden Gesamthand besteht.

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Die gleichen Grundsätze gelten, wenn ein Grundstück von einer Erbengemeinschaft, an der eine andere Erbengemeinschaft beteiligt ist, auf eine Personengesellschaft übergeht, an der sowohl die Erben als auch die Erbeserben beteiligt sind. Auf diese Konstellation findet die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG Anwendung, weil für die Gewährung der Steuervergünstigung eine mittelbare Beteiligung im

1 BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004 = FR 2013, 1084, Az. BVerfG: 2 BvL 8/13; vgl. zum Ganzen Levedag, GmbHR 2014, 337. 2 Vgl. BMF v. 8.12.2011 – IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279, Tz. 20. 3 Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 12 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 39. 4 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; v. 25.9.2013 – II R 17/12, BFH/NV 2014, 275.

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E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

Rz. 74 § 6

Durchgriff durch eine andere Erbengemeinschaft (Gesamthandsgemeinschaft) ausreichend ist1 (vgl. zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft unter Versagung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 3 GrEStG die Entscheidung des FG Münster v. 29.10.20202). Ist eine Kapitalgesellschaft an der übertragenden Gesamthand beteiligt, ist vom Grundsatz her ausschließlich auf die Beteiligungsquote der Kapitalgesellschaft selbst und nicht etwa auf die Beteiligungsverhältnisse der an ihr beteiligten Gesellschafter abzustellen. Bei einer unmittelbaren Beteiligung einer Kapitalgesellschaft ist ein Durchgriff auf die dahinter stehenden Gesellschafter grundsätzlich nicht zulässig, da Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG nicht transparent sind.3

71

2. Anwendung auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG Auf Übertragungen von Anteilen an Personengesellschaften, die einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen, findet § 6 Abs. 3 GrEStG entsprechende Anwendung.4 Hintergrund ist, dass § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang eines Grundstücks von der bisherigen Personengesellschaft auf eine neue Personengesellschaft mit geändertem Gesellschafterbestand fingiert. Dementsprechend handelt es sich um den (fiktiven) Übergang eines Grundstücks von einer Personengesellschaft (alt) auf eine andere Personengesellschaft (neu), die vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst wird, der die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften zum Gegenstand hat (vgl. Rz. 23 ff. mit entsprechenden Beispielen zu unmittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesamthandsgemeinschaft).5

72

Schwierigkeiten bereitet die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG bei mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft, die seit dem 1.1.20006 einen steuerbaren Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen können.

73

Exkurs: Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG Die zum 1.1.2000 eingeführte Regelung enthielt keine Regelungen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vorliegen sollte. Mit Urteil vom 24.4.20137 entschied der BFH, dass mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen seien, wobei Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen als transparent zu betrachten seien. Der Tatbestand der „mittelbaren Änderung“ sei nur erfüllt, wenn sich im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum der Gesellschafterbestand an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf den weiteren Beteiligungsebenen im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig (also zu 100 %) geändert habe. Die Finanzverwaltung hatte bis dahin eine mittelbare Änderung bereits ab einer Quote von 95 % angenommen, wobei sie lediglich Personengesellschaften auf weiteren Beteiligungsebenen als transparent angesehen hatte, nicht jedoch Kapitalgesellschaften. Bei mittelbaren Beteiligungen der Gesellschafter von Personengesellschaften an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft sei stets auf die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen. Bei Beteiligungen von Kapitalgesellschaften sei hingegen nur auf das erforderliche Quantum von 95 % der Anteile an dieser abzustellen. Gehen bei einer Kapitalgesellschaft mindestens 95 % der Anteile auf neue Anteilseigener über, so solle die Beteiligung der Kapitalgesellschaft in voller Höhe bei der Ermittlung des Prozentsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen sein.8

Im Anschluss an die Entscheidung des BFH vom 24.4.2013 wurden durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 mit Wirkung vom 6.11.2015 in § 1 Abs. 2a GrEStG die Sätze 2 bis 5 eingefügt, mit denen die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festgeschrieben wurde. Vor dem Hintergrund, dass auch mittelbare Veränderungen im Gesellschafterbestand von Kapitalgesellschaften, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, den Erwerbstat1 Vgl. BFH v. 27.6.1967 – II 50/64, BFHE 89, 573. 2 Vgl. FG Münster v. 29.10.2020 – 8 K 809/18, GrE, DStRE 2021, 750. Vgl. zu entsprechenden Gestaltungsansätzen zur Vermeidung einer Grunderwerbsteuerbelastung bei einer Erbauseinandersetzung über Grundbesitz Kraft/Jung, ErbStB 2021, 278. 3 Vgl. Schnitter in Wilms/Jochum, § 6 GrEStG Rz. 2 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 38. 4 Vgl. hierzu auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 3. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse vom 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 5, 7 und Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 12. 6 Vgl. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 7 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245 Tz. 3.

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§ 6 Rz. 74 Übergang von einer Gesamthand bestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen können, ist für diese Fälle eine einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG geboten. Denn insoweit kann für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nicht ausschließlich darauf abgestellt werden, ob sich der Gesellschafterbestand der „neuen“ Personengesellschaft unmittelbar geändert hat, da ansonsten der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG leerlaufen würde, der seit dem 1.1.2010 auch mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand als steuerbar erfasst. Vielmehr bedarf es insoweit einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG mit der Folge, dass Kapitalgesellschaften, die durch die Änderung ihrer Beteiligungsverhältnisse in voller Höhe1 bzw. um mindestens 95 %2 bzw. 90 % nach der ab 1.7.2021 geltenden Rechtslage als neue Gesellschafter anzusehen sind, im Rahmen der Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG als nicht am Vermögen der fiktiven neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt gelten.3 Andernfalls würde die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in Bezug auf mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands entgegen des gesetzgeberischen Willens neutralisiert werden.4 Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind die A-GmbH mit 97 % und die B-GmbH mit 3 % beteiligt. Sämtliche Geschäftsanteile an der A-GmbH hält A, die dieser vollständig an C überträgt. Durch die Übertragung der Geschäftsanteile von A auf C hat sich der unmittelbare Gesellschafterbestand an der OHG nicht geändert. Ungeachtet dessen löst die Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an der A-GmbH von A auf C den Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a Satz 2 ff. GrEStG aus, da sich hierdurch der Gesellschafterbestand an der OHG mittelbar in Höhe von 97 % geändert hat. Bei der A-GmbH handelt es sich nicht um einen Altgesellschafter, auch wenn diese unverändert an der OHG beteiligt bleibt. Vielmehr gilt diese – da sich ihr Gesellschafterbestand zu mindestens 90 % verändert hat – als neue Gesellschafterin i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG. Dieser mittelbare Gesellschafterwechsel führt dazu, dass der Grundbesitz von der „alten“ OHG (mit altem Gesellschafterbestand) fiktiv auf eine „neue“ OHG (mit neuem Gesellschafterbestand) übergegangen ist. Auf den nach § 1 Abs. 2a Satz 2 ff. GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang findet § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG (nur) in dem Umfang Anwendung, wie die B-GmbH nach wie vor an der „neuen“ OHG beteiligt ist. In Höhe von 3 % wird folglich die Grunderwerbsteuer nicht erhoben.5

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Erfolgt die Änderung des Gesellschafterbestands i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in mehreren Teilakten, kommt es für den Umfang der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG auf den Gesellschafterbestand vor dem ersten und nach dem letzten Teilakt an. Die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG ist daher auch dann zu gewähren, wenn im Rahmen eines sich über mehrere Teilschritte erstreckenden Anteilsübergangs von mindestens 95 % ein Gesellschafter zunächst aus der Personengesellschaft ausscheidet und vor oder mit Erreichen der Grenze von 95 % entweder wieder einen Anteil an der Gesellschaft erwirbt oder als Gesellschafter an einer Personenge-

1 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 2 Unter Berücksichtigung der Änderungen des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015, BGBl. I 2015, 1834 ff. für Erwerbsvorgänge ab dem 6.11.2015, vgl. § 1 Abs. 2a S. 2 bis 5 GrEStG. 3 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917, hierzu Behrens/Bock, DStR 2012, 1307 und Salzmann, DStR 2012, 1307; vgl. nachfolgend auch BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266 sowie v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833, hierzu Behrens, UVR 2015, 138 und Schanko, UVR 2015, 49; siehe auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1. 5 Vgl. zum Ganzen auch Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 46 ff., wonach die gleichen Grundsätze auch bei Vereinen und Stiftungen gelten sollen. Gleiches solle auch bei natürlichen Personen gelten, die zwar formal noch Gesellschafter sind, deren Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft jedoch aufgrund eines Treuhandverhältnisses entsprechend den in § 39 AO enthaltenen Grundsätzen wirtschaftlich einem Dritten zuzurechnen sind; vgl. hierzu auch FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 569 mit Anm. MüllerHorn, wonach sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft dadurch unmittelbar i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ändern soll, dass eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft (Treuhand-GmbH) den von ihr aufgrund einer Vereinbarungstreuhand treuhänderisch gehaltenen Gesellschaftsanteil auf den Treugeber überträgt. In der Höhe, in der der Treugeber vor der Übertragung mittelbar über die Treuhand-GmbH an der Personengesellschaft beteiligt war, soll die Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben sein, weil ihm der Anteil am Gesellschaftsvermögen und damit die dingliche Mitberechtigung am Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen war.

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E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

Rz. 79 § 6

sellschaft beteiligt ist, die ihrerseits einen solchen Anteil erwirbt (doppelstöckige Personengesellschaft).1

II. Ausschluss der Steuerbefreiung/Nachbehaltensfrist (Satz 2) 1. Allgemeines/Sinn und Zweck der Regelung Die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG insoweit ausgeschlossen, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthandsgemeinschaft innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahren, Sperrfrist bzw. Nachbehaltensfrist) nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthandsgemeinschaft vermindert (Sperrfristverstoß). Es handelt sich hierbei um eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift, durch die die jahrzehntelange Rspr. des BFH zu § 42 AO und insbesondere zur Gesamtplanrechtsprechung abgelöst wird. Diese Vorschrift entspricht inhaltlich der Missbrauchsverhinderungsnorm des § 5 Abs. 3 GrEStG. Durch § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wird sichergestellt, dass eine Grundstücksübertragung nur in dem Umfang steuerbegünstigt ist, wie die prozentuale Beteiligung der Gesamthänder in beiden Gesamthandsgemeinschaften deckungsgleich ist und über einen Zeitraum von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahren) bleibt (Deckungsgleichheit der Beteiligungsverhältnisse).2 Ohne diese Regelung könnte ein Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand grunderwerbsteuerfrei übertragen werden und anschließend im Wege des Gesellschafterwechsels – unter Beachtung der 90 %/95 %-Grenze des § 1 Abs. 2a GrEStG – die dingliche Berechtigung an dem Grundstück ebenfalls grunderwerbsteuerfrei auf andere Gesellschafter übergehen.

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Neben der zehnjährigen (bis 30.6.2021: fünfjährigen) Nachbehaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG 77 sind jedoch auch die von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängerten Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 GrEStG zu beachten, so dass bei der Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften seit dem 1.7.2021 mindestens ein Zwanzigjahreszeitraum zu beachten ist, innerhalb dessen Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse Auswirkungen darauf haben können, ob überhaupt Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können bzw. ob diese rückwirkend zu versagen sind (vgl. Rz. 66).3 Es handelt sich bei der Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG um eine objektive Missbrauchsvermeidungsvorschrift, die ausschließlich auf eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung bei der erwerbenden Gesamthand innerhalb eines Zeitraums von zehn bzw. fünf Jahren abstellt. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift kommt es aufgrund der Objektivierung des Tatbestands somit nicht auf subjektive Beweggründe an; die Absicht der Steuerumgehung ist mithin nicht Tatbestandsvoraussetzung. Aufgrund des weit gefassten Anwendungsbereichs der Vorschrift ist es daher allgemein anerkannt, dass die Vorschrift bei bestimmten Sachverhalten teleologisch zu reduzieren ist, wenn die vom Gesetz vorausgesetzte Steuerumgehung objektiv ausscheidet (vgl. hierzu Rz. 85 ff.).

78

2. Zeitlicher Anwendungsbereich § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wurde durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 eingefügt4 und 79 ist gem. § 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31.12.2001 verwirklicht werden. Die Regelung wurde mithin erst zwei Jahre nach Einführung der korrespondierenden Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG eingeführt (vgl. § 5 Rz. 12). Ob im Zeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2001 im Rahmen von § 6 GrEStG die Vorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG analog anzuwenden ist, ist umstritten. 1 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649 und gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1. 2 Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 12 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 39. 3 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 63. 4 BGBl. I 2001, 3794.

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§ 6 Rz. 80 Übergang von einer Gesamthand 80

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20211 wurden die bisherigen Fünfjahresfristen der § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängert. Die verlängerten Fristen sollen nach der allgemeinen Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge Anwendung finden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Darüber hinaus bestimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 24 GrEStG eine Vertrauensschutzregelung, wonach die auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängerten Fristen des § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 4 GrEStG nicht gelten, wenn die bislang geltenden Fünfjahresfristen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelungen am 1.7.2021 bereits abgelaufen waren. Für den Fall, dass die bislang geltenden fünfjährigen Nachbehaltensfristen der § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG infolge eines Erwerbsvorgangs vor dem 1.7.2021 bereits zu laufen begonnen haben, aber zum 30.6.2021 noch nicht abgelaufen waren, fehlt es hingegen an einer Anwendungsregelung in § 23 GrEStG, so dass insoweit die bisherigen Fünfjahresfristen weiter gelten müssen und nicht etwa die auf zehn Jahre verlängerten Fristen. Entgegen der Intention des Gesetzgebers2 werden diese Fälle nicht von der allgemeinen Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG erfasst. Denn diese Vorschrift erfasst sowohl die mit Wirkung zum 1.7.2021 geänderten bzw. neu in das Gesetz aufgenommenen steuerauslösenden Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 2b, § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3a GrEStG als auch u.a. die geänderten Nichterhebungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG. Sowohl die geänderten Ergänzungstatbestände als auch die geänderten Nichterhebungsvorschriften sollen auf „Erwerbsvorgänge“ nach dem 1.7.2021 zur Anwendung kommen. Mit „Erwerbsvorgänge“ in diesem Sinne sind die in § 1 GrEStG genannten Erwerbsvorgänge gemeint. Der Eintritt eines Verstoßes gegen die in § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG geregelten Nachbehaltensfristen vollzieht sich jedoch nicht durch einen Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG, sondern vielmehr durch eine Anteilsverminderung, die in der Regel durch Rechtsgeschäft erfolgt. Eine solche Anteilsverminderung kann, muss jedoch nicht zugleich einen Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 GrEStG erfüllen. Insoweit hätte es in den Anwendungsregelungen des § 23 Abs. 18 ff. GrEStG einer ausdrücklichen Regelung bedurft, dass die durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfristen der § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch auf Anteilsverminderungen („Sperrfristverstöße“) Anwendung finden, wenn die bislang geltende Fünfjahresfrist zum 1.7.2021 noch nicht abgelaufen war. Indem eine solche Regelung fehlt, gelten die auf zehn Jahre verlängerten Nachbehaltensfristen des § 5 Abs. 3 Satz 1 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nur für solche Erwerbsvorgänge, die ab dem 1.7.2021 erfolgen, und nicht etwa für Sperrfristverstöße von bis zum 30.6.2021 verwirklichten Erwerbsvorgängen. Für diese Fälle bleibt es bei den bisherigen Fünfjahresfristen (vgl. hierzu auch das Beispiel § 5 Rz. 74.1).

81

Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20203 wurden § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um Regelungen ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt (vgl. hierzu Rz. 95.1).

81.1

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)4 wurde mit der Vorschrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.5 In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG in das Gesetz aufgenommen worden, wonach eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn die ein Grundstück erwerbende Gesamthand nach § 1 Abs. 1a KStG zur Körperschaftsteuer optiert hat und das Grundstück von einer Gesamthand übergeht, die nicht nach § 1a KStG optiert hat. In diesen Fällen kann eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG jedoch dann gewährt werden, wenn die Option vor mehr als zehn Jahren erfolgt ist und die übertragende Gesamthand bereits länger als zehn Jahre an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt ist (vgl. hierzu Rz. 95.2). Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. 1 2 3 4 5

Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Vgl. hierzu RegE v. 31.7.2019, BT-Drucks. 19/13437, S. 14 und 18. Jahressteuergesetz (JStG) 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230.

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E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

Rz. 83 § 6

Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 25.6.2021 (Steuervermeidungsabwehrgesetz)1 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG Regelungen aufgenommen, wonach die Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelten sollen, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit diesen Regelungen Gestaltungen verhindert werden, nach denen einer Drittlandsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigungen nach § 5 oder 6 GrEStG gewährt werden und gleichzeitig ohne Einhaltung der Fristen nach § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.2 Die Regelungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Es erscheint zweifelhaft, dass diesen Vorschriften in der Praxis eine größere Bedeutung zukommen wird (vgl. hierzu Rz. 95.3).3

81.2

3. Voraussetzungen für den Ausschluss der Steuerbefreiung a) Verminderung des Anteils am Vermögen § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG kommt bei einer Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) nach dem Übergang des Grundstücks zur Anwendung (Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist bzw. Sperrfristverstoß). Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 GrEStG, die nachfolgend lediglich kurz zusammengefasst werden. Auf die entsprechenden weiterführenden Ausführungen zu § 5 Abs. 3 GrEStG wird daher verwiesen (§ 5 Rz. 75 ff.). Eine Verminderung des Anteils am Vermögen liegt dann vor, wenn der Gesamthänder entweder – seine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, verliert oder – sich seine vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück verringert.4

82

Beispiel: An einer grundbesitzenden OHG sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt. Im Jahr 2015 verkauft die OHG ein Grundstück an eine GbR, an der A zu 30 % beteiligt ist. Im Jahr 2017 veräußert A seine Beteiligung an der GbR an einen fremden Dritten. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Verkauf des Grundstücks im Jahr 2015 war gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GrEStG in Höhe von 30 % steuerfrei, da A insoweit an beiden Gesellschaften beteiligt war. Durch die Anteilsveräußerung im Jahr 2017 und die hierdurch bedingte Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des A an der GbR liegt ein Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG vor, der zu einer rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung im Umfang von 30 % führt. Hinweis: Eine Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung eines Gesamthänders an der erwerbenden Gesamthand ist von vornherein dann unschädlich, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr zum Vermögen der Gesamthand gehört. Ist das Grundstück zuvor bereits durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang aus dem Gesamthandsvermögen ausgeschieden, ist eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, so dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auf nachfolgende Verringerungen der Beteiligung keine Anwendung findet (vgl. Rz. 87).

b) Zur Verminderung des Anteils am Vermögen führende Fallkonstellationen Die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung an der erwerbenden Gesamthand kann durch eine Vielzahl von Tatbeständen verursacht werden. Von (praktischer) Relevanz sind insbesondere folgende Sachverhalte: – Vollständige oder teilweise Übertragung der Beteiligung an einen Dritten, – Ausscheiden des Gesellschafters, 1 2 3 4

BGBl. I 2021, 2056. Vgl. BT-Drucks. 19/30470 v. 9.6.2021, S. 52. Vgl. hierzu auch Wagner, DStZ 2021, 604 (609). Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 3.

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83

§ 6 Rz. 83 Übergang von einer Gesamthand – Beitritt neuer Gesellschafter, – Schuldrechtliche Vereinbarungen, – Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der erwerbenden Gesamthand, – Umwandlungsvorgänge auf der Ebene der übertragenden Gesamthand, – Auflösung der erwerbenden Gesamthand, Anwachsung, – Veränderung variabler Kapitalkonten und – Wechsel einer unmittelbaren Beteiligung zu einer mittelbaren Beteiligung. Zu den vorstehend genannten Sachverhalten wird auf die weiterführenden Ausführungen unter § 5 Rz. 76 ff. verwiesen. 4. Berechnung der Sperrfrist 84

Die Sperrfrist (Nachbehaltensfrist) berechnet sich nach §§ 186 ff. BGB.1 Die Frist beginnt mit dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand. Ein Übergang eines Grundstücks auf die Gesamthand liegt vor, wenn das Grundstück dieser grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird bzw. im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (vgl. hierzu Rz. 20 ff.). 5. Kein Wegfall der Steuerbefreiung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion a) Allgemeines

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Wie oben unter Rz. 78 bereits ausgeführt, handelt sich bei § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG um eine typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Durch die Sperrfrist sollen insbesondere Gestaltungen verhindert werden, bei denen durch Veränderungen im Gesellschafterbestand der erwerbenden Gesamthandsgemeinschaft – unter Beachtung der 90 %/95 %-Grenze des § 1 Abs. 2a GrEStG – die dingliche Berechtigung an dem Grundstück grunderwerbsteuerfrei auf andere Gesellschafter übergeht. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zielt folglich darauf ab, eine Steuerumgehung durch die missbräuchliche Ausnutzung der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG zu verhindern. Aufgrund der Objektivierung des Tatbestands, bei der für den Ausschluss der Vergünstigungen nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG ausschließlich darauf abgestellt wird, dass sich die vermögensmäßige Beteiligung des Gesamthänders an der erwerbenden Gesamthandsgemeinschaft vermindert, ist der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sehr weit gefasst. Es werden folglich vom Wortlaut der Norm auch Sachverhalte erfasst, bei denen eine Steuerumgehung von vornherein ausgeschlossen ist. Bei solchen Sachverhalten ist Abs. 3 teleologisch zu reduzieren, so dass die Norm trotz Erfüllung des Tatbestands keine Anwendung findet. b) Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion aa) Objektiver Ausschluss einer Steuerumgehung trotz Tatbestandsverwirklichung

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Insbesondere bei folgenden Konstellationen ist eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, so dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG trotz Tatbestandsverwirklichung nicht zur Anwendung kommt, also teleologisch reduziert wird. bb) Das übertragene Grundstück befindet sich im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes nicht mehr im Gesamthandsvermögen der erwerbenden Gesamthand

87

Ist das Grundstück, für dessen Übertragung eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Anspruch genommen wurde, bereits vor der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung (Sperrfristverstoß) durch einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang aus dem Gesamthandsvermö-

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 6.

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E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

Rz. 90 § 6

gen ausgeschieden, kommt § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nicht zur Anwendung. In diesen Fällen ist eine missbräuchliche Gestaltung objektiv ausgeschlossen.1 cc) Die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus Löst die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesamthand einen grunderwerbsteu- 88 erbaren Vorgang i.S.v. § 1 GrEStG aus, kommt § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nicht zur Anwendung. In Betracht kommt hierbei insbesondere die Verwirklichung des Erwerbstatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG infolge einer Anwachsung sowie die Verwirklichung der fiktiven Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG. Auf den zum 1.7.2021 neu eingefügten Erwerbstatbestand § 1 Abs. 2b GrEStG sollen §§ 5 und 6 hingegen von vornherein keine Anwendung finden (vgl. Rz. 24.1). Auch in diesen Fällen ist eine missbräuchliche Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, da die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung einen steuerbaren Erwerbsvorgang auslöst. Ob und inwieweit dieser Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist, ist für die teleologische Reduktion von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG unerheblich.2 Dies hat der BFH in der Entscheidung vom 25.8.20203 noch einmal ausdrücklich im Zusammenhang mit der fünfjährigen Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. klargestellt. Die dortigen Grundsätze lassen sich uneingeschränkt auf sämtliche in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG geregelten Vor- oder Nachbehaltensfristen (Sperrfristen) übertragen. Nach diesen Grundsätzen liegt kein Sperrfristverstoß vor, wenn dieser durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst wurde. Auf Basis der vorgenannten Entscheidung gilt dies auch dann, wenn Grunderwerbsteuer für diesen grunderwerbsteuerbaren Vorgang weder festgesetzt noch gezahlt worden ist. Auch in diesen Fällen fehle es an einer abstrakten Missbrauchsgefahr – ebenso wie bei einer Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs –, der mit den in den §§ 5 und 6 GrEStG geregelten Vorund Nachbehaltensfristen begegnet werden soll (vgl. hierzu auch die Entscheidung des FG Köln v. 27.3.20194, gegen die die Revision beim BFH unter dem Az. II R 4/20 anhängig ist). dd) Auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung Vermindert sich die Beteiligung zugunsten von Personen, bei denen eine Grundstücksübertragung aufgrund einer personenbezogenen Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG steuerfrei wäre (insbesondere bei einer Übertragung auf den Ehegatten, § 3 Nr. 4 GrEStG oder auf Kinder, § 3 Nr. 6 GrEStG), führt dies nicht zur Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG. Zwar sind die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG auf die Übertragung einer Beteiligung nicht unmittelbar anwendbar, jedoch ist der dahinter stehende Rechtsgedanke bei Anteilsübertragungen entsprechend zu berücksichtigen.5 Könnte das Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtsgedanken der Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG von der erwerbenden Gesamthand an die betreffenden Personen steuerfrei übertragen werden, kann die Übertragung von Anteilen an der erwerbenden Gesamthand an eben diese Personen nicht missbräuchlich i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sein. Gleiches gilt, wenn sich im Zuge des Beitritts neuer Gesellschafter die vermögensmäßige Beteiligung des Gesamthänders zugunsten von z.B. nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG begünstigter Neugesellschafter vermindert.

89

Geht die Beteiligung schenkweise oder von Todes wegen auf einen Dritten über, kommt insoweit der Rechtsgedanke der sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung, so dass hierdurch kein Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ausgelöst werden kann.

90

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.2. 2 Vgl. statt vieler Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 115; nichts anderes dürfte im Anwendungsbereich des § 6 GrEStG gelten. 3 BFH v. 25.8.2020 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162; vgl. hierzu auch Behrens, BB 2021, 354. 4 Vgl. FG Köln v. 27.3.2019 – 5 K 1953/16, EFG 2020, 1701. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.

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§ 6 Rz. 91 Übergang von einer Gesamthand 6. Rechtsfolgen eines Sperrfristverstoßes und Verfahrensfragen 91

Es handelt sich bei § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nicht um eine Nacherhebungsvorschrift bzw. Nachversteuerungsvorschrift. Durch die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift wird kein eigenständiger Besteuerungstatbestand verwirklicht. Vielmehr handelt es sich bei der Verminderung des Anteils am Vermögen im Sinne von Abs. 3 Satz 2 um ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO. Bei einem Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 2 Satz 3 GrEStG erfolgt auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerentstehung eine geänderte Steuerfestsetzung oder es wird erstmalig ein Grunderwerbsteuerbescheid erlassen (vgl. auch § 5 Rz. 133). Im Hinblick auf die maßgebliche Festsetzungsfrist bewirkt dieses nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO eine Anlaufhemmung mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt.1 Eine Verzinsung der nachzuentrichtenden Steuer erfolgt nicht (vgl. § 233a Abs. 1 AO).

92

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG eine Anzeigepflicht bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 oder § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG besteht (vgl. § 19 Rz. 148 ff.). Bei verspäteter Erfüllung oder bei Nichterfüllung dieser Anzeigepflicht greift die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Anzeige erstattet worden ist, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Jahres, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung (= Kalenderjahr der Grundstücksübertragung) folgt. Kommen sowohl die Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO als auch die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AO zur Anwendung, ist die längere der beiden Anlaufhemmungen für den Beginn der Festsetzungsfrist maßgeblich.2

93

Bei Nichterfüllung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG kann der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bzw. der Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt sein. Neben den entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen hätte dies darüber hinaus eine Verlängerung der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) auf fünf bzw. zehn Jahre zur Folge (§ 169 Abs. 2 AO).

94

Damit die Grunderwerbsteuer durch die Finanzämter auch bei fehlender Anzeige festgesetzt werden kann, sind diese gehalten, Steuerfälle zu überwachen, bei denen eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG gewährt wurde. Zeigt der Steuerschuldner eine steuerschädliche Anteilsherabsetzung an, ist der Bescheid zu ändern oder erstmals zu erlassen. In den übrigen Fällen ist der Steuerschuldner nach Ablauf der Fünfjahresfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu befragen, ob sich die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs verringert hat.3

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Die Vorschrift des § 16 GrEStG (Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung) soll nach der Rechtsprechung des BFH und der h.M. in der Literatur keine (entsprechende) Anwendung finden, wenn der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wurde und die den Sperrfristverstoß auslösende Maßnahme nachträglich rückgängig gemacht wird. Nach Ansicht des BFH könne dieses rückwirkende Ereignis nicht i.S.v. § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden.4 Die in § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rückgängigmachung bzw. eines Rückerwerbs sollen nach ihrem klaren Wortlaut sowie unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhangs mit den Rechtsvorgängen des § 1 GrEStG eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Fallgestaltungen, in denen lediglich die Voraussetzungen einer zu versagenden Steuerbefreiung nachträglich „rückgängig“ gemacht werden, der steuerbare Erwerbsvorgang selbst aber unberührt bleibt, nicht zulassen.5 Die vorstehend genannten Grundsätze dürften ohne Einschränkung auch bei einer Verwirklichung von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zur Anwendung kommen. 1 2 3 4

Vgl. hierzu gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 9. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 9. So OFD Nds. v. 21.1.2016 – S 4514-15-St 261, juris. Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43, zustimmend Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 35, Pahlke6, § 5 GrEStG Rz. 96 und Viskorf in Boruttau19, § 5 GrEStG Rz. 122. 5 So BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43 Tz. 11.

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E. Übergang auf andere Gesamthand (Abs. 3)

Rz. 95.2 § 6

III. Rechtsfolgen des Brexit (Satz 3) Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 vom 21.12.20201 wurden § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 95.1 Satz 3 GrEStG mit Wirkung zum 1.2.2020 um eine Regelung ergänzt, wonach der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit) nicht zu einem Sperrfristverstoß im Sinne dieser Vorschriften führt. Hiermit sollen ausweislich der Gesetzesbegründung folgende Fälle erfasst werden: Wenn an einer Limited mit inländischer Geschäftsleitung, der vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG gewährt wurde, nur ein Gesellschafter beteiligt ist, tritt durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited. Dadurch vermindert sich der Anteil am Vermögen der Gesamthand, und es kann insoweit zur Versagung der Vergünstigung nach § 5 Absatz 3 Satz 1 GrEStG kommen (Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist). Um dies zu verhindern, wurde § 5 Abs. 3 GrEStG um einen Satz 2 ergänzt, wonach eine nach § 5 GrEStG in Anspruch genommene Steuervergünstigung nicht allein dadurch entfällt, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union ausgetreten sind. Korrespondierend hierzu greift § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG bei der Übertragung eines Grundstücks zwischen Gesamthandsgemeinschaften, an denen jeweils eine vorgenannte „inländische Limited“ beteiligt ist. Allein der Umstand des Brexit führt in diesem Fall nicht zu einem Sperrfristverstoß i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG.

IV. Rechtsfolgen der Ausübung der durch das KöMoG eingeführten Option nach § 1 Abs. 1a KStG (Satz 4) Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) wurde mit der Vor- 95.2 schrift des § 1a KStG das sog. Optionsmodell für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften eingeführt.2 Danach können diese Gesellschaften auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuert werden. Diese Fiktion gilt allerdings lediglich für Ertragsteuerzwecke. Für die Grunderwerbsteuer gilt die Fiktion ausdrücklich nicht, so dass die optierenden Gesellschaften für Grunderwerbsteuerzwecke nach wie vor wie Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften behandelt werden und damit auch die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG in Anspruch nehmen können. Zur Vermeidung von (für den Gesetzgeber) missliebigen Gestaltungen wurden in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 und § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG entsprechende Regelungen aufgenommen (vgl. zu den ertragsteuerlichen Hintergründen Rz. 12). Die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Von § 6 Absatz 3 Satz 4 GrEStG soll ausweislich der Gesetzesbegründung der Fall erfasst werden, dass ein Grundstück von einer Gesamthand, die nicht nach § 1a KStG optiert hat, auf eine optierende Gesellschaft übertragen wird. Für eine solche Übertragung soll die Vergünstigung nach § 6 Absatz 1 GrEStG nicht gewährt werden. In diesen Fällen kann eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG jedoch dann gewährt werden, wenn die Option (i) vor mehr als zehn Jahren erfolgt ist und (ii) die übertragende Gesamthand bereits länger als zehn Jahre an der aufnehmenden Gesellschaft beteiligt ist. Die Neuregelungen in Satz 4 erfassen ausweislich des Wortlauts nur die Fälle, in denen ausschließlich die erwerbende Gesamthand bereits im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung nach § 1 Abs. 1a KStG optiert hat. Nicht erfasst sind folglich die Fälle, in denen ausschließlich oder zusätzlich auch die übertragende Gesamthand die Option ausgeübt hat oder in denen die erwerbende Gesamthand erst nach der Grundstücksübertragung optiert.3

1 Jahressteuergesetz (JStG) 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 2 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, BGBl. I 2021, 2050; vgl. hierzu Schiffers, DStZ 2021, 348 und Demuth, KÖSDI 2021, 22230. 3 Vgl. zu den betreffenden Fallvarianten Wagner, DStZ 2021, 604 (607).

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§ 6 Rz. 95.3 Übergang von einer Gesamthand

V. Ausschluss für bestimmte Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und inländischer Geschäftsleitung (Satz 5) 95.3

Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze vom 25.6.2021 (Steuervermeidungsabwehrgesetz)1 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG Regelungen aufgenommen, wonach die Vergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gelten sollen, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist, und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft behandelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen mit diesen Regelungen Gestaltungen verhindert werden, nach denen einer Drittlandsgesellschaft mit Ort der Geschäftsleitung im Inland die Steuervergünstigungen nach § 5 oder 6 GrEStG gewährt werden und gleichzeitig ohne Einhaltung der Fristen nach § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz erreicht werden kann.2 Die Regelungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 Satz 5 GrEStG findet die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 GrEStG keine Anwendung, wenn es sich bei der erwerbenden Gesamthand um eine solche „Drittlandsgesellschaft“ handelt. Offenbar möchte der Gesetzgeber mit diesen Regelungen einer abstrakten „Missbrauchsgefahr“ vorbeugen, die sich aufgrund von Qualifikationskonflikten im internationalen Gesellschaftsrecht und der durch das KöMoG eingeführten Optionsmöglichkeit nach § 1 Abs. 1a KStG ergeben könnten. Es erscheint allerdings zweifelhaft, dass diesen Vorschriften in der Praxis eine größere Bedeutung zukommen wird.3

F. Ausschluss der Steuerbefreiung/Sperrfristen (Abs. 4) I. Allgemeines/Zeitlicher Anwendungsbereich 96

Nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 und 3 GrEStG sind die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 insoweit nicht anzuwenden, als ein Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb der dort geregelten Fristen von zehn bzw. fünfzehn seinen Anteil an der übertragenden Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat (Vorbehaltensfristen). Nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG gelten die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 außerdem insoweit nicht, als die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist. Ebenso wie bei der Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 5 Abs. 3 GrEStG handelt es sich bei den Sperrfristen des Abs. 4 um objektive Missbrauchsvermeidungsvorschriften, mit denen Steuerumgehungen vermieden werden sollen. Die Absicht einer Steuerumgehung ist nicht Tatbestandsvoraussetzung.4 Die Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG sollen Fallgestaltungen verhindern, bei denen im Vorfeld eines beabsichtigten Grundstückserwerbs von einer Gesamthand eine Beteiligung an dieser erworben bzw. erhöht wird, um auf diese Weise das Grundstück unter Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG von der Gesamthand zu erwerben. Korrespondierend hierzu sollen die Nachbehaltensfristen nach § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG Fallgestaltungen verhindern, bei denen ein Grundstück von einem Gesamthänder unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG auf die Gesamthand übertragen wird und in der Folge die Beteiligung des übertragenden Gesellschafters an dieser Gesamthand (substantiell) verringert wird.5 Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20216 wurden die bislang in § 6 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 GrEStG geregelten Fünfjahresfristen auf zehn Jahre verlängert 1 2 3 4 5 6

BGBl. I 2021, 2056. Vgl. BT-Drucks. 19/30470 v. 9.6.2021, S. 52. Vgl. hierzu auch Wagner, DStZ 2021, 604 (609). Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 73. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6. BGBl. I 2021, 986.

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F. Ausschluss der Steuerbefreiung/Sperrfristen (Abs. 4)

Rz. 99 § 6

und eine neue fünfzehnjährige Vorbehaltensfrist eingeführt. In diesem Zusammenhang wurde Abs. 4 neu gegliedert, indem aus dem bisherigen Satz 1 Nummer 1 und aus dem bisherigen Satz 2 Nummer 2 wurde. Die neu eingeführte fünfzehnjährige Vorbehaltensfrist ist in Abs. 4 Nr. 3 GrEStG geregelt. Die Änderungen sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten.1 Von besonderer Bedeutung für die Vorbehaltensfristen des Abs. 4 ist die Anwendungsregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG. Danach sind die auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängerten Vorbehaltensfristen nicht anzuwenden, wenn die bislang geltenden Fünfjahresfristen des § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. zum 1.7.2021 bereits verstrichen sind. Hat ein Gesellschafter seine Beteiligung an der Gesamthand folglich vor dem 1.7.2016 durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben, gilt für diesen ausschließlich die bisherige Fünfjahresfrist mit der Folge, dass er die Steuervergünstigungen der Abs. 1 bis 3 spätestens ab dem 1.7.2021 in Anspruch nehmen kann. Auf solche Beteiligungen finden weder die auf zehn Jahre verlängerten Vorbehaltensfristen des Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 noch die fünfzehnjährige Vorbehaltensfrist des Abs. 4 Nr. 3 Anwendung.

II. Voraussetzungen für den Ausschluss der Steuerbefreiungen § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG kommt zur Anwendung, wenn und soweit der erwerbende Gesamthänder innerhalb von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) vor dem Erwerbsvorgang aufgrund eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden seinen Anteil an der übertragenden Gesamthand erworben hat. Durch die Formulierung „insoweit“ ergibt sich, dass hierdurch nicht nur Fälle des erstmaligen Beitritts zur Gesamthand erfasst werden, sondern vielmehr auch Erhöhungen der Beteiligungsquote bereits an der Gesamthand beteiligter Gesamthänder. § 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG setzt ebenfalls ein rechtsgeschäftliches Handeln voraus, in dem es dort auf die Vereinbarung einer vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Auseinandersetzungsquote ankommt.

97

Ein Rechtsgeschäft unter Lebenden i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG umfasst jedes rechtsgeschäftliche Han- 98 deln, das zu einer Veränderung der Beteiligung an der Gesamthand und damit auch an dem von der Gesamthand gehaltenen Grundbesitz führt. Hiervon erfasst wird insbesondere ein Kauf- und Abtretungsvertrag, der die Übertragung eines Anteils an der Gesamthand nach § 398 BGB zum Gegenstand hat. Neben solchen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen, mit denen eine Beteiligung an der Gesamthand unmittelbar dinglich erworben wird, werden auch solche rechtsgeschäftlichen Handlungen erfasst, die lediglich mittelbar zu einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der Gesamthand führen. Es ist daher ausreichend, dass der dingliche Vollzug des Anteilserwerbs auf eine rechtsgeschäftliche Wurzel zurückzuführen ist, auch wenn der Anteilserwerb letztlich kraft Gesetzes bewirkt wird.2 Dies betrifft insbesondere Umwandlungsvorgänge (insbesondere Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel) sowie gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen. Gehen im Zuge einer Verschmelzung Anteile an einer grundbesitzenden Gesamthand auf den übernehmenden Rechtsträger über, so liegt hierin ein Anteilserwerb durch Rechtsgeschäft i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG, da rechtsgeschäftliche Grundlage des Verschmelzungsvorgangs der Verschmelzungsvertrag ist. Unerheblich ist insoweit, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge – kraft Gesetzes – durch Eintragung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers übergeht.3 Zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden gehören nicht nur zweiseitige Rechtsgeschäfte (insbesondere Verträge), sondern darüber hinaus auch Gesellschafterbeschlüsse und einseitige Willenserklärungen (z.B. Kündigung). Kündigt ein Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis und scheidet er in der Folge aus der Gesellschaft aus, wächst das Gesamthandsvermögen den übrigen Gesellschaftern an (§ 738 Satz 1 BGB). Diese Anwachsung vollzieht sich zwar kraft Gesetzes, jedoch beruht diese auf einer rechtsgeschäftlichen Erklärung. Die durch die Anwachsung bedingte Erhöhung der Beteiligungsquoten

1 Vgl. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986; vgl. zu den umfangreichen Anwendungsregelungen § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG. 2 Vgl. BFH v. 29.1.1997 – II R 15/96, BStBl. II 1997, 296. 3 Vgl. BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587 und v. 19.3.2003 – II B 96/02, BFH/NV 2003, 1090.

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§ 6 Rz. 99 Übergang von einer Gesamthand der übrigen Gesellschafter stellt damit einen durch Rechtsgeschäft bedingten Anteilserwerb i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG dar.1 Darüber hinaus bedarf das entsprechende Rechtsgeschäft nicht der Schriftform. 100

Auch insoweit gilt der Grundsatz der unmittelbaren dinglichen Berechtigung (vgl. hierzu Rz. 42). Bei der Berechnung der Vorbehaltensfristen nach Abs. 4 sind folglich nur diejenigen Besitzzeiten zu berücksichtigen, in denen der Gesamthänder unmittelbar dinglich am Vermögen der Gesamthand berechtigt war. War der Betreffende vor dem Erwerb des Grundstücks von der Gesamthand über einen Zeitraum von mehr als zehn bzw. fünf Jahren lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft an der Gesamthand beteiligt, reicht dies nicht aus, um die Vorbehaltensfristen nach Abs. 4 zu erfüllen.2 Wird eine grundbesitzende Kapitalgesellschaft formwechselnd (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 191 ff. UmwG) in eine Gesamthandsgemeinschaft umgewandelt, beginnen die Vorbehaltensfristen nach Abs. 4 für die Gesellschafter der formgewechselten Gesellschaft erst in dem Zeitpunkt, in dem die neue Rechtsform in das Handelsregister eingetragen wird. Die Zeiten, in denen die Gesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren, bleiben unberücksichtigt.3

101

Abweichend vom Grundsatz der Unmittelbarkeit werden bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften auch Zeiten angerechnet, in denen der betreffende Grundstückserwerber nur mittelbar über eine andere Gesamthandsgemeinschaft an der übertragenden Gesamthand beteiligt war. Damit können die Vergünstigungen des § 6 GrEStG auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der betreffende Erwerber über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nur mittelbar über eine andere Gesamthand an der übertragenden Gesamthand beteiligt war.4 Zur Ermittlung der begünstigten Quote sind Beteiligungsverhältnisse durchzurechnen.

101.1

Mit der durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.20215 neu eingeführten fünfzehnjährigen Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG sollen die bisherigen klassischen RETT-Blocker-Gestaltungen bei Objektgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG erfasst werden. Das nachfolgende Beispiel zeigt, wie entsprechende Gestaltungen in der Vergangenheit vollzogen worden sind. Beispiel: A hält 100 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG. Die Komplementär-GmbH ist am Vermögen der KG nicht beteiligt. Im Jahr 2014 verkauft und überträgt A 94,9 % der Anteile an der KG auf B. Im Jahr 2020 verkauft und überträgt A die restliche Beteiligung von 5,1 % auf B, so dass dieser 100 % der Anteile an der KG hält.6 Der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wird weder im Jahr 2014 noch im Jahr 2020 verwirklicht. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde in Anwendung der Pro-Kopf-Betrachtung aufgrund der gesamthänderischen Mitberechtigung der Komplementär-GmbH ebenfalls nicht verwirklicht werden. B hat jedoch eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von 100 % an der KG inne, so dass der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG im Jahr 2020 verwirklicht wird. Die auf diesen Erwerbsvorgang entfallende Steuer wird jedoch in Höhe von 94,9 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. steht dem nicht entgegen, da B diese Beteiligung vor mehr als fünf Jahren erworben hat.

Genau die vorstehende Gestaltung soll § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG unterbinden bzw. erschweren, indem die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG (nach dem ab 1.7.2021 geltenden Recht im Umfang von 89,9 % statt bislang 94,9 %) erst nach fünfzehn Jahren zur Anwendung kommen soll. Im vorstehenden Beispiel wäre es jedoch nach der Rechtslage ab dem 1.7.2021 möglich, dass nach Ablauf der 1 Vgl. BFH v. 14.12.2002 – II R 31/01, BStBl. II 2003, 319. 2 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BStBl. II 2015, 504 und v. 30.10.1996 – II R 72/94, BStBl. II 1997, 87. 3 Vgl. BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587 und BFH v. 5.6.2019 – II B 21/18, BFH/NV 2019, 1253: „Die Zeit ihrer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft wird den Gesellschaftern nicht fiktiv als Beteiligung an der Personengesellschaft angerechnet; die Fünf-Jahres-Frist des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG beginnt in diesen Fällen erst mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister.“ 4 Vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714; Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 73; Behrens/Schmitt, UVR 2004, 270. 5 BGBl. I 2021, 986. 6 Nach gleichlautenden Ländererlassen v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 7.

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F. Ausschluss der Steuerbefreiung/Sperrfristen (Abs. 4)

Rz. 104 § 6

Zehnjahresfrist des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zwar nicht der B selbst die restlichen Anteile von A erwirbt, sondern ein Dritter. In diesem Fall wäre der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt, da die dortige Zehnjahresfrist abgelaufen ist. Auch die anderen Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG wären hierbei nicht erfüllt, da die steuerauslösende Beteiligungsschwelle von nach neuem Recht 90 % weder von B noch von dem Dritten erreicht wird.1 Nach Ablauf von fünf Jahren kann B dann von dem Dritten die restliche Beteiligung erwerben und für die hierdurch ausgelöste Anteilsvereinigung in einer Hand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (bei Aufgabe der Pro-KopfBetrachtung, vgl. hierzu Rz. 30) bzw. die wirtschaftliche Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe seiner bisherigen Beteiligung an der KG (= 89,9 % nach neuem Recht) in Anspruch nehmen. Seit dem erstmaligen Erwerb von Anteilen an der KG sind dann mehr als fünfzehn Jahre vergangen, so dass § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG nicht im Wege steht.

III. Berechnung der Sperrfristen Bei der Berechnung der Sperrfristen des Abs. 4 ist zum einen auf den Zeitpunkt des Anteilserwerbs 102 bzw. der Vereinbarung einer abweichenden Auseinandersetzungsquote und zum anderen auf den Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs in Bezug auf das betreffende Grundstück abzustellen. Die Fristen des § 6 Abs. 4 GrEStG beginnen jeweils mit der Verwirklichung des für die Steuervergünstigung in Rede stehenden Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 GrEStG und sind von diesem aus zurück zu berechnen. Auf diese Frist sind die Vorschriften der §§ 186 ff. BGB entsprechend anzuwenden.2 Liegt der Zeitpunkt des Anteilserwerbs bzw. der Vereinbarung einer abweichenden Auseinandersetzungsquote innerhalb der Frist, können die Vergünstigungen nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG nicht in Anspruch genommen werden bzw. ist die abweichende Auseinandersetzungsquote nicht anwendbar. Wann der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG in Bezug auf ein Grundstück oder einen Ersatzrealisationstatbestand verwirklicht ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG. Es ist somit für jeden einzelnen Erwerbstatbestand gesondert zu prüfen, wann dieser verwirklicht ist. Im Falle des herkömmlichen Grundstückskaufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerbsvorgang im Zeitpunkt des notariellen Abschlusses des Grundstückskaufvertrages oder eines anderen schuldrechtlichen Übertragungsvertrages verwirklicht. Bei Verschmelzungsvorgängen, die einen gesetzlichen Eigentumsübergang in Bezug auf ein Grundstück auslösen und somit unter § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG fallen, ist der Erwerbsvorgang mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers verwirklicht (vgl. hierzu und zu weiteren Beispielen § 5 Rz. 131). Bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG soll auf den ersten vollzogenen Teilakt und nicht erst auf den zur Tatbestandsverwirklichung führenden Teilakt abzustellen sein.3

103

Der Anteilserwerb ist im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit verwirklicht, also mithin im Zeitpunkt des dinglichen Übertragungszeitpunkts. Auf den wirtschaftlichen Übertragungszeitpunkt kommt es nicht an.4 Für die Vereinbarung einer abweichenden Auseinandersetzungsquote ist ebenfalls auf die zivilrechtliche Wirksamkeit abzustellen.5

104

Beispiel (Rechtslage bis 30.6.2021): A hat mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 14.7.2012 eine 30 %ige Beteiligung an einer grundbesitzenden OHG erworben. Wirtschaftlicher Übertragungsstichtag war der 1.7.2012, dinglicher Übertragungsstichtag war der Ab-

1 Vgl. hierzu Schley, GmbHR 2019, 645 (648 ff.). 2 BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96. 3 So Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 71 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 76, jeweils unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. In dieser Entscheidung lässt der BFH unter Tz. 17 jedoch ausdrücklich offen, von welchem Zeitpunkt aus die Frist von fünf Jahren bei fingierten Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, die sich in mehreren Teilschritten vollziehen, zurückzurechnen ist. In diesem Sinne wohl auch gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1. 4 BFH v. 6.6.2001 – II R 56/00, BStBl. II 2002, 96. 5 Vgl. Hofmann11, § 6 GrEStG Rz. 71 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 74.

Schley

599

§ 6 Rz. 104 Übergang von einer Gesamthand lauf des 31.7.2012. Mit Grundstückskaufvertrag vom 10.7.2017 verkauft die OHG dem A ein Grundstück, das sie im Jahr 2011 erworben hatte. Für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang kann A keinerlei Vergünstigungen nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch nehmen, da er die Beteiligung an der OHG vor weniger als fünf Jahren durch Rechtsgeschäft erworben hat. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs in Bezug auf das betreffende Grundstück. Dies ist vorliegend der 10.7.2017, da an diesem Tag der notarielle Grundstückskaufvertrag abgeschlossen worden ist (Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Von diesem Zeitpunkt aus ist fünf Jahre zurückzurechnen. Am 10.7.2012 war A jedoch lediglich wirtschaftlich, nicht jedoch dinglich an der OHG beteiligt, sodass die Fünfjahresfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. nicht eingehalten worden ist. Wäre der Grundstückskaufvertrag zwischen A und der OHG ab dem 1.8.2017 abgeschlossen worden, hätte der A für diesen Erwerb eine 30 %ige Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch nehmen können.

105

Geht die Beteiligung an der Gesamthand im Wege der Erbfolge über, wird bei der Berechnung der Zehnjahresfrist (bis 30.6.2021: Fünfjahresfrist) die Besitzzeit des Erblassers mit einbezogen (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG). Ein Verstoß gegen die Vorbehaltensfrist liegt somit nicht vor, wenn Erblasser und Erbe zusammen mindestens zehn Jahre (bis 30.6.2021: fünf Jahre) an der Gesamthand beteiligt waren.

IV. Kein Wegfall der Steuerbefreiung trotz Erfüllung des Tatbestands/teleologische Reduktion 1. Allgemeines 106

Ebenso wie bei § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 5 Abs. 3 GrEStG handelt es sich bei den Vorschriften des § 6 Abs. 4 GrEStG um typisierende Missbrauchsvermeidungsvorschriften. Aufgrund der Objektivierung der Tatbestände, nach denen es für den Ausschluss der Vergünstigungen nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG ausschließlich darauf ankommt, dass der Anteil an der Gesamthand innerhalb der Vorbehaltensfristen erworben bzw. die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart worden ist, ist der Anwendungsbereich der Vorschriften sehr weit gefasst. Es werden folglich vom Wortlaut der Normen auch Sachverhalte erfasst, bei denen eine Steuerumgehung von vornherein ausgeschlossen ist. Bei solchen Sachverhalten finden die Vorschriften der § 6 Abs. 4 GrEStG keine Anwendung, auch wenn die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. 2. Fallkonstellationen der teleologischen Reduktion a) Allgemeines

107

Insbesondere bei den folgenden Konstellationen ist eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen, so dass § 6 Abs. 4 GrEStG trotz Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht zur Anwendung kommt, also teleologisch reduziert wird. b) Die Gesamthand besteht seit weniger als zehn Jahren

108

Die Steuervergünstigungen des § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG sind nicht schon allein deshalb nach § 6 Abs. 4 GrEStG zu versagen, weil die veräußernde Gesamthand noch keine zehn Jahre (bis 30.6.2021: fünf Jahre) vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat. Voraussetzung ist in diesen Fällen jedoch, dass die Beteiligungsverhältnisse seit dem Erwerb des Grundstücks durch die veräußernde Gesamthand unverändert geblieben sind.1 Beispiel (Rechtslage bis 30.6.2021): Im Jahr 2011 wird eine OHG gegründet, an der A und B zu jeweils 50 % beteiligt sind. Im Jahr 2012 erwirbt die OHG ein Grundstück. Im Jahr 2013 erwirbt A von B eine 20 %ige Beteiligung an der OHG, sodass er zu 70 % an der OHG beteiligt ist. Mit notariellem Grundstücksvertrag vom 14.7.2014 erwirbt A das Grundstück von der OHG. Fraglich ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe A Vergünstigungen nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Anspruch nehmen kann.

1 Vgl. BFH v. 14.6.1973 – II R 37/72, BStBl. II 1973, 802.

600

Schley

F. Ausschluss der Steuerbefreiung/Sperrfristen (Abs. 4)

Rz. 111 § 6

Die Voraussetzungen des Vergünstigungsausschlusses nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. sind tatbestandlich erfüllt, da die OHG vor weniger als fünf Jahren durch Rechtsgeschäft gegründet worden ist. Die Steuervergünstigungen des § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG sind allerdings nicht bereits deshalb zu versagen, weil die veräußernde Gesamthand noch keine fünf Jahre vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat. A kann eine Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG jedoch nur insoweit in Anspruch nehmen, wie sich seine Beteiligung an der OHG seit dem Erwerb des Grundstücks nicht geändert hat. Damit ist der Erwerb des Grundstücks durch A im Jahr 2014 nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 50 % begünstigt. Die Erhöhung der Beteiligung um 20 % im Jahr 2013 bleibt nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. unberücksichtigt, da sie erst nach Erwerb des Grundstücks durch die OHG erfolgte.

c) Grundstück wurde erst nach dem Anteilserwerb des betreffenden Gesamthänders erworben Eine Steuerumgehung ist auch in den Fällen objektiv ausgeschlossen, in denen der Gesamthänder seine Beteiligung zwar vor weniger als zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahren) durch Rechtsgeschäft erworben hat, das betreffende Grundstück, das er von der Gesamthand erwirbt, von dieser aber erst nach dem Anteilserwerb des betreffenden Gesamthänders angeschafft worden ist.1

109

d) Der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung hat einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst Eine Steuerumgehung ist objektiv auch dann ausgeschlossen, wenn der Erwerb der gesamthänderi- 110 schen Mitberechtigung durch den später das Grundstück von der Gesamthand erwerbenden Gesamthänder selbst einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst hat und sich nach dem Erwerb der Gesamthänderstellung die Beteiligungsverhältnisse nicht mehr verändert haben. Entsprechende Fallgestaltungen sind insbesondere im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG möglich.2 Dies hat der BFH in der Entscheidung vom 25.8.20203 noch einmal ausdrücklich klargestellt. Auf Basis der vorgenannten Entscheidung gilt dies auch dann, wenn Grunderwerbsteuer für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang weder festgesetzt noch gezahlt worden ist. Auch in diesen Fällen fehle es an einer abstrakten Missbrauchsgefahr – ebenso wie bei einer Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs –, der mit den in § 6 Abs. 4 GrEStG geregelten Vorbehaltensfristen begegnet werden soll. Beispiel (Rechtslage bis 30.6.2021): An einer grundbesitzenden GbR sind A zu 96 % und B zu 4 % beteiligt. Im Jahr 2016 erwirbt C die gesamte Beteiligung des A, sodass nunmehr C mit 96 % an der GbR beteiligt ist. Im Jahr 2017 erwirbt C ein Grundstück von der GbR. Der Tatbestand des Begünstigungsausschlusses nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. ist nach dessen Wortlaut erfüllt, da C die Beteiligung an der GbR vor weniger als fünf Jahren vor dem Grundstückserwerb durch Rechtsgeschäft erworben hat. Eine Steuerumgehung ist in diesem Fall jedoch objektiv ausgeschlossen, da der rechtsgeschäftliche Erwerb der Beteiligung an der GbR durch C einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang ausgelöst hat. Insoweit besteht kein Bedürfnis, dem C im Rahmen des Erwerbs des Grundstücks im Jahr 2017 die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu versagen. Der Grundstückserwerb im Jahr 2017 ist damit nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu 96 % begünstigt.4

Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der rechtsgeschäftliche Erwerb der Beteiligung durch einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang herbeigeführt worden ist. Auch in diesen Fällen findet die Vorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG keine Anwendung.5

1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 14.6.1973 – II R 37/72, BStBl. II 1973, 802. Vgl. hierzu Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 96. BFH v. 25.8.2020 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162; vgl. hierzu auch Behrens, BB 2021, 354. Vgl. hierzu auch Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 82 und Behrens/Schmitt, UVR 2004, 270. Vgl. FG Köln v. 12.12.1996 – 5 K 5640/95, EFG 1997, 555 und Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 82.

Schley

601

111

§ 6 Rz. 112 Übergang von einer Gesamthand e) Auf den Anteilserwerb findet eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG (sinngemäße) Anwendung 112

Im Rahmen der Anwendung des § 6 Abs. 4 GrEStG sind auch die Wertungen der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG zu berücksichtigen. Abs. 4 findet folglich keine Anwendung, wenn der Anteil an der Gesamthand innerhalb der Vorbehaltensfrist durch Rechtsgeschäft auf eine Person übertragen wurde, auf die ein Grundstück nach § 3 GrEStG hätte steuerfrei übertragen werden können (insbesondere eine Übertragung auf den Ehegatten oder ein Kind, § 3 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG). Gleiches gilt, wenn die Übertragung schenkweise oder von Todes wegen übertragen wurde (§ 3 Nr. 2 GrEStG).1 In den vorgenannten Fällen ist jedoch zu beachten, dass bei der Berechnung der Vorbehaltensfrist die Besitzzeit des Rechtsvorgängers mit einbezogen wird (im Falle des Erwerbs von Todes wegen ausdrücklich in § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG geregelt). Ein Verstoß gegen die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG liegt somit nicht vor, wenn Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger zusammen im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch den Rechtsnachfolger mindestens zehn Jahre (bis 30.6.2021: fünf Jahre) an der Gesamthand beteiligt waren. Beispiel: An einer grundbesitzenden GbR sind A und B zu jeweils 50 % seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2011 beteiligt. Im Jahr 2014 verkauft A seine gesamte Beteiligung an seinen Sohn S. Im Jahr 2017 erwirbt S ein Grundstück von der GbR. Der Tatbestand des Begünstigungsausschlusses nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. ist erfüllt, da S die Beteiligung an der GbR vor weniger als fünf Jahren vor dem Grundstückserwerb durch Rechtsgeschäft erworben hat. Eine Steuerumgehung ist in diesem Fall jedoch objektiv ausgeschlossen, da A seinem Sohn S den entsprechenden Bruchteil am Grundstück als solches hätte nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei übertragen können. Daher findet Abs. 4 auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Da A und S zusammen seit mehr als fünf Jahren an der Gesamthand beteiligt sind, ist der Grundstückserwerb von S im Jahr 2017 in Höhe von 50 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt.

f) Der Anteilserwerb führt beim übertragenden Gesellschafter zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG 113

Hat die rechtsgeschäftliche Übertragung des Anteils an der Gesamthand beim übertragenden Gesellschafter zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG geführt, wodurch es zu einer rückwirkenden Versagung der in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen nach § 5 GrEStG kam, entfällt der Grund, auf die hinzuerworbenen Anteile des Neugesellschafters, die Sperrfristen des § 6 Abs. 4 GrEStG anzuwenden.2 Auch in diesem Fall ist eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen. Beispiel (Rechtslage bis 30.6.2021): An einer grundbesitzenden GbR sind A mit 50 %, B mit 30 % und C mit 20 % beteiligt. Im Jahr 2014 überträgt A ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück auf die GbR. Im Jahr 2016 übernimmt B die gesamte Beteiligung des A und im Jahr 2017 die gesamte Beteiligung des C. Mangels einer Personenmehrheit erlischt die GbR und das Gesamthandsvermögen samt Grundstück wächst dem B an, der das Unternehmen als Einzelunternehmen fortführt.3 Der im Jahr 2014 erfolgte Grundstücksverkauf war nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, jedoch nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 50 % steuerbefreit, da A insoweit an der GbR beteiligt war. Indem A im Jahr 2016 und mithin innerhalb der Fünfjahresfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG a.F. aus der GbR ausgeschieden ist, ist ihm die im Jahr 2014 gewährte Steuervergünstigung rückwirkend zu versagen. Durch die Auflösung der GbR im Jahr 2017 durch Austritt des vorletzten Gesellschafters und die hierdurch bedingte Anwachsung des Gesamthandsvermögens samt Grundstück bei B wird der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ausgelöst. Dieser Erwerb ist in Höhe von 80 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt, da B insoweit vor der Anwachsung an der GbR beteiligt war. Der Tatbestand des Begünstigungsausschlusses nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. ist erfüllt, da B die 50 %ige Beteiligung des A an der GbR vor weniger als fünf Jahren vor dem durch Rechtsgeschäft bewirkten Erwerbsvorgang 1 Vgl. Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 79. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6 sowie Behrens, BB 2016, 340. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.611.

602

Schley

G. Aufeinanderfolge mehrerer Tatbestände (§ 1 Abs. 6)

Rz. 115 § 6

nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG erworben hat. Eine Steuerumgehung ist in diesem Fall jedoch objektiv ausgeschlossen, da der Erwerb des Anteils des A durch B im Zusammenhang mit einer rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG a.F. stand und damit der Grunderwerbsteuer unterlegen hat.

V. Übertragung von Grundstücken im Rahmen der Auflösung eines Immobilienfonds Die unter Rz. 96 dargestellten Grundsätze gelten auch bei der Übertragung von Grundstücken im 114 Rahmen der Auflösung eines Immobilienfonds in Form einer Publikumsgesellschaft (KG, GbR).1 Erfolgte der Beitritt der Gesellschafter zum Fonds bereits vor dem Erwerb von Grundstücken durch den Fonds und erfolgt vor Ablauf der Vorbehaltensfrist i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG die Auflösung des Fonds, können dessen Gesellschafter die Vergünstigungen nach § 6 GrEStG in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, wenn der Fonds ein unbebautes Grundstück erworben, auf diesem ein Gebäude errichtet und anschließend in Wohnungs- bzw. Teileigentum aufgeteilt hat, bevor es zur Auflösung des Fonds und der Übertragung der Fondsimmobilien auf die Gesellschafter kam. Für die Anwendung des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG kommt es ausschließlich darauf an, ob sich seit dem Erwerb des (unbebauten) Grundstücks die Beteiligungsverhältnisse an dem Fonds geändert haben.2 Erfolgte der Beitritt der Gesellschafter zum Fonds erst nach dem Grundstückserwerb, findet § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG Anwendung, wenn es innerhalb der Vorbehaltensfrist zur Auflösung des Fonds kommt. Auch insoweit ist es unbeachtlich, ob ein unbebautes Grundstück erworben wurde, das später bebaut worden ist. Der Begünstigungsausschluss nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG kann für Grundstück und Gebäude nur einheitlich erfolgen.3

G. Aufeinanderfolge von mehreren der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbeständen (§ 1 Abs. 6) Die Ausführungen unter § 5 Rz. 139 zur Aufeinanderfolge von Erwerbstatbeständen gelten im Anwendungsbereich von § 6 GrEStG entsprechend, so dass an dieser Stelle auf die dortige Kommentierung verwiesen wird.

1 Vgl. zum Ganzen Pahlke6, § 6 GrEStG Rz. 83 und Viskorf in Boruttau19, § 6 GrEStG Rz. 104 ff. 2 Vgl. BFH v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532. 3 Vgl. BFH v. 16.7.1997 – II R 27/95, BStBl. II 1997, 663.

Schley

603

115

§ 6a Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern 1Für einen nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1, Absatz 2 bis 3 oder Absatz 3a steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage wird die Steuer nicht erhoben. 2Satz 1 gilt auch für entsprechende Umwandlungen, Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage auf Grund des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. 3Satz 1 gilt nur, wenn an dem dort genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. 4Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist. 5Satz 3 gilt nicht, soweit allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union das herrschende Unternehmen nicht im Sinne von Satz 4 innerhalb von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist.

A. I. II. III.

IV. B.

I.

II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu §§ 5 und 6 GrEStG . . . c) Verhältnis zu § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zum EU-Beihilferecht . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . Begünstigte Erwerbsvorgänge und begünstigungsfähige Grunderwerbsteuertatbestände (Satz 1) Begünstigte Erwerbsvorgänge 1. Begünstigung von Erwerbsvorgängen aufgrund von Umwandlungen (Satz 1 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begünstigung aufgrund von Einbringungen oder anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Satz 1 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Begünstigungsfähige Grunderwerbsteuertatbestände . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

3 4

5 6 7 8 9

16

17

III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

C. Begünstigte Erwerbsvorgänge nach EU-/EWR-Recht (Satz 2) . . . . . . . . . . .

27

D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4) I. Die an dem Rechtsvorgang beteiligten Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft 1. Herrschendes Unternehmen a) Qualifizierte Beteiligung i.H.v. mindestens 95 % . . . . . . . . . . b) Unternehmereigenschaft . . . . . c) Bestimmung des herrschenden Unternehmens . . . . . . . . . . . 2. Abhängige Gesellschaft . . . . . . . . 3. Begründung und Beendigung des Verbundes . . . . . . . . . . . . . . . III. Vor- und Nachbehaltensfristen 1. Vorbehaltensfrist . . . . . . . . . . . . 2. Nachbehaltensfrist . . . . . . . . . . . 3. Folgen der Nichteinhaltung der Nachbehaltensfrist . . . . . . . . . . .

. . .

29

. . . 29.1 . . . 30 . . . . . .

31 34

. . .

37

. . . . . .

38 44

. . .

49

E. Ergänzung durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

19

Literatur: Behrens, Strittige Fragen bei § 6a GrEStG – Anmerkungen zum gleichlautenden Ländererlass v. 1.12.2010, Ubg 2010, 845; Behrens, § 6a GrEStG – Anmerkungen zu den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2012, DStR 2012, 2149; Behrens, Zumindest bei richtiger Auslegung ist § 6a GrEStG keine Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV, DStR 2016, 786; Behrens, Konzerninterne Abspaltung zur Neugründung auf eine Schwestergesellschaft und § 6a GrEStG, UVR 2016, 60; Behrens/Seemaier, § 6a GrEStG: Anmerkungen zu den gleich lautenden Erlassen der obers-

Lieber

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§ 6a Rz. 1 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern ten Finanzbehörden der Länder v. 22.9.2020, Ubg 2020, 631; Bron, EuGH-Vorlage: Beihilfecharakter der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG?, BB 2017, 1638; Brühl/Mörwald, Offene Fragen bei § 6a GrEStG, Der Konzern 2015, 430; Dettmeier/Geibel, Die neue Grunderwerbsteuerbefreiung für Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns, NWB 2010, 582; Figatowski/Karla, Der unternehmerische Bereich der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, DB 2016, 731; Graessner/Franzen, Praktische Fragestellungen zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG bei Einbringungsfällen mit Auslandsbezug, Ubg 2016, 1; Greiser/Rotter, Steuervergünstigung bei Umstrukturierung nach § 6a GrEStG, IWB 2017, 662; Gsödl/Keller/Petersen, § 6a GrEStG – Anmerkungen zu den Beitrittsaufforderungen des BFH an das BMF vom 25.11.2015 im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm, Ubg 2016, 208; Heine, Ende des § 6a Grunderwerbsteuergesetz?, UVR 2017, 312; Joisten, BFH legt § 6a GrEStG dem EuGH vor – Welche Fragen bleiben und was ist jetzt zu tun?, Ubg 2017, 394; Jorde/Trinkhaus, § 6a GrEStG – Steuervergünstigung bei Konzernrestrukturierungen nur im Ausnahmefall – Anmerkungen zum Anwendungserlass vom 19.6.2012, Ubg 2012, 649; Lieber/Wagner, GrESt bei Umwandlungen, DB 2012, 1772; Linn/Pignot, § 6a GrEStG als eine beihilferechtlich relevante Maßnahme i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV?, StuB 2017, 663; Lüdicke/Schnitger, Ausweitung des § 6a GrEStG auf Umwandlungen in DBA-Drittstaaten, DStR 2011, 1005; Mensching/Tyarks, Grunderwerbsteuerliche Einführung einer Konzernklausel durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BB 2010, 87; Mörwald/Brühl, Brennpunkt § 6a GrEStG: Neueste Entwicklungen und Anmerkungen zu möglichem EU-Beihilfecharakter, Der Konzern, 2016, 68; Neitz-Hackstein/Lange, Neues zur Anwendung des § 6a GrEStG – Der gleichlautende Ländererlass vom 19.6.2012, GmbHR 2012, 998; Rödder/Schönfeld, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Vor- und Nachbehaltensfrist der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in § 6a Satz 4 GrEStG n.F., DStR 2010, 415; Rogall/Mörwald, Zum Umfang des herrschenden Unternehmens – Wie weit ist der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff auf § 6a GrEStG übertragbar?, Ubg 2015, 347; Schaflitzl/Götz, Erlass zur Anwendung der Konzernklausel i.S. von § 6a GrEStG – geklärte und offene Fragen, DB 2011, 374; Schanko, Der Umfang des grunderwerbsteuerlichen Verbundes i.S. des § 6a GrEStG, UVR 2011, 151; Schmid, DStR 2016, 127; Schnitger, EuGH-Vorlage: Beihilfecharakter der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG, IStR 2017, 541; Schwedhelm/Zapf, Die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Umstrukturierungen im Konzern gemäß § 6a GrEStG – Fallstricke und ungelöste Problemfelder, DStR 2016, 1906 (Teil I), DStR 2016, 1967 (Teil II); Stangl/Aichberger, Erweiterung des § 6a GrEStG auf Einbringungen – Einschränkende Auslegung durch die Finanzverwaltung, DB 2013, 2762; Werth, EuGH-Vorlage: Beihilfecharakter der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG, DB 2017, 1555; Wischott/Keller/Graessner, Erweiterung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, IWB 2013, 3460; Wischott/Arnold/Petersen, Die Vor- und Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG – Teleologische Reduktion als tragende Lösung eines systemfremden Wortlauts, Ubg 2016, 449; Wischott/Graessner, Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel am Scheideweg, NWB 2017, 2184, Wischott/Graessner, Grunderwerbsteuerliche Konzernkausel ist europarechtskonform, NWB 9/2019, 566.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 6a GrEStG befreit bestimmte konzerninterne Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer. Die Regelung wurde durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz1 mit Wirkung ab dem 1.1.2010 in das Gesetz eingefügt. Sie begünstigte zunächst nur umwandlungsbedinge Erwerbsvorgänge zwischen Rechtsträgern, die einem durch die Vorschrift näher definierten Verbund angehören. Es wurden nur solche Grunderwerbsteuertatbestände nicht besteuert, die durch Gesamtrechtsnachfolge verwirklich werden. Umwandlungsvorgänge auf der Grundlage von Einzelrechtsübertragungen waren nicht privilegiert. Durch die Neufassung von § 6a Satz 1 GrEStG durch das AmtshilfeRLUmsG2 wird die Begünstigung für Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden, auch auf „Einbringungen“ sowie „andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ erstreckt. Die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer wird durch Behaltensfristen flankiert, d.h. die am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger müssen im Grundsatz mindestens fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Übertragungsvorgang einem Verbund angehören, in dem die Beteiligungsverhältnisse über den gesamten Zeitraum i.H.v. 95 % bestehen.

1 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2010, BGBl. I 2009, 3950. 2 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2013, BGBl. I 2013, 1809.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 4 § 6a

II. Bedeutung und Telos Mit der Einführung von § 6a GrEStG sollte der Forderung der Wirtschaft nach einer Begünstigung für konzerninterne Umstrukturierungen nachgekommen werden. Außer nach den Regelungen der §§ 5, 6 und 7 GrEStG (für Übertragungsvorgänge zwischen Gesamthändern und Gesamthandsgemeinschaften) und der Anrechnungsvorschrift des § 1 Abs. 6 GrEStG sowie der teleologischen Reduktion von § 1 Abs. 3 GrEStG für bestimmte Verkürzungen von Beteiligungsketten waren konzerninterne Rechtsträgerwechsel im Prinzip nicht privilegiert.1 Dementsprechend scheitern Umstrukturierungen im Konzern, die sich im Regelfall ertragsteuerneutral realisieren lassen, häufig an der Grunderwerbsteuerbelastung. Diese ist durch die länderspezifische Anhebung der Grunderwerbsteuersätze noch weiter gestiegen. Nach Auffassung des Gesetzgebers soll die Neuregelung „die Bedingungen für Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher“ ausgestalten.2 Um dies zu erreichen, sollen Grundstücksübergänge im Rahmen von Umstrukturierungen bei Umwandlungsvorgängen im Konzern grunderwerbsteuerlich begünstigt werden. Insofern handelt es sich eine Verschonungsregelung mit nicht fiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen. Der Gesetzgeber will zur Beseitigung von Wachstumshemmnissen – und damit aus Gründen des Gemeinwohls – bestimmte Umwandlungsvorgänge in einem Konzern grunderwerbsteuerlich begünstigen. In der Praxis ist der Anwendungsbereich der Verschonungsregelung allerdings sehr eingeschränkt. Dies ist vor allem den relativ langen Vor- und Nachbehaltensfristen sowie der restriktiven Bestimmung des herrschenden Unternehmens im Konzernverbund durch die Finanzverwaltung geschuldet. Die Bestimmung des herrschenden Unternehmens wurde allerdings infolge von mehreren im Jahr 2019 ergangenen BFH-Entscheidungen durch die Verwaltung zum Teil neu interpretiert.3 Die Vor- und Nachbehaltensfristen werden weiter durch die Finanzverwaltung nicht grundstücksbezogen und am Gedanken der Missbrauchsgestaltung orientiert ausgelegt.

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III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich § 6a GrEStG ist eine sachliche Befreiungsvorschrift, die nur für bestimmte konzerninterne Erwerbsvorgänge gilt. Die Vergünstigung setzt voraus, dass – ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 3a GrEStG (§ 6a Satz 1 GrEStG) – aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, einer Einbringung oder eines Vorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (§ 6a Satz 1 GrEStG) bzw. entsprechender Rechtsvorgänge aufgrund ausländischen Rechts eines EU- oder EWR-Mitgliedsstaats (§ 6a Satz 2 GrEStG) verwirklicht wird – und als Beteiligte an dem Umwandlungs- bzw. Erwerbsvorgangs ausschließlich ein herrschendes und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. – Dabei muss das herrschende Unternehmen mindestens fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang an der abhängigen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist gem. § 6a Satz 4 GrEStG). – Außerdem ist die Nachbehaltensfrist des Satz 4 zu beachten, d.h. grundsätzlich ist die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft über einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang mit mindestens 95 % zu halten.

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2. Zeitlicher Geltungsbereich Nach § 23 Abs. 8 Satz 1 GrEStG ist § 6a GrEStG erstmals auf Umwandlungsvorgänge anzuwenden, 4 die nach dem 31.12.2009 verwirklicht werden. Maßgebend ist die Eintragung der Umwandlung im 1 Vgl. BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320. 2 BT-Drucks. 17/147, S. 10. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.1.

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§ 6a Rz. 4 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Handelsregister. Nicht anzuwenden ist § 6a GrEStG nach § 23 Abs. 8 Satz 2 GrEStG, wenn ein im Zeitraum vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2009 verwirklichter Rechtsvorgang nach dem 9.11.2009 rückgängig gemacht wird und die Steuer nach § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass ein Erwerbsvorgang nur deshalb rückgängig gemacht wird, um die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Für Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage gilt § 23 Abs. 11 GrEStG, d.h. sie müssen nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden, um in den Anwendungsbereich der Vergünstigung zu fallen. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG 5

Für die begünstigten Konzernsachverhalte definiert § 6a Satz 3 und 4 GrEStG „herrschende Unternehmen“ und „abhängige Gesellschaften“. Damit wurde eine neue Definition von Abhängigkeit geschaffen, die mit dem in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG geregelten Abhängigkeitsverhältnis nichts zu tun hat.1 b) Verhältnis zu §§ 5 und 6 GrEStG

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Die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG sind neben § 6a GrEStG anzuwenden. Soweit die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nicht vorliegen oder später entfallen, kann eine andere Steuervergünstigung von Amts wegen gewährt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Befreiung nach § 6a GrEStG wegfällt, weil die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren nicht eingehalten wird. Dann kann bei Beteiligung von Personengesellschaften an dem Erwerbsvorgang grds. auf § 5 bzw. § 6 GrEStG zurückgegriffen werden. Allerdings gilt für diese Vorschriften inzwischen grundsätzlich ab dem 1.7.2021 eine Zehnjahresfrist. Die Fünfjahresfrist gilt aber auch noch dann, wenn sie vor dem 1.7.2021 abgelaufen war (§ 23 Abs. 24 GrEStG). c) Verhältnis zu § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG

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Die Regelung verpflichtet zur Anzeige von Änderungen von Beherrschungsverhältnissen i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG. Damit soll die Nachbehaltensfrist überwacht werden, d.h. ob die Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnisse im Zeitraum von fünf Jahren nach dem Umwandlungs- bzw. Erwerbsvorgang aufrechterhalten geblieben sind. d) Verhältnis zum EU-Beihilferecht

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Mit Urteil vom 19.12.2018 („A-Brauerei“) hat der EuGH2 entschieden, dass es sich bei § 6a GrEStG nicht um eine staatliche Beihilfe i.S.v. § 107 Abs. 1 AEUV handelt. Eine Begünstigungsregelung, so der EuGH, könne dann selektiven Charakter haben, wenn sie zwischen Unternehmen in einer vergleichbaren Situation derart unterscheide, dass diese Unternehmen ungleich behandelt werden. Maßnahmen hingegen, die unterschiedslos auf alle Unternehmen anzuwenden sind, also nicht nach Tätigkeitsbereichen, Produktionszweigen, Rechtsformen oder Ähnlichem unterscheiden, seien als allgemein und nicht selektiv anzusehen. Der EuGH stellt zwar fest, dass § 6a GrEStG unterscheide zwischen Gesellschaften, die eine Umwandlung innerhalb eines Konzerns durchführen und die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllen, und Gesellschaften, die eine entsprechende Umwandlung durchführen, aber nicht zu einem solchen Konzern gehören. Allerdings sei diese Unterscheidung gerechtfertigt, da sie sich aus der Natur des Systems ergebe. Nur bei einer Beteiligung von mindestens 95 % löste bereits der Eintritt in den Konzern Grunderwerbsteuer aus, so dass eine nachfolgende Umwandlung innerhalb des Konzerns zu einer Doppelbesteuerung führte. Die Mindesthaltedauern seien zudem durch die Absicht gerechtfertigt, Mitnahmeeffekte und damit missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Mit seiner Entscheidung hat der EuGH ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit geschaffen. Aller1 So auch Wischott-Schönweiß, DStR 2009, 3638 (3641 f.); Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 49. 2 EuGH v. 19.12.2018 – C-374/17 („A-Brauerei“), EuZW 2019, 209 = BB 2019, 354.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 8 § 6a

dings führt die Absenkung der Beteiligungsschwelle in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a sowie des neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG von 95 % auf 90 % zu erneuten Bedenken aus beihilferechtlicher Sicht, weil die Auffassung des EuGH zum Eintritt in den Konzern jetzt nicht mehr stimmig ist. Nach informellen Aussagen von Vertretern der FinzVerw. soll die Schwelle in § 6a GrEStG auch auf 90 % gesenkt werden. Es gibt aktuell aber kein konkretes Gesetzgebungsverfahren. Hintergrund der EuGH-Entscheidung: Der BFH hatte 2015 das BMF zum Beitritt zu vier laufenden Revisionsverfahren zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG aufgefordert.1 Neben der umstrittenen Auslegung des herrschenden Unternehmens i.S. eines umsatzsteuerlichen Unternehmens, des Verbundsbegriffs sowie der Vor- und Nachbehaltensfristen wurde das BMF gebeten, mitzuteilen, ob vor Einführung des § 6a GrEStG ein beihilferechtliches Genehmigungsverfahren (sog. Notifizierungsverfahren) durchgeführt wurde oder andernfalls zu der Frage des Vorliegens einer Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV Stellung zu nehmen. Eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe ist gegeben, wenn eine staatliche Maßnahme geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen bzw. zu verfälschen drohen. Die Regelung verbietet grundsätzlich selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige. In einer Anmerkung zu dem BFH-Beschluss vertrat Schmid2 die Auffassung, dass auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und der Auffassung der Kommission gewichtige Gründe dafür sprechen, dass es sich bei der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG um eine staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, weil sie selektiv wirke, und zwar auch dann, wenn man die Regelung entsprechend den in den aktuellen Vorlagebeschlüssen vom 25.11.2015 angedeuteten Möglichkeiten weiter auslegt als die Finanzverwaltung. Eine solche weitere Auslegung würde nichts daran ändern, dass die Vorschrift lediglich Gesellschaften, die einen Alleingesellschafter oder einen Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 95 % haben, begünstigt und fördert. Die Frage, ob § 6a GrEStG das für den Beihilfecharakter erforderliche Tatbestandsmerkmal der Selektivität erfüllt, wurde im Schrifttum weitgehend verneint, jedenfalls wenn man nicht der früheren Verwaltungsauffassung zur Verbundbegründung, Beschränkung des herrschenden Unternehmens auf Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sowie dem Verständnis der Mindesthaltefristen als ausschließlich beteiligungsbezogen (ohne teleologische Reduktion bei Ausschluss von Missbrauch) folgt.3 Das BMF hatte dem BFH mitgeteilt, dass ein förmliches Prüfverfahren durch die EU-Kommission nicht stattgefunden habe. Mit Beschluss vom 30.5.20174 hat der BFH dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle. Es handelte sich nach Auffassung des BFH bei der Regelung des § 6a GrEStG zwar um eine staatliche Beihilfe, die einen wirtschaftlichen Vorteil gewähre. Der BFH hatte jedoch Zweifel daran, dass dies zu einem selektiven Vorteil führe, weil die Steuerbegünstigung für alle Unternehmen und Produktionszweige gelte, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Dabei legte der BFH den Begriff des „herrschenden Unternehmens“ sowie die Vor- und Nachbehaltensfristen im Sinne einer weiten Anwendung der Begünstigung aus. Die Selektivität hätte sich möglicherweise daraus ergeben, dass die Vorschrift nur für Umwandlungen und nicht für andere Maßnahmen zur Umstrukturierung gilt. Zudem hätte die selektive Wirkung darin bestehen können, dass konzernzugehörige Unternehmen vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausgeschlossen sind, wenn das herrschende Unternehmen nicht die geforderte Beteiligung von mindestens 95 % an einer abhängigen Gesellschaft aufweisen kann oder die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft nicht während der gesamten Frist von fünf Jahren, sondern nur während einer kürzeren Frist vor und nach dem Rechtsvorgang besteht. Dies konnte nach Auffassung des BFH jedoch dadurch gerechtfertigt sein, dass die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a und 3 GrEStG zu weit gefasst seien und deshalb für bestimmte Konzernsachverhalte einer Korrektur durch Einschränkung des Anwendungsbereichs bedürften. Der BFH vertrat somit die Ansicht, dass es sich nicht um eine verbotene Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt.

1 BFH v. 25.11.2015 – II R 63/14, BStBl. II 2016, 170; v. 25.11.2015 – II R 62/14, BFH/NV 2016, 333 = BStBl. II 2016, 167; v. 25.11.2015 – II R 50/13, BFH/NV 2016, 236; v. 25.11.2015 – II R 36/14, BFH/NV 2016, 239. 2 BFH v. 25.11.2015 – II R 62/14, DStR 2016, 125 m. Anm. Schmid. 3 So Mörwald/Brühl, Der Konzern 2016, 68; Behrens, DStR 2016, 785; Linn/Pignot, StuB 2017, 663. 4 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; EuGH-Vorlage: Rs. C-374/17.

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§ 6a Rz. 8 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Rechtsunsicherheit mit möglichen Rückzahlungsfolgen: Beihilfen sind nach Art. 108 Abs. 3 AEUV vor ihrer Anwendung der EU-Kommission zu melden und dürfen gem. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht durchgeführt werden, bevor das Verfahren abgeschlossen ist. Es besteht somit ein Durchführungsverbot für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbarte Beihilfemaßnahmen. Wurde eine Beihilfe ohne vorherige Prüfung der Vereinbarkeit mit EU-Beihilferecht eingeführt und stellt sich im Nachhinein heraus, dass es sich um eine unvereinbare Beihilfe handelt (z.B. im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens oder eines beihilferechtlichen Prüfverfahrens durch die Kommission), kann die gewährte Beihilfe zurückgefordert werden. Insofern konnte auch für auf Basis von § 6a GrEStG bereits bestandskräftig veranlagter Grunderwerbsteuerfälle eine nachträgliche Erhebung von Grunderwerbsteuer drohen. Denn die EU-Kommission kann die Bundesrepublik verpflichten, die nicht notifizierte Beihilfe (hier: gewährte Steuerbefreiung) zurückzufordern. Nach Art. 17 Abs. 1 der in der Bundesrepublik unmittelbar geltenden Beihilfe-Verfahrensordnung kann die EU-Kommission die Mitgliedstaaten zur Rückforderung innerhalb einer Frist von zehn Jahren auffordern. Diese Frist beginnt mit der Gewährung der unzulässigen Beihilfe (Art. 17 Abs. 3 VerfVO). Nach EU-Recht können auch Zinsen festgesetzt werden (Art. 16 Abs. 2 VVO 2015/15891). Diese sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zu entrichten. Bestandskraft von Bescheiden und Festsetzungsverjährung nach den Regelungen der AO spielen insofern keine Rolle. Gleiches gilt für den Vertrauensschutz im Hinblick auf eine bereits erteilte verbindliche Auskunft zur Anwendbarkeit von § 6a GrEStG im Einzelfall. Das Vorlageersuchen des BFH führte somit dazu, dass ein nicht unerhebliches Risiko bestand, dass der § 6a GrEStG in der bestehenden Form – möglicherweise mit Rückwirkung bis zum 1.1.2010 – nicht mehr angewendet werden konnte; dies galt zumindest bis zum Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH. Für die Praxis wurde diskutiert, ob eine vorläufige Festsetzung von Grunderwerbsteuer unter Außerachtlassung von § 6a GrEStG beantragt werden kann, um das Risiko einer späteren Grunderwerbsteuer- und insbesondere Zinsfestsetzung zu vermeiden.2 Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist erst dann zu passivieren, wenn ein negativer Beschluss der EU-Kommission nach Art. 16 Abs. 1, 2 VVO vorliegt.3

IV. Rechtsentwicklung 9

Vorgeschichte: Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung4 sah eine umfassende Befreiung von Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG vor, die bei bestimmten Umwandlungsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG verwirklichte werden konnten. Die Begünstigung setzte eine grundstücksbezogene Vor- und Nachbehaltensfrist in Bezug auf die vom Umwandlungsvorgang betroffenen Grundstücke voraus. Die vom Finanzausschuss vorgelegte Fassung5 enthielt diesen Grundstücksbezug nicht mehr, sondern machte die Befreiung von bestimmten Beteiligungs- und Abhängigkeitsvoraussetzungen der am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger abhängig. Hier wurde die Grundkonzeption der Vorschrift entwickelt, d.h. die 95 %ige Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft oder den abhängigen Gesellschaften muss über einen Zeitraum von fünf Jahren vor sowie von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang bestehen. Der Entwurf des Finanzausschusses wurde später um nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgänge sowie um „vergleichbare“ Umwandlungsvorgänge aufgrund des Rechts eines EU/EWR-Mitgliedstaats ergänzt.

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WachstumsBeschlG vom 22.12.20096: § 6a GrEStG wurde mit Wirkung ab dem 1.1.2010 neu in das Gesetz eingefügt.

1 VO (EU) 2015/1589 v. 13.7.2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. EU 2015 Nr. L 248 S. 9). 2 Vgl. Behrens, DStR 2016, 785 (787); UVR 2016, 60 (63); Linn/Pignot, StuB 2017, 663 (667). 3 So auch Greiser/Rotter, NWB 2017, 662 (671). 4 BT-Drucks. 17/15, S. 21. 5 Vgl. BT-Drucks. 17/138 v. 2.12.2009 und BT-Drucks. 17/147 v. 3.19.2009. 6 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 395.

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B. Begünstigte Erwerbsvorgänge/Tatbestände (Satz 1)

Rz. 16 § 6a

OGAW-IV-UmsG vom 22.6.20111: In Satz 4 wurde durch die Aufnahme der Beteiligung am „Gesellschaftsvermögen“ klargestellt, dass abhängige Gesellschaft auch eine Personengesellschaft sein kann. Die Änderung gilt rückwirkend für alle nach dem 31.12.2009 verwirklichten Erwerbsvorgänge (§ 23 Abs. 10 GrEStG).

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AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20132: In Satz 1 wurden die begünstigungsfähigen Grunderwerbsteuertatbestände um § 1 Abs. 3a GrEStG ergänzt. Außerdem wurden die begünstigten Erwerbsvorgänge um Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erweitert. Die Änderungen gelten für Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 11 GrEStG).

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KroatienAnpG vom 25.7.20143: Die Sätze 1 bis 3 wurden neugefasst. Es wurde klargestellt, dass die Beteiligungsvoraussetzungen sowie Vor- und Nachbehaltensfristen der Sätze 3 und 4 auch für Einbringungen und Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage gelten. Die Änderung gilt rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 12 GrEStG).

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Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 25.3.20194: Mit Satz 5 wurde eine Regelung aufgenommen, die verhindern soll, dass allein durch den Brexit ein Grunderwerbsteuertatbestand ausgelöst wird, weil bei einer Limited mit nur einem Gesellschafter durch den Brexit der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited treten würde.

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Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (Share Deals) vom 12.5.20215: Der neue § 1 Abs. 2b GrEStG wird in die begünstigungsfähigen Grunderwerbsteuertatbestände in Satz 1 aufgenommen. Der Wortlaut von Satz 1 wurde von „2, 2a, 3“ in „2 bis 3“ geändert. Die Änderung gilt für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG).

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B. Begünstigte Erwerbsvorgänge und begünstigungsfähige Grunderwerbsteuertatbestände (Satz 1) I. Begünstigte Erwerbsvorgänge 1. Begünstigung von Erwerbsvorgängen aufgrund von Umwandlungen (Satz 1 Alt. 1) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist nach Satz 1 ein Erwerbsvorgang, der durch eine Umwand- 16 lung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG verwirklicht wird. Das sind Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 2 bis 122 UmwG), grenzüberschreitende Verschmelzungen (§§ 122a ff. UmwG), Spaltungen, d.h. Auf- und Abspaltungen sowie Ausgliederungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 123 bis 173 UmwG) und Vermögensübertragungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 174 bis 189 UmwG). Daneben sind auch Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 2 UmwG begünstigt, wenn sie durch ein anderes Bundesgesetz oder ein Landesgesetz ausdrücklich vorgesehen sind, weil es sich dabei auch um Umwandlungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG handelt.6 Der Formwechsel (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 190 ff. UmwG) ist nicht begünstigt, weil er grundsätzlich nicht mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden ist.7 Sofern der Formwechsel zum Wegfall der Vergünstigung für einen Einbringungs- bzw. Übertragungsvorgang nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG führt, knüpft die Steuerpflicht nicht an den 1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz) v. 22.6.2011, BGBl. I 2011, 1126. 2 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften) v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 4 Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 25.3.2019, BGBl. I 2019, 357. 5 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 6 So auch Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 6; Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 18; Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 28. 7 Für analoge Anwendung des § 6a Satz 1 auf den nicht verhältniswahrenden Formwechsel Haag, BB 2011, 1119 (1124).

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§ 6a Rz. 16 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Formwechsel als solchen an, sondern an den ursprünglichen Einbringungs- bzw. Übertragungsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar ist. 2. Begünstigung aufgrund von Einbringungen oder anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Satz 1 Alt. 2) 17

Erst durch die Neufassung von § 6a Satz 1 GrEStG durch das AmtshilfeRLUmsG erfolgte mit Wirkung für nach dem 6.6.2013 verwirklichte Erwerbsvorgänge (§ 23 Abs. 11 GrEStG) eine Erweiterung der Steuervergünstigung auf Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Diese Begriffe finden sich auch in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Deshalb kann auf das bisherige Verständnis dieser Erwerbsvorgänge zurückgegriffen werden.1 Danach sind Einbringungen Rechtsvorgänge, durch die ein Gesellschafter seine Sacheinlageverpflichtung (§ 27 AktG oder § 5 Abs. 4 GmbHG) oder seine Beitragspflicht (§ 706 BGB) erfüllt. Ein Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage liegt vor, wenn sich infolge des Erwerbsvorgangs die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht verändert.2 Das ist der Fall, wenn dem Gesellschafter bei Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf die Gesellschaft eine höhere Beteiligung eingeräumt wird (z.B. bei Kapitalerhöhung unter Sacheinlage; vgl. § 138 AktG, § 56 GmbHG), er eine höhere Beteiligungsquote am Vermögen einer Gesamthand erhält, oder sich wegen der Übertragung von Anteilen durch die Gesellschaft auf den Gesellschafter dessen Beteiligung an der Gesellschaft vermindert. Auch die Liquidation einer Gesellschaft kann ein Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sein (vgl. § 8 GrEStG Rz. 25 f.). Gleiches gilt für die Anwachsung. Wenn dem verbleibenden Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen gem. § 738 BGB anwächst, beruht der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Vorgang auf dem Gesellschaftsvertrag, weil die Anwachsung notwendige Folge des bisher unter den Gesellschaftern bestehenden Gesellschaftsverhältnis ist.3 Der Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, wenn im Zuge der Anwachsung bereits zu mindesten 95 % vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übergehen. Auch der nicht verhältniswahrende, quotenverschiebende Formwechsel, der nach Auffassung des FG Münster4 zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG führen kann, ist ein Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage.5

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Sowohl die Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten als auch der andere Erwerbsvorgang sind nur insofern relevant, als sie zur Verwirklichung eines Grunderwerbsteuertatbestands nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 3a GrEStG führen. Die Einbringung von Grundstücken erfüllt regelmäßig den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, der jedoch nicht begünstigt ist. Im Schrifttum wurde zu der unscharfen Fassung des Satz 1 von § 6a GrEStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG die Auffassung vertreten, dass Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage auch dann begünstigt sind, wenn sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar seien.6 Nach der klarstellenden Änderung von Satz 1 durch das KroatienAnpG ist diese Auslegung nicht mehr möglich. Um in den Anwendungsbereich von § 6a zu gelangen, muss demnach statt der zivilrechtlich einfachen Einzelrechtsübertragung eine Abspaltung oder Ausgliederung von Grundbesitz zur Aufnahme durchgeführt werden. Als Gestaltungsvariante kann sich auch die Einbringung eines Grundstücks nur dem Werte nach und zur Nutzung („quoad sortem“), d.h. nur Übergang des wirtschaftlichen, nicht des rechtlichen Eigentums an dem Grundstück anbieten. Dadurch wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt, der nach § 6a Satz 1 GrEStG begünstigt ist.7

1 Ebenso Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 38; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 29; a.A. Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 32. 2 Vgl. BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483; v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295. 3 Vgl. BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59. 4 FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034. 5 Vgl. Behrens, DStR 2013, 2726 (2730); Wischott/Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3469). 6 Vgl. Behrens, DStR 2013, 1405 (1410 f.); Stangl/Aichberger, DB 2013, 2762 (2764); Wischott/Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3461); Gottwald/Behrens6, Rz. 583.2. 7 Vgl. auch Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 31.

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B. Begünstigte Erwerbsvorgänge/Tatbestände (Satz 1)

Rz. 22 § 6a

II. Begünstigungsfähige Grunderwerbsteuertatbestände Abschließende Aufzählung: Der Umwandlungs- bzw. andere Erwerbsvorgang muss zu einen steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 3a GrEStG geführt haben. Die Aufzählung der relevanten Grunderwerbsteuertatbestände ist abschließend. Zwischen dem Umwandlungsvorgang bzw. anderen Erwerbsvorgang und der Verwirklichung des Grunderwerbsteuertatbestands muss ein Kausalzusammenhang bestehen.

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Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG wird insbesondere durch die übertragende Umwandlung, aber auch durch die Anwachsung einer Personengesellschaft auf ihren verbleibenden Gesellschafter (§ 738 BGB) erfüllt, wenn infolge einer Umwandlung oder rechtsgeschäftlichen Übertragung der vorletzte Gesellschafter auf der grundbesitzenden Personengesellschaft ausscheidet.

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Beispiel: Die M-AG ist seit mehr als fünf Jahren zu jeweils 100 % an der grundbesitzenden T1-GmbH und der grundbesitzenden T2-GmbH beteiligt. Die T1-GmbH hält 6 % und die T2-GmbH hält 94 % der Anteile an der grundbesitzenden E-KG. Im Juni 2021 wird die T1-GmbH auf die T2-GmbH verschmolzen. Die Verschmelzung führt sowohl bezüglich des Grundbesitzes der T1-GmbH als auch bezüglich des Grundbesitzes der E-KG zu steuerbaren Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Für beide Vorgänge kann die T2-GmbH die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG in Anspruch nehmen. Unerheblich hierfür ist der Zeitraum, über den die Beteiligung an der E-KG durch die T1 – und die T2-GmbH gehalten wurde. Es kommt nur auf die Haltedauer der am Umwandlungsvorgang beteiligten Unternehmen an, hier der Beteiligung der M-AG an der T1 – und der T2GmbH.

Die Begünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG für die Übertragung von der Gesamthand auf den Gesamthänder steht neben der Befreiung nach § 6a GrEStG. Sie würde im Beispielsfall allenfalls zu 94 % gewährt. Außerdem kann sie daran scheitern, dass die T2-GmbH den Anteil an der E-KG innerhalb der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG erworben hat. Würde im Beispiel an Stelle der Verschmelzung eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Beteiligung der T1-GmbH an der E-KG auf die T2-GmbH treten, und erfolgt dieser Erwerb nach dem 6.6.2013, ist die Anwachsung als anderer Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ebenfalls nach § 6a GrEStG begünstigt. In den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG fällt als zweiter Tatbestand der Erwerb einer Verwer- 21 tungsbefugnis an einem Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG. Denkbare Fallgestaltungen sind z.B. der Übergang von Rechten aus einem Immobilienleasingvertrag oder aus einem Treuhandvertrag im Zuge einer übertragenden Umwandlung vom übertragenden Rechtsträger (Leasingnehmer, Treugeber) auf den übernehmenden Rechtsträger (vgl. auch § 1 Rz. 232 und 253 ff.). Im Zuge einer Umwandlung oder Einbringung kann es auch zu einem Wechsel im Personenbestand 22 einer Gesamthand kommen, der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar ist. Für die Anwendung von § 6a GrEStG ist nicht erforderlich, dass es sich bei der Personengesellschaft, bei der umwandlungsbedingt das grunderwerbsteuerlich erforderliche Quantum von 95 % erreicht wird, um eine abhängige Gesellschaft i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG handelt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Begünstigung aber nur quotal in dem Umfang greifen, in dem der Teilakt in den Fällen einer mehraktigen Tatbestandsverwirklichung zum Überschreiten der unter 95 %-Grenze beigetragen hat. Nur in Höhe der durch den Teilakt erlangten vermögensmäßigen Beteiligung am Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft, der zur Tatbestandsverwirklichung geführt oder beigetragen hat, soll die Vergünstigung nach § 6a GrEStG gewährt werden.1 Beispiel: Die M-AG ist seit mehr als fünf Jahren zu jeweils 100 % an der T1-GmbH und der T2-GmbH beteiligt. Die T1GmbH hält 5 % und die T2-GmbH hält 94 % der Anteile an der grundstückshaltenden E-OHG. Die restlichen 1 % werden außerhalb des Konzerns gehalten. T2-GmbH hat die Anteile an der E-OHG im Jahr 2017 erworben. Im Jahr 2021 wird die T1-GmbH auf die T2-GmbH verschmolzen. Da innerhalb von fünf Jahren 99 % der Anteile an der E-OHG auf Neugesellschafter übertragen wurden, wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Vorgang nur teil-

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 2.4.

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§ 6a Rz. 22 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern weise steuerbefreit, und zwar nur insoweit als der übertragende Rechtsträger, die T1-GmbH an der Personengesellschaft beteiligt war, d.h. i.H.v. 5 %.

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Die Sichtweise der Verwaltung widerspricht der Struktur des § 1 Abs. 2a GrEStG und führt zu willkürlichen Ergebnissen. Ist bei einem sukzessiven Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG nicht der letzte Teilakt auf einen Umwandlungsvorgang i.S.d. § 6a GrEStG zurückzuführen, sondern ein früherer Teilakt, der zur Tatbestandserfüllung beigetragen hat, aber nicht tatbestandsauslösend war, soll die Begünstigung nach § 6a GrEStG nur für diesen Teilakt relevant sein.1 Sinnvoll wäre eine Eliminierung der durch einen Umwandlungsvorgang i.S.d. § 6a GrEStG ausgelösten Gesellschafterwechsel aus der für die Zusammenrechnung des notwendigen Quantums maßgeblichen Teilakte. Wird durch eine Umwandlung das erforderliche Quantum von 95 % erreicht, wird die nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste Steuer nicht erhoben.2 Bis zum 30.6.2021 und danach subsidiär bis zum 30.6.2026 gilt das Quantum von 95 % (ansonsten 90 %) für die Tatbestandserfüllung von § 1 Abs. 2a GrEStG.3

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Die Finanzverwaltung hat noch nicht zu § 1 Abs. 2b GrEStG Stellung genommen, weil diese Regelung im Zeitpunkt der Veröffentlichung der gleichlautenden Ländererlasse vom 22.9.2020 noch nicht Gesetz war. Es ist aber zu vermuten, dass die Verwaltung hier die gleiche Auffassung wie zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertritt.

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Die Vergünstigung des § 6a GrEStG erfasst auch eine durch einen Umwandlungsvorgang verwirklichte steuerbare Anteilsvereinigung oder Übertragung bereits vereinigter Anteile i.H.v. mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft. Dabei werden die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG fingierten Erwerbstatbestände in vollem Umfang und nicht nur hinsichtlich des Teilaktes einer Anteilsvereinigung befreit, der letztlich zur Tatbestandsverwirklichung geführt hat.4 Dahinter steht die punktuelle Steuerbarkeit der Anteilsvereinigung. Denn § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem sich erstmals 95 % der Anteile in der Hand des Erwerbers vereinigen. Unerheblich ist, wann und wodurch der Erwerber die ihm bereits (vorher) zustehenden Anteile erworben hat. Diese Sichtweise gilt auch für Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG.5 Die Neufassung von § 1 Abs. 3 und auch von Abs. 3a GrEStG und damit die auf 90 % abgesenkte Beteiligungsschwelle findet gem. § 23 Abs. 18 GrEStG auf Rechtsvorgänge Anwendung, die nach dem 1.7.2021 verwirklicht werden. Gemäß § 23 Abs. 21 GrEStG bleiben die Altfassungen von § 1 Abs. 3 und gem. § 23 Abs. 22 GrEStG die Altfassung von Abs. 3a GrEStG für Konstellationen anwendbar, in denen ein Rechtsträger am 30.6.2021 und seitdem ununterbrochen bereits zu mindestens 90 %, aber weniger als 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt war.6

III. Rechtsfolge 26

Als Rechtsfolge wird bestimmt, dass die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird. Dadurch bleibt der durch den Umwandlungs- bzw. Erwerbsvorgang ausgelöste Rechtsträgerwechsel grunderwerbsteuerbar. Das bedeutet, dass die Verminderung gesamthänderischer Beteiligungen innerhalb der Zehnjahresfristen i.S.v. §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG aufgrund von Umwandlungsvorgängen und anderen Rechtsvorgängen, die nach § 6a GrEStG begünstigt sind, nicht zu einer rückwirkenden Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf die Übertragung des Grundstücks auf die Gesamthand bzw. den Gesamthänder führen.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 2.4; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 8; Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 23; Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 55 f. 2 Vgl. Behrens, Ubg 2010, 845 (854 f.); Jorde/Trinkhaus, Ubg 2012, 649 (653); Viskorf in Boruttau (17. Aufl. 2011), § 6a GrEStG Rz. 30 f., aufgegeben in der 18. Aufl. 2016. 3 Vgl. § 1 GrEStG Rz. 398. 4 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 2.5; a.A. Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 24; Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 59 mit Verweis auf die BFH-Rspr. zur Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG auf Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG. 5 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1324, Tz. 1 u. 7; a.A. Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 60. 6 Vgl. § 1 GrEStG Rz. 700.

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C. Begünstigte Erwerbsvorgänge nach EU-/EWR-Recht (Satz 2)

Rz. 28 § 6a

C. Begünstigte Erwerbsvorgänge nach EU-/EWR-Recht (Satz 2) Nach § 6a Satz 2 GrEStG werden den Umwandlungen nach UmwG entsprechende Umwandlungen 27 aufgrund des Rechts eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats gleichgestellt. Somit werden insbesondere auch grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften nach §§ 122a ff. UmwG begünstigt. Dabei handelt es sich um Verschmelzungen, bei denen mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des EWR unterliegt. Die Begründung einer SE durch Verschmelzung gem. Art. 17 Abs. 1, Abs. 2a VO (EG) 2157/2001 ist ebenfalls begünstigt. Die Umwandlung nach einer anderen Rechtsordnung entspricht nach Auffassung der Finanzverwaltung1 einer Verschmelzung nach deutschem Recht, wenn im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Anteile an die Anteilsinhaber des oder der übertragenden Rechtsträger gewährt werden. Eine entsprechende Aufspaltung oder Abspaltung liegt vor, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Anteile der übernehmenden Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden. Eine entsprechende Ausgliederung wird angenommen, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Teile des Vermögens eines Rechtsträgers als Gesamtheit auf übernehmende Rechtsträger übertragen und Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt werden. Das Erfordernis der Gewährung von Anteilen ist insofern nicht konsistent, als die Kapitalerhöhung des übernehmenden Rechtsträgers nach dem UmwG nicht zwingend ist (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 3, § 125 UmwG). Im Schrifttum wird auf den Rechtsübergang kraft eines Hoheitsaktes, nämlich die Eintragung der im Umwandlungsvertrag vereinbarten Rechtsänderungen im Handelsregister als das maßgebliche Vergleichbarkeitskriterium (und den damit verbundenen liquidationslosen Untergang des übertragenden Rechtsträgers bei der Verschmelzung, Aufspaltung) abgestellt2 bzw. auf die Grundsätze zur Auslegung von § 1 UmwStG zurückgegriffen.3 Entscheidend sollte sein, dass das ausländische Recht eine dem deutschen Recht vergleichbare Rechtstechnik vorsieht, nach der eine Sachgesamtheit im Wege der partiellen oder vollen Gesamtrechtsnachfolge durch einen Rechtsakt, nämlich die Eintragung der Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung im jeweils zuständigen Register (vergleichbar dem Handelsregister), auf einen oder mehrere andere Rechtsträger übergeht. An dem Umwandlungsvorgang kann auch ein Rechtsträger mit Ansässigkeit in einem Drittstaat beteiligt sein, sofern das Recht des maßgeblichen EU-/EWR-Mitgliedstaats dies zulässt. Nicht begünstigt ist jedoch eine Umwandlung nach dem Recht eines Drittstaats.4 Dies hat das FG Münster für eine Umwandlung nach dem Recht der Britischen Jungferninseln bestätigt.5 Auch die Rechtsauffassung von Lüdicke/Schnitger hätte hier nicht weitergeholfen, weil mit den Britischen Jungferninseln kein DBA besteht. Nach Satz 2 werden auch entsprechende Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesell- 28 schaftsvertraglicher Grundlage auf Grund des Rechts eines EU-Mitgliedstaats oder eines Staats, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet, begünstigt. Für die entsprechende Einbringung bzw. entsprechenden Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage nach ausländischem Recht kommt es darauf an, dass es zu einer rechtlichen Veränderung der Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschaftes kommt. Für die Einbringung ist nicht erforderlich, dass neue Anteile gewährt werden.6 Beteiligte an einen Einbringungsvorgang sind der Rechtsträger, der Vermögen einbringt (übertragender Rechtsträger) sowie der Rechtsträger, in den das Vermögen eingebracht wird (übernehmender Rechtsträger). Nicht am Einbringungsvorgang beteiligt ist die übertragene Gesellschaft. Für die Frage, ob es sich um eine Einbringung auf Grund des Rechts eines EU-/EWR-Staats handelt, ist nicht abschließend geklärt, auf welches Recht es ankommt. Legt man die Grundsätze des internationalen Privatrechts (IPR) zugrunde, kommt es für die Wirksamkeit der Übertragung auf die für das betroffene 1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 3.2, die gleichlautenden Erlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 2.2, enthalten nur noch die Aussage, dass die Umwandlung inhaltlich mit einer Umwandlung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG vergleichbar sein muss. 2 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 41; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 25. 3 Vgl. Haag, BB 2011, 1047 ff.; Dettmeier/Geibel, NWB 2010, 582 (586); Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 449. 4 Eine Anwendbarkeit für ausländische Umwandlungen in DBA-Drittstaaten wird postuliert; vgl. Lüdicke/Schnitger, DStR 2011, 1005 ff. 5 FG Münster v. 23.9.2021 – 8 K 1125/17 GrE, EFG 2021, 1926; Rev. BFH II R 36/21. 6 So auch Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 461; Karla/Figatowski, Ubg 2014, 439 (442 f.).

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§ 6a Rz. 28 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Vermögensgut geltende Rechtsordnung an, d.h. das Recht der nicht am Einbringungsvorgang beteiligten übertragenen Gesellschaft.1 Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit einer Einbringung nach deutschen Rechts sollte es ausreichend sein, wenn entweder aufgrund des maßgeblichen Rechts des übertragenden Rechtsträgers oder der übernehmenden Rechtsträgers auf den Einbringungsvorgang das Recht eines EU/EWR-Mitgliedsstaats anzuwenden ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn mindestens einer der Beteiligten, also die übertragende oder die übernehmende Gesellschaft, in einem EU/EWR-Staat ansässig ist.2

D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4) I. Die an dem Rechtsvorgang beteiligten Rechtsträger 29

§ 6a Satz 3 und 4 GrEStG setzen voraus, dass an dem Rechtsvorgang (Umwandlung, Einbringung sowie anderer Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage) ausschließlich – ein herrschendes und eine von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft oder – ein herrschendes und mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder – mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. An dem Umwandlungs- bzw. Erwerbsvorgang sind nur diejenigen Rechtsträger beteiligt, deren Vermögen unmittelbar von der Gesamtrechtsnachfolge bzw. Sonderrechtsnachfolge berührt wird. Sind an einem Umwandlungsvorgang mehrere Rechtsträger beteiligt, wie insbesondere bei der Aufspaltung, müssen alle diese Rechtsträger abhängig in Bezug auf das herrschende Unternehmen sein. Das Ausschließlichkeitsgebot bewirkt, dass die Beteiligung konzernfremder Gesellschaften an einem Umwandlungsvorgang grundsätzlich schädlich ist. Im Hinblick auf die qualifizierte Beteiligung von 95 % zur Begründung der Abhängigkeit ist jedoch die Beteiligung einer konzernfremden Gesellschaft an der abhängigen Gesellschaft von 5 % oder weniger unschädlich. Entsprechendes gilt für Einbringungsvorgänge und andere Rechtsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Nur die Vertragspartner der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen sind die an dem Erwerbsvorgang Beteiligten.

II. Herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft 1. Herrschendes Unternehmen a) Qualifizierte Beteiligung i.H.v. mindestens 95 % 29.1

Maßgebliche Rechtsträger: Das herrschende Unternehmen kann eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft sein. Gesetzlich wird das herrschende Unternehmen allein durch die Bestimmung der Abhängigkeit definiert. Nach Satz 4 muss das herrschende Unternehmen mindestens fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang an der abhängigen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Das gilt in der gleichen Form und dem gleichen Maße für die Beteiligung über mindestens fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltensfrist). Bei mehrstufigen Beteiligungen muss die mittelbare Beteiligung des herrschenden Unternehmens am Kapital oder Gesellschaftsvermögen einer abhängigen Gesellschaft auf jeder Stufe das erforderliche Quantum von 95 % erreichen – entsprechend den Zurechnungskriterien für eine mittelbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG; es kommt somit nicht auf die durchgerechnete rechnerische Quote der Beteiligung an der an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft an.3 Auch spielen die

1 Vgl. Graessner/Franzen, Ubg 2016, 1 (6). 2 In diesem Sinne auch Graessner/Franzen, Ubg 2016, 1 (6); Karla/Figatowski, Ubg 2014, 439 (444). 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.2.1.

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D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4)

Rz. 30.1 § 6a

Grundsätze der Anteilsvereinigung im Organkreis und damit die Abhängigkeitsdefinition in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG bei der Anwendung von § 6a GrEStG keine Rolle.1 b) Unternehmereigenschaft Auffassung der Rechtsprechung: 2019 hat der BFH in mehreren Urteilen entschieden, dass das herrschende Unternehmen nicht Unternehmer i.S.d. UStG sein muss.2 Der Begriff „Unternehmen“ wird vom BFH mit Blick auf den Verschonungszweck der Regelung weit und neutral ausgelegt. Herrschendes Unternehmen können alle wirtschaftlich tätigen Rechtsträger sein. Dementsprechend kann das herrschende Unternehmen neben juristischen Personen und Personengesellschaften auch eine natürliche Person oder ein Einzelunternehmen sein. Für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs reicht es somit aus, wenn das herrschende Unternehmen lediglich über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt.3 Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält. Hierzu führt der BFH aus, dass eine Bezugnahme auf bilanzielle oder ertragsteuerliche Begriffe der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer fremd sei. Nur das ist konsequent. Denn das Tatbestandsmerkmal des herrschenden Unternehmens dient dazu, die Steuerbegünstigung auf Konzernsachverhalte zu beschränken. Die Verhinderung ungewollter Mitnahmeeffekte wird bereits durch das Erfordernis der qualifizierten Beteiligungshöhe von 95 % des herrschenden Unternehmens an den beteiligten abhängigen Gesellschaften erreicht.

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Auffassung der Finanzverwaltung: Der aktuellen Rechtsprechung hat sich die Finanzverwaltung im 30.1 Prinzip angeschlossen.4 Sie stellt klar, dass das herrschende Unternehmen über die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnehmen kann. Hierfür sei aber erforderlich, dass mindestens eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft am Markt wirtschaftlich tätig ist.5 Nicht wirtschaftlich tätige Gesellschaften sind z.B. Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften. Die Formulierung in den gleichlautenden Ländererlassen, dass es auf die wirtschaftliche Tätigkeit der am Umwandlungsvorgang tätigen Gesellschaften ankommen soll, ist u.E. zu eng. Auch die wirtschaftliche Tätigkeit von unteren Gesellschaften, die in einer 95 %-Kette mit dem herrschenden Unternehmen verbunden sind, sollte ausreichen. Zudem wird von der Finanzverwaltung nicht näher präzisiert, was eine operativ tätige Gesellschaft ist. Wirtschaftlich tätig ist z.B. auch eine Gesellschaft, die Immobilien vermietet oder zur Veräußerung bereithält. Das ergibt sich aber nicht zwingend aus den gleichlautenden Ländererlassen vom 22.9.2020. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung musste das herrschende Unternehmen Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sein, d.h. eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig sein.6 Damit waren natürliche Personen, die die Beteiligung im Privatvermögen halten,7 sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Beteiligungen im hoheitlichen Bereich (nicht in einem Betrieb gewerblicher Art) ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung stellt das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen keine unternehmerische Tätigkeit dar.8 Insofern ist die Führungs- oder Funktionsholding, die gegenüber ihren Tochtergesellschaften nicht nur unerhebliche entgeltliche Dienstleistungen erbringt, unternehmerisch tätig, nicht aber eine sog. Finanzholding. Bei einer Funktionsholding muss die am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft zum unternehmerischen Bereich gehören.9 Ist die Konzernspitze eine reine Finanzholding, wurde für die Bestimmung des herrschenden

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.2 u. 2.4. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329, v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337. BFH v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.1. Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, z. 3.1 Absatz 2. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.2. Vgl. auch FG Münster v. 15.11.2013 – 8 K 1507/11 GrE, EFG 2014, 306, aufgehoben durch BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329; FG Hamburg v. 26.11.2013 – 3 K 149/12, rkr., EFG 2014, 570. 8 Vgl. EuGH C-142/99, EuGHE 2000 I, 9567; EuGH C-77/01, EuGHE 2004 I, 4295. 9 Vgl. EuGH C-60/90, EuGHE 1991 I, 3111; BMF v. 26.1.2007, BStBl. I 2007, 211; zweifelnd Behrens, DStR 2012, 2149 (2152).

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§ 6a Rz. 30.1 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Unternehmens auf die unmittelbar darunter liegende Konzernebene abgestellt.1 Für die Eignung als herrschendes Unternehmen musste nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht nur die Mindestbeteiligungsquote von 95 % an der abhängigen Gesellschaft, sondern auch die Unternehmereigenschaft in der gesamten Vor- und Nachbehaltensfrist vorliegen. Die frühere Ansicht der Finanzverwaltung, dass das herrschende Unternehmen Unternehmer i.S.d. UStG sein muss, wurde von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum geteilt.2 Dabei wurde unterschiedlich beurteilt, ob der herrschende Gesellschafter lediglich allgemein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sein muss oder ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Tätigkeit und der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung bestehen muss, so dass die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft dem unternehmerischen Bereich des herrschenden Unternehmens zugeordnet werden kann.3 Demgegenüber lehnten andere Stimmen im Schrifttum die Übertragung des umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriffs auf § 6a GrEStG ab und postulierten eine Anlehnung an den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff.4 Die Rechtsprechung der Finanzgerichte war geteilt. So vertrat das FG Münster5 die Auffassung, dass auch eine natürliche Person ein herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a Satz 3 GrEStG sein könne. Dafür müsse die natürliche Person jedoch Unternehmerin im umsatzsteuerlichen Sinne sein und die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen sein. Das FG Niedersachsen6 hat demgegenüber einen Fall, in dem das herrschende Unternehmen eine Finanzholding (gemeinnützige Stiftung) war, unter § 6a GrEStG subsumiert. Das FG Niedersachsen weist darauf hin, dass weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden kann, der Gesetzgeber habe nur Umstrukturierungen begünstigen wollen, bei denen das herrschende Unternehmen zugleich Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist.7 c) Bestimmung des herrschenden Unternehmens 31

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Konzernbegriff des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG so zu verstehen, dass es immer nur ein einziges herrschendes Unternehmen gibt. Das soll der oberste Rechtsträger sein, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt.8 Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen ist das herrschende Unternehmen somit dasjenige, welches an der Spitze des gesamten Unternehmensverbundes steht, und nicht auch eine andere (abhängige) Gesellschaft in der Beteiligungskette, die ihrerseits an dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger (unmittelbar oder mittelbar) zu mindestens 95 % beteiligt ist.9 Es gibt somit – jedenfalls nach Ansicht der Verwaltung – keine revolvierende Betrachtung, nach der eine abhängige Gesellschaft auch herrschendes Unternehmen sein kann; es gibt keine Mehrzahl von herrschenden Unternehmen im Konzern. Das führt dazu, dass die gesamte Konzernstruktur, auch soweit Gesellschaften nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind, über mindestens fünf Jahre nach der Umwandlung aufrechterhalten bleiben muss, um die Steuerbefreiung nicht wieder zu verlieren.

1 Vgl. OFD Frankfurt v. 19.7.2011, DStR 2011, 2254; gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.2. 2 Vgl. Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 11; Pahlke5, § 6a GrEStG Rz. 43 f. m.w.N; anders Pahlke in der 6. Auflage 2018, § 6a GrStG Rz. 44. 3 Vgl. Weilbach, § 6a GrEStG Rz. 28. 4 Vgl. Behrens, Ubg 2010, 845 (846); Dettmeier/Geibel, NWB 2010, 582 (589); Rogall/Mörwald, Ubg 2015, 347 (348 ff.). 5 FG Münster v. 15.11.2013 – 8 K 1507/11 GrE, EFG 2014, 306; aufgehoben durch BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329. 6 FG Niedersachsen v. 9.7.2014 – 7 K 135/12, EFG 2015, 1739; bestägtigt durch BFH v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337. 7 Kritisch auch Behrens, Ubg 2010, 845 (846); Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 84. 8 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.1; Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 59; Schanko, UVR 2011, 49 (51). 9 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.6.2011, BStBl. I 2011, 673.

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D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4)

Rz. 32.1 § 6a

Beispiel: Die M-GmbH ist zu 100 % an der T-GmbH beteiligt. Die T-GmbH hält jeweils 100 % der Anteile an der E1GmbH und der E2-GmbH. Die E1-GmbH wiederum hält jeweils 100 % an der U1-GmbH und an der U2-GmbH. Die grundbesitzende U1-GmbH wird auf die U2-GmbH verschmolzen. Da nur die M-GmbH als herrschendes Unternehmen gesehen wird und alle anderen Gesellschaften als abhängig, muss die Beteiligungsstruktur oberhalb der U2-GmbH über den fünfjährigen Nachbehaltenszeitraum zu jeweils mindestens 95 % auf jeder Beteiligungsstufe aufrechterhalten werden. Außerdem musste diese Beteiligungsstruktur im Grundsatz auch fünf Jahre vor der Verschmelzung bestanden haben. Nach zutreffender Ansicht – entgegen der Finanzverwaltung – wäre im Beispielsfall die E1-GmbH das herrschende Unternehmen.

Die Sichtweise der Finanzverwaltung ist nicht zwingend und führt in der Praxis zu einer deutlichen Reduzierung der Anwendungsfälle von § 6a GrEStG.1 Einer abhängigen Gesellschaft nachgelagerte Gesellschaften gehören in Bezug auf den zu prüfenden Umwandlungsvorgang, an dem ein oder zwei an ihnen (mittelbar) beteiligte Rechtsträger beteiligt sind, nicht zum Unternehmensverbund. Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt die Bestimmung des herrschenden Unternehmens in mehreren Schritten. Zunächst ist von unten nach oben der oberste Rechtsträger zu finden, der ausgehend von den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften die Mindestbeteiligungshöhe an diesen erfüllt. Sodann ist beginnend mit diesem Rechtsträger von oben nach unten zu prüfen, welcher Rechtsträger als oberster die Unternehmereigenschaft (i.S. der geläuterten Auffassung, dass die Unternehmereigenschaft nicht mehr an das Umsatzsteuerrecht gekoppelt ist) erfüllt. Erfüllt dieser Rechtsträger die Vorbehaltensfrist (Unternehmereigenschaft und Mindestbeteiligungshöhe hinsichtlich der am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften), ist dieser das herrschende Unternehmen; ansonsten ist die Prüfung nach unten fortzusetzen, bis das herrschende Unternehmen gefunden ist.

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Beispiel: Die M-GmbH ist zu 100 % an der T-GmbH, diese wiederum zu 100 % an der der E-GmbH und diese wiederum zu 100 % an der grundbesitzenden UE-GmbH beteiligt. Die M-GmbH hat die Beteiligung an der T-GmbH im Jahr 2018 erworben. Im Jahr 2021 wird die E-GmbH auf die T-GmbH verschmolzen. Nach Verwaltungsauffassung ist nicht die M-GmbH, sondern die T-GmbH hier als das herrschende Unternehmen anzusehen. Denn die M-GmbH hat die T-GmbH erst innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist erworben. Somit ist für die nächsttiefere Ebene zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Veränderungen innerhalb der Nachbehaltensfrist im Hinblick auf die Beteiligung der M-GmbH an der T-GmbH und ein möglicher Verlust der Unternehmereigenschaft bei der M-GmbH sind deshalb irrelevant. Allerdings muss die T-GmbH weiterhin zu mindestens 95 % an der UE-GmbH beteiligt bleiben und innerhalb der Nachbehaltensfrist Unternehmer bleiben. Zum Nachweis der Unternehmereigenschaft sollte eine entsprechende Umsatzsteuer-Registrierung und Veranlagung zur Umsatzsteuer ausreichend sein.2 Dies gilt unabhängig davon, dass die Finanzverwaltung inzwischen ihre strenge Auffassung zum Unternehmerbegriff i.S.d. UStG revidiert hat.

Herrschendes Unternehmen innerhalb der Beteiligungskette: Zur Frage, wie das herrschende Unternehmen zu bestimmen ist und ob zwingend der oberste, die Mindestbeteiligung erfüllende Rechtsträger das herrschende Unternehmen sein muss, hat das FG Düsseldorf entschieden, dass das herrschende Unternehmen entgegen der Verwaltungsauffassung nicht zwingend der oberste Rechtsträger in der Beteiligungskette (in der Regel die Konzernspitze) sein muss, sondern auch selbst eine abhängige Gesellschaft innerhalb eines Konzernverbunds sein kann.3 Das bedeutet, eine weitere – von der Konzernspitze abhängige Gesellschaft – kann in Bezug auf nachfolgende Gesellschaften herrschendes Unternehmen sein. Der Wortlaut von § 6a Satz 4 GrEStG stelle allein auf die Beteiligungshöhe ab. Dass dieses „eine“ herrschende Unternehmen zwingend die Konzernspitze sein müsse, komme darin nicht zum Ausdruck. Die Auffassung der Finanzverwaltung widerspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn bei der Sichtweise, nur die Konzernspitze als herrschendes Unternehmen anzusehen, müssten ganze Konzernstrukturen über mehrere Jahre ohne Veränderungen aufrechterhalten werden. Die Revision ist anhängig unter BFH II R 13/20.

1 Krit. auch Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 90; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 12; Behrens, AG 2010, 120; Neitz/Lange, Ubg 2010, 17 (21); Neitz-Hackstein/Lange, GmbHR 2011, 122 (123). 2 So auch Behrens, DStR 2012, 2149 (2152): jedenfalls für innerhalb der EU ansässige Rechtsträger. 3 FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 820/17 GE, EFG 2020, 1332, Rev. BFH II R 13/20.

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32.1

§ 6a Rz. 33 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern 33

Zunächst nicht eindeutig geregelt waren auch Fälle, in denen die Konzernspitze durch eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einen außerhalb des grunderwerbsteuerlichen Verbunds stehenden Unternehmen verbunden ist und dementsprechend nicht selbst (umsatzsteuerlicher) Unternehmer ist (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Beispiel: Die M-GmbH ist zu 90 % an der T-GmbH beteiligt, diese wiederum hält 100 % der Anteile an der grundbesitzenden E-GmbH. Die E-GmbH wird auf die T-GmbH verschmolzen. Zwischen der M-GmbH und der T-GmbH besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft. Obwohl die T-GmbH grundsätzlich eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, ist sie aufgrund des umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnisses nicht unternehmerisch tätig. Allerdings sollte dieser Umstand nach dem Sinn und Zweck von § 6a GrEStG keine Rolle spielen, so dass die Verschmelzung unter der Voraussetzung, dass die fünfjährige Vorbehaltensfrist eingehalten wurde, sachlich von der Grunderwerbsteuer befreit ist.1

2. Abhängige Gesellschaft 34

Abhängige Gesellschaften können sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften sein. Das ergibt sich aus der Formulierung „am Kapital oder Gesellschaftsvermögen“ in Satz 4. Die Beteiligung des herrschenden Unternehmens i.H.v. mindestens 95 % kann unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar und teils mittelbar bestehen. Die Berechnung der Mindestbeteiligungshöhe von 95 % ist gesetzlich nicht geregelt. Nach einhelliger Meinung liegt eine entsprechende mittelbare Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermögen von mindestens 95 % dann vor, wenn auf jeder Konzernstufe mindestens eine kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung i.H.v. 95 % besteht.2 Das bedeutet, dass von einer Ermittlung der 95 % Grenze durch Durchrechnung aller Beteiligungsstufen (Multiplikation der Beteiligungsfaktoren) abgesehen wird. Eine solche Durchrechnung würde zu einer deutlichen Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 6a GrEStG führen.3 Das gilt nicht nur für Zwischengesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, sondern ebenso für die mittelbare Beteiligung über Personengesellschaften.4 Für eine Differenzierung zwischen vermittelnden Kapitalgesellschaften einerseits und vermittelnden Personengesellschaften andererseits wie sie durch das StÄndG 2015 in § 1 Abs. 2a GrEStG geregelt wurde, bietet der an die Abhängigkeit anknüpfende Konzernsachverhalt des § 6a GrEStG keinen Raum.

35

Mit der Aufnahme von § 1 Abs. 3a GrEStG in den Anwendungsbereich von § 6a GrEStG sollte erwogen werden, auch die Fälle zu begünstigen, in denen die Multiplikation der mittelbaren Beteiligungen zu einer Tatbestandsverwirklichung nach § 1 Abs. 3a GrEStG führt, d.h. insofern die Durchrechnungsmethode anzuwenden.5 Die Finanzverwaltung hat sich dazu bisher nicht geäußert.

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Bei Personengesellschaften ist die vermögensmäßige Beteiligung für die 95 %-Grenze maßgebend. Der wertmäßige Anteil bestimmt sich entsprechend der Beteiligung am Vermögen der Gesamthand in § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG sowie § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG. In bestimmten Konstellationen, bei denen im Zusammenhang mit der Akquisition einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft eine GmbH & Co. KG zum Erwerb von 5,1 % der Anteile eingesetzt wurde, kann diese nach Ablauf von fünf Jahren durch Verschmelzung mit der Akquisitionsgesellschaft zusammengeführt werden. Beispiel: Die A-GmbH hat im Jahr 2011 94,9 % der Anteile an der grundbesitzenden T-GmbH erworben. Die restlichen 5,1 % der T-GmbH-Anteile wurden von der X-KG erworben. Kommanditisten der X-KG sind die A-GmbH zu 99 % und die nicht konzernverbundene D-GmbH zu 1 %. § 1 Abs. 3a GrEStG war im Jahr 2011 noch nicht Gesetz. Die X-KG ist abhängige Gesellschaft des herrschenden Unternehmens A-GmbH, da die vermögensmäßige Beteiligung seit mehr als fünf Jahren besteht. Wird die X-KG im Jahr 2021 auf die A-GmbH verschmolzen, kommt es zur Anteilsvereinigung der T-GmbH in der Hand der A-GmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Diese ist jedoch nach § 6a GrEStG begünstigt. 1 So auch gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.2. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.2.1; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 14; Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 97. 3 So auch Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 97. 4 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 98. 5 So auch Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 53; Behrens, DStR 2013, 1405 (1410 f.); Gottwald/Behrens6, Rz. 583.28 f.

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D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4)

Rz. 38 § 6a

3. Begründung und Beendigung des Verbundes Der BFH hat dem von der Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2012 37 kreierten Begriff des „Verbundes“ eine Absage erteilt und klargestellt, dass eine Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen vom Wortlaut des § 6a GrEStG gedeckt ist und dem Sinn und Zweck der Regelung entspricht.1 Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung erklärt, dass an dem Begriff „Verbund“ nicht weiter festgehalten wird.2 Zum Hintergrund: Die Finanzverwaltung hatte in den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2012 den Begriff „Verbund“ kreiert, der sich in keiner Form aus dem Gesetz ergibt. Danach sollten Umwandlungsvorgänge nicht begünstigt sein, durch die der Verbund zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft begründet oder beendet wird.3 Nach dieser Ansicht bestand der für den jeweiligen Umwandlungsvorgang zu bestimmende Verbund aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft(en) und den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen Gesellschaften. Einer abhängigen Gesellschaft nachgelagerte Gesellschaften sollten in Bezug auf den zu prüfenden Umwandlungsvorgang nicht zum Verbund gehören. Somit sollten nicht an der Umwandlung beteiligte Schwester- und Tochtergesellschaften von an der Umwandlung beteiligten abhängigen Gesellschaften nicht zum Verbund zählen. Im Ergebnis fielen damit – im offensichtlichen Widerspruch zum Gesetzeswortlaut – alle Umwandlungen unter direkter Beteiligung des herrschenden Unternehmens aus dem Anwendungsbereich des § 6a GrEStG heraus. Im Zusammenspiel mit dem Erfordernis, dass das herrschende Unternehmen während der gesamten Vor- und Nachbehaltensfrist Unternehmer i.S.d. UStG sein musste, konnte die Inanspruchnahme der Vergünstigung auch in klassischen Konzernkonstellationen (bspw. mit mehreren reinen Finanzholdings über den zu verschmelzenden Gesellschaften) praktisch ausgeschlossen sein. Beispiel: Ein Konzern besteht aus der M-AG, der T1-GmbH, der T2-GmbH sowie der E-GmbH. In allen Fällen besteht seit mehr als fünf Jahren eine 100 %ige Beteiligung. Alle Gesellschaften sind seit mehr als fünf Jahren Unternehmer und halten Grundbesitz. Nicht begünstigungsfähige Verschmelzungen: Eine Verschmelzung der T1-GmbH auf die M-AG (oder umgekehrt) bzw. der T2-GmbH auf die M-AG (oder umgekehrt) war nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht gem. § 6a GrEStG begünstigt. Denn nach der jeweiligen Verschmelzung besteht der Verbund nur noch aus dem jeweiligen übernehmenden Rechtsträger und erlischt somit. Begünstigungsfähige Verschmelzungen: Unter Anwendung von § 6a GrEStG konnte die T1-GmbH auf die T2GmbH (oder umgekehrt) und die E-GmbH auf die T2-GmbH (oder umgekehrt) verschmolzen werden. Die Nachbehaltensfrist musste jeweils hinsichtlich der Anteile am übernehmenden Rechtsträger eingehalten werden. Eine Verschmelzung des jeweils übernehmenden Rechtsträgers auf die M-AG (oder umgekehrt) innerhalb der Nachbehaltensfrist hätte zu einem Wegfall der Begünstigung führen, weil dann wiederum der Verbund innerhalb der Nachbehaltensfrist erlischt.4 Der BFH hatte bereits in der EuGH-Vorlage vom 30.5.20175 klargestellt, dass aus seiner Sicht die Beendigung des Verbundes kein hinreichender Grund ist, um einen Rechtsvorgang von der Begünstigung nach § 6a GrEStG auszuschließen.

III. Vor- und Nachbehaltensfristen 1. Vorbehaltensfrist Die Mindestbeteiligung von 95 % an der oder den abhängigen Gesellschaft(en) muss bereits fünf Jah- 38 re vor der Umwandlung bzw. dem Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ununterbrochen bestanden haben. Der Stichtag für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist bei Umwandlungsvorgängen die Eintragung der Umwandlung im Handelsregister, bei Einbringungen und anderen 1 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329, v. 21.8.2019 – II R 20/19, BStBl. II 2020, 341. 2 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 1. 3 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.1 Abs. 3; s. auch FG München v. 23.7.2014 – 4 K 1304/13, rkr., EFG 2014, 1703. 4 So gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 5 Beispiel 1. 5 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; EuGH-Vorlage: Rs. C-374/17.

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§ 6a Rz. 38 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Erwerbsvorgängen die rechtgültige Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung. Bei ausländischen Umwandlungs- und Erwerbsvorgängen kommt es ebenfalls auf die Wirksamkeit der Übertragung an, die sich nach dem jeweiligen ausländischen Recht bestimmt. Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften der §§ 186 ff. BGB entsprechend. 39

Der BFH1 hat für den Fall einer Ausgliederung zur Neugründung aus dem herrschenden Unternehmen auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist verzichtet. § 6a Satz 4 GrEStG sei einschränkend auszulegen, weil ein Missbrauch bei dem ausschließlich konzerninternen Vorgang objektiv ausgeschlossen werden könne. Durch den Umwandlungsvorgang würden keine Grundstücke aus dem Konzernverbund gelöst. Das auf die neugegründete Gesellschaft übergegangene Vermögen stamme ausschließlich vom herrschenden Unternehmen. Insofern wurde eine Parallele zur Missbrauchsregelung in § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gezogen. Für eine konzerninterne Abspaltung zur Neugründung auf eine Schwestergesellschaft hat sich der BFH2 ebenfalls für eine einschränkende Auslegung der Vorbehaltensfrist ausgesprochen. Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG sei nicht bereits deshalb zu versagen, wenn das abspaltende Unternehmen seine Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft noch keine fünf Jahre hält, weil die abhängige Gesellschaft neu gegründet wurde. Im Übrigen trage die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG einem eventuellen Missbrauch hinreichend Rechnung. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung und einer Abspaltung zur Neugründung kann – spiegelbildlich zur Verschmelzung – nur die Nachbehaltensfrist, nicht aber die Vorbehaltensfrist eingehalten werden. Somit steht die Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist in diesen Fällen der Anwendung von § 6a GrEStG nicht entgegen.

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In den gleichlautenden Ländererlassen vom 22.9.2020 wurde die Rechtsprechung des BFH durch die Finanzverwaltung akzeptiert. Die Vorbehaltensfrist muss nicht eingehalten werden, soweit dies umwandlungsrechtlich nicht möglich ist.3 Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist ist in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft in folgenden Fällen nicht möglich: – Aufspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG), – Abspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG), – Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG). Die Finanzverwaltung stellt allerdings klar, dass bei Verschmelzung, Abspaltung und Ausgliederung zur Aufnahme einer vom herrschenden Unternehmen abhängigen Gesellschaft auf eine andere abhängige Gesellschaft das herrschende Unternehmen fünf Jahre vor dem Umwandlungsvorgang zu mindestens 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der beiden abhängigen Gesellschaften ununterbrochen beteiligt gewesen sein muss. Allerdings will die Finanzverwaltung für die Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG nicht zulassen.4 Der Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung ist nicht verständlich.5 Frühere Auffassung der Finanzverwaltung: Die Finanzverwaltung machte in den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2012 für Neugründungsfällen eine Ausnahme für Gesellschaften, die durch einen Umwandlungsvorgang im Verbund entstanden sind,6 z.B. die Ausgliederung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine 100 %ige Tochtergesellschaft zur Neugründung, Verschmelzung zur Neugründung. Die sog. „verbundgeborene Gesellschaft“ musste aus einer oder mehreren Gesellschaften entstanden sein, die spätestens im Zeitpunkt des zu beurteilenden Erwerbsvorgangs abhängige Gesellschaft ist bzw. abhängige Gesellschaften sind. In diesen Fällen wurde auf die Einhaltung der fünfjährigen Vorbesitzzeit verzichtet, weil eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist. Die Behaltenszeiten im Verbund wurden zusammengerechnet, d.h. eine etwaige Vorbesitzzeit des herrschenden Unternehmens an einem an der Gründung beteiligten Rechtsträger wurde bei der Prüfung der Vorbehaltensfrist berücksichtigt.7 Allerdings begrenzte die Finanzverwaltung die Neugründungsfälle auf Vorgänge nach dem UmwG, d.h. andere Bar- und Sachgründungen wurden nicht begünstigt. Außer1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333. BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344. Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.2.2.1. Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 2.1 a. E. So auch Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (634). Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 4 Abs. 2. Vgl. Schaflitzl/Götz, DB 2011, 374 (379).

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D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4)

Rz. 43 § 6a

dem war die Begrenzung auf solche Umwandlungsvorgänge, bei denen die „verbundgeborene“ Gesellschaft aus einer abhängigen Gesellschaft bzw. mehreren abhängigen Gesellschaften entstanden ist, nicht sachgerecht.1 Eine verbundgeborene Gesellschaft konnte nicht aus dem herrschenden Unternehmen entstehen, weil die Finanzverwaltung die Begründung eines Verbundes nicht begünstigen wollte.2 Gleichwohl war die Zusammenrechnung der Behaltefristen eine Begünstigung. Eine solche ist in den gleichlautenden Ländererlassen vom 22.9.2020 nicht mehr enthalten. Unschädlich sind der identitätswahrende Formwechsel von am Umwandlungs-/Erwerbsvorgang beteiligten Gesellschaften, wenn die kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung von mindestens 95 % bestehen bleibt, sowie eine (vollständige oder teilweise) Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette, sofern die erforderliche Mindestbeteiligung von 95 % unmittelbar oder mittelbar erhalten bleibt.

41

Die Frist ist nach Auffassung der Finanzverwaltung3 und Teilen des Schrifttums beteiligungsbezo- 42 gen ausgestaltet.4 Unbeachtlich soll die Zugehörigkeit des Grundbesitzes zum Gesellschaftsvermögen des übertragenden Rechtsträgers sein. Die für die Bemessung der Grunderwerbsteuer relevanten Grundstücke können kurz vor der Umwandlung/Einbringung angeschafft und schon kurze Zeit nach der Umwandlung/Einbringung wieder veräußert werden. Der BFH5 hat sich ebenfalls für eine beteiligungs- und nicht grundstücksbezogene Auslegung der Behaltensfristen ausgesprochen. Gegen eine grundstücksbezogene Auslegung der Haltefristen spreche der eindeutige Gesetzeswortlaut. Außerdem bestehe der Zweck der Vor- und Nachbehaltensfristen darin, die Vergünstigung des § 6a GrEStG auf Rechtsvorgänge innerhalb eines zeitlich gefestigten, durch ein Beherrschungsverhältnis gekennzeichneten Konzernverbundes zu beschränken und Rechtsvorgänge von der Begünstigung auszuschließen, die im Zusammenhang mit erst bzw. nur kurzfristig im Konzern gehaltenen Beteiligungen verwirklicht werden. Nur weil es in §§ 5, 6 GrEStG um die Zurechnung der zum Gesamthandsvermögen gehörenden Grundstücke zu den Gesamthändern geht, sei es gerechtfertigt, die Fünf-Jahres-Fristen (jetzt Zehn-Jahres-Fristen) in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 GrEStG grundstücksbezogen auszulegen.6 Stellungnahme: Für eine teleologische Reduktion der Vorbehaltensfrist in Fällen, in denen die 43 Missbrauchsgestaltung objektiv ausgeschlossen ist, spricht zunächst die Gesetzesbegründung. Die Fristen sollen sicherstellen, dass die Begünstigung nicht zu einem ungewollten Mitnahmeeffekt führt, also Gestaltungen eröffnet, die nicht in der Zielrichtung der Ausnahme von der allgemeinen Belastung liegt.7 Deshalb wurden zum einen die Vorbehaltensfrist und andererseits die nachträgliche Versagung der Begünstigung festgeschrieben. Nach Aussage des Gesetzgebers orientiert sich die Vorschrift insoweit an dem Grunderwerbsteuergesetz innewohnenden System, wie es in den Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG seinen Ausdruck findet. Die Sperrfristen des § 6 GrEStG (vorgelagerte Zehnjahresfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG sowie Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) verfolgen die gleiche Zielrichtung wie § 5 Abs. 3 GrEStG, nämlich die Verhinderung von Missbräuchen. Gleiches sollte für die Vorbehaltensfrist des § 6a GrEStG gelten. Wenn vor einer für § 6a GrEStG relevanten Umstrukturierung ein steuerbarer Erwerbsvorgang realisiert wurde, sollte die Vorbehaltensfrist insofern unbeachtlich sein. Das gilt sowohl für Erwerbsvorgänge bezüglich des Grundstücks als auch für Erwerbsvorgänge, die die abhängige Gesellschaft betreffen.

1 So auch Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 16; FG Nürnberg v. 27.6.2013 – 4 V 1742/12, rkr., EFG 2013, 1517 mit Anm. Fumi. 2 Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 2.1 Abs. 3. 3 Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 1, 3.2.2.1 und 3.2.2.2, sowie schon vorher gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 1, 4 und 5. 4 Dazu Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 70 ff.; FG München v. 22.10.2014 – 4 K 37/12, EFG 2015, 243; bestätigt durch BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 5 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 6 Vgl. auch Weilbach, § 6a GrEStG Rz. 31. 7 Vgl. BT-Drucks. 17/147, S. 19 zu Art. 7 Nr. 1 Abs. 3.

Lieber

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§ 6a Rz. 44 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern 2. Nachbehaltensfrist 44

Die Mindestbeteiligung von 95 % des herrschenden Unternehmens an der bzw. den abhängigen Gesellschaft(en) muss fünf Jahre nach dem Umwandlungsvorgang bzw. Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage fortbestehen. Maßgebend für die Fristberechnung ist die Eintragung in das Handelsregister bzw. bei ausländischen Umwandlungen die den Vermögensübergang bewirkende Eintragung in die nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates zuständigen Register. Bei anderen Erwerbsvorgängen ist der maßgebliche Stichtag für die Fristberechnung der die rechtlich wirksame Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung.

45

Erlischt die übertragende Gesellschaft im Zuge der Umwandlung, so muss nur die Mindestbeteiligung an der übernehmenden abhängigen Gesellschaft fünf Jahre bestehen bleiben. Andernfalls wären Verschmelzungen und Aufspaltungen grundsätzlich nicht begünstigt. Denn bei der Verschmelzung sowie bei der Aufspaltung geht der übertragende Rechtsträger liquidationslos unter, so dass eine Fortführung der Beteiligungsverhältnisse insofern nicht möglich ist. Eine Auslegung, wonach Verschmelzungen und Aufspaltungen nicht begünstigt sind, würde der Zielsetzung von § 6a GrEStG widersprechen. Diese Sichtweise wird von der Rechtsprechung1 und der Finanzverwaltung2 geteilt. Auch Umwandlungsvorgänge, durch die der „Verbund“ beendet wird (z.B. Up-stream-merger der obersten abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen), sind nunmehr – entgegen der früheren Verwaltungsauffassung – begünstigt. Bereits im Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hat der BFH3 deutlich gemacht, dass die Fristen des § 6a Satz 4 GrEStG nur insoweit gelten, als sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten werden können. Bei einer Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen könne nur die Frist „vor“ der Verschmelzung eingehalten werden. Die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG sei dennoch zu gewähren, weil die Frist nach der Verschmelzung gerade wegen der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann.

46

In den gleichlautenden Ländererlassen vom 22.9.20204 stellt die Finanzverwaltung klar, dass die Nachbehaltensfrist nur insoweit eingehalten werden muss, als dies umwandlungsrechtlich möglich ist. Die Einhaltung der Nachbehaltensfrist ist in Bezug auf die übertragenden Rechtsträger in folgenden Fällen unbeachtlich: – Verschmelzung zur Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG), – Verschmelzung zur Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG), – Aufspaltung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), – Aufspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG), – Vollübertragung des gesamten Vermögens eines Rechtsträgers (§ 174 Abs. 1 UmwG), – Vermögensübertragung durch Aufspaltung zur Aufnahme (§ 174 Abs. 2 Nr. 1 UmwG). Nur der aufnehmende Rechtsträger bzw. die aufnehmenden Rechtsträger muss/müssen die Nachbehaltensfrist einhalten. Das herrschende Unternehmen muss während der gesamten Nachbehaltensfrist ununterbrochen die Eigenschaften als herrschendes Unternehmen erfüllen.

47

Kettenumwandlungen: Bei einer weiteren Umwandlung innerhalb der Nachbehaltensfrist, die ebenfalls nach § 6a GrEStG begünstigt ist, gilt die ursprüngliche Nachbehaltensfrist als gewahrt, wenn diese für den übernehmenden Rechtsträger bis zum Ende fortgeführt wird. Beispiel: Der M-AG ist seit 2014 zu 100 % an den grundbesitzenden T1-GmbH und T2-GmbH beteiligt. Die grundbesitzende E-GmbH ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der T1-GmbH, ebenfalls seit 2014. Die T2-GmbH wird im Jahr 2020 unter Inanspruchnahme von § 6a auf die T1-GmbH verschmolzen. Im Jahr 2021 wird die T1-GmbH auf die E-GmbH verschmolzen.

1 BFH v. 22.8.2019 – II R 18/19, BStBl. II 2020, 352, v. 21.8.2019 – II R 20/19, BStBl. II 2020, 341, FG Nürnberg v. 16.10.2014 – 4 K 1059/13, EFG 2015, 424, FG Berlin-Bdb. v. 1.10.2015 – 15 K 3015/06, EFG 2016, 669. 2 Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.2.2.2. 3 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916. 4 Gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 3.2.2.2.

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Lieber

D. Begünstigte Konzernsachverhalte (Satz 3 und 4)

Rz. 50 § 6a

Sowohl für die erste Verschmelzung der T2-GmbH auf die T1-GmbH als auch die Verschmelzung der T1-GmbH auf die E-GmbH unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist anwendbar, weil der Rechtsvorgang durch einen Umwandlungsvorgang ausgelöst wird, an dem nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Die ursprünglich bezüglich T1-GmbH zu erfüllende Nachbehaltensfrist aufgrund der Verschmelzung im Jahr 2020 ist nun von der E-GmbH als übernehmende abhängige Gesellschaft fortzuführen.

Auch die Nachbehaltensfrist ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht grundstücksbezogen 48 sondern beteiligungsbezogen auszulegen. Es kommt somit nicht darauf an, ob der Grundbesitz, auf den sich der Umwandlungs- bzw. Erwerbsvorgang bezogen hat, innerhalb des Fünfjahreszeitraums aus dem Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft ausgeschieden ist. Gleiches gilt für die Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, die nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt war.1 Diese Sichtweise wurde durch den BFH bestätigt.2 Im Schrifttum wurde nach Einführung von § 6a GrEStG die Frage diskutiert, ob die Nachbehaltensfrist für die Fälle teleologisch zu reduzieren ist, in denen eine Missbrauchsgestaltung objektiv ausgeschlossen ist. Anders als im Rahmen der Anwendung der Missbrauchsverhinderungsnormen der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 GrEStG soll es für die Nachbehaltensfrist nicht darauf ankommen, ob der Vorgang, der innerhalb von fünf Jahren das Abhängigkeitsverhältnis beendet, selbst einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand auslöst (z.B. Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bei Veräußerung der abhängigen grundbesitzenden Gesellschaft an einen konzernfremden Dritten).3 Gegen eine Beschränkung der Nachbehaltensfrist auf Missbrauchssachverhalte wird angeführt, dass die Vor- und Nachbehaltensfristen der §§ 5 und 6 GrEStG bewirken, dass Grundstücke im Rechtsverkehr nicht über den Einsatz von Personengesellschaften mobilisiert werden können, ohne dass dies Grunderwerbsteuer auslöst. Dagegen spricht aber die Gesetzesbegründung, die auch die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG an dem Grunderwerbsteuergesetz innewohnenden System orientiert, wie es in den Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG seinen Ausdruck findet. Die Sperrfristen des § 6 GrEStG (vorgelagerte Fünfjahresfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG sowie Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) verfolgen die gleiche Zielrichtung wie § 5 Abs. 3 GrEStG, nämlich die Verhinderung von Missbräuchen. Gleiches sollte für die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG gelten. Fehlt die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung wie in den Fällen einer steuerbaren Veräußerung des Grundstücks oder der Anteile an der abhängigen Gesellschaft, sollte die Nachbehaltensfrist unbeachtlich sein. Die Frage ist auch nach Veröffentlichung der BFH-Entscheidung vom 22.8.2019 relevant, genauso wie die Frage, ob die Vorbehaltensfrist teleologisch zu reduzieren ist (vgl. Rz. 42 f.). Es wird nur schwierig sein, mit Rechtsbehelfen dagegen vorzugehen, weil die Rspr. des BFH eine andere Auffassung vertritt. 3. Folgen der Nichteinhaltung der Nachbehaltensfrist Rückwirkende Besteuerung: Ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist führt zum Wegfall der Ver- 49 günstigung nach § 6a GrEStG, d.h. der ursprünglich steuerbefreite Vorgang wird rückwirkend besteuert. Verfahrensrechtlich fällt die Nichteinhaltung der Frist als rückwirkendes Ereignis in den Anwendungsbereich von § 175 Abs. 2 Satz 1 AO. Ein entsprechender Freistellungsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Nachbehaltensfrist verletzt wird. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG maßgebend, d.h. die Wertverhältnisse des betroffenen Grundbesitzes sowie der Steuersatz. Die Steuer ist so festzusetzen wie sie festzusetzen wäre, wenn die Begünstigung aus § 6a GrEStG nicht zu gewähren gewesen wäre. Anzeigepflicht: Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GrEStG ist der Steuerschuldner verpflichtet, die schädliche Änderung des Beherrschungsverhältnisses i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG anzuzeigen. Nach Verwaltungsauffassung ist auch der Wegfall der Unternehmereigenschaft bei dem herrschenden Unter1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 1, 3.2.2.2., sowie schon gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 1, 4, 5. 2 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 3 So gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662, Tz. 5 Abs. 4; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 18; Viskorf in Boruttau19, § 6a GrEStG Rz. 127; Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 74; krit. Rödder/Schönfeld, DStR 2010, 415 (417 f.); Neitz-Hackstein/Lange, GmbHR 2011, 122 (123); Behrens, AG 2010, 119 (121).

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50

§ 6a Rz. 50 Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nehmen anzuzeigen.1 Die Verwirklichung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG durch die übertragende Umwandlung bzw. Einbringung ist gem. §§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 GrEStG trotz Nicht-Erhebung der Grunderwerbsteuer nach § 6a GrEStG anzuzeigen. 51

Keine Anwendung von § 16 GrEStG: Wird das die Nachbehaltensfrist verletzende Ereignis rückgängig gemacht (z.B. Rückgängigmachung eines Anteilskaufvertrags), so dass die qualifizierte Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft wiederhergestellt wird, kommt eine entsprechende Anwendung von § 16 GrEStG nicht in Betracht. Denn eine solche Rückgängigmachung entfaltet gerade keine Rückwirkung.

E. Ergänzung durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz 52

Durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz wurde Satz 5 in § 6a GrEStG eingefügt, der vorsieht, dass allein durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU das herrschende Unternehmen nicht im Sinne von Satz 4 innerhalb von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Hintergrund ist die Qualifizierung von Gesellschaften in der Rechtsform einer britischen Limited mit deutscher Geschäftsleitung. Diese könnte nach der gefestigten Rspr. des BGH als OHG, GbR oder – bei Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter – als Einzelkaufmann oder Privatperson anzusehen sein. Bei einer Limited mit nur einem Gesellschafter würde durch den Brexit der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited treten, was den grunderwerbsteuerlichen Verbund i.S.d. § 6a GrEStG beenden und zu einer Versagung der Steuervergünstigung des § 6a GrEStG führen würde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Limited herrschendes Unternehmen oder abhängige Gesellschaft war. Durch die Anfügung des Satzes 5 im § 6a GrEStG wird erreicht, dass die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht allein durch den Brexit entfällt.

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, Tz. 4.1.

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Lieber

§ 7 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum (1) Wird ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von den Miteigentümern flächenweise geteilt, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist. (2) 1Wird ein Grundstück, das einer Gesamthand gehört, von den an der Gesamthand beteiligten Personen flächenweise geteilt, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Anteil entspricht, zu dem er am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. 2Wird ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand flächenweise geteilt, so ist die Auseinandersetzungsquote maßgebend, wenn die Beteiligten für den Fall der Auflösung der Gesamthand eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart haben. (3) 1Die Vorschriften des Absatzes 2 gelten insoweit nicht, als ein Gesamthänder im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren vor der Umwandlung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. 2Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 gilt außerdem insoweit nicht, als die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . B. Umwandlung von Miteigentum in Flächeneigentum (Abs. 1) I. Regelungsgegenstand des Abs. 1 . . . . . . . II. Voraussetzungen des Abs. 1 1. Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . . 3. Gehören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Flächenmäßige Teilung und Übergang auf einen Miteigentümer (Realteilung) . 5. Keine Anwendung bei Erwerb des gesamten Grundstücks durch einen Miteigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendbarkeit auf Erwerb von Miteigentum . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Keine Anwendbarkeit bei ertragsteuerlicher Realteilung . . . . . . . . . . . . . C. Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum (Abs. 2)

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1 3

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4 6

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. 26.1

I. Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Telos von § 7 Abs. 2 GrEStG . . . . . . . . . III. Voraussetzungen des Abs. 2 (Befreiungstatbestand) 1. Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gehören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Flächenmäßige Teilung bei Fortbestehen der Gesamthand (Satz 1) . . . . . . . . . 5. Flächenmäßige Teilung bei Auflösung der Gesamthand (Satz 2) . . . . . . . . . IV. Freiwillige Baulandumlegung . . . . . . . . D. Sperrfrist (Abs. 3) I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkende Auslegung . . . . . . . . . .

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E. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Wohneigentum . . . . . . . . .

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F. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Literatur: Schuck, Vermeidung der Grunderwerbsteuer in Fällen der Erbauseinandersetzung, ZEV 2002, 102; Gottwald, Die Befreiungsvorschrift des § 7 GrEStG, MittBayNot 2006, 125; Werner, Chancen und Risiken steuerneutraler Realteilung mittelständischer Unternehmen, StuB 2008, 66; Heß, Formwechsel und Realteilung einer grundstücksverwaltenden GmbH, NWB 2013, 1588; Wübbelsmann, Die Realteilung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2019, 2289.

Koppermann

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§ 7 Rz. 1 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 7 GrEStG nimmt zwei unterschiedliche Sachverhalte, die grundsätzlich steuerpflichtig sind, partiell von der Besteuerung aus. Abs. 1 liegt die flächenmäßige Teilung eines einer Miteigentümerschaft gehörenden Grundstücks zugrunde. Wird ein entstehendes Teilgrundstück auf einen Miteigentümer übertragen, ist dieser Vorgang unter bestimmten Voraussetzungen in der Höhe der Beteiligung an der Mitunternehmerschaft von der Besteuerung ausgenommen. Abs. 2 regelt die Befreiung in Höhe der Beteiligung an der gesamten Hand im Fall der Teilung und Übertragung eines Teilgrundstücks eines einer Gesamthand gehörenden Grundstücks (Satz 1). In Abs. 2 Satz 2 wird normiert, dass die Auseinandersetzungsquote im Fall der Auflösung der Gesamthand heranzuziehen ist, soweit sie von der Beteiligungsquote abweicht. Abs. 3 schließt einen Gesamthänder, der seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (für Erwerbsvorgänge vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) vor der Umwandlung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, von der Anwendung der Befreiungsvorschrift aus. Der Rechtsnachfolger tritt im Fall der Erbfolge in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein. Bei Änderung der von der Beteiligungsquote abweichenden Auseinandersetzungsquote innerhalb von zehn Jahren (für Erwerbsvorgänge vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) ist die Befreiungsvorschrift ebenfalls nicht anzuwenden.

2

Bei der Teilung eines Grundstücks zwischen Miteigentümern/Gesamthändern handelt es sich (zivil-)rechtlich um einen zweistufigen Vorgang. Das Grundstück wird zunächst durch Teilungsanordnung dinglich geteilt, so dass der Mitunternehmerschaft/Gesamthand nach der Teilung mehrere Teilgrundstücke zustehen. Auf der zweiten Stufe erfolgt auf der Grundlage eines Tauschvertrages die Zuweisung der Teilgrundstücke zu Alleineigentum an die jeweiligen Miteigentümer/Gesamthänder. Die beiden rechtlichen Maßnahmen, die Teilung des Grundstücks und die Zuweisung an die Miteigentümer/Gesamthänder, müssen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Jeder Miteigentümer bzw. Gesamthänder wird Alleineigentümer des durch die Teilung entstehenden flächenweise real geteilten Grundstücks. § 7 GrEStG nimmt diese Vorgänge von der Besteuerung aus, soweit sich nur die Qualität des Eigentums (Alleineigentum, Miteigentum, Gesamthandseigentum), nicht aber das „Quantum der bezüglich eines Grundstücks bestehenden Berechtigung“1 ändert. In Ergänzung von § 6 GrEStG stellt § 7 GrEStG klar, dass nur der Mehrerwerb von Bruchteilseigentum bzw. bei der Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum der Besteuerung unterworfen wird. Technisch wird dies dadurch sichergestellt, dass für Zwecke des § 7 Abs. 1 GrEStG ein einheitlicher Vorgang angenommen wird.2 Es handelt sich um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die im Kern eine Steuerpflicht nur auslöst, wenn und soweit wirtschaftlich, quantitativ Eigentum übertragen wird. Ein Austausch einer Mitberechtigung am ganzen Grundstück gegen die Alleinberechtigung an einem Teilgrundstück unterfällt danach nicht der Besteuerung. Wie allgemein im Grunderwerbsteuerrecht knüpft die Vorschrift an zivilrechtliche Begrifflichkeiten an. Was unter Miteigentum und Gesamthandseigentum zu verstehen ist, ergibt sich somit primär aus dem Zivilrecht.

II. Bedeutung und Telos 3

Wird die flächenmäßige Aufteilung eines Grundstücks zwischen verschiedenen Personen verändert, so liegt zivilrechtlich eine Änderung der dinglichen Berechtigung im Wege eines Tauschs vor. Grunderwerbsteuerlich liegen hingegen zwei eigenständig zu besteuernde Erwerbsvorgänge vor (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG). § 7 GrEStG nimmt diese Erwerbsvorgänge von der Besteuerung aus, soweit der 1 Hofmann11, § 7 GrEStG Rz. 1. 2 Begründung zum GrEStG 1940, RStBl. 1949, 400.

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Koppermann

B. Umwandlung von Miteigentum in Flächeneigentum (Abs. 1)

Rz. 8 § 7

Wert der erworbenen Fläche bzw. des Bruchteils einer Fläche dem Wert seiner bisherigen Beteiligung am aufgeteilten Grundstück entspricht.1 In § 7 GrEStG kommt ebenso wie in §§ 5 und 6 GrEStG der Gedanke des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass lediglich der qualitative, wirtschaftliche Eigentumshinzuerwerb zu besteuern ist.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift gilt für alle Grunderwerbsteuerpflichtigen (natürliche und juristische Personen). Während Grundstück im Sinne der Vorschrift nur ein inländisches sein kann, kommen als Erwerber sowohl inländische als auch ausländische Steuerpflichtige in Betracht.

4

§ 6 GrEStG regelt die Umwandlung von Miteigentum (Abs. 1) bzw. Gesamthandseigentum an einem einzelnen Grundstück in Alleineigentum, während § 7 GrEStG die Umwandlung von Miteigentum (Abs. 1) bzw. Gesamthandseigentum an einem einzelnen Grundstück in Alleineigentum an einem Teilgrundstück nach Teilung des Grundstückes normiert. § 7 Abs. 2 GrEStG ist auch anwendbar, wenn ein einer Gesamthand gehörendes Grundstück flächenmäßig geteilt wird und ein Teil der Gesamthänder einen Teil der Grundstücksfläche wiederum zu Gesamthandseigentum erwerben.2 In diesem Fall überlagern sich § 7 Abs. 2 GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG. Beide führen allerdings zum gleichen Ergebnis.3

5

IV. Rechtsentwicklung Der Wortlaut der Absätze 1 und 2 geht unverändert auf § 7 GrEStG 19404 zurück. Auch sachlich hat 6 sich seitdem keine Änderung ergeben. Hinzugekommen ist die Anwendung auf Vorgänge nach dem Wohneigentumsgesetz5 (zur Anwendung der GrEStG auf Vorgänge nach dem WEG, vgl. § 2 Rz. 70 ff.). Mit der Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde die Sperrfrist in Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 jeweils von fünf auf zehn Jahre verlängert.6 Die verlängerte Sperrfrist findet erstmals auf Erwerbsvorgänge Anwendung, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden, § 23 Absätze 18, 24 GrEStG.

B. Umwandlung von Miteigentum in Flächeneigentum (Abs. 1) I. Regelungsgegenstand des Abs. 1 § 7 Abs. 1 GrEStG nimmt die flächenmäßige Teilung eines Grundstücks von der Besteuerung aus, soweit diejenigen, die reales Flächeneigentum erwerben, vor der Teilung ideelle Bruchteilseigentümer des Grundstücks waren. Systematisch handelt es sich bei der flächenmäßigen Teilung eines Grundstücks um einen steuerpflichtigen Vorgang, da es sich um separat zu besteuernde Tauschvorgänge handelt (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG). Grunderwerbsteuer soll dennoch nicht erhoben werden, soweit ein Beteiligter nicht mehr erhält, als es seiner bisherigen Berechtigung entspricht.7

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Insoweit erleichtert § 7 Abs. 1 GrEStG die Aufteilung eines Grundstücks zwischen Miteigentümern. Ein Erwerber, der schon vor der Teilung ideeller Bruchteilseigentümer war, wird der Besteuerung nur unterworfen, soweit er bei der Teilung einen wertmäßig im Vergleich zu seiner Beteiligung als Miteigentümer größeren Teil des Grundstücks erhält. Damit sichert § 7 Abs. 1 GrEStG, dass eine Besteue-

8

1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 24.7.1974 – II R 85/67, BStBl. II 1975, 148. BFH v. 27.4.1977 – II R 134/75, BStBl. II 1977, 677. Pahlke6, § 7 GrEStG Rz. 14. Frühere Fassungen: Baden-Württemberg § 23; Berlin § 17; Hamburg § 17; Rheinland-Pfalz § 20. WEG v. 15.3.1951, BGBl. I 1951, 175 (209). Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. BFH v. 24.7.1974 – II R 85/67, BStBl. II 1975, 148.

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§ 7 Rz. 8 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum rung nur in der Höhe des wirtschaftlichen Hinzuerwerbs erfolgt. Besteuert wird also nur die quantitative, wertmäßige Erhöhung des Eigentumsanteils, nicht der qualitative Wandel vom Miteigentum zum Alleineigentum. 9

Die Regelung stellt im Fall der Erbauseinandersetzung eine Erweiterung der Tatbestände des § 3 Nr. 3 GrEStG, § 5 GrEStG und § 6 GrEStG dar. In der Praxis hat § 7 Abs. 1 GrEStG eine besondere Bedeutung bei der Teilung eines Nachlasses, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört und die Erbengemeinschaft das Grundstück nicht direkt auf einen einzelnen Erben überträgt, da anfänglich noch keine endgültige Entscheidung darüber gefallen ist, wem es letztendlich zugewiesen werden soll. Als Zwischenlösung wird das Grundstück oftmals auf mehrere Erben als Bruchteilsgemeinschaft übertragen. Nach § 3 Nr. 3 GrEStG und § 6 GrEStG ist der Übergang von einer Gesamthand – also auch einer Erbengemeinschaft – auf eine Bruchteilsgemeinschaft zur Teilung des Nachlasses von der Besteuerung ausgenommen. Die Befreiungsvorschrift ist damit allerdings verbraucht. Bei der Weiterübertragung von der Bruchteilsgemeinschaft auf einen einzelnen Erben greift § 7 Abs. 1 GrEStG ein und führt die Steuerbefreiung fort, soweit der Erwerber an der Bruchteilsgemeinschaft beteiligt war. § 7 Abs. 1 GrEStG stellt sicher, dass eine Besteuerung nur erfolgt, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein Erwerbsvorgang vorliegt, nicht aber, wenn sich lediglich die Qualität des Eigentums des Berechtigten von Miteigentum in Alleineigentum verwandelt.

II. Voraussetzungen des Abs. 1 1. Grundstück 10

§ 7 Abs. 1 GrEStG setzt die flächenmäßige Teilung eines Grundstücks unter Miteigentümern voraus.

11

Der Begriff des Grundstücks ist bei der Realteilung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks i.S.d. § 7 Abs. 1 GrEStG und bei der flächenweisen Aufteilung eines einer Gesamthand zustehenden Grundstücks i.S.d. § 7 Abs. 2 GrEStG einheitlich auszulegen (s. auch Rz. 34).

12

Sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 sprechen nach der Teilung von Teilgrundstücken. Es muss sich dementsprechend um ein teilbares Grundstück handeln.

13

Gegenstand der Teilung muss ein Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG sein. Darunter fallen zunächst Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts. § 2 GrEStG nimmt jedoch Sachen aus, die zivilrechtlich als Bestandteil des Grundstücks angesehen werden. Darunter fallen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen. Auf der anderen Seite wird der zivilrechtliche Grundstücksbegriff um Erbbaurechte, Gebäude auf fremdem Boden, dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte i.S.d. § 15 WEG und des § 1010 BGB erweitert.

14

Unter teilbare Grundstücke i.S.d. § 7 GrEStG fallen allerdings nur Grundstücke i.S.d. § 2 Abs. 1 GrEStG. Die Steuervergünstigung wird auf jedes Grundstück einzeln angewendet1 und für jedes Grundstück gesondert geprüft.2 Jedes Grundstück ist getrennt zu beurteilen. Unanwendbar ist § 7 Abs. 1 GrEStG, wenn mehrere Miteigentümer mehrerer rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Grundstücke durch Tausch ihrer Miteigentumsanteile Alleineigentum an den Einzelgrundstücken verschaffen.3 Der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift ist auch dann nicht eröffnet, wenn mehrere Gesamthänder mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständige Grundstücke untereinander aufteilen.4 Mehrere Grundstücke fallen aber in den Anwendungsbereich von § 7

1 2 3 4

BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336. BFH v. 5.12.1956 – II 69/56 U, BStBl. III 1957, 69. BFH v. 8.8.1990 – II R 20/88, BStBl. II 1990, 922. BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336; v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156.

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B. Umwandlung von Miteigentum in Flächeneigentum (Abs. 1)

Rz. 18 § 7

GrEStG, wenn sie als wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG anzusehen sind und sich ein Rechtsvorgang auf sie bezieht. Bei Wohneigentumsanlagen bildet grundsätzlich jede Eigentumswohnung eine eigenständige wirtschaftliche Einheit. Nur, wenn mehrere Eigentumswohnungen in demselben Haus übereinander oder nebeneinander liegen und durch bauliche Maßnahmen (etwa ein Wanddurchbruch und Entfernen/ Weglassen der zweiten Kücheneinheit) zu einer einheitlichen (gemeinsamen) Nutzung zusammengefasst und so miteinander verbunden sind, dass sie sich als ein Raumkörper darstellen, liegt eine wirtschaftliche Einheit vor.1 § 7 GrEStG privilegiert danach auch den Fall einer Realteilung mehrerer zu einer wirtschaftlichen Einheit gehörender Grundstücke, durch die jeder der vorher gleichmäßig Beteiligten Alleineigentum an einem der Grundstücke erhält.2

15

2. Bruchteilsgemeinschaft Das Grundstück muss im Miteigentum i.S.d. §§ 1008 ff. BGB stehen. Sachlich liegt Miteigentum vor, wenn ein Grundstück mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zusteht. Jedem einzelnen Miteigentümer steht ein bestimmter Anteil an der Sache zu. Über diesen Anteil kann der Bruchteilseigentümer nach § 747 BGB auch verfügen. Eine Verfügung über die ganze Sache steht nur der Bruchteilsgemeinschaft gemeinschaftlich zu. Im Vergleich dazu steht bei der Gesamthand das Eigentum an der Sache nicht den Gesamthändern, sondern der Gesamthand als Rechtssubjekt zu. Ein Gesamthänder kann nur seine Beteiligung an der Gesamthand abtreten, ohne aber über seinen Anteil am durch die Gesamthand vermittelten Eigentum zu verfügen. In zeitlicher Hinsicht liegt nach bürgerlichem Recht Miteigentum vor, wenn die konstituierende Eintragung im Grundbuch erfolgt ist. Darüber hinaus wird Miteigentum i.S.d. § 7 Abs. 1 GrEStG aber schon angenommen, wenn zum Zeitpunkt der flächenmäßigen Teilung aufgrund grunderwerbsteuerlicher Zuordnung „Miteigentum“ vorliegt.3 Dies liegt darin begründet, dass der grunderwerbsteuerliche Besteuerungstatbestand vor der zivilrechtlichen Begründung von (Mit-)Eigentum ansetzt. Das zeigt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, nach dem der grunderwerbsteuerliche Besteuerungstatbestand schon mit Abschluss des obligatorischen Kaufvertrages verwirklicht ist (vgl. § 1 Rz. 33).

16

3. Gehören Das Grundstück muss der Bruchteilsgemeinschaft gehören. Die Zuordnung zur Bruchteilsgemeinschaft erfolgt nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen.4 Eine Eintragung der Bruchteilsgemeinschaft im Grundbuch ist nicht erforderlich. Es gelten dieselben Zuordnungsgrundsätze wie bei § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG.5 Hat ein Dritter die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt, so ist das Grundstück ihm zuzuordnen, und nicht etwa der besitzenden Bruchteilsgemeinschaft.6

17

4. Flächenmäßige Teilung und Übergang auf einen Miteigentümer (Realteilung) § 7 Abs. 1 GrEStG setzt die Realteilung eines Grundstücks voraus. Darunter versteht das bürgerliche Recht die Aufteilung eines nach Bruchteilen geteilten Grundstücks in mehrere Einzelgrundstücke, wobei die ehemaligen Bruchteilseigentümer Alleineigentümer an den neuen Grundstücken werden.

1 FG Nürnberg v. 18.1.2018 – 4 K 557/17. 2 BFH v. 10.12.1968 – II B 24/68, BFHE 94, 291; v. 30.11.1993 – II R 27/90, BFH/NV 1994, 504. 3 BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BStBl. III 66, 378; v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 72, 719; v. 30.3.1988 – II R 76/87, BStBl. II 1988, 550; v. 20.12.2000 – II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040. 4 BFH v. 30.3.1988 – II R 76/87, BStBl. II 1988, 550. 5 Vgl. die Kommentierung zum Merkmal „gehört“ in § 1 Abs. 2a, 2b, 3, 3a, § 1 Rz. 330, 509, 727. 6 Für die Gesamthand: BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BStBl. III 1966, 378.

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18

§ 7 Rz. 18 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum Insgesamt verliert jeder Bruchteilseigentümer also seinen ideellen Anteil am alten Grundstück und erhält dafür Alleineigentum am neu entstehenden Teilgrundstück. 19

Zivilrechtlich setzt die flächenmäßige Aufteilung des Grundstücks einen notariellen Teilungsvertrag voraus. Die Vollziehung des Teilungsvertrages erfolgt zweistufig. Zunächst wird das einheitliche Grundstück in mehrere selbständige Grundstücke geteilt (Stufe 1). Das Bruchteilseigentum setzt sich an den einzelnen Teilgrundstücken fort. In der bloßen Teilung liegen also kein Rechtsträgerwechsel und kein steuerbarer Vorgang. Teilungsgenehmigung und katasterliche Zerlegung des Grundstücks in einzelne Flurstücke sind nicht steuerbare Vorbereitungshandlungen.1 Anschließend wird im Wege des Tauschs jeweils Alleineigentum am geteilten Grundstück gegen die Aufgabe des Miteigentums erworben (Stufe 2). Jeder Beteiligte enthält alle Anteile an den Grundstücken, die ihm nach der Teilung zustehen sollen, und gibt im Gegenzug seine Anteile an den anderen Grundstücken auf. Nach § 1 Abs. 5 GrEStG wäre jeder dieser Vorgänge separat als steuerbarer Vorgang zu behandeln. Die Teilung des Grundstücks und die Übertragung der Miteigentumsanteile müssen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und planmäßig durchgeführt werden.2 Insbesondere ist ein einheitlicher Entschluss zur Teilung des gesamten Grundstücks erforderlich.3 Ob die Teilung des Grundstücks und die Übertragung der Miteigentumsanteile in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, ist anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.4 Es dürfen an dieses Kriterium aber keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Einige Wochen sind insofern unschädlich, beträgt der Zeitraum aber annährend zwei Jahre, so fehlt ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang.5 Im Einzelfall kann zugunsten der Beteiligten berücksichtigt werden, wenn sie nur durch äußere Umstände daran gehindert waren, ihren Plan zur Grundstücksaufteilung umzusetzen.6 Äußere Umstände, die eine Umsetzung verhindern, sind insbesondere laufende Gerichtsverfahren.

20

Der Geltungsbereich des § 7 GrEStG erfasst ausschließlich die Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum mehrerer Miteigentümer oder einer Gesamthand in Flächeneigentum. Der Erwerb von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück fällt indes nicht unter § 7 GrEStG.7

21

Nach § 7 Abs. 1 GrEStG wird Grunderwerbsteuer für den Wert des Teilgrundstücks nicht erhoben, der dem Bruchteil am Gesamtgrundstück entspricht. Technisch wird dies dadurch sichergestellt, dass für Zwecke des § 7 Abs. 1 GrEStG ein einheitlicher Vorgang angenommen wird.8

22

Die Befreiung des § 7 Abs. 1 GrEStG greift zugunsten jedes Miteigentümers ein, der durch die Teilung Alleineigentum erwirbt. Es ist dafür nicht erforderlich, dass die Teilung nur zwischen den Miteigentümern stattfindet. Erwirbt ein Miteigentümer ein Teilgrundstück und wird die Restfläche zugunsten der übrigen Miteigentümer an Dritte veräußert, so ist § 7 Abs. 1 GrEStG auf diesen Vorgang anwendbar.9

23

Nicht zum Anwendungsbereich des § 7 GrEStG gehört der Fall, dass im Zuge einer Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Bruchteils- oder Gesamthandsgemeinschaft einem der beiden Beteiligten ein Erbbaurecht an dem Grundstück eingeräumt wird, während der andere das Alleineigentum am Grundstück erhält. Das Erbbaurecht stellt lediglich ein Grundstückgleiches Recht und gerade kein reales Flächeneigentum dar. Im Hinblick auf § 7 GrEStG hat die Erwähnung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG keine Bedeutung.10 Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Sondereigentum bei der Begründung von Wohn- bzw. Teileigentum nach dem WEG um reales Flächeneigentum.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

FG Berlin v. 14.11.2002 – 1 K 1493/01, EFG 2003, 409. BFH v. 13.12.1978 – II R 92/76, BStBl. II 1979, 343; v. 8.8.1990 – II R 20/88, BStBl. II 1990, 922. BFH v. 13.12.1978 – II R 92/76, BStBl. II 1979, 343; v. 4.7.1979 – II R 59/74, BStBl. II 1979, 681. BFH v. 8.8.1990 – II R 20/88, BStBl. II 1990, 922. BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156. BFH v. 22.6.2012 – II B 48/11, BFH/NV 2012, 2015. BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15 DStR 2019, 1687. Begründung GrEStG 1940, RStBl. 1949, 400. FG Nds. v. 13.12.1995 – III 379/89, EFG 1996, 721. FinMin. BW v. 21.8.1996, DB 1996, 1799; Hofmann11, § 7 GrEStG Rz. 1.

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C. Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum (Abs. 2)

Rz. 27 § 7

5. Keine Anwendung bei Erwerb des gesamten Grundstücks durch einen Miteigentümer Eine Begünstigung nach § 7 Abs. 1 GrEStG verlangt eine Teilung des Grundstücks in mehrere Teilgrundstücke. Nur in diesem Fall wird der Erwerb eines Miteigentümers in Höhe seiner Beteiligung am gesamten Grundstück befreit. Erwirbt ein Miteigentümer hingegen das gesamte Grundstück, stellt dies einen Erwerb der Miteigentumsanteile der übrigen Miteigentümer ohne Teilung des Grundstücks dar. Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1 GrEStG ist nicht eröffnet.

24

Um eine Umgehung i.S.d. § 42 Abs. 1 AO handelt es sich bei einer Teilung des Grundstücks und an- 25 schließender Übertragung der den übrigen ehemaligen Miteigentümern zustehenden Teilgrundstücke auf einen einzelnen Miteigentümer im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. 6. Anwendbarkeit auf Erwerb von Miteigentum § 7 Abs. 1 GrEStG verlangt nicht, dass jeder Bruchteilseigentümer Alleineigentum an einem Teil- 26 grundstück erlangt. Entsteht nach der Teilung wiederum Miteigentum an einem Teilgrundstück zwischen ehemaligen Bruchteilseigentümern, so ist die Befreiung § 7 Abs. 1 GrEStG gleichermaßen anwendbar.1 Ausreichend ist es schon, wenn ein ehemaliger Miteigentümer wiederum Miteigentümer eines Teilgrundstücks wird.2 Sowohl das Zivilrecht als auch § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG behandeln Miteigentum wie Alleineigentum. Auch der Wortlaut („flächenweise“ Teilung, „Teilgrundstück“) zwingt nicht dazu, Alleineigentum zu verlangen. So hat auch der BFH die Befreiung nach § 7 Abs. 1 GrEStG in einem Fall gewährt, in dem vier gleichmäßig beteiligte Miteigentümer ein Grundstück in zwei wertgleiche Grundstückshälften teilten, an denen wiederum jeweils zwei Miteigentümer nach der Teilung gleichmäßig berechtigt waren.3 7. Keine Anwendbarkeit bei ertragsteuerlicher Realteilung Ertragsteuerlich kann eine Mitunternehmerschaft steuerneutral geteilt werden, soweit die auf die Mitunternehmer übergebenden Teilbetriebe, Anteile an einer Mitunternehmerschaft oder einzelnen Wirtschaftsgüter betrieblich verhaftet bleiben. Zivilrechtlich liegt der Realteilung ein entgeltlicher Eigentümerwechsel zu Grunde. Insofern löst eine Realteilung mit Übertragung von Grundstücken grundsätzlich Grunderwerbsteuer aus. Eine Anwendung von § 7 GrEStG kommt dabei nicht in Betracht, da den Miteigentümern im Zuge der Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter (Grundstücke) zugewiesen werden und nicht ein Grundstück flächenmäßig geteilt wird. Die Gegenmeinung4 kann nicht überzeugen, da sie verkennt, dass die Rechtsprechung die Aufteilung mehrere Wohnungen einer Wohneinheit nur dann unter § 7 GrEStG subsumiert, wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit nach § 2 Abs. 3 GrEStG vorliegen. Bei der ertragsteuerlichen Realteilung werden aber selbständige Wirtschaftsgüter übertragen. Grundstücke, die gleichzeitig ertragsteuerlich selbständig und grunderwerbsteuerlich Teil einer wirtschaftlichen Einheit sind, werden lediglich in Ausnahmefällen vorliegen.

26.1

C. Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum (Abs. 2) I. Regelung § 7 Abs. 2 GrEStG enthält einen Befreiungstatbestand, der allerdings unterschiedliche Voraussetzungen für die fortgesetzte und die in Abwicklung befindliche Gesamthand enthält.

1 2 3 4

BFH v. 28.4.1970 – II 7/65, BStBl. II 1970, 669; vgl. auch BFH v. 27.4.1977 – II R 134/75, BStBl. II 1977, 677. Pahlke6, § 7 GrEStG Rz. 10. BFH v. 29.7.1969 – II 94/65, BStBl. II 1969, 669. Wübbelsmann, DStR 2019, 2289 (2293).

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27

§ 7 Rz. 27 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum Satz 1 befreit bei der Teilung eines Grundstücks (und anschließenden Zuweisung an die Gesellschafter), das einer Gesamthand gehört, den wertmäßigen Anteil des jeweiligen Gesellschafters, der seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entspricht. Satz 2 enthält eine abweichende Regelung für die die Höhe der Befreiung für die Auflösung der Gesamthand. Im Fall der Liquidation kommt es allerdings nicht mehr auf die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand, sondern auf eine ggf. abweichende Auseinandersetzungsquote an. Eingeschränkt wird der Befreiungstatbestand des Abs. 2 durch die Missbrauchsvorschrift des Abs. 3. 28

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 GrEStG ist die Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum eines an der Gesamthand Beteiligten insoweit befreit, als der Wert des Teilgrundstücks dem Anteil des Erwerbes am Gesamthandsvermögen (Satz 1) entspricht. Erfolgt die Übertragung auf einen Gesamthänder im Zuge der Auflösung der Gesamthand, so kommt es nicht auf die Beteiligung an der Gesamthand, sondern auf die ggf. abweichende Auseinandersetzungsquote an (Satz 2). Diese Unterscheidung zwischen der Umwandlung einer fortbestehenden Gesamthand und einer sich in Auflösung befindlichen Gesamthand entspricht der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GrEStG. Die dortigen Ausführungen gelten im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 GrEStG sinngemäß (vgl. § 6 Rz. 54).

29

Wie auch bei der Umwandlung von Bruchteilseigentum in Flächeneigentum liegt der Umwandlung von Gesamthandseigentum mit Flächeneigentum ein zweistufiger Vorgang zugrunde. Zunächst wird das der Gesamthand gehörende Grundstück flächenmäßig geteilt und sodann auf einen Gesamthänder übertragen. Auch dieser Regelung liegt eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde. Soweit dem Gesamthänder nur ein Teilgrundstück in Wert seiner anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesamtgrundstück übertragen wird, würde es eine unbillige Härte darstellen, die lediglich qualitative aber nicht quantitative Veränderung der Eigentumslage der Besteuerung zu unterwerfen.1

II. Telos von § 7 Abs. 2 GrEStG 30

Die Grunderwerbsteuer nimmt im Hinblick auf Grundstücke, die einer Gesamthand rechtlich gehören, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ein. Der Gesellschafter wird so gestellt, als würde ihm das Grundstück in Höhe seines Gesellschaftsanteils gehören. Insofern befreit § 6 Abs. 2 GrEStG den Übergang eines einzelnen (nicht mit einem anderen eine wirtschaftliche Einheit bildenden) Grundstücks von der Gesamthand auf einen Gesellschafter in Höhe der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesamthand. § 7 Abs. 2 GrEStG weitet diese Regelung auf die Teilung eines Grundstücks und anschließende Übertragung eines Teilgrundstücks auf einen Gesamthänder aus. In vielen Fällen werden beide Vorschriften zumindest teilweise gleichermaßen erfüllt sein.

III. Voraussetzungen des Abs. 2 (Befreiungstatbestand) 1. Gesamthand 31

Der Begriff der Gesamthand wird in § 7 Abs. 2 GrEStG in demselben Sinne wie in den §§ 5 und 6 GrEStG verwandt. Nach einer eigenständigen grunderwerbsteuerlichen Auslegung gehören dazu alle Personengemeinschaften, die Träger von Rechten sein können. Dies sind insbesondere die GbR, OHG, KG und PartG, die nach dem Zivilrecht teilrechtsfähig sind. Auch die eheliche und fortgesetzte Gütergemeinschaft sowie die Erbengemeinschaft stellen eine Gesamthand i.S.d. § 7 Abs. 2 GrEStG dar.

32

Für § 7 Abs. 2 GrEStG besonders bedeutsam ist die Erbengemeinschaft im Fall des Erbteilskaufs i.S.d. § 2033 ff. BGB. Der Erbteilskäufer wird durch den Erwerb eines Erbschaftsgegenstandes zwar nicht Miterbe, er wird aber Bestandteil der Erbengemeinschaft. Als Gesamthänder kann der Erbteilskäufer nach § 7 Abs. 2 GrEStG – vorbehaltlich der Einschränkungen des Abs. 3 – ein zum Nachlass gehörendes Teilgrundstück grunderwerbsteuerfrei erwerben.

1 Hofmann11, § 7 GrEStG Rz. 1; BFH v. 13.7.2004 – II B 166/02, BFH/NV 2004, 1548.

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C. Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum (Abs. 2)

Rz. 39 § 7

Auf ein zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehörendes Grundstück findet § 7 Abs. 2 GrEStG keine Anwendung.1 2. Gehören Das Grundstück muss der Gesamthand gehören. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei der Zuordnung eines Grundstücks zur Bruchteilsgemeinschaft (vgl. Rz. 16). Grunderwerbsteuerliche Grundsätze finden Anwendung, es kommt nicht (allein) auf die zivilrechtliche Eigentumslage an. Es gelten dieselben Zuordnungsgrundsätze wie bei § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG. Die Gesamthand muss nicht im Grundbuch eingetragen sein. Hat ein Dritter die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt, so ist das Grundstück ihm zuzuordnen und nicht etwa der besitzenden Gesamthand.2

33

3. Grundstück Der Grundstücksbegriff des § 7 Abs. 2 GrEStG entspricht dem des Abs. 1 (vgl. Rz. 11). Erforderlich 34 ist ein Grundstück im grunderwerbsteuerlichen Sinne, also i.S.v. § 2 GrEStG.3 Dementsprechend hat der BFH die Ausweitung auf die Teilung des gesamten aus mehreren Einzelgrundstücken einer Gesamthand bestehenden Grundbesitzes abgelehnt.4 Dies gilt allerdings nur, soweit die Grundstücke nicht eine wirtschaftliche Einheit bilden, die mit der Teilung wieder gelöst wird. Vergleichbar mit Abs. 1 fällt ein Grundstück, das im Ganzen an einen Gesamthänder geht, nicht in den Anwendungsbereich. In solchen Fällen bleibt allein eine Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG. Würde § 7 GrEStG auf ein Grundstück im Ganzen ausgeweitet werden, verbliebe für die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG kein Anwendungsbereich mehr.

35

Hingegen fällt es unter § 7 Abs. 2, wenn mehrere einer Gesamthand gehörenden Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 3 bilden und im Rahmen einer Auflösung der wirtschaftlichen Einheit jeder Gesamthänder Alleineigentum an einem ganzen Grundstück erhält.5

36

Von § 7 Abs. 2 GrEStG profitiert nur, wer bei Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand schon an dieser beteiligt war. Es ist eine Gesamthandsberechtigung an dem Grundstück erforderlich, die sich dann später im Alleineigentum am Teilgrundstück fortsetzen kann.6

37

4. Flächenmäßige Teilung bei Fortbestehen der Gesamthand (Satz 1) Für die flächenmäßige Teilung eines Grundstücks bei Fortbestand der Gesamthand gelten die Grundsätze der Teilung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks entsprechend (vgl. Rz. 16). Dies bedeutet, dass zivilrechtlich das Grundstück erst in Teilgrundstücke geteilt wird und sodann mindestens eines der Teilgrundstücke auf einen Gesamthänder übertragen wird. Über den Fall, dass ein Gesamthänder das Teilgrundstück zu Alleineigentum oder Miteigentum erwirbt, ist es ausreichend, wenn die dem Gesamthänder übertragene Fläche diesem wieder in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht.7

38

5. Flächenmäßige Teilung bei Auflösung der Gesamthand (Satz 2) Der flächenmäßigen Teilung bei Auflösung der Gesamthand liegt wirtschaftlich und zivilrechtlich eine andere Situation zugrunde. Im Fall der Auflösung der Gesamthand müssen alle Schulden der Gesamthand beglichen werden und das verbleibende Vermögen unter den Gesamthändern verteilt wer1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 13.7.2004 – II B 166/02, BFH/NV 2004, 1548. BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BStBl. III 1966, 378. BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667. BFH v. 23.1.1985 – II R 35/82, BStBl. II 1985, 336. BFH v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 71; v. 10.5.2006 – II R 17/05, BFH/NV 2006, 2124. BFH v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680. BFH v. 27.4.1977 – II R 134/75, BStBl. II 1977, 677.

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39

§ 7 Rz. 39 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum den. Gehört zum Restvermögen der Gesamthand auch ein Grundstück, so werden die Gesamthänder das Grundstück oftmals veräußern und den Erlös aufteilen, da keiner der Gesamthänder nach der Beendigung der gemeinsamen Tätigkeit eine Verwendung für das Grundstück bzw. ein Teilgrundstück hat. Das Grundstück kann jedoch auch im Ganzen auf einen Gesellschafter (gegen Wertausgleich) übertragen werden. In diesem Fall kommt eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Betracht. Als letzte Möglichkeit kommt in Betracht, das Grundstück flächenmäßig zunächst zu teilen und sodann entweder jedem Gesamthänder oder einzelnen Gesamthändern Teilgrundstücke zuzuweisen. Dieser Fall wird von § 7 Abs. 2 Satz 2 GrEStG in der Höhe des Auseinandersetzungsanspruchs des das Grundstück erhaltenden Gesamthänders befreit.

IV. Freiwillige Baulandumlegung 40

In der Praxis erlangt § 7 Abs. 2 GrEStG eine besondere Bedeutung bei der freiwilligen Baulandumlegung.1 Um eine (erzwungene) Baulandumlegung nach dem BauGB zu verhindern, bringen die Umlegungsteilnehmer freiwillig ihre Grundstücke in eine Umlegungsgesellschaft ein, diese hat in der Regel die Form einer GbR, nach erfolgter Umlegung überträgt die Umlegungsgesellschaft die neugebildeten Grundstücke auf die Umlegungsteilnehmer. Bei der Einbringung greift die Befreiung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG nicht ein (vgl. § 1 Rz. 112).

41

Gemäß § 5 GrEStG wird bei der Einbringung in die Umlegungsgemeinschaft Grunderwerbsteuer allerdings nicht erhoben in Höhe des Anteils, zu dem der jeweilige Teilnehmer am Vermögen der Umlegungsgemeinschaft beteiligt ist. Im Regelfall ist das der Wert des Verhältnisses des Einzelgrundstücks des Teilnehmers zum Wert der gesamten Umlegungsmasse. Nach der Umlegung liegt nur noch ein Grundstück i.S.d. § 2 Abs. 3 GrEStG vor, soweit ein räumlicher Zusammenhang vorliegt. Dieser wird nicht dadurch aufgehoben, dass Straßen durch das Umlegungsgebiet verlaufen.

42

Das gesamte Umlegungsgebiet wird zunächst flächenmäßig in Teilgrundstücke aufgeteilt und sodann den einzelnen Umlegungsteilnehmern zugewiesen. Beim „Rückerwerb“ des neu gebildeten Grundstücks wird nach § 7 Abs. 2 GrEStG vom einzelnen Umlegungsteilnehmer in der Höhe Grunderwerbsteuer nicht erhoben, der dem Wert der Beteiligung an der Umlegungsgemeinschaft, also in der Regel des eingebrachten Grundstücks, entspricht. Besteht eine Teilidentität zwischen dem ursprünglich eingebrachten Grundstück und dem Grundstück, das dem Umlegungsteilnehmer von der Umlegungsgemeinschaft zugewiesen wird, so ist überdies § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG anwendbar. Der Reihenfolge nach findet erst § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Anwendung, da soweit Identität der Grundstücke vorliegt, danach sowohl die Einbringung als auch der Rückerwerb unbesteuert bleibt. Für das übrige Grundstück gilt dann § 7 Abs. 2 GrEStG.

43

Die Bemessungsgrundlage des noch nicht nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG oder § 7 Abs. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommenen Grundstücks ergibt sich aus dem Bedarfswert nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, da die Grundlage gesellschaftsvertraglicher Natur ist. Eine Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ist ausgeschlossen. Soweit der Anteil an der Grundstücksgemeinschaft kleiner als der Wert des zugewiesenen Grundstücks ist, findet auf den Mehrerwerb auch § 3 Nr. 1 GrEStG Anwendung.

D. Sperrfrist (Abs. 3) I. Regelungsgegenstand 44

Nach Abs. 3 Satz 1 kann die Steuerbefreiung nach Abs. 2 Satz 1 nicht in Anspruch nehmen, wer innerhalb von zehn Jahren (für Erwerbsvorgänge vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) vor der Auflösung der 1 Bruschke, UVR 1996, 71; Heine, UVR 2011, 161.

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E. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Wohneigentum

Rz. 48 § 7

Gesamthand seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Im Falle der Erbfolge tritt der Rechtsnachfolger in die Fußstapfen des Rechtsvorgängers und setzt dessen Sperrfrist fort. In Fällen der Teil- bzw. Gesamtrechtsnachfolge nach einer Aufspaltung oder Verschmelzung wird die Sperrfrist nicht fortgesetzt, da diese eine rechtsgeschäftliche Wurzel haben (vgl. § 6 Rz. 96). Ebenso ist vom Anwendungsbereich des Abs. 2 Satz 2 nach Abs. 3 Satz 2 ausgeschlossen, wer eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb von zehn Jahren (für Erwerbsvorgänge vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) vereinbart hat. Im Fall des § 7 Abs. 2 Satz 2 GrEStG beginnt die fünfjährige/zehnjährige Sperrfrist also nicht mit dem Erwerb des Anteils, sondern der Vereinbarung einer von der Beteiligungsquote abweichenden Auseinandersetzungsquote.

II. Bedeutung und Telos Bei Abs. 3 handelt es sich um eine Rückausnahme und spezielle Missbrauchsbekämpfungsvorschrift. Als speziellere Vorschrift verdrängt sie in ihrem Anwendungsbereich § 42 AO.

45

III. Einschränkende Auslegung Zur Anwendung der Missbrauchsvorschrift kommt es nur dann, wenn eine Steuerumgehungsmöglichkeit objektiv vorliegt. Der BFH hat in verschiedenen Situationen entschieden, dass bei Fehlen einer solchen Möglichkeit die Vorschrift teleologisch zu reduzieren ist. Hat die veräußernde Gesamthand noch keine zehn Jahre (für Erwerbsvorgänge vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) vor dem Erwerbsvorgang bestanden, so ist die Sperrfrist in diesen Fällen ohne Bedeutung,1 da es an der von § 7 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzten Steuerumgehungsmöglichkeit fehlt. Eine ähnliche einschränkende Auslegung wendet der BFH auch bei § 6 Abs. 4 GrEStG an (vgl. § 6 Rz. 97). Voraussetzung für die einschränkende Auslegung ist lediglich, dass die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand seit dem Erwerb des Grundstücks unverändert geblieben sind.2 Hat schon der Erwerb der Beteiligung an der Gesamthand der Grunderwerbsteuer unterlegen, so besteht auch in diesem Fall kein Steuerumgehungsrisiko. Hierunter fallen insbesondere die wesentlichen Veränderungen des Gesellschafterbestandes, die nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Besteuerung unterliegen.

46

E. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Wohneigentum Nach den allgemeinen Regeln der Grunderwerbsteuer fällt die Eigentumswohnung unter den Begriff 47 des Grundstücks i.S.d. § 2 GrEStG (vgl. § 2 Rz. 70). Der Wohnungseigentümer ist Sondereigentümer der Wohnung, Miteigentümer des Grundstücks sowie Miteigentümer der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes. Wohneigentum kann dadurch begründet werden, dass vertraglich Sondereigentum eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 WEG). Der Eigentümer eines Grundstücks kann ein Grundstück auch in Miteigentumsanteile in der Weise teilen, dass mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude verbunden ist (§ 8 Abs. 1 WEG). Der Weg über § 8 WEG ist Vorbereitungshandlung zur Verteilung von Sondereigentum. Insbesondere ist § 7 Abs. 1 GrEStG anwendbar bei der Begründung von Wohnungseigentum.3 Dabei ist unerheblich, ob nach § 3 WEG oder nach § 8 WEG vorgegangen wird. Eine Teilung in einem ein1 BFH v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400; v. 16.7.1997 – II R 27/95, BStBl. II 1997, 663. 2 Zur Parallelnorm des § 6 Abs. 4: BFH v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400; v. 16.7.1997 – II R 27/95, BStBl. II 1997, 663. 3 BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667; v. 12.10.1988 – II R 6/86, BStBl. II 1989, 54.

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§ 7 Rz. 48 Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum zigen Akt wird von § 7 Abs. 1 GrEStG nicht vorausgesetzt. Wird das Gebäude durch mehrere Verträge in mehrere Wohneinheiten geteilt, so muss diesen ein einheitlicher Teilungsentschluss zugrunde liegen, der in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang umgesetzt wird.1 Der Anwendungsbereich ist in zeitlicher Hinsicht nicht mehr eröffnet, nachdem die Miteigentümer eine Aufteilung in bestimmte Wohneinheiten oder sonstigen Einheiten vertraglich vereinbart haben. Änderungen nach der vertraglichen Konkretisierung des Aufteilungsmaßstabes sind nicht mehr privilegiert, da die Befreiungsvorschrift mit der erstmaligen Anwendung verbraucht ist. Ein Austausch von Einheiten zwischen den ehemaligen Miteigentümern ist somit vollständig der Steuer zu unterwerfen. Der BFH hat bestätigt, dass dies auch dann gilt, wenn der Austausch vor dem Entstehen des Sondereigentums nach bürgerlichem Recht erfolgt, weil der grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgang durch Begründung der Ansprüche auf bestimmte noch einzutragende Sondereigentumseinheiten maßgebend ist.2 Hingegen ist § 7 Abs. 1 GrEStG anwendbar, wenn jedem Miteigentümer das Sondereigentum nach dem WEG eingeräumt wird und im Gegenzug das Miteigentum am Grundstück beschränkt wird. Der den Miteigentumsbruchteil übersteigende Mehrerwerb ist der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen.

F. Interpolation 49

Der begünstigte Personenkreis wird im Wege der interpolierenden Betrachtungsweise um die personenbezogenen Befreiungsvorschriften (§ 3 Nr. 2 bis 7 GrEStG) erweitert. Das bedeutet, dass aufgrund einer Zusammenschau von personenbezogenen Befreiungsvorschriften mit anderen Befreiungsvorschriften – zu denen auch § 7 gehört – dazu führen kann, dass ein Grundstückserwerb steuerfrei ist, der allein nach dem Wortlaut der personenbezogenen Befreiungsvorschrift und der jeweils anderen Steuerbefreiungsvorschrift nicht steuerfrei wäre (vgl. § 3 Rz. 213).

G. Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung 50

Bei der Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung wird der Wert des Bruchteils (Abs. 1) bzw. des Anteils an der Gesamthand (Abs. 2) in Relation zum erhaltenen Teilgrundstück gesetzt. Hierbei werden die Teilung des Grundstücks und die Zuweisung an einen Bruchteilseigentümer/Gesamthänder als einheitlicher Vorgang behandelt (vgl. Rz. 2). Die Fläche des Gesamtgrundstücks sowie der Teilgrundstücke ist für Höhe der Steuerbefreiung unerheblich. Die Höhe der Befreiung lässt sich anhand der sog. „Boruttau’schen Formel“ ermitteln, die auch von der Rechtsprechung herangezogen wird.3

51

Die nicht zu erhebende Steuer im Fall der Bruchteilsgemeinschaft (§ 7 Abs. 1 GrEStG) ermittelt sich nach folgender Formel: Nicht zu erhebende Steuer =

52

Die nicht zu erhebende Steuer im Fall der Gesamthandsgemeinschaft (§ 7 Abs. 2 GrEStG) ermittelt sich nach folgender Formel: Nicht zu erhebende Steuer =

53

volle Steuer x Wert des Bruchteils Wert des Teilgrundstücks

volle Steuer x Beteiligungsquote/Auseinandersetzungsquote Wert des Teilgrundstücks

Der Wert des Teilgrundstücks ergibt sich aus seinem gemeinen Wert (§ 9 BewG). 1 BFH v. 13.12.1978 – II R 92/76, BStBl. II 1979, 343; v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156. 2 BFH v. 12.10.1988 – II R 6/86, BFH/NV 1995, 156; zuletzt: BFH v. 22.6.2012 – II B 45/11, BFH/NV 2012, 1827. 3 BFH v. 24.11.1954 – II 73/54 U, BStBl. III 1955, 11.

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G. Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung

Rz. 55 § 7

Erfolgt im Fall einer Realteilung des Gesamtgrundstücks ein Grundstückstausch, wird davon ausgegangen, dass beide Parteien bei der Frage danach, ob und in welcher Höhe zusätzlich zum erhaltenen Grundstück eine Zuzahlung zu leisten ist, die gemeinen Werte der getauschten Grundstücke zugrunde legen. Als gemeiner Wert eines Grundstücks ist also der Wert des als Gegenleistung erhaltenen Grundstücks unabhängig davon, ob dieses im Tauschwege erworben wurde,1 anzusetzen. Liegt keine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 2 GrEStG vor, so muss bei der flächenmäßigen Teilung mehrerer Grundstücke, für jedes Grundstück der Umfang der Steuerbefreiung gesondert ermittelt werden.2 Dies gilt sowohl bei der Mitunternehmerschaft als auch bei der Gesamthand.

54

Leistet der Miteigentümer/Gesamthänder eine Zuzahlung (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), so wird davon ausgegangen, dass er diese Zuzahlung für den Wertanteil des Teilgrundstücks leistet, der seine ihm zustehende Quote übersteigt. Wird eine Gegenleistung erbracht, stellt sie folglich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer dar. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass der gesamte Vorgang steuerbefreit ist, wenn keine zusätzliche Gegenleistung erbracht wird.

55

1 BFH v. 2.7.1951 – II 21/51 S, BStBl. III 1951, 154. 2 BFH v. 5.12.1956 – II 69/56 U, BStBl. III 1957, 69.

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Dritter Abschnitt Bemessungsgrundlage (§§ 8–10)

§ 8 Grundsatz (1) Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung. (2) 1Die Steuer wird nach den Grundbesitzwerten im Sinne des § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 157 Absatz 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes bemessen: 1. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist; 2. bei Umwandlungen auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes, bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage; 3. in den Fällen des § 1 Absatz 2a bis 3a; 4. wenn zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums im Sinne der §§ 2, 20 Absatz 6 oder § 24 Absatz 4 des Umwandlungssteuergesetzes ein Erwerbsvorgang nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 verwirklicht wird, der Wert der Gegenleistung geringer ist als der Grundbesitzwert nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 157 Absatz 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 3 oder Absatz 3a ausgelöst hätte. 2Erstreckt sich der Erwerbsvorgang auf ein noch zu errichtendes Gebäude oder beruht die Änderung des Gesellschafterbestandes im Sinne des § 1 Absatz 2a oder 2b auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks, ist der Wert des Grundstücks abweichend von § 157 Absatz 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend. A. I. II. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . Gegenleistung als Regelbemessungsgrundlage (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3

C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2) I. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Eine Gegenleistung ist nicht vorhanden oder zu ermitteln (Abs. 2 Nr. 1) 1. Eine Gegenleistung ist nicht vorhanden (1. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Eine Gegenleistung ist nicht zu ermitteln (2. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Umwandlungen aufgrund eines Bundesoder Landesgesetzes, Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Abs. 2 Nr. 2)

IV. V.

VI. VII.

1. Umwandlungen aufgrund eines Bundesoder Landesgesetzes (Alt. 1) . . . . . . . . . 2. Einbringungen (Alt. 2) . . . . . . . . . . . . 3. Andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Alt. 3) . . . . . . In den Fällen des § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . In den Fällen der Grundstücksübertragung im umwandlungsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum zwischen den am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträgern (Abs. 2 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung von Abs. 2 Satz 2 (abweichender Bewertungsstichtag) . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 23 29

32 33 37

Literatur: Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Grundstücksübertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, UVR 2004, 233; Teiche, „Symbolische Kaufpreise“ als Bemessungsgrundlage für die GrEStG, UVR 2005, 115; Krömker, Grunderwerbsteuer bei Erwerb auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, ErbStB 2008, 291; Schade/Rapp, Verfassungswidrigkeit des § 8 II GrEStG: Worauf darf der Steuerpflichtige vertrauen?, DStR 2015, 2166; Schwäbe/Engers, Urteil des BVerfG zur Ersatzbemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuerrecht – Anmerkung und Bedeutung für die Beratungspraxis, BB 2015, 2465; Schade/Rapp, Ländererlass vom 16.12.2015 zu § 8 II GrEStG n.F. – Vertrauensschutz „light“?, DStR 2016, 657; Wischott/Keller/Uterhark, Die zeitliche Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. – Ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichergestellt?, DStR 2016,

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§ 8 Rz. 1 Grundsatz 1191; Loose, Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage bei der GrESt (§ 8 Abs. 2 GrEStG), DB 2016, 75; Schanko, Reaktion der Finanzverwaltung auf die vom BVerfG veranlasste Gesetzesänderung zur Ersatzbemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 GrEStG, UVR 2016, 254; Behrens, Wann ist bei § 1 Abs. 2a GrEStG auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes abzustellen?, BB 2016, 2071; Böing/Groll, Echte Rückwirkung bei der Bewertung von Grundbesitz für Zwecke der Grunderwerbsteuer ausnahmsweise zulässig, ErbStB 2021, 210; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals“ und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Für die Berechnung der Steuer nach § 11 GrEStG normiert § 8 GrEStG die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage.

II. Bedeutung und Telos 2

Um für nach § 1 GrEStG verwirklichte Sachverhalte die entsprechende grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage und damit Steuer zu bestimmen, ist § 8 GrEStG die zentrale Regelung innerhalb des GrEStG. Die einzige Ausnahme hiervon besteht in der Anwendung der Pauschalierungsregelung des § 12 GrEStG, welche in der Praxis mangels Anwendungsbereichs allerdings nahezu bedeutungslos ist.

B. Gegenleistung als Regelbemessungsgrundlage (Abs. 1) 3

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer grundsätzlich nach der Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG (Regelbemessungsgrundlage). Nur für die in § 8 Abs. 2 GrEStG enumeriert aufgeführten Sachverhalte sind die gesondert festzustellenden Grundbesitzwerte i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG (Grundbesitzwert) maßgebend.

4

Zur Gegenleistung zählt entsprechend dem bürgerlich-rechtlichen Gegenleistungsbegriff jede Leistung, die der Erwerber dem Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks in dem Zustand gewährt, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht worden ist.1 Diese Leistungen werden regelmäßig zwischen Veräußerer und Erwerber in den dem Erwerb des Grundstücks zugrunde liegenden Vereinbarungen geregelt. Auf die tatsächlichen Wertverhältnisse zwischen Leistung und Gegenleistung sowie die Motive für die Bemessung der Leistungen kommt es grundsätzlich nicht an. Aufgrund der meist gegenläufigen Interessen von Erwerber und Veräußerer entspricht die Gegenleistung in der Regel dem gemeinen Wert des Grundstücks.2

5

Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Ebenso normiert § 194 BauGB für Grundstücke, dass der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt wird, der in dem Zeitpunkt, auf den sich Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Die Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG spiegelt grundsätzlich den im Geschäftsverkehr zu erzielenden Preis wider.3

6

Die vereinbarte Gegenleistung als vorrangige Bezugsgröße zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG kann dazu führen, dass diese im Einzelfall unter oder über dem gemei1 BFH v. 21.3.2007 – II R 67/05, BStBl. II 2007, 614; v. 30.3.2009 – II R 62/06, BStBl. II 2009, 854. 2 BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; v. 2.3.2011 – II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009; nachgehend BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 = BGBl. I 2015, 1423. 3 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 = BGBl. I 2015, 1423.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 10 § 8

nen Wert des Grundstücks liegen kann. Dies allein reicht allerdings nicht aus, die Regelbemessungsgrundlage zu negieren und die Bemessungsgrundlage nach dem Grundbesitzwert i.S.d. § 8 Abs. 2 GrEStG zu bestimmen, da in § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG keine Bezugsgröße „gemeiner Wert“ gesetzlich enthalten ist, welche eine entsprechende Anwendung rechtfertigen würde. Eine Anwendung von § 8 Abs. 2 GrEStG („Grundbesitzwert“) anstelle der in § 8 Abs. 1 GrEStG normierten Regelbemessungsgrundlage kommt nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 GrEStG in Betracht.1

C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2) I. Rechtsentwicklung Der Regelungsinhalt von § 8 Abs. 2 GrEStG ist durch mehrere Gesetze geändert und angepasst worden. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere – das Jahressteuergesetz (JStG) 1997,2 – das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999, 2000, 2002,3 – das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 20154 sowie – das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021.5

7

Durch das JStG 1997 wurde § 8 Abs. 2 GrEStG vollständig neu gefasst und erweitert. Neben dem erstmals gesetzlich kodifizierten Verweis auf die zum 1.1.1997 ebenfalls neu eingeführte Grundbesitzbewertung gem. § 138 Abs. 2 und 3 BewG erfasste die neue Nr. 2 der Vorschrift erstmals die aufgrund einer Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes, bei einer Einbringung sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage verwirklichten Erwerbsvorgänge. Die frühere Nr. 2 wurde zur Nr. 3. Die Änderungen gelten gem. § 23 Abs. 4 GrEStG für alle nach dem 31.12.1996 verwirklichten Sachverhalte.

8

Mit dem StEntlG 1999, 2000, 2002 wurde § 8 Abs. 2 GrEStG um einen Satz 2 erweitert, nachdem der Wert des Grundstücks abweichend von § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend ist, wenn sich der Erwerbsvorgang auf ein noch zu errichtendes Gebäude erstreckt oder die Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a auf einen vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruht. Weiterhin wurden der Wortlaut der bisherigen Nr. 2 angepasst und Nr. 3 um den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ergänzt. Die Änderungen gelten gem. § 23 Abs. 6 Satz 1 GrEStG für alle nach dem 31.3.1999 verwirklichten Sachverhalte.

9

Mit dem StÄndG 2015 wurden die Grundlagen für die Ermittlung der Grundbesitzwerte an die vom BVerfG mit seinem Beschluss vom 26.6.20156 aufgestellten Grundsätze angepasst. Die Grundbesitzwerte sind nach Maßgabe des § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG zu ermitteln und entsprechen nunmehr denen der für die Erbschaft- und Schenkungsteuer seit dem 1.1.2009 gültigen Regelungen. Weiterhin wurde der Verweis in Satz 2 in „§ 151 Abs. 1 Satz 1 BewG“ geändert. Die Änderungen gelten gem. § 23 Abs. 14 GrEStG für alle nach dem 31.12.2008 verwirklichten Sachverhalte, soweit vor dem 6.11.2015 ergangene Steuer- und Feststellungsbescheide wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht geändert werden dürfen. Hinsichtlich der (Nicht-)Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO haben die Länder mit gleichlautenden Erlassen vom 16.12.20157 Stellung genommen. Hiernach steht § 176 AO grds. immer dann

10

1 BFH v. 23.11.1972 – II R 95/66, BStBl. II 1972, 368, bestätigt durch FG Berlin-Bdb. v. 5.12.2019 – 12 K 4223/10, UVR 2021, 59 im Nachgang zu BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555. 2 BGBl. I 1996, 2049. 3 BGBl. I 1999, 402. 4 BGBl. I 2015, 1834. 5 BGBl. I 2021, 986. 6 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 = BGBl. I 2015, 1423. 7 BStBl. I 2015, 790.

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§ 8 Rz. 10 Grundsatz einer Änderung entgegen, wenn sich aus dem jeweiligen Feststellungs- oder Festsetzungsbescheid eine eindeutige Anwendung der „alten Grundbesitzbewertung“ i.S.v. §§ 138 ff. BewG ergibt. Kritisch1 gesehen wird hierbei die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, dass für vor Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG verwirklichte und angezeigte Rechtsvorgänge, bei denen sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG richtet und deren Bearbeitung erst nach der gesetzlichen Neuregelung (wieder) aufgenommen wurde, eine Anwendung von § 176 AO ausgeschlossen werde, da kein Bescheid geändert, sondern erstmals erlassen werden würde. Hinsichtlich der verfassungsgemäßen (Rück-)Wirkung der Neuregelung für alle nach dem 31.12.2008 verwirklichten Sachverhalte, der fehlenden Anwendbarkeit von § 176 AO sowie der Anwendung der (neuen) Grundbesitzbewertung gem. § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG wird auf die rechtskräftigen und zuzustimmenden Ausführungen des 3. Senats beim Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 11.3.20212 verwiesen. 11

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 wurden § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG um den neu eingeführten Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erweitert und eine Nr. 4 angefügt. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG richtet sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG, wenn zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums i.S.d. §§ 2, 20 Abs. 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht wird, der Wert der Gegenleistung geringer ist als der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a ausgelöst hätte. Die Änderungen gelten gem. § 23 Abs. 18 GrEStG für alle nach dem 30.6.2021 verwirklichten Sachverhalte.

II. Eine Gegenleistung ist nicht vorhanden oder zu ermitteln (Abs. 2 Nr. 1) 1. Eine Gegenleistung ist nicht vorhanden (1. Alt.) 12

Wie bereits in Rz. 6 ausgeführt kennt das GrEStG keine Mindestbemessungsgrundlage. Aus diesem Grunde sind sämtliche Vereinbarungen, die auf den steuerbaren Übergang eines Grundstücks gerichtet sind, dahingehend zu bewerten, ob hieraus eine Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG bestimmt werden kann oder eine Gegenleistung nicht vorhanden bzw. ermittelbar ist.

13

Eine Gegenleistung ist bspw. nicht vorhanden bei einem Erwerb von Todes wegen oder bei einer voll unentgeltlichen Schenkung unter Lebenden. Da für diese Erwerbsvorgänge aber die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG einschlägig ist, wird diesbzgl. auf die Ausführungen in § 3 Rz. 37 verwiesen.

14

Ein besonders geregelter Fall ist die unentgeltliche Übertragung von mit Erschließungsanlagen (§ 124 BauGB) bebauten Grundstücke von Bauträgern auf Gebietskörperschaften aufgrund abgeschlossener Erschließungsverträge. Die Grundstücke mit Erschließungsanlagen werden von der Gebietskörperschaft in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben übernommen und sind nur für den öffentlichen Gebrauch bestimmt. Hierfür soll nach geltender Verwaltungsauffassung3 ein Grundbesitzwert von 0 Euro angesetzt werden, da diese Grundstücke dauerhaft dem allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr entzogen sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Grundstücke unentgeltlich auf die Gebietskörperschaft übertragen werden, die noch nicht mit Erschließungsanlagen bebaut und demnach noch nicht dem allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auf Dauer entzogen wurden.4

15

Ein „symbolischer Kaufpreis“ kann grundsätzlich nicht als Gegenleistung i.S.v. § 8 Abs. 1 GrEStG angesehen werden mit der Folge, dass für derartige Erwerbsvorgänge sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG bestimmt.5 Ein Kaufpreis ist als symbolisch, d.h. als nicht ernsthaft ver1 Schanko, UVR 2016, 254; Schade/Rapp, DStR 2016, 657; Wischott/Keller/Uterhark, DStR 2016, 1191; Loose, DB 2016, 75. 2 FG Münster v. 11.3.2021 – 3 K 2647/18, EFG 2021, 927; Böing/Groll, ErbStB 2021, 210. 3 Gleichlautende Erlasse der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 823, Tz. 5. 4 Gleichlautende Erlasse der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 823, Tz. 5 a.E. 5 BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 18 § 8

einbarte Gegenleistung anzusehen, wenn er zum (gemeinen) Wert des übertragenen Vermögens außer Verhältnis steht und sich deshalb nach den gesamten Umständen mangels eines ernsthaften Gegenleistungscharakters zu dem „wahren“ Wert des übertragenen Vermögens überhaupt nicht in eine Relation bringen lässt.1 In diese Betrachtung ist aber einzubeziehen, dass nicht allein der als Kaufpreis titulierte Wert als Gegenleistung angesehen werden kann, sondern darüber hinaus auch weitere sonstige Gegenleistungen i.S.d. § 9 GrEStG berücksichtigt werden müssen, die dazu führen, dass die Kaufpreisvereinbarung ernsthaft gewollt war. Ebenso ist der Wille der Vertragsparteien mit einzubeziehen. Beruht die Kaufpreisfindung – insbesondere bei gesellschaftsrechtlich miteinander mehrheitlich verbundenen Unternehmen – nicht auf dem Wert der Grundstücke, sondern auf den vorhandenen finanziellen Mitteln der Erwerbergesellschaft, und steht der Kaufpreis nur in einem geringen Verhältnis zum (Buch-)Wert der Grundstücke, so kann hierin die Vereinbarung eines nur „symbolischen Kaufpreises“ gesehen werden. In folgenden Fällen wurde der Kaufpreis als symbolisch angesehen: – Gegenleistung i.H.v. ca. 2 % des Buchwertes,2 – Kaufpreis i.H.v. 5 DM,3 – jährlicher Erbbauzins i.H.v. 1 DM,4 – Kaufpreis von 1 DM bei negativem Ertragswert, jedoch erheblichen Substanzwert des Grundstücks.5

16

In folgenden Fällen wurde der Kaufpreis nicht als symbolisch angesehen: 17 – Ein ursprünglich seitens einer Vertragspartei als symbolisch bezeichneter Kaufpreis von 1 Euro kann aufgrund nachfolgender ernsthafter Vereinbarung Gegenleistung und damit grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage sein. Für die Ernsthaftigkeit sprechen ein hohe Kosten verursachender Gebäudezustand, ein gegen null gehender Ertragswert und die fehlende Gewinnorientierung des Käufers.6 – Die Vereinbarung einer Gegenleistung von 1 DM bei einem negativen Verkehrswert ist kein willkürlicher oder „symbolischer“ Kaufpreis, wenn diese als Vertragskonsens den niedrigsten gemeinsamem Nenner der Vertragsparteien darstellt.7 – Erwirbt der Gesellschafter einer Personengesellschaft von dieser ein Grundstück „zum Buchwert“ (§ 1 Rz. 240), so ist dieser vereinbarte Preis (zzgl. etwaiger weiterer Leistungen) auch dann der Berechnung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen, wenn er weit unter dem Verkehrswert liegt. Die bewusste Hinnahme der Schmälerung des „inneren Werts“ des Gesellschaftsrechts unter unveränderter Beibehaltung der Gesellschafterstellung kann als solche nicht Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne sein und damit zur Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG führen (s. hierzu auch Rz. 24).8 Weitere Fälle, in denen eine Gegenleistung nicht vorhanden ist, sind: – der Anfall eines Grundstücks an die in der Satzung bestimmten Personen anlässlich der Auflösung eines Vereins (§ 45 BGB); – die Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die Scheinbestandteile (§ 95 BGB) sind und demnach dem Mobiliarsachenrecht unterliegen; – der Erwerb eines Grundstücks als Lotteriegewinn, da der für das Los gezahlte Preis ausschließlich Entgelt für die Gewinnchance und keine Gegenleistung für das Grundstück ist;

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578. FG Bdb. v. 10.5.2005 – 3 K 1500/02, EFG 2005, 1957. FG Sachs. v. 12.5.2004 – 5 K 2437/00, juris. BFH v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632. FG Bdb. v. 4.7.2006 – 3 K 1276/03, EFG 2006, 1781. FG Hamburg v. 29.12.2008 – 3 K 128/08, EFG 2009, 956. FG MV v. 3.6.1998 – 1 K 212/96, EFG 1998, 1352. BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186.

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§ 8 Rz. 18 Grundsatz – der Erwerb eines Grundstücks, wobei als Entgelt ausschließlich die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten übernommen werden, die keine Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG sind (s. § 9 Rz. 265).1 2. Eine Gegenleistung ist nicht zu ermitteln (2. Alt.) 19

Eine Gegenleistung ist nicht zu ermitteln, wenn zu dem Erwerbsvorgang keine oder offensichtlich unrichtige Angaben über eine Gegenleistung vorhanden oder diese so unvollständig sind, dass objektiv nicht feststellbar ist, ob überhaupt eine Gegenleistung vereinbart wurde.

20

Sind hingegen dem Grunde nach Vereinbarungen über eine Gegenleistung getroffen worden, ihr Wert aber nur schwierig bis gar nicht zu ermitteln, so ist die Gegenleistung gem. § 162 AO zu schätzen. Kann auch der Wert der Gegenleistung nicht geschätzt werden, so ist der Grundbesitzwert gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.2

III. Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes, Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Abs. 2 Nr. 2) 1. Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes (Alt. 1) 21

Für alle unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbaren Grundstücksübergänge bemisst sich die Gegenleistung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Hinsichtlich des Umfangs der von diesen Erwerbsvorgängen erfassten Grundstücke wird auf die Ausführungen zu § 1 Rz. 84 verwiesen. Auch wenn für diese Erwerbsvorgänge eine Gegenleistung vorhanden ist bzw. ermittelt werden kann, so begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, diese mit in den Kreis der Sachverhalte einzubeziehen, für die sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten bemisst.3 2. Einbringungen (Alt. 2)

22

Unter Einbringungen sind Rechtsvorgänge zu erfassen, durch die ein Gesellschafter ein Grundstück zur Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung i.S.d. § 27 AktG oder § 5 Abs. 4 GmbHG oder zur Erfüllung von Beitragspflichten i.S.d. § 706 BGB auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft überträgt.4 3. Andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Alt. 3)

23

Anders als bei Einbringungen können unter „anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ zusätzlich auch Grundstücksübergänge von einer Gesellschaft auf den Gesellschafter subsumiert werden. Voraussetzung für das Gelangen in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG ist aber, dass sich die Stellung des am Erwerbsvorgang beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht verändern muss.5

24

Die Beteiligung an der Gesellschaft des am Erwerbsvorgang beteiligten Gesellschafters verändert sich in rechtlicher Hinsicht, wenn dem Gesellschafter eine höhere oder niedrigere Beteiligung an der Gesellschaft in Folge des Erwerbsvorgangs eingeräumt wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich bspw. die Stammeinlage an einer GmbH oder die vermögensmäßige Beteiligung an deiner Personengesellschaft ändert. In diesen Fällen ist Gegenleistung für das Grundstück die Erhöhung oder Min1 BFH v. 4.7.1984 – II R 159/81, BStBl. II 1984, 627. 2 BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866, bestätigt durch FG Berlin-Bdb. v. 5.12.2019 – 12 K 4223/10, UVR 2021, 59 im Nachgang zu BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555. 3 BFH v. 31.8.2012 – II B 9/12, BFH/NV 2012, 2026. 4 BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. 5 BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483; v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 28 § 8

derung von Geschäfts- oder Gesellschaftsanteilen, deren Bemessungsgrundlage aus Vereinfachungsgründen der Grundbesitzwert und nicht den auf das Grundstück ggf. anteiligen Wert der Geschäftsbzw. Gesellschaftsanteile darstellt. Für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG ist es nicht ausreichend, wenn sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nur der „innere Wert“ der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft verändert. Dies ist immer dann der Fall, wenn als Gegenleistung für das Grundstück nicht die Erhöhung oder Minderung von Geschäfts- oder Gesellschaftsanteilen erfolgt, sondern die Gegenleistung über das Gesellschafterverrechnungskonto oder über die (Kapital-)Rücklagen der Gesellschaft abgewickelt werden.1 Wird die Gegenleistung ausschließlich über das Gesellschafterverrechnungskonto abgewickelt, so liegt in Höhe der Minderung oder Erhöhung des Verrechnungskontos eine Gegenleistung vor, die nach § 8 Abs. 1 GrEStG zu bemessen ist.2 Erfolgt die Erfassung der Gegenleistung ausschließlich über die (Kapital-)Rücklagen, so ändert sich nur der „innere Wert“ der Beteiligung, so dass es in Gänze an einer quantifizierbaren Gegenleistung fehlt und somit die Grundbesitzwerte gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG heranzuziehen sind.3 Besteht die Gegenleistung für das Grundstück sowohl in der Erhöhung/Minderung von Gesellschaftsrechten als auch in einer Verrechnung über das Gesellschafterverrechnungskonto oder der (Kapital-)Rücklagen, so richtet sich die Bemessungsgrundlage nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG und damit nach dem Grundbesitzwert.

25

Liquidationen und Anwachsungen von Gesellschaften führen ebenfalls zum Übergang des Grundbesitzes und sind als Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage zu erfassen, da der Gesellschafter den Grundbesitz als Folge seines Anspruchs, welcher ihm im Rahmen der Auflösung der Gesellschaft aufgrund seiner Gesellschafterstellung zusteht, erhält.4

26

Im Rahmen einer Liquidation stehen den Liquidatoren bzw. bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft den Abwicklern grundsätzlich Geldansprüche (§ 70 GmbHG, § 268 AktG) zu. Wird infolge der Vermögensverteilung (§ 72 GmbHG, § 271 AktG) anstelle des Geldanspruchs ein der Gesellschaft gehörendes Grundstück übertragen, ist dies Ausfluss der gesellschaftsvertraglichen Grundlage. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Fall der Anwachsung einer Personengesellschaft auf den letzten Gesellschafter (§ 738 BGB), da dieser das Gesellschaftsvermögen und damit auch den Grundbesitz auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erhält.

27

Eine Besonderheit besteht jedoch für den Fall der Anwachsung, wenn das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft auf einen Dritten, der nicht Gesellschafter der Personengesellschaft wird, übergeht. Dies kann bspw. dadurch erfolgen, dass alle verbliebenden Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Mitgliedschaftsrechte zu demselben Zeitpunkt auf einen Dritten (Nichtgesellschafter) übertragen und die Personengesellschaft hierdurch kraft Gesetzes erlischt, indem das Gesellschaftsvermögen dem die Anteile erwerbenden Dritten gem. § 738 BGB anwächst. In diesem Fall gehen die Gesellschaftsanteile nicht auf den Dritten über, sondern unter.5 Mangels Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, da der Dritte im Zeitpunkt der Anwachsung kein Gesellschafter der nicht mehr bestehenden Personengesellschaft sein kann, richtet sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem auf die „erworbenen“ Grundstücke anteilig entfallenden Wert der Gegenleistung für den Erwerb der gesamten Gesellschaftsrechte.

28

1 2 3 4 5

BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003. Gottwald, UVR 2004, 233. BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. BFH v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879; v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59. BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903.

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§ 8 Rz. 29 Grundsatz

IV. In den Fällen des § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG (Abs. 2 Nr. 3) 29

Bei verwirklichten Erwerbsvorgängen i.S.d. § 1 Abs. 2a, Abs. 2b (seit 1.7.2021) Abs. 3 oder Abs. 3a (seit 7.6.2013) GrEStG ist die Steuer stets vom vollen Grundbesitzwert der zum Erwerbsvorgang gehörenden Grundstücke zu bemessen, unabhängig davon, welcher Anteil an der Gesellschaft, der zur Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandes geführt hat, übergegangen ist.

30

§ 1 Abs. 2a GrEStG fingiert den Übergang des zum Vermögen der Personengesellschaft, bei der der maßgebliche Gesellschafterwechsel stattfindet, „gehörenden“ Grundbesitzes auf eine fiktiv neue Personengesellschaft, auch wenn nur 95 % bzw. 90 % der vermögensmäßigen Beteiligung an der Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen wurden. § 1 Abs. 2b GrEStG fingiert den Übergang des zum Vermögen der Kapitalgesellschaft, bei der der maßgebliche Gesellschafterwechsel nach dem 30.06.2021 stattfindet, „gehörenden“ Grundbesitzes auf eine fiktive neue Kapitalgesellschaft, auch wenn nur 90 % der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen wurden. Im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 1/2 und Abs. 3a GrEStG wird derjenige, in dessen Hand sich die 95 % bzw. 90 % der Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, dessen Anteile vereinigt werden. Hingegen wird bei § 1 Abs. 3 Nr. 3/4 GrEStG und den nach § 1 Abs. 3a GrEStG gleichgestellten Erwerbsvorgängen derjenige, welcher die 95 % bzw. 90 % der Anteile „en bloc“ erhält, so behandelt, als habe er die Grundstücke von dem Gesellschafter erworben, der ihm diese in seiner Hand vereinigten Anteile übertragen hat. Zum Vermögen einer Personengesellschaft gehört inländischer Grundbesitz. Innerhalb von fünf [zehn] Jahren sind bereits 94,90 % [89,90 %] der Beteiligungen an der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen worden. Weitere 0,10 % der Beteiligung an der Personengesellschaft werden nach dem 30.6.2021 innerhalb des Fünf-[Zehn]Jahres-Zeitraums vom Altgesellschafter A an den Neugesellschafter N für einen Kaufpreis von 1 Euro veräußert. Der Grundbesitzwert des inländischen Vermögens beträgt 1.000.000 Euro. Mit dem Übergang der 0,10 % an den Neugesellschafter N gehen innerhalb von fünf [zehn] Jahren mind. 95 % [90 %] der vermögensmäßigen Beteiligung an der Personengesellschaft auf neue Gesellschafter über. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG (ggf. i.V.m. § 23 Abs. 19 und 20 GrEStG) sind erfüllt. Die Steuer bemisst sich gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG nach den gesondert festzustellenden Grundbesitzwerten i.H.v. 1.000.000 Euro und nicht nur auf 0,10 % von 1.000.000 Euro, da § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang des Grundbesitzes von einer Personengesellschaft „alt“ auf eine „neue“ Personengesellschaft fingiert. Zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehört inländischer Grundbesitz. A hält seit dem 1.6.2020 bereits 94,90 % [89,90 %] der Anteile an der Gesellschaft. Weitere 0,10 % der Anteile erwirbt A vom Mitanteilseigner N nach dem 30.6.2021 für einen Kaufpreis von 1 Euro. Der Grundbesitzwert des inländischen Vermögens beträgt 750.000 Euro. Mit dem Erwerb der 0,10 % wird kein Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht, da weniger als 90 % nach dem 30.06.2021 übertragen wurden und der Erwerber A bereits am 01.07.2021 Gesellschafter der Kapitalgesellschaft war.1 A vereinigt aber erstmals min. 95 % [90 %] der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf sich. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1/2 i.V.m. § 23 Abs. 21 GrEStG [§ 1 Abs. 3 Nr. 1/2 GrEStG] sind erfüllt. Die Steuer bemisst sich gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG nach den gesondert festzustellenden Grundbesitzwerten i.H.v. 750.000 Euro und nicht nur auf 0,10 % von 750.000 Euro, da § 1 Abs. 3 GrEStG den Übergang des gesamten Grundbesitzes von der Kapitalgesellschaft auf denjenigen fingiert, in dessen Hand sich die Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG erstmals vereinigen.

31

In der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG angeordneten Heranziehung der Grundbesitzwerte ergibt sich keine verfassungs- oder europarechtswidrige Übermaßbesteuerung dergestalt, dass als Bemessungsgrundlage die anteilig auf den erworbenen Grundbesitz entfallende Gegenleistung für den Anteilserwerb berücksichtigt werden müsse. Die rechtstechnische Anknüpfung der Besteuerung des Anteilserwerbs ersetzt die Besteuerung des tatsächlichen Eigentumsübergangs am Grundstück, so dass die Grunderwerbsteuer für den gesamten Grundbesitz vom ungekürzten Grundbesitzwert zu bemessen ist.2

1 § 23 Abs. 23 GrEStG sowie Tz. 3 der gleichlautenden Erlasse der Länder vom 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1021. 2 BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 32 § 8

V. In den Fällen der Grundstücksübertragung im umwandlungsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum zwischen den am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträgern (Abs. 2 Nr. 4) Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG richtet sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG, 32 wenn zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums i.S.d. §§ 2, 20 Abs. 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht wird, der Wert der Gegenleistung geringer ist als der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a ausgelöst hätte. Diese nach dem 30.6.2021 (vgl. § 23 Abs. 18 GrEStG) geltende Regelung soll eine „steueroptimierte“ Gestaltung verhindern, die durch das Zusammenspiel der umwandlungsteuerrechtlichen und damit auch ertragsteuerlichen – nicht aber grunderwerbsteuerlichen – Rückwirkung von Umwandlungsvorgängen und dem Fehlen einer grunderwerbsteuerlichen Mindestbemessungsgrundlage genutzt werden konnte1. Denn aufgrund der umwandlungsteuerrechtlichen Wirkungen und Regelungen gelten die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung und (korrespondierend) der verdeckten Einlage nicht für Sachverhalte zwischen den am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträgern, die sich im umwandlungsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum ergeben (haben)2. Die A-GmbH ist seit dem 1.7.2019 zu 100 % an der zu diesem Zeitpunkt noch nicht grundbesitzenden B-GmbH beteiligt. In der Zeit nach dem Anteilserwerb durch die A-GmbH hat die B-GmbH diversen Grundbesitz im Bundesgebiet rechtsgeschäftlich erworben. Mit notariellem Vertrag vom 15.6.2021 wird beschlossen, die B-GmbH auf die A-GmbH mit steuerlicher (Rück-)Wirkung zum 31.12.2020/1.1.2021 zu verschmelzen. Die Anmeldung zum Handelsregister zur Eintragung der Verschmelzung erfolgt mit Schreiben vom selben Tag. Die Verschmelzung wird am 25.7.2021 in das Handelsregister der A-GmbH (§ 20 Abs. 1 UmwG) eingetragen. Mit Eintragung der Verschmelzung am 25.7.2021 geht der Grundbesitz der B-GmbH gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf die A-GmbH über. Die Bemessungsgrundlage richtet sich gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG nach den gesondert festzustellenden Grundbesitzwerten zum 25.7.2021, die in der Summe 10 Mio. t betragen. 1. Abwandlung (Veräußerung des Grundbesitzes nach dem 30.6.2021): Mit notariellem Vertrag vom 16.7.2021 veräußert die B-GmbH ihren Grundbesitz mit sofortiger schuldrechtlicher und dinglicher Wirkung für 1 Mio. t an die A-GmbH. Die Veräußerung des Grundbesitzes unterliegt am 16.7.2021 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage richtet sich gem. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG nach der vereinbarten Gegenleistung (1 Mio. t). Mangels einer Mindestbemessungsgrundlage (vgl. Rz. 6) kommt eine Besteuerung mit den erhöhten Grundbesitzwerten nicht in Betracht. Mit Eintragung der Verschmelzung am 25.7.2021 geht nunmehr kein Grundbesitz mehr von der B-GmbH gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf die A-GmbH über. Jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG erfüllt: steuerlicher Rückwirkungszeitraum

1.1.2021 – 25.7.2021

Beteiligte Rechtsträger am Umwandlungsvorgang

A-GmbH und B-GmbH

Veräußerung des Grundbesitzes

16.7.2021

Beteiligte Rechtsträger am Veräußerungsvorgang

A-GmbH und B-GmbH

Tatbestand ohne Veräußerung

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG

Gegenleistung , Grundbesitzwerte

ja

Die Eintragung der Verschmelzung stellt somit ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, so dass nunmehr für den am 16.7.2021 verwirklichten Sachverhalt anstatt der vereinbarten Gegenleistung (1 Mio. t) die Grundbesitzwerte gem. § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG (10 Mio. t) anzusetzen sind.

1 Brühl, GmbHR 2021, 749 [755]. 2 van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 2 UmwStG Rz. 69 ff. mit Verweis auf BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 02.35.

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§ 8 Rz. 32 Grundsatz 2. Abwandlung (Veräußerung des Grundbesitzes vor dem 1.7.2021): Mit notariellem Vertrag vom 30.6.2021 veräußert die B-GmbH ihren Grundbesitz mit sofortiger schuldrechtlicher und dinglicher Wirkung für 1 Mio. t an die A-GmbH. Die Veräußerung des Grundbesitzes unterliegt am 30.6.2021 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage richtet sich gem. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG nach der vereinbarten Gegenleistung (1 Mio. t). Mangels einer Mindestbemessungsgrundlage (vgl. Rz. 6) kommt eine Besteuerung mit den erhöhten Grundbesitzwerten nicht in Betracht. Mit Eintragung der Verschmelzung am 25.7.2021 geht nunmehr kein Grundbesitz mehr von der B-GmbH gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf die A-GmbH über. Dem Grunde nach sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG erfüllt: steuerlicher Rückwirkungszeitraum

1.1.2021 – 25.7.2021

Beteiligte Rechtsträger am Umwandlungsvorgang

A-GmbH und B-GmbH

Veräußerung des Grundbesitzes

30.6.2021

Beteiligte Rechtsträger am Veräußerungsvorgang

A-GmbH und B-GmbH

Tatbestand ohne Veräußerung

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG

Gegenleistung , Grundbesitzwerte

ja

Die Eintragung der Verschmelzung stellt in diesem Fall aber kein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, da nach § 23 Abs. 18 GrEStG die Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auf diejenigen Erwerbsvorgänge beschränkt ist, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Der hier i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG maßgebliche Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) wird jedoch am 30.6.2021 verwirklicht und fällt damit (noch) nicht in den Anwendungszeitraum der Norm. Es verbleibt in diesem Fall bei der Besteuerung mit einer Gegenleistung von 1 Mio. t.

VI. Bewertungsstichtag 33

Für die Feststellung von Grundbesitzwerten ist der zutreffende Besteuerungszeitpunkt (Bewertungsstichtag) maßgeblich. Dies ist der Tag, an dem der nach § 1 GrEStG unterliegende Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird.1 Auf den sich aus den Regelungen zu § 14 GrEStG ergebenden ggf. späteren Zeitpunkt der Steuerentstehung kommt es nicht an.

34

Wird ein Grundbesitzwert auf einen unzutreffenden Zeitpunkt festgestellt, ist der Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert nach dem Beschluss des BFH vom 27.1.20062 materiell-rechtlich fehlerhaft. Nach Ansicht des BFH handelt es sich bei der Angabe des Zeitpunkts, auf den die Bewertung vorgenommen wird, um ein zwingendes materielles Erfordernis eines jeden Feststellungsbescheides nach § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG (im Beschluss § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG a.F.), der diesen in materiell-rechtlicher Hinsicht kennzeichnet und individualisiert. Dies ist auf Feststellungsbescheide nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG übertragbar.3

35

Sollte im Rahmen eines Einspruchsverfahrens oder Änderungsantrags geltend gemacht werden, der Grundbesitzwert sei auf einen unzutreffenden Bewertungsstichtag ermittelt worden, so ist nach der Anweisung der OFD NRW4 der zutreffende Bewertungsstichtag in Abstimmung mit der für die Anforderung des Grundbesitzwertes zuständigen Stelle zu ermitteln. Sollte nach erfolgter Prüfung dem Einspruch bzw. Änderungsantrag stattgegeben werden, so ist ein bisher erlassener Bescheid über den festgestellten Grundbesitzwert aufzuheben und innerhalb der Feststellungsfrist ein neuer Feststellungsbescheid – ggf. nach § 174 Abs. 4 AO – zu erlassen.

36

Richtet sich in den Fällen der Feststellung nach § 17 Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG, ist die Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 3a GrEStG nicht Be1 2 3 4

Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 62. BFH v. 27.1.2006 – II B 6/05, BFH/NV 2006, 908. OFD NW v. 27.4.2017 in der überarbeiteten Fassung v. 23.5.2019, GrESt-Kartei NW, § 8 GrEStG, Karte 4. OFD NW v. 27.4.2017 in der überarbeiteten Fassung v. 23.5.2019, GrESt-Kartei NW, § 8 GrEStG, Karte 4.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 40 § 8

standteil der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG. Zu den gesondert festzustellenden (notwendigen) Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG gehört der Zeitpunkt der Steuerentstehung (Besteuerungsstichtag). Anzugeben ist das genaue Datum, an dem der der Besteuerung zugrundeliegende Rechtsvorgang als Erwerbsvorgang verwirklicht wird. Wird ein unzutreffendes Datum genannt, ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig und ggf. aufzuheben1, da der in der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG genannte Besteuerungsstichtag für sämtliche Folgebescheide insoweit Bindungswirkung gem. § 171 Abs. 10 AO entfaltet.

VII. Anwendung von Abs. 2 Satz 2 (abweichender Bewertungsstichtag) Abweichend vom allgemeinen Bewertungsstichtag der Verwirklichung des maßgeblichen Erwerbsvor- 37 gangs ist für die in § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG beschriebenen Fälle gesetzlich eine Durchbrechung des Stichtagsprinzips vorgesehen. Hiernach sind die Wertverhältnisse nicht zum Stichtag der Verwirklichung, sondern zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend, wenn – der Erwerbsvorgang sich auf ein noch zu errichtendes Gebäude erstreckt und die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bestimmen ist oder – die Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und nach dem 30.06.2021 i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruht. Die Regelung stellt nach der Gesetzesbegründung2 eine Gleichstellung der Erwerbsvorgänge, bei denen sich die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG bemisst, mit den Rechtsvorgängen, bei denen sich die Gegenleistung nach dem maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs richtet (sog. „Einheitliches Vertragswerk“; § 9 Rz. 48), dar. Nach Ansicht des FG Bremen3 ist die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 GrEStG auf die erstmalige Errichtung eines Gebäudes beschränkt. Begründete Zweifel an dieser Rechtsauslegung werden von Viskorf4 geäußert, da die ursprüngliche Gesetzesfassung5 noch die „Grundsätze des einheitlichen Vertragswerks“ beinhaltete und es nicht erkennbar sei, dass der Gesetzgeber mit diesen Grundsätzen nur Neuerrichtungsfälle und nicht auch An- und Umbauten sowie Renovierungs-/Sanierungsfälle mit erfassen wollte, die ebenfalls im Blickwinkel des „einheitlichen Vertragswerks“ stehen. Der vorstehenden Rechtsauffassung von Viskorf ist zuzustimmen, da ansonsten der Anwendungsbereich der Norm entgegen der gesetzgeberischen Begründung zu stark eingeschränkt wird.

38

Die Verschiebung des Bewertungsstichtags kommt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG grundsätzlich für sämtliche in § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 GrEStG beschriebenen Sachverhalte in Betracht, wenn zwischen Abschluss des den Tatbestand begründenden Rechtsgeschäftes und der Bebauung des Grundstücks die Voraussetzungen des „einheitlichen Vertragswerkes“ bejaht werden können. In der Praxis dürfte die Anwendung jedoch vor allem auf die Sachverhalte beschränkt sein, in denen eine Gegenleistung nicht zu ermitteln ist (Rz. 18), bei Einbringungen (Rz. 21) und anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Rz. 22), weniger auf die Fälle der Anteilsvereinigung und -übertragung i.S.v. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG.6

39

Die Alt. 2 des § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG stellt eine Sonderregelung der Verschiebung des Bewertungsstichtags auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG und seit dem 1.7.2021 des § 1 Abs. 2b GrEStG dar, wenn die Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG oder seit dem 1.7.2021 i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG auf dem vorgefassten Plan zur Bebauung des bereits zum Zeitpunkt der Änderung des Gesellschafterbestandes „gehörenden“ Grundbesitzes beruht.

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BFH v. 4.3.2020 – II R 35/17, BStBl. II 2020, 514 sowie v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318. BT-Drucks. 14/443, S. 43. FG Bremen v. 14.12.2004 – 1 K 256/03, EFG 2005, 384. Viskorf in Boruttau19, § 8 GrEStG Rz. 165. BT-Drucks. 14/265. Viskorf in Boruttau19, § 8 GrEStG Rz. 163 a.E.

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§ 8 Rz. 40 Grundsatz Das bisher insbesondere im Schrifttum1 sowie der Vorauflage vertretene Konzept, demzufolge der vorgefasste Plan als Klammer zu verstehen sei und daher nicht nur die Bebauung, sondern auch den Gesellschafterwechsel erfassen müsse, engt nach Ansicht des BFH2 den gesetzlichen Tatbestand gegen den Wortlaut und gegen die gesetzliche Systematik ohne Notwendigkeit erheblich ein. § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG macht ausdrücklich die Bebauung des Grundstücks zum Gegenstand des vorgefassten Plans, nicht jedoch den Übergang des Gesellschaftsanteils. Während der einem vorgefassten Plan entsprechende Gesellschafterwechsel tragendes Element der Umgehungsgestaltung war, der die Rechtsprechung zu § 5 GrEStG i.d.F. bis zum 31.12.1998 zu begegnen suchte, ist vorliegend der Gesellschafterwechsel zunächst nur Grund der Besteuerung. Tragendes Element der Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG ist die einem vorgefassten Plan entsprechende Bebauung. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist zudem nicht auf Missbrauchsfälle beschränkt. Der vorgefasste Plan bezieht sich demnach nur auf die geplante Bebauung des Grundbesitzes. Der Wechsel des Gesellschafterbestandes muss diesem nicht zwingend dienlich sein3. Die neu eintretenden Gesellschafter müssen um den in der Gesellschaft vorgefassten Plan zur Bebauung wissen und diesen umsetzen wollen. Einer gesonderten Verpflichtung der Neugesellschafter auf die Bebauung durch Abreden mit den Altgesellschaftern bedarf es nicht, da die auf die Bebauung gerichteten wirtschaftlichen Zwänge, denen die Gesellschaft selbst unterliegt, von dem Gesellschafterwechsel unberührt bleiben4. Denknotwendig ist der Plan zur Bebauung als „inneres Ziel“ der Personengesellschaft festgelegt, zu dessen Realisierung es in der Regel notwendig, aber nicht tatbestandserheblich relevant ist, die Umsetzung des Bauvorhabens mittels Aufnahme neuer Gesellschafter zu erreichen. A und B gründen zwecks Erwerb eines unbebauten Grundstücks die AB GmbH & Co. KG, an der als Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung die AB GmbH fungiert. A und B leisten jeweils eine Einlage in das Gesellschaftsvermögen i.H.v. 50.000 Euro und sind die einzigen beiden geschäftsführenden Gesellschafter der AB GmbH. Nach Erwerb des Grundstücks durch die AB GmbH & Co. KG wird ein Plan zur Bebauung des Grundstücks erstellt. Die hierfür benötigten finanziellen Mittel i.H.v. 10.000.000 Euro sollen einmal im Wege der Kapitalaufstockung durch Beitritt neuer Gesellschafter i.H.v. 2.000.000 Euro und zum anderen durch Bankdarlehen i.H.v. 8.000.000 Euro bereitgestellt werden. Im Laufe weniger Monate treten der AB GmbH & Co. KG zehn neue Gesellschafter mit einer Einlage von je 200.000 Euro der Personengesellschaft als neue Kommanditisten bei. Die bisherigen Kommanditisten A und B nehmen an der Kapitalerhöhung nicht teil. Mit der Bebauung wird kurze Zeit nach dem letzten Gesellschafterbeitritt und der entsprechenden Darlehenszusage begonnen. In Verhältnis der bisherigen (100.000 Euro) zur neuen (2.100.000 Euro) Stammeinlage sind 95,24 % der vermögensmäßigen Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG auf neue Gesellschafter übertragen worden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG richtet sich die Bemessungsgrundlage grundsätzlich nach den gesondert festzustellendem Grundbesitzwert zum Zeitpunkt des letzten maßgeblichen Gesellschafterbeitritts (hier: unbebautes Grundstück). Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG sind jedoch nicht die Verhältnisse zum Zeitpunkt des letzten maßgeblichen Gesellschafterbeitritts, sondern die im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend, da die Gesellschafterveränderung erfolgt, nachdem die Gesellschaft einen vorgefassten Plan zur Bebauung des Grundstücks getroffen hat. Der Steuersatz richtet sich hingegen nach dem Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG.

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Zur Vermeidung der Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG in den Fällen eines Gesellschafterwechsels i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und seit dem 1.7.2021 des § 1 Abs. 2b GrEStG sollte der betroffene Grundbesitz zum Zeitpunkt des maßgeblichen Gesellschafterwechsels noch nicht der Personengesellschaft bzw. Kapitalgesellschaft gehören, da Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft mangels Grundbesitz nicht maßgeblich für Zwecke der Grunderwerbsteuer sind. Ebenso unmaßgeblich sind Veränderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft, die vor dem Plan zur Bebauung eines Grundstücks eingetreten sind, denn der Plan zur Bebauung eines Grundstücks stellt sich als „inneres Ziel“ der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft dar, welches grundsätzlich durch entsprechende Beschlüsse der Gesellschafter dokumentiert wird.

1 2 3 4

Viskorf in Boruttau19, § 8 GrEStG Rz. 168; Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 138. BFH v. 16.9.2020 – II R 12/18, DB 2021, 1051. a.A. Behrens, BB 2016, 2071. BFH v. 16.9.2020 – II R 12/18, DB 2021, 1051.

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C. Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage (Abs. 2)

Rz. 42 § 8

Ebenso kann eine Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG oder seit dem 1.7.2021 des § 1 Abs. 2b GrEStG und damit § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG dadurch vermieden werden, dass die entsprechenden Kapitalinvestoren nicht zivilrechtlich, sondern nur wirtschaftlich betrachtet als neue Gesellschafter beitreten, was bspw. im Wege einer atypisch stillen Beteiligung möglich ist. Der atypisch still Beteiligte ist mangels zivilrechtlicher gesamthänderischer Mitberechtigung kein Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG geworden, jedoch als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Bei Kapitalgesellschaften wird der atypisch still Beteiligte mangels zivilrechtlichen Anteilserwerbes kein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Weiterhin kann eine Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG oder seit dem 1.7.2021 des § 1 Abs. 2b GrEStG dadurch vermieden werden, in dem die sog. Altgesellschafter im Rahmen des Betrachtungszeitraums von § 1 Abs. 2a GrEStG oder seit dem 1.7.2021 des § 1 Abs. 2b GrEStG mindestens einen vermögensmäßigen Anteil von mehr als 5 % [10 %] an der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft halten. Zu beachten ist hierbei jedoch die streng grunderwerbsteuerliche Betrachtungsweise des „Gehörens“ von Grundstücken. So werden Kapitalinvestoren einer noch nicht grundbesitzenden Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft nicht die benötigten (erheblichen) finanziellen Mittel durch Gesellschafterbeitritt bereitstellen, wenn unklar sein sollte, auf welchem konkreten Grundstück welche Baumaßnahme erfolgen soll. In der Regel werden hier zwischen der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft und dem bisherigen Grundstückseigentümer Vereinbarungen getroffen worden sein, die dazu führen können, dass der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft das Grundstück nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 GrEStG (§ 1 Rz. 200) bereits „gehört“.

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§ 9 Gegenleistung (1) Als Gegenleistung gelten 1. bei einem Kauf: der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen; 2. bei einem Tausch: die Tauschleistung des anderen Vertragsteils einschließlich einer vereinbarten zusätzlichen Leistung; 3. bei einer Leistung an Erfüllungs Statt: der Wert, zu dem die Leistung an Erfüllungs Statt angenommen wird; 4. beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren: das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben; 5. bei Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot: die Übernahme der Verpflichtung aus dem Meistgebot. Zusätzliche Leistungen, zu denen sich der Erwerber gegenüber dem Meistbietenden verpflichtet, sind dem Meistgebot hinzuzurechnen. Leistungen, die der Meistbietende dem Erwerber gegenüber übernimmt, sind abzusetzen; 6. bei der Abtretung des Übereignungsanspruchs: die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, einschließlich der besonderen Leistungen, zu denen sich der Übernehmer dem Abtretenden gegenüber verpflichtet. Leistungen, die der Abtretende dem Übernehmer gegenüber übernimmt, sind abzusetzen; 7. bei der Enteignung: die Entschädigung. Wird ein Grundstück enteignet, das zusammen mit anderen Grundstücken eine wirtschaftliche Einheit bildet, so gehört die besondere Entschädigung für eine Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke nicht zur Gegenleistung; dies gilt auch dann, wenn ein Grundstück zur Vermeidung der Enteignung freiwillig veräußert wird. 8. (weggefallen) (2) Zur Gegenleistung gehören auch 1. Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt; 2. die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen. Zur Gegenleistung gehören jedoch nicht die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten. Der Erbbauzins gilt nicht als dauernde Last; 3. Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten; 4. Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überläßt. (3) Die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Erwerbsvorgang zu entrichten ist, wird der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen. A. I. II. III. IV. V. B.

Grundlagen Regelungsgegenstand . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . Gegenleistung

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. . . . .

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. . . . .

1 5 8 9 10

I. Begriff der Gegenleistung 1. Verhältnis zum zivilrechtlichen Gegenleistungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . 2. Kausale Verknüpfung mit der Leistung 3. Bestimmbarkeit der Gegenleistung . . . 4. Verknüpfung mit dem Grundstück . . . II. Stichtag der Wertermittlung . . . . . . . . III. Aufschiebend bedingte Gegenleistung . .

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. . . . . .

12 18 21 22 23 27

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§ 9 Gegenleistung IV. Wertsicherungsklauseln . . . . . . . . . . . . V. Aufteilung einer Gesamtgegenleistung . . . C. Grundstückszustand und Gegenleistung I. Grundstückszustand und Parteiwille . . II. Maßgeblicher Grundstückszustand 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtlicher Zusammenhang . . . . . . 3. Objektiv enger sachlicher Zusammenhang a) Erwerberseite . . . . . . . . . . . . . aa) Zeitliche Reihenfolge . . . . . . bb) Inhaltliche Zwänge . . . . . . . cc) Gestaltung eines Geschehensablaufs . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere Personen auf Veräußererseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . III. Umfang der Gegenleistung bei einem einheitlichen Erwerbsgegenstand . . . .

29 30

. .

34

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48 54

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64 66 76

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83

. . 86 . . 100 . . 104

D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1) I. Kauf (Abs. 1 Nr. 1) 1. Kaufpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Leistungen a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten der Rechtsänderung . . . . . . c) Übernahme von Grundpfandrechten . d) Übernahme sonstiger Lasten . . . . . . e) Erschließungsbeiträge . . . . . . . . . . f) Weitere sonstige Leistungen . . . . . . 3. Dem Verkäufer vorbehaltene Nutzungen . II. Tausch (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . .

119 143 144 147 152 158 169 177 179

III. Leistung an Erfüllungs statt (Abs. 1 Nr. 3) . IV. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Abs. 1 Nr. 4) 1. Meistgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehen bleibende Rechte . . . . . . . . . 3. Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG . . . 4. Weitere Leistungen . . . . . . . . . . . . . V. Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot (Abs. 1 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abtretung des Übereignungsanspruchs (Abs. 1 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Enteignung (Abs. 1 Nr. 7) . . . . . . . . . . . E. Gegenleistung bei anderen Erwerbsvorgängen I. Erbbaurechte und erbbaurechtsbelastete Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gebäude auf fremdem Grund und Boden . III. Treuhandverhältnisse . . . . . . . . . . . . . IV. Gemischte Schenkung und Schenkung unter Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weitere Erwerbstatbestände . . . . . . . . . F. Weitere Leistungen (Abs. 2) I. Zusätzlich gewährte Leistungen (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Belastungen des Grundstücks (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenleistung für Erwerbsverzicht (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegenleistungen Dritter (Abs. 2 Nr. 4) . . .

182

183 190 196 203 208 211 212

221 234 240 247 249

257 265 273 277

G. Steuer auf die Steuer (Abs. 3) . . . . . . . . . 279

Literatur: Baumann, Grunderwerbsteuerliche Behandlung von Erschließungsbeiträgen und Anliegerkosten, UVR 2004, 64, Behrens, Eine beim Kauf entgeltlich vereinbarte Mieterdienstbarkeit erhöht nicht die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer, BB 2018, 871, Behrens, Einbeziehung des Anteilskaufpreises in die Bemessungsgrundlage für den Grundstückserwerb durch die Gesellschaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG?, DStR 2017, 82; Behrens, Grunderwerbsteuer beim Kauf von Erbbaurecht und damit belastetem Grundstück, BB 2015, 1890; Behrens, Reform- und Änderungsbedarf bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2014, 147; Behrens, Kann sich die Gegenleistung bei einem Grundstückskaufvertrag noch ändern, muss der GrESt-Bescheid offengehalten werden, BB 2013, 1894, Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuerliche Probleme beim Grundstücksverkauf von der Personengesellschaft an die Gesellschafter, UVR 2021, 59; Böing, Grunderwerbsteuer durch die Ausübung von Ankaufsrechten beim Immobilienleasing, UVR 2010, 369; Brüggmann, Die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Auflassung durch den Treuhänder an den Treugeber nach Auftragserwerb, UVR 1994, 45; Bruschke, Die Behandlung von Erbbaurechten bei der Grunderwerbsteuer, ErbStB 2021, 191, Bruschke, Zur Behandlung vorbehaltener Nutzungen bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2020, 217, Bruschke, Immobilien-Leasing und Grunderwerbsteuer, ErbStB 2020, 115, Bruschke, Behandlung der Instandhaltungsrücklage und zusätzlicher Kosten des Erwerbs bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2018, 381, Bruschke, Grunderwerbsteuerliche Behandlung von Erbbaurechten, UVR 2007, 153, Bruschke, Erwerb im Bauherrenmodell durch eine auf der Investorenseite beteiligte Person, UVR 1994, 326; Fahsel, Die Instandhaltungsrückstellung in der Grunderwerbsteuer – (Keine) Neuigkeiten aus München?, DStR 2016, 1587; Fleischmann/Meyer-Scharenberg, Grunderwerbsteuer beim Fertig- und Reihenhausbau – Auswirkungen höchstrichterlicher Rechtsprechung, DStR 1992, 525; Flume, Die Grunderwerbsteuer beim Verkauf eines Baugrundstückes in Zusammenhang mit dem Vertrag über eine Gebäudeherstellung, DB 1990, 1432; Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Grundstücksübertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, UVR 2004, 233; Graessner, Das einheitliche Vertragswerk in der Grunderwerbsteuer, NWB 2017, 595, Grziwotz, Öffentlichund zivilrechtliche Regelungen über Erschließungskosten als Vorgaben für die Grunderwerbsteuer, DStR 1994, 1014; Heine, Grundstücksverkauf von Waldflächen: Aufwuchs als Scheinbestandteile?, UVR 2020, 187, Heine, Neues zum einheitlichen Vertragswerk: Beherrschende Person entscheidet selbst über das Ob und Wie der Bebau-

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Gegenleistung

§9

ung, UVR 2019, 158, Heine, Auftragserwerb und Treuhandvereinbarungen bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2017, 118, Heine, Übernahme nicht dauernder Lasten durch Grundstückserwerber, UVR 2016, 275; Heine, Das Meistgebot in der Zwangsversteigerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG, UVR 2014, 189; Heine, Belastung des Bauherrn mit Grunderwerbsteuer beim einheitlichen Vertragswerk – Wie lässt sie sich durch Eigenleistungen verringern?, UVR 2013, 22; Heine, Die unendliche Geschichte – Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer beim einheitlichen Vertragswerk, UVR 2012, 243; Heine, Einfluss des einheitlichen Vertragswerks und des vorgefassten Plans auf die GrESt bei Grundstücksverkäufen, UVR 2010, 317, Heine, Die Gegenleistung bei der Grunderwerbsteuer und die Bewertung nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, UVR 2000, 209; Keim, „Schlüsselfertig, Grunderwerbsteuer und Notarkosten nur auf den Grundstücksteil“ (?) – zu Beurkundungspflicht und Grunderwerbsteuer beim mit einem Grundstückskauf verbundenen Bauvertrag, DNotZ 2011, 513; Klein, Das „einheitliche Vertragswerk“ zwischen Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer, DB 2014, 208; Konrad, Zur hinreichenden Bestimmung eines unaufgegliederten Steuerbescheids bei Erwerb mehrerer Grundstücke in der Zwangsversteigerung, HFR 2008, 592; Martin, Ermittlung und Bewertung der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung bei zinslos gestundetem Kaufpreis, DB 1980, 1414; Mathäus/Stock, Erbbaurechtstransaktionen in der Grunderwerbsteuer – Neue Erkenntnisse durch den BFH?, DStR 2015, 2752; Möllinger, Die Besteuerungsgrundlage nach dem Grunderwerbsteuergesetz bei entgeltlich vereinbartem Übergang eines Grundstücks vom Treugeber auf den Treuhänder, DVR 1982, 69; Ramb, Lieferung und Werklieferung von Grundstücken – eine Never-Ending-Story, NWB 2017, 2853; Ropohl, Grunderwerbsteuerneutrale Übertragung von sicherungsübereigneten Gebäuden auf fremdem Grund und Boden im Rahmen von Unternehmensumwandlungen, DB 2005, 972; Rutemöller, Mehrfachbelastung mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer im Lichte der Rechtsprechung zum einheitlichen Leistungsgegenstand, BB 2013, 983; Rutemöller, Doppelbelastung mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen erneut auf dem Prüfstand, UR 2012, 657; Sauerland, Wettbewerbsbeschränkungen und grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage, UVR 2010, 157; Schanko, § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG: Ist der Kaufpreis für die Geschäftsanteile als Gegenleistung eines Dritten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen?, UVR 2016, 145; Siepmann, Die neue Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs, UVR 1992, 13; Steiger, Die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 1992, 349; Steiger, Die Auflagenschenkung im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 1991, 203; Streit, Grunderwerbsteuer als Teil des umsatzsteuerlichen Entgelts bei Verkauf von Grundvermögen?, DStR 2003, 1776, Vettermann, Möglichkeiten nachträglicher Anpassung der Grunderwerbsteuer in Immobilientransaktionen, DStR 2017, 1518; Viskorf, Übernahme von Instandsetzungspflichten als Gegenleistung für Erbbaurechtsbestellung, UVR 1996, 117; Weng, Bindungsentgelt im Spannungsfeld zwischen Umsatz- und Grunderwerbsteuer, UVR 2014, 303, Wengerofsky, Neues zu Instandhaltungsrücklagen bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2021, 125. Verwaltungsanweisungen: Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 3.6.2021 – Verfahren der Baulandumlegung, BStBl. I 2021, 731; koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.3.2021 – Berücksichtigung der Erhaltungsrücklage (vormals Instandhaltungsrückstellung) bei der Grunderwerbsteuer; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.9.2020 – II R 49/17 – (BStBl. II 2021 S. 339), BStBl. I 2021, 621; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.9.2017 – Gegenstand des Erwerbsvorgangs (Einheitliches Vertragswerk/Einheitlicher Erwerbsgegenstand), BStBl. I 2017, 1328; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015 zur Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen, BStBl. I 2015, 827; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.3.2015 – Behandlung von Erschließungsund Folgekostenbeiträgen, BStBl. I 2015, 823; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.1.2009 – Teilweise vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO), BStBl. I 2009, 365; Verfügung der Thüringer Landesfinanzdirektion vom 14.4.2008 (koordinierter Ländererlass) – Umfang der Gegenleistung bei Grundstücksveräußerungen mit Solaranlagen, juris; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.10.2007 zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger, BStBl. I 2007, 757; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 21.6.2004 (koordinierter Ländererlass) – Grunderwerbsteuer; Auswirkungen des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage bei umsatzsteuerpflichtigen Grundstücksumsätzen, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 7.10.2003 (koordinierter Ländererlass) – Grunderwerbsteuer; Berücksichtigung des Kapitalnutzungsvorteils des Veräußerers bei Vorleistungspflicht des Erwerbers als sonstige Leistung, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 29.7.1996 – Übernahme von Darlehen, die aus Mitteln des Dritten Förderungsweges gewährt worden sind, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.6.1984 – Grunderwerbsteuer; Umfang der Gegenleistung bei Miterwerb von Einbaumöbeln, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 24.6.1987 – Bemessungsgrundlage für Grundstückserwerbe in der Zwangsversteigerung unter Berücksichtigung der Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, geändert durch Schreiben v. 26.1.2001 und 29.7.2004 (koordinierter Ländererlass) – Grunderwerbsteuer; hier: Gegenleistung bei a) Grundstückserwerben für Straßenbauzwecke, b) Grundstücksenteignungen und Grundstücksveräußerungen zur Vermeidung der Enteignung, c) Landbeschaffung für Zwecke der Verteidigung, juris; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der

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§ 9 Rz. 1 Gegenleistung Finanzen v. 13.12.1984, geändert durch Schreiben v. 15.10.1992, 19.7.1996, 12.3.1997 und 26.1.2001 (koordinierter Ländererlass) – Grunderwerbsteuer; Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung der Gegenleistung, juris.

A. Grundlagen I. Regelungsgegenstand 1

Für die wichtigsten Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG gibt § 9 Abs. 1 GrEStG eine Legaldefinition der Gegenleistung vor. Die Gegenleistung bildet gem. § 8 Abs. 1 GrEStG die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

2

Die Aufzählung in § 9 Abs. 1 GrEStG ist nicht abschließend. Die in § 9 GrEStG vorgenommenen Zurechnungen und Wertungen können daher auch für solche Erwerbsvorgänge herangezogen werden, die in § 9 Abs. 1 GrEStG nicht ausdrücklich erwähnt sind.1

3

§ 9 Abs. 2 GrEStG erweitert den Begriff der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung aus § 9 Abs. 1 GrEStG. Dabei ist zu beachten, dass § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 GrEStG anders als Nr. 1 und 2 auch für sich allein genommen eine Gegenleistung darstellen können.2

4

§ 9 Abs. 3 GrEStG behandelt das Verhältnis der für den Erwerbsvorgang zu entrichtenden Grunderwerbsteuer zur Gegenleistung.3

II. Bedeutung und Telos 5

§ 9 GrEStG bestimmt für die weitaus überwiegende Zahl an Verkehrsvorgängen, dass sich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nach der Gegenleistung bestimmt. Nur in den drei in § 8 Abs. 2 GrEStG abschließend aufgezählten Ausnahmefällen bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 1 bis 3 BewG.

6

§ 9 GrEStG knüpft dabei nicht an die zivilrechtliche Qualifikation des den Anspruch begründenden Rechtsgeschäfts an, sondern an das von den Parteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis, das durch die zivilrechtliche Gestaltung bewirkt wird.4

7

Bei der Bestimmung der Gegenleistung stellt § 9 GrEStG deshalb auf den körperlichen Zustand des Grundstücks ab, der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Grundstück in noch zu bebauendem Zustand, zählen die Aufwendungen des Erwerbers für die Errichtung des Gebäudes nach den Grundsätzen über den einheitlichen Erwerbsvorgang zur Gegenleistung und erhöhen die Bemessungsgrundlage. Im Gewand der für das Grunderwerbsteuerrecht maßgeblichen zivilrechtlichen Auslegung werden in diesen Fällen mehrere selbständige Rechtsgeschäfte einer einheitlichen Betrachtung zugeführt. In der Sache folgt die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer damit einer zivilrechtlich eingehegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise.

III. Geltungsbereich 8

§ 9 GrEStG setzt begrifflich einen steuerbaren Vorgang i.S.d. § 1 GrEStG voraus. Zur Gegenleistung zählt nur, was für den Erwerb eines Grundstücks i.S.d. § 2 GrEStG gezahlt wird5 einschließlich gesondert vereinbarter Entgelte für Grundstücksbestandteile.6 Demgegenüber zählen Leistungen des Erwerbers, die nicht für den gem. § 1 GrEStG steuerbaren Vorgang, sondern für eine andere, nicht

1 2 3 4 5 6

BFH v. 16.10.1985 – II R 99/85, BStBl. II 1986, 148; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 2; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 2. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 2. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 2. BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270. BFH v. 16.2.1994 – II R 114/90, BFH/NV 1995, 65; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 105. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 105.

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B. Gegenleistung

Rz. 12 § 9

grundstücksbezogene Leistung des Veräußerers erbracht werden, und ebenso eigennützige Leistungen des Erwerbers, die allein ihm selbst zugutekommen, nicht zur Gegenleistung.1

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind Umsätze, die unter das GrEStG fallen, umsatzsteuerfrei. Dies 9 schließt jedoch eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer nicht aus: Die dem Erwerber in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zählt zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.2 Der Gesetzgeber des GrEStG hat die Möglichkeit einer Doppelbelastung erkannt und in § 1 Abs. 6 und § 9 Abs. 3 GrEStG abschließend geregelt.3 Die Doppelbelastung begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken4 und ist mit EU-Recht vereinbar.5

V. Rechtsentwicklung Gemäß § 11 GrEStG 19196 bestimmte sich die Steuer nach dem gemeinen Wert des Grundstücks. Sollte der Veräußerungspreis über dem gemeinen Wert liegen, sollte dieser gem. § 12 Abs. 1 GrEStG 1919 maßgeblich sein. Die Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1.12.19307 ersetzte den gemeinen Wert durch den Einheitswert. Für den Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung traf § 13 GrEStG 1919 eine eigenständige Regelung der Gegenleistung, da der Eigentumserwerb kraft Gesetzes nicht als Veräußerungsgeschäft angesehen worden ist.8

10

§ 11 GrEStG 19409 ist weitgehend unverändert in die heutige Regelung des § 9 GrEStG 198310 über- 11 nommen worden. Das JStG 199711 ergänzte die Regelung des § 9 Abs. 1 GrEStG um eine neue Nr. 8, die die Gegenleistung in den Fällen des seinerzeit neu geschaffenen § 1 Abs. 2a GrEStG erweiterte. Zugleich verlor § 9 GrEStG wichtige Anwendungsbereiche durch den neu geregelten § 8 Abs. 2 GrEStG. Das StEntlG 1999/2000/200212 hob § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG wieder auf und schuf in § 8 Abs. 2 GrEStG eine Regelung für die Gegenleistung in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG.13

B. Gegenleistung I. Begriff der Gegenleistung 1. Verhältnis zum zivilrechtlichen Gegenleistungsbegriff Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG ist „jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des 12 Grundstücks gewährt, oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks emp-

1 BFH v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578. 2 BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 63; krit. Rutemöller, UR 2012, 657; Heine, UVR 2012, 243. 3 BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34, Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 65. 4 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270; v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 66; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 204; s.a. Rutemöller, BB 2013, 983; krit. Fleischmann/Meyer-Scharenberg, DStR 1992, 525. 5 EuGH v. 27.11.2008 – Rs. C-156/08, UR 2009, 136 = DStR 2009, 223; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 66. 6 Grunderwerbsteuergesetz v. 12.12.1919, RGBl. 1919, 1617. 7 RGBl. I 1930, 517. 8 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 1. 9 Grunderwerbsteuergesetz v. 29.3.1940, RGBl. I 1940, 585. 10 Grunderwerbsteuergesetz v. 17.12.1982, BGBl. I 1982, 1777. 11 Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 12 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BStBl. I 1999, 402. 13 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 4.

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§ 9 Rz. 12 Gegenleistung fängt“.1 In dieser Definition werden die drei Wesenselemente des grunderwerbsteuerlichen Gegenleistungsbegriffs angesprochen, nämlich eine kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, deren Verknüpfung mit einem Grundstück und dessen vertragsgemäßer Zustand. Demgegenüber ist die Bezeichnung als Gegenleistung weder eine hinreichende noch eine notwendige Voraussetzung.2 Ebenso wenig ist die ertragsteuerliche Qualifikation als Gegenleistung für die grunderwerbsteuerliche Einordnung vorgreiflich.3 13

Der grunderwerbsteuerliche Begriff der Gegenleistung entspricht nicht dem zivilrechtlichen Begriff. Bereits nach dem Wortlaut des § 9 GrEStG ist der grunderwerbsteuerliche Begriff der Gegenleistung insofern enger, als § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten ausdrücklich aus der Gegenleistung herausnimmt. Dagegen ist der grunderwerbsteuerliche Begriff weiter, als § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen zur Gegenleistung zählt.4

14

Zudem regelt das GrEStG auch die Gegenleistung für Erwerbe nicht rechtsgeschäftlicher Art aufgrund von Zwangsversteigerungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) und von Enteignungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) sowie Leistungen an Dritte oder von Dritten, die nicht synallagmatisch sind (§ 9 Abs. 2 Nr. 3, 4 GrEStG). Ferner erfasst § 1 GrEStG nicht nur schuldrechtliche Vereinbarungen, sondern auch abstrakte dingliche Rechtsgeschäfte und auch den Eigentumsübergang kraft Gesetzes gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG.5

15

Gleiches gilt bei unvollkommen zweiseitigen Verträgen wie einem Auftrag. Die Verpflichtung des Beauftragten gem. § 667 BGB zur Herausgabe des Grundstücks an den Auftraggeber ist gesetzliche Folge des Auftragsverhältnisses, so dass die Leistungen des Auftraggebers gem. §§ 669, 670 BGB zivilrechtlich keine Gegenleistung darstellen.6

16

Keine Gegenleistung liegt vor, wenn der Erwerber eine Verpflichtung eingeht, die ihn erst künftig treffen wird, wie z.B. Erschließungsbeiträge oder Straßenausbaubeiträge.7 Ist dagegen die öffentlichrechtliche Abgabenverpflichtung bereits vor dem Erwerbsvorgang entstanden und gegenüber dem Veräußerer geltend gemacht worden, zählt die Übernahme dieser Pflicht durch den Erwerber zur Gegenleistung.8

17

Entsprechendes gilt für eine Leistung, die ausschließlich dem Erwerber selbst zugutekommt und diesen somit nicht entreichert, selbst wenn er sich damit in seiner Dispositionsfreiheit über sein Grundstück beschneidet.9 Dies gilt auch für die Verpflichtung des Erwerbers zur Ausführung von Renovierungsarbeiten. Selbst wenn der Veräußerer ein wirtschaftliches Interesse daran haben sollte, von einer Renovierungsverpflichtung freigestellt zu werden, kommen die Renovierungsarbeiten des Erwerbers nur diesem selbst zugute.10

1 BFH v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406; v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24; v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 14; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 3, Heine, UVR 2000, 209. 2 BFH v. 10.5.2017 – II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 17. 3 BFH v. 5.11.1980 – II R 28/75, BStBl. II 1981, 174; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 15. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 14. 5 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 14; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 2. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 18. 7 BFH v. 10.11.1970 – II 188/65, BStBl. II 1971, 252; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 46; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 14. 8 BFH v. 27.6.1968 – II 112/64, BStBl. II 1968, 690; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 18. 9 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 47; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 8. 10 BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 48.

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B. Gegenleistung

Rz. 22 § 9

2. Kausale Verknüpfung mit der Leistung Erforderlich ist eine kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Es ist somit „nicht ausschlaggebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben“.1

18

An dieser kausalen Verknüpfung soll es fehlen, wenn nach einem Teilverkauf von Flächen an die Gemeinde die beim Grundstückseigentümer verbleibenden Flächen aufgrund eines aufgestellten Bebauungsplans und gesicherter Erschließung einen Wertzuwachs erfahren. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die erwerbende Gemeinde „den aus der Baureifmachung folgenden Wertzuwachs nicht aufgrund einer gegenüber dem Verkäufer (vertraglich) übernommenen Pflicht zur Baureifmachung“ gewährt, sondern mit der Aufstellung von Bauleitplänen (§ 1 Abs. 3 BauGB) und der Erschließung der Grundstücke (§ 123 BauGB) einer ausschließlich im öffentlichen Interesse liegenden Verpflichtung nachkommt.2 Ebenso soll die kausale Verknüpfung bei Entschädigungszahlungen fehlen, die der Erwerber im Zusammenhang mit der Errichtung einer Windkraftanlage an den Veräußerer für Beeinträchtigung anderer als der verkauften Grundstücke zahlt.3

19

Künftige Leistungen sind nur dann Teil der Gegenleistung, wenn sich der Erwerber zu ihnen verpflichtet hat oder sie erbringt, um den Kaufpreis aufzubessern.4 Nicht zur Gegenleistung zählen Schadenersatz (§§ 280, 281 BGB), Verzugszinsen (§ 288 BGB) sowie die Vereinbarung von Reugeld (§ 336 Abs. 2 BGB) oder von Vertragstrafen (§§ 339 ff. BGB).5

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3. Bestimmbarkeit der Gegenleistung Die Gegenleistung muss nicht beziffert sein, sofern sie nur nach objektiven Maßstäben bestimmbar ist.6 Auch § 433 Abs. 2 BGB lässt genügen, dass der Kaufpreis in Geld bestimmt oder bestimmbar ist. Aus der Formpflicht des § 311b BGB folgt nichts anderes, da auch insoweit ausreicht, dass sich der Kaufpreis aus ergänzender Vertragsauslegung bzw. gem. §§ 315, 316 BGB ergibt.7 Die Gegenleistung wird in der Regel eine Geldleistung darstellen, kann aber auch in einem Forderungsverzicht oder einer Schuldübernahme bestehen.

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4. Verknüpfung mit dem Grundstück Gegenleistung kann nur sein, was für den Erwerb eines Grundstücks i.S.d. § 2 GrEStG aufgewendet wird. Zur Gegenleistung zählt somit das Entgelt, das für wesentliche Bestandteile des Grundstücks gezahlt wird. Hierzu zählen auch Rechte i.S.d. § 96 BGB. Eine Ausnahme hiervon gilt gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 GrEStG für Betriebsvorrichtungen, für Mineralgewinnungsrechte und für den Anspruch auf den Erbbauzins.8 Ebenso gehört nicht zur Gegenleistung, was als Entgelt für Zubehör i.S.d. § 97 BGB und dabei insbesondere für das Inventar i.S.d. § 98 BGB9 oder für Scheinbestandteile10 vereinbart worden ist.

1 BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 17; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 3. 2 BFH v. 27.10.2004 – II R 22/03, BStBl. II 2005, 301; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 16. 3 BFH v. 10.5.2017 – II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 16. 4 S.a. BFH v. 10.6.1969 – II 172/64, BStBl. II 1969, 668. 5 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 23. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 214; zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer BFH v. 18.10.1972 – II R 124/69, BStBl. II 1973, 126. 7 BFH v. 30.3.2009 – II R 1/08, BFH/NV 2009, 1666; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 17, 21. 8 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 103 ff. 9 BFH v. 3.6.2020 – II B 54/19, BStBl. II 2020, 586. 10 Maßgebend ist dabei die Zweckbestimmung. Diese wird grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Verbindung mit dem Grundstück begründet, doch kann bei einer Übertragung die Zweckbestimmung vom Erwerber neu festgelegt werden, FG Münster v. 14.11.2019 – 8 K 168/19 GrE, EFG 2019, 1995 (Rev. II R 45/19); s.a. FG Düsseldorf v. 16.5.2019 – 7 K 3217/18 GrE, EFG 2019, 1547 (Rev. II R 36/19).

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§ 9 Rz. 23 Gegenleistung

II. Stichtag der Wertermittlung 23

Maßgebend ist grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem die Steuer gem. § 38 AO entstanden ist oder entstanden wäre, wenn es die Regelung des § 14 GrEStG nicht gäbe, d.h. bei aufschiebend bedingten Rechtsgeschäften der Zeitpunkt des wirksamen Vertragsschlusses, sofern nicht der Eintritt der Bedingung im Belieben der Beteiligten steht bzw. bei Rechtsgeschäften, die einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfen.1

24

Bei nachträglicher Vereinbarung einer zusätzlichen Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entsteht ein eigenständiger Steueranspruch.2 Maßgebender Zeitpunkt ist die Vereinbarung dieser zusätzlichen Gegenleistung, selbst wenn diese noch von einer aufschiebenden Bedingung oder einer behördlichen Genehmigung abhängt.3 Die Annahme einer Leistung an Erfüllung statt i.S.d. §§ 364, 365 BGB lässt die Gegenleistung unverändert,4 ebenso die Insolvenz des Erwerbers.5 Wird dagegen die Gegenleistung nachträglich herabgesetzt, kommt § 16 Abs. 3 GrEStG in Betracht.

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Die Gegenleistung kann bereits vor dem Erwerbsvorgang vereinbart bzw. erbracht worden sein. Zur Gegenleistung zählt auch der bis zur Ausübung eines Ankaufsrechts gezahlte Pachtzins, wenn dieser vereinbarungsgemäß vom vereinbarten Kaufpreis abgezogen wird.6 Gleiches gilt für Leasingraten im Rahmen eines dem Grundstückskaufvertrag vorausgehenden Leasingvertrages, „soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist“.7

26

Ebenso soll das Bindungsentgelt für die Aufrechterhaltung eines Verkaufsangebotes zur Gegenleistung zählen, wenn der Vertrag später abgeschlossen wird.8 Es stellt sich aber die Frage, ob die Einräumung einer Kaufoption gegen Bindungsentgelt einen gegenüber dem Grundstückserwerb selbstständigen Leistungsaustausch darstellen könnte.9

III. Aufschiebend bedingte Gegenleistung 27

Hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer aufschiebenden Bedingung ab, entsteht die Steuer gem. § 14 GrEStG erst mit Eintritt der Bindung. Die aufschiebend bedingte Gegenleistung wird „mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung zur nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung, die durch einen selbständigen Steuerbescheid festzusetzen ist.10 Ist nur die Fälligkeit des Kaufpreises, nicht aber das gesamte Rechtsgeschäft an den Eintritt einer Bedingung geknüpft, entsteht die Steuer bereits mit Abschluss des Kaufvertrages.11

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Hängt nicht die gesamte Gegenleistung, sondern nur ein Teil hiervon von einer aufschiebenden Bedingung ab, entsteht insoweit erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung die Steuer und ist mit eigenständigem Steuerbescheid festzusetzen,12 während ein gegebenenfalls zuvor ergangener entgegenstehender Schenkungsteuerbescheid gem. § 174 Abs. 1 AO aufzuheben sein soll.13

1 Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 42; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 62; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 27; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 51. 2 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 64. 3 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 64. 4 BFH v. 1.10.1975 – II R 84/70, BStBl. II 1976, 128; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 65. 5 BFH v. 12.5.2016 – II R 39/14, BStBl. II 2017, 63; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 215. 6 BFH v. 3.12.1975 – II R 122/70, BStBl. II 1976, 299; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 21. 7 BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 21. 8 BFH v. 20.9.1989 – II R 131/86, BFH/NV 1990, 525; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 21, 216. 9 Weitergehend Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 21. 10 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 67. 11 BFH v. 22.1.1997 – II R 23/96, BFH/NV 1997, 705; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 73. 12 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 69. 13 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 71; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 30.

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B. Gegenleistung

Rz. 32 § 9

IV. Wertsicherungsklauseln Veränderungen der Gegenleistung aufgrund von Wertsicherungsklauseln sollen die Höhe der Gegenleistung unverändert lassen.1 Jedoch liegt eine nachträgliche Erhöhung der Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor, wenn die Anpassung nachträglich vereinbart wird.2 Die Grundsätze zu den Wertsicherungsklauseln finden auch auf Anpassungsvereinbarungen gem. § 9a ErbbauRG Anwendung.3

29

V. Aufteilung einer Gesamtgegenleistung Wird für die Übertragung eines Grundstücks und sonstiger Gegenstände eine Gesamtgegenleistung 30 vereinbart, ist der Anteil der sonstigen Gegenstände, die keine Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG darstellen, herauszurechnen. Die Gesamtgegenleistung wird dabei in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem der Wert des Grundstücks zum Wert der sonstigen Gegenstände steht.4 Mit einem Dreisatz – zur „Boruttau’schen Formel“ überhöht – errechnet sich die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung durch Multiplikation der Gesamtgegenleistung mit dem Quotienten aus dem gemeinen Wert des Grundstücks ohne die sonstigen Gegenstände und dem gemeinen Wert des Grundstücks zzgl. dem gemeinen Wert der sonstigen Gegenstände.5 Damit wird die Aufteilung der Gesamtgegenleistung nach objektiven Maßstäben vorgenommen,6 wobei auch eine Aufteilung nach Teilwerten, nicht aber nach Buchwerten anerkennungsfähig sein soll.7 Aus Vereinfachungsgründen kann die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung auch durch Subtraktion der nicht relevanten Elemente gewonnen werden, wenn neben dem Grundstück nur eine Geldforderung übertragen wird8 oder wenn die Werte der einzelnen Gegenstände der vereinbarten Gegenleistung entsprechen.9

31

Die Frage, ob die Parteien eine Gesamtgegenleistung oder Einzelpreise vereinbart haben, ist durch 32 Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB zu bestimmen.10 Die für das Grundstück vereinbarte Einzelgegenleistung soll maßgeblich sein, wenn für dieses und die sonstigen zu übertragenden Gegenstände bzw. zu erbringenden Leistungen gesonderte Entgelte vereinbart sind.11 Abzugrenzen ist dabei nach dem erkennbar gewordenen Parteiwillen: Maßgeblich ist, ob die Parteien den Gegenständen einen Einzelpreis beilegen wollten und den Gesamtpreis gleichsam nur noch nachrichtlich in den Vertrag aufgenommen haben oder ob der Parteiwille auf eine Gesamtgegenleistung ging und die Einzelpreise nur eine Kalkulationsgrundlage darstellen sollten.12 Eine Aufteilung findet nur statt, wenn

1 Im Ergebnis wie hier Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 81. 2 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 81. Konsequent erscheint diese unterschiedliche Behandlung von Wertsicherungsklauseln jedoch nicht. 3 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 83. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 110. Vor einer Aufteilung nach den objektiven Wertverhältnissen ist zu prüfen, ob nur eine oder mehrere Sachgesamtheiten übertragen werden, da der Dreisatz (sog. „Boruttau’sche Formel“) nur innerhalb derselben Sachgesamtheit angewendet werden kann, BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 112. Zur Aufteilung bei Erbbaurechten BFH v. 13.3.1993 – II R 82/89, BFH/NV 1994, 574; zur Berücksichtigung des Firmenwerts Schl.-Holst. FG v. 9.9.2020 – 3 K 8/20, juris. 5 BFH v. 6.5.2015 – II R 8/14, BStBl. 2015, 853; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 110; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 47. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 111. 7 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 112. 8 BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 115. 9 BFH v. 26.9.1973 – II R 162/72, BStBl. II 1974, 168; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 115. Genau genommen ist dies reine Arithmetik. 10 BFH v. 17.6.1998 – II R 35/96, BFH/NV 1998, 1527; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 119. 11 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 116. 12 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 117.

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§ 9 Rz. 32 Gegenleistung tatsächlich eine Gesamtgegenleistung vereinbart worden ist, d.h. wenn für die einzelnen Gegenstände kein konkreter, ernsthaft gemeinter Einzelpreis vereinbart worden ist.1 33

Objektiv unangemessenen Einzelpreisen ist wegen Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO die Anerkennung zu versagen; stattdessen ist dann eine Aufteilung nach objektiven Wertverhältnissen vorzunehmen.2

C. Grundstückszustand und Gegenleistung I. Grundstückszustand und Parteiwille 34

Die Gegenleistung bestimmt sich nach dem tatsächlichen Zustand, in dem das Grundstück nach dem Willen der Parteien erworben werden soll. Dieser bestimmt sich zunächst nach dem die Steuerpflicht begründenden zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäft. Folgt aber aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Verpflichtungsgeschäft in einem rechtlichen oder objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhalten soll, bezieht sich der grunderwerbsteuerliche Erwerb auf einen einheitlichen Erwerbsgegenstand.3 Damit zählen alle Leistungen, die erforderlich sind, um das Grundstück in den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zustand zu versetzen, zur Gegenleistung.4 Jedoch werden Dritte (insbesondere Bauunternehmer), die diese Leistungen erbringen, aber nicht selbst Partei des Grundstückskaufvertrages sind, dadurch nicht in den Kreis der gem. § 13 Abs. 1 GrEStG Steuerpflichtigen einbezogen.5

35

Der tatsächliche Zustand des Grundstücks bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ist für die Bestimmung der Gegenleistung grundsätzlich unbeachtlich.6 Lange vertrat aber der BFH die Auffassung, es gebe einen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach grundsätzlich der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt der Veräußerung maßgeblich sein solle, wenn ausdrückliche Vereinbarungen hierüber fehlen.7

36

Ein zurückliegender Grundstückszustand kann nicht Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein. Dies soll schon daraus folgen, dass sich der Übereignungsanspruch des Erwerbers auf die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks (§ 94 BGB) erstreckt.8

37

Hiervon soll eine Ausnahme gelten, wenn ein unbebautes Grundstück erworben wird und der Veräußerer dem Erwerber vorab Baumaßnahmen gestattet.9 Richtigerweise wird man jedoch annehmen müssen, dass auch in diesem Fall das Gebäude im Zustand zum Abschluss des Kaufvertrages verkauft worden ist, wobei aber die Aufwendungen des Erwerbers nicht gegenüber dem Veräußerer erbracht worden sind bzw. als eigennützige Leistung des Erwerbers steuerfrei bleiben.10

38

Ein nicht mehr bestehender früherer Zustand kann nur durch Verpflichtung des Veräußerers zu dessen Wiederherstellung Gegenstand des Erwerbsvorgangs werden.11

1 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 118; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 46. 2 BFH v. 17.6.1998 – II R 35/96, BFH/NV 1998, 1527; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 118. 3 Ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH v. 7.2.2022 – II B 6/21, juris; v. 27.5.2020 – II R 25/17, BFH/NV 2021, 195; v. 10.12.2019 – II B 20/19, BFH/NV 2020, 382; v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555; v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 139. 5 BFH v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 141. 6 BFH v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 6; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 136 ff.; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 7; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 56. 7 BFH v. 18.11.1969 – II B 50/69, BStBl. II 1970, 66; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 6; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 140; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 7; enger BFH v. 11.3.1981 – II R 77/78, BStBl. II 1981, 537. 8 BFH v. 17.9.1997 – II R 24/95, BStBl. II 1997, 776; v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590; v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 7; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 7. 9 FG Niedersachsen v. 22.7.1992 – III 397/91, EFG 1993, 339; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 7; Hofmann, § 8 Rz. 7. 10 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 141. 11 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 140.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 44 § 9

Ursprünglich forderte der BFH eine zivilrechtliche Verknüpfung von Grundstückskaufvertrag und 39 dem zusammen mit dem Grundstückserwerb abgeschlossenen Bauvertrag.1 Diese rein zivilrechtliche Sichtweise ist vom BFH dann erweitert worden.2 Das BVerfG billigte die Rechtsfortbildung durch den BFH: Es gebe keine Vermutung, wonach ein dem Zivilrecht entlehntes Tatbestandsmerkmal eines Steuergesetzes im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren sei. Vielmehr präge das Steuerrecht wie jedes andere Rechtsgebiet seine spezifischen Begriffe. Diese seien nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren.3 Auch EU-Recht4 und das Umsatzsteuerrecht5 stehen der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand nicht entgegen.

40

Das GrEStG kennt keine umfassende ausdrückliche gesetzliche Regelung zum maßgeblichen Grund- 41 stückszustand.6 Einen gewissen Anhaltspunkt gibt der mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 geschaffene § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG, der einen künftigen Grundstückszustand als maßgeblichen Bezugspunkt definiert. Der BFH begründet seine Rechtsprechung mit einer teleologischen Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.7 Jedenfalls ist der einheitliche Erwerbsgegenstand gewohnheitsrechtlich anerkannt, auch wenn er einer permanenten Weiterentwicklung unterworfen ist.8 Die von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen sind dabei eher als Regelbeispiele denn als abgeschlossene Kategorien zu verstehen. Der Rechtsanwender ist stets gehalten, alle Umstände des Einzelfalls in seine Gesamtwürdigung des Falles aufzunehmen.9

42

Die Grundsätze des einheitlichen Erwerbsgegenstands gelten nicht nur für Verpflichtungsgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, sondern grundsätzlich für alle Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG, auch für solche, die nicht an Rechtsgeschäfte anknüpfen.10

43

Unbeachtlich sind die Motive des Veräußerers für die konkrete Vertragsgestaltung.11 Auch eine wirt- 44 schaftliche Notlage rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.12

1 BFH v. 25.7.1979 – II R 105/77, BStBl. II 1980, 11. 2 BFH v. 5.2.1992 – II R 110/88, BStBl. II 1992, 357. 3 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 8; krit. Siepmann, UVR 1992, 13; Wagner, DB 1992, 245; Fleischmann/Meyer-Scharenberg, DStR 1992, 525; Flume, DB 1990, 1432. Die gegen BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86, erhobene Verfassungsbeschwerde ist vom BVerfG durch Beschl. v. 20.5.2013 – 1 BvR 2766/12, juris, nicht zur Entscheidung angenommen worden (vgl. Rutemöller, BB 2013, 983). 4 EuGH v. 27.11.2008 – Rs. C-156/08, UR 2009, 136 = DStR 2009, 223; weitere Nachweise bei Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 156. 5 BFH v. 30.6.2020 – II B 90/19, BFH/NV 2020, 1279; v. 19.3.2009 – V R 50/07, BStBl. II 2010, 78; v. 24.1.2008 – V R 42/04, BStBl. II 2008, 697. Aus § 4 Nr. 9a UStG lässt sich keine Aussage entnehmen, wann eine Grunderwerbsteuerpflicht entsteht, BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 157. 6 Entsprechende Forderungen nach Schaffung einer gesetzlichen Regelung bei Behrens, UVR 2014, 147. 7 BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 8; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 57 Fn. 64. 8 Die zeitweilige Dynamik der Rechtsentwicklung lässt sich auch an der kurzen Abfolge gleichlautender Ländererlasse – zuletzt v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, und v. 14.3.2017, BStBl. I 2017, 436 – ablesen, die den Versuch unternahmen, die Rechtsprechung systematisch zu erfassen. 9 BFH v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24, v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 166. 10 Zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG BFH v. 28.10.1998 – II R 36/96, BFH/NV 1999, 667; v. 4.9.1996 – II R 62/94, BFH/ NV 1997, 308; v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578; zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG BFH v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 9; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 153. 11 BFH v. 12.12.2001 – II B 5/01, BFH/NV 2002, 812; v. 14.2.1990 – II B 158/89, BStBl. II 1990, 391; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 9. 12 BFH v. 18.4.1990 – II B 155/89, BFH/NV 1991, 118; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 9.

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§ 9 Rz. 45 Gegenleistung 45

Der künftige Grundstückszustand ist auch bei Erwerb eines noch fertigzustellenden Rohbaus maßgeblich.1 Bei einer Sanierung ist zu unterscheiden: Grundsätzlich gelten auch für die Modernisierung oder Renovierung eines Gebäudes die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand.2 Eine Ausnahme bildet jedoch die Veräußerung eines kontaminierten Grundstücks.3

46

Demgegenüber kommen die Grundsätze über den einheitlichen Erwerbsgegenstand nicht zur Anwendung, wenn der künftige Grundstückszustand aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften hergestellt werden muss. Erschließungsbeiträge oder Erschließungsentgelte gem. §§ 123 ff. BauGB erhöhen daher nicht die Bemessungsgrundlage.4

47

Eigenleistungen des Erwerbers und Aufträge, die der Erwerber freihändig vergeben kann, erhöhen nicht die Gegenleistung.5 Gleiches gilt für Baupläne und andere Dienstleistungen des Veräußerers, die der Erwerber bei Errichtung des Gebäudes in Anspruch nimmt, ohne gegenüber dem Veräußerer eine entsprechende Bauverpflichtung einzugehen, selbst wenn diese vom Veräußerer zusammen mit dem Grundstück einheitlich angeboten worden sind.6 Ebenso entfällt der einheitliche Erwerbsgegenstand, wenn der Erwerber zusammen mit dem Grundstück zugleich Baumaterialien (insbesondere einen Hausbausatz) erwirbt und in Eigenleistung verbaut, da diese Grundstückveränderung nicht dem Veräußerer zuzurechnen sein soll.7

II. Maßgeblicher Grundstückszustand 1. Grundsätze 48

Der künftige Grundstückszustand ist als Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Ermittlung der Gegenleistung zugrunde zu legen, wenn ein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Grundstücks und der Erbringung der Bauleistungen (vgl. Rz. 49, 54 ff.) oder ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Grundstücks und der Erbringung der Bauleistungen (vgl. Rz. 50, 64 ff.) besteht.

49

Ein rechtlicher Zusammenhang, d.h. eine zivilrechtliche Verknüpfung der Verträge, ist anzunehmen, wenn die Pflicht zur Übereignung des Grundstücks und die Pflicht zur Errichtung eines Gebäudes in einer Urkunde zusammengefasst sind (einheitliches Vertragswerk) oder die beiden Verträge ausdrücklich in ihrem Bestand verknüpft sind oder die Vereinbarungen zumindest derart voneinander abhängen, dass sie miteinander „stehen und fallen“ (einheitlicher Erwerbsgegenstand).

50

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang, d.h. eine tatsächliche Verknüpfung der beiden Verträge setzt dagegen ein einheitliches Vertragsangebot und eine Bindung des Erwerbers an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages über das Grundstück voraus. Ob ein solcher objektiv enger sachlicher Zusammenhang bestand, ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen.8

1 BFH v. 20.10.2004 – II R 49/02, BFH/NV 2005, 911; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 10. 2 BFH v. 29.7.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; v. 22.7.1992 – II R 82/90, BFH/NV 1993, 621; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 10, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 154. Zur Sanierungsverpflichtung im Gegenzug zur Bestellung eines Erbbaurechts BFH v. 8.9.2010 – II R 28/09, BStBl. II 2011, 227. 3 BFH v. 30.3.2009 – II R 62/06, BStBl. II 2009, 854; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 154. 4 BFH v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 11. 5 BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883; v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. II 1990, 183; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 12. 6 BFH v. 27.5.2020 – II R 25/17, BFH/NV 2021, 195; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; v. 27.10.2004 – II R 12/03, BStBl. II 2005, 220; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 12; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 87. 7 BFH v. 3.3.2015 – II R 9/14, BStBl. II 2015, 660; v. 27.10.2004 – II R 12/03, BStBl. II 2005, 220; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.6, 4.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 37; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 175. 8 BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BStBl. II 2017, 655; v. 3.3.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 1270; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 57 § 9

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Abschluss des auf das Grundstück bezogenen Verpflichtungsgeschäfts, insbesondere des Grundstückskaufvertrages,1 bei Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht die Genehmigung.2 Vorher bestehende Wahlmöglichkeiten des Erwerbers3 sind ebenso unbeachtlich wie ein nachträglicher Aufhebungstatbestand, solange von diesem kein Gebrauch gemacht wird.4

51

Die Formnichtigkeit aufgrund unvollständiger Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 Satz 1 BGB ist gem. § 41 AO für die Beurteilung des einheitlichen Erwerbsgegenstands ohne Belang, sofern die Vertragsparteien am Vertrag festhalten.5

52

Kein einheitlicher Erwerbsgegenstand wird durch öffentlich-rechtliche, insbesondere bauplanungsrechtliche Vorgaben für die künftige Grundstücksnutzung begründet.6 Können derartige Hindernisse erst nachträglich ausgeräumt werden, kommt es darauf an, ob die Beseitigung dem Veräußerer oder dem Erwerber zuzurechnen ist.7

53

2. Rechtlicher Zusammenhang Bei der Beurteilung der Vereinbarungen über den Erwerb des Grundstücks und die Erbringung von 54 Bauleistungen kommt es darauf an, ob sich bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles der Wille der Parteien erkennen lässt, dass das Grundstück im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein soll. Als Indizien kommen insbesondere eine entsprechende Verknüpfung im Text der beiden Verträge, die Zusammenfassung beider Verträge in einer Urkunde oder ein Gesamtpreis in Betracht.8 Eine zivilrechtliche Verknüpfung ist gegeben, wenn sich die Verpflichtung zur Grundstücksübereignung und zur Gebäudeerrichtung aus einem Vertrag ergeben oder aus zwei selbständigen Verträgen, wenn der Grundstückskaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung des Abschlusses eines Werkvertrages steht,9 die Vereinbarungen ausdrücklich voneinander abhängen10 oder auch ohne ausdrückliche Verknüpfung miteinander „stehen oder fallen“ sollen.11

55

Beide Verträge „stehen und fallen“ miteinander, wenn eine Partei einen entsprechenden Einheitswillen erkennen lässt und die andere ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt.12 Personenidentität auf Veräußererseite ist nicht gefordert.13 Unbeachtlich ist auch die zeitliche Abfolge des Vertragsschlusses und der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen.

56

Bilden diese Verträge nach zivilrechtlichen Grundsätzen14 eine Einheit, liegt ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vor.15 Ansonsten kann sich dies u.a. aus der engen zeitlichen Abfolge der geschlossenen Verträge ergeben.16

57

1 BFH v. 9.12.2009 – II R 33/08, BFH/NV 2010, 838; v. 20.12.1989 – II R 31/88, BStBl. II 1990, 234; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 14. 2 BFH v. 29.3.1995 – II R 13/94, BStBl. II 1995, 542; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 14. 3 BFH v. 23.11.1994 – II R 53/94, BStBl. II 1995, 331; v. 18.10.1989 – II R 85/87, BStBl. II 1990, 181; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13. 4 BFH v. 11.11.1992 – II R 117/89, BStBl. II 1993, 163; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13. 5 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 14; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 2. 6 BFH v. 16.1.2002 – II R 16/00, BStBl. II 2002, 431; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 15. 7 FG Hamburg v. 21.1.2002 – III 62/01, EFG 2002, 934; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 15. 8 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3. 9 BFH v. 10.12.2019 – II B 20/19, BFH/NV 2020, 382. 10 BGH v. 24.11.1983 – VII ZR 34/83, NJW 1984, 869; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 9. 11 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 9; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 60. 12 BFH v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532; zuvor schon BGH v. 24.11.1983 – VII ZR 34/83, NJW 1984, 869; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 16; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 9; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 61. 13 BFH v. 23.6.1982 – II R 155/80, BStBl. II 1982, 741; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 16. 14 BGH v. 24.9.1987 – VII ZR 306/86, BGHZ 101, 393 = NJW 1988, 132; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 39. 15 BFH v. 23.6.1982 – II R 155/80, BStBl. II 1982, 741; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 39. 16 BFH v. 16.9.1992 – II R 75/89, BStBl. II 1993, 197; v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590; v. 29.11.1989 – II R 254/85, BStBl. II 1990, 230; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 39.

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§ 9 Rz. 58 Gegenleistung 58

Erwerben Funktionsträger wie Treuhänder oder Projektanbieter ein Grundstück, ohne selbst in das Vertragskonzept eingebunden zu sein, ist für sie der Grundstückszustand im Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich.1 Diese Ausnahme gilt jedoch nur für eigene Erwerbe und nur bei Personenidentität von Erwerber und Initiator.2

59

Die Feststellung eines einheitlichen Gesamtvertrages erfordert eine Auslegung der Verträge gem. §§ 133, 157 BGB. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei neben dem rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien insbesondere deren Interessenlage, deren Verhalten vor und nach dem Abschluss des Vertrages und die tatsächliche Abwicklung des Vertrages zu würdigen sind, auch wenn sich der tatsächliche Wille nicht mit dem von den Parteien erklärten Willen decken sollte.3

60

Die Einheitlichkeit kann sich aus der Aufnahme der Bauarbeiten vor Vertragsabschluss4 oder daraus ergeben, dass das Grundstück nur an Personen veräußert wird, die zuvor eine Treuhandvollmacht zum Abschluss der übrigen Verträge erteilt haben.5

61

Die zivilrechtliche Verknüpfung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Übertragung des Grundstücks und die Erbringung der Bauleistungen in zwei unterschiedlichen Urkunden niedergelegt worden sind oder der Veräußerer und das Bauunternehmen nicht identisch sind, sofern auf Seiten des Veräußerers mehrere Personen beteiligt sind.6 Rein wirtschaftliche Erwägungen begründen dagegen noch kein einheitliches Vertragswerk.7

62

Auch ein vertragliches Rücktrittsrecht steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands nicht entgegen.8 Erst bei Ausübung des Rücktrittsrechts ist die Steuerfestsetzung gem. § 16 Abs. 1, 2 GrEStG aufzuheben oder die Gegenleistung gem. § 16 Abs. 3 GrEStG herabzusetzen.9 § 16 Abs. 3 GrEStG ist nur einschlägig, wenn der Erwerber aufgrund der Aufhebung des Gebäudeerrichtungsvertrags in seiner Entscheidung über die Vergabe der zur Fertigstellung des Gebäudes noch notwendigen Bauleistungen wieder völlig frei geworden ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn der Gebäudeerrichtungsvertrag erst aufgehoben worden wäre, nachdem der Erwerber einen nahezu inhaltsgleichen Vertrag mit einem mit dem ursprünglichen Vertragspartner personell verbundenen Dritten abgeschlossen hätte.10

63

Entfällt aufgrund Insolvenz auf Veräußererseite die Bindung an das noch nicht verwirklichte Konzept, ist das unbebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs.11 Diese Ausnahme gilt nicht bei Insolvenz nach Verwirklichung des Konzepts.12 3. Objektiv enger sachlicher Zusammenhang a) Erwerberseite

64

Bei fehlender zivilrechtlicher Verknüpfung kann der künftige Grundstückszustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn zwischen der Übereignung des Grundstücks und der Errichtung des Ge-

1 BFH v. 30.7.1997 – II R 35/95, BFH/NV 1998, 495; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 41; s.a. Bruschke, UVR 1994, 326. 2 BFH v. 26.8.1992 – II R 100/89, BFH/NV 1993, 563; v. 24.7.1991 – II R 104/88, BFH/NV 1992, 553; v. 26.8.1992 – II R 100/89, BFH/NV 1993, 563; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 41. 3 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; v. 13.8.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; v. 11.11.1992 – II R 115/89, BFH/NV 1993, 687; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 17; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 162. 4 BFH v. 21.12.1981 – II R 124/79, BStBl. II 1982, 330; v. 25.7.1979 – II R 105/77, BStBl. II 1980, 11; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 17. 5 BFH v. 28.10.1998 – II R 36/96, BFH/NV 1999, 667; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 17; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 167. 6 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.3. 7 BFH v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 17. 8 BFH v. 12.3.1997 – II R 86/94, BFH/NV 1998, 80; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13. 9 BFH v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. II 1990, 183; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13. 10 BFH v. 10.8.1994 – II R 29/91, BFH/NV 1995, 260; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 13. 11 BFH v. 24.10.1990 – II B 31/90, BStBl. II 1991, 106; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 42. 12 BFH v. 17.6.1992 – II R 71/89, BFH/NV 1993, 195; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 42.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 69 § 9

bäudes ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang besteht,1 so dass der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ eines noch herzustellenden künftigen Grundstückszustands (z.B. Bebauung) gegenüber dem Veräußerer nicht mehr frei gewesen ist.2 Dies kann sich aus der zeitlichen Abfolge (vgl. Rz. 66 ff.), faktischen Zwängen (vgl. Rz. 76 ff.) oder der Hinnahme eines vorbereiteten Geschehensablaufs (vgl. Rz. 83 ff.) ergeben. Schließt der Erwerber mit derselben Person den Grundstückskauf- und den Bebauungsvertrag, folgt 65 der enge sachliche Zusammenhang aus der Verflechtung der beiden Verträge, die aus der Sicht des Erwerbers bei objektiver Betrachtungsweise3 seine Entscheidungsfreiheit über das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung einschränkt4 und bei der sich der Verkäufer zu Übereignung und Bebauung verpflichtet.5 Gleiches gilt für das Angebot der Bebauung zum Festpreis samt Fertigstellungsgarantie.6 aa) Zeitliche Reihenfolge Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere dann gegeben, wenn sich der Erwerber durch Abschluss eines Bauvertrages mit dem Veräußerer vor Abschluss des Grundstückkaufvertrages an die Seite des Veräußerers und dessen Bebauungs- bzw. Veräußerungskonzept gebunden hat.7 Dem Abschluss des Bauvertrags steht der Antrag auf Abschluss eines solchen Vertrages gleich.8 Der zeitliche Vorlauf ist jedoch ohne Belang, wenn der Abschluss des Bauvertrags dem Veräußerer nicht zuzurechnen ist.9

66

Der objektive Zusammenhang setzt nicht voraus, dass er schon von Anfang an beabsichtigt war. Daher kann er auch gegeben sein, wenn der Erwerber zunächst mit einem Dritten einen Bauvertrag abgeschlossen hatte, dieser Vertrag aber nicht durchgeführt wird und der Erwerber deshalb das ihm bereits vor Abschluss des Kaufvertrages vom Veräußerer unterbreitete Angebot für die Bebauung annimmt.10

67

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang ist auch dann gegeben, wenn der Erwerber einen mit dem Veräußerer geschlossenen Vertrag über die Errichtung eines Gebäudes noch vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags gekündigt und nach Abschluss des Grundstückkaufvertrags inhaltlich unverändert erneut abgeschlossen hat. Bei einem solchen Geschehensablauf ist davon auszugehen, dass das Angebot tatsächlich noch bestanden hat, auch wenn es rechtlich nicht mehr wirksam gewesen sein sollte.11

68

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang ist auch gegeben, wenn Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag am gleichen Tag vor demselben Notar in aufeinander folgenden Urkunden abgeschlossen werden.12 Der Zusammenhang geht nicht einmal dadurch verloren, dass der Bauvertrag noch of-

69

1 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; v. 18.10.1989 – II R 85/87, BStBl. II 1990, 181; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 19; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 10. 2 BFH v. 6.7.2016 – II R 5/15, BStBl. 2016, 895; v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 20. 3 BFH v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 28. 4 BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 13.8.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 28; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 11. 5 BFH v. 27.10.2004 – II R 12/03, BStBl. II 2005, 220; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 28. 6 BFH v. 30.4.2003 – II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 28. 7 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; v. 12.3.1997 – II R 86/94, BFH/NV 1998, 80; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.1; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 20; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 66. 8 BFH v. 13.12.1989 – II R 144/86, BFH/NV 1991, 346; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 20. 9 BFH v. 2.3.2006 – II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 20. 10 BFH v. 23.8.2007 – II B 3/07, BFH/NV 2007, 2348; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 172. 11 BFH v. 1.10.2014 – II R 32/13, BFH/NV 2015, 230; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.1. 12 BFH v. 31.8.1994 – II R 28/91, BFH/NV 1995, 338; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 21; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 67.

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§ 9 Rz. 69 Gegenleistung fenlässt, auf welchem Grundstück das Gebäude errichtet werden soll.1 Eine zeitliche Obergrenze, ab deren Überschreitung der Zusammenhang so weit gelockert ist, dass nicht mehr von einem einheitlichen Angebot gesprochen werden kann, besteht nicht.2 70

Gleiches gilt, wenn im Grundstückskaufvertrag ein Baubetreuer benannt wird, dem zuvor in einem Baubetreuungsvertrag umfassende Vollmachten zur Durchführung des Bauvorhabens erteilt worden sind3 oder der zugleich in Vollmacht für den Veräußerer und Erwerber handelt,4 oder wenn ein Treuhänder bevollmächtigt wird, der die Bindung an das Bebauungskonzept des Veräußerers bewirkt.5

71

Das einheitliche Angebot muss sich auf den Erwerb des Grundstücks und dessen Bebauung beziehen, wobei das Angebot weder in einem Schriftstück zusammengefasst noch zu einem Gesamtpreis angeboten worden sein muss.6 Die bloße Werbung des Veräußerers mit einer konkreten Bebauung genügt nicht.7 Das Angebot muss vom Erwerber im Wesentlichen unverändert angenommen worden sein.8 Verkehrsübliche Abweichungen von den Planungen der Veräußererseite lassen den objektiv engen Zusammenhang unangetastet.9

72

Ein einheitliches Angebot liegt auch dann vor, wenn der Erwerber die vom Veräußerer vorbereitete Planung selbst beeinflusst oder veranlasst hat.10 In seiner älteren Rechtsprechung verneinte der BFH in solchen Fällen noch das Vorliegen eines einheitlichen Angebots.11

73

Das einheitliche Angebot muss nicht zwingend bereits schon den Bau- bzw. Werkunternehmer benennen, sofern dies nicht die Bindung des Erwerbers an das Bebauungskonzept des Veräußerers in Frage stellt.12

74

Selbst bei einem gelockerten zeitlichen Zusammenhang zwischen Bauvertrag und Grundstückskaufvertrag liegt ein einheitliches Angebot vor, wenn das Gebäude bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages noch vermietet war und die geplanten Baumaßnahmen erst nach Auszug des Mieters vorgenommen werden konnten.13

75

Auch wird der einheitliche Erwerbsgegenstand nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erwerber nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags tatsächlich oder rechtlich noch eine andere Bebauung hätte vorsehen können.14 Die bloße Einholung eines Vergleichsangebots durch den Erwerber erschüttert die Indizwirkung nicht.15

1 BFH v. 27.7.1994 – II R 47/91, BFH/NV 1995, 259; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 21. 2 BFH v. 4.10.2005 – II B 29/05, BFH/NV 2006, 123, zieht in Zweifel, dass bei einem Abstand von acht Monaten noch ein ausreichender zeitlicher Zusammenhang gewahrt worden ist. Andererseits sollen 19 Monate immer noch eine Verknüpfung herstellen, wenn die Parteien das Auslaufen eines Mietvertrages abwarten wollten, BFH v. 28.3.2012 – II R 57/10, BStBl. II 2012, 920. 3 BFH v. 11.5.1994 – II R 62/91, BFH/NV 1994, 901; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 21. 4 BFH v. 10.8.1994 – II R 41/91, BFH/NV 1995, 265; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 21. 5 BFH v. 30.9.1998 – II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 167. 6 BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 3.3.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 1270; v. 29.7.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 7 BFH v. 3.3.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 1270; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 8 BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 3.3.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 1270; v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 9 BFH v. 28.3.2012 – II R 57/10, BStBl. II 2012, 920; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 10 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 11 BFH v. 13.8.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 12 BFH v. 4.9.1996 – II R 62/94, BFH/NV 1997, 308; v. 11.5.1994 – II R 62/91, BFH/NV 1994, 901; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 13 BFH v. 28.3.2012 – II R 57/10, BStBl. II 2012, 920; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 14 BFH v. 23.11.1994 – II R 53/94, BStBl. II 1995, 331; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 23. Anders noch die ältere Rechtsprechung bis BFH v. 26.1.1994 – II R 71/93, BFH/NV 1995, 335. 15 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 23.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 83 § 9

bb) Inhaltliche Zwänge Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang kann auch gegeben sein, wenn aufgrund objektiver Kriterien entsprechende faktische Zwänge bestanden.1 Diese müssen schon bei Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags vorhanden gewesen sein.2 Die faktischen Zwänge sind nach objektiven Maßstäben, nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Käufers zu beurteilen.3

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Derartige faktische Zwänge bestehen bei einer Eigentumswohnung, die auf einem unbebauten Grund- 77 stück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des entsprechenden Gesamtgebäudes hergestellt werden kann.4 Bei einem noch zu bauenden Reihen- oder Doppelhaus kommt es darauf an, ob die einzelne Einheit nicht bautechnisch unabhängig von den benachbarten Einheiten errichtet werden kann.5 Ein faktischer Zwang kann auch aus wirtschaftlichen Nachteilen erwachsen, die den Erwerber des 78 Grundstücks bei Nichtabschluss des Bauvertrags treffen, weil der Veräußerer einen überhöhten Preis für das Grundstück fordert und den Bauvertrag dementsprechend günstiger anbieten kann.6 Ebenso kann sich ein faktischer Zwang schon daraus ergeben, dass der Veräußerer Grundstücke nur an Personen verkauft, die mit ihm auch den Bauvertrag abschließen.7

79

Dagegen begründen bauplanungs- und nachbarrechtliche Anpassungspflichten8 oder vertragliche bzw. öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtungen9 keinen faktischen Zwang.

80

Verpflichtet sich der Erwerber zum Eintritt in einen schon vom Veräußerer abgeschlossenen Generalübernehmervertrag, begründet dies nur dann eine Verknüpfung mit dem Grundstückskaufvertrag, wenn sich der Veräußerer zur Übertragung des Grundstücks in seinem künftigen Zustand verpflichtet10 oder der Erwerber den Veräußerer von einer bereits entstandenen Verpflichtung befreit.11 Umgekehrt fehlt eine Verknüpfung, wenn sich der Erwerber bei Nichtabschluss des Generalübernehmervertrages auch vom Kaufvertrag lösen kann12 oder wenn der Vertrag über die Bauerrichtung nicht zustande kommt.13

81

Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand wird auch nicht dadurch begründet, dass der Veräußerer dem Erwerber lediglich gestalterische Vorgaben auferlegt.14 Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand ist dagegen gegeben, wenn der Veräußerer auch nach dem Eintritt des Erwerbers in den Bauerrichtungsvertrag ein eigenes Interesse an der Errichtung des Gebäudes hat.15

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cc) Gestaltung eines Geschehensablaufs Ebenso ist ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang anzunehmen, wenn der Veräußerer dem Erwerber aufgrund einer konkreten und annähernd bis zur Baureife gediehenen Vorplanung bestimmte Bauleistungen auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden 1 BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BStBl. II 2017, 655; v. 13.8.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532. 2 BFH v. 2.3.2006 – II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 24. 3 BFH v. 23.11.1994 – II R 53/94, BStBl. II 1995, 331; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 25. 4 BFH v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.2; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 25. 5 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.2. 6 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.2. 7 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.2. 8 BFH v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 26, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 170. 9 BFH v. 8.9.2010 – II R 28/09, BStBl. II 2011, 227; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 26. 10 BFH v. 8.9.2010 – II R 3/10, BFH/NV 2011, 303; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 26. 11 BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226, zur Beitrags- bzw. Vorschusspflicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Modernisierungsmaßnahmen; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7. 12 BFH v. 13.8.1991 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 170. 13 BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BStBl. II 2017, 655; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 170. 14 BFH v. 6.7.2016 – II R 5/15, BStBl. II 2016, 895; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 170. 15 BFH v. 20.10.2004 – II R 49/02, BFH/NV 2005, 911; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 38.

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§ 9 Rz. 83 Gegenleistung Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot nur als einheitliches annehmen oder ablehnen kann.1 Dies kann sich auch darin manifestieren, dass der Erwerber das Sanierungskonzept der Veräußererseite zur Revitalisierung eines Stadtquartiers akzeptiert und sodann einen Werkvertrag über die Standardsanierung abschließt.2 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Vorplanung inhaltlich maßgebend von der Erwerberseite mit beeinflusst oder veranlasst worden ist3 oder ob das Angebot mit geringen Abweichungen angenommen worden ist.4 84

Abweichungen von der ursprünglichen Planung der Veräußererseite, die sich im üblichen Rahmen bewegen, schließen den objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht aus. Maßgebend ist vielmehr, ob sich durch die Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung der Charakter der Baumaßnahme ändert. Dies erfordert eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände. Ein Indiz hierfür kann sein, dass sich die Flächengrößen und/oder die Baukosten um mehr als 10 % geändert haben oder die Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes vereinbart wird, sofern das zusätzliche Gebäude für das Bauvorhaben derart prägend ist, dass dies den Charakter der Baumaßnahme ändert.5 Demgegenüber ändert eine Erhöhung der Baukosten um mehr als 10 %, die auf nachträglichen höherwertigen Ausstattungswünschen beruht, den Charakter der Baumaßnahme nicht.6

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Ein vorbereiteter Geschehensablauf wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Bauvertrag unter der aufschiebenden Bedingung des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags und der Erteilung einer Finanzierungszusage einer Bank abgeschlossen wird.7 Entsprechendes gilt, wenn der Bauvertrag dem Erwerber freistellt, einzelne Bauleistungen in Eigenarbeit zu erbringen bzw. anderweitig zu vergeben, oder wenn sich der Erwerber verwaltungstechnische Aufgaben wie die Einholung der Baugenehmigung oder die Durchführung eines Teilungsverfahrens vorbehält.8 b) Mehrere Personen auf Veräußererseite

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Bei mehreren Personen auf Veräußererseite (Veräußerer, Bauunternehmer, Makler, Bevollmächtigte, Treuhänder, Baubetreuer usw.) wird der objektiv enge sachliche Zusammenhang nicht schon durch die Bindung an eine bestimmte Bebauung begründet. Zusätzlich müssen diese Personen auf Veräußererseite personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng miteinander verbunden sein oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrages als auch des Bauvertrags hinwirken.9 Die enge Verbindung ist gegeben, wenn die Gesellschafter der veräußernden Gesellschaft und des Bauunternehmens identisch sind, ebenso wenn beide Gesellschaften dieselben Geschäftsführer oder beherrschenden Gesellschafter haben.10

1 BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 19.6.2013 – II R 3/12, BStBl. II 2013, 965; v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86; v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 22. 2 FG Nürnberg v. 8.6.2018 – 4 K 26/16, EFG 2019, 1322. 3 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 73. Die ältere Rechtsprechung forderte dagegen noch eine entsprechende Initiative auf Veräußererseite, BFH v. 13.8.2003 – II R 52/01, BFH/NV 2004, 663. 4 BFH v. 3.3.2015 – II R 9/14, BStBl. II 2015, 660; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3. 5 In einem solchen Fall entfällt der einheitliche Erwerbsgegenstand, BFH v. 10.12.2019 – II B 20/19, BFH/NV 2020, 382; v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 28.3.2012 – II R 57/10, BStBl. II 2012, 920; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 171. 6 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3. 7 BFH v. 1.10.2014 – II R 20/13, BFH/NV 2015, 349; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3. 8 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.4.3. 9 BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005; v. 6.7.2016 – II R 5/15, BStBl. II 2016, 895; v. 26.2.2014 – II R 54/12, BFH/NV 2014, 1403; v. 23.8.2006 – II R 42/04, BFH/NV 2007, 760; v. 6.12.1989 – II R 72/87, BFH/ NV 1991, 344; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 30; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 175; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 13; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 63. 10 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 175.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 90 § 9

Ein schriftlicher Vertrag1 oder ein vertraglicher Zusammenschluss der Beteiligten auf Veräußerersei- 87 te,2 eine besondere Rechtsmacht des Dritten,3 die Vereinbarung einer zivilrechtlichen Sanktion bei Nichtbefolgung der Abrede,4 eine kapitalmäßige Verflechtung untereinander5 oder eine Verwertungsmöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG6 sind keine zwingenden Voraussetzungen für die Annahme abgestimmten Verhaltens. Es genügt bereits ein einvernehmliches Zusammenwirken, bei dem der ansonsten passive Veräuße- 88 rer dem Bauunternehmer das Grundstück „an die Hand“ gibt, ohne dass dies der Erwerber erkennen müsste.7 Selbst wenn der Erwerber glaubt, ein unbebautes Grundstück zu erwerben und dieses eigenverantwortlich zu bebauen, erwirbt er nach den Grundsätzen des einheitlichen Erwerbsgegenstands ein bebautes Grundstück, wenn er das tatsächlich vorliegende, einheitliche Angebot auf Erwerb des bebauten Grundstücks annimmt.8 Nach älterer Rechtsprechung des BFH musste die Verkäuferseite durch abgestimmtes Verhalten für den Erwerber objektiv erkennbar auf den Abschluss der Verträge hinwirken.9 Der BFH hat jedoch das Tatbestandselement der objektiven Erkennbarkeit aufgegeben. Stattdessen genügt, dass das Zusammenwirken anhand äußerer Merkmale objektiv feststellbar ist.10 Ein Indiz für das einvernehmliche Zusammenwirken auf Seiten des Veräußerers kann sein, dass der Veräußerer und der Bauunternehmer in gemeinsamen Anzeigen11 das zu veräußernde Grundstück bewerben oder einen gemeinsamen Prospekt vorlegen,12 dass die vom Veräußerer verkauften Grundstücke eines Gebiets vom selben Bauunternehmer oder wenigstens von einem mit diesem verbundenen Unternehmen bebaut werden oder dass der Veräußerer dem Erwerber Bauunternehmer benennt, die Interesse an der Bebauung des Grundstücks bekundet haben und/oder Gebäude anbieten, die den vor Ort maßgeblichen baurechtlichen Vorgaben genügen,13 oder beim Abschluss des Vertrages ein gemeinsamer Bevollmächtigter auftritt.14 Davon ist ein allgemeiner Hinweis auf die ortsansässigen Bauunternehmen zu unterscheiden, wenn diese noch nicht in die Bebauung der in Betracht kommenden Grundstücke eingebunden waren.15

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Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang ist bei mehreren Personen auf Seiten des Veräußerers auf jeden Fall gegeben, wenn nur eine einzelne Person ein einheitliches Angebot abgibt, da davon aus-

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1 BFH v. 23.8.2006 – II R 43/04, BFH/NV 2007, 99; v. 2.9.1993 – II B 71/93, BStBl. II 1994, 48; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 176; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 13. 2 BFH v. 4.9.1996 – II R 77/94, BFH/NV 1997, 260; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 176. 3 BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34. 4 BFH v. 12.3.1997 – II R 84/94, BFH/NV 1997, 706; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 176. 5 BFH v. 7.10.2005 – II B 75/04, BFH/NV 2006, 366; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34. 6 BFH v. 28.7.1993 – II R 66/90, BFH/NV 1994, 339; v. 21.12.1988 – II B 47/88, BStBl. II 1989, 333; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 34. 7 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 13; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 176. 8 BFH v. 19.6.2013 – II R 3/12, BStBl. II 2013, 965; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 176. 9 Zuletzt noch BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 803; v. 28.10.1998 – II R 36/96, BFH/NV 1999, 667; v. 11.5.1994 – II R 62/91, BFH/NV 1994, 901. 10 BFH v. 6.7.2016 – II R 5/15, BStBl. II 2016, 895; v. 26.2.2014 – II R 54/12, BFH/NV 2014, 1403; v. 19.6.2013 – II R 3/12, BStBl. II 2013, 965; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 177; krit. G/B/ B/S6, Kap. 6 Rz. 85. Für die Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist jedoch auch nach dieser Rechtsprechungsänderung erforderlich, dass der Erwerber das abgestimmte Verhalten auf Veräußererseite erkennt, Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 13. 11 BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 177. 12 BFH v. 8.2.1995 – II R 19/92, BFH/NV 1995, 823; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 177. 13 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 177. 14 BFH v. 31.8.1994 – II R 28/91, BFH/NV 1995, 338; v. 10.8.1994 – II R 41/91, BFH/NV 1995, 265; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 177. 15 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5.

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§ 9 Rz. 90 Gegenleistung zugehen ist, dass dem eine vorherige Abstimmung auf Veräußererseite vorausgegangen sein muss.1 Dies gilt selbst dann, wenn der Erwerber der Veräußererseite zuvor konkrete Vorgaben nannte, die dann in das einheitliche, vom Erwerber angenommene Angebot eingeflossen sind.2 91

Der objektiv enge sachliche Zusammenhang setzt voraus, dass „der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen“.3 Darüber hinaus wird ein die Einheitlichkeit begründendes zusätzliches objektives Moment im Sinne eines zielgerichteten Zusammenwirkens gefordert.4 Bloße persönliche Bekanntschaft („gemeinsames Tennisspielen“),5 ein Gewährenlassen des Bauunternehmers oder Maklers,6 ein schlichter Hinweis auf eine Kaufgelegenheit7 oder eine Empfehlung eines Bauunternehmens durch den Veräußerer8 genügen hierfür nicht.

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Für das einvernehmliche Zusammenwirken auf Veräußererseite genügt dagegen, dass das Grundstück einer Person „an die Hand“ gegeben wird, die damit auch über den Zugang zum Grundstück bestimmen kann,9 oder ein Makler oder Vertriebsberater einbezogen wird, der für die Veräußererseite ein Angebot abgeben kann und ein wirtschaftliches Interesse am Abschluss beider Verträge hat, ohne dass ein Alleinauftrag zu fordern wäre.10 Gleiches gilt, wenn sich der Veräußerer vertraglich so einbinden lässt, dass er sich an ein vom Projektanbieter vorgegebenes Baukonzept bindet.11

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Unerheblich ist, ob bei einer Mehrheit von Erwerbern nur einzelne aus dem Bauvertrag verpflichtet sind, da auch die anderen Erwerber von der Baumaßnahme Nutzen ziehen und ihnen die Aufwendungen der vertraglich gebundenen Erwerber gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG zuzurechnen sind,12 sofern nicht eine Schenkung und damit die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht kommt. Umgekehrt wird der objektive sachliche Zusammenhang auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass neben dem Erwerber auch Dritte den Bauerrichtungsvertrag abschließen.13

94

Für die Anwendung der Grundsätze über den einheitlichen Erwerbsgegenstand ist Voraussetzung, dass die Personen auf Seiten des Veräußerers zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sind.14 Von faktischen Zwängen oder einem vorbereiteten Geschehensablauf kann nicht schon aufgrund von umfangreichen Vorplanungen auf Seiten des Veräußerers (z.B. Bebauungs-

1 BFH v. 2.3.2006 – II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5. 2 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.5. 3 BFH v. 30.4.2003 – II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31. 4 BFH v. 17.1.2005 – II B 15/04, BFH/NV 2005, 723; v. 21.4.1999 – II R 29/98, BFH/NV 1999, 1507; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 178. 5 BFH v. 17.1.2005 – II B 15/04, BFH/NV 2005, 723; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 178. 6 BFH v. 12.3.1997 – II R 84/94, BFH/NV 1997, 706; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31. 7 BFH v. 23.8.2006 – II R 43/04, BFH/NV 2007, 99; v. 2.3.2006 – II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31. 8 BFH v. 28.5.1998 – II R 66/96, BFH/NV 1999, 75; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 31; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 178; abzugrenzen von der Verpflichtung zur Benennung eines Bauunternehmers, zur Abgrenzung BFH v. 30.4.2003 – II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446. 9 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; v. 12.3.1997 – II R 86/94, BFH/NV 1998, 80; v. 21.12.1988 – II B 47/88; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 33; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 179. 10 BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883; v. 27.7.1994 – II R 47/91, BFH/NV 1995, 259; v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. II 1990, 183; v. 6.12.1989 – II R 113/87, BFH/NV 1991, 342; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 33; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 179. 11 BFH v. 19.3.2010 – II B 130/09, BFH/NV 2010, 1659; v. 29.6.1988 – II R 258/85, BStBl. II 1988, 898, Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 33. 12 BFH v. 20.12.1989 – II R 8/87, BStBl. II 1990, 443; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 36. 13 BFH v. 5.2.1992 – II R 110/88, BStBl. II 1992, 357; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 173. 14 BFH v. 27.11.2013 – II R 56/12, BStBl. II 2014, 534; v. 16.1.2002 – II R 16/00, BStBl. II 2002, 431; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 181. Die Verpflichtung muss nicht zwingend den Veräußerer, sondern kann zivilrechtlich auch einen Dritten treffen, BFH v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 100 § 9

vorschläge, Baubeschreibungen, Teilungspläne für Wohnungseigentum, geschätzte Kostenberechnungen) ausgegangen werden.1 Demgegenüber ist ein einheitlicher Erwerbsgegenstand nicht schon deshalb anzunehmen, weil sich der Erwerber gegenüber dem Veräußerer verpflichtet, das Gebäude zu errichten. Die Bindung des Erwerbers an eine bestimmte Bebauung des Grundstücks („Ob“ und „Wie“ der Bebauung) genügt nicht, wenn diese nicht gegenüber dem zur Gebäudeerrichtung verpflichteten Veräußerer oder einem mit diesem verbundenen Dritten besteht.2

95

Selbst ein Eigeninteresse der Veräußererseite daran, dass die Bebauung des erworbenen Grundstücks zeitnah und in der gestalterisch durch sie vorgegebenen Weise erfolgt, führt nicht zu einer der Veräußererseite zuzurechnenden zivilrechtlichen Herstellungspflicht. Der Erwerber ist in diesen Fällen als Bauherr des unbebauten Grundstücks und nicht als Erwerber eines bebauten Grundstücks anzusehen.3

96

Fehlt es an der Verpflichtung der Veräußererseite zur Herstellung des Gebäudes und wird das Gebäude stattdessen durch den Erwerber errichtet, handelt es sich um eine eigennützige Erwerberleistung, die keine grunderwerbsteuerlichen Rechtsfolgen nach sich zieht. Ein Indiz für eine solche Gestaltung ist gegeben, wenn der Erwerber die entsprechenden Werkverträge nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abschließt, selbst wenn sich der Erwerber eines bereits mit den Vorplanungen befassten Projektanbieters oder Initiators bediente und ihm die Angebote für die Werkverträge bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags vorlagen.4

97

Tritt der Erwerber eines Grundstücks im Zustand der Bebauung in einen Vertrag mit dem Bauunternehmer ein, ohne dass sich diese abgestimmt haben, ist das Grundstück im Zustand des Erwerbszeitpunkts Erwerbsgegenstand.5 Kann der Erwerber bestimmenden Einfluss auf den Veräußerer ausüben, erwirbt er das Grundstück im unbebauten Zustand.6

98

Erwirbt eine zur Veräußererseite gehörende Person, die insbesondere als Treuhänder oder Projektanbieter einen bestimmenden Einfluss auf das „Ob und Wie“ der Bebauung nehmen kann, das Grundstück selbst, ist das Grundstück in seinem Zustand bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags der Besteuerung zu unterwerfen.7

99

Kann nur die zur Veräußererseite gehörende Muttergesellschaft bestimmenden Einfluss auf das „Ob und Wie“ der Bebauung nehmen, nicht aber die Tochtergesellschaft, die das Grundstück im Zustand der Bebauung erwirbt, ist von einem einheitlichen Erwerbsgegenstand auszugehen.8

99.1

4. Besteuerungsverfahren Der einheitliche Erwerbsgegenstand kann nur einzelfallbezogen festgestellt werden. Hierzu ist unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls das mit der zivilrechtlichen Gestaltung angestrebte wirtschaftliche Ergebnis zu ermitteln.9

1 BFH v. 27.11.2013 – II R 56/12, BStBl. II 2014, 534; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.6; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 175. 2 BFH v. 27.5.2020 – II R 25/17, BFH/NV 2021, 195; v. 16.1.2002 – II R 16/00, BStBl. II 2002, 431. 3 BFH v. 27.5.2020 – II R 25/17, BFH/NV 2021, 195; v. 6.7.2016 – II R 5/15, BStBl. II 2016, 895; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.6. 4 BFH v. 27.11.2013 – II R 56/12, BStBl. II 2014, 534; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 3.6. 5 BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226; v. 16.1.2002 – II R 16/00, BStBl. II 2002, 431; v. 22.5.2002 – II R 2/00, BFH/NV 2002, 1613; v. 22.5.2002 – II R 1/00, BFH/NV 2002, 1493; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 182. 6 BFH v. 25.4.2018 – II R 50/15, BStBl. II 2018, 602; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 41; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 183. 7 BFH v. 25.4.2018 – II R 50/15, BStBl. II 2018, 602; gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 4.1. 8 FG Münster v. 16.4.2021 – 8 K 933/19 GrE, EFG 2021, 1391. 9 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 43.

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100

§ 9 Rz. 101 Gegenleistung 101

Beweiserleichterungen zugunsten des Finanzamts ergeben sich bei einem einheitlichen Angebot, bei einem Erwerb von Eigentumswohnungen, soweit diese nicht für sich allein errichtet werden können, generell für alle Bauvorhaben, die aus bautechnischen Gründen nicht für sich allein errichtet werden können. Dies soll bei Doppel- oder Reihenhäusern nicht zwingend der Fall sein.1 Im Übrigen trägt das Finanzamt die Feststellungslast für die steuerbegründenden bzw. -erhöhenden Umstände.2

102

Die Korrektur bestandskräftiger Bescheide folgt den allgemeinen Regeln. Als neue Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommen insbesondere die neben dem Grundstückskaufvertrag geschlossenen Verträge in Betracht,3 während die Subsumtion unter die Rechtsgrundsätze des einheitlichen Erwerbsgegenstands keine Tatsache darstellt.4 Eine Änderung kann zwar ausgeschlossen sein, wenn das Finanzamt seine Ermittlungspflicht verletzt hat.5 Diese setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten in vollem Umfang nachgekommen ist.6 Bei beiderseitigen Pflichtverletzungen ist zwar eine Abwägung erforderlich,7 doch wird diese in der Regel zugunsten einer Korrektur gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausfallen.8 Dagegen ist eine Korrektur ausgeschlossen, wenn das Finanzamt auch bei Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenso entschieden hätte.9

103

Wird der Zusammenhang zwischen dem Grundstücksgeschäft und den weiteren Vereinbarungen erst nachträglich bekannt, ist nach dem Termin des Vertragsabschlusses zu unterscheiden: Ist der Vertragsschluss für die weiteren Vereinbarungen vor der Steuerfestsetzung erfolgt, aber erst nachträglich bekannt geworden, ist der Steuerbescheid gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu korrigieren. Erfolgte dagegen der Vertragsschluss für die weiteren Vereinbarungen erst nach der Steuerfestsetzung, liegt darin ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.10 Eine Falschbezeichnung der Änderungsvorschrift im Bescheid ist unschädlich.11

III. Umfang der Gegenleistung bei einem einheitlichen Erwerbsgegenstand 104

Bei einem einheitlichen Erwerbsgegenstand zählt jede Leistung des Erwerbers für den Erwerb des Grundstücks in dem (tatsächlichen) Umfang, in dem es zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wird, zur Gegenleistung.12 Dementsprechend gehören insbesondere die Baukosten für das zu errichtende Gebäude sowie alle sonstigen die Baumaßnahme betreffenden Aufwendungen zur Gegenleistung, nicht aber die bloße Bauplanung durch den Verkäufer.13 In der Rechtsprechung findet sich die – nur bedingt aussagekräftige – Faustregel, dass alle Leistungen, die der Verkäufer kalkulatorisch in den in Rechnung zu stellenden Kaufpreis für das Grundstück im vereinbarten Zustand einzubeziehen hätte, zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zählen.14

105

Leistungen an den Veräußerer, die nicht für das Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG erbracht werden, können sich als verdeckte Gegenleistung erweisen. Dies ist anhand der Ausgewogenheit von Leistung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 43. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 44. BFH v. 15.4.2010 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 25.1.2006 – II R 61/04, BFH/NV 2006, 1059; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 15.4.2010 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 14.5.2003 – II R 25/01, BFH/NV 2003, 1395; v. 15.4.2010 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 18.8.2005 – IV R 9/04, BStBl. II 2006, 581 = FR 2006, 378 m. Anm. Kanzler = AO-StB 2006, 66; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 26.2.2009 – II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 14.5.2003 – II R 25/01, BFH/NV 2003, 1395; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BFH/NV 2017, 655; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 155. BFH v. 28.3.2012 – II R 57/10, BFH/NV 2012, 1549; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 45. BFH v. 9.12.2009 – II R 33/08, BFH/NV 2010, 838; v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 48; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 191. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 49. BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 57, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 199.

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C. Grundstückszustand und Gegenleistung

Rz. 111 § 9

und Gegenleistung zu ermitteln. Stehen sich Leistung und Gegenleistung nicht ausgewogen gegenüber, liegt in dem Ausmaß der Unausgewogenheit eine Gegenleistung vor.1 Leistungen aufgrund von Verträgen des Erwerbers mit Dritten (insbesondere Bauhandwerkern) er- 106 höhen als sonstige Leistung die Gegenleistung, wenn sich der Erwerber gegenüber dem Veräußerer zum Vertragsabschluss mit dem Dritten verpflichtet hat oder ihm der Grundstückserwerb ohne Vertragsabschluss mit dem Dritten nicht offen gestanden hätte, soweit die Gegenleistung unangemessen ist.2 Gleiches gilt, wenn der Vertragsabschluss mit dem Dritten der Herstellung des vereinbarten Zustands des Grundstücks dient oder nur dem Veräußerer gegenüber erbracht werden kann; in diesen Fällen unterbleibt eine Ausgewogenheitsprüfung.3 Sind „erwerbsobjektbezogene“ Verträge mit Dritten (z.B. Treuhändern oder Vertriebsunternehmen) 107 derart kausal mit dem Grunderwerb verknüpft, dass der Erwerber ohne Abschluss dieser Verträge nicht das Grundstück erwerben könnte, ist der Abschluss dieser Verträge dem Verkäufer zuzurechnen.4 Eigenleistungen des Grundstückserwerbers stehen, selbst wenn diese die Leistungen des Veräußerers übersteigen, der Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes nicht entgegen, solange der Veräußerer zumindest noch wesentliche Leistungen erbringt.5 Gleiches gilt für Vorbereitungshandlungen wie die Einholung einer Baugenehmigung oder die Vorbereitung der Grundstücksteilung.6 Eine Ausnahme hiervon sollen jedoch diejenigen Fälle darstellen, in denen der Veräußerer oder ihm zuzurechnende Dritte nur einzelne Bauleistungen schulden.7 Verringert sich der Kaufpreis durch Eigenleistungen, ist der verringerte Kaufpreis maßgeblich;8 nachträglich zugelassene Eigenleistungen mindern gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Bemessungsgrundlage.9

108

Veränderungen oder Erweiterungen des Leistungsumfangs nach Abschluss des Grundstückskauf- 109 vertrages können gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG die Gegenleistung erhöhen. Dies soll insbesondere für Sonderwünsche des Erwerbers gelten, wenn diese mit dem Veräußerer vereinbart werden,10 nicht aber, wenn die Sonderwünsche mit einzelnen Handwerkern vereinbart werden. Bisweilen wird vertreten, dass hierbei besser darauf abzustellen sei, ob der Erwerber den einzelnen Handwerker frei auswählen konnte.11 Werden bei einer Festpreisabrede Veränderungen vorgenommen, ohne dass diese mit einer Verringerung der Gegenleistung verbunden sind, lässt dies die Bemessungsgrundlage unverändert.12

110

Bei der auf Bauleistungen entfallenden Umsatzsteuer ist zu unterscheiden, ob auf Seiten des Veräußerers eine Person oder mehreren Personen stehen. Steht auf Seiten des Veräußerers nur eine Person, sind Grundstückslieferung und Bauerrichtung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG insgesamt umsatzsteuerfrei.13

111

1 BFH v. 9.11.1999 – II R 54/98, BStBl. II 2000, 143; v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 49, 56; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 193. 2 BFH v. 22.5.2002 – II R 2/00, BFH/NV 2002, 1613; v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 51, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 198. 3 BFH v. 7.9.1994 – II R 106/91, BFH/NV 1995, 434; v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; v. 16.9.1992 – II R 75/89, BStBl. II 1993, 197; v. 13.5.1992 – II R 13/89, BFH/NV 1993, 380; v. 12.2.1992 – II R 20/91, BStBl. II 1992, 422; v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 50, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 198. 4 BFH v. 13.12.1989 – II R 115/86, BStBl. II 1990, 440; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 51; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 198. 5 BFH v. 18.7.1990 – II R 41/88, BStBl. II 1990, 921; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 217. 6 BFH v. 27.10.1999 – II R 3/97, BFH/NV 2000, 883; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 37. 7 BFH v. 18.7.1990 – II R 41/88, BStBl. II 1990, 921; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 52. 8 BFH v. 18.7.1990 – II R 41/88, BStBl. II 1990, 921; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 49; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 217; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 4. 9 BFH v. 1.12.1982 – II R 58/81, BStBl. II 1983, 336; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 53; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 6. 10 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 53; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 192. 11 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 53; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 192. 12 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 53. 13 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 5.2.1; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 93; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 203.

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§ 9 Rz. 111 Gegenleistung Bei mehreren Personen auf der Veräußererseite ist nur die Leistung des grundstücksveräußernden Unternehmers gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei; alle übrigen Bauleistungen unterliegen der Umsatzsteuer.1 Bei Option für die Umsatzsteuerpflicht gem. § 9 UStG geht die Steuerschuldnerschaft für die Umsatzsteuer gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 UStG auf den Erwerber über und erhöht nicht die Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG, unabhängig davon, wie viele Personen auf Seiten des Veräußerers standen.2 112

Bei einem Bauherrenmodell tritt der Erwerber des Grundstücks selbst als Auftraggeber der Bauleistungen auf. Dem Bauherrenmodell liegt meist ein vom Projektanbieter bzw. Initiator entwickeltes und den Erwerbern vorgegebenes Bebauungs- und Vertragskonzept zugrunde, das ein vorformuliertes Vertragswerk mit einem zumindest weitgehend vorgegebenen Leistungsumfang sowie eine Herstellungsund Preisgarantie umfasst. Die einzelnen Verträge werden regelmäßig über eine Basisvereinbarung miteinander verknüpft, die über Aufträge, Vollmachten, Geschäftsbesorgungsverträge und Treuhandverhältnisse den Erwerber umfassend vertraglich bindet.3

113

Der Rechtsanwender steht vor dem Problem, Leistungen, die auf die Herstellung des Grundstückszustands gerichtet sind, von anderen Sphären des Leistungsaustauschs wertend abzugrenzen. Danach gehören zur Gegenleistung alle Leistungen, die aus der Sicht des Veräußerers kalkulatorisch in den einem Erwerber in Rechnung zu stellenden Kaufpreis einzubeziehen wären.4 Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich bei den aufgeführten Einzelposten um lediglich offengelegte Kalkulationsbestandteile handelt oder ob den Einzelleistungen ein eigenständiger Leistungsaustausch zugrunde liegt.

114

Zur Gegenleistung zählen ferner von Dritten zu erbringende Leistungen, die der Herstellung des als Gegenstand des Erwerbsvorgangs vereinbarten Grundstückszustands dienen, sowie nicht grundstücksbezogene weitere Leistungen des Erwerbers an den Veräußerer oder einen Dritten, sofern und soweit es an der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung fehlt.5 Unerheblich ist dagegen, ob die Leistungsbestandteile des Gesamtkaufpreises einzeln aufgeführt werden und wann und wie sie abgerechnet und bezahlt werden.6

115

Zum Gesamtaufwand gehören die Kosten für den Grundstückserwerb, die Baukosten (einschließlich der Aufwendungen für Architektenleistungen7, Baubetreuung8 und Vermessung9) sowie Leistungen, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Gebäudeherstellung stehen, wie Bürgschaftsprovisionen10 und Garantiegebühren, Vertriebsgebühren11, Vermittlungsprovisionen, Kosten der Zwischenfinanzierung und die Kosten der Baubetreuung.12

116

Nicht zur Gegenleistung zählen demgegenüber „solche zuordnungsfähigen Leistungsanteile, die außerhalb des steuerbaren Erwerbsvorgangs stehen und sich als angemessener Aufwand für tatsächlich erbrachte Leistungen darstellen“,13 namentlich die Verpflichtung zur Tragung der Grunderwerbsteuer, der Kosten der Rechtsänderung (Notar- und Grundbuchkosten), Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung des fertigen Gebäudes (Entgelte für die Vermietungsgarantie und 1 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 5.2.2; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 94 ff.; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 204. 2 Gleichlautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 5.2.1., 5.2.2. 3 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 39; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 76 f. 4 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 56; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 199. 5 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 56; a.A. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 199, wonach es nicht auf die Angemessenheit der Gegenleistung ankomme. 6 BFH v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685; v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 57, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 199. 7 BFH v. 30.4.2003 – II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446. 8 BFH v. 7.9.1994 – II R 106/91, BFH/NV 1995, 434. 9 BFH v. 23.8.1995 – II R 93/92, BFH/NV 1996, 354. 10 BFH v. 7.9.1994 – II R 106/91, BFH/NV 1995, 434. 11 BFH v. 13.12.1989 – II R 115/86, BStBl. II 1990, 440; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 194. 12 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 58. 13 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 59.

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 121 § 9

-vermittlung), ferner die rechtliche und steuerliche Beratung des Erwerbers und die Entgelte für die Erstellung der Endfinanzierung.1 Die Grunderwerbsteuer ist gem. § 16 Abs. 3 GrEStG herabzusetzen, wenn der vereinbarte Festpreis nachträglich gemindert wird. Wird erst nach Abschluss der Baumaßnahme abgerechnet, können Verringerungen schon bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden.2

117

Im Erwerbermodell ist das fertiggestellte Objekt aufgrund ausdrücklicher vertraglicher Abrede der Erwerbsgegenstand. Zur Gegenleistung gehören dabei auch gesondert zu vergütende Leistungen, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits erbracht waren oder nicht mehr erbracht werden können. Damit besteht kein Bedarf für die zum Bauherrenmodell entwickelte Unterscheidung zwischen offengelegten Kalkulationsbestandteilen und eigenständigem Leistungsaustausch.3

118

D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1) I. Kauf (Abs. 1 Nr. 1) 1. Kaufpreis Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelten bei einem Kauf als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen (s.u. Rz. 143 ff.) und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (s.u. Rz. 177 ff.). Nicht zur Gegenleistung zählt, was nicht Entgelt für den Erwerb des Grundstücks i.S.d. § 2 GrEStG darstellt. Daher erhöhen das Entgelt für die vorzeitige Nutzungsüberlassung durch den Verkäufer4 oder Schadensersatzleistungen wegen Gesundheitsbeeinträchtigungen gem. § 14 BImSchG oder § 823 BGB5 nicht die Gegenleistung.

119

Kaufpreis i.S.d. § 433 Abs. 2 BGB ist die vereinbarte Gegenleistung in Geld. Bei einer „vorläufigen 120 Kaufpreisfestlegung“ ist der endgültige Kaufpreis maßgebend.6 Ist eine ausdrückliche Bestimmung des Kaufpreises unterblieben, genügt schon, dass der Kaufpreis bestimmbar ist.7 Bei einer Unterverbriefung besteht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Abs. 1 AO gleichwohl Steuerpflicht. Maßgebend ist der tatsächlich gezahlte, nicht der zu niedrig beurkundete Kaufpreis.8 Der Kaufpreis ist auch dann maßgebliche Bemessungsgrundlage, wenn die Tilgung des Kaufpreises durch Zahlung eines Geldbetrages, sondern durch Leistung an Erfüllungs statt i.S.v. § 364 BGB bewirkt wird.9 Die Gegenleistung kann auch in Dienst- oder Arbeitsleistungen10 oder in einem Forderungsverzicht des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer bestehen. Dabei kann es sich um einen Verzicht auf Entschädigung für ein vom Vermieter und späteren Erwerber während der Mietzeit errichtetes Gebäude oder auf Aufwendungsersatz gem. §§ 951, 812 BGB handeln.11

1 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409, v. 13.12.1989 – II R 115/86, BStBl. II 1990, 440; v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 59; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 193. 2 BFH v. 26.8.1992 – II R 100/89, BFH/NV 1993, 563; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 61. 3 BFH v. 12.2.1992 – II R 20/91, BStBl. II 1992, 422; v. 13.12.1989 – II R 115/86, BStBl. II 1990, 440; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 202. 4 BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 71; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 114. 5 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 74. 6 BFH v. 30.3.2009 – II R 1/08, BFH/NV 2009, 1666; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 73; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 215; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 3. In solchen Fällen ist die Steuer gem. §§ 164, 165 AO vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen, BFH v. 17.4.1991 – II R 119/88, BStBl. II 1991, 586. 7 BFH v. 23.3.2011 – II R 33/09, BStBl. II 2011, 980; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 214; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 2. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 72; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 207. 9 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 73; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 206; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 3. 10 BFH v. 10.6.1969 – II 172/64, BStBl. II 1969, 668; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 206, 308. 11 BFH v. 22.10.1986 – II R 125/84, BStBl. II 1987, 180; Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 29; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 206, 308.

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§ 9 Rz. 122 Gegenleistung 122

Maßgebend ist, was der Käufer für das Grundstück i.S.d. § 2 GrEStG als Gegenleistung aufzuwenden hat.1 Dabei kommt es auf den materiellen Inhalt des Vertrages an, nicht auf die formelle Bezeichnung als Kaufpreis.2

123

Zur Gegenleistung zählt auch die Entschädigung für die Wertminderung des Restgrundstücks, das dem Verkäufer verbleibt.3 Gleiches gilt auch für die Entschädigungsleistung gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.4 Demgegenüber soll eine Entschädigungszahlung, die der Erwerber für Anschneidungen, Baulasten und Dienstbarkeiten an anderen Grundstücken des Veräußerers zahlt, nicht zur Gegenleistung gehören.5 Schadensersatzleistungen des Erwerbers für von ihm vor dem Erwerb veranlasste Schäden rechnen ebenfalls nicht zur Gegenleistung.6

124

Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch einen Leasingnehmer zählen neben dem vereinbarten Kaufpreis auch diejenigen Teile der Leasingraten zur Gegenleistung, die eine Vorauszahlung auf den Kaufpreis darstellen.7

125

Bei der Übernahme von Grundpfandrechten ist zu unterscheiden: Erfolgt die Übernahme erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt, ist der vereinbarte Kaufpreis maßgeblich.8 Stellt dagegen die Übernahme eine eigenständige Einzelleistung dar, so dass der Verkäufer von vorneherein nur die Übernahme, nicht aber Zahlung beanspruchen kann,9 sind die Grundpfandrechte mit ihrem steuerlichen Wert nach BewG anzusetzen.10

126

Die Übernahme einer Bürgschaft durch den Erwerber zugunsten des Veräußerers ist ebenfalls Gegenleistung und zumindest mit dem Betrag anzusetzen, der einer marktüblichen Bürgschaftsprovision entspricht.11 Sollte der Bürge im Fall seiner Inanspruchnahme keinen Rückgriff gem. § 774 BGB beim Erwerber nehmen können, erhöht dies die Gegenleistung.

127

Die Erhaltungsrücklage gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG (vormals Instandhaltungsrückstellung gem. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG a.F.) zählt zum Grundstück im grunderwerbsteuerlichen Sinn und mindert damit – entgegen früherer Auffassung12 – nicht die Bemessungsgrundlage bei Erwerb von Wohnbzw. Teileigentum. Die Erhaltungsrücklage steht nämlich der Wohnungseigentümergemeinschaft zu; der Eigentümer hat keinen Anspruch auf die anteilig auf ihn entfallende Erhaltungsrücklage.13

128

Zur Gegenleistung gehört auch eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Mieter das Grundstück vom Vermieter erwirbt, da der Veräußerer damit für die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit entschädigt wird.14 Entsprechendes gilt für eine Entschädigung,

1 BFH v. 23.9.2009 – II R 20/08, BStBl. II 2010, 495; v. 3.8.1988 – II R 210/85, BStBl. II 1988, 900; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 74; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 206. 2 Zur Anrechnung gezahlter Pachtzinsen BFH v. 3.12.1975 – II R 122/70, BStBl. II 1976, 299; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 206. 3 BFH v. 8.8.1990 – II R 22/88, BFH/NV 1991, 412; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 74; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 108. 4 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 74; einschränkend FG Münster v. 17.12.1998 – 8 K 6289/94 GrE, EFG 1999, 575. 5 BFH v. 10.5.2017 – II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 16, 108. 6 Zu Abfindungszahlungen wegen Bergschäden FG Münster v. 17.12.1998, 8 K 6289/94 GrE, EFG 1999, 575; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 108. 7 BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 74; dazu Böing, UVR 2010, 369. 8 Dabei wird es sich regelmäßig um eine bloße Tilgungsmodalität handeln, BFH v. 26.10.1994 – II R 2/92, BFH/ NV 1995, 638 (Kaufpreis in Höhe der zusammengerechneten Valutastände von Darlehen); v. 1.10.1975 – II R 84/70, BStBl. II 1976, 128 (Übernahme von Schulden, insbesondere Hypothekenschulden; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 76; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 4. 9 BFH v. 1.10.1975 – II R 84/70, BStBl. II 1976, 128; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 76. 10 BFH v. 26.4.1972 – II R 188/71, BFHE 106, 236; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 76; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 4. 11 A.A. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107. 12 BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152. 13 BFH v. 16.9.2020 – II R 49/17, BStBl. II 2021, 339; Wengerofsky, UVR 2021, 125. Für bis zum 20.5.2021 geschlossene Notarverträge ist in den koordinierten Ländererlassen v. 19.3.2021, BStBl. I 2021, 621, eine Übergangsregelung vorgesehen. Zur Beurteilung der Erhaltungsrücklage im Zwangsversteigerungsverfahren s.u. Rz. 187. 14 BFH v. 16.2.1994 – II R 114/90, BFH/NV 1995, 65; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 107, 226.

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 134 § 9

die für eine vorzeitige Aufhebung des zwischen Erwerber und Veräußerer geschlossenen Pachtvertrages gezahlt wird.1 Verpflichtet sich der Veräußerer gegen ein gesondertes Entgelt dazu, das Grundstück mietfrei zu über- 129 tragen, erhöht dies die Gegenleistung.2 Dies gilt auch für Entschädigungszahlungen, mit denen der Veräußerer den Mieter zur Beendigung des Mietverhältnisses bewegt, sofern er hierfür vom Erwerber Aufwendungsersatz beanspruchen kann.3 Eine entsprechende Entschädigungszahlung durch den Käufer an den Mieter gehört dagegen als eigennützige Erwerberleistung nicht zur Gegenleistung.4 Ebenso wenig stellt das Entgelt, das der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf für die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Mieters erhält, eine Gegenleistung dar.5 Das Entgelt für eine Mietgarantie des Veräußerers ist grundsätzlich kein Teil der Gegenleistung, sofern das Entgelt nicht unangemessen hoch ist oder der Erwerber von vorneherein das Grundstück selbst nutzen möchte.6

130

Grundsätzlich ist der Kaufpreis auch dann maßgebliche Bemessungsgrundlage, wenn eine wesentliche 131 Diskrepanz zwischen diesem und dem Wert des Erwerbsgegenstands besteht, solange es sich nicht um einen nur symbolischen Betrag handelt.7 In diesen Fällen ist jedoch eine nähere Prüfung der Umstände des Einzelfalles geboten. Wird mit dem günstigen Kaufpreis das Ziel verfolgt, einen Arbeitnehmer enger an das Unternehmen zu binden, ist dies für Zwecke der Grunderwerbsteuer grundsätzlich unbeachtlich.8 Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn damit eine Verpflichtung zu künftigen Diensten i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG9 oder eine Entlohnung für geleistete Dienste an Erfüllungs statt i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG10 verbunden sein sollte.

132

Dagegen ist die Gegenleistung bei einem rein symbolischen Kaufpreis grundsätzlich gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG zu bestimmen.11 Eine Ausnahme hiervon kommt jedoch in Betracht, wenn dem Grundstück ein negativer Verkehrswert beizumessen sein sollte.12

133

Davon ist der Fall zu unterscheiden, dass ein sowohl objektiv als auch subjektiv nahezu wertloses Grundstück übertragen wird. In diesen Fällen ist der ernsthaft vereinbarte Kaufpreis grundsätzlich auch dann als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wenn er den Wert des Grundstücks unterschreiten sollte. In solchen Fällen kann nicht hilfsweise auf den Verkehrswert des Grundstücks zurückgegriffen werden.13

134

1 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 226. 2 G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 132. Die Aussage von Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 226, wonach der Wert des Grundstücks durch ein Mietverhältnis nicht wesentlich beeinflusst werde, dürfte in dieser Allgemeinheit wohl nicht empirisch unterlegt werden können. 3 G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 133. 4 G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 135. 5 BFH v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406; Behrens, BB 2018, 871; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 305. 6 G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 136 ff. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 77; s.a. § 8 GrEStG Rz. 8 f.; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 208; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 5; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 112. Zu ungewöhnlich niedrigem Kaufpreis BFH v. 18.7.1990 – II R 41/88, BStBl. II 1990, 921; zu ungewöhnlich hohem Kaufpreis BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 77. Davon unberührt bleiben mögliche lohnsteuerliche Rechtsfolgen. 9 BFH v. 10.6.1969 – II 172/64, BStBl. II 1969, 668; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 77; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 308. 10 BFH v. 30.6.1965 – II 38/62 U, BStBl. III 1965, 514; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 77. 11 BFH v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632; v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578; v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 209. 12 FG MV v. 3.6.1998 – 1 K 212/96, EFG 1998, 1352. 13 BFH v. 12.7.2006 – II R 65/04, BFH/NV 2006, 2128; v. 5.3.1997 – II R 81/94, BFH/NV 1997, 613; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 209.

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§ 9 Rz. 135 Gegenleistung 135

Bei Erwerb eines Grundstücks durch den Gesellschafter von der Gesellschaft ist danach zu unterscheiden, ob dieser Erwerb auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage – insbesondere durch Anwachsung1 oder Auseinandersetzung2 – erfolgt, so dass sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1, § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bestimmt.3 Führt der Erwerb des Gesellschafters dagegen nicht zu einer Änderung der Gesellschafterstellung, bemisst sich die Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.4

136

Die verdeckte Gewinnausschüttung, die mit dem vergünstigten Verkauf eines Grundstücks einer Gesellschaft an einen ihrer Gesellschafter verbunden ist, soll nicht zur Gegenleistung zu zählen sein.5 Gleiches gilt auch, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von dieser ein Grundstück zum Buchwert erwirbt, sofern die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG dadurch vermieden werden, dass die Gesamthand erhalten bleibt und die Veräußerung nicht als Teilliquidation einzuordnen ist.6

137

Auch die Aufgabe bzw. Erfüllung von Ansprüchen im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Verbindung mit einem Erwerbsvorgang ist als Gegenleistung zu verstehen.7 Die Grenzziehung kann im Einzelfall schwierig sein. So soll die bewusste Hinnahme der Schmälerung des inneren Werts der Anteile keine Gegenleistung darstellen,8 der Verzicht anderer Gesellschafter auf den ihnen zustehenden Mehrwert schon.9

138

Der Kaufpreis ist gem. § 12 BewG auf den Tag des Abschlusses des Kaufvertrages zu bewerten und somit grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen, soweit sich nicht anderes aus § 12 BewG ergibt.10 Insbesondere ist der Kaufpreis nicht um Vorsteuer zu kürzen, sofern der Erwerber vorsteuerabzugsberechtigt sein sollte.11 Bei einer ratenweisen Tilgung ist der abgezinste Wert anzusetzen, wenn die letzte Rate erst nach längerer Laufzeit fällig wird.12 Dagegen ist bei einer Kaufpreisrente nicht der bezifferte Kaufpreis, sondern die gem. §§ 13, 14 BewG bewertete Rentenzahlung maßgebliche Gegenleistung.13

139

Bei einer zinslosen Stundung des Kaufpreises bei gleichzeitiger Übertragung von Besitz, Nutzen und Lasten des Grundstücks von mehr als einem Jahr ist der Kaufpreis gem. § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen.14 § 12 Abs. 3 Satz 2 BewG lässt dabei keine Abweichung von dem dort vorgegebenen Zinssatz 1 2 3 4 5

6

7 8 9 10

11 12 13 14

BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59. BFH v. 23.11.2011 – II R 64/09, BStBl. II 2012, 355. BFH v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295; v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555. BFH v. 26.10.1977 – II R 115/69, BStBl. II 1978, 201; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 78; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 211; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 5. Zur schenkungsteuerlichen Beurteilung der verdeckten Gewinnausschüttung BFH v. 13.9.2017 – II R 54/15, BStBl. II 2018, 292; v. 13.9.2017 – II R 32/16, BStBl. II 2018, 296; v. 13.9.2017 – II R 42/16, BStBl. II 2018, 299. BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 78; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 212; s.a. § 8 GrEStG Rz. 65; Gottwald, UVR 2004, 233. Anders bei Verzicht der anderen Gesellschafter auf den vertraglich vereinbarten Wertersatz für die Differenz zum gemeinen Wert, BFH v. 5.11.1980 – II R 28/75, BStBl. II 1981, 174. BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 78; s.a. § 8 GrEStG Rz. 63 ff. BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 212. BFH v. 5.11.1980 – II R 28/75, BStBl. II 1981, 174; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 212; Gottwald, UVR 2004, 233. BFH v. 12.5.2016 – II R 39/14, BStBl. II 2017, 63. Mit diesem Urteil gibt der BFH seine ältere Auffassung aus seinem Urteil v. 8.3.1989 – II R 37/86, BStBl. II 1989, 576, auf, wonach bei einem betragsmäßig festgelegten Kaufpreis ein Rückgriff auf § 12 BewG ausgeschlossen sein soll, s.a. Vettermann, DStR 2017, 1518. Zum Kapitalwert einer Kaufpreisrente bei Verkäufern in Miteigentum nach Bruchteilen BFH v. 26.11.1980 – II R 125/78, BStBl. II 1981, 284; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 80; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 215. BFH v. 21.11.2000 – II B 45/99, BFH/NV 2001, 642; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 79. BFH v. 31.3.1976 – II R 72/72; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 222. BFH v. 14.11.1967 – II 93/63, DStR 1968, 305; s.a. BFH v. 30.3.2009 – II R 1/08, BStBl. II 2009, 1666 (Kaufpreis als bloße Rechengröße); Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 75; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 222; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 3. BFH v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69, v. 10.10.1984 – II R 182/82, BStBl. II 1985, 105; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 81; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 220; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 113. Bei einer Ratenzahlung ist

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 143 § 9

von 5,5 % zu.1 Eine Abzinsung erfolgt jedoch nur, wenn der Verkäufer seine Verpflichtungen aus § 433 Abs. 1, § 446 BGB bereits erfüllt hat.2 Demgegenüber unterbleibt eine Abzinsung, wenn der Kaufpreis weniger als ein Jahr gestundet wird3 oder die gestundete Kaufpreiszahlung angemessen verzinst wird,4 die Verpflichtungen beider Parteien nach dem Kaufvertrag aufgeschoben werden5 oder der Käufer die Erfüllung des Kaufvertrages gem. §§ 320, 322 BGB Zug um Zug verschleppt.6 Eine unverzinste, auf unbestimmte Zeit gestundete Forderung ist nicht nach § 12 Abs. 3 BewG, sondern im Wege der Schätzung gem. § 12 Abs. 1 BewG zu bewerten.7 Die nachträgliche Stundung des Kaufpreises kann als Herabsetzung der Gegenleistung i.S.v. § 16 Abs. 3 GrEStG zu werten sein.8

140

Eine überhöhte Verzinsung des Kaufpreises kann eine Heraufsetzung der Bemessungsgrundlage rechtfertigen.9 Eine Kaufpreiszahlung vor Grundstücksverschaffung eröffnet dem Verkäufer eine zusätzliche Kapitalnutzungsmöglichkeit, die eine sonstige Leistung darstellt und gem. § 15 Abs. 1 BewG zu bewerten ist.10

141

Zahlungspflichten aufgrund von Leistungsstörungen, insbesondere Verzugszinsen gem. § 288 BGB, sind keine Gegenleistung. Gleiches gilt grundsätzlich für Vertragsstrafen gem. § 339 ff. BGB.11

142

2. Sonstige Leistungen a) Allgemein Bei den sonstigen Leistungen handelt es sich um diejenigen Gegenleistungen des Käufers, die kausal für den Erwerb des Grundstücks erbracht werden, ohne Kaufpreis zu sein.12 Nach einer Faustregel soll jede bei Abschluss des Kaufvertrages vereinbarte Leistung des Käufers, die Entgelt für den Erwerb des Grundstücks ist, aber nicht unmittelbar auf die Zahlung von Geld gerichtet ist, als sonstige Leistung zu qualifizieren sein.13 Die übernommenen Leistungen können sich auch auf Verbindlichkeiten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13

die Gesamtlaufzeit maßgebend, BFH v. 31.3.1976 – II R 72/72, BStBl. II 1976, 545; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 81; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 222. BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, BFH/NV 2014, 537; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 80. Derzeit lässt sich noch nicht absehen, welche Schlussfolgerungen der Gesetzgeber für das Bewertungsrecht aus BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934, ziehen wird. BFH v. 18.1.1989 – II R 103/85, BStBl. II 1989, 427; v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 219. BFH v. 18.1.1989 – II R 103/85, BStBl. II 1989, 427. Dies wird als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft, BFH v. 10.10.1984 – II R 182/82, BStBl. II 1985, 105; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 220. In der Regel wird die vereinbarte Verzinsung als angemessen anzusehen sein, BFH v. 8.3.1989 – II R 37/86, BStBl. II 1989, 576 (zu einer Verzinsung von seinerzeit 4 %); Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 81; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 223; krit. Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 3. BFH v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 82; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 223; s.a. Martin, DB 1980, 1414. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 81. BFH v. 22.11.1962 – II 175/60 U, BStBl. III 1963, 46; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 221. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 81; § 16 GrEStG Rz. 65. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 82 zieht hierfür § 42 AO heran. Regelmäßig werden jedoch bereits die allgemeinen Bewertungsregeln zu sachgerechten Ergebnissen führen. BFH v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69, Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 83; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 224, 304, 307. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 23. Diese Auffassung ist jedoch zu eng, wenn die Verwirkung der Vertragsstrafe aufgrund der Umstände des Einzelfalls so wahrscheinlich erscheint, dass diese im Ergebnis wie ein verkapptes zusätzliches Entgelt erscheint. BFH v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406; v. 10.5.2017 – II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; v. 27.10.2004 – II R 22/03, BStBl. II 2005, 301; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 84; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 241. Zum Kaufpreisaufschlag beim Erwerb weiterer Flächen gem. § 3 Abs. 7b Satz 2, § 7a AusglLeistG BFH v. 17.5.2017 – II R 7/15, BStBl. II 2018, 23. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 242.

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143

§ 9 Rz. 143 Gegenleistung beziehen, die nicht schon vom Verkäufer, sondern erst durch den Käufer begründet worden sind.1 Begünstigter der übernommenen Leistung ist nicht notwendigerweise der Verkäufer.2 Zu den sonstigen Leistungen zählt auch die Befreiung des Veräußerers von einer Verbindlichkeit durch den Erwerber.3 b) Kosten der Rechtsänderung 144

Gemäß § 448 Abs. 1 BGB trägt der Verkäufer die Kosten der Übergabe, insbesondere auch die Vermessungskosten. Bei Übernahme durch den Käufer zählen diese zu den sonstigen Leistungen,4 und zwar unabhängig davon, ob die Kosten beim Veräußerer oder Erwerber angefallen sind. Eine Ausnahme hiervon bildet der freiwillige Verkauf an den Enteignungsberechtigten, wenn die Vermessung erfolgt, um das verkaufte Grundstück bestimmen zu können.5 Auch die Übernahme der Kosten der Teilungserklärung und der vom Verkäufer geschuldeten Maklerprovision stellt eine sonstige Leistung dar.6

145

Gemäß § 448 Abs. 2 BGB trägt dagegen der Käufer die Kosten der Auflassung, Eintragung und Beurkundung. Diese Kosten sind weder Kaufpreis noch sonstige Leistung, auch wenn hierüber ausdrückliche vertragliche Absprachen getroffen werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Verkäufer sich zur Erstattung der Kosten gegenüber dem Käufer vertraglich verpflichtet.7 Gleiches gilt für die vom Käufer geschuldete Maklerprovision8 und gem. § 448 Abs. 2 BGB für die Grunderwerbsteuer selbst.9 Gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG bleibt die Übernahme der Steuer durch den Verkäufer ohne Folgen, so dass sich eine solche vertragliche Vereinbarung unter steuerlichen Aspekten als nachteilig erweist.10

146

Gemäß den Erlassen zur Verwaltungsvereinfachung sieht die Verwaltung von weiteren Ermittlungen zur Feststellung des Werts dieser sonstigen Leistungen ab, wenn deren Wert nicht mehr als 2.500 Euro beträgt.11 Diese Vorgaben lassen sich mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Kleinbetragsverordnung nur schwer in Einklang bringen.12 c) Übernahme von Grundpfandrechten

147

Gemäß § 442 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer die Grundpfandrechte zu beseitigen. Übernimmt der Käufer die grundpfandrechtlich gesicherte Schuld nur an Erfüllung statt oder erfüllungshalber, handelt es sich um eine bloße Tilgungsmodalität, die den vertraglich vereinbarten Kaufpreis unangetastet lässt.13 Übernimmt der Käufer dagegen das Grundpfandrecht zusätzlich zum Kaufpreis, stellt dies eine sonstige Leistung dar.14 Werden zusammen mit dem Grundstück weitere Vermögensgegenstände übertragen, sind nur die auf das Grundstück entfallenden Grundpfandrechte zur Bemessungsgrund1 BFH v. 21.11.1974 – II R 61/71, BStBl. II 1975, 362; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 85; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 241. 2 BFH v. 3.8.1988 – II R 210/85, BStBl. II 1988, 900; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 85; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 241. 3 BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 85; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7. 4 BFH v. 23.8.1995 – II R 93/92, BFH/NV 1996, 354; v. 21.11.1974 – II R 61/71, BStBl. II 1975, 362; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 86; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 276; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 118. 5 BFH v. 5.2.1975 – II R 80/73, BStBl. II 1975, 454; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 277. 6 BFH v. 14.10.1981 – II R 23/80, BStBl. II 1982, 138. 7 BFH v. 17.4.2013 – II R 1/12, BStBl. II 2013, 637; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 87; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 278; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7. 8 BFH v. 14.10.1981 – II R 23/80, BStBl. II 1982, 138; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7. 9 BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873. 10 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 87. 11 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, zuletzt geändert 26.1.2001 (koordinierter Ländererlass), juris; Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 10. 12 Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 7. 13 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 244. 14 BFH v. 26.10.1994 – II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 90; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 244; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 123.

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 153 § 9

lage zu rechnen.1 Die Übernahme kann auch im Rahmen der Übereignung eines Grundstücks an einen Miteigentümer zu Alleineigentum erfolgen.2 Übernimmt der Käufer eine Hypothek ohne die persönliche Schuld, ist nur die Übernahme der ding- 148 lichen Haftung aus § 1113 Abs. 1 BGB sonstige Leistung. Deren Wert liegt (nahe) Null, wenn der Ersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer aus §§ 1142, 1143 BGB (wahrscheinlich) durchsetzbar ist.3 Dagegen ist die Übernahme mit dem Nennwert der Hypothek zu bewerten, wenn die Ersatzansprüche des Käufers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht verwirklicht werden können.4 Anders stellt sich die Ausgangslage zivilrechtlich bei der Grundschuld dar, da diese bei Befriedigung des Gläubigers gem. § 1143 Abs. 1 BGB nicht auf den Eigentümer des Grundstücks übergeht. Für die Bewertung der sonstigen Leistung durch Übernahme der Grundschuld kommt es somit darauf an, ob der Käufer als neuer Eigentümer gegen den Verkäufer als persönlichen Schuldner einen Anspruch auf Befreiung geltend machen kann.5

149

Keine zusätzliche sonstige Leistung liegt in der Übernahme eines Grundpfandrechts, wenn der Käufer 150 zugleich die Forderung gegen den Verkäufer mit schuldbefreiender Wirkung übernimmt.6 Diese ist grundsätzlich gem. § 12 Abs. 1 BewG mit ihrem Nennwert anzusetzen.7 Demgegenüber liegt eine zusätzliche Leistung vor, wenn der Erwerber von einem Dritten eine mit Grundpfandrecht gesicherte Forderung gegen den Veräußerer erwirbt, das Grundpfandrecht löschen lässt und ansonsten auf die Geltendmachung der Forderung gegen den Verkäufer verzichtet.8 Die Zahlung des Erwerbers an einen Grundpfandrechtsgläubiger zählt zur Gegenleistung, wenn er damit die Löschung des Grundpfandrechts erreichen möchte.9 Übernimmt der Erwerber ein zinsvergünstigtes Darlehen zur Förderung des Mietwohnungsbaus zu- 151 sammen mit einer Mietpreisbindung, ist das Darlehen mit dem Nennwert anzusetzen. Der Zinsvorteil soll an die Mieter weitergegeben werden und kompensiert damit die Belastung aus der Mietpreisbindung. Deren Übernahme stellt somit keine sonstige Leistung dar.10 d) Übernahme sonstiger Lasten Gemäß § 442 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer ein in das Grundbuch eingetragenes Recht unabhängig 152 von der Kenntnis des Käufers zu beseitigen. Die vertragliche Übernahme nichtdauernder Lasten durch den Erwerber stellt eine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 GrEStG dar.11 Zu den nicht zur Gegenleistung zählenden dauernden Lasten i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 zählen nur solche Lasten, „die beim Abschluss des Kaufs bereits auf dem Grundstück ruhten und mit dinglicher Wirkung ohne weitere Abrede auf den Erwerber übergehen“.12 Die vom Käufer übernommene Verpflichtung zum Eintritt in einen gegenseitigen Vertrag mit dem Verkäufer oder einem Dritten kann Gegenleistung sein. Dies setzt jedoch voraus, dass sich zwischen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 90. BFH v. 17.7.1985 – II R 64/83, BStBl. II 1985, 592; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 90. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 245; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 11; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 124. BFH v. 13.7.1960 – II 173/58 U, BStBl. III 1960, 412; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 92; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 245; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 11; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 124. BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 93; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 245; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 11. BFH v. 26.10.1994 – II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 93; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 244. BFH v. 26.10.1994 – II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 249. BFH v. 13.12.2006 – II R 22/05, BFH/NV 2007, 1183; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 93. BFH v. 13.12.2006 – II R 22/05, BFH/NV 2007, 1183; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 93. BFH v. 26.10.1994 – II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; v. 24.3.1981 – II R 118/78, BStBl. II 1981, 487; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 94; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 251; anders noch BFH v. 5.11.1975 – II R 106/70, BStBl. II 1976, 130. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 95, 217; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 269; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 125. BFH v. 25.3.1958 – II 193/56 U, BStBl. III 1958, 239; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 13; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 270.

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153

§ 9 Rz. 153 Gegenleistung Verkäufer und Käufer ein Wertzufluss bzw. -abfluss vollzieht, der sich auf den Erwerbsgegenstand bezieht.1 Stehen die gegenseitigen Verpflichtungen in einem ausgewogenen Verhältnis, liegt kein Wertzufluss vor.2 Bei einem unausgewogenen Verhältnis bemisst sich die Gegenleistung nach dem Umfang der Unausgewogenheit.3 154

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt der gem. § 571 BGB kraft Gesetzes erfolgende Eintritt des Erwerbers in Mietverträge zwischen Veräußerer und Dritten dar.4 Aus § 571 BGB folgt, dass das Grundstück zusammen mit dem Mietvertrag als Einheit anzusehen ist. Dies ist sachlich gerechtfertigt, da die Konditionen des Mietvertrags häufig den maßgeblichen wertbestimmenden Faktor des Grundstücks darstellen.

155

Bei einem zinsverbilligten Darlehen beläuft sich der Wert der sonstigen Leistung auf die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem gem. § 15 Abs. 1 BewG zugrunde zu legenden Zinssatz von 5,5 %.5 Abweichend von der Jahresfrist des BewG gilt dies auch bei einer Laufzeit von weniger als einem Jahr.6

156

Abschlagszahlungen nach der MaBV, der Leitbildfunktion für den Leistungsaustausch zukommt, vor Bezugsfertigkeit stellen keine Vorleistung und somit auch keine sonstige Leistung dar.7

157

Grundsätzlich sind die grunderwerbsteuerpflichtigen Umsätze gem. § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei. Der Unternehmer kann gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für die Umsatzsteuerpflicht optieren, so dass der Erwerber gem. § 13b Abs. 2 UStG Schuldner der Umsatzsteuer wird. In diesem Fall kann die Umsatzsteuer nicht Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein.8 e) Erschließungsbeiträge

158

Übernimmt der Erwerber rückständige Abgaben des Verkäufers, stellt dies grundsätzlich eine sonstige Leistung dar, wenn damit der maßgebliche Zustand des Grundstücks hergestellt werden soll.9 Ist das Grundstück im erschlossenen Zustand Erwerbsgegenstand, zählen die übernommenen Erschließungsbeiträge zur sonstigen Leistung.10 Ist dagegen das Grundstück im unerschlossenen Zustand Erwerbsgegenstand, fehlt es an der Kausalität des Erwerbs für die Erschließungsaufwendungen,11 sofern die Parteien keine überhöhte Pauschale vereinbaren.12

1 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 305; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 130. 2 BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 305. Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages übernommene Verpflichtung des Erwerbers, dem Mieter eine sog. Mieterdienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, BFH v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406; Behrens, BB 2018, 871. 3 BFH v. 17.4.1991 – II R 119/88, BStBl. II 1991, 586; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 306. 4 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107. 5 BFH v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69; v. 17.4.1991 – II R 119/88, BStBl. II 1991, 586; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 341. 6 BFH v. 5.7.2006 – II R 37/04, BFH/NV 2006, 2127; v. 14.6.2006 – II R 12/05, BFH/NV 2006, 2126; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96. 7 BFH v. 14.6.2006 – II R 12/05, BFH/NV 2006, 2126; v. 25.4.2002 – II R 57/00, BFH/NV 2002, 1612; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 96; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 307; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 115. Auch § 632a BGB wird eine solche Leitbildfunktion zuzumessen sein. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 97; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 8. Zum umgekehrten Fall (Grunderwerbsteuer als Teil der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer) BFH v. 9.11.2006 – V R 9/04, BStBl. II 2007, 285. 9 BFH v. 11.2.2004 – II R 31/02, BStBl. II 2004, 521; v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 279. 10 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 282. 11 BFH v. 21.3.2007 – II R 67/05, BStBl. II 2007, 614; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 253. 12 BFH v. 9.5.1979 – II R 56/74, BStBl. II 1979, 577; v. 27.6.1968 – II 112/64, BStBl. II 1968, 690; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 283.

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 165 § 9

Demgegenüber liegt keine Gegenleistung vor, wenn die Beitragspflicht erst in der Person des Erwerbers entsteht,1 selbst wenn die Erschließungsanlagen bei Vertragsschluss schon hergestellt, aber noch kein Beitragsbescheid hierüber ergangen ist.2

159

Wenn die Gemeinde Vorauszahlungen vom Veräußerer verlangt, sind diese als Vorauszahlung auf die künftig entstehende Beitragsschuld des Erwerbers zu qualifizieren, wenn der Veräußerer die Vorauszahlungslast auf den Erwerber überwälzt3 oder der Erwerber dem Veräußerer diese nachträglich erstattet.4

160

Ebenso stellt die Übernahme der Verpflichtungen aus einem noch nicht erfüllten Ablösungsvertrag zwischen Veräußerer und Gemeinde keine sonstige Leistung dar,5 da die Leistung letztlich dem Erwerber zugutekommt.

161

Dagegen soll die Erstattung der schon vor dem Erwerbsvorgang gezahlten Ablösungsbeträge eine sonstige Leistung darstellen, da ein erschließungsbeitragsfreies Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird.6 Bei einer Kostenspaltung gem. § 127 Abs. 3 BauGB ist nicht von einer Vorauszahlung des Veräußerers auszugehen, sondern von einer sonstigen Leistung, soweit eine Teilbeitragsschuld entstanden und geltend gemacht worden war.7

162

Demgegenüber sind die vom Käufer übernommenen Verpflichtungen aus einem Erschließungsver- 163 trag nach allgemeinen Regeln zu beurteilen. Ist somit das Grundstück in nicht erschlossenem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs, sind diese vom Käufer übernommenen Aufwendungen keine Gegenleistung.8 Als Indizien hierfür nennt die Rechtsprechung9 zwei selbständige Geldforderungen mit gesonderter Fälligkeit bzw. Abrechnungsverpflichtung, unterschiedliche Leistungspflichten des Verkäufers, selbständige Fälligkeit beider Forderungen und rechtliche Unabhängigkeit des Kaufvertrages von der Durchführung der Erschließung. Ist dagegen das Grundstück im erschlossenen Zustand zu einem einheitlichen Festpreis veräußert worden, sind die Erschließungskosten selbst dann Teil der Gegenleistung, wenn die Eigentumsübertragung vor Fertigstellung der bereits begonnenen Erschließungsmaßnahmen erfolgt.10 Bei Kauf eines Grundstücks von der Gemeinde ist die Übernahme der Verpflichtung zur Tragung der Erschließungsbeiträge keine Gegenleistung, unabhängig davon, ob die Erschließung noch nicht begonnen, bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen oder bereits endgültig abgeschlossen ist.11

164

Ein anderes Ergebnis soll dagegen eintreten, wenn kein den Erwerber kraft Gesetzes treffender Er- 165 schließungsbeitrag erhoben, sondern die Erschließungskosten vertraglich abgewälzt werden.12 Wird von einer Gemeinde ein unerschlossenes Grundstück zu einem einheitlichen Kaufpreis verkauft und dabei das Grundstück im erschlossenen Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht, soll

1 BFH v. 9.5.1979 – II R 56/74, BStBl. II 1979, 577; v. 10.11.1970 – II 188/65, BStBl. II 1971, 252; v. 19.11.1968 – II R 16/68, BStBl. II 1969, 90; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 284. 2 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 285. FG Münster v. 18.3.2021 – 8 K 1438/19 GrE, EFG 2021, 1136 (Rev. II R 9/21), verneint nur dann eine Gegenleistung, wenn die im Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten im Vertrag gesondert ausgewiesen werden und der Vertrag eine gesonderte Fälligkeitsvereinbarung oder Abrechnungsverpflichtung für die Erschließungskosten enthält. 3 BFH v. 30.1.1985 – II R 6/83, BStBl. II 1985, 373; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 293; a.A. Grziwotz, DStR 1994, 1014. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 293; Baumann, UVR 2004, 64; FM BW v. 25.7.2002, DStR 2002, 1543 Tz. 2. 5 BFH v. 11.2.2004 – II R 31/02, BStBl. II 2004, 521; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 294. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 294; a.A. FG Münster v. 14.8.2003 – 8 K 6709/01 GrE, EFG 2003, 1724. 7 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 295; a.A. Baumann, UVR 2004, 64, FM BW v. 25.7.2002, DStR 2002, 532 Tz. 3. 8 BFH v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93; v. 15.3.2001 – II R 51/00, BFH/NV 2001, 1297; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 297. 9 BFH v. 9.5.1979 – II R 56/74, BStBl. II 1979, 577; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 297. 10 FG Münster v. 18.3.2021 – 8 K 1438/19 GrE, EFG 2021, 1136 (Rev. II R 9/21). 11 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 300. 12 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 301; a.A. Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 27.

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§ 9 Rz. 165 Gegenleistung auch der auf die künftige Erschließung entfallende Kaufpreisanteil Teil der Gegenleistung sein.1 Damit ergeben sich unterschiedliche steuerliche Konsequenzen, je nachdem, ob die Gemeinde für Erschließungsmaßnahmen hoheitlich Erschließungsbeiträge erhebt (dann keine Gegenleistung) oder diese kraft ihrer zivilrechtlichen Eigentümerstellung über den Kaufpreis finanziert. 166

Entsprechende Grundsätze gelten für die vertragliche Übernahme der Ausgleichsbeitragspflicht i.S.d. § 154 Abs. 1 BauGB in Sanierungsgebieten2 sowie von Kostenübernahmen im Rahmen eines Folgekostenvertrages i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB3 und für die Kostenübernahme für Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. § 135a Abs. 2 BauGB.4

167

Dies soll jedoch nicht für noch nicht entstandene Verpflichtungen aus einem städtebaulichen Vertrag5 und für Beiträge für Kfz-Einstellplätze gelten, wenn die Gemeinde ein Grundstück veräußert.6

168

Für Kommunalabgaben nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder sind dieselben Grundsätze anzuwenden. Die Entstehung der Ansprüche ist jedoch teilweise anders als im BauGB geregelt. Eine Gegenleistung ist somit anzunehmen, wenn die Beitragsschuld bereits mit Herstellung entsteht oder das Grundstück im erschlossenen Zustand erworben wird.7 Gleiches gilt für den Fall, dass das Landesrecht – wie in Bayern gemäß Art. 5 KAG – auch gemeindliche Grundstücke der Beitragspflicht unterwirft und diese bereits vor Veräußerung des Grundstücks entstanden ist.8 f) Weitere sonstige Leistungen

169

Über die bisher genannten Fallgruppen hinaus gibt es eine reiche Kasuistik zur Einordnung von Leistungspflichten, die nicht in Geld bestehen, unter sonstige Leistungen als Teil der Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Eine sonstige Leistung ist auch anzunehmen bei Verpflichtung zur Betriebsverlegung.9

170

Die Erstattung von Umzugskosten und Kosten für die Beschaffung eines Ersatzgrundstückes (einschließlich Makler- und Notarkosten sowie Grunderwerbsteuer) durch den Erwerber erhöht ebenfalls die Gegenleistung.10 Ebenso ist ein vom Erwerber gesondert vereinbartes Entgelt für die Räumung des Grundstücks eine sonstige Leistung, da diese Verpflichtung vom Verkäufer nicht gesondert übernommen werden kann.11

171

Eine sonstige Leistung stellt auch das für die Aussaat vereinbarte Entgelt dar, ebenso das Entgelt für die aufstehende Ernte oder das aufstehende Holz, selbst wenn über dieses ein gesonderter Vertrag geschlossen wird,12 sowie das Entgelt für miterworbene grundeigene Bodenschätze.13

172

Auch die Einräumung einer Grunddienstbarkeit mit einer Wettbewerbsbeschränkung durch den Erwerber zugunsten des Veräußerers stellt eine sonstige Leistung dar.14

173

Auch soll der Eintritt in einen Bierlieferungsvertrag mit einem Dritten keine sonstige Leistung darstellen, wenn Leistung und Gegenleistung ausgewogen sind. Dabei soll es unbeachtlich sein, dass die Bierbezugsverpflichtung die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien einengt.15

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Hess. FG v. 24.8.2020 – 5 K 1373/19, EFG 2021, 52 (Rev. II R 32/20). BFH v. 3.8.1988 – II R 210/85, BStBl. II 1988, 900; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 303. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 303. BFH v. 28.10.2009 – II R 18/08, BStBl. II 2010, 497; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 303. BFH v. 18.6.2014 – II R 12/13, BStBl. II 2014, 857; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 303. BFH v. 19.11.1968 – II R 16/68, BStBl. II 1969, 90; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 303. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 302. G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 24 ff. BFH v. 27.6.1968 – II 112/64, BStBl. II 1968, 690. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 311, 313. BFH v. 1.4.1953 – II 191/52 U, BStBl. III 1953, 145; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 316. BFH v. 11.5.1966 – II 171/63, BStBl. III 1966, 400; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 317. BFH v. 30.7.2008 – II R 40/06, BFH/NV 2008, 2060. BFH v. 21.7.1967 – II 158/63, BStBl. II 1968, 220; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 319. BFH v. 23.2.1977 – II R 159/72, BStBl. II 1977, 486; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 322.

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Konrad

D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 178 § 9

Die mit einem landwirtschaftlichen Betrieb übergehende Milchreferenzmenge1 ist ebenso wie die mit landwirtschaftlichen Flächen übergehende Ackerquote2 oder Betriebsprämie3 nicht Grundstücksbestandteil i.S.d. § 2 GrEStG. Somit zählt das hierfür vereinbarte Entgelt auch nicht zur Gegenleistung.

174

Die Übernahme eines Unternehmens stellt auch dann keine Gegenleistung dar, wenn eine Verpflichtung zur Betriebsfortführung trotz Verlusten besteht.4

175

Keine Gegenleistung soll grundsätzlich in der Wertsteigerung von Grundstücken des Verkäufers lie- 176 gen, die diese zusammen mit dem von diesem an die Gemeinde verkauften Grundstück durch Bauleitplanung erfahren, auch wenn die Baulandausweisung Geschäftsgrundlage war, solange nicht die Schwelle zu der gem. § 2 Abs. 3 BauGB unzulässigen Verpflichtung zur Bauleitplanung überschritten wird.5 Auch insoweit sind Zweifel angebracht, sofern die Gemeinde das Grundstück nicht ohne entsprechende Bauleitplanung erlangt hätte. In der Übernahme der aus einem städtebaulichen Vertrag herrührenden Verpflichtung des Veräußerers, Wohnungen einem bestimmten Personenkreis mietverbilligt zu überlassen, soll keine sonstige Leistung des Erwerbers im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellen.6

176.1

3. Dem Verkäufer vorbehaltene Nutzungen Gemäß § 446 Satz 2 BGB stehen dem Käufer ab der Übergabe die Nutzungen des Grundstücks zu. Die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind solche Nutzungen, die sich der Verkäufer für die Zeit nach Übergang des Besitzes auf den Erwerber i.S.v. § 446 BGB vorbehält.7 Gemäß §§ 99, 100 BGB sind Nutzungen Früchte einer Sache oder eines Rechts und die entsprechenden Gebrauchsvorteile, auch die mittelbaren Nutzungen gem. § 99 Satz 3 BGB, zu denen insbesondere Miet- und Pachtzahlungen zählen. Für die Zahlungen während der Übergangszeit ist § 101 BGB zu beachten.8 § 446 Satz 2 BGB ist jedoch abdingbar, so dass die Gegenleistung in diesen Fällen genauer dadurch beschrieben wird, dass Leistung und Gegenleistung in einem solchen Fall entgegen der Regel des § 320 BGB nicht Zug um Zug erbracht werden und in dieser Ungleichzeitigkeit eine sonstige Leistung liegt.9 Für die vorbehaltenen Nutzungen ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegenüber § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vorrangig.

177

Erfasst sind Nutzungen aller Art,10 namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte, auch wenn sie 178 neu begründet werden,11 Mietvorauszahlungen,12 Pachtzinsen,13 obligatorische Geh- und Fahrtrechte,14 beschränkte persönliche Dienstbarkeiten gem. §§ 1090 ff. BGB15 und das Dauerwohnrecht gem. §§ 31 ff. WEG.16 Entschädigungen für entgangene Nutzungen erhöhen ebenfalls die Gegenleistung.17 Mietvorauszahlungen für die Zeit nach der Übereignung, die der Veräußerer und frühere Vermieter behalten darf, zählen als vorbehaltene Nutzungen zur Gegenleistung. Dies gilt ebenso, wenn 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

FG MV v. 12.3.2003 – 3 K 280/01, EFG 2003, 878; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 324. FG MV v. 27.11.2002 – 3 K 60/02, juris. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 325. BFH v. 27.10.2004 – II R 22/03, BStBl. II 2005, 301; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 328. FG München v. 23.06.2021 – 4 K 2843/18, EFG 2021, 1846 (Rev. II R 26/21). Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 103; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 152; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 231. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 104; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 232. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 105; nur im Ergebnis ebenso BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186. BFH v. 13.7.1960 – II 49/60 U, BStBl. III 1960, 413; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 12. BFH v. 8.10.1980 – II R 56/79, BStBl. II 1981, 74; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 234; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 152. BFH v. 27.2.1957 – II 211/56 U, BStBl. III 1957, 110; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 234; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 153. BFH v. 22.6.1977 – II R 22/71, BStBl. II 1977, 703; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106. BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 152. BFH v. 27.10.1970 – II 72/65, BStBl. II 1971, 278; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 234. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 234. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 106.

Konrad

689

§ 9 Rz. 178 Gegenleistung sich der Veräußerer eine Wohnung zu einem günstigen Mietzins bzw. die Aberntung eines Feldes vorbehält.1

II. Tausch (Abs. 1 Nr. 2) 179

Gemäß § 1 Abs. 5 GrEStG unterliegt bei einem Tauschvertrag (§ 480 BGB) sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils der Grunderwerbsteuer. Somit liegen zwei Erwerbsvorgänge vor. Dementsprechend gilt gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Tauschleistung des anderen Vertragsteils einschließlich einer vereinbarten zusätzlichen Leistung als Gegenleistung.

180

Die Tauschleistung kann in einem Grundstück, auch einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück,2 in beweglichen Sachen oder in Rechten bestehen. Bei einem Tausch von Grundstücken ist jedes Grundstück mit seinem gemeinen Wert i.S.d. § 9 BewG gesondert zu bewerten, nicht mit dem von den Parteien angegebenen Wert.3 Entsprechendes gilt für den Doppelkauf, bei dem jeder Vertragsbeteiligter zugleich Käufer und Verkäufer ist.4 Ebenso sind die Befreiungsvorschriften für jeden Erwerbsvorgang gesondert zu prüfen.5

181

Bei einem Grundstückstausch mit Zuzahlung ist die Gegenleistung für das weniger wertvolle Grundstück nur der Anteil am wertvolleren Grundstück, der sich aus dem Wertverhältnis zwischen dem weniger wertvollen Grundstück und der Zuzahlung ergibt.6 Übernimmt einer der Beteiligten die Grunderwerbsteuer des anderen, ist dieser Betrag Teil der Gegenleistung und unterfällt nicht § 9 Abs. 3 GrEStG.7

III. Leistung an Erfüllungs statt (Abs. 1 Nr. 3) 182

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG gilt bei einer Leistung an Erfüllungs statt der Wert, zu dem die Leistung an Erfüllungs statt angenommen wird, als Gegenleistung. Eine Leistung an Erfüllungs statt i.S.v. §§ 364, 365 BGB setzt ein schon vorhandenes, auf eine andere Leistung zielendes Schuldverhältnis voraus.8 Der Wert der Gegenleistung bestimmt sich dann nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses, das durch die Übertragung des Grundstücks als Leistung an Erfüllungs statt zum Erlöschen gebracht wird.9 Zwischen der Übertragung des Grundstücks durch den Veräußerer und der Aufgabe des vertraglichen Anspruchs des Erwerbers muss ein innerer Zusammenhang bestehen.10 Erbringt der Veräußerer neben der Übertragung des Grundstücks als Leistung an Erfüllung statt noch weitere Leis-

1 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 234. Diese Sachverhaltskonstellation ist von einer Mieterdienstbarkeit zu einem angemessenen Entgelt abzugrenzen, BFH v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406. Instruktiv BFH v. 13.7.1966 – II 140/63, BFHE 86, 693 zur Veräußerung eines Grundstücks durch eine Gemeinde an eine Kirchengemeinde mit Nutzungsvorbehalt bis zur Fertigstellung des neuen Rathauses. 2 BFH v. 5.11.1958 – II 166/57 U, BStBl. III 1959, 98; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 108. 3 BFH v. 18.12.1963 – II 87/60 U, BStBl. III 1964, 102; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 109; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 341. 4 BFH v. 2.3.1971 – II 64/65, BStBl. II 1971, 533; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 341. 5 BFH v. 27.8.1975 – II R 103/70, BStBl. II 1976, 94; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 109; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 343. 6 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 110; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 157; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 23 ff.; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 346 ff. 7 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 349, 593. 8 BFH v. 1.10.1975 – II R 84/70, BStBl. II 1976, 128; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 112; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 361; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 28. 9 Wie ein Zahlungsanspruch, BFH v. 5.11.1980 – II R 28/75, BStBl. II 1981, 174, oder ein Lohnanspruch, BFH v. 30.6.1965 – II 38/62 U, BStBl. III 1965, 514; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 112; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 361. 10 BFH v. 30.6.1965 – II 38/62 U, BStBl. III 1965, 514 (Annahme eines Grundstücks an Erfüllungs statt für ausstehenden Arbeitslohn); Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 113; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 361.

690

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 189 § 9

tungen, ist eine Aufteilung vorzunehmen.1 Umgekehrt erhöht eine Zuzahlung des Erwerbers die Gegenleistung.2

IV. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Abs. 1 Nr. 4) 1. Meistgebot Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG gilt beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren das Meist- 183 gebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben, als Gegenleistung. Die Begriffe in § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG sind wie im ZVG zu verstehen.3 Erfasst werden alle Versteigerungen nach ZVG, also auch solche im Insolvenzverfahren gem. §§ 172 bis 174a ZVG, die Versteigerung eines Nachlassgrundstücks auf Antrag eines Erben gem. §§ 175 bis 179 ZVG und zur Aufhebung einer Gemeinschaft gem. §§ 180 bis 184 ZVG,4 nicht aber die freiwillige Versteigerung, die einen Kauf darstellt und für die sich die Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bestimmt.5 Neben Grundstücken sind auch grundstücksgleiche Rechte i.S.d. § 864 Abs. 1 ZPO wie das Erbbaurecht i.S.d. § 11 ErbbauRG (einschließlich des Wohnungs- und Teilerbbaurechts i.S.d. § 30 WEG) sowie Bruchteile hiervon wie das Wohnungs- und Teileigentum i.S.d. § 1 WEG von § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG erfasst.6

184

Die Zwangsvollstreckung erstreckt sich auf das Grundstück sowie gem. § 865 ZPO, § 20 Abs. 2, § 55 185 Abs. 1 ZVG auf die vom Grundstück getrennten Erzeugnisse und sonstige Bestandteile sowie das Grundstückszubehör i.S.d. §§ 97, 98, 1120 BGB, soweit diese nicht Eigentum eines Dritten geworden sind oder gem. §§ 1121, 1122 BGB enthaftet worden sind.7 Der Grunderwerbsteuer unterliegt dagegen gem. § 2 GrEStG nur das Grundstück, nicht aber das 186 gem. § 90 Abs. 2 ZVG mitversteigerte Zubehör, Maschinen und Betriebsvorrichtungen. Zur Gegenleistung zählen dagegen auch die auf den Erwerber übergehenden Belastungen mit Ausnahme der auf dem Grundstück ruhenden Lasten i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, die Leistungen des Erwerbers an Dritte i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sowie die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG. Das Meistgebot ist auch dann Bemessungsgrundlage, wenn der Meistbietende einen Anspruch auf Übereignung aus Kaufvertrag hätte.8 Das Meistgebot ist nach den Grundsätzen für die Verteilung der Gesamtgegenleistung zwischen dem Grundstück und den gem. § 90 Abs. 2 ZVG mitversteigerten Gegenständen aufzuteilen,9 also im Verhältnis des Werts des Grundstücks zum Wert der sonstigen Gegenstände.10 Das Meistgebot ist jedoch nicht um die anteilige Erhaltungsrücklage (vormals Instandhaltungsrückstellung) zu kürzen.11

187

Bei der Versteigerung eines Gebäudes auf fremdem Boden, die gem. § 95 BGB, §§ 808 ff. ZPO nach den Regeln über die Versteigerung von beweglichen Sachen erfolgt, findet § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG entsprechende Anwendung.12

188

Das Meistgebot i.S.d. § 81 ZVG setzt sich zusammen aus dem geringsten Gebot i.S.d. § 44 Abs. 1 ZVG unter Einschluss der bestehen bleibenden Rechte i.S.d. § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG sowie dem Mehrgebot

189

1 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 113; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 362; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 160. 2 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 362. 3 BFH v. 2.3.2016 – II R 27/14, BStBl. II 2016, 619; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 114; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 161; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 372. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 372. 5 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 376. 6 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 114; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 382. 7 BFH v. 2.3.2016 – II R 27/14, BStBl. II 2016, 619; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 115; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 381 ff. 8 BFH v. 14.11.1967 – II 27/64, BFHE 91, 58; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 398. 9 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 115; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 385. 10 BFH v. 14.11.1967 – II 27/64, BFHE 91, 58; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 385. 11 BFH v. 2.3.2016 – II R 27/14, BStBl. II 2016, 619; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 386. 12 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 115; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 375, 498; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 37.

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691

§ 9 Rz. 189 Gegenleistung i.S.d. § 49 Abs. 1 ZVG. Davon ist das Bargebot i.S.d. § 49 Abs. 1 ZVG zu unterscheiden, das neben dem Mehrgebot auch die dort genannten Ansprüche und die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens i.S.d. § 109 ZVG umfasst.1 Das Meistgebot ist dabei mit seinem Nennwert anzusetzen, ohne die gem. § 49 Abs. 2 ZVG zu leistenden Zinsen auf das Bargebot.2 2. Bestehen bleibende Rechte 190

Die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte sind die gem. § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG bei Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigten und nicht durch Zahlung zu deckenden Rechte.3 Zur Gegenleistung zählen auch Grundpfandrechte des Erwerbers, die bei einem Zuschlag nach Doppelangebot gem. § 59 Abs. 2 ZVG bestehen bleiben.

191

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG erlöschen die nicht in das geringste Gebot aufgenommenen Rechte. Demgegenüber sind Rechte und Lasten, die außerhalb des geringsten Gebots – insbesondere gem. § 52 Abs. 2 ZVG – bestehen bleiben, gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in die Gegenleistung einzubeziehen.4 Ein Recht ist auch dann bei der Gegenleistung zu berücksichtigen, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots zu Unrecht einbezogen worden ist, da dies eine Zuzahlungspflicht gem. §§ 50, 51 ZVG auslöst. Ist es dagegen bei der Feststellung des geringsten Gebots zu Unrecht nicht einbezogen worden, erlischt es gem. § 52 Abs. 1 Nr. 2 ZVG.5

192

Unter den Versteigerungsbedingungen sind die gesetzlichen Regelungen der Zwangsversteigerung gem. §§ 49 ff. ZVG einschließlich der abweichenden Versteigerungsbedingungen gem. § 59 ZVG zu verstehen, wobei diese gem. § 82 ZVG im Zuschlag zu bezeichnen sind.6

193

Wird gem. § 91 Abs. 2 ZVG ein Liegenbelassen von Rechten vereinbart, bleiben diese Rechte nicht aufgrund der Versteigerungsbedingungen bestehen und sind demnach nicht in die Gegenleistung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG einzubeziehen (zu § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vgl. Rz. 207).7

194

Die bestehen bleibenden Rechte sind mit dem vollen im geringsten Gebot (§ 45 Abs. 1 ZVG) berücksichtigten Nennwert zu bewerten. Unbeachtlich ist, ob der Meistbietende diese Rechte zuvor unter Nennwert erwerben konnte.8 Die gem. § 52 Abs. 2 Satz 2, § 91 Abs. 1 ZVG erlöschenden Rechte sind für das Meistgebot ebenso unbeachtlich wie die nicht auf Zahlung von Kapital gerichteten Rechte i.S.d. § 92 Abs. 1 ZVG.9

195

Abweichend von der zivilrechtlichen Betrachtungsweise sind Belastungen, die den Erwerber wirtschaftlich nicht belasten, vom Nennwert abzuziehen. Dies betrifft insbesondere Gesamtbelastungen, die den Erwerber schon als Miteigentümer der ersteigerten Grundstücks betrafen.10 3. Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG

196

Zur zusätzlichen Leistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG rechnet auch der Betrag, zu dem § 114a ZVG für den meistbietenden Befriedigungsberechtigten die Befriedigung seines Anspruchs als Rechtsfolge des erteilten Zuschlags fingiert.11 § 114a ZVG verhindert insbesondere, dass ein innerhalb der 7/10-Grenze liegender Gläubiger des Vollstreckungsschuldners zunächst günstig das Grundstück er1 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 116; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 396; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 162. Zum Gleichlauf der Auslegung mit dem Zwangsversteigerungsrecht BFH v. 23.1.1985 – II R 36/83, BStBl. II 1985, 339. 2 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 397 f. 3 BFH v. 20.4.2007 – II B 69/06, BFH/NV 2007, 1538; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 118; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 401; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 40; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 163. 4 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 118; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 416. 5 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 120; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 405 f. 6 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 118; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 401. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 119; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 401. 8 BFH v. 23.1.1985 – II R 36/83, BStBl. II 1985, 339; v. 24.10.2000 – II B 38/00, BFH/NV 2001, 482; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 121; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 404. 9 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 121. 10 BFH v. 12.10.1983 – II R 18/82, BStBl. II 1984, 116; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 122. 11 BFH v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 487; v. 25.8.2010 – II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; dazu Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 124; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 431; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 167; Steiger, UVR 1992,

692

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 202 § 9

wirbt und seinen Schuldner danach noch persönlich für den verbleibenden Restbetrag in Anspruch nimmt.1 Auch soll damit ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass andere Interessenten der Versteigerung fernbleiben, solange ein dinglich gesicherter Gläubiger im Rahmen seiner Sicherheit mitbietet.2 Den Eintritt dieser Rechtsfolge kann der Grundpfandgläubiger auch nicht durch Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot abwenden.3 Gleiches gilt, wenn ein vom Treugeber abhängiges Unternehmen das Meistgebot unterhalb der 7/10-Grenze abgibt.4 Dagegen stellt die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG keine Gegenleistung dar, wenn ein fremder Dritter das Meistgebot dem Grundpfandgläubiger abtritt, damit keine Leistung an den Grundstückseigentümer und Vollstreckungsschuldner bewirkt wird.5

197

Bezugspunkt für die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG ist der gem. § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzte Grundstücksverkehrswert, sofern der Erwerber noch bis zur Erteilung des Zuschlags einen Antrag auf dessen Abänderung stellen konnte. Ansonsten entfällt die Bindungswirkung des Grundstücksverkehrswerts i.S.d. § 74a Abs. 5 ZVG.6 An dessen Stelle tritt der Verkehrswert des Grundstücks auf den Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebots.7

198

Die Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Gestalt der Befriedigungsfiktion ist mit dem 199 Nennbetrag der noch offenen, gesicherten Forderung zu bewerten.8 Nach Erteilung des Zuschlags eintretende Wertminderungen des Grundstücks sind nicht zu berücksichtigen.9 Eine Begrenzung auf den wirtschaftlich vom Erwerber zu tragenden Betrags scheidet aus.10 Die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG tritt auch in den Fällen des § 81 Abs. 2, 3 ZVG ein, wenn der Meistbietende dem Befriedigungsberechtigten das Recht aus dem Meistgebot abtritt oder erklärt, für diesen gehandelt zu haben. Bei einem Erwerb des Befriedigungsberechtigten zählt die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG als zusätzliche Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG.11 Entsprechende Anwendung findet § 114a ZVG, wenn dieser das Meistgebot vor Erteilung des Zuschlags an einen Dritten abtritt.12

200

Die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG greift nicht bei einem Meistbietenden, der im Rahmen eines erweiterten Auftragserwerbs für den befriedigungsberechtigten Auftraggeber bietet. Hiervon soll eine Ausnahme gelten, wenn der beauftragte Meistbietende nur als Strohmann tätig wird.13

201

Zur Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG zählt auch die schuldrechtliche Forderung, die ein Gläubiger aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG gegen den Zwangsvollstreckungsschuld-

202

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

349. Die Hinzurechnung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, vgl. BVerfG v. 26.4.1990 – 2 BvR 331/90, NJW 1990, 2375. BFH v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 427; v. 19.6.2013 – II R 5/11, BStBl. II 2013, 926 = AO-StB 2013, 333; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 125; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 431. BFH v. 25.8.2010 – II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 125. BFH v. 19.6.2013 – II R 5/11, BStBl. II 2013, 926; v. 16.3.1994 – II R 14/91, BStBl. 1994, 525; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 432; Pahlke6, § 9 GrEStG, Rz. 128. BFH v. 19.6.2013 – II R 5/11, BStBl. II 2013, 926; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 432. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 433. BFH v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 487; v. 25.8.2010 – II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 126. BFH v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 487; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 126. BFH v. 8.2.1995 – II B 66/94, BFH/NV 1995, 927; v. 15.11.1989 – II R 71/88, BStBl. II 1990, 228; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 126; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 431. BFH v. 15.11.1989 – II R 145/88, BFH/NV 1990, 730; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 126; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 431. BFH v. 25.8.2010 – II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 126; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 431. Wohl BFH v. 16.10.1985 – II R 99/85, BStBl. II 1986, 148; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 127; a.A. Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 51. BFH v. 16.10.1985 – II R 99/85, BStBl. II 1986, 148; v. 16.3.1994 – II R 14/91, BStBl. II 1994, 525; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 127; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 432. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 128; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 444; Steiger, UVR 1992, 349.

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§ 9 Rz. 202 Gegenleistung ner verliert. Gleiches gilt für den Treugeber einer Grundschuld, wenn ein abhängiges Unternehmen unterhalb der 7/10-Grenze das Meistgebot abgibt.1 4. Weitere Leistungen 203

Zu den zusätzlich gewährten Leistungen i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zählen Zahlungen des Meistbietenden nach Abgabe des Meistgebots, mit denen der Grundstückseigentümer bzw. der Insolvenzverwalter davon abgehalten werden sollen, ihrerseits die Zuschlagserteilung zu vereiteln.2

204

Zu den Lasten, die gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auf dem Grundstück ruhen und kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen, zählen Nutzungsrechte i.S.d. Art. 233 § 4 Abs. 4, 7 EGBGB, Überbauund Notwegrenten (§ 52 Abs. 2 Satz 1 ZVG), nach Landesgesetz nicht eintragungsbedürftige Rechte (z.B. altrechtliche Dienstbarkeiten) und die als Altenteil eingetragenen Dienstbarkeiten und Reallasten (§§ 2, 9 EGZVG), das Erbbaurecht bei der Grundstücksversteigerung (§ 25 ErbbauRG) sowie als Mietvorauszahlungen geleistete Baukostenvorschüsse (§§ 57c, 57d ZVG).3

205

Zur Gegenleistung zählen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch Leistungen des Meistbietenden an Dritte, u.a. als Gegenleistung dafür, dass der Dritte vor dem Versteigerungstermin auf den Erwerb des Grundstücks verzichtet.4

206

Demgegenüber ist § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht anwendbar, wenn sich der Dritte nur zum Unterlassen eines Antrags gem. § 74a ZVG verpflichtet, da damit nicht der Erwerb des Grundstücks herbeigeführt wird.5 Gleiches gilt für alle Vereinbarungen, die nach Abgabe des Meistgebots getroffen worden sind.6

207

Wird gem. § 91 Abs. 2 ZVG das Liegenbelassen von Rechten vereinbart, sind die aufgrund der Vereinbarung bestehenbleibenden Rechte gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zur Gegenleistung hinzuzurechnen, wenn der Pfandgläubiger damit zum Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks veranlasst werden soll.7

V. Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot (Abs. 1 Nr. 5) 208

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 GrEStG gilt bei der Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot (§ 81 Abs. 2 ZVG) oder der Erklärung, für einen Dritten geboten zu haben (§ 81 Abs. 3 ZVG)8, die Übernahme der Verpflichtungen aus dem Meistgebot als Gegenleistung. Hierzu zählen das Bargebot gem. § 49 ZVG, die gem. § 52 Abs. 1 ZVG bestehen bleibenden Rechte sowie die gem. § 51 Abs. 2 ZVG außerhalb des geringsten Gebots bestehen bleibenden Rechte. Hinzu kommt der sich aus der Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG ergebende Betrag, sofern der Zessionar gem. § 81 Abs. 2 ZVG oder der Vollmachtgeber gem. § 81 Abs. 3 ZVG befriedigungsberechtigt sind.9

209

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 GrEStG zählen auch solche Leistungen zur Gegenleistung, zu denen sich der Erwerber gegenüber dem Meistbietenden verpflichtet. Hierzu zählen Zahlungen aufgrund einer Vereinbarung über das Liegenbelassen zwischen Meistbietendem und Erwerber gem. §§ 91, 92 ZVG sowie Leistungen des Zessionars an Dritte für deren Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks

1 BFH v. 19.6.2013 – II R 5/11, BStBl. II 2013, 926 = AO-StB 2013, 333; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 128. 2 BFH v. 3.2.1982 – II R 141/80, BStBl. II 1982, 334; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 129; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 424. 3 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 130; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 416. 4 BFH v. 22.4.1964 – II 47/62 U, BStBl. III 1964, 368; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 131; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 422. 5 BFH v. 22.4.1964 – II 47/62 U, BStBl. III 1964, 368; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 132; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 422. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 423. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 133; weitergehend Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 421. 8 BFH v. 26.3.1958 – II 163/57 U, BStBl. III 1958, 336; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 411. 9 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 135; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 442.

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D. Gegenleistung bei einzelnen Erwerbsvorgängen (Abs. 1)

Rz. 214 § 9

sowie Erstattungen des Zessionars an den Meistbietenden für entsprechende Leistungen einschließlich des Ersatzanspruchs aus § 670 BGB aufgrund eines entsprechenden Auftragsverhältnisses.1 Leistet dagegen der Meistbietende Zahlungen an den Zessionar für die Übernahme des Meistgebots, mindert dies die Gegenleistung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 GrEStG.2

210

VI. Abtretung des Übereignungsanspruchs (Abs. 1 Nr. 6) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG gilt als Gegenleistung auch die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, einschließlich der besonderen Leistungen, zu denen sich der Übernehmer dem Abtretenden gegenüber verpflichtet. Die Grundsätze über den einheitlichen Erwerbsvorgang finden auch insoweit Anwendung.3 § 9 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG erfasst dagegen nicht die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot.4 Nach Annahme des Kaufangebots errechnet sich die Gegenleistung als Summe aus dem Kaufpreis und dem Entgelt für die Abtretung des Kaufangebots.5

211

VII. Enteignung (Abs. 1 Nr. 7) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG gilt bei einer Enteignung die Entschädigung als Gegenleistung. Wird 212 ein Grundstückskaufvertrag zur Vermeidung einer Enteignung abgeschlossen, bestimmt sich die Gegenleistung dagegen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Aus § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Halbs. 2 GrEStG folgt jedoch, dass bei einer freiwilligen Veräußerung zur Vermeidung der Enteignung die besondere Entschädigung für eine Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke nicht zur Gegenleistung zählt.6 Da somit § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Halbs. 2 GrEStG für den Steuerpflichtigen Vorteile gegenüber § 9 213 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bietet, ist die Vorschrift nur dann einschlägig, wenn tatsächlich die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Enteignung vorlagen.7 Die koordinierten Ländererlasse fordern hierfür eine Bestätigung der zuständigen Enteignungsbehörde, dass die Veräußerung zur Vermeidung der Enteignung erfolgte. Diese Bestätigung wird nur dann als entbehrlich angesehen, wenn vor der vermeintlich freiwilligen Grundstücksveräußerung bereits ein Verfahren nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 LBG abgeschlossen war.8 Enteignungsentschädigung ist, was gerade für den Erwerb des Grundstücks aufgewendet worden ist, 214 unabhängig davon, ob die Entschädigung gem. § 99 BauGB in bar oder gem. § 100 BauGB in Form von anderen Grundstücken geleistet worden ist, ferner alle sonstigen vom Erwerber erbrachten Leistungen,9 insbesondere die gem. § 98 BauGB übernommenen Grundstückslasten. Ebenfalls zur Gegenleistung zählen Vergütungen für den Abbruch von Gebäuden10 sowie Kostenübernahmen zur Er-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 136; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 442. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 442; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 173. BFH v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 138. BFH v. 6.5.1969 – II 131/64, BStBl. II 1969, 595. BFH v. 11.6.2008 – II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 451. BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 465; a.A. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 142. BFH v. 30.1.1980 – II R 44/77, BStBl. II 1980, 362; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 142; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 465. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, zuletzt geändert 29.7.2004 (koordinierter Ländererlass), juris. Die Darlegungslast liegt beim Erwerber, vgl. BFH v. 28.6.1989 – II R 102/86, BStBl. II 1989, 802. BFH v. 5.2.1975 – II R 80/73, BStBl. II 1975, 454; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 143; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 461. BFH v. 24.6.1992 – V R 60/88, BStBl. II 1992, 986 = UR 1992, 368 m. Anm. Schmidt; einschränkend Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 152. Bei vom Erwerber übernommenen Kosten zur Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Abbruchgebots ist danach zu unterscheiden, ob es in der Person des Veräußerers oder erst des Erwerbers entstan-

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§ 9 Rz. 214 Gegenleistung schließung des Grundstücks mit Versorgungsleitungen.1 Eine engere Auffassung erfasst nur Minderungen des Substanzwertes des Restgrundstückes, wie sie sich aufgrund einer „Anschneidung“ des Restgrundstücks ergibt.2 215

Entschädigungen für Betriebseinschränkungen oder Betriebsverlagerungen auf dem Restgrundstück stellen dagegen eine Gegenleistung dar.3 Dementsprechend werden auch andere Vermögensnachteile wie Bewirtschaftungserschwernisse oder Räumungskosten zur Gegenleistung zu rechnen sein, denn es handelt sich insoweit nur um eine subjektive Wertminderung gerade auf Seiten des Veräußerers, nicht aber um eine objektive Substanzeinbuße.4 Ebenso zählen Entschädigungen für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Nutzungsüberlassung zur Gegenleistung.5

216

Die Vergütung für den Abriss von Gebäuden auf dem veräußerten Grundstück wird regelmäßig als eigennützige Erwerberleistung zu qualifizieren sein.6

217

Bildet das enteignete Grundstück mit anderen Grundstücken eine wirtschaftliche Einheit, gehört die besondere Entschädigung für die Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke gem. § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Halbs. 1 GrEStG nicht zur Gegenleistung. Hierzu zählen die Entgelte, die gerade für diese Wertminderungen gezahlt worden sind,7 insbesondere für die Aufwendungen und Ausfälle des Veräußerers im Zusammenhang mit der (Teil-)Verlagerung des Betriebs.8 In diesem Zusammenhang wird auf die Begründung zu § 11 Abs. 16 GrEStG 1940 verwiesen, wonach der Enteignungsberechtigte für diese Einbußen keinen Gegenwert erhalte und auch beim einem Weiterverkauf nicht realisieren könne.9

218

Nicht zur Gegenleistung zählen Entschädigungen für Schäden am Grundstück,10 Entschädigungen wegen Wertminderungen gem. § 96 BauGB,11 Entgelte für Zubehör i.S.v. § 97 BGB, § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG,12 Entgelte für Baumaßnahmen zum Zwecke des Immissionsschutzes oder der verkehrsmäßigen Erschließung des Grundstücks,13 Entschädigungsleistungen an Mieter oder Pächter für die vorzeitige Räumung bzw. den Aufwuchs sowie die Kosten der Rechtsverfolgung im Enteignungsverfahren, da diese nicht durch den Grunderwerb, sondern durch das Enteignungsverfahren ausgelöst worden sind.14

219

Eine freiwillige Veräußerung zur Abwendung der Enteignung ist nur dann gegeben, wenn bei Abschluss des Kaufvertrages eine Enteignung formell und materiell möglich gewesen wäre.15 Zwar wird eine bloße Erklärung im Kaufvertrag nicht genügen,16 aber insbesondere aus einer Straßenplanung

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15 16

den ist. Im zuletzt genannten Fall liegt keine Gegenleistung vor, FG MV v. 3.6.1998 – 1 K 212/96, EFG 1998, 1352. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, zuletzt geändert 29.7.2004 (koordinierter Ländererlass), juris, Tz. 3.2; a.A. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 154 mit der Überlegung, dass die Erschließung des Grundstücks zu den eigennützigen Erwerberleistungen zähle. BFH v. 28.6.1989 – II R 102/86, BStBl. II 1989, 802; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 463. BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651. Ebenso Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 463; a.A. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 141, 146; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 47. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 464. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 141. BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 463; a.A. Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 55. Letztlich führt dies zu der Frage, ob die Gegenleistung bereits begrifflich voraussetzt, dass sich ein privatautonomer Wille und gerade kein hoheitlicher Zwang betätigt habe, vgl. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 144. Zum hoheitlichen Zwang vgl. BFH v. 7.9.2011 – II R 68/09, BFH/NV 2012, 62. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 145; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 47; a.A. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 462. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 463. BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 143; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 462. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 147. BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 462. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 147. BFH v. 17.10.1990 – II R 58/88, BStBl. II 1991, 146; v. 18.12.1991 – II R 54/89, BStBl. II 1992, 301; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 149; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 462. BFH v. 30.1.1980 – II R 44/77, BStBl. II 1980, 362; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 465. BFH v. 18.12.1991 – II R 54/89, BStBl. II 1992, 301; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 465.

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E. Gegenleistung bei anderen Erwerbsvorgängen

Rz. 223 § 9

können sich – bereits vor einem Raumfeststellungsverfahren – enteignungsrechtliche Vorwirkungen ergeben.1 Zwar bestimmt sich in diesen Fällen die Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG,2 doch wird diese Regelung durch § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 GrEStG ergänzt, so dass die Entschädigung für die Wertminderung der dem Veräußerer verbleibenden Grundstücke aus der Bemessungsgrundlage herausgerechnet werden darf.3 Für Ausgleichsleistungen, die für Nachteile an anderweitigen Vermögensgütern des Veräußerers wie Betriebseinschränkungen, eingeschränkte Bewirtschaftungsmöglichkeiten oder Räumungskosten gezahlt werden, gelten die allgemeinen Regeln. Nicht zur Gegenleistung gehören dagegen diejenigen Kosten, für die insbesondere gem. § 121 BauGB eine Kostenübernahme vorgesehen ist,4 sowie Vermessungs- und Grundbuchkosten, die für die Umgrenzung des zu enteignenden Grundstücks aufgewendet werden.5

220

E. Gegenleistung bei anderen Erwerbsvorgängen I. Erbbaurechte und erbbaurechtsbelastete Grundstücke § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt entsprechend auch für „andere Rechtsgeschäfte“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1.6

221

Wird rechtsgeschäftlich ein Anspruch auf Einräumung eines Erbbaurechts begründet, ist der Erbbauzins Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG;7 dies gilt auch für die Bestellung eines Untererbbaurechts.8 Gegenleistung für das Erbbaurecht ist der gem. § 13 BewG zu bestimmende Kapitalwert der Erbbauzinsverpflichtung.9 Ist ein nur symbolischer Erbbauzins vereinbart, ist die Gegenleistung gem. § 8 Abs. 2 GrEStG zu ermitteln.10 Bei unterschiedlicher Höhe der Erbbauzinsen sind die Kapitalwerte jeweils einzeln zu berechnen.11 Die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand gelten auch für Erbbaurechte.12 Bei einem bebauten Grundstück ist jedes für das Gebäude gezahlte Entgelt Gegenleistung.13

222

Demgegenüber zählen eigennützige Erwerberleistungen nicht zur Gegenleistung. Hierzu rechnen die Gebäudeunterhaltungspflicht gem. § 2 Abs. 1 ErbbauRG, aber auch die Verpflichtung zur Herstellung oder Sanierung eines Gebäudes durch den Erbbauberechtigten, der keine entsprechende Verpflichtung

223

1 BFH v. 28.6.1989 – II R 102/86, BStBl. II 1989, 802; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 465; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, zuletzt geändert 29.7.2004 (koordinierter Ländererlass), juris. 2 BFH v. 2.6.2005 – II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; v. 18.12.1991 – II R 54/89, BStBl. II 1992, 301. 3 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 461. 4 BFH v. 18.12.1991 – II R 54/89, BStBl. II 1992, 301; Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 13.12.1984, zuletzt geändert 29.7.2004 (koordinierter Ländererlass), juris, Tz. 3.1; weitergehend Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 149. 5 BFH v. 5.2.1975 – II R 80/73, BStBl. II 1975, 454; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 150. 6 BFH v. 17.9.1975 – II R 42/70, BStBl. II 1976, 126; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 167; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 471. 7 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199. 8 BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 531. 9 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; BFH v. 14.11.2007 – II R 64/06, BStBl. II 2008, 486; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 181. Zu den Auswirkungen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG auf Rechtsvorgänge mit Erbbaurechten G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 185 f. 10 BFH v. 13.5.1993 – II R 82/89, BFH/NV 1994, 574; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 11 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 533. 12 BFH v. 24.4.2013 – II R 53/10, BStBl. II 2013, 755 = AO-StB 2013, 266; v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; v. 8.2.1995 – II R 19/92, BFH/NV 1995, 823; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.2; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 13 BFH v. 13.5.1993 – II R 82/89, BFH/NV 1994, 574; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532.

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§ 9 Rz. 223 Gegenleistung des Grundstückseigentümers oder eines ihm verbundenen Dritten gegenübersteht, sofern dem Erbbauberechtigten bei Heimfall eine Entschädigung zum Verkehrswert zusteht.1 224

Dagegen erhöht sich die Gegenleistung, wenn die vertraglichen Vereinbarungen darauf abzielen, dass dem Grundstückseigentümer Bauleistungen zugutekommen, soweit diese den laufenden Gebäudeunterhalt übersteigen.2

225

Der Bewertung ist die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts zugrunde zu legen3. Da § 16 BewG gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG im Grunderwerbsteuerrecht keine Anwendung findet, ist die Gegenleistung auch nicht auf den gemeinen Wert des Grundstücks begrenzt.4 Die Entschädigung für vorzeitige Nutzungsüberlassung gehört nicht zur Gegenleistung.5 Die Anpassung des Erbbauzinses an geänderte Wertverhältnisse ist unerheblich und wie eine Wertsicherungsklausel zu behandeln.6

226

Demgegenüber erhöhen Einmalzahlungen des Erwerbers, insbesondere zur Übernahme von Vermessungs- und Erschließungskosten die Gegenleistung.7 Gleiches gilt für das Entgelt, das der Erbbauberechtigte für ein schon vorhandenes Gebäude zahlt, an dem er die Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG erwirbt.8

227

Bei der Übertragung des Erbbaurechts errechnet sich die Gegenleistung aus der Summe des Einmalentgelts und der weiteren Gegenleistungen sowie dem Kapitalwert des an den Eigentümer zu zahlenden Erbbauzinses.9 Der Kapitalwert des Erbbauzinses ist jedoch nicht anzusetzen, wenn der Eigentümer des Grundstücks das Erbbaurecht erwirbt.10

228

Wird das Erbbaurecht verlängert, ist der Kapitalwert des für die neue Laufzeit vereinbarten Erbbauzinses Gegenleistung.11

229

Wird das Erbbaurecht aufgehoben, erlischt die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses. Der Kapitalwert des über die Restlaufzeit zu zahlenden Erbbauzinses ist nicht zu der für die Aufhebung des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer erbrachten Gegenleistung hinzuzurechnen.12

230

Das Erlöschen des Erbbaurechts am Ende seiner Laufzeit löst keine Grunderwerbsteuerpflicht aus.13 1 BFH v. 8.9.2010 – II R 3/10, BFH/NV 2011, 303; v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.3; zur Sanierungsverpflichtung BFH v. 8.9.2010 – II R 28/09, BStBl. II 2011, 227; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 2 BFH v. 8.9.2010 – II R 3/10, BFH/NV 2011, 303; v. 6.12.1995 – II R 46/93, BFH/NV 1996, 578; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 169; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 3 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170. Zu Anpassungsklauseln in Erbbaurechtsverträgen Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 32; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 533, 81 ff. 4 BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 533. 5 BFH v. 23.10.2003 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; BFH v. 8.8.2001 – II R 49/01, BStBl. II 2002, 98; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 533. 6 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 533. 7 BFH v. 14.12.1988 – II R 87/86, BFH/NV 1990, 321; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 8 BFH v. 16.3.1960 – II 190/58 U, BStBl. III 1960, 234; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 532. 9 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 534; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 56. 10 BFH v. 14.11.2007 – II R 64/06, BStBl. II 2008, 486; v. 14.11.2007 – II R 63/06, BFH/NV 2008, 1199; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.3; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 534. 11 Dies ist die Konsequenz aus der geänderten Rechtsprechung seit BFH v. 18.8.1983 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.4; anders noch BFH v. 24.2.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 172; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 536; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 187. 12 BFH v. 31.3.1976 – II R 93/75, BStBl. II 1976, 470; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.5; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 173; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 538. 13 BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BStBl. II 1995, 334; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 174; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 538; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 198; zur Bestellung eines Erbbaurechts mit dem Ziel der Übertragung des Eigentums an einem zu errichtenden Gebäude Viskorf, UVR 1996, 117.

698

Konrad

E. Gegenleistung bei anderen Erwerbsvorgängen

Rz. 236 § 9

Die Gegenleistung des Grundstückseigentümers bei Heimfall des Erbbaurechts ist die Heimfallver- 231 gütung, die dieser gem. § 32 ErbbauRG an den Erbbauberechtigten zu zahlen hat, zzgl. der übernommenen grundpfandrechtlichen Belastungen und sonstigen Leistungen.1 In den Fällen des § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG tritt der Grundbesitzwert an die Stelle der Heimfallvergütung.2 Verletzt der Erbbauberechtigte dagegen eine Hauptpflicht aus dem Erbbaurechtsvertrag und löst dies den Heimfall aus, kommt eine Aufhebung der Steuerfestsetzung gem. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in Betracht.3 Der Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks unterliegt den allgemeinen Regeln. Der damit verbundene Erwerb des Anspruchs auf den Erbbauzins stellt keinen steuerbaren Grundstücksumsatz dar, da es sich nur um einen reinen Geldanspruch handelt.4 Der Anspruch auf den Erbbauzins ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG nicht vom grunderwerbsteuerlichen Grundstücksbegriff umfasst.

232

Dementsprechend unterliegt der Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks durch den Erbbauberechtigten oder einen Dritten nur in Höhe der Differenz zwischen Kaufpreis und Kapitalwert des Erbbauzinses der Grunderwerbsteuer.5 Bei einem Erwerb des Grundstücks vom Grundstückseigentümer und des Erbbaurechts vom Erbbauberechtigten ist der kapitalisierte Erbbauzinsanspruch nicht in die Gegenleistung einzubeziehen da dessen Wert mit null anzusetzen sei.6

233

II. Gebäude auf fremdem Grund und Boden Ist ein Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden, ist es Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB, der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG Gegenstand eines Erwerbsvorgangs sein kann. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG7 bzw. bei Zwangsvollstreckung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG.8

234

Wird das Gebäude dagegen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, kann die Verwertungsbefugnis am Gebäude i.S.v. § 1 Abs. 2 GrEStG übertragen werden. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach der Gegenleistung für die Verwertungsbefugnis, nicht nach dem Wert des Verwertungsrechts.9 Dies kann auch der Ausgleichsbetrag für ein vom Pächter einvernehmlich errichtetes Gebäude auf fremdem Grund und Boden bei vorzeitiger Vertragsauflösung sein.10

235

Bei der Sicherungsübereignung von Gebäuden auf fremdem Boden i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 236 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG ist die Bemessungsgrundlage gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG zu bestimmen, d.h. grundsätzlich gem. § 195 BewG.11 Gleiches gilt für den Fall, dass das Gebäude dem Sicherungsgeber nach vorheriger unbedingter Sicherungsübereignung wieder zurückübertragen wird, sofern nicht § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG greift.

1 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 3.6; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 175; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 199. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 175. 3 BFH v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 201. 4 BFH v. 30.1.1991 – II R 89/87, BStBl. II 1991, 271; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 177; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 539; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 204. Konsequenterweise ist der frühere, auf den Erbbauzinsanspruch bezogene Steuertatbestand des § 1 Abs. 7 GrEStG a.F. bei Einfügung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2001, BGBl. I 2001, 3794, mit Wirkung vom 31.12.2001 gestrichen worden. 5 BFH v. 6.5.2015 – II R 8/14, BStBl. II 2015, 853; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 178; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 540. Dabei unterbleibt eine Aufteilung des Kaufpreises nach der sog. „Boruttau’schen Formel“ (anders noch BFH v. 11.6.2013 – II R 30/11, BFH/NV 2013, 1632). 6 BFH v. 11.6.2013 – II R 30/11, BFH/NV 2013, 1632; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827, Tz. 4.1. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 178; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 540; Behrens, BB 2015, 1890; Mathäus/Stock, DStR 2015, 2752. 7 BFH v. 9.4.1952 – II 250/51 U, BStBl. III 1952, 137; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 188; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 496. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG, Rz. 115; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 498; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 29. 9 BFH v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 188; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 497. 10 BFH v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526. 11 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 189; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499.

Konrad

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§ 9 Rz. 237 Gegenleistung 237

Bei Vereinbarung einer auflösend bedingten Sicherungsübereignung findet § 16 GrEStG Anwendung. Die Finanzverwaltung gewährt in solchen Fällen eine zinslose Stundung für die Laufzeit des Darlehens, bei Bedingungseintritt wird die Steuerfestsetzung gem. § 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgehoben.1

238

Wird dagegen das Gebäude durch den Sicherungsnehmer an Erfüllungs statt (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) unter Anrechnung des Gebäudewerts übernommen, ist der Erwerb für diesen gem. § 1 Abs. 2 GrEStG steuerpflichtig und die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unter Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG zu berechnen;2 dabei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Gegenleistung.3 Die Bemessungsgrundlage entspricht dem Anrechnungsbetrag.4 Wird das Gebäude dagegen an einen Dritten veräußert, erlangt der Sicherungsnehmer nur ein Befriedigungsrecht am Erlös, aber kein Verwertungsrecht.5

239

Bei einer übertragenden Umwandlung des Sicherungsnehmers gelten diese Grundsätze entsprechend, wobei die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG entstandene Steuer nur festgesetzt, aber nicht erhoben wird.6

III. Treuhandverhältnisse 240

Bei uneigennützigen Treuhandverhältnissen ist die Bemessungsgrundlage in Ermangelung einer Gegenleistung gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG zu ermitteln.7

241

Bei eigennützigen Treuhandverhältnissen bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach dem Kaufpreis oder den sonstigen vom Treuhänder erbrachten Leistungen.8

242

Bei der Rückübertragung des Grundstücks folgt die Bemessungsgrundlage aus § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG. Verzichtet der Treugeber auf die Rückübertragung, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage für die Übertragung der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG bei einer uneigennützigen Treuhand nach der Gegenleistung. Bei einer eigennützigen Treuhand ist die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG zu ermitteln, wobei gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG die Steuer für die Übertragung auf den Treuhänder anzurechnen ist.9

243

Bei als Bruchteilsgemeinschaften geführten geschlossenen Immobilienfonds ist der für den Kauf der Anteile gezahlte Betrag Gegenleistung, gegebenenfalls zzgl. des Werts der vom Erwerber übernommenen offenen Verpflichtungen.10

244

Bei einem Auftragserwerb, bei dem der Geschäftsherr die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG erwirbt, bestimmt sich die Gegenleistung nach der Höhe des Anspruchs auf Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB.11 Hierzu zählt auch die vom Auftraggeber zu ersetzende Grunderwerbsteuer12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12

Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 190; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 189; a.A. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 65. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 191; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 499. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 191. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 191; s.a. Ropohl, DB 2005, 972. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 192; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 4. FG Saarl. v. 21.11.1969 – 114/69, EFG 1970, 134; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 192; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 488; a.A. Möllinger, DVR 1982, 69. BFH v. 5.11.1986 – II R 66/84, BFH/NV 1988, 390; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 193; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 490; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 216 ff. BFH v. 2.10.1985 – II R 86/83, BStBl. II 1986, 28; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 194; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 484. BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431; v. 24.11.1970 – II R 76/65, BStBl. II 1971, 309; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 3.1; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 195; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 486. BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 195; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 486; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 219; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 85.

700

Konrad

E. Gegenleistung bei anderen Erwerbsvorgängen

Rz. 250 § 9

sowie – bei einem erweiterten Auftragserwerb in der Zwangsversteigerung – der Wert der Ansprüche, auf die sich die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG erstreckt,1 nicht aber Kosten, die dem Auftragnehmer nicht durch den Erwerb als solchen entstehen, sondern Folge weiterer Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind (z.B. Finanzierungskosten und Verwaltungskosten),2 sowie bei entgeltlicher Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB auch das hierfür vereinbarte Entgelt.3 Dagegen gehören Aufwendungen im Zusammenhang mit weiteren Vereinbarungen nicht zur Gegenleistung, insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung des Grundstücks.4 Die Aufwendungen, die der Treugeber für ein vom Treuhänder zu errichtendes Gebäude erstattet, sind Teil der Gegenleistung, wenn das bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs war,5 unabhängig davon, ob der Treuhänder die Verträge im eigenen Namen oder im Namen des Treugebers abschließt.6

245

Die Bemessungsgrundlage für die auf den Auftragserwerb folgende Übertragung des Grundstücks auf den Auftraggeber bestimmt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Auftragnehmer, ansonsten nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GrEStG, wobei für die Steuer aus dem vorangegangenen Erwerb § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG gilt.7 Sollte diese nicht erhoben worden sein, ist die Gegenleistung für den vorangegangenen Erwerb durch den Auftragnehmer Bemessungsgrundlage für die Übertragung auf den Auftraggeber.8

246

IV. Gemischte Schenkung und Schenkung unter Auflage Bei einer gemischten Schenkung ist Bemessungsgrundlage nur der entgeltlich erworbene Teil,9 der unentgeltliche Teil unterliegt der Schenkungsteuer.

247

Demgegenüber unterliegen Schenkungen unter Auflage gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Besteuerung nur hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Während für die vom Erwerber übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen bei Alterwerben bis zum 31.12.2008 § 25 ErbStG Anwendung fand, sind diese bei Neuerwerben ab dem 1.1.2009 bei der Erbschaftsteuer abzugsfähig und somit Teil der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage.10

248

V. Weitere Erwerbstatbestände Bei einem Vergleich, bei dem sich eine Partei zur Übertragung eines Grundstücks verpflichtet, soll der Wert des durch den Vergleich erloschenen Rechtsverhältnisses die Bemessungsgrundlage bestimmen.11 Sollte dieser nicht feststellbar sein, ist die Ersatzbemessungsgrundlage aus § 8 GrEStG heranzuziehen.

249

Bei einer Auflassung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG bestimmt sich die Gegenleistung nach den vertraglichen Abreden, ansonsten nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG.12

250

1 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 195. 2 BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757, Tz. 3.1; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 195; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 220. 3 BFH v. 28.5.1998 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 486. 4 BFH v. 26.7.2000 – II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 486. 5 BFH v. 28.5.1998 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 487. 6 BFH v. 11.11.1998 – II B 19/98, BFH/NV 1999, 669; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 487. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 196; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 221. 8 BFH v. 5.11.1986 – II R 66/84, BFH/NV 1988, 390; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 196. 9 BFH v. 20.4.1977 – II R 48/76, BStBl. II 1977, 676; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 197; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 19; Steiger, UVR 1991, 203. 10 R E 7.4, 25.2 und 25.3 ErbStR 2011; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 197; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 20. Zur Bemessung der Gegenleistung BFH v. 17.9.1975 – II R 42/70, BStBl. II 1976, 126. 11 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 199. 12 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 200; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 472.

Konrad

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§ 9 Rz. 251 Gegenleistung 251

Bei einem Eigentumsübergang kraft Gesetzes hängt es von dem zugrunde liegenden Grundverhältnis ab, ob hierin ein Austausch gesehen werden kann, der ein Entgelt für das Grundstück erkennen lässt.1 Wird ein Erbanteil i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erworben, errechnet sich die Bemessungsgrundlage nach dem auf das Grundstück entfallenden Anteil an der Gegenleistung.2

252

Bei Erwerben im Umlegungsverfahren, die nicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG steuerfrei sind, bestimmt sich die Gegenleistung nach dem gem. § 64 Abs. 1 BauGB an die Gemeinde zu entrichtenden Entgelt zzgl. der weiteren vom Erwerber übernommenen Leistungen.3

253

Bei dem Erwerb der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG ist die Leistung, die der Erwerber dem Eigentümer hierfür gewährt, Bemessungsgrundlage.4 Es gelten die allgemeinen Regeln, insbesondere auch die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand.5

254

Bei Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Leasingnehmer im Rahmen eines Immobilien-Leasingvertrages zählen alle Leistungen (insbesondere zur Errichtung eines Gebäudes), zu denen sich der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber verpflichtet, zur Gegenleistung.6 Eine Aufteilung in einen Betrag für die Einräumung der Verwertungsbefugnis und einen Betrag für die nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Vermietungsleistung kommt nicht in Betracht.7 Lediglich die vom Leasingnehmer getragenen Mietnebenkosten können aus der Bemessungsgrundlage herausgerechnet werden.8 Auch ist zu prüfen, ob unangemessen hohe Gegenleistungen nicht im Einzelfall verkappte Vorauszahlungen auf einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellen.9

255

Bei einem Teilamortisations-Leasingvertrag ist dagegen Bemessungsgrundlage der Kaufpreis bei Ausübung des Ankaufsrechts. Wird ein unangemessen hohes Nutzungsentgelt oder eine Vorauszahlung auf den Kaufpreis vereinbart, zählen diese als sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur Bemessungsgrundlage.10

256

Eine besondere Konstellation stellt der atypische Maklervertrag dar, der für den Makler das Recht und die Pflicht begründet, das Grundstück zu einem Mindestpreis zu verkaufen, wobei ihm ein etwaiger Mehrerlös zukommt.11 In einer solchen Konstellation kann die Gegenleistung nach dem Mindestkaufpreis zu bemessen sein.12

1 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 473 unter Verweis auf Sächs. FG v. 26.11.1998 – 5 K 106/98, EFG 1999, 307, zu § 34 Abs. 1 VermG. 2 BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 201; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 474. 3 BFH v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 201; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 473. Der BFH ließ offen, ob auch insoweit die Grundsätze des einheitlichen Erwerbsgegenstands Anwendung finden. 4 BFH v. 30.9.1998 – II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579; v. 25.11.1992 – II R 122/89, BFH/NV 1993, 688; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 203; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481; G/B/ B/S6, Kap. 6 Rz. 225. 5 BFH v. 25.11.1992 – II R 122/89, BFH/NV 1993, 688; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 204; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481. Dabei ist es ohne Belang, ob der Beauftragte Bauaufträge im eigenen Namen oder im Namen des Verwertungsbefugten erteilt hat, Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 204; a.A. Brüggmann, UVR 1994, 45. 6 BFH v. 25.11.1992 – II R 122/89, BFH/NV 1993, 688; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481. 7 BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579; v. 30.9.1998 – II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 204. 9 BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481. 10 BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 204; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 481. 11 BFH v. 17.10.1990 – II R 55/88, BFH/NV 1991, 556; v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52. 12 BFH v. 18.12.1985 – II R 180/83, BStBl. II 1986, 417; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 482.

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Konrad

F. Weitere Leistungen (Abs. 2)

Rz. 261 § 9

F. Weitere Leistungen (Abs. 2) I. Zusätzlich gewährte Leistungen (Abs. 2 Nr. 1) Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zählen auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt, zur Gegenleistung. Systematisch zählen hierzu alle Leistungen des Erwerbers, die noch nicht von § 9 Abs. 1 GrEStG erfasst sind. Dabei ist zu bedenken, dass bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GrEStG sonstige Leistungen erfasst sind.1 Dabei wird es sich oftmals um nachträglich vereinbarte Leistungen handeln.2

257

§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt nicht zwingend voraus, dass die Leistung nachträglich vereinbart wird,3 erfordert aber einen rechtlichen Zusammenhang mit dem vorausgehenden Erwerbsvorgang.4 Es genügt nicht, dass ein zukünftiges Geschehen lediglich Motiv für den Erwerb war.5

258

Abzugrenzen ist die rechtliche Begründung des Anspruchs, insbesondere durch eine aufschiebende Bedingung, von der bloß aufgeschobenen Fälligkeit der Gegenleistung, die bereits von § 9 Abs. 1 GrEStG erfasst ist. Bei auf den Bedarfsfall aufschiebend bedingten Pflegeverpflichtungen ist die Gegenleistung gem. § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9 zum BewG nach den Sachbezugswerten des Pflegeversicherungsgesetzes zu bestimmen.6

259

Ebenso ist ein rechtlicher Zusammenhang gegeben, wenn nachträglich ein Geldbetrag gezahlt wird, 260 um Zweifel an der Rechtswirksamkeit eines bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäfts7 oder die relative Unwirksamkeit eines Erwerbsvorgangs nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter zu beseitigen.8 Eine zusätzliche Leistung kann auch in einer Erhöhung des Kaufpreises liegen, u.a. aufgrund der Verwirklichung einer aufwendigen Planung oder einer nachträglich eingefügten Preisanpassungsklausel.9 Kein rechtlicher Zusammenhang soll jedoch für Zahlungen bestehen, die für den Verzicht auf die 261 Ausübung eines dem Verkäufer zustehenden vertraglichen Vorkaufsrechts i.S.d. § 497 BGB gezahlt werden, wenn das von diesem erworbene Grundstück wiederum zum Verkauf steht,10 sowie für Zahlungen, die für die Verlängerung eines Grundstücksleasingvertrages geleistet werden.11 Ein Gesamtplan, der die spätere Vereinbarung schon vorgesehen hat, soll ebenfalls noch keine rechtliche Verknüpfung begründen.12

1 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 551. 2 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69. § 9 Abs. 2 GrEStG wird daher als Gegenstück zu § 16 Abs. 3 GrEStG verstanden, Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 551. 3 Die Nachträglichkeit ist kein Tatbestandsmerkmal des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, BFH v. 13.4.1994, II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 551; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 207. Demgegenüber scheint BFH v. 24.2.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625, davon auszugehen, dass die Leistung nachträglich vereinbart werden müsse. Ebenso wohl auch Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 92. 4 BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 230. 5 BFH v. 10.6.1969 – II 172/64, BStBl. II 1969, 668, für den vergünstigten Erwerb eines Grundstücks durch einen Arbeitnehmer als Gegenleistung für dessen künftige Leistungen; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209. 6 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107, 209. 7 BFH v. 28.6.1989 – II R 4/87, BFH/NV 1990, 592; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552. 8 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552, 554. 9 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552. 10 BFH v. 28.6.1989 – II R 4/87, BFH/NV 1990, 592; v. 12.12.1979 – II R 15/76, BStBl. II 1980, 162; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 210; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 553. 11 BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 210; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552. 12 BFH v. 5.2.2003 – II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 552.

Konrad

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§ 9 Rz. 262 Gegenleistung 262

Von § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist keine Personenidentität gefordert. Die Gegenleistung erfasst auch alle Leistungen, die der Erwerber einem Dritten gewährt, um damit vom Veräußerer das Grundstück zu erhalten.1 Ebenso enthält § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG keine zeitliche Obergrenze, sofern eine rechtliche Verknüpfung gegeben ist.2

263

Die nachträgliche Vereinbarung einer zusätzlichen Gegenleistung ist im Verhältnis zum ursprünglich verwirklichten Steuertatbestand kein rückwirkendes Ereignis. Vielmehr wird ein neuer, eigenständiger Steueranspruch begründet, der dementsprechend auch einen gesonderten Steuerbescheid bzw. einen zusammengefassten Bescheid mit zwei Steuerfestsetzungen erfordert.3 Da § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG eine neben der vereinbarten Leistung gewährte Leistung voraussetzt, setzt auch diese Vorschrift einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG voraus.4 § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG findet auch auf kraft Gesetzes eintretende Erwerbe Anwendung.5

264

Der Steueranspruch entsteht mit Eintritt der Bindungswirkung in Bezug auf die zusätzliche Leistung.6 Die Vereinbarung der zusätzlichen Leistung löst eine Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 oder § 18 GrEStG aus. Für die Festsetzungsverjährung gilt somit § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.7

II. Belastungen des Grundstücks (Abs. 2 Nr. 2) 265

Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zählen zur Gegenleistung auch die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber übergehen. Demgegenüber zählen dauernde Lasten gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 GrEStG nicht zur Gegenleistung. Diese Regelung ist mit der Erwägung gerechtfertigt worden, dass dauernde Lasten dem Grundstück dauerhaft als wertmindernde Eigenschaft anhaften.8 Dementsprechend wäre die Regelung zu den dauernden Lasten keine Einschränkung des Begriffs der sonstigen Leistung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.9

266

Eine dauernde Last ist gegeben, wenn die Belastung bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts bereits auf dem Grundstück ruhte und nicht nur den Grundstückseigentümer persönlich belastete,10 zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs grundbuchrechtlich und nicht nur schuldrechtlich gesichert war11 und mit dinglicher Wirkung ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergeht.12 Zudem muss von einem Fortbestand der dauernden Last auszugehen sein.13 Erstmalig zugunsten des Ver1 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 554. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209. 3 Der neue Bescheid kann unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift geändert werden, BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 208, 211; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 555 f. 4 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 208. 5 BFH v. 15.11.1989 – II R 71/88, BStBl. II 1990, 228 (zur Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 209; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 551. 6 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 555. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 211. 8 BFH v. 15.7.2015 – II R 11/14, BFH/NV 2015, 1602; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 212; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 564; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 233. 9 Offen gelassen von BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 562 verneint unter Verweis auf BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226, eine Gegenleistung, da der Erwerber keine zusätzliche Leistung übernimmt, die über die von der Besteuerung ausgenommene Belastung hinausgeht. 10 BFH v. 22.6.1966 – II 130/62, BStBl. III 1966, 552; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 561. 11 Maßgeblich ist der Stand des Grundbuchs am Besteuerungsstichtag, selbst wenn bereits die dingliche Einigung vorlag, BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 561. 12 BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 213; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 561. 13 Die Aussicht, die dauernde Last könnte im Rahmen der Zwangsvollstreckung gem. § 52 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZVG erlöschen, nimmt der Last nicht den Dauercharakter, BFH v. 22.6.1966 – II 74/63, BStBl. III 1966, 550; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 213.

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F. Weitere Leistungen (Abs. 2)

Rz. 270 § 9

äußerers begründete dauernde Lasten und ebenso nicht dauernde Lasten erhöhen in jedem Fall die Gegenleistung.1 Zu den dauernden Lasten zählen insbesondere die Duldungspflichten gem. § 912 Abs. 1 und § 917 267 Abs. 1 BGB, Überbau- und Notwegrentenlasten i.S.d. § 912 Abs. 2, §§ 913 ff., § 917 Abs. 2 BGB, subjektiv-dingliche Grunddienstbarkeiten i.S.d. §§ 1018 ff. BGB,2 subjektiv-dingliche Reallasten i.S.v. § 1105 BGB, die Verpflichtungen des Wohnungseigentümers gegenüber der Eigentümergemeinschaft,3 ferner das Dauerwohn- und das Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG.4 Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Last nicht im Grundbuch eingetragen ist und gem. § 52 Abs. 2 ZVG außerhalb des geringsten Gebots bestehen bleibt.5 Bei öffentlich-rechtlichen Belastungen bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung und die Qualifikation als dauernd nach den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.6 Die Übernahme der rückständigen Verpflichtungen des Veräußerers ist dagegen Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.7

268

§ 442 Abs. 2 BGB verpflichtet den Verkäufer zur Beseitigung von im Grundbuch eingetragenen Rechten. Wird § 442 Abs. 2 BGB abbedungen, gehen dauernden Lasten nicht „ohne besondere Abrede“, sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarung gem. § 435 Abs. 1 BGB über und zählen damit zu den sonstigen Leistungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.8

269

Nichtdauernde Lasten zählen dagegen zur Gegenleistung, wenn sie auf dem Grundstück ruhen, auch wenn sie als solche nicht im Grundbuch eingetragen sind, ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen und bereits bei Entstehung der Steuer bestanden haben.9 Hierzu zählen insbesondere der nicht übertragbare Nießbrauch i.S.v. §§ 1030, 1059, 1061 BGB,10 beschränkt persönliche Dienstbarkeiten i.S.v. §§ 1090 ff. BGB, insbesondere das dingliche Wohnungsrecht i.S.v. § 1093 BGB,11 das dingliche Vor- und Wiederkaufsrecht i.S.v. §§ 1094 ff. BGB, Reallasten i.S.v. § 1105 Abs. 1 BGB12 sowie als Mietvorauszahlungen geführte Baukostenzuschüsse i.S.v. §§ 57c, 57d ZVG.13

270

1 BFH v. 8.6.2005 – II R 26/03, BStBl. II 2005, 613; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 129; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 97a; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 562. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 214; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 565; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 126. Zu durch subjektiv dingliche Grunddienstbarkeiten gesicherten unbeschränkten Sandgewinnungsrechten vor der Änderung des § 442 Abs. 2 BGB BFH v. 22.6.1966 – II 74/63, BStBl. III 1966, 550; v. 22.6.1966 – II R 172/64, BStBl. III 1966, 552; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 565; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 97a. Dagegen liegt in der Übernahme eines vom Veräußerer mit einem Dritten geschlossenen Vertrages zur Kiesgewinnung eine sonstige Leistung, BFH v. 22.6.1996 – II 130/62, BStBl. III 1966, 552, so dass bei Angemessenheit der Leistung und Gegenleistung keine Gegenleistung anzunehmen wäre. Die vom Veräußerer übernommene Verpflichtung zur Duldung der Torfentnahme ist auch dann keine dauernde Last, wenn der Pachtzins an den Veräußerer vorausbezahlt worden ist, BFH v. 22.6.1977 – II R 22/71, BStBl. II 1977, 703. 3 BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 213. Anderes gilt nach BFH, a.a.O., jedoch, „wenn der Erwerber den Veräußerer von Verbindlichkeiten gegenüber der Miteigentümergemeinschaft befreit, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages in der Person des Veräußerers bereits entstanden sind und ohne die getroffene Vereinbarung allein vom Veräußerer erfüllt werden müssten.“ 4 FG Hamburg v. 9.8.1973 – I 44/72, EFG 1974, 31; Schuhmann, BB 1977, 493; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 565; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 126; differenzierend Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 97a. 5 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 215; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 84. 6 BFH v. 25.3.1958 – II 193/56 U, BStBl. III 1958, 239. 7 BFH v. 27.8.2003 – II R 27/01, BFH/NV 2004, 226; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 563. 8 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 215; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 82; a.A. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 568. 9 BFH v. 9.9.1959 – II 157/57 U, BStBl. III 1959, 468; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216. Zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 564. 10 BFH v. 13.7.1960 – II 49/60 U, BStBl. III 1960, 413; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 566; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 127. 11 BFH v. 28.4.1976 – II R 192/75, BStBl. II 1976, 577; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 566; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 127. 12 Insbesondere Altenteile, BFH v. 5.12.1950 – II 26/49 U, BStBl. III 1951, 19; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 566; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 127. 13 BFH v. 20.7.1966 – II 250/60, BStBl. III 1966, 601; v. 5.6.1957 – II 214/56 U, BStBl. III 1957, 266; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 567.

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§ 9 Rz. 271 Gegenleistung 271

Die Bewertung der nichtdauernden Lasten bestimmt sich nach ihrem gemeinen Wert i.S.v. § 9 BewG, gegebenenfalls nach ihrem Kapitalwert i.S.v. §§ 13, 14 BewG.1

272

Der Erbbauzins gilt gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GrEStG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als dauernde Last.

III. Gegenleistung für Erwerbsverzicht (Abs. 2 Nr. 3) 273

Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gehören auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten bzw. durch Verzicht den Erwerb des Grundstücks ermöglichen. Hierzu zählt auch das Entgelt, das für die Abtretung eines Kaufangebots i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG gezahlt wird.2

274

Die Zahlung muss gerade den Zweck verfolgen, den Dritten zum Verzicht auf den Erwerb zu bewegen.3 Dies setzt voraus, dass der Dritte tatsächlich in der Lage und willens ist, das Eigentum am Grundstück anstelle des Erwerbers zu erlangen.4 Daran fehlt es, wenn die Zahlung einen anderen Zweck verfolgt,5 oder der Dritte den Erwerb lediglich rechtlich oder wirtschaftlich erschweren kann.6

275

Nicht von § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, sondern von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst sind Leistungen, zu denen sich der Erwerber in einem Vertrag zugunsten Dritter dem Veräußerer gegenüber verpflichtet hat.7

276

Erfolgt die Zahlung erst nach dem Erwerb des Grundstücks, ist die Steuer mit gesondertem Bescheid festzusetzen.8

IV. Gegenleistungen Dritter (Abs. 2 Nr. 4) 277

Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt, ohne dass eine entsprechende Verpflichtung des Erwerbers besteht. Dies kann dazu führen, dass eine aufgrund eines zivilrechtlich selbständigen Rechtsgeschäfts (Anteilskauf- und Übertragungsvertrag) geleistete Zahlung zugleich auch als Leistung eines Dritten i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG einzustufen sein kann.9

278

Aus Sicht des leistenden Dritten muss die Leistung ihrem Hauptzweck nach auf die Übertragung des Grundstücks gerichtet sein,10 was nicht ausschließt, dass mit der Leistung in tatsächlicher Hinsicht mehrere Zwecke verfolgt werden.11 Dieser finale Bezug ist notwendig, aber auch ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Erwerber von der Leistung des Dritten Kenntnis erlangt. Der Dritte kann

1 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 216; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 127. 2 BFH v. 11.6.2008 – II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218. 3 BFH v. 22.4.1964 – II 47/62 U, BStBl. III 1964, 368, lehnt eine noch weitergehende Auslegung ab; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 573. 4 BFH v. 25.6.2003 – II R 39/01, BStBl. II 2004, 246; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 573; G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 234. 5 Insbesondere bei Zahlung von Maklerlohn, Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 571. 6 BFH v. 25.6.2003 – II R 39/01, BStBl. II 2004, 246; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 573. 7 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 571. 8 BFH v. 25.6.2003 – II R 39/01, BStBl. II 2004, 246; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 574. 9 Hess. FG v. 17.6.2020 – 5 K 2191/15, EFG 2020, 1435 (Rev. II R 19/20); dazu ausführlich G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 238 f. 10 BFH v. 18.9.1985 – II R 168/82, BFH/NV 1986, 698; v. 7.3.1967 – II 100/64, BStBl. III 1967, 346; v. 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 218; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 582. 11 Hess. FG v. 17.6.2020 – 5 K 2191/15, EFG 2020, 1435 (Rev. II R 19/20).

706

Konrad

G. Steuer auf die Steuer (Abs. 3)

Rz. 280 § 9

mit seiner Leistung überwiegend oder sogar ausschließlich eigene Belange verfolgen.1 Die Leistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG löst eine eigene Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG und ggf. nach § 18 GrEStG aus.2

G. Steuer auf die Steuer (Abs. 3) Gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Vorgang zu entrichten ist, der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen. Dies gilt auch in dem Fall, dass der Veräußerer die in den Kaufpreis eingerechnete Grunderwerbsteuer dem Erwerber wieder erstattet.3 Dagegen ist die Grunderwerbsteuer aus einem früheren Erwerb Teil der Gegenleistung, ebenso die Grunderwerbsteuer für das Ersatzgrundstück oder die Erstattung der Grunderwerbsteuer aus einem Auftrags- bzw. Treuhandverhältnis gem. § 670 BGB durch den Treugeber an den Treuhänder.4

279

Übernimmt bei einem Grundstückstausch einer der Tauschpartner die gesamte Grunderwerbsteuer, war bislang die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des anderen Grundstücks nur zur Hälfte anzusetzen.5 Aufgrund der Neuregelung des § 448 Abs. 2 BGB, dem trotz seines dispositiven Charakters Leitbildfunktion zukommt, ist jedoch nunmehr die auf das andere Grundstück entfallende Grunderwerbsteuer in voller Höhe zur Gegenleistung hinzuzurechnen.6

280

§ 10 (weggefallen)

1 BFH v. 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228; v. 14.7.1965 – II 155/62, HFR 1965, 551; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 582. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 219. 3 BFH v. 17.4.2013 – II R 1/12, BStBl. II 2013, 637; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 220. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 581. 5 BFH v. 26.2.1975 – II R 173/71, BStBl. II 1975, 675, unter Bezugnahme auf § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 13 Nr. 1 GrEStG; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 593. 6 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 99, 222; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 101; offengelassen bei G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 241; selbst noch für die Rechtslage nach der Neuregelung des § 448 Abs. 2 BGB abw. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 593; s.a. Steiger, UVR 2004, 131; Streit, DStR 2003, 1776.

Konrad

707

G. Steuer auf die Steuer (Abs. 3)

Rz. 280 § 9

mit seiner Leistung überwiegend oder sogar ausschließlich eigene Belange verfolgen.1 Die Leistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG löst eine eigene Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG und ggf. nach § 18 GrEStG aus.2

G. Steuer auf die Steuer (Abs. 3) Gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Vorgang zu entrichten ist, der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen. Dies gilt auch in dem Fall, dass der Veräußerer die in den Kaufpreis eingerechnete Grunderwerbsteuer dem Erwerber wieder erstattet.3 Dagegen ist die Grunderwerbsteuer aus einem früheren Erwerb Teil der Gegenleistung, ebenso die Grunderwerbsteuer für das Ersatzgrundstück oder die Erstattung der Grunderwerbsteuer aus einem Auftrags- bzw. Treuhandverhältnis gem. § 670 BGB durch den Treugeber an den Treuhänder.4

279

Übernimmt bei einem Grundstückstausch einer der Tauschpartner die gesamte Grunderwerbsteuer, war bislang die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des anderen Grundstücks nur zur Hälfte anzusetzen.5 Aufgrund der Neuregelung des § 448 Abs. 2 BGB, dem trotz seines dispositiven Charakters Leitbildfunktion zukommt, ist jedoch nunmehr die auf das andere Grundstück entfallende Grunderwerbsteuer in voller Höhe zur Gegenleistung hinzuzurechnen.6

280

§ 10 (weggefallen)

1 BFH v. 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228; v. 14.7.1965 – II 155/62, HFR 1965, 551; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 582. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 219. 3 BFH v. 17.4.2013 – II R 1/12, BStBl. II 2013, 637; Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 220. 4 Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 581. 5 BFH v. 26.2.1975 – II R 173/71, BStBl. II 1975, 675, unter Bezugnahme auf § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 13 Nr. 1 GrEStG; Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 593. 6 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 99, 222; Hofmann11, § 9 GrEStG Rz. 101; offengelassen bei G/B/B/S6, Kap. 6 Rz. 241; selbst noch für die Rechtslage nach der Neuregelung des § 448 Abs. 2 BGB abw. Loose in Boruttau19, § 9 GrEStG Rz. 593; s.a. Steiger, UVR 2004, 131; Streit, DStR 2003, 1776.

Konrad

707

Vierter Abschnitt Steuerberechnung (§§ 11–12)

§ 11 Steuersatz, Abrundung (1) Die Steuer beträgt 3,5 vom Hundert. (2) Die Steuer ist auf volle Euro nach unten abzurunden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

1 2

. . . .

3 4

B. Anwendung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . .

5

C. Abrundung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . D. Kleinbeträge, Sonstiges . . . . . . . . . . . . . .

6 7

E. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . .

8

F. Steuersätze in den Ländern . . . . . . . . . . .

9

Literatur: Schanko, Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer als Reaktion auf steigende Steuersätze UVR 2016, 16; Welz, Steuerliche Randsportarten – Besondere Verkehrsteuern im Überblick, UVR 2016, 48; Welz, Änderung der KleinbetragsVO und Auswirkungen auf Verkehrsteuern UVR 2017, 22.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift enthält den bis 2006 einheitlichen Grunderwerbsteuersatz von 3,5 %.

1

II. Bedeutung und Telos Aufgrund der Übertragung der Befugnis zur Änderung des Grunderwerbsteuersatzes auf die Bundesländer im Rahmen der Grundgesetzänderung vom 28.8.2006 hat die Vorschrift an Bedeutung verloren, da die Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern und Sachsen, von der Möglichkeit eines länderspezifischen Grunderwerbsteuersatzes Gebrauch gemacht haben.

2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Für die Anwendung des § 11 GrEStG und für den damit verbundenen Steuersatz ist der Zeitpunkt der Verwirklichung i.S.d. § 23 GrEStG entscheidend (vgl. § 23 Rz. 8 ff., Verwirklichung).

3

IV. Rechtsentwicklung Mit Inkrafttreten des GrEStG zum 1.1.1983 wurde das Grunderwerbsteuerrecht grundlegend refor- 4 miert. Hauptbestandteil dieser Reform war die Festschreibung eines einheitlichen Steuersatzes von 2 v.H. In den Ländergesetzen existierten bis dahin Steuersätze von bis zu 7 v.H. Daneben gab es zahlreiche Befreiungen, die mit Einführung des GrEStG 1983 entfielen bzw. erheblich reduziert wurden. In den neuen Bundesländern galt für die grunderwerbsteuerlichen Tatbestände, die vor dem 1.1.1991 verwirklicht wurden, ein Steuersatz von 7 v.H.

Drees

709

§ 11 Rz. 4 Steuersatz, Abrundung Durch das JStG 19971 wurde der Steuersatz auf 3,5 v.H. angehoben. Er gilt für nach dem 31.12.1996 verwirklichte Erwerbsvorgänge, § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG. Aufgrund der Grundgesetzänderung vom 28.8.20062 im Rahmen der Föderalismusreform ging man wieder einen Schritt zurück. Die Länder erhielten aufgrund des geänderten Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer. Gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG kann das Bundesrecht (hier in Form von § 11 Abs. 1 GrEStG) durch Landesrecht ersetzt werden. Davon machten alle Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern und Sachsen, Gebrauch. Einzelheiten sind der Tabelle (s. Rz. 9) zu entnehmen. Das an die Stelle des Bundesrechts tretende Landesrecht ist dennoch revisibel, d.h. der Revision durch den BFH zugänglich. Zwar wurde § 160 Abs. 2 FGO durch Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes vom 21.12.1992 mit Wirkung ab 1.1.1993 aufgehoben3, doch sehen Landesgesetze die Anwendung der FGO vor. Eine Übersicht findet sich bei Hübschmann/Hepp/Spitaler.4

B. Anwendung (Abs. 1) 5

Zur Ermittlung der Grunderwerbsteuer ist der maßgebliche Steuersatz auf die Bemessungsgrundlage anzuwenden. Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach den §§ 8 und 9 GrEStG.

C. Abrundung (Abs. 2) 6

Gemäß § 11 Abs. 2 GrEStG ist die sich ergebende Grunderwerbsteuer auf die sich aus den §§ 8 und 9 GrEStG ergebende Bemessungsgrundlage nach unten abzurunden. Beispiel: Bemessungsgrundlage GrESt i.H.v. 3,5 % Abgerundete GrESt, § 11 Abs. 2 GrEStG

125.500,00 Euro 4.392,50 Euro 4.392,00 Euro

D. Kleinbeträge, Sonstiges 7

Eine Änderung oder Berichtigung von Grunderwerbsteuer-Festsetzungen von bis zu 10 Euro unterblieb bisher aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 1 KleinbetragsVO vom 19.12.20005. Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens6 wurde § 1 Abs. 1 KBV geändert, so dass ab dem 1.1.2017 zugunsten des Steuerpflichtigen eine Änderung oder Berichtigung ab 10 Euro erfolgt; zuungunsten muss sie mindestens 25 Euro betragen. Praktische Auswirkungen wird die Erhöhung für die Grunderwerbsteuer nicht haben.

E. Verfassungsrechtliche Bedenken 8

Aufgrund der Ausgestaltung des GrEStG 1983 ohne Befreiungen für selbstgenutzten Wohnraum und einem erschwerten Erwerb von Eigentum könnten verfassungsrechtliche Bedenken bzgl. Art. 14 Abs. 1 GG, der Gewährleistung von Eigentum, sowie dem Schutz von Ehe und Familie im Sinne des Art 6 Abs. 1 GG bestehen. Etwas ferner liegend, aber denkbar, könnte ein Verstoß gegen die Freiheit

1 2 3 4 5 6

BGBl. I 1996, 2049. BGBl. I 2006, 2034. BGBl. I 1992, 2109, BStBl. I 1993, 90. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Landesgesetze zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung. BGBl. I 2000, 1805. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1679.

710

Drees

F. Steuersätze in den Ländern

Rz. 9 § 11

der Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 GG sowie gegen die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG vorliegen. Höchstrichterlich werden jedoch weder dem Grunde noch der Höhe nach verfassungsrechtliche Bedenken gesehen.1 Dies gilt auch nach Änderung des Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG.2 Davon weicht die Finanzgerichtsrechtsprechung aktuell nicht ab.3 Auch bestünde kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine widersprechende Sachgesetzlichkeit liege dem Gesetz nicht zugrunde, so dass die Annahme von Willkür nicht gegeben sei.4 Das FG Münster lehnt einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls ab.5 Die Meinung des BFH wird durch Entscheidungen des BVerfG gestützt. Der erste Senat lehnt einen Grundsatz der umfassenden Freistellung privaten Gebrauchvermögens ab. Dieser ließe sich auch nicht aus den Beschlüssen des zweiten Senats zur Vermögensteuer ableiten. Sie sei eine Sollertragsteuer, die mit einer Verkehrsteuer i.S.d. Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG wie der Grunderwerbsteuer nicht vergleichbar sei.6 Dahingegen wäre eine Differenzierung der Grunderwerbsteuersätze innerhalb eines Bundeslandes bereits aufgrund der derzeitigen Formulierung des Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG voraussichtlich nicht möglich.7

F. Steuersätze in den Ländern Land

Steuersatz (%)

Für Erwerbsvorgänge, die ab dem … verwirklicht sind

Baden-Württemberg

5,08

5.11.2011

Bayern

3,59

1.1.199710

Berlin

4,511 5,012 6,013

1.1.2007 1.4.2012 1.1.2014

Brandenburg

5,014 6,515

1.1.2011 1.7.2015

Bremen

4,516 5,017

1.1.2011 1.1.2014

9

1 BFH v. 3.8.2005 – II B 37/05, BFH/NV 2006, 122; v. 24.3.2003 – II B 34/02, BFH/NV 2003, 941; v. 17.6.1998 – II B 33/98, BFH/NV 1999, 76. 2 FG Hamburg v. 31.8.2012 – 3 V 129/12, EFG 2013, 140; BFH v. 22.6.2010 – II R 4/09, BFH/NV 2010, 1661. 3 FG Münster v. 20.8.2020 – 8 K 470/19 E, GrE. 4 FG Münster v. 20.8.2020 – 8 K 470/19 E, GrE; BFH v. 15.5.2019 – II B 55/18; die anschließende Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG v. 8.3.2021 – 1 BvR 2625/19; BFH v. 17.6.1998 – II B 33/98, BFH/NV 1999, 76. 5 FG Münster v. 20.8.2020, 8 K 470/19 E, GrE. 6 BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152; v. 5.5.1998 – 1 BvL 24/97, HFR 1998, 682. 7 Schanko, UVR 2016, 16. 8 GBl. BW 2011, 493. 9 § 11 Abs. 1 GrEStG. 10 Das Bundesland hat von der Steuersatzänderungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. 11 GVBl. Berlin 2006, 1172. 12 GVBl. Berlin 2012, 90. 13 GVBl. Berlin 2013, 583. 14 GVBl. Bdb. I/10 Nr. 40. 15 GVBl. Bdb. I/15 Nr. 16. 16 GVBl. Bremen 2010, 574. 17 GVBl. Bremen 2013, 559.

Drees

711

§ 11 Rz. 9 Steuersatz, Abrundung Land

Steuersatz (%)

Für Erwerbsvorgänge, die ab dem … verwirklicht sind

Hamburg

4,51

1.1.2009

Hessen

5,02 6,03

1.1.2013 1.8.2014

Mecklenburg-Vorpommern

5,04 6,05

30.6.2012 1.7.2019

Niedersachsen

4,56 5,07

1.1.2011 1.1.2014

Nordrhein-Westfalen

5,08 6,59

1.10.2011 1.1.2015

Rheinland-Pfalz

5,010

1.3.2012

Saarland

4,011 4,512 5,513 6,514

1.1.2011 1.1.2012 1.1.2013 1.1.2015

Sachsen

3,515

1.1.199716

Sachsen-Anhalt

4,517 5,018

2.3.2010 1.3.2012

Schleswig-Holstein

5,019 6,520

1.1.2012 1.1.2014

Thüringen

5,021 6,522

7.4.2011 1.1.2017

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

GVBl. Hamburg 2008, 433. GVOBl. Hess. 2012, 457. GVOBl. Hess. v. 28.7.2014. GVOBl. MV 2012, 208. GVOBl. MV 2019, 190. Der Steuersatz wurde im Zusammenhang mit der Aufhebung der Straßenbaubeiträge in Mecklenburg-Vorpommern erhöht. Die Kommunen erhalten im Gegenzug eine Möglichkeit zur Erstattung des Beitragsausfalls nach § 8a KAG M-V. Nds. GVBl. 2010, 631. Nds. GVBl. 2013, 310. GV. NW 2011, 389. GV. NW 2014, 954. GVBl. Rh.-Pf. 2012, 41. Abl. Saarl. I 2010, 1522. Abl. Saarl. I 2011, 556. Abl. Saarl. I 2012, 520. Abl. Saarl. I 2014, 447. § 11 Abs. 1 GrEStG. Das Bundesland hat von der Steuersatzänderungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. GVBl. Sa.-Anh. 2010, 69. GVBl. Sa.-Anh. 2012, 52. GVBl. Schl.-Holst. 2010, 789. GVBl. Schl.-Holst. 2013, 494. GVBl. Thür. 2011, 66. GVBl. Thür. 2015, 238.

712

Drees

§ 12 Pauschbesteuerung Das Finanzamt kann im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen von der genauen Ermittlung des Steuerbetrags absehen und die Steuer in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dadurch die Besteuerung vereinfacht und das steuerliche Ergebnis nicht wesentlich geändert wird. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

B. Einvernehmen des Steuerpflichtigen . . . . . .

5

Literatur: Siepmann, Vereinbarungen des Steuerpflichtigen mit dem Finanzamt im Rahmen der Steuerfestsetzung – aufgezeigt am Beispiel des § 12 GrEStG, UVR 1991, 299; Heine, Die Gegenleistung bei der Grunderwerbsteuer und die Bewertung nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, UVR 2000, 209 (218); Bruschke, Pauschbesteuerung bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2001, 259; Behrens/Seemaier, UVR 2021, 59; Böing, Gegenleistung oder Grundstückswert als grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage, ErbStB 2021, 8.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 12 GrEStG ermöglicht es dem Finanzamt auch im Interesse des Steuerpflichtigen, von der nach § 8 GrEStG angeordneten Ermittlung der Bemessungsgrundlage und damit Steuer i.S.d. § 11 GrEStG im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen abzusehen, wenn die genaue Ermittlung des Steuerbetrages mit erheblichen Schwierigkeiten und umfangreichem Arbeits- und Zeitaufwand verbunden ist, welcher nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise in keinem Zusammenhang mit dem zu erhebenden Steuerbetrag steht.

1

II. Bedeutung und Telos Die Pauschalierung kann grundsätzlich bei allen von § 8 GrEStG erfassten Tatbeständen Anwendung finden.

2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Der Anwendungsbereich von § 12 GrEStG ist aufgrund der in § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG angeord- 3 neten Berücksichtigung der gesondert festzustellenden Grundbesitzwerte i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG (zuvor § 138 Abs. 2 bis 4 BewG) stark eingeschränkt. Auch wenn die Vorschrift eine Pauschalierung der Steuer ermöglicht, so ist eine zumindest überschlägige Schätzung der nach § 8 GrEStG zu berücksichtigenden Bemessungsgrundlage notwendig, da ansonsten dem gesetzlichen Erfordernis, dass das steuerliche Ergebnis nicht wesentlich geändert wird, nicht entsprochen wird. Bei der Pauschalierung handelt es sich um keine Schätzung i.S.v. § 162 AO (§ 227 AO), da bewusst aufgrund verschiedenster Gründe auf eine vollständige Sachverhaltsaufklärung verzichtet wird. Der praktische Anwendungsfall dieser Vorschrift ist mehr als gering einzuschätzen, da vor einer Anwendung der Pauschalierung die Verfahrensbeteiligten sämtliche Möglichkeiten zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage ausgeschöpft haben oder aber das Ergebnis nur gering von der tatsächlich festzusetzenden Steuer abweicht. Damit rückt die Pauschalierung der Steuer in die Nähe einer tatsächlichen Verständigung.1 Vor allem Sachverhalte, bei denen die Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG ganz oder teilweise in Sachleistungen oder sonstigen Leistungen besteht, deren Wert 1 Vgl. Hofmann11, § 12 GrEStG Rz. 1.

Nienhaus

713

4

§ 12 Rz. 4 Pauschbesteuerung schwer und nur mit unverhältnismäßigem Aufwand für alle Beteiligten zu ermitteln ist, kämen für eine Pauschalierung in Betracht.1

B. Einvernehmen des Steuerpflichtigen 5

Eine Anwendung der Rechtsvorschrift ist nur im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen möglich. Dieses sollte aus Zweckmäßigkeitsgründen und zur Beweisvorsorge schriftlich vom Finanzamt eingeholt bzw. vom Steuerpflichtigen abgegeben werden. Auch wenn es sich bei der Vorschrift um eine Pauschalierung der Steuer handelt, so umfasst das Einvernehmen des Steuerpflichtigen indirekt den Grund und die Höhe der Steuerforderung.

6

Das Einvernehmen bindet jedoch nur denjenigen Steuerschuldner, der es gegenüber dem Finanzamt abgegeben hat. Insbesondere in den Fällen, in denen die anfallende Grunderwerbsteuer von mehreren als Gesamtschuldner gefordert werden kann, sollte das Einvernehmen von sämtlichen Gesamtschuldnern vom Finanzamt eingeholt bzw. von sämtlichen Gesamtschuldnern gegenüber dem Finanzamt abgegeben werden.

1 In diesem Sinne auch FG Berlin-Bdb. v. 5.12.2019 – 12 K 4223/10, UVR 2021, 59, im Nachgang zu BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555.

714

Nienhaus

Fünfter Abschnitt Steuerschuld (§§ 13–15)

§ 13 Steuerschuldner Steuerschuldner sind 1. regelmäßig: die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen; 2. beim Erwerb kraft Gesetzes: der bisherige Eigentümer und der Erwerber; 3. beim Erwerb im Enteignungsverfahren: der Erwerber; 4. beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren: der Meistbietende; 5. bei der Vereinigung von mindestens 90 vom Hundert der Anteile an einer Gesellschaft in der Hand a) des Erwerbers: der Erwerber; b) mehrerer Unternehmen oder Personen: diese Beteiligten; 6. bei Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft: die Personengesellschaft; 7. bei Änderung des Gesellschafterbestandes einer Kapitalgesellschaft: die Kapitalgesellschaft; 8. bei der wirtschaftlichen Beteiligung von mindestens 90 vom Hundert an einer Gesellschaft: der Rechtsträger, der die wirtschaftliche Beteiligung innehat. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . B. Schuldner der Grunderwerbsteuer I. Regelmäßiger Steuerschuldner (Nr. 1) 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaufverträge und andere Schuldverträge i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG . . . . . . . 3. Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) . . . 4. Zwischengeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG) a) Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder Anspruchs auf Abtretung der Rechts aus einem Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) . . . . . . . .

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4 5 11 12

13 14 20

II. III. IV. V.

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b) Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . c) Abtretung eines Übereignungsanspruchs, der Rechte aus dem Meistgebot oder des Rechts aus einem Optionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) 5. Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . Eigentumserwerb kraft Gesetzes (Nr. 2) . . Enteignungsverfahrens (Nr. 3) . . . . . . . . Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft (Nr. 5) 1. Vereinigung in der Hand des Erwerbers (Nr. 5 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinigung in der Hand mehrerer Unternehmen oder Personen (Nr. 5 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 13 Rz. 1 Steuerschuldner VI. Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (Nr. 6) . . . . . VII. Änderung des Gesellschafterbestands einer Kapitalgesellschaft (Nr. 7) . . . . . .

33 35

VIII. Wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % an einer Gesellschaft (Nr. 8) . .

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C. Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . D. Haftungsschuldner . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Bartone, Die Gesamtschuld im Steuerrecht, AO-StB 2003, 13; Behrens, Schlussfolgerungen aus den gleichlautenden Länder-Erlassen zu § 1 Abs. 3a und § 6a GrEStG n.F. vom 9.10.2013, DStR 2013, 2726; Behrens/ Meyer-Wirges, Anmerkungen zum koordinierten Ländererlass vom 21.3.2007 zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft, DStR 2007, 1290; Bruschke, Gesamtschuldnerschaft bei der Grunderwerbsteuer, ErbStB 2020, 354; Forst/Ruppel, Grunderwerbsteuer und Organschaft, EStB 2006, 223; Heine, Gesamtschuldnerschaft des Verkäufers nach § 13 GrEStG – Einheitliches Vertragswerk erweist sich als Falle, UVR 2018, 95; Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2021; Urbach, Das neue Grunderwerbsteuerrecht, KÖSDI 2021, 22274.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 13 GrEStG bestimmt, wer Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer i.S.v. § 43 Satz 1 AO ist, und füllt diese Vorschrift für den Bereich des Grunderwerbsteuerrechts aus.1 Die in § 13 GrEStG genannten Personen sind die am Grunderwerbsteuerrechtsverhältnis Beteiligten, die verpflichtet sind, die Grunderwerbsteuer für eigene Rechnung selbst zu entrichten.2

II. Bedeutung und Telos 2

Nach der allgemeinen Regelung des § 43 Satz 1 AO ist derjenige Steuerschuldner, den die Steuergesetze als solchen bestimmen. Diese Bestimmung nimmt § 13 GrEStG für den Bereich des Grunderwerbsteuergesetzes vor. Vom Steuerschuldner ist der Steuerpflichtige (§ 33 Abs. 1 AO) zu unterscheiden. Der Steuerschuldner ist zwar auch Steuerpflichtiger, jedoch umfasst der Begriff des Steuerpflichtigen weitere Personen, insbesondere den Haftungsschuldner (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO), der nach Maßgabe der §§ 69 ff. AO oder anderer Haftungsnormen für eine fremde Steuerschuld einzustehen hat.3 Demnach regelt § 13 GrEStG nicht, wer ggf. für die Grunderwerbsteuerschuld eines anderen haftet. Dies richtet sich nach den allgemeinen Haftungsnormen, insbesondere nach den §§ 69 ff. AO. Die Haftungsschuld, die wie der Steueranspruch einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 Abs. 1 AO darstellt und grundsätzlich durch einen Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) geltend zu machen ist, liegt nicht im Regelungsbereich des § 13 GrEStG. Zur Haftung s. Rz. 46 ff.

3

Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer kann nur derjenige sein, der die Steuerrechtsfähigkeit für die Grunderwerbsteuer besitzt und demnach entsprechendes Steuersubjekt sein kann (vgl. dazu Rz. 5).4 § 13 GrEStG trifft dazu keine Regelung, sondern setzt die spezifische Steuerrechtsfähigkeit voraus. Maßgeblich ist für das Grunderwerbsteuerrecht, dass jemand als selbständiger Rechtsträger einen Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 GrEStG erfüllen kann.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4

Der Begriff des Steuerschuldners i.S.v. § 13 GrEStG bezieht sich auf die Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG und steht damit in einem untrennbaren sachlichen und systematischen Zusammenhang. Die Norm ist folglich auch für Tatbestände innerhalb des GrEStG heranzuziehen, die den Begriff des 1 2 3 4

Vgl. z.B. Boeker in HHSp, § 43 AO Rz. 3; Schindler in Gosch, § 43 AO Rz. 9. Vgl. auch Boeker in HHSp, § 43 AO Rz. 3. Vgl. z.B. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, Vor §§ 69–77 AO Rz. 1. Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 31.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 6 § 13

Steuerschuldners enthalten, z.B. § 19 Abs. 1 GrEStG. Da § 1 GrEStG den Regelungsbereich auf inländische Grundstücke beschränkt, bezieht sich § 13 GrEStG folglich nur auf Grunderwerbsteuerschulden, die aufgrund entsprechender Erwerbstatbestände entstanden sind. 2. Persönlicher Geltungsbereich § 13 GrEStG gilt für die Personen, welche an einem Erwerbstatbestand des § 1 GrEStG beteiligt sind 5 und damit auch die Tatbestandsmerkmale des § 13 GrEStG erfüllen. Steuerschuldner kann nur sein, wer auch grunderwerbsteuerrechtsfähig ist. Dies sind natürliche und juristische Personen, aber auch Gesamthandsgemeinschaften: (Ungeteilte) Erbengemeinschaften (§§ 2032 ff. BGB) sind aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht selbständige Rechtsträger und damit selbst Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer, nicht die Miterben.1 Dies gilt ohne weiteres auch für Personenhandelsgesellschaften (OHG, §§ 105 ff. HGB, insbesondere § 124 Abs. 1 HGB; KG, §§ 161 ff. HGB, insbesondere § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB), Partnerschaftsgesellschafen (§§ 1 ff. PartGG, insbesondere § 7 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB)2 sowie GbR (§§ 705 ff. BGB).3 Die Grunderwerbsteuerrechtsfähigkeit und damit die Steuerschuldnerschaft bestimmen sich allein nach (grunderwerb-)steuerrechtlichen Grundsätzen und hängen nicht von der zivilrechtlichen vollen oder partiellen Rechtsfähigkeit ab.4 Rechtsfähige Stiftungen (§§ 80 ff. BGB) sind ebenfalls grunderwerbsteuerrechtsfähig und können daher Steuerschuldner sein, nicht jedoch nichtrechtsfähige (unselbständige/treuhänderische) Stiftungen.5 Im letztgenannten Fall ist der Treuhänder der unselbständigen Stiftung, und zwar unabhängig davon, ob er beim Erwerb des Grundstücks das Treuhandverhältnis offenlegt oder nicht.6 Nichtrechtsfähige Vereine sind keine juristischen Personen, und nach § 54 Satz 1 BGB ist auf diese das Recht der GbR (§§ 705 ff. BGB) anzuwenden. Daher können sie als Gesamthandsgemeinschaften selbständiger Rechtsträger sein und damit auch Steuerschuldner (Rz. 6). Steuerschuldner sind nicht die Vereinsmitglieder, die allerdings nicht generell für die Grunderwerbsteuerschulden des Vereins haften, sondern nur, soweit sie im Namen des Vereins gegenüber Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen haben, im Rahmen der Handelndenhaftung nach § 54 Satz 2 BGB.7 Soweit Gesamthandsgemeinschaften (Rz. 5) als solche einen Erwerbstatbestand i.S.v. § 1 GrEStG er- 6 füllen, sind sie auch als solche Steuerschuldner i.S.v. § 13 GrEStG, nicht die daran beteiligten Personen. Dies ergibt sich als logische Konsequenz daraus, dass die Gesamthandsgemeinschaften als selbständige Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht betrachtet werden. Erwirbt beispielsweise eine GbR ein Grundstück, so ist diese demnach als solche Steuerschuldnerin in Bezug auf die Grunderwerbsteuer, nicht aber deren Gesellschafter.8 Entsprechendes gilt für die OHG9 und die KG. Daher kommt es für die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft darauf an, dass zwischen dem Zeitpunkt des Grundstückserwerbs und des Ergehens des Steuerbescheides einzelne Gesellschafter gewechselt haben, den dieser Gesellschafterwechsel berührt die Identität der Gesellschaft nicht und hat allenfalls Bedeutung für die Frage, welche gegenwärtigen oder früheren Gesellschafter ggf. für die Grunderwerbsteuer als Haftungsschuldner einzustehen haben.10 Die Gesellschafter können demnach nur als 1 BFH v. 29.11.1972 – II R 28/67, BStBl. II 1973, 370; v. 29.11.1972 – II R 42/67, BStBl. II 1973, 372; s. auch Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 11, 87. 2 Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 1. 3 BFH v. 29.11.1972 – II R 28/67, BStBl. II 1973, 370; v. 29.11.1972 – II R 42/67, BStBl. II 1973, 372; s. auch Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 11. 4 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 11. 5 Vgl. FG Sachs. v. 26.1.2012 – 1 K 1786/08, juris (rkr. nach Zurückweisung der Revision BFH v. 28.9.2012 – II B 43/1, n.v.); Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 11. 6 Vgl. FG München v. 19.10.2005 – 4 K 5148/03, EFG 2006, 431 (rkr.); FG Sachs. v. 26.1.2012 – 1 K 1786/08, juris (rkr. nach Zurückweisung der Revision BFH v. 28.9.2012 – II B 43/1, nv.); Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 11. 7 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 83. 8 Vgl. z.B. BFH v. 22.10.1986 – II R 118/84, BStBl. II 1987, 183; v. 11.2.1987 – II R 103/84, BStBl. II 1987, 325; v. 31.7.1991 – II B 38/91, BFH/NV 1992, 56; v. 27.7.1994 – II R 69/91, BFH/NV 1995, 186. 9 Vgl. BFH v. 6.9.1989 – II R 61/86, BFH/NV 1990, 594. 10 Vgl. BFH v. 11.2.1987 – II R 103/84, BStBl. II 1987, 325; v. 12.12.2001 – II B 5/01, BFH/NV 2002, 812; FG Hamburg v. 15.4.2016 – 3 K 213/15, UVR 2016, 232; s. auch Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 31.

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§ 13 Rz. 6 Steuerschuldner Haftungsschuldner (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) für die Grunderwerbsteuerschulden der GbR entsprechend § 128 HGB in Anspruch genommen werden (Rz. 48).1 Für Gesellschafter einer OHG gilt dies gem. § 128 Satz 1 HGB i.V.m. §§ 421, 427 BGB (Rz. 48).2 Siehe im Übrigen § 1 Rz. 10 ff. 7

Ausländische Rechtsträger sind Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer, wenn sie Erwerbstatbestände in Bezug auf inländische Grundstücke (§ 1 Abs. 1 GrEStG) erfüllen.3 Relevant kann dies vor allem bei den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 3 GrEStG sein: Für die Entstehung der Grunderwerbsteuer ist es unerheblich, dass an dem im Ausland abgewickelten Anteilserwerb ausschließlich Gesellschaften mit Sitz im Ausland beteiligt sind.4 Entscheidend ist – wie aus § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG folgt („inländische[s] Grundstück[e]“) – die Lage der von dem (fiktiven) Grunderwerb erfassten Grundstücke im Inland.5

8

Verwirklichen in sonstigen Fällen, d.h. ohne an einem selbständigen Rechtsträger beteiligt zu sein, mehrere Personen auf Erwerber- oder Veräußererseite einen Tatbestand i.S.v. § 1 GrEStG, so dass jeder einen Miteigentumsanteil am dem Grundstück erwirbt, so bilden die Miteigentümer eine Bruchteilsgemeinschaft (§ 1008 BGB). Sie erwerben an dem Grundstück einen Bruchteil (§ 1008 BGB), z.B. das hälftige Eigentum, und können selbständig darüber verfügen. Anders als im Fall der Gesamthandsgemeinschaften bildet das Bruchteilseigentum kein gemeinschaftliches Vermögen.6 Der Miteigentumsanteil ist ein Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn (§ 2 Rz. 6). Die Veräußerung eines Miteigentumsanteils erfüllt demnach einen eigenen Erwerbstatbestand, so dass die Miteigentümer jeweils für sich Steuerschuldner in Bezug auf ihren Miteigentumsanteil sind. Auch bei gleichzeitigem Erwerb der Miteigentumsanteile handelt es um getrennt zu behandelnde Steuerfälle.7 Es liegt demnach kein Fall der Gesamtschuldnerschaft (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO) vor. Dies gilt auch, wenn der Eigentümer ein Grundstück an mehrere Erwerber veräußert, die das Eigentum als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben: Hier liegen so viele Steuerfälle vor, wie Miteigentümer beteiligt sind.8

9

Die vorstehend dargestellten Grundsätze (Rz. 8) gelten auch für Ehegatten, die in Gütertrennung (§ 1414 BGB) oder im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) leben. Sie sind Miteigentümer des Grundstücks i.S.v. § 1008 BGB und verwirklichen mit dem Erwerb der Miteigentumsanteile zwei Grunderwerbsteuerfälle, die getrennt zu behandeln sind, so dass jeder von ihnen Steuerschuldner in Bezug auf den Erwerb seines Miteigentumsanteils ist.9 Dies gilt nach der Rspr. des BFH letztlich auch, wenn die Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) gewählt haben und sie ein Grundstück zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) erwerben. In diesem Fall bilden sie eine Gesamthandsgemeinschaft (§ 1419 BGB). Ungeachtet des Umstands, dass ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück, vorbehaltlich der Zuordnung zum Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB), im gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegatten steht, bildet die eheliche Gütergemeinschaft grunderwerbsteuerrechtlich keine selbständige Rechtspersönlichkeit.10 Erwerber sind demnach die Ehegatten, nicht die Gesamthand, so dass ihnen der Grundstückserwerb je zur Hälfte zugerechnet wird (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO).11 Auch in diesem Fall liegen folglich zwei verschiede-

1 Vor der Rspr.-Änderung des BGH zur Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft (grundlegend BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) ergab sich die Haftung aus §§ 705, 714, 718 i.V.m. §§ 421, 427 BGB. Hierauf beruhte auch die Rspr. des BFH, vgl. z.B. BFH v. 22.10.1986 – II R 118/84, BStBl. II 1987, 183; v. 11.2.1987 – II R 103/84, BStBl. 1987, 325; v. 31.7.1991 – II B 38/91, BFH/NV 1992, 56; v. 27.7.1994 – II R 69/91, BFH/NV 1995, 186. 2 Vgl. BFH v. 6.9.1989 – II R 61/86, BFH/NV 1990, 596. 3 Vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505; v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306. 4 Vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505. 5 Vgl. BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505. 6 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 29. 7 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 71. 8 BFH v. 5.11.1958 – II 166/57 U, BStBl. III 1959, 98; vgl. Viskorf in Boruttau18, § 13 GrEStG Rz. 71. 9 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 74. 10 BFH v. 24.10.1956 – II 60/56 U, BStBl. III 1956, 364; v. 4.4.1967 – II 49/63, HFR 1967, 395. 11 BFH v. 24.10.1956 – II 60/56 U, BStBl. III 1956, 364; v. 4.4.1967 – II 49/63, HFR 1967, 395; v. 31.8.1994 – II R 82/93, BFH/NV 1995, 437; Viskorf in Boruttau18, § 13 GrEStG Rz. 88.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12 § 13

ne Steuerfälle vor. Jeder der Ehegatten schuldet daher die Grunderwerbsteuer nur für sich und für seinen Erwerb, nicht aber als Gesamtschuldner.1 Es versteht sich von selbst, dass ein (noch) nicht existenter Rechtsträger nicht Steuerschuldner sein 10 kann.2 Allerdings gilt bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft Folgendes: Die Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH oder AG) entsteht als rechtsfähige Gesellschaft (§ 13 Abs. 1 GmbHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG) erst mit Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG, § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG). Vor der Feststellung der Satzung durch notarielle Beurkundung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG) besteht – außer im Fall der Einpersonengründung – zwischen den Gründern eine Vorgründungsgesellschaft in der Form einer OHG (§§ 105 ff. HGB), sofern diese Vorgründungsgesellschaft ein Handelsgewerbe i.S.v. § 1 Abs. 2 HGB betreibt, andernfalls in der Form einer GbR (§§ 705 ff. BGB). Diese kann nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze für Gesamthandsgemeinschaften (Rz. 5 f.) Schuldner der Grunderwerbsteuer sein. Nach der Feststellung der Satzung durch notarielle Beurkundung besteht bis zur Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister eine Vorgesellschaft, die bereits alle Eigenschaften der Kapitalgesellschaft außer der Rechtsfähigkeit besitzt.3 Sie ist mit der später entstehenden Kapitalgesellschaft identisch. Erwirbt die Vorgesellschaft ein Grundstück, ist die Gesellschaft als solche Schuldnerin der Grunderwerbsteuer und bleibt es nach Eintragung in das Handelsregister. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist dann an die entstandene Kapitalgesellschaft zu richten, denn es tritt wegen der Identität kein Rechtsträgerwechsel ein.4 Scheitert die Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister und damit ihre Entstehung endgültig, wird auf die nun „unechte“ Vorgesellschaft das Recht der Personengesellschaften angewandt5, so dass die oben (Rz. 5 f.) dargestellten Grundsätze für die Steuerschuldnerschaft gelten. Bei der Einpersonengründung (vgl. § 1 GmbHG, § 2 AktG) bestehen keine Vorgründungs- und keine Vorgesellschaft. Erwirbt der Gesellschafter in der Gründungsphase ein Grundstück, wird es der späteren Kapitalgesellschaft zugerechnet.6 Diese wird dann nach Entstehung Schuldnerin der Grunderwerbsteuer und Inhaltsadressatin des Grunderwerbsteuerbescheids. Kommt es nicht zur Entstehung der Ein-Mann-Kapitalgesellschaft, tritt ein Rechtsträgerwechsel gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein, so dass der Gründungsgesellschafter Steuerschuldner wird.7 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 13 GrEStG bildet die notwendige Ergänzung des § 1 GrEStG, der die Erwerbsvorgänge festlegt. § 13 GrEStG bestimmt die Steuerschuldnerschaft korrespondierend zu den in § 1 GrEStG geregelten Erwerbstatbeständen. Es besteht eine vollständige Kongruenz, d.h. alle Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG werden von § 13 GrEStG erfasst.

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IV. Rechtsentwicklung § 13 GrEStG entspricht im Wesentlichen der Vorschrift des § 15 GrEStG 1940.8 § 13 Nr. 5 GrEStG entsprach bis zur Änderung durch Art. 15 Nr. 6 des StEntlG 1999/2000/20029 inhaltlich der Regelung des § 15 Nr. 5 GrEStG 1940, mit Ausnahme des verfassungswidrigen Satzteils betreffend die Anteilsvereinigung in der Hand von Eheleuten, von Eltern und Kindern. Durch das

1 BFH v. 24.10.1956 – II 60/56 U, BStBl. III 1956, 364; v. 4.4.1967 – II 49/63, HFR 1967, 395; v. 31.8.1994 – II R 82/93, BFH/NV 1995, 437; vgl. auch Jochum in Wilms/Jochum, § 13 GrEStG Rz. 12. 2 Vgl. Pahlke6 § 1 GrEStG Rz. 13. 3 Vgl. z.B. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129; v. 27.1.1997 – II ZR 123, 94, BGHZ 134, 333; v. 6.4.2009 – II ZR 277/07, WM 2009, 1288. 4 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 17. 5 Siehe z.B. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129; v. 28.11.1997 – V ZR 178/96, GmbHR 1998, 185; v. 31.3.2008 – II ZR 308/06, BB 2008, 1249; K. Schmidt in Scholz12, § 11 GmbHG, Rz. 162. 6 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210. 7 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210. 8 Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 1. 9 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402.

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§ 13 Rz. 12 Steuerschuldner StEntlG 1999/2000/20021 wurde der Eingangssatz von § 13 N. 5 GrEStG neugefasst und so an den gleichzeitig geänderten § 1 Abs. 3 GrEStG angepasst, und zwar m.W.v. 1.1.2000 (§ 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG). § 13 Nr. 6 GrEStG wurde durch das JStG 19972 neu eingefügt und galt gem. § 23 Abs. 3 GrEStG erstmals für Rechtsgeschäfte i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, die nach dem 31.12.1996 abgeschlossen wurden. Durch das StEntlG 1999/2000/20023 wurde die Vorschrift an die geänderte Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG angepasst. § 13 Nr. 7 GrEStG wurde durch Art. 26 Nr. 5 Buchst. b AmtshilfeRLUmsG4 m.W.v. 7.6.2013 (§ 23 Abs. 11 GrEStG) neu angefügt.5 Ein neuer § 13 Nr. 7 GrEStG wurde durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. b GrEStÄndG6 m.W.v. 1.7.2021 eingefügt. Gleichzeitig wurde der bisherige § 13 Nr. 7 GrEStG m.W.v. 1.7.2021 zum neuen § 13 Nr. 8 GrEStG (Art. 1 Nr. 7 Buchst. c GrEStGÄndG7).

B. Schuldner der Grunderwerbsteuer I. Regelmäßiger Steuerschuldner (Nr. 1) 1. Inhalt 13

Nach § 13 Nr. 1 GrEStG sind Steuerschuldner regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Die Steuerschuldnerschaft knüpft hier an den rechtsgeschäftlichen Grundstückserwerb an. Dies gilt für den Grundstückserwerb aufgrund von schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäften i.S.v. § 1 Nr. 1 GrEStG (§ 1 Rz. 33 ff.), die typischerweise den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks zum Gegenstand haben (Rz. 14), aufgrund einer Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB) i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG (§ 1 Rz. 74 ff.), aufgrund eines sog. Zwischengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG; § 1 Rz. 142 ff.) und für Anteilsübertragungen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG (§ 1 Rz. 82 ff.). Dem Tatbestandsmerkmal „regelmäßig“ kommt keine eigenständige Bedeutung zu.8 2. Kaufverträge und andere Schuldverträge i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

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Bei einem Grundstückskaufvertrag (§ 433 BGB), den § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausdrücklich nennt, sind dessen Vertragsparteien, also Käufer und Verkäufer, die Schuldner der Grunderwerbsteuer. Gleiches gilt für die Vertragsparteien anderer Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen. Ebenso sind die Vertragspartner eines Grundstückstauschvertrags (§ 480 BGB) Steuerschuldner, und zwar bezogen auf beide Grundstücksübertragungen (§ 1 Abs. 5 GrEStG; § 1 Rz. 1025). Bei einer gemischten Schenkung („teilentgeltliche Schenkung“) oder einer Schenkung unter Auflage sind der Zuwendende (der Schenker) und der Zuwendungsempfänger (der Beschenkte) die Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer.9 Wird ein Grundstück in das Betriebsvermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft eingebracht, sind Steuerschuldner der einbringende Gesellschafter sowie die Gesellschaft.10 Entsprechendes gilt für die Entnahme eines Betriebsgrundstücks.11

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Jahressteuergesetz 1997 (JStG) v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. Vgl. zur Rechtsentwicklung auch Jochum in Wilms/Jochum, § 13 GrEStG Rz. 4. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021. BGBl. I 2021, 986. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021. BGBl. I 2021, 986. Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 2. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 12. Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 2; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 12. Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 2; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 12.

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B. Schuldner der Grunderwerbsteuer

Rz. 17 § 13

Steuerschuldner i.S.v. § 13 Nr. 1 GrEStG können stets nur die am Erwerbsvorgang beteiligten Ver- 15 tragsteile sein. Dritte, die in keiner Weise an dem Vertrag, durch welchen der Anspruch auf die Übereignung des Grundstücks begründet wird, beteiligt sind, können folglich grundsätzlich nicht Steuerschuldner sein.1 Sie werden auch nicht deshalb Vertragsbeteiligte und damit Steuerschuldner, weil Leistungen von ihnen oder an sie nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG zur Gegenleistung gehören.2 Dies gilt auch bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB). Durch einen solchen Vertrag erwirbt der Dritte zwar unmittelbar einen Anspruch auf Grundstücksübereignung gegen den Schuldner, er ist aber selbst nicht Vertragspartei. Vertragsparteien sind ausschließlich der Versprechende (Schuldner) und der Versprechensempfänger. Daher sind auch nur diese Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer. Da der Dritte i.S.d. § 328 BGB selbst nicht Vertragsschließender ist, sondern lediglich aus dem Vertrag das Recht auf Einforderung der vereinbarten Leistung erlangt, ist er mangels Beteiligung am Vertrag nicht Steuerschuldner i.S.v. § 13 Nr. 1 GrEStG.3 Beim „Erwerb im Bauherrenmodell“ ist der Kaufvertrag zwar zunächst nur auf den Erwerb eines 16 Grundstücks gerichtet. Allerdings verbietet sich insoweit eine isolierte Betrachtung. Der Kaufvertrag ist eingebettet ein Vertragsgeflecht und wird durch die dadurch begründete Gesamtverpflichtung derart überlagert, dass der Erwerber ein bebautes Grundstück erhält. Dieses ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs, so dass im Rahmen des so verstandenen einheitlichen Vertragsgegenstands der Erwerber und der Grundstücksveräußerer als Vertragsbeteiligte die Schuldner der Grunderwerbsteuer sind.4 Nach der Rspr. des BFH stellen die – ggf. von einem Treuhänder für den Erwerber abgeschlossenen – Einzelverträge (Grundstückskaufvertrag, Architektenvertrag sowie die Verträge mit den einzelnen Bauhandwerkern usw.) grunderwerbsteuerrechtlich nur ein Transportmittel dar, um das Grundstück als bebautes beim Erwerber ankommen zu lassen.5 Demzufolge ist nur das Verhältnis zwischen den Grundstücksveräußerer und dem Erwerber grunderwerbsteuerrechtlich von Bedeutung, so dass alle weiteren eingebundenen Personen, mit denen etwa Verträge betreffend die Bebauung des Grundstücks geschlossen werden (Bauhandwerker, Bauunternehmer oder Generalunternehmer), nicht an dem maßgeblichen Erwerbsvorgang beteiligt und daher nicht Steuerschuldner sind.6 Dies gilt auch dann, wenn aufgrund eines objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Abschluss des Gebäudeerrichtungsvertrages als Gegenstand des Erwerbs das bebaute Grundstück anzusehen ist.7 Bei Treuhanderwerben ist nicht der Treugeber (Geschäftsherr/Auftraggeber), sondern der Treuhänder (Auftragnehmer) der Steuerschuldner, denn nur Letzterer ist unmittelbar an dem Rechtsgeschäft beteiligt, und die Zivilrechtsordnung rechnet ihm die dabei abgegebene Willenserklärung als eigene zu (§ 164 Abs. 2 BGB).8 Der im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Auftragnehmer entstehende Herausgabeanspruch des Erlangten aus § 667 BGB (Abtretung des Übereignungsanspruchs oder Übereignung des betreffenden Grundstücks) ändert hieran nichts. Die Erfüllung dieses Herausgabeanspruchs löst ein weiteres Mal Grunderwerbsteuer aus, und zwar im Hinblick auf die Verpflichtung des Beauftragten, dem Auftraggeber das Eigentum am Grundstück zu verschaffen. Besteuerungsgrundlage der Grunderwerbsteuer des zweiten Vorgangs ist die vom Auftraggeber an den Beauftragten zu

1 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – II R 87/86, BFH/NV 1990, 321; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 16. 2 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – II R 87/86, BFH/NV 1990, 321; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 4. 3 Vgl. BFH v. 21.11.1979 – II R 146/76, BStBl. II 1980, 132; Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 4; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 5; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 16. 4 Vgl. BFH v. 18.9.1985 – II B 24-29/85, BStBl. II 1985, 627; v. 29.6.1988 – II R 258/85, BStBl. II 1988, 898; v. 18.10.1989, II B 53/89, BFH/NV 1990, 801; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 13. 5 Vgl. BFH v. 18.9.1985 – II B 24-29/85, BStBl. II 1985, 627; v. 29.6.1988 – II R 258/85, BStBl. II 1988, 898. 6 Vgl. BFH v. 28.10.1998 – II R 36/96, BFH/NV 1999, 667; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl II 2000, 34; v. 1.3.2000 – II R 37/99, BFH/NV 2000, 1240; v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24 m. Anm. Loose, jurisPRSteuerR 1/2018; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 13; Jochum in Wilms/Jochum, § 13 GrEStG Rz. 10; vgl. auch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.3.2017 Tz. 7, BStBl. I 2017, 436. 7 BFH v. 1.3.2000 – II R 37/99, BFH/NV 2000, 1240. 8 Vgl. FG München v. 19.10.2005 – 4 K 5148/03, EFG 2006, 431; FG Sachs. v. 26.1.2012 – 1 K 1786/08, juris (rkr.); Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 4; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 5.

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§ 13 Rz. 17 Steuerschuldner erbringende Gegenleistung (Befreiung von den aus der Ausführung des Auftrags entstandenen Verpflichtungen), so dass der Auftraggeber Steuerschuldner ist.1 18

Erwerben Ehegatten gemeinsam ein Grundstück, so wird ihnen der Grundstückserwerb ungeachtet ihres Güterstandes je zur Hälfte zugerechnet (Rz. 9). Jeder Ehegatte ist in Bezug auf den Erwerb des auf ihn entfallenden Miteigentumsanteils Steuerschuldner (Rz. 9).

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Liegt ein Fall des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 Abs. 2 AO) vor, so schulden diejenigen die Grunderwerbsteuer, die bei wirtschaftlicher Betrachtung bei der angemessenen rechtlichen Gestaltung als Vertragspartner des Grundstückskaufvertrags etc. zu betrachten sind (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).2 3. Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG)

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Fehlt es an einem schuldrechtlichen Vertrag, der den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet, erfüllt die Auflassung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG den Besteuerungstatbestand (§ 1 Rz. 75 ff.). Die Auflassung ist ein dinglicher Vertrag (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB), also ein Verfügungsgeschäft, durch das in Verbindung mit der Eintragung in das Grundbuch das Eigentum an dem Grundstück übergeht und die Rechtsänderung (Eigentumsübergang) unmittelbar herbeigeführt wird. Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer sind in diesem Fall der Veräußerer (Auflassender) und der Erwerber (Auflassungsempfänger) als Vertragspartner der Auflassung. Wird ein Erbbaurecht bestellt, übertragen ober beim Heimfall (§§ 3, 32 ErbbauRG) gilt Entsprechendes (vgl. § 11 Abs. 1 ErbbauRG): Steuerschuldner sind der Erbbauberechtigte und der Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks.3 4. Zwischengeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG) a) Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder Anspruchs auf Abtretung der Rechts aus einem Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG)

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Bei einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder auf Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot (vgl. § 81 Abs. 2 ZVG) begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG; § 1 Rz. 162 ff.), sind gem. § 13 Nr. 1 GrEStG Steuerschuldner sowohl der sich zur Abtretung Verpflichtende als auch der Versprechensempfänger. Das in dem zur Abtretung verpflichtenden Schuldvertrag zu sehende Zwischengeschäft erfüllt neben dem Rechtsgeschäft, aufgrund dessen das Grundstückseigentum übertragen wird oder durch das es übergeht, einen eigenen Erwerbstatbestand, so dass die hieran Beteiligten ihrerseits Grunderwerbsteuerschuldner sind. Wird beispielsweise der Übereignungsanspruch aus einem Grundstückskaufvertrag abgetreten, schulden einerseits Zedent und Zessionar die Grunderwerbsteuer aus dem Zwischengeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG). Daneben schulden der Grundstückeigentümer und der Zedent als Beteiligte des Kaufvertrags die hierdurch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) ausgelöste Grunderwerbsteuer.4 Zur Steuerschuldnerschaft aufgrund der Abtretung des Übereignungsanspruchs oder der Rechte aus dem Meistgebot Rz. 23. b) Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG)

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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Rz. 166 ff.). Der Begriff „Kaufangebot“ umfasst sowohl den einseitigen Vertragsantrag (Vertragsangebot) als auch einen Ankaufs- bzw. Optionsvertrag.5 Schuldner der Grunderwerbsteuer ist in diesen Fällen der „Zwischenhändler“, also derjenige, der das (einseitige) Vertragsangebot abgibt bzw. sich vertraglich zur Einräu1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 24.11.1970 – II 76/65, BStBl. II 1971, 309; FG Sachs. v. 26.1.2012 – 1 K 1786/08, juris (rkr.). Vgl. BFH v. 24.11.1970 – II 76/65, BStBl. II 1971, 309; FG Sachs. v. 26.1.2012 – 1 K 1786/08, juris (rkr.). Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 15. Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 8; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 11. Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828; v. 10.7.1974 – II R 89/68, BStBl. II 1975, 86; v. 5.7.2006 – II R 7/05, BStBl. II 2006, 765.

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B. Schuldner der Grunderwerbsteuer

Rz. 25 § 13

mung einer Kaufoption verpflichtet, denn Gegenstand des Rechtsgeschäfts ist nicht unmittelbar das Recht zum Grundstückserwerb, sondern lediglich das Recht, einen entsprechenden Vertrag mit dem Grundstückseigentümer (Grundstücksveräußerer) abzuschließen, z.B. der Abschluss eines Vorvertrages (Optionsvertrages) mit Einräumung eines Ankaufsrechts und dem Recht, statt des Ankaufsberechtigten auch einen Dritten als Erwerber zu benennen.1 Kommt dieses weitere Rechtsgeschäft zwischen dem Veräußerer und dem Optionserwerber zustande, schulden diese gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 13 Nr. 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer. Demgegenüber ist hinsichtlich des Zwischengeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG der Zedent (der Zwischenhändler, der die Option abtritt) der alleinige Steuerschuldner (§ 1 Rz. 196).2 c) Abtretung eines Übereignungsanspruchs, der Rechte aus dem Meistgebot oder des Rechts aus einem Optionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) Werden ein Übereignungsanspruch oder die Rechte aus dem Meistgebot (§ 81 Abs. 2 ZVG) abgetreten (§§ 398 ff. BGB), sind Steuerschuldner der Abtretende (Zedent) als auch der Abtretungsempfänger (Zessionar). Betrifft die Abtretung die Rechte aus einem Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren, so ist der Zessionar zweifach als Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer beteiligt: zum einen aus der Abgabe des Meistgebots gem. § 13 Nr. 4 GrEStG (Rz. 29), zum anderen aus dem Zwischengeschäft (Abtretungsvertrag).3 Dies entspricht der Systematik des GrEStG, wonach beide Rechtsgeschäfte selbständige Erwerbstatbestände darstellen und in diesen Fällen mithin zwei Grundstücksumsätze aufeinander folgen. Die Steuerschuldnerschaft aus dem Zwischengeschäft lässt diejenige des Meistbietenden unberührt.4 Bei der unmittelbaren Abtretung einer Kaufoption ist alleiniger Steuerschuldner der Abtretende (Rz. 22).

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5. Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG) § 13 Nr. 1 GrEStG erfasst auch die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesell- 24 schaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG; § 1 Rz. 82 ff.).5 Steuerschuldner sind hier der Veräußerer und der Erwerber. Die Anteilsvereinigung in einer Hand wird demgegenüber von § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG erfasst (Rz. 27). 6. Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der GrESt Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines An- 25 spruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Rz. 202 f.). Es handelt sich um einen Ersatzerwerbstatbestand, der regelmäßig nur diejenigen Fälle erfasst, in denen die Beteiligten vom Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet (und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt) absehen und an Stelle des Eigentums nur die Verwertungsbefugnis übergehen lassen. Steuerschuldner sind die an einer entsprechenden Abrede Beteiligten.6 Da § 1 Abs. 2 GrEStG nur die Verwertung für Rechnung des Gläubigers erfasst, ist der Grundpfandrechtsgläubiger nicht Steuerschuldner, wenn die Verwertung für Rechnung des Eigentümers (Schuldners) erfolgen soll.7

1 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. 2 Vgl. BFH v. 24.1.1990 – II R 138/87, BFH/NV 1991, 119; Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 13; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 36. 3 Vgl. BFH v. 31.5.1972 – II R 162/66, BStBl. II 1972, 828. 4 Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 8. 5 Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 19. 6 Vgl. BFH v. 28.5.1998 – II B 75/97, BFH/NV 1998, 1523; v. 24.1.1990 – II R 138/87, BFH/NV 1991, 119; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 37. 7 Vgl. BFH v. 27.7.1994 – II R 67/91, BFH/NV 1995, 269; v. 19.11.2008 – II R 24/07, BFH/NV 2009, 788.

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§ 13 Rz. 26 Steuerschuldner

II. Eigentumserwerb kraft Gesetzes (Nr. 2) 26

Der Eigentumserwerb erfolgt kraft Gesetzes i.S.v. § 13 Nr. 2 GrEStG in den Fällen, in denen das Eigentum an einem Grundstück zwingend ohne vorheriges Rechtsgeschäft erfolgt oder sich als Folge eines Rechtsgeschäfts darstellt, dessen Gegenstand nicht unmittelbar die Übereignung des Grundstücks ist.1 Dies sind insbesondere die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen, wobei diese in der Regel nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sind. Daneben findet eine Gesamtrechtsnachfolge bei Unternehmensumwandlungen statt (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei der Verschmelzung, § 131 Abs. 1 Nr. 1 bei der Spaltung, § 174 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG bei der Vermögensübertragung). Hierbei geht der bisherige Rechtsträger unter (vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 174 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UmwG), so dass er nicht mehr Schuldner der Grunderwerbsteuer sein kann. Schuldner ist in diesen Fällen ausschließlich der übernehmende Rechtsträger. So ist die infolge der Verschmelzung von Genossenschaften (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3 UmwG) anfallende Grunderwerbsteuer allein von der übernehmenden Genossenschaft zu tragen, und zwar auch dann, wenn sie sich mit der übertragenden Genossenschaft auf eine hälftige Übernahme der Steuer verständigt hat.2 Entsprechendes gilt im Fall der Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn eine Personengesellschaft, in deren Gesellschaftsvermögen sich ein Grundstück befindet, dadurch beendet wird, dass alle Gesellschafter bis auf einen ausscheiden. Der verbleibende Gesellschafter ist dann gem. § 13 Nr. 2 GrEStG Steuerschuldner.3

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Soweit eine Sonder- oder Teilrechtsnachfolge eintritt, sind beide an dem Rechtsvorgang beteiligten Parteien Steuerschuldner. Wird z.B. der Anteil an einem Nachlass, zu dem ein Grundstück gehört, übertragen, so erfolgt der Eigentumsübergang als gesetzliche Folge der Übertragung des Anteils. Schuldner der Grunderwerbsteuer sind dann gem. § 13 Nr. 2 GrEStG der Veräußerer und der Erwerber des Miterbenanteils.4 Dies gilt auch bei Umwandlungsvorgängen, bei denen der übertragende Rechtsträger fortbesteht (vgl. z.B. die Abspaltung, § 123 Abs. 2 UmwG, oder die Ausgliederung, §§ 152 ff. UmwG): Hier sind die am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger Schuldner der Grunderwerbsteuer.

III. Enteignungsverfahrens (Nr. 3) 28

Eine Enteignung ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet.5 Sie erfolgt durch einseitigen Hoheitsakt (behördliche Verfügung) und führt beim bisherigen Eigentümer unmittelbar zum Verlust des Eigentums. Die Enteignung ist zwingend entschädigungspflichtig (Art. 14 Abs. 3 GG) und setzt zwingend voraus, dass der hoheitliche Zugriff auf das Eigentumsrecht zugleich eine Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder des sonst Enteignungsbegünstigten darstellt.6 Die Enteignung bildet gem. § 1 Nr. 3 GrEStG einen Erwerbstatbestand (§ 1 Rz. 82 ff.). Der Enteignungsbegünstigte ist ausschließlicher Schuldner der Grunderwerbsteuer7, da es unbillig wäre, den Enteigneten auch noch als Grunderwerbsteuer-Schuldner heranzuziehen. Dies gilt auch bei der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens (§§ 1 ff. FlurbG) oder Umlegungsverfahrens (§§ 45 ff. BauGB), soweit diese nicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG (§ 1 Rz. 113 ff.) von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sind.8

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Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 46; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 26. Vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168 = FR 1998, 192; v. 22.4.1998 – I R 72/97, juris. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 28. BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159; vgl. auch BFH v. 9.7.2014 – II R 50/12, BStBl. II 2015, 399. Vgl. z.B. VGH BW v. 6.4.2017 – 1 VB 12/17, juris. Vgl. z.B. BVerfG 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12, NJW 2017, 217; VGH BW v. 6.4.2017 – 1 VB 12/17, juris. Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 13; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 17. Vgl. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 13.

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B. Schuldner der Grunderwerbsteuer

Rz. 31 § 13

IV. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Nr. 4) Wird hinsichtlich eines Grundstücks das Zwangsversteigerungsverfahren (§§ 15 ff. ZVG) betrieben, 29 so erfüllt bereits die Abgabe des Meistgebots im Versteigerungstermin (vgl. § 81 Abs. 1 ZVG) den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG (§ 1 Rz. 134 ff.) und führt zur Entstehung der Grunderwerbsteuer. Steuerschuldner ist gem. § 13 Nr. 4 GrEStG der Meistbietende i.S.v. § 81 Abs. 1 ZVG, der den Anspruch aus dieser Norm auf den Zuschlag hat. Dies gilt auch dann, wenn der Meistbietende zwar für einen anderen geboten hat und somit ein Wille, im eigenen Namen zu bieten, fehlt, der Wille, in fremdem Namen zu bieten, aber nicht erkennbar hervorgetreten ist (vgl. § 164 Abs. 2 BGB)1 oder wenn der Meistbietende nur wegen unzureichenden Nachweises der Vollmacht (§ 71 Abs. 2 ZVG) im eigenen Namen geboten hat.2 Handelt der Meistbietende „im Auftrag“ eines unbenannten anderen und gibt für ihn das Meistgebot ab, schuldet er auch dann die Grunderwerbsteuer gem. § 13 Nr. 4 GrEStG aus dem Meistgebot, wenn das Grundstück nach Aufdeckung der Vertretungsmacht gem. § 81 Abs. 3 ZVG dem Auftraggeber zugeschlagen wird,3 denn das ZVG lässt nicht zu, im Namen unbekannter Dritter zu bieten, da die Person des jeweiligen Bieters bereits im Versteigerungstermin für jeden erkennbar festliegen muss. Für den Fall, dass der Meistbietende den Anspruch aus § 81 Abs. 1 ZVG auf den Zuschlag nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 ZVG an einen anderen abtritt, bleibt es gleichwohl bei der Steuerschuldnerschaft des Meistbietenden.4

V. Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft (Nr. 5) 1. Vereinigung in der Hand des Erwerbers (Nr. 5 Buchst. a) § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG regelt die Steuerschuldnerschaft für die Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Anteilsvereinigung aufgrund eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts oder unmittelbar durch einen dinglichen Vertrag erfolgt. Steuerschuldner ist bei der Vereinigung von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %; § 23 Rz. 43) der Anteile einer Gesellschaft in einer Hand ausweislich der unzweideutigen Regelung in § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG nur der Erwerber, der Inhaber aller bzw. von mindestens 90 % der Anteile.5 Demgegenüber wird die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft – aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags oder durch einen dinglichen Vertrag – von § 13 Nr. 1 GrEStG erfasst (Rz. 22). Dies kann auch für die Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft gelten, an der zwei Kirchengemeinden beteiligt sind, die aufgrund eines innerkirchlichen Organisationsaktes vereinigt werden.6 Der verfassungsrechtliche Schutz des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV steht dem nicht entgegen.7

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2. Vereinigung in der Hand mehrerer Unternehmen oder Personen (Nr. 5 Buchst. b) Bei der Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft in der Hand mehrerer Unternehmen oder Personen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GrEStG; § 1 Rz. 680 ff.) sind alle Beteiligten Schuldner der Grunderwerbsteuer.8 Dies betrifft insbesondere die Fälle der Anteilsvereinigung in einer Organschaft, also solche Rechtsgeschäfte, die auf die Vereinigung aller Anteile an einer Gesellschaft in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein gerichtet

1 Vgl. z.B. BFH v. 7.11.1968 – II 9/65, BStBl. II 1969, 41; v. 26.1.2006 – I S 14/05 (PKH), BFH/NV 2006, 979. 2 Vgl. z.B. BFH v. 19.11.1968 – II 112/65, BStBl. II 1969, 92; v. 16.3.1994 – II R 14/91, BStBl. II 1994, 525; v. 26.1.2006 – I S 14/05 (PKH), BFH/NV 2006, 979. 3 Vgl. BFH v. 13.10.1965 – II 80/62 U, BStBl. III 1965, 712; v. 5.2.1969 – II R 29/66, BStBl. II 1969, 400. 4 Vgl. BFH v. 13.10.1965 – II 80/62 U, BStBl. III 1965, 712; s. auch Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 18. 5 Vgl. BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306. 6 FG Münster v. 17.6.2021 – 8 K 364/21 GrE, EFG 2021, 1571 (Rev. BFH II R 24/21). 7 FG Münster v. 17.6.2021 – 8 K 364/21 GrE, EFG 2021, 1571 (Rev. BFH II R 24/21). 8 Zu den sich daraus ergebenden Folgen für den steuerstrafrechtlich beachtlichen Pflichtenkreis s. Schaumburg in Schaumburg/Peters2, Rz. 19.16.

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§ 13 Rz. 31 Steuerschuldner sind.1 Werden Anteile an einer Gesellschaft erworben, zu deren Gesellschaftsvermögen ein Grundstück gehört, so nur diejenigen Mitglieder des Organkreises – Organträger und/oder Organgesellschaften –, die zusammen mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile halten, Steuerschuldner. Dabei ist unerheblich, ob die Gesellschaftsanteile an der grundstücks„besitzenden“ Gesellschaft vom Organträger und einer oder mehreren Organgesellschaften oder nur von mehreren Organgesellschaften gehalten werden.2 Der Organträger ist als solcher kein Steuerschuldner, wenn er keine Anteile an der grundstücks„besitzenden“ Gesellschaft hält.3 32

Bei bloß mittelbarer Vereinigung der Anteile an grundstücksbesitzenden Gesellschaften beim Organträger (herrschenden Unternehmen) ist die Organgesellschaft (abhängiges Unternehmen), die dem Organträger aufgrund ihrer 100 %igen Abhängigkeit die von ihr erworbenen Gesellschaftsanteile vermittelt, nicht Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG.4 Die Steuerschuldnerschaft des Organträgers ergibt sich in diesem Fall aus § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG (Rz. 30).

VI. Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (Nr. 6) 33

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %; § 23 Rz. 43) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, erfüllt dies den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG (§ 1 Rz. 310 ff.). Steuerschuldner ist bei einer solchen Änderung des Gesellschafterbestandes der Personengesellschaft gem. § 13 Nr. 6 GrEStG die Personengesellschaft als solche, da der Gesellschafterwechsel deren Identität unberührt lässt (Rz. 5 f.).5

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§ 13 Nr. 6 GrEStG ist verfassungsgemäß: Insbesondere verletzt die Regelung nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Gesellschafterwechsels im Verhältnis zur Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht vorliegt.6 Im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG bildet nämlich nicht die geänderte Sachherrschaft in der Person des einzelnen Neugesellschafters oder auch mehrerer Neugesellschafter den Anknüpfungspunkt für die Grunderwerbsteuer, sondern die geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Ebene der Gesamthand als eigenständiger Rechtsträger.7 Dieser Unterschied rechtfertigt es, bei der Anteilsvereinigung die Erwerber gem. § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG bzw. die Beteiligten gem. § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG, also den oder die Inhaber aller bzw. von mindestens 95 % der Anteile als Steuerschuldner heranzuziehen und beim steuerbaren Gesellschafterwechsel bei der Personengesellschaft diese als Steuerschuldner zu behandeln.8

VII. Änderung des Gesellschafterbestands einer Kapitalgesellschaft (Nr. 7) 35

Gehört zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA) ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft und erfüllt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG (§ 1 Rz. 534 ff.). Die Vorschrift entspricht damit im Wesentlichen der Regelung des § 13 Nr. 6 GrEStG für Personengesellschaften (Rz. 33). Steuerschuldner ist bei der Änderung des Gesellschafterbestandes der Kapitalge1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306. Vgl. Forst/Ruppel, EStB 2006, 223 (226). Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 19; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 43. Vgl. BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306; Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 18; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 19; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 42. Vgl. BFH v. 19.9.2012 – IX B 65/12, BFH/NV 2013, 15; v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 = FR 2015, 998. Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 47. Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 47.

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C. Gesamtschuldner

Rz. 38 § 13

sellschaft gem. § 13 Nr. 7 GrEStG die Kapitalgesellschaft als solche, da der Gesellschafterwechsel deren rechtliche Identität zwar unberührt lässt – es bleibt dieselbe juristische Person –, die nach dem Willen des Gesetzgebers indessen wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen sein soll.1

VIII. Wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % an einer Gesellschaft (Nr. 8) Gemäß § 13 Nr. 8 GrEStG gilt für die Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG. Steuerschuldner ist 36 derjenige, der aufgrund des Anteilserwerbs unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar die wirtschaftliche Beteiligung an einer Gesellschaft von mindestens 90 % (bis 30.6.2021: 95 %; § 23 Rz. 43 ff.) innehat (§ 1 Rz. 888 ff.). Dieser ist einziger Steuerschuldner2, da § 13 Nr. 8 GrEStG nicht an ein Rechtsgeschäft anknüpft, dessen Gegenstand unmittelbar die Übertragung des Grundstücks von einem Rechtsträger auf einen anderen bildet und an dem folglich mehrere Personen beteiligt sind. Vielmehr knüpfen §§ 1 Abs. 3a, 13 Nr. 8 GrEStG an den Erwerbsvorgang an, der zur 95 %igen Beteiligung führt. Dies betrifft nur den Anteilseigner, nicht aber Dritte, auch nicht den Veräußerer der Anteile. Dem wirtschaftlichen Erwerber wird aufgrund des Erwerbs der wirtschaftlichen Beteiligung an der 36.1 Gesellschaft, der ein inländisches Grundstück gehört, dieses zugeordnet. § 1 Abs. 3a GrEStG fingiert demnach einen Grundstückserwerb aufgrund der Zurechnung der Beteiligung (§ 1 Rz. 924 ff.).3 Dabei ist als Steuerschuldner nur derjenige anzusehen, der selbst aktiv durch ein Anteilsgeschäft den Erwerbstatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG auslöst (Rz. 36). Dies folgt aus der zwingenden Verbindung zwischen § 1 Abs. 3a GrEStG und § 13 Nr. 8 GrEStG. Demgegenüber genügt es für die Steuerschuldnerschaft nicht, dass ein Rechtsträger, der lediglich als Ergebnis eines Anteilserwerbs auf tieferer Ebene durchgerechnet erstmals 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehat.4 Der Erwerb der 90 %igen Beteiligung kann auch in mehreren Akten erfolgen, so dass die Steuerschuldnerschaft mit dem letzten Akt, mit dem Beteiligung i.H.v. 90 % erreicht wird, eintritt.5 Demzufolge wird der Erwerber der Anteile wie ein Grundstückserwerber behandelt.

37

C. Gesamtschuldner In den Fällen, in denen mehrere Personen nebeneinander dieselbe Grunderwerbsteuer schulden, sind diese Gesamtschuldner i.S.v. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO.6 Es handelt sich im Wesentlichen um die Fälle des § 13 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 5 Buchst. b GrEStG. Nicht betroffen sind die Tatbestände, bei denen von vornherein nur ein einziger Steuerschuldner in Betracht kommt (vgl. Rz. 22, 23, 26, 28, 29, 30, 35, 36). Haften mehrere Personen nebeneinander für dieselbe Grunderwerbsteuer (Rz. 48), so sind sie ebenfalls Gesamtschuldner. Und schließlich sind auch Steuerschuldner und Haftungsschuldner (Rz. 48) im Verhältnis zueinander Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer.7 Das Wesen der Gesamtschuld besteht darin, dass im Zweifel jeder Gesamtschuldner dem Gläubiger die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO) schuldet, wobei dieser – ebenso wie im Privatrecht nach § 421 Abs. 1 Satz 1 BGB – die Leistung insgesamt nur einmal verlangen kann. Dem Gläubiger steht es dabei aber frei, die Leistung ganz oder auch nur zu einem Teil von dem einen oder dem anderen oder allen Schuldnern zu

1 Siehe die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, BTDrucks. 19/13437, S. 14. 2 Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 21. 3 Behrens, DStR 2013, 2726 (2727); Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 48. 4 Behrens, DStR 2013, 2726 (2731). 5 Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 48. 6 Zu den sich daraus ergebenden Folgen für den steuerstrafrechtlich beachtlichen Pflichtenkreis s. Schaumburg in Schaumburg/Peters2, Rz. 19.16. 7 Z.B. Bartone, AO-StB 2003, 13; Drüen in T/K, § 44 AO Rz. 8; Schindler in Gosch, § 44 AO Rz. 1.

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§ 13 Rz. 38 Steuerschuldner fordern.1 Die Verpflichtung des einzelnen Schuldners zur gesamten Leistung besteht unabhängig von etwaigen Absprachen im Innenverhältnis. Auf interne Vereinbarungen über die Erbringung der Leistung kann sich der einzelne Gesamtschuldner im Verhältnis zum Gläubiger daher regelmäßig nicht berufen. Vielmehr erfolgt der Ausgleich der Gesamtschuldner untereinander auf zivilrechtlichem Weg nach Maßgabe des § 426 Abs. 1 BGB. In diesem Rechtsverhältnis sind anderweitige rechtsgeschäftliche Bestimmungen des internen Ausgleichs zu beachten (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). 39

Gesamtschuldner sind z.B. – § 13 Nr. 1 GrEStG: Erwerber und der Veräußerer (Rz. 14)2, Veräußerer (Auflassender) und der Erwerber (Auflassungsempfänger; Rz. 20), – § 13 Nr. 2 GrEStG: Veräußerer und der Erwerber des Miterbenanteils (Rz. 27), übertragender und übernehmender Rechtsträger bei Umwandlungen (Rz. 27), – § 13 Nr. 5 Buchst. b GrEStG die Organkreise als Gesellschafter der grundstücks„besitzenden“ Gesellschaft Beteiligten (Rz. 31).

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Keine Gesamtschuldner sind demgegenüber z.B. – Ehegatten beim gemeinschaftlichen Erwerb eines Grundstücks (Rz. 9), – Erwerber von Miteigentumsanteilen desselben Grundstücks (Rz. 8).

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Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer steht als solche nicht im Ermessen der Finanzbehörde, da Steuern bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands zwingend festzusetzen sind und Steuerbescheide (§ 155 Abs. 1 AO) daher immer gebundene Verwaltungsakte sind.3 Da es der Finanzbehörde aber freisteht, welchen der Gesamtschuldner sie für die Grunderwerbsteuer in Anspruch nimmt (Rz. 39), hat sie insoweit eine pflichtgemäße (§ 5 AO) Ermessensentscheidung zu treffen, u.U. bereits in einem auf § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG beruhenden Feststellungsbescheid (§ 17 Rz. 86 ff.).4 Die Ermessenserwägungen gehören zur Begründung der Auswahlentscheidung (§ 121 Abs. 1 AO) und müssen spätestens in der Einspruchsentscheidung (§§ 366, 367 Abs. 2 Satz 3 AO) dargelegt werden.5 Die Finanzbehörde kann jedoch gem. § 102 Satz 2 FGO ihre Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen, nicht aber erstmalig anstellen.6 Fehlen jegliche Ausführungen zum Ermessen, spricht dies für einen Ermessensausfall (Ermessensnichtgebrauch)7, der im Finanzprozess nicht mehr gem. § 102 Satz 2 FGO geheilt werden kann und zur Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids führt.8

42

Vom Finanzamt anzustellende Ermessenserwägungen können z.B. folgende sein: Das Finanzamt darf die Grunderwerbsteuer im Rahmen seines Auswahlermessens gegen den Veräußerer und den Erwerber eines Grundstücks unterschiedlich festsetzen (Rz. 39)9, insbesondere dann, wenn die Steuer vom Veräußerer gezahlt worden war und die Grunderwerbsteuer gegenüber dem Erwerber herabzusetzen ist.10 Folglich kann das Finanzamt, auch wenn die Grunderwerbsteuer gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern bestandskräftig zu niedrig festgesetzt ist, gegenüber einem anderen Gesamtschuldner diese Steuer höher festsetzen, selbst wenn die bestandskräftige Steuerfestsetzung nicht mehr nach §§ 172 ff. AO geändert werden kann.11 1 BFH v. 13.5.1987 – II R 189/83, BStBl. II 1988, 188; Viskorf in Boruttau19, § 13 GrEStG Rz. 51. 2 Z.B. BFH v. 12.5.1976 – II R 187/72, BStBl. II 1976, 579; v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2; Drüen in T/K, § 44 AO Rz. 11. 3 Z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 5 AO Rz. 2. 4 Z.B. BFH v. 31.3.2004 – II R 54/01, BStBl. II 2004, 658 = AO-StB 2004, 304; v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. 5 Z.B. BFH v. 15.5.2009 – IV B 24/09, AO-StB 2009, 259 = BFH/NV 2009, 1404; v. 11.12.2013 – XI R 22/11, BStBl. II 2014, 332 = UR 2014, 368 = AO-StB 2014, 140. 6 Z.B. BFH v. 11.3.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 = AO-StB 2004, 244; v. 26.9.2006 – X R 39/05, BStBl. II 2007, 222 = AO-StB 2007, 63; v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897 = FR 2009, 246; vgl. z.B. auch Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 5 AO Rz. 15. 7 BFH v. 14.6.1983 – VII R 4/83, BStBl. II 1983, 695. 8 Z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 5 AO Rz. 41 ff. 9 BFH v. 13.5.1987 – II R 189/83, BStBl. II 1988, 188. 10 BFH v. 2.12.1987 – II B 77/87, BFH/NV 1989, 506. 11 BFH v. 13.5.1987 – II R 189/83, BStBl. II 1988, 188.

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C. Gesamtschuldner

Rz. 44 § 13

Haben die Vertragsparteien eines Grundstückerwerbsgeschäfts miteinander vereinbart, dass eine Seite verpflichtet sein soll, die Grunderwerbsteuer aus dem Erwerbsgeschäft zu tragen, so braucht das Finanzamt die Inanspruchnahme des Betreffenden nicht besonders zu begründen, da dies dem Vereinbarten entspricht und das Finanzamt daher sein Ermessen pflichtgemäß ausübt.1 Es entspricht mithin einem pflichtgemäßen Ermessensgebrauch, wenn das Finanzamt zunächst den Erwerber zur Grunderwerbsteuer heranzieht, wenn dieser im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den Veräußerer erst dann, wenn die Steuer vom Erwerber nicht zu erlangen ist.2 Pflichtgemäß handelt das Finanzamt auch, wenn es seine Entscheidung nicht besonders begründet, weil die Steuerfestsetzung gegen den anderen Gesamtschuldner aus Rechtsgründen, etwa wegen Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO), nicht mehr möglich ist, denn dann entfällt bereits mangels einer Auswahlmöglichkeit eine Ausübung des Ermessens.3 Entsprechendes gilt, wenn die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners wegen dessen wirtschaftlicher Situation keinen Erfolg verspricht und dies dem anderen Gesamtschuldner bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist.4 Umgekehrt muss besonders begründet werden, wenn das Finanzamt denjenigen der Gesamtschuldner, der nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien gerade nicht verpflichtet ist, die Steuer zu tragen, in Anspruch nimmt.5 Die nachträgliche Inanspruchnahme der Grundstücksveräußerer als Gesamtschuldner kann dann ausgeschlossen sein, wenn die Einziehung der Grunderwerbsteuer vom zunächst in Anspruch genommenen und später zahlungsunfähig gewordenen Erwerber vom Finanzamt schuldhaft verzögert wurde.6 Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner (§ 44 Abs. 2 Satz 1 43 AO). Tilgt also ein Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuerschuld, erlischt die Gesamtschuld auch in Bezug auf die übrigen Schuldner. An der Rechtmäßigkeit der gegenüber den Gesamtschuldnern ergangenen Grunderwerbsteuerbescheide ändert dies selbstverständlich nichts, da der Steuerbescheid den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Grunderwerbsteuer bildet (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt für die Aufrechnung gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AO). Andere Tatsachen, wie etwa die Festsetzungsverjährung (vgl. Rz. 43), wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten (§ 44 Abs. 2 Satz 3 AO). Wird einem Gesamtschuldner gegenüber die Grunderwerbsteuer gem. § 227 AO erlassen, ist in Bezug auf die Wirkung dieses Erlasses gegenüber einem anderen Gesamtschuldner nach dem Grund für den Erlass zu differenzieren: Nach § 227 AO können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre. Ein Erlass kommt aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint.7 Wird die Grunderwerbsteuerschuld gegenüber einem Gesamtschuldner erlassen, so wirkt dies zwar nach dem klaren Wortlaut des § 44 Abs. 2 Satz 1 AO nicht für die übrigen Schuldner, denn aufgrund eines Billigkeitserlasses kommt nur die Schuld desjenigen zum Erlöschen, demgegenüber der Erlass ausgesprochen wurde.8 Allerdings gelten die sachlichen Billigkeitsgründe für alle Gesamtschuldner glei-

1 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2; v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 = FR 2016, 729. 2 Vgl. BFH v. 12.5.1976 – II R 187/72, BStBl. II 1976, 579; v. 17.5.1990 – II B 8/90, BFH/NV 1991, 481; v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24. 3 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2; v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 = FR 2016, 729. 4 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2; v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 = FR 2016, 729; v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24. 5 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2; v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 = FR 2016, 729. 6 Vgl. BFH v. 16.5.1962 – II 67/61, BStBl. III 1962, 315; v. 18.4.1990 – II B 171/89, BFH/NV 1991, 189. 7 Vgl. z.B. BFH v. 4.2.2010 – II R 25/08, BStBl. II 2010, 663 = FR 2010, 768 = AO-StB 2010, 169; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486. 8 Vgl. z.B. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, § 44 AO Rz. 12; Boeker in HHSp, § 44 AO Rz. 31; Drüen in T/K, § 44 AO Rz. 19.

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§ 13 Rz. 44 Steuerschuldner chermaßen, so dass die Inanspruchnahme der übrigen Gesamtschuldner ermessensfehlerhaft wäre.1 Wird der Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen ausgesprochen, so hat dies grundsätzlich keine Auswirkung auf die Inanspruchnahme der übrigen Gesamtschuldner.

D. Haftungsschuldner 45

§ 13 GrEStG regelt ausdrücklich nur, wer die Grunderwerbsteuer im Einzelfall schuldet. Demgegenüber enthält es keine Regelung für die etwaige Haftung für die Grunderwerbsteuer (Rz. 2). Haftung bedeutet im Steuerrecht das Einstehenmüssen für eine fremde Steuerschuld.2 Wer Steuerschuldner ist, kann daher nicht gleichzeitig Haftungsschuldner für dieselbe Steuerschuld sein, da sich Steuerschuldnerschaft und Haftung gegenseitig ausschließen.3 Die Befugnis, einen Dritten als Haftungsschuldner durch einen Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, folgt aus § 191 Abs. 1 Satz 1 AO. Diese Norm setzt voraus, dass der Dritte kraft Gesetzes für eine fremde Steuerschuld haftet, sie regelt jedoch selbst keinen materiellen Haftungstatbestand. Die Anspruchsgrundlage für die Haftung ergibt sich aus den §§ 69 ff. AO sowie aus sonstigen Steuergesetzen, aber aus anderen, außersteuerlichen Gesetzen, etwa zivilrechtlichen Haftungsnormen. Denn § 191 Abs. 1 Satz 1 AO verweist nur darauf, dass der Haftungsschuldner kraft Gesetzes haftet, und § 191 Abs. 4 AO setzt voraus, dass für eine Steuerschuld auch aufgrund von außersteuerlichen Gesetzen gehaftet werden kann. Voraussetzung für die Entstehung des Haftungsanspruchs (§ 37 Abs. 1 AO) ist, dass die Grunderwerbsteuer, für welche gehaftet wird, ihrerseits entstanden ist (vgl. § 14 Rz. 6). Denn der Haftungsanspruch ist im Verhältnis zum Grunderwerbsteueranspruch akzessorisch, setzt also dessen Entstehung voraus, nicht notwendigerweise dessen Festsetzung.

46

Eine Haftung im Grunderwerbsteuerrecht dürfte aufgrund steuerrechtlicher Haftungsnormen im Wesentlichen für den gesetzlichen Vertreter von natürlichen oder juristischen Personen (§ 34 Abs. 1 AO) aus § 69 Satz 1 AO in Betracht kommen und daneben für den Teilnehmer oder Beteiligten an einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) aus § 71 AO.4 Denkbar ist auch die Haftung des Insolvenzverwalters als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) gem. § 69 Satz 1 AO. Demgegenüber ist die Haftung einer Organgesellschaft gem. § 73 Satz 1 AO für die Grunderwerbsteuer ausgeschlossen, denn die Unternehmen eines Organkreises bleiben in grunderwerbsteuerlicher Hinsicht selbständige Rechtsträger.5 Eine Haftung des Organträgers scheidet ungeachtet dessen in jedem Fall aus, weil § 73 AO nur die Haftung der Organgesellschaft, nicht aber des Organträgers regelt. Zur Steuerschuldnerschaft im Organkreis s. Rz. 31.

47

Soweit sich die Haftung auch aus außersteuerlichen Normen ergeben kann, ist die in der Praxis bedeutsamste Haftung der Gesellschafter von Personengesellschaften für die Grunderwerbsteuerschuld der Gesellschaft. Dies gilt zum einen für die GbR: Deren Gesellschafter haften persönlich mit ihrem Privatvermögen und gesamtschuldnerisch entsprechend § 128 HGB.6 Es handelt sich dabei um eine akzessorische Haftung, die darauf beruht, dass die (Außen-)GbR Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.7 Für Personenhandelsgesellschaften gilt das Entsprechende aufgrund der originären handelsrechtlichen Haftungsnormen, nämlich für Gesellschafter einer OHG aufgrund des § 128 HGB8 und für die Komplementäre einer 1 Vgl. z.B. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, § 44 AO Rz. 12; Boeker in HHSp, § 44 AO Rz. 31; Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 25. 2 Siehe z.B. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, Vor §§ 69–77 AO Rz. 1; Seer in Tipke/Lang24, § 6 Rz. 6.8, Rz. 6.63. 3 Siehe BFH v. 19.10.1976 – VII R 63/73, BStBl II 1977, 255); v. 11.7.2001 – VII R 29/99, HFR 2002, 277; BFH v. 14.12.1988 – VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549; v. 15.4.1987 – VII R 160/83, BStBl II 1988, 167; v. 24.10.2017 – VII B 99/17, BFH/NV 2018, 933; v. 23.6.2020 – VII R 56/18, BFH/NV 2021, 217. 4 Gl.A. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 27; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 51. 5 Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 27; Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 51; Behrens/Meyer-Wirges, DStR 2007, 2190 (2194). 6 Z.B. BFH v. 12.5.2009 – VII B 262/08, juris. 7 Grundlegend BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; vgl. auch BGH v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88; zutr. Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 29. 8 Z.B. BFH v. 13.7.2009 – II B 10/09, BFH/NV 2009, 1663.

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D. Haftungsschuldner

Rz. 48 § 13

KG aufgrund des § 161 Abs. 1 und Abs. 2 HGB i.V.m. § 128 HGB (vgl. Rz. 6). Kommanditisten haften demgegenüber nur beschränkt auf ihre Hafteinlage, soweit diese geleistet ist (§ 171 Abs. 1 Satz 2 HGB), allerdings u.U. nach Maßgabe des § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB auch unbeschränkt, wenn die Gesellschaft mit ihrer Zustimmung vor der Eintragung werbend tätig geworden ist. Die Gesellschafter einer PartG haften für die Grunderwerbsteuer gem. § 8 PartGG. Darüber hinaus haften für die Grunderwerbsteuerschuld einer Erbengemeinschaft ihre Mitglieder entsprechend §§ 1967, 2058 ff. BGB als Gesamtschuldner.1 Außer in den Fällen der gesetzlichen Haftung (Rz. 47 f.) kommt auch eine vertragliche Haftung für die Grunderwerbsteuer in Betracht, wenn ein Dritter sich gegenüber der Finanzbehörde oder gegenüber einem Steuerschuldner2 vertraglich verpflichtet, für die Steuerschuld einzustehen. Denkbar sind dabei z.B. Bürgschaften (§§ 765 ff. BGB) oder Schuldversprechen (§ 780 BGB).3 Dies ist gem. § 48 Abs. 2 AO zulässig. § 192 AO stellt dazu klar, dass die Geltendmachung des auf einer solchen vertraglichen Verpflichtung beruhenden Haftungsanspruchs nicht durch Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) erfolgen kann, sondern müssen vom Steuergläubiger – dem Land, vertreten durch das jeweils bestimmte Vertretungsorgan – auf dem Zivilrechtsweg (§ 13 GVG) geltend gemacht werden.4

1 2 3 4

Z.B. BFH v. 22.9.1982 – II R 75/78, juris. Vgl. z.B. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, § 48 AO Rz. 7. Vgl. Drüen in T/K, § 48 AO Rz. 7 mit weiteren Bsp. BFH v. 19.5.1994 – VII R 99/93, VII R 100/93, BFH/NV 1995, 558; vgl. z.B. auch Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt22, § 48 AO Rz. 6; Drüen in T/K, § 48 AO Rz. 8.

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§ 14 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen Die Steuer entsteht, 1. wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, mit dem Eintritt der Bedingung; 2. wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, mit der Genehmigung. A. I. II. III.

IV. B. I. II. III. IV.

V. VI.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . Entstehung der Grunderwerbsteuer Regelmäßige Entstehung . . . . . . . . . . Kaufverträge und andere Schuldverträge i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG . . . . . . . Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) . . Eigentumsübergang ohne Verpflichtungsgeschäft und ohne Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) . . . Zwischengeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG) 1. Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder Anspruchs auf Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) . . . . . . . 2. Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abtretung eines Übereignungsanspruchs, der Rechte aus dem Meistgebot oder des Rechts aus einem Optionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG)

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VII. Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . VIII. Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG) . . . C. Entstehung der Grunderwerbsteuer bei bedingten Rechtsgeschäften (Nr. 1) I. Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedingte Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . D. Entstehung der Grunderwerbsteuer bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (Nr. 2) I. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte II. Privatrechtliche Genehmigungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . 2. Familienrechtliche Regelungen . . . . 3. Sonstige Vorschriften . . . . . . . . . . III. Öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Baugesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesversorgungsgesetz . . . . . . . . 4. Flurbereinigungsgesetz . . . . . . . . . 5. Grundstücksverkehrsgesetz . . . . . . . 6. GrundstücksverkehrsVO . . . . . . . .

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. 33.1 . 34 . 35 . 36

. 36.1 . 37 . 38 . 39 . 40 . 41

Literatur: Barandt, Steuerliche Rückwirkung im Bereich des Grunderwerbsteuerrechts nach der Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes (§§ 14, 16, 23 GrEStG)?, DStZ 1983, 429; Behrens/Seemaier, Treuhandverhältnisse in Bezug auf Grundstücke und Gesellschaftsanteile bei der Grunderwerbsteuer, BB 2018, 1111; Bruschke, Entstehung, Fälligkeit und Fälligkeitskorrekturen bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2000, 10; Duttiné, Steuerrechtliche Aspekte der Unternehmensrestrukturierung, speziell mit treuhänderischer Absicherung, BB 2019, 1493; Jehner, Wann entsteht Grunderwerbsteuer bei nichtigen Kaufverträgen?, DStR 1986, 634; Möllinger, Zur grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung von Grundstücksgeschäften mit aufschiebend bedingt geschuldeter Gegenleistung, DVR 1981, 103; Wachter, Die Rückwirkung von Genehmigungen im Steuerrecht, ZErb 2002, 334; Wachter, Steuerliche Behandlung von Stiftungen zwischen Errichtung und Anerkennung, ZEV 2003, 445; Wachter, Stiftungsgründung und Grunderwerbsteuer, DStR 2012, 1900.

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§ 14 Rz. 1 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 14 GrEStG ist eine steuerschuldrechtliche Vorschrift und trifft eine Sonderregelung für die Entstehung der Grunderwerbsteuer, gilt also nicht umfassend, sondern ausdrücklich nur in den in § 14 Nr. 1 GrEStG (Eintritt einer Bedingung) bzw. § 14 Nr. 2 GrEStG (Genehmigung eines genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgangs) geregelten Fällen. Abgesehen davon, d.h. außerhalb des § 14 GrEStG, entsteht die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nach der allgemeinen Regelung des § 38 AO mit Erfüllung eines der in § 1 GrEStG geregelten Erwerbstatbestände,1 denn hieran knüpft das GrEStG die Leistungspflicht.

II. Bedeutung und Telos 2

§ 14 GrEStG ergänzt die Grundregel des § 38 AO, wonach die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis – also gerade auch Steueransprüche (§ 37 Abs. 1 AO) – entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (vgl. auch § 3 Abs. 1 AO). Demnach entsteht die Grunderwerbsteuer grundsätzlich mit Erfüllung eines Erwerbstatbestands i.S.v. § 1 GrEStG (s. aber Rz. 9). Denn das Steuerschuldverhältnis ist ein gesetzliches Schuldverhältnis, das die Entstehung des maßgeblichen Anspruchs allein von der Erfüllung des jeweiligen gesetzlichen Steuertatbestands abhängig macht. Im Anwendungsbereich des GrEStG sind dies die Tatbestände des § 1 GrEStG. Abweichend hiervon entsteht die Grunderwerbsteuer zum einen nach § 14 Nr. 1 GrEStG erst mit Eintritt der Bedingung, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs i.S.v. § 1 GrEStG von dem Eintritt dieser Bedingung abhängig ist. Zum anderen entsteht die Grunderwerbsteuer abweichend von § 38 AO i.V.m. § 1 GrEStG nach § 14 Nr. 2 GrEStG mit Erteilung der Genehmigung, wenn ein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG einer Genehmigung bedarf; dabei kommt es nicht darauf an, ob die Genehmigung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist (vgl. Rz. 7). Damit wird der Zeitpunkt, in dem die Grunderwerbsteuer entsteht, in diesen beiden Fällen durch § 14 GrEStG hinausgeschoben. Dem liegt die praktische Erwägung zugrunde2, dass in den Fällen, in denen die Wirksamkeit des Erwerbsgeschäfts trotz Erfüllung des Erwerbstatbestands noch nicht endgültig feststeht, abgewartet werden soll, bis die Unsicherheit beseitigt ist. Dadurch wird der durch eine etwaige Rückabwicklung verursachte Verwaltungsaufwand vermieden. Da die Entstehung des Grunderwerbsteueranspruchs nur von der Erfüllung des Besteuerungstatbestands abhängt, ist die Festsetzung in einem Steuerbescheid hierfür ohne Bedeutung. Von der Entstehung ist die Fälligkeit des (festgesetzten) Grunderwerbsteueranspruchs (§ 220 Abs. 1 AO i.V.m. § 15 GrEStG) strikt zu unterscheiden (s. § 15 Rz. 2).

3

Da es für die Entstehung des Grunderwerbsteueranspruchs nur auf die Erfüllung des gesetzlichen Erwerbstatbestands ankommt, können die Stpfl. den Zeitpunkt der Entstehung, abgesehen von den Sonderfällen des § 14 GrEStG – insbesondere § 14 Nr. 1 GrEStG –, nicht beeinflussen, insbesondere nicht durch irgendwelche Vereinbarungen. Demzufolge haben von den am Erwerbsvorgang Beteiligten vereinbarte Rückbeziehungen auf die Entstehung der Steuer keinen Einfluss.3 Die steuerliche Rückwirkung von Unternehmensumwandlungen (§§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 5 und Abs. 6 UmwStG) gilt nicht für die Grunderwerbsteuer.4

4

Die Entstehung des Steueranspruchs hat in steuerschuldrechtlicher Hinsicht mehrerlei Bedeutung: Nur ein entstandener Steueranspruch kann durch einen Steuerbescheid (§§ 155, 157 AO) festgesetzt

1 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Jochum in Wilms/Jochum, § 14 GrEStG Rz. 2; s. auch Drüen in T/K, § 38 AO Rz. 14; Schuster in HHSp, § 38 AO Rz. 50; ferner Schlücke in Gosch, § 38 AO Rz. 92. 2 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 5; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 8. 3 Vgl. BFH v. 11.12.1974 – II R 30/69, BStBl. II 1975, 417; v. 8.3.1978 – II R 131/76, BStBl. II 1978, 635; Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 4; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 5. 4 Vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168 = FR 1998, 192; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 5.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 9 § 14

werden1; ein gleichwohl ergehender Steuerbescheid ist zwar nicht nichtig (§ 125 Abs. 1 AO), aber materiell rechtswidrig.2 Solange also beispielsweise für einen Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 GrEStG die erforderliche Genehmigung nicht erteilt ist, entsteht die Grunderwerbsteuer nicht. Eine Steuerfestsetzung kann dann auch nicht vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO) erfolgen.3 Außerdem unterliegt nur ein entstandener Steueranspruch der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO), wie sich aus § 170 Abs. 1 AO, der eine allgemeinen Regelung für den Beginn der Festsetzungsfrist enthält, ableiten lässt. Soweit aufgrund der in §§ 18, 19 GrEStG Anzeigepflichten bestehen, richtet sich die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ebenfalls nach dem Kalenderjahr, in welchem die Grunderwerbsteuer entstanden ist. Nur eine entstandene Steuerschuld geht gem. § 45 AO auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Für die Fristen, innerhalb derer Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer bzw. die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung nach Maßgabe des § 16 GrEStG erfolgen kann, wird auf die Entstehung der Grunderwerbsteuer abgestellt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 GrEStG; s. § 16 Rz. 54, Rz. 120, Rz. 152). Die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG für den Fall des Übergangs eines Grundstücks auf eine Gesamthand erfordert die Feststellung der Beteiligung am Gesamthandsvermögen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (s. § 5 Rz. 21). Die nach § 5 Abs. 3 GrEStG maßgebliche Fünf-Jahres-Frist berechnet sich nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer (s. § 5 Rz. 129). Auch die Fünf-Jahres-Frist des § 6 Abs. 3 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand beginnt mit der Steuerentstehung. Darüber hinaus setzt z.B. die Aufrechnung mit und gegen Steueransprüche (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) voraus, dass diese entstanden sind. Insoweit ergeben sich nur Abweichungen für die Behandlung von Grunderwerbsteueransprüchen in der Insolvenz, insbesondere bei der Frage, ob ein Grunderwerbsteueranspruch eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder eine Masseverbindlichkeit (§§ 53, 55 InsO) darstellt und inwieweit in der Insolvenz eine Aufrechnung nach Maßgabe der §§ 93 ff. InsO zulässig ist (s. dazu Anh. Rz. 29 ff.).

5

Schließlich spielt die Entstehung der Steuer eine entscheidende Rolle für die Haftung (s. dazu § 13 Rz. 45 ff.). Denn der Haftungsanspruch setzt als akzessorischer Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 GrEStG) voraus, dass die Hauptschuld – die Grunderwerbsteuerschuld – entstanden ist (§ 13 Rz. 45).

6

Für die Geltendmachung einer Grunderwerbsteuerforderung in der Insolvenz des Grunderwerbsteuerschuldners gelten Besonderheiten: Eine Grunderwerbsteuerschuld ist als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) nach Maßgabe des § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden, wenn sie im insolvenzrechtlichen Sinne begründet wurde. Auf die steuerrechtliche Entstehung kommt es dabei nicht an. Wegen der Einzelheiten s. Anh. Rz. 30.

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III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich Die Vorschrift des § 14 GrEStG gilt für alle Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG. Denn grundsätzlich jeder Erwerbstatbestand kann unter einer Bedingung stehen (§ 14 Nr. 1 GrEStG) oder von einer Genehmigung abhängig sein (§ 14 Nr. 2 GrEStG).

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2. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 14 GrEStG enthält einen Sondertatbestand für die Entstehung von Grunderwerbsteueransprüchen und bildet deshalb eine Ergänzung bzw. Konkretisierung des § 38 AO.4 Die Norm des § 14 GrEStG ist gegenüber § 38 AO eine lex specialis, da sie zum einen nur für die Grunderwerbsteuer gilt und zum anderen zwei spezielle Fälle der Entstehung der Grunderwerbsteuer regelt. Abgesehen von den in § 14 1 Vgl. z.B. Drüen in T/K, § 38 AO Rz. 10; Schuster in HHSp, § 38 AO Rz. 11; ferner Schlücke in Gosch, § 38 AO Rz. 93. 2 Vgl. Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 3. 3 BFH v. 10.8.1994 – II R 103/93, BStBl. II 1994, 951. 4 Vgl. Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 1.

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§ 14 Rz. 9 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen GrEStG geregelten Sonderfällen gilt die allgemeine Regelung des § 38 AO auch für die Grunderwerbsteueransprüche. 10

Während der Vorschrift des § 14 GrEStG das Tatbestandsmerkmal der „Entstehung“ der Grunderwerbsteuer zugrunde liegt, wie es in § 38 AO für das gesamte Steuerrecht definiert ist, stellt § 23 GrEStG für den zeitlichen Anwendungsbereich des GrEStG auf die „Verwirklichung des Erwerbsvorgangs“ ab (§ 23 Rz. 8 ff.). Vordergründig betrachtet handelt es sich um ein- und dasselbe. Allerdings indiziert bereits die Verwendung der unterschiedlichen Termini in den beiden Normen, dass sie einen unterschiedlichen Inhalt haben. Während die Steuerentstehung nach § 38 AO von der Erfüllung des gesetzlichen Steuertatbestands abhängt und damit an die Rechtsfolge der Tatbestandserfüllung anknüpft, ist § 23 GrEStG an der Tatbestandserfüllung als solcher ausgerichtet. Grundsätzlich knüpft die Rechtsfolge (Steuerentstehung) unmittelbar an die Tatbestandserfüllung an. Gerade die Regelung in § 14 GrEStG zeigt aber, dass die Erfüllung des Besteuerungstatbestands einerseits und die dadurch bewirkte Rechtsfolge andererseits zeitlich auseinanderfallen können. In diesen Fällen ist für die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs der betroffenen Normen nach § 23 GrEStG die Tatbestandserfüllung maßgeblich, während für die steuerschuldrechtliche Betrachtung die Entstehung der Grunderwerbsteuer entscheidend ist.

IV. Rechtsentwicklung 11

§ 14 GrEStG entspricht im Wesentlichen der Vorschrift des § 19 GrEStG 1940 i.V.m. § 3 Abs. 5 StAnpG.1 Im Verhältnis hierzu fehlen in § 14 Nr. 2 GrEStG die Worte „einer Behörde“. Damit wurde klargestellt, dass die Grunderwerbsteuer auch in den Fällen, in denen ein Erwerbsvorgang von einer nichtbehördlichen Genehmigung abhängt, mit der Genehmigung entsteht.2 Die Neufassung des GrEStG v. 26.2.19973 veränderte die Norm nicht. Sie besteht bis heute unverändert fort.

B. Entstehung der Grunderwerbsteuer I. Regelmäßige Entstehung 12

Gemäß § 38 AO entsteht die Grunderwerbsteuer, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, folglich mit Erfüllung eines Erwerbstatbestands i.S.v. § 1 GrEStG (Rz. 2), sofern im Einzelfall nicht um einen bedingten (§ 14 Nr. 1 GrEStG) oder genehmigungsbedürftigen (§ 14 Nr. 2 GrEStG) Erwerbsvorgang handelt. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist nicht bei allen Erwerbsvorgängen identisch, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Erwerbstatbestand. Da der Grunderwerbsteueranspruch ein gesetzlicher ist, für dessen Entstehung es nur auf die Erfüllung des gesetzlichen Steuertatbestands ankommt, ist seine Entstehung vom Willen der am Erwerbsvorgang Beteiligten unabhängig und deren Disposition entzogen (Rz. 3). Ein auf die Entstehung der Grunderwerbsteuer gerichteter Wille der am Erwerbsvorgang beteiligten Personen ist folglich ebenso wenig erforderlich.

II. Kaufverträge und andere Schuldverträge i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 13

Bei einem nicht bedingten und nicht genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag entsteht die Grunderwerbsteuerschuld gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG mit Abschluss des Kaufvertrages (§ 433 BGB). Dies gilt für andere Schuldverträge, die einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründen. Auch dann, wenn der Kaufvertrag den Anspruch auf Übereignung eines bürgerlich-rechtlich (durch

1 Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 1. 2 Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 1. 3 BGBl. I 1997, 418.

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B. Entstehung der Grunderwerbsteuer

Rz. 14 § 14

Teilung) noch zu bildenden Grundstücks betrifft1, entsteht die Grunderwerbsteuer mit Vertragsschluss. Verpflichtet die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) einer neu errichteten Kapitalgesellschaft einen Gesellschafter zur Einbringung eines Grundstücks in das Betriebsvermögen der Gesellschaft, entsteht die Grunderwerbsteuer mit dem wirksamen Abschluss eben dieses Gesellschaftsvertrags. Beim Stiftungsgeschäft unter Lebenden entsteht die Grunderwerbsteuer mit der Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Landesbehörde (§ 80 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) durch einen konstitutiven privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG). Das Stiftungsgeschäft ist ein einseitiges Verpflichtungsgeschäft, mit dem sich der Stifter auch zur Übertragung eines Grundstücks verpflichten kann. Die in dem Verpflichtungsgeschäft übernommene Verpflichtung wird folglich wirksam, wenn die staatliche Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig erfolgt (§ 82 Satz 1 BGB)2, und kann dann nicht mehr einseitig beseitigt werden. Mit Begründung des Auflassungsanspruchs durch das Stiftungsgeschäft aus § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB entsteht die Grunderwerbsteuer. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Stifter sich im Stiftungsgeschäft verpflichtet, zu einem späteren Zeitpunkt ein noch nicht genau bestimmtes Grundstück im Wege der Zustiftung auf die Stiftung zu übertragen: Diese Verpflichtung führt noch nicht zum Entstehen von Grunderwerbsteuer, sondern erst die Übertragung des Grundstücks auf die Stiftung. Ebenso wie die Entstehung des Erbbaurechts gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt (s. § 2 Rz. 48), stellt auch die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Erbbaurechts einen grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbsvorgang dar (s. § 2 Rz. 56; § 1 Rz. 77). Denn durch diesen Vorgang wird die rechtliche Teilung des Grundstücks in das bebauungsfähige Erbbaurecht und das nicht mehr bebauungsfähige Grundstück aufgehoben, und infolge des Erlöschens des Erbbaurechts gehen seine Bestandteile, vornehmlich die aufstehenden Gebäude, in das Eigentum des Grundstückseigentümers über (§ 12 Abs. 3 ErbbauVO). Die GrESt entsteht in diesem Fall durch die gleichzeitig abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht werde aufgehoben, die als Einigung i.S.v. § 873 BGB zu beurteilen sind.3

III. Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) Fehlt es an einem schuldrechtlichen Vertrag, der den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet (Rz. 12), erfüllt die Auflassung (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB) gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG den Besteuerungstatbestand (§ 1 Rz. 76). Die Grunderwerbsteuer entsteht dabei mit Abgabe der entsprechenden übereinstimmenden Willenserklärungen.4 Dies gilt nicht bei einem aufschiebend bedingten Kaufvertrag: Hier entsteht die Steuer auch dann nach § 14 Nr. 1 GrEStG mit Bedingungseintritt, wenn die Auflassung bereits vorher erklärt wird (Rz. 29).5 Den maßgeblichen Erwerbsvorgang, nach dem sich die Steuerentstehung richtet, bildet der Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), nicht die Auflassung, mit der lediglich ein Anspruch auf Eigentumsverschaffung erfüllt wird (vgl. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn die Auflassung unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer, wenn ihr ein wirksames oder i.S.v. § 14 GrEStG noch nicht wirksames Rechtsgeschäft als Erwerbsvorgang vorausgegangen ist6, so dass sie dann für die Grunderwerbsteuerentstehung keine Bedeutung hat. Die Begründung eines Anwartschaftsrechts an dem Grundstück führt noch nicht zur Entstehung der Grunderwerbsteuer. Das Anwartschaftsrecht auf das Eigentum an einem Grundstück ist ein sub-

1 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – II R 42/88, BStBl. II 1991, 144; v. 2.2.1994 – II R 84/90, BFH/NV 1994, 824; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 26. 2 Zutreffend Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 25; zweifelnd offenbar BFH v. 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/ NV 2014, 579; a.A. Wachter, DStR 2012, 1900. 3 BFH v. 31.3.1976 – II R 93/75, BStBl. II 1976, 470; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 27. 4 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 28. 5 BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 28. 6 BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139.

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§ 14 Rz. 14 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen jektives Recht, das der Erwerber dann erlangt, wenn die Auflassung erklärt (§ 925 Abs. 1, 873 Abs. 1 BGB) und entweder der Antrag auf Eigentumsumschreibung vom Erwerber beim Grundbuchamt gestellt ist (§ 878 BGB, § 17 GBO) oder eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen oder vom Erwerber beim Grundbuchamt beantragt ist.1 Es handelt sich um eine durch Verfügungsbeschränkungen gegen den Veräußerer nicht mehr zu beeinträchtigende Anwartschaft auf das im Entstehen begriffene Eigentum.2 Für die Grunderwerbsteuer spielt dieses Recht schon deshalb keine Rolle, weil bereits die dazu in jedem Falle erforderliche Auflassung einen Erwerbstatbestand darstellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), der die Grunderwerbsteuer entstehen lässt.

IV. Eigentumsübergang ohne Verpflichtungsgeschäft und ohne Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) 15

Der Eigentumserwerb erfolgt kraft Gesetzes i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG in den Fällen, in denen das Eigentum an einem Grundstück zwingend ohne vorheriges Rechtsgeschäft erfolgt oder sich als Folge eines Rechtsgeschäfts darstellt, dessen Gegenstand nicht unmittelbar die Übereignung des Grundstücks ist. Soweit davon eine Gesamtrechtsnachfolge bei Unternehmensumwandlungen (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei der Verschmelzung, § 131 Abs. 1 Nr. 1 bei der Spaltung, § 174 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG bei der Vermögensübertragung) erfasst ist, entsteht die Grunderwerbsteuer mit Wirksamkeit der Umwandlung, die wiederum von der Eintragung ins Handelsregister abhängt (§ 20 Abs. 1, § 131 Abs. 1, § 176 Abs. 3 Satz 1 UmwG). Denn die Handelsregistereintragung ist konstitutiv (rechtsbegründend). Die steuerliche Rückwirkung von Unternehmensumwandlungen (§§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 5 und Abs. 6 UmwStG) gilt nicht für die Grunderwerbsteuer (Rz. 3).3 Im Fall der Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn also eine Personengesellschaft, in deren Gesellschaftsvermögen sich ein Grundstück befindet, dadurch beendet wird, dass alle Gesellschafter bis auf einen ausscheiden, entsteht die Grunderwerbsteuer ebenfalls mit Wirksamkeit des Austritts der Gesellschafter, also der Vereinbarung der Gesellschafter über das Ausscheiden aus der Gesellschaft.4 Auch soweit eine Sonder- oder Teilrechtsnachfolge eintritt, entsteht die Grunderwerbsteuer mit Abgabe der entsprechenden Willenserklärungen. Wird z.B. der Anteil an einer Miterbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB) bei einem Nachlass, zu dem ein Grundstück gehört, übertragen, so erfolgt der Eigentumsübergang als gesetzliche Folge der Übertragung des Anteils.5 Dies gilt auch bei Umwandlungsvorgängen, bei denen der übertragende Rechtsträger fortbesteht (vgl. z.B. die Abspaltung, § 123 Abs. 2 UmwG, oder die Ausgliederung, §§ 152 ff. UmwG).

V. Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) 16

Bildet das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren den maßgeblichen Erwerbstatbestand (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG), entsteht die Grunderwerbsteuer mit der wirksamen Abgabe des Meistgebots6 und nicht etwa erst mit Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses (§§ 82, 87 Abs. 1, 88 ZVG).7

1 Vgl. BGH v. 30.4.1982 – V ZR 104/81, NJW 1982, 1639; FG Berlin-Bdb. v. 25.10.2016 – 12 K 15162/15, EFG 2017, 747 (Rev. BFH II R 39/16); Ruhwinkel in MüKo8, § 925 BGB Rz. 40. 2 Vgl. Kohler in MüKo8, § 873 BGB Rz. 91. 3 Vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168 = FR 1998, 192; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 5. 4 Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 29. 5 Vgl. BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159; v. 9.7.2014 – II R 50/12, BStBl. II 2015, 399; v. 9.11.2016 – II R 17/15, BStBl. II 2017, 281. 6 BFH v. 14.8.1974 – II R 73/68, BStBl. II 1975, 219. 7 FG Hamburg v. 15.8.2012 – 3 K 173/11, juris (rkr. nach Verwerfung der NZB als unzulässig, BFH v. 15.7.2013 – II B 128/12, nv.).

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B. Entstehung der Grunderwerbsteuer

Rz. 20 § 14

VI. Zwischengeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG) 1. Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder Anspruchs auf Abtretung der Rechte aus einem Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) Bei einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs oder auf Ab- 17 tretung der Rechte aus einem Meistgebot (vgl. § 81 Abs. 2 ZVG) begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG; § 1 Rz. 162), entsteht die Grunderwerbsteuer in dem Zeitpunkt, in welchem der Abtretungsempfänger den Anspruch auf Übereignung erlangt bzw. in welchem für den Abtretungsempfänger nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 und Abs. 3 ZVG der Anspruch auf Erteilung des Zuschlags entsteht.1 Im Fall des § 81 Abs. 2 ZVG setzt dies voraus, dass der Abtretungsempfänger die Verpflichtung aus dem Meistgebot übernommen hat und dies ordnungsgemäß gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachgewiesen wird.2 Steht die Verpflichtung, einen (unbedingten) Übereignungsanspruch abzutreten, unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB, entsteht die Grunderwerbsteuer gem. § 14 Nr. 1 GrEStG mit Eintritt der Bedingung (vgl. Rz. 28).3 Dies gilt auch, wenn ein aufschiebend bedingter Übereignungsanspruch (ohne Bedingung) abgetreten wird.4 2. Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG) Im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG entsteht die Grunderwerbsteuer mit der Ausübung des abgetretenen Rechts durch den Abtretungsempfänger5, dem hierdurch ein konkreter Vermögensvorteil entsteht.6

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3. Abtretung eines Übereignungsanspruchs, der Rechte aus dem Meistgebot oder des Rechts aus einem Optionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) Wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG (Rz. 16) entsteht die Grunderwerbsteuer im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG mit der Ausübung des abgetretenen Rechts durch den Abtretungsempfänger.7

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VII. Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) Bei den nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Rz. 215 ff.), entsteht die GrEStG mit der wirksamen Verschaffung der Verwertungsbefugnis. Dies ist im Regelfall die Wirksamkeit der entsprechenden Abrede zwischen den Beteiligten.8 Bei Verschaffung der rechtlichen Verwertungsmöglichkeit entsteht die Grunderwerbsteuer demzufolge etwa mit der wirksamen Erteilung der Verkaufsermächtigung.9 Bei Verschaffung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit entsteht die Grunderwerbsteuer mit der tatsächlichen Überlassung des Grundstücks zur Verwertung.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3. Vgl. hierzu auch Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 31. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 31. BFH v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984; v. 24.1.1990 – II R 138/87, BFH/NV 1991, 119; FG BerlinBdb v. 25.2.2009 – 11 K 1190/05 B, EFG 2009, 1325. BFH v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359. BFH v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984; v. 24.1.1990 – II R 138/87, BFH/NV 1991, 119; FG BerlinBdb v. 25.2.2009 – 11 K 1190/05 B, EFG 2009, 1325. Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4. Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 32. Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 32; vgl. auch BFH v. 11.5.1966 – II 171/63, BStBl. III 1966, 400; v. 20.4.1971 – II 11/65, BStBl. II 1971, 751.

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§ 14 Rz. 20.1 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen

VIII. Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) 20.1

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, erfüllt dies den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG (§ 1 Rz. 310 ff.). In diesem Fall entsteht die Steuer in dem Zeitpunkt, in welchem der – bei sukzessiver Übertragung letzte – Erwerb, mit dem der Übergang von 95 % der Anteile erreicht wird, durch den Gesellschafter wirksam wird.1

IX. Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG) 21

In den in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Erwerbsfällen entsteht die Grunderwerbsteuer mit der Erfüllung des jeweiligen Tatbestands.2 Demnach entsteht die Grunderwerbsteuer bei der Vereinigung von Anteilen an einer Gesellschaft aufgrund eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts oder unmittelbar durch einen dinglichen Vertrag (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 4 GrEStG; § 1 Rz. 752 ff., 767 ff., 789 ff.) in dem Zeitpunkt, in welchem der Erwerber der Inhaber von mindestens 95 % der Anteile wird. Im Fall der Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG; § 1 Rz. 797 ff.)3 entsteht die Grunderwerbsteuer, sobald mindestens 95 % der Anteile auf den oder die Erwerber übergegangen ist.

C. Entstehung der Grunderwerbsteuer bei bedingten Rechtsgeschäften (Nr. 1) I. Bedingung 22

Wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, entsteht die Grunderwerbsteuer gem. § 14 Nr. 1 GrEStG mit dem Eintritt der Bedingung.4 Der Begriff der Bedingung entspricht dem der §§ 158 ff. BGB. Es handelt sich dabei also um eine durch den Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, welche die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht.5 Es kann sich dabei im Rahmen des § 14 Nr. 1 GrEStG nur um eine aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) handeln, also eine solche, von der die künftige Entstehung der Grunderwerbsteuer abhängt.6 Dies folgt aus dem Wortlaut des § 14 Nr. 1 GrEStG, wonach die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs von einer Bedingung abhängig sein muss (vgl. § 158 Abs. 1 BGB). Demnach ist eine Regelung, die die schuldrechtlichen Bestimmungen, mithin die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung auf der einen und die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung auf der anderen Seite, von einem oder mehreren ungewissen zukünftigen Ereignissen abhängig macht, als aufschiebende Bedingung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG anzusehen; sie schiebt damit den Zeitpunkt des Entstehens der Grunderwerbsteuer hinaus.7 Auch Potestativbedingungen – also solche Bedingungen, die im freien Belieben einer Vertragspartei stehen8 – sind Bedingungen i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG.9

1 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 33. 2 BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BStBl. III 1966, 378; v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719; v. 26.2.1975 – II R 130/67, BStBl. II 1975, 456; Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 34. 3 Vgl. Pahlke6, § 13 GrEStG Rz. 19. 4 Vgl. auch BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 5 Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 1. 6 Vgl. FG Thür. v. 12.11.1997 – III 214/97, EFG 1998, 582; Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 6; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 13; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 45. 7 FG Sachs. v. 10.6.2010 – 8 K 1441/08, UVR 2010, 263. 8 Vgl. Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 10; Westermann in MüKo9, § 158 BGB Rz. 19. 9 Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 6; vgl. auch Duttiné, BB 2019, 1493 (1497).

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C. Entstehung der Grunderwerbsteuer bei bedingten Rechtsgeschäften (Nr. 1)

Rz. 25 § 14

Für die auflösende Bedingung, deren Eintritt zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt (vgl. § 158 Abs. 2 BGB), trifft § 14 Nr. 1 GrEStG keine Regelung, erfasst diesen Fall also nicht.1 Die auflösende Bedingung beeinträchtigt nicht die Wirkung des Erwerbsvorgangs, denn mit ihm ist der Tatbestand erfüllt, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Die Steuerentstehung ist hierbei der Disposition der am Erwerbsvorgang Beteiligten entzogen. Die Wirkung des Rechtsgeschäfts endet zwar mit dem Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), allerdings hat dies auf die entstandene Grunderwerbsteuer keinen Einfluss.2 Für Fälle, in denen ein Erwerbsvorgang eine auflösende Bedingung oder auch ein Rücktrittsrecht vorsieht, ist gesetzlich ein abweichender Zeitpunkt des Entstehens der Grunderwerbsteuerschuld nicht vorgesehen.3 Bei Eintritt der auflösenden Bedingung ist § 16 GrEStG entsprechend anzuwenden (§ 16 Rz. 28 ff.).4

23

Ebenso wenig wie auflösende Bedingungen haben Steuerklauseln einen Einfluss auf die Grund- 24 erwerbsteuer. Als Steuerklauseln werden Vereinbarungen bezeichnet, nach denen ein privatrechtliches, steuerlich zu erfassendes Rechtsgeschäft als von Anfang an ganz oder teilweise unwirksam behandelt werden soll, wenn die von den Vertragsparteien angenommene steuerliche Wertung dieses Rechtsgeschäfts von der Finanzbehörde abgelehnt wird.5 Es handelt sich nach hier vertretener Auffassung um unechte Gegenwartsbedingungen, welche die Entstehung der GrESt bei Erfüllung eines Erwerbstatbestands nicht verhindern und eine einmal entstandene Grunderwerbsteuer-Schuld nicht rückwirkend wieder zu beseitigen vermögen.6 Keine Bedingungen i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG, §§ 158 ff. BGB sind: 25 – Auflagen; sie begründen eine eigene Pflicht des Zuwendungsempfängers, die Auflage zu erfüllen.7 Bei Nichterfüllung besteht die Möglichkeit der Pflicht zur Rückgewähr.8 Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist jedoch nicht von der Erfüllung der Auflage abhängig, sondern tritt von Anfang an ein (vgl. insbesondere (§§ 525 ff., § 1940, §§ 2192 ff., § 2278 Abs. 2 BGB).9 – Fälligkeitsregelungen; hierdurch wird lediglich eine Regelung über die Fälligkeit des Kaufpreises, also den Zeitpunkt der Leistungspflicht, getroffen. Die Verwendung des Wortes „Fälligkeit“ schließt es aus, dass die Vertragsparteien damit die Wirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises dem Grunde nach vom Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses abhängig machen und damit unter eine Bedingung stellen wollten.10 – Rechtsbedingungen; dies sind die gesetzlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, deren Erwähnung durch die Vertragsparteien also keinen Schwebezustand auf Grund einer Willensmodalität herbeiführt.11 Auf sie sind die §§ 158 ff. BGB nicht entsprechend anwendbar12 und auch nicht als aufschiebende Bedingungen i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG anzusehen.13

1 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 6; Jochum in Wilms/Jochum, § 14 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 10; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 47. 2 Vgl. BFH v. 25.6.1980 – II R 28/79, BStBl. II 1981, 332. 3 BFH v. 23.2.1977 – II R 102/75, BStBl. II 1977, 436; FG München v. 19.9.2005 – 4 V 1054/05, UVR 2006, 137. 4 Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 10. 5 von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO Rz. 57; von Groll in HHSp, § 175 AO Rz. 310; Carlé, KÖSDI 2017, 20209 (20211); vgl. auch Bartone in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 1341. 6 Bartone in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 1342; in diesem Sinn auch von Groll in HHSp, § 175 AO Rz. 311; Frotscher in Schwarz, § 175 AO Rz. 71; Koenig in Koenig4, § 175 AO Rz. 58; von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO Rz. 59; wohl auch Rüsken in Klein15, § 175 AO Rz. 92. 7 Westermann in MüKo9, § 158 BGB Rz. 58. 8 Westermann in MüKo9, § 158 BGB Rz. 58. 9 Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 11; Westermann in MüKo8, § 158 BGB Rz. 58. 10 BFH v. 22.1.1997 – II R 23/96, BFH/NV 1997, 705; ferner FG Hessen v. 12.11.2020 – 5 K 2582/11, EFG 2021, 477 (Rev. BFH II R 40/20). 11 Westermann in MüKo9, § 158 BGB Rz. 54. 12 Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 5; Westermann in MüKo9, § 158 BGB Rz. 54. 13 BFH v. 14.3.1979 – II R 73/75, BStBl. II 1981, 225; FG Thür. v. 12.11.1997 – III 214/97, EFG 1998, 582; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 11.

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§ 14 Rz. 25 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen – Vertragsbedingungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG; § 16 Rz. 83 ff.); diese sind keine Bedingungen i.S.d. §§ 158 ff. BGB, da sie die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig machen.1 Vielmehr sind hierunter Vertragsbestimmungen zu verstehen, deren Nichterfüllung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zum Absehen von einer GrunderwerbsteuerFestsetzung oder deren Aufhebung führt.2 26

Nicht in den Anwendungsbereich des § 14 Nr. 1 GrEStG fallen aufschiebende Befristungen.3 Hierbei handelt es sich um Bestimmungen, nach denen für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ein Anfangstermin festgelegt wird. Für sie gilt § 158 Abs. 1 BGB gem. § 163 BGB zwar entsprechend. Jedoch trifft § 14 Nr. 1 GrEStG nach seinem eindeutigen Wortlaut hierfür keine Regelung, so dass die Norm keine unmittelbare Anwendung finden kann. Für eine entsprechende Anwendung des § 14 Nr. 1 BGB ist kein Raum, da insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Während § 14 Nr. 1 GrEStG die Steuerentstehung mit Rücksicht auf ein ungewisses zukünftiges Ereignis aus Praktikabilitätsgründen hinausschiebt (Rz. 2), ist bei aufschiebend befristeten – unter einer aufschiebenden Zeitbestimmung abgeschlossenen – Rechtsgeschäften der Eintritt des Erwerbs indessen gewiss. Während also im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne der bedingte Erwerb noch aussteht, ist der befristete Erwerb (als solcher) bereits erfolgt.4

II. Bedingte Rechtsgeschäfte 27

Bedingte Rechtsgeschäfte, also Erwerbsvorgänge, die nach dem Willen der daran Beteiligten von einer aufschiebenden Bedingung (Rz. 25) abhängig gemacht werden, sind tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur die Rechtswirkungen – im vorliegenden Zusammenhang mithin die Entstehung der GrESt – sind bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe.5 Die Grunderwerbsteuer entsteht demnach mit Eintritt der Bedingung.6 Dem Grundstücksverkäufer wird im notariell beurkundeten Kaufvertrag ein Wiederkaufsrecht eingeräumt, das er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausüben darf.7 In diesem Fall steht der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerpflichtige Erwerbsvorgang unter einer Bedingung (Ausübung des Wiederkaufsrechts). Die Grunderwerbsteuer entsteht folglich gem. § 14 Nr. 1 GrEStG nur dann, wenn das Wiederkaufsrecht ausgeübt wird.

Eine Bedingung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG liegt auch dann vor, wenn die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht wird.8 Es handelt sich dabei nicht um eine Genehmigung i.S.v. § 14 Nr. 2 GrEStG, da es sich hier nicht um ein gesetzlich angeordnetes Genehmigungserfordernis, sondern um ein privatautonom geschaffenes handelt (vgl. Rz. 32).9 28

Die Bedingung kann sich auf das gesamte Rechtsgeschäft oder auch nur auf einen Teil desselben beziehen.10 Wird z.B. der gesamte Erwerbsvorgang von der Übergabe einer Bankbürgschaft abhängig gemacht, liegt ein aufschiebend bedingter Erwerb i.S.d. § 14 Nr. 1 GrEStG vor.11

1 Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 11. 2 Vgl. z.B. FG Münster v. 19.11.2007 – 8 K 2562/05 GrE, EFG 2008, 877. 3 FG Rh.-Pf. v. 6.4.2000 – 4 K 2246/99, EFG 2000, 755; FG München v. 30.7.2001 – 4 V 1190/01, juris; FG Nürnberg v. 31.7.2002 – IV 162/2001, DStRE 2003, 117; FG München v. 19.9.2005 – 4 V 1054/05, UVR 2006, 137; gl.A. Bruschke, UVR 2000, 10 (11); Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 11; Jochum in Wilms/Jochum, § 14 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 13; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 51. 4 FG Rh.-Pf. v. 6.4.2000 – 4 K 2246/99, EFG 2000, 755; FG München v. 30.7.2001 – 4 V 1190/01, juris; FG Nürnberg v. 31.7.2002 – IV 162/2001, DStRE 2003, 117; FG München v. 19.9.2005 – 4 V 1054/05, UVR 2006, 137; FG Hessen v. 12.11.2020 – 5 K 2582/11, EFG 2021, 477 (Rev. BFH II R 40/20). 5 BGH v. 21.9.1994 – VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129; Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 8. 6 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 7 BFH v. 16.2.1994 – II R 114/90, BFH/NV 1995, 65. 8 Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 8. 9 Vgl. Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 8; in diesem Sinne wohl auch Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 61, 71. 10 Hofmann11, § 14 GrEStG Rz. 7. 11 FG München v. 17.5.2006 – 4 K 1801/04, EFG 2006, 1358.

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Rz. 30 § 14

D. Entstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (Nr. 2)

Steht nur ein Teil des Rechtsgeschäfts – etwa ein Teil der Gegenleistung – unter einer Bedingung, entsteht die Grunderwerbsteuer sofort, und zwar nach dem unbedingt vereinbarten Teil der Gegenleistung.1 Bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung entsteht hinsichtlich des übrigen, bedingten Teils der Gegenleistung eine neue Grunderwerbsteuer.2 Ist der Erwerber eines Grundstücks etwa eine aufschiebend bedingte Verpflichtung eingegangen, die als Gegenleistung i.S.v. § 9 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG zu betrachten ist, so wird diese Verpflichtung mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung zur nachträglichen zusätzlichen Gegenleistung. Mit Eintritt der Bedingung entsteht insoweit eine neue Grunderwerbsteuer, für die der Lauf der Festsetzungsfrist nach allgemeinen Regeln mit ihrem Entstehen beginnt (§ 170 Abs. 1 AO). Diese ist durch einen zusätzlichen (selbständigen) Grunderwerbsteuer-Bescheid festzusetzen. Der Erwerber kauft ein Grundstück von den Eheleuten A und B. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Erwerber, an A und B eine monatliche Leibrente zu zahlen. Dabei sollen die vereinbarten Gegenleistungen zu Lebzeiten des A ausschließlich diesem und erst nach dessen Ableben seiner Ehefrau B zustehen.3 Diese Verpflichtung ist Entgelt für den Erwerb der Grundstücke (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG; § 9 Rz. 119 ff.). Mit dem Eintritt der Bedingung (Tod des A) ist daher eine zusätzliche (nachträgliche) Grunderwerbsteuer entstanden, die nach dem Wert des auf den Erwerb der Grundstücke entfallenden Teils der gegenüber der B wirksam gewordenen Verpflichtungen zu bemessen ist.4

Beinhaltet ein Grundstückskaufvertrag die Regelung, dass der schuldrechtliche Verkauf erst dann rechtswirksam wird, wenn die Ausübung des vereinbarten Rücktrittsrechts ausgeschlossen ist, liegt hierin eine aufschiebende Bedingung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG vor.5 Für die Frage, ob die Entstehung der Grunderwerbsteuer gem. § 14 Nr. 1 GrEStG wegen einer aufschiebenden Bedingung hinausgeschoben wird, kommt es auf den maßgeblichen Erwerbsvorgang an. Dieser muss unter einer aufschiebenden Bedingung stehen. Knüpft die Entstehung z.B. an einen Grundstückskaufvertrag an, so greift § 14 Nr. 1 GrEStG, wenn die Wirksamkeit des Vertrags von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht wird. Wird im Zusammenhang mit diesem Kaufvertrag bereits die unbedingte Auflassung erklärt (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 2 BGB, s. aber auch § 925 Abs. 2 BGB), so unterliegt die Auflassung als solche nicht der Grunderwerbsteuer6, da die Grunderwerbsteuerpflicht an den insoweit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG allein maßgeblichen Kaufvertrag anknüpft. Die Grunderwerbsteuer entsteht in diesem Fall (erst) mit Eintritt der Bedingung.

29

D. Entstehung der Grunderwerbsteuer bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (Nr. 2) I. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte Wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, entsteht die Grunderwerbsteuer gem. § 14 Nr. 2 GrEStG mit der Genehmigung. Genehmigungen sind nachträgliche Einverständniserklärungen zu dem von einem anderen zuvor vorgenommenen zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft.7 Das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft ist ohne Einwilligung schwebend unwirksam8, d.h. die am Erwerbsvorgang Beteiligten sind zwar gebunden, aber es bestehen keine Erfüllungsansprüche.9 Der Schwebezustand endet mit Erteilung der erforderlichen Genehmigung (Rz. 32) oder deren Versagung.10 Dem trägt § 14 Nr. 2 GrEStG grundsätzlich Rechnung, allerdings geht aus der Norm hervor, dass die Genehmigung für die Grunderwerbsteuer – anders als im bürgerlichen Recht nach § 184

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Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 49. Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 49. BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162. BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162. FG München v. 19.9.2005 – 4 V 1054/05, UVR 2006, 137. FG München v. 19.9.2005 – 4 V 1054/05, UVR 2006, 137. Vgl. Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 5; Bayreuther in MüKo9, § 184 BGB Rz. 1. BGH v. 28.4.1954 – II ZR 8/53, BGHZ 13, 179; Mansel in Jauernig18, § 182 BGB Rz. 2. BFH v. 10.8.1994 – II R 103/93, BStBl. II 1994, 951. Vgl. Mansel in Jauernig18, § 182 BGB Rz. 2.

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30

§ 14 Rz. 30 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen Abs. 1 BGB – keine Rückwirkung entfaltet.1 Vielmehr ist Regelungsgegenstand des § 14 Nr. 2 GrEStG gerade, dass die Entstehung der Grunderwerbsteuer auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hinausgeschoben wird. Denn solange die Genehmigung nicht erteilt ist, ist der Tatbestand nicht verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).2 31

Das Genehmigungserfordernis kann sich aus privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (s. dazu Rz. 34 ff.). Privatrechtliche Vorschriften können dabei das jeweilige Genehmigungserfordernis an vorangegangene Rechtsgeschäfte anknüpfen. Demgegenüber scheiden rein privatautonom geschaffene Zustimmungs- oder Genehmigungserfordernisse aus dem Anwendungsbereich des § 14 Nr. 2 GrEStG aus und stellen keine Genehmigungen i.S.d. Norm dar. Wird also die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs aufgrund rechtsgeschäftlicher Abrede von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht, ist das ein Fall des § 14 Nr. 1 GrEStG (Rz. 28).

32

Die Grunderwerbsteuer entsteht mit der Erteilung der erforderlichen Genehmigung. Wann dies der Fall ist, hängt von der Art der jeweiligen Genehmigung ab. Eine auf privatrechtlichen Vorschriften beruhende Genehmigung ist jeweils eine Willenserklärung, die nicht bereits mit der Äußerung, sondern mit dem Zugang beim Empfänger wirksam wird (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei ist auch die Empfangszuständigkeit z.B. der gesetzlichen Vertreter für Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige (vgl. § 131 BGB). Sofern es der Einhaltung bestimmter Formvorschriften bedarf (vgl. §§ 126 ff. BGB), müssen auch diese eingehalten sein, damit die Genehmigung wirksam werden kann.

33

Ergibt sich die Genehmigungsbedürftigkeit aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften, ist sie also regelmäßig von einer Behörde (§ 1 Abs. 4 VwVfG) abzugeben, sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beachten. Bedarf ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang der Genehmigung einer Behörde, so entsteht die Steuerschuld erst mit der Bekanntgabe der Genehmigung.3 Denn auch hier kommt es darauf an, dass die Genehmigung den Binnenbereich der Verwaltung verlassen und gegenüber dem Empfänger wirksam geworden ist. Wenn also die Genehmigung in Form eines Verwaltungsakts i.S.v. § 35 Satz 1 VwVfG ergeht, muss dieser nach Maßgabe der §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 VwVfG wirksam bekanntgegeben worden sein.4 Auf die Bestandskraft des Verwaltungsakts kommt es dabei nicht an. Daher ist die Genehmigung auch dann wirksam erteilt – und die Grunderwerbsteuer ist entstanden –, wenn sie mittels Widerspruch (§ 68 Abs. 1 Satz 1, §§ 69 ff. VwGO) oder Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) angefochten wurde und der Rechtsbehelf gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat.5 Denn die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Genehmigung führte nicht (rückwirkend) zum Wegfall der Grunderwerbsteuer, da der Eintritt der aufschiebenden Wirkung lediglich zur Folge hat, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden darf.6 Dagegen beseitigt die aufschiebende Wirkung nicht dessen Wirksamkeit (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG).7 Sie führt nicht dazu, dass der Verwaltungsakt als vorläufig nicht existent zu behandeln wäre.8 Infolgedessen bleiben die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts, die vor seiner Anfechtung bereits eingetreten waren, auflösend bedingt wirksam.9 Das bedeutet, dass die Grunderwerbsteuer in jedem Fall aufgrund der Genehmigung nach § 14 Nr. 2 GrEStG entsteht und nicht mehr (rückwirkend) entfällt. Wird allerdings die Genehmigung auf die Anfechtung hin oder aufgrund von

BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; Viskorf in Boruttau19, § 14 GrEStG Rz. 61. BFH v. 10.8.1994 – II R 103/93, BStBl. II 1994, 951. BFH v. 23.4.1952 – II 241/51 U, BStBl. III 1952, 157; Jochum in Wilms/Jochum, § 14 GrEStG Rz. 16. BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 15. BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 15. Z.B. BVerwG v. 21.6.1961 – VIII C 398.59, BVerwGE 13, 1; v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, BVerwGE 66, 218; BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493. 7 Z.B. BVerwG v. 21.6.1961 – VIII C 398.59; v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, BVerwGE 66, 218; BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493; Jochum in Wilms/Jochum, § 14 GrEStG Rz. 16. 8 Z.B. BVerwG v. 21.6.1961 – VIII C 398.59, BVerwGE 13, 1; v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, BVerwGE 66, 218; BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493. 9 Z.B. BVerwG v. 21.6.1961 – VIII C 398.59, BVerwGE 13, 1; v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, BVerwGE 66, 218; BFH v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493.

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D. Entstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (Nr. 2)

Rz. 35 § 14

Korrekturnormen (§§ 48, 49 VwVfG) aufgehoben, liegt ein Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG vor, so dass von einer Festsetzung der GrESt abzusehen bzw. die Festsetzung aufzuheben ist.1

II. Privatrechtliche Genehmigungserfordernisse Genehmigungserfordernisse ergeben sich insbesondere aus folgenden Vorschriften des Privatrechts.

33.1

1. Allgemeine Regelungen – Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bei Rechtsgeschäften (Verträgen) von Minderjährigen (§ 106 BGB) gem. § 108 Abs. 1 BGB. – Genehmigung des Vertrags, den ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator bzw. falsa procuratrix) geschlossen hat, durch den Vertretenen (§ 177 BGB).2 – Genehmigung einer Verfügung des Nichtberechtigten durch den Berechtigten (§ 185 Abs. 2 Satz 1 BGB).

34

2. Familienrechtliche Regelungen – Nach § 1366 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag, den ein Ehegatte bei bestehender Zugewinngemeinschaft 35 (§ 1363 BGB) ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten schließt, wirksam, wenn dieser ihn genehmigt. Dies gilt auch für Verfügungen eines Ehegatten über das Vermögen als Ganzes (§ 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB). Verpflichtet sich ein Ehegatte, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen, bedarf dies der Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt auch, wenn der Ehegatte über ein Grundstück verfügt, das das ganze oder nahezu das ganze Vermögen – also bei kleineren Vermögen mehr als 85 % – ausmacht.3 – Im Fall der Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten (§§ 1415 ff. BGB) bedürfen Rechtsgeschäfte des Ehegatten, der das Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) verwaltet, der Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1427 BGB). Nimmt er ein Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten vor, so ist das Rechtsgeschäft nur wirksam, wenn der andere es genehmigt (§ 1427 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1366 Abs. 1 BGB). – Für eingetragene Lebenspartner ergeben sich die vorstehend dargestellten Genehmigungserfordernisse aus § 6 Satz 2 LPartG i.V.m. §§ 1366 Abs. 1 BGB bzw. § 1427 BGB. – Gemäß § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedarf der Vormund (vgl. §§ 1793 ff. BGB) der Genehmigung des Familiengerichts zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück. Nach § 1908i BGB gilt dies auch für Verfügungen des Betreuers über ein Grundstück des Betreuten.4 – Daneben bedarf der Vormund gem. § 1822 Nr. 1 BGB der Genehmigung des Familiengerichts zu einem Rechtsgeschäft, durch das der Mündel zu einer Verfügung über sein Vermögen im Ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird, sowie zu einer Verfügung über den Anteil des Mündels an einer Erbschaft. Auch dies gilt gem. § 1908i BGB für Verfügungen des Betreuers. – § 1643 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1822 Nr. 1 BGB begründet für Rechtsgeschäfte der Eltern für ihre Kinder die gleichen Erfordernisse für eine Genehmigung durch das Familiengericht wie für den Vormund oder den Betreuer.

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Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 33; Pahlke6, § 14 GrEStG Rz. 15. Vgl. BFH v. 7.11.2000 – II R 51/99, BFH/NV 2001, 642. Vgl. z.B. BGH v. 25.6.1980 – IVb ZR 516/80, BGHZ 77, 293; v. 16.1.2013 – XII ZR 141/10, BGHZ 196, 95. Vgl. hierzu z.B. BGH v. 30.11.2016 – XII ZB 335/16, NJW-RR 2017, 324.

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§ 14 Rz. 36 Entstehung der Steuer in besonderen Fällen 3. Sonstige Vorschriften 36

– Nach § 26 Satz 1 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers aufgehoben werden. – Gemäß § 5 Abs. 1 ErbbauRG kann vereinbart werden, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. – § 12 Abs. 1 WEG sieht vor, dass als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden kann, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf.1

III. Öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse 1. Allgemeines 36.1

Aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben sich insbesondere die nachstehenden (bundesrechtlich geregelten) Genehmigungserfordernisse. Die Aufzählung kann nicht abschließend sein, da auch landesrechtliche Vorschriften anordnen können, dass Grundstücksgeschäfte einer behördlichen Genehmigung bedürfen. Deren vollständige Darstellung würde den Rahmen der Kommentierung sprengen. 2. Baugesetzbuch

37

– Verfügungen über ein Grundstück und über Rechte an einem Grundstück, das innerhalb eines Umlegungsgebiets (§ 52 BauGB) liegt, oder Vereinbarungen, durch die einem anderen ein Recht zum Erwerb eines Grundstücks eingeräumt wird, bedürfen nach Maßgabe des § 51 BauGB der Genehmigung der jeweiligen Gemeinde als zuständiger Umlegungsstelle (§ 46 Abs. 1 BauGB). – In einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet (vgl. § 140 Nr. 2 BauGB) bedürfen rechtsgeschäftliche Veräußerungen von Grundstücken der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). – Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BauGB können Gemeinden, die oder deren Teile überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt sind, in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung u.a. bestimmen, dass zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 WEG), die Begründung der in den §§ 30 und 31 WEG bezeichneten Rechte sowie die die Begründung von Bruchteilseigentum (§ 1008 BGB) an Grundstücken mit Wohngebäuden, der Genehmigung unterliegen. 3. Bundesversorgungsgesetz

38

Wer durch eine militärische Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung nach dem BVG (§ 1 Abs. 1 BVG). Hierzu kann eine Kapitalabfindung zum Erwerb von Grundeigentum nach Maßgabe des § 72 BVG gewährt werden. Die bestimmungsgemäße Verwendung des nach § 72 BVG gewährten Kapitals ist durch die Form der Auszahlung und in der Regel durch Maßnahmen zur Verhinderung alsbaldiger Veräußerung des Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums, Wohnungserbbaurechts oder Dauerwohnrechts zu sichern (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BVG). Zu diesem Zweck kann insbesondere angeordnet werden, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb einer Frist bis zu fünf Jahren nur mit Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde zulässig sind (§ 75 Abs. 1 Satz 2 BVG).

1 Vgl. hierzu BFH v. 8.3.1995 – II R 42/92, BFH/NV 1995, 924.

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D. Entstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (Nr. 2)

Rz. 41 § 14

4. Flurbereinigungsgesetz Unter einer Flurbereinigung ist die Neuordnung ländlichen Grundbesitzes zur Verbesserung der Pro- 39 duktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung kann ländlicher Grundbesitz durch Maßnahmen nach dem FlurbG (§ 1 FlurbG). Zum Abschluss von Verträgen durch die Teilnehmergemeinschaft an einer Flurbereinigung (§ 10 Nr. 1 FlurbG) ist die Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 FlurbG i.V.m. den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften) erforderlich. 5. Grundstücksverkehrsgesetz Das Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe – Grundstückverkehrsgesetz – sieht vor, dass die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks i.S.v. § 1 Abs. 1 GrdstVG (landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Grundstücke sowie für Moor- und Ödland, das in landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Kultur gebracht werden kann) und der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung bedürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrdStVG). Der Grundstücksveräußerung gleichgestellt sind u.a. die die Einräumung und die Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG) sowie die Veräußerung eines Erbanteils an einen anderen als an einen Miterben, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG). Die Genehmigung wird auf Antrag von der nach dem jeweiligen Landesrecht bestimmten Genehmigungsbehörde erteilt (§ 3 Abs. 1 GrdstVG). Von dem grundsätzlichen Genehmigungserfordernis des § 2 GrdstVG ausgenommen sind die in § 5 GrdstVG abschließend aufgeführten Veräußerungsgeschäfte. In diesen Fällen entsteht die Grunderwerbsteuer mangels Genehmigungserfordernisses nach den allgemeinen Grundsätzen (Rz. 12 ff.).

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6. GrundstücksverkehrsVO Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR unterlag ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks im Beitrittsgebiet (vgl. Art. 1 Abs. 1 EinigVtr1) begründete, der Grunderwerbsteuer. Ein solches Rechtsgeschäft bedurfte zur Wirksamkeit gem. § 2 GrdstVV DDR der Genehmigung durch die zuständigen staatlichen Stellen. Die GrdstVV DDR galt auch nach dem Wirksamwerden des Beitritts der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland zunächst in der Fassung des EinigVtr fort (Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1 EinigVtr). Genehmigungsbedürftig war danach die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung.2

1 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – v. 31.8.1990, BGBl. II 1990, 885 (889). 2 Vgl. BFH v. 19.5.1993 – II R 23/92, BStBl. II 1993, 628; v. 19.5.1993 – II R 71/92, BStBl. II 1993, 633; v. 21.4.1999 – II R 44/97, BStBl. II 1999, 493.

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§ 15 Fälligkeit der Steuer 1Die Steuer wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. 2Das Finanzamt darf eine längere Zahlungsfrist setzen.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bedeutung und Telos 1. Begriff der Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Folgen und Auswirkungen der Fälligkeit des Grunderwerbsteueranspruchs a) Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) bei Nichtleistung . . . . . . . 3 b) Durchsetzbarkeit der Grunderwerbsteuerforderung . . . . . . . . . . . . . . 4 c) Stundung (§ 222 AO) . . . . . . . . . . . 6 d) Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) . . 7 e) Haftung für die GrESt nach § 69 AO . . 8 III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 10

IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer I. Regelmäßige Fälligkeit (Satz 1) . . . . . . . II. Fälligkeitsbestimmung durch das Finanzamt (Satz 2) 1. Inhalt und Bedeutung der Fälligkeitsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . 3. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Hinausschieben der Fälligkeit 1. Stundung der festgesetzten Grunderwerbsteuerschuld (§ 222 AO) . . . . . . . . . . 2. Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO) . . . . . . . . 3. Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) . . . .

. 14

. 16 . 20 . 22

. 23

. 29 . 31

Literatur: Arens, Zugewinnausgleich und Steuerschuldverhältnis – häufig übersehene Praxisprobleme und Gestaltungsmöglichkeiten, FamRZ 1999, 257; Bartone, Einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO, AOStB 2016, 224; Bruschke, Entstehung, Fälligkeit und Fälligkeitskorrekturen bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2000, 10; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 13. Aufl. 2021.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 15 GrEStG regelt die Fälligkeit des Grunderwerbsteueranspruchs, also ab welchem Zeitpunkt die Verpflichtung des Schuldners besteht, die Schuld zu erfüllen (s. Rz. 2).1 Die Norm betrifft mithin das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO). Der Grundtatbestand (§ 15 Satz 1 GrEStG) knüpft an die Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids an, während dem für die Grunderwerbsteuerfestsetzung zuständigen Finanzamt abweichend hiervon in § 15 Satz 2 GrEStG die Befugnis eingeräumt wird, eine längere Zahlungsfrist und somit einen späteren Fälligkeitszeitpunkt zu bestimmen.

1

II. Bedeutung und Telos 1. Begriff der Fälligkeit § 15 GrEStG konkretisiert als lex specialis die allgemeine Regelung des § 220 Abs. 1 AO für den Anwendungsbereich des GrEStG (Rz. 10). Denn danach richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, insbesondere von Steueransprüchen, nach den Vorschriften der einzelnen Steuergesetze. In § 15 GrEStG wird der Begriff der Fälligkeit ebenso wenig wie in § 220 AO definiert. Anknüpfend an § 271 BGB meint der Begriff der Fälligkeit i.S.v. § 15 GrEStG – wie i.S.v. § 220 AO – den Zeitpunkt, zu dem der Grunderwerbsteuerschuldner i.S.v. § 13 GrEStG die Leistung zu erbringen hat, d.h. die Schuld zu begleichen hat, und der Steuergläubiger (das jeweilige Bundesland, Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG, vertreten durch das zuständige Finanzamt) die Zahlung der Grunderwerb1 Vgl. z.B. Lemaire in Kühn/von Wedelstädt22, § 220 AO Rz. 1.

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§ 15 Rz. 2 Fälligkeit der Steuer steuer verlangen kann.1 Dabei ist die Fälligkeit von der Entstehung des Steueranspruchs (§ 38 AO, § 14 GrEStG) zu unterscheiden (s. § 14 Rz. 2).2 Die Fälligkeit des Grunderwerbsteueranspruchs setzt dessen Entstehung nach Maßgabe der § 38 AO bzw. § 14 GrEStG voraus. Da die Fälligkeit nur den Zeitpunkt festlegt, zu dem Schuldner zur Leistung verpflichtet ist, ist es ihm – wiederum anknüpfend an das Zivilrecht (§ 271 Abs. 2 BGB) – unbenommen, bereits vor Eintritt der Fälligkeit zu leisten.3 Nimmt das Finanzamt die Zahlung an, führt diese gem. §§ 47, 224 AO zum Erlöschen des Grunderwerbsteueranspruchs. Die Leistung ist trotz fehlender Fälligkeit nicht ohne rechtlichen Grund (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO) erfolgt, denn die Erlöschenswirkung des § 47 AO hängt vom Entstehen des Steueranspruchs ab, nicht aber von dessen Fälligkeit.4 2. Folgen und Auswirkungen der Fälligkeit des Grunderwerbsteueranspruchs a) Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) bei Nichtleistung 3

Wird die Grunderwerbsteuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages, der sich nach § 15 Satz 1 oder Satz 2 GrEStG bestimmt, entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Grunderwerbsteuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Säumniszuschläge entstehen demnach als unmittelbare gesetzliche Folge der Nichtleistung bei Fälligkeit der Grunderwerbsteuer, ohne dass es einer Festsetzung bedürfte. Ungeachtet seines Entstehens wird der Säumniszuschlag bei einer Säumnis von bis zu drei Tagen, gerechnet ab dem Tag der Fälligkeit, gem. § 240 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erhoben, sofern nicht der Grunderwerbsteuerbetrag gem. § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO auf ein Konto der Finanzkasse überwiesen oder eingezahlt wird (§ 240 Abs. 3 Satz 2 AO). Im zuletzt genannten Fall bleibt es bei der Erhebung des Säumniszuschlags vom ersten Tag der Säumnis an. Zu weiteren Einzelheiten s. Rz. 19. In den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist indessen die Erhebung von Säumniszuschlägen bereits ab dem Zeitpunkt der Entstehung des abstrakten Anspruchs auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung nach § 16 GrEStG sachlich unbillig, also regelmäßig ab dem Zeitpunkt der wirksamen Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag. In diesem Fall ist ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 227 AO) auszusprechen.5 b) Durchsetzbarkeit der Grunderwerbsteuerforderung

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Da die Fälligkeit bedeutet, dass der Grunderwerbsteuerschuldner (§ 13 GrEStG) ab diesem Zeitpunkt zur Erbringung der Leistung verpflichtet ist (Rz. 2), kann das zuständige Finanzamt die fällige Grunderwerbsteuerforderung durchsetzen. Dies kann z.B. nach Maßgabe des § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 AO durch Aufrechnung mit dem Grunderwerbsteueranspruch (Gegenforderung) gegen einen Steuererstattungsanspruch des Steuerschuldners (Hauptanspruch) geschehen. Dabei setzt die Aufrechnungslage i.S.v. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 AO voraus, dass der Gegenanspruch, mit dem aufgerechnet werden soll – bei einer Aufrechnung durch die FinBeh. also der Grunderwerbsteueranspruch –, fällig und damit (einseitig) durchsetzbar ist. Demgegenüber genügt es, dass der Hauptanspruch (der Erstattungsanspruch des Steuerschuldners), gegen den aufgerechnet werden soll, erfüllbar ist.

5

Darüber hinaus setzt die Vollstreckung (§§ 249 ff. AO) des Grunderwerbsteuerbescheids, also die zwangsweise Durchsetzung des Grunderwerbsteueranspruchs, insbesondere voraus, dass die festgesetzte Grunderwerbsteuer fällig ist (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Fälligkeit ist die unabdingbare Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung, egal welche Vollstreckungsmaßnahme die zuständige Vollstreckungsbehörde (§ 250 AO) auswählt.6 Für die Geltendmachung des Grunderwerbsteuer-

1 2 3 4

Vgl. z.B. Alber in HHSp, § 220 AO Rz. 5; Loose in T/K, § 220 AO Rz. 1; Schindler in Gosch, § 220 AO Rz. 2. Vgl. z.B. Alber in HHSp, § 220 AO Rz. 5. Vgl. BFH v. 6.2.1990 – VII R 86/88, BStBl. II 1990, 523; v. 8.3.2017 – VII R 13/15, BFH/NV 2017, 1011. BFH v. 6.2.1996 – VII R 50/95, BStBl. II 1997, 112; v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BStBl. II, 2010, 215; vgl. auch Alber in HHSp, § 220 AO Rz. 5; Boeker in HHSp, § 47 AO Rz. 11; Schindler in Gosch, § 220 AO Rz. 2. 5 BFH v. 9.9.2015 – II B 28/15, BFH/NV 2015, 1668; FinMin. Sa.-Anh. v. 30.1.2017 – 42-S 4543-19, juris. 6 Vgl. z.B. Jatzke in HHSp, § 254 AO Rz. 18.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 8 § 15

anspruchs als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) in der Insolvenz des Grunderwerbsteuerschuldners gelten indessen Besonderheiten; s. dazu Anh. Rz. 29 ff. c) Stundung (§ 222 AO) Die FinBeh. können Grunderwerbsteueransprüche ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint (§ 222 Satz 1 AO). Ausgangspunkt für die Frage, ob eine Stundung der Grunderwerbsteuerin Betracht kommt, ist demnach deren Einziehung bei Fälligkeit, wie sie sich aus § 15 GrEStG ergibt. Zu den weiteren Voraussetzungen der Stundung s. Rz. 23 ff.

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d) Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) Der festgesetzte Grunderwerbsteueranspruch erlischt gem. § 47 AO u.a. durch Zahlungsverjährung 7 (§ 228 Satz 1 AO). Diese richtet sich nach §§ 228 ff. AO. Insbesondere beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 228 Satz 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Grunderwerbsteueranspruch nach Maßgabe des § 15 GrEStG erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Wird die Fälligkeit abweichend von § 15 Satz 1 AO durch die FinBeh. bestimmt, so dass die Grunderwerbsteuer später fällig wird, und wird die Bestimmung vor Eintritt der regulären Fälligkeit getroffen, bewirkt die Fälligkeitsbestimmung den späteren Beginn der Festsetzungsverjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO), da es sich dann um die erstmalige Fälligkeit der Grunderwerbsteuer handelt. Sofern das Finanzamt nachträglich – d.h. nach Eintritt der regelmäßigen Fälligkeit gem. § 15 Satz 1 GrEStG – eine abweichende Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG trifft, kommt es nicht auf diesen Fälligkeitszeitpunkt an, sondern auf den ursprünglichen1, denn die neue Fälligkeit ist nicht die erstmalige, wie sie von § 229 Abs. 1 Satz 1 AO vorausgesetzt wird. Anders als die Stundung (Rz. 25) unterbricht die (nachträgliche) Fälligkeitsbestimmung nicht die Zahlungsverjährung gem. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO, denn die abschließende Aufzählung in der zuletzt genannten Norm2 enthält keinen Hinweis auf § 15 Satz 2 GrEStG. e) Haftung für die GrESt nach § 69 AO Gemäß § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit ein Grunderwerbsteueranspruch infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Zu den steuerlichen Pflichten dieser Personen gehört es insbesondere, rechtzeitig die fälligen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) aus den von ihnen verwalteten Mitteln zu begleichen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO) oder zumindest für eine möglichst gleichmäßige Befriedigung sämtlicher Gläubiger zu sorgen.3 Die Haftung nach § 69 AO knüpft demnach an die Fälligkeit des betreffenden Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) an. Da die fälligen Ansprüche aus den verwalteten, d.h. den vorhandenen Mitteln zu begleichen sind, handelt ein Vertreter nicht stets i.S.v. § 69 AO pflichtwidrig, soweit er die Entrichtung fälliger Steuern unterlässt, weil keine Mittel vorhanden sind.4 Aus der Beschränkung der Steuerentrichtungspflicht auf die verwalteten Mittel leitet sich u.a. ab, dass die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, wenn sonst keine relevanten Pflichtverletzungen vorliegen, nur in dem Umfang zu einer Haftung für Unternehmenssteuern führt, in dem der

1 Vgl. Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 6; vgl. auch Jochum in Wilms/Jochum, § 15 GrEStG Rz. 14. 2 Vgl. BFH v. 24.9.1996 – VII R 31/96, BStBl. II 1997, 8; v. 21.6.2010 – VII R 27/08, BStBl. II 2011, 331 = AO-StB 2010, 264; v. 17.9.2014 – VII R 8/13, AO-StB 2015, 260 = BFH/NV 2015, 4; Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz. 12; Loose in T/K, § 231 AO Rz. 8. 3 Siehe z.B. BFH v. 11.11.2015 – VII B 57/15, BFH/NV 2016, 372; v. 14.6.2016 – VII R 20/14, AO-StB 2016, 344 = BFH/NV 2016, 167. 4 Siehe z.B. BFH v. 11.11.2015 – VII B 57/15, BFH/NV 2016, 372; v. 14.6.2016 – VII R 20/14, AO-StB 2016, 344 = BFH/NV 2016, 167.

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§ 15 Rz. 8 Fälligkeit der Steuer Verpflichtete die FinBeh. gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat.1 Diese vom BFH für die Unternehmenssteuern entwickelten Grundsätze dürften auch für den Fall gelten, dass z.B. eine GmbH Grunderwerbsteuer schuldet, die der Geschäftsführer (§§ 34 Abs. 1 AO, 35 Abs. 1 GmbHG) bei Fälligkeit nicht entrichtet.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich 9

Die Vorschrift des § 15 GrEStG regelt die Fälligkeit für den gesamten Anwendungsbereich des GrEStG, unabhängig davon, welcher Erwerbstatbestand des § 1 GrEStG zur Entstehung und Festsetzung der Grunderwerbsteuergeführt hat. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften

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§ 15 GrEStG stellt eine Konkretisierung des § 220 Abs. 1 AO für den Anwendungsbereich des GrEStG dar (Rz. 2). Er bildet eine lex specialis gegenüber der allgemeinen Regelung des § 220 Abs. 1 AO, soweit die Fälligkeit von Grunderwerbsteueransprüchen betroffen ist.

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Soweit die Fälligkeit der Grunderwerbsteuer nach § 15 Satz 1 GrEStG von der Bekanntgabe des entsprechenden Steuerbescheids abhängig ist, enthält das GrEStG keine speziellen Vorschriften, so dass hier die allgemeinen Regelungen über den Erlass von Steuerverwaltungsakten (§§ 118 ff. AO) sowie die Steuerfestsetzung (§§ 155 ff. AO) gelten. Zu den Einzelheiten s. Anh. Rz. 5 f.

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Eine eigene Fälligkeitsregelung trifft § 41 Abs. 1 InsO für das Insolvenzverfahren. Hiernach gelten auch nach dem einschlägigen materiellen Recht nicht fällige Forderungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners als fällig. Wird über das Vermögen des Grunderwerbsteuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und stellt die Grunderwerbsteuerschuld eine Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO dar, gilt diese gem. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 41 Abs. 1 InsO als fällig. Diese Regelung geht dem § 15 GrEStG vor, wenn die Insolvenzforderung nicht bereits vor der Insolvenzeröffnung fällig geworden ist. Insbesondere auf die Fälligkeitsregelung des § 15 Satz 1 GrEStG kommt es dann also nicht an, weil die in diesem Zeitpunkt entstandene, noch nicht festgesetzte Grunderwerbsteuerforderung fällig wird, ohne dass es dafür ihrer Festsetzung durch einen Grunderwerbsteuerbescheid oder einer Anmeldung der Forderung zur Tabelle bedürfte, wenn über das Vermögen des Grunderwerbsteuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird.2 Zu den Einzelheiten s. Anh. Rz. 29 ff.

IV. Rechtsentwicklung 13

§ 15 GrEStG entspricht in Wortlaut und Inhalt im Wesentlichen der Vorschrift des § 16 GrEStG 1940.3

1 Siehe z.B. BFH v. 27.2.2007 – VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508 = AO-StB 2007, 231; v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271 = FR 2000, 1295; v. 21.6.1994 – VII R 34/92, BStBl. II 1995, 230 = UR 1995, 105; v. 14.6.2016 – VII R 20/14, AO-StB 2016, 344 = BFH/NV 2016, 167. 2 Vgl. BFH v. 12.6.1975 – V R 42/74, BStBl. II 1975, 755; v. 4.5.2004 – VII R 45/03, BStBl. II 2004, 815 = UR 2005, 31 = AO-StB 2004, 305; v. 31.5.2005 – VII R 71/04, StEd 2005, 2147; BGH v. 6.12.2012 – VII ZR 189/10, DB 2013, 109; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2412. 3 BFH v. 23.2.1977 – II R 102/75, BStBl. II 1977, 436; Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 1; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 1.

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B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer

Rz. 16 § 15

B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer I. Regelmäßige Fälligkeit (Satz 1) Nach § 15 Satz 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer einen Monat nach der Bekanntgabe des 14 Grunderwerbsteuerbescheids i.S.v. § 155 Abs. 1 AO fällig. Nur die wirksame Bekanntgabe des Steuerbescheids nach Maßgabe des § 122 AO führt zur Fälligkeit der Grunderwerbsteuer gem. § 15 Satz 1 AO. Sie ist Voraussetzung für die Wirksamkeit des Steuerbescheids (§ 124 Abs. 1 AO). Demzufolge führen Bekanntgabemängel dazu, dass der Steuerbescheid nicht wirksam wird, so dass die Grunderwerbsteuer nicht fällig wird. Es besteht dann keine Leistungspflicht (s. Rz. 2, 4), so dass z.B. Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig sind, denn die Vollstreckung setzt in jedem Fall einen wirksamen Steuerbescheid voraus (§ 249 Abs. 1 AO). Auch ein nach § 125 Abs. 1 oder Abs. 2 AO nichtiger Steuerbescheid ist nicht wirksam (§ 124 Abs. 3 AO), so dass auch in diesem Fall – ungeachtet einer etwaigen wirksamen Bekanntgabe – die Fälligkeit der Grunderwerbsteuer nicht eintreten kann. Zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten s. Anh. Rz. 6. Die in § 15 Satz 1 GrEStG genannte Monatsfrist berechnet sich nach den allgemeinen Vorschriften des § 108 Abs. 1 und Abs. 3 AO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.

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Der Grunderwerbsteuerbescheid wird am 30.3.2017 erlassen und am gleichen Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben. Er gilt daher gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO grundsätzlich als am dritten Tag, dem 2.4.2017, einem Sonntag, bekannt gegeben. Nach der – kaum überzeugenden und im Widerspruch zur Rspr. des BSG1 und der Verwaltungsgerichte2 sowie des BVerfG3 stehenden – st. Rspr. des BFH4 ist die Bekanntgabe indessen gem. § 108 Abs. 3 AO auf den nächsten Werktag – Montag, den 3.4.2017 – verschoben. Ausgehend vom 3.4.2017 als Tag der Bekanntgabe berechnet sich die Frist des § 15 Satz 1 GrEStG gem. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB ab dem 4.4.2017, denn der Tag in den das für den Fristenlauf maßgebliche Ereignis – die Bekanntgabe – fällt, wird bei der Berechnung nicht mitgerechnet. Die Frist endet gem. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 3.5.2017, einem Mittwoch. Denn das ist der Tag, der seiner Zahl nach dem Tag entspricht, in den die für den Fristanfang maßgebende Bekanntgabe fiel (hier der 3.4.2017). Mit Ablauf des 3.5.2017 ist die Grunderwerbsteuer also fällig.

II. Fälligkeitsbestimmung durch das Finanzamt (Satz 2) 1. Inhalt und Bedeutung der Fälligkeitsbestimmung Gemäß § 15 Satz 2 GrEStG darf das Finanzamt eine längere Zahlungsfrist setzen und somit abweichend von § 15 Satz 1 GrEStG einen für den Steuerpflichtigen günstigeren, späteren Fälligkeitszeitpunkt bestimmen. Eine kürzere Frist als die in § 15 Satz 1 GrEStG ist durch § 15 Satz 2 GrEStG ausdrücklich ausgeschlossen. Die Verlängerung der Zahlungsfrist durch das Finanzamt bewirkt, dass die Fälligkeit selbst hinausgeschoben wird5, wie unzweifelhaft aus dem systematischen Kontext der Norm folgt. Die Fälligkeitsbestimmung hat zur Folge, dass die Wirkungen der Fälligkeit (Rz. 3 ff.), wie etwa die Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) im Fall der Nichtzahlung, erst eintreten, wenn der vom Finanzamt bestimmte Fälligkeitstag abgelaufen ist, nicht bereits einen Monat nach Bekannt1 BSG v. 6.5.2010 – B 14 AS 12/09 R, NJW 2011, 1099 (zu § 37 Abs. 2 SGB X). 2 ZB OVG Lüneburg v. 26.10.2006 – 7 PA 184/06, NVwZ-RR 2007, 78; VGH Bay. v. 23.7.1990 – GrS 1/90, 19 B 88.185, NJW 1991, 1250; VGH BW v. 19.11.1991 – 3 S 2492/91, NVwZ 1992, 799 (jeweils zu § 41 Abs. 2 VwVfG). 3 BVerfG v. 17.12.2002 – 1 BvR 2211/02, DStZ 2003, 273. 4 BFH v. 14.10.2003 – IX R 68/98, BStBl. II 2003, 898; v. 4.11.2003 – IX R 4/01, BFH/NV 2004, 159; v. 17.12.2003 – I R 4/03, BFH/NV 2004, 758; v. 6.10.2004 – IX R 60/03, BFH/NV 2005, 327; v. 11.3.2004 – VII R 13/03, BFH/ NV 2004, 1065; v. 19.11.2009 – IV R 89/06, BFH/NV 2010, 818; v. 30.11.2006 – XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389; v. 5.8.2011 – III B 76/11, BFH/NV 2011, 1845; v. 5.5.2014 – III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186. Der BFH verkennt dabei grundlegend, dass es sich bei der Regelung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht um eine Frist handelt, sondern um die Bestimmung eines Zeitpunkts. § 108 Abs. 3 AO, der nur für Fristen gilt, kann deshalb nicht zur Anwendung gelangen. Zutreffend z.B. Kopp/Ramsauer22, § 41 VwVfG Rz. 42; Engelmann in Schütze9, § 37 SGB X Rz. 30. 5 Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 15.

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§ 15 Rz. 16 Fälligkeit der Steuer gabe des Grunderwerbsteuerbescheids (s. dazu Rz. 14). Denn § 15 Satz 2 GrEStG geht der Regelung des § 15 Satz 1 GrEStG als speziellere Norm vor. 17

Bestimmt das Finanzamt einen späteren Fälligkeitszeitpunkt, so tritt die Fälligkeit der Grunderwerbsteuerforderung abweichend von § 15 Satz 1 GrEStG nicht bereits einen Monat nach Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids ein (Rz. 16). Dies ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit des Grunderwerbsteuerbescheids, mit dem die Grunderwerbsteuerschuld festgesetzt wird. Denn diese richtet sich ausschließlich nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 118 ff., §§ 155 ff. AO, welche durch § 15 Satz 2 GrEStG selbstverständlich nicht berührt werden. Daher ist z.B. für die einmonatige Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO allein die wirksame Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids maßgeblich, mag auch das Finanzamt eine abweichende Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG getroffen haben.1

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Die Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG stellt keine Stundung i.S.v. § 222 AO dar.2 Sie hat zwar denselben Effekt wie die Stundung, nämlich das Hinausschieben der Fälligkeit auf einen späteren, vom gesetzlichen Regelfall (§ 15 Satz 1 GrEStG; vgl. Rz. 14) abweichenden Zeitpunkt, sie ist jedoch eine Bestimmung eigener Art. Zur Stundung s. Rz. 23. Da es sich nicht um eine Stundung handelt, muss die handelnde FinBeh. auch nicht die Zuständigkeitsregelungen für die Stundung, d.h. die an die Wertgrenzen gekoppelten sachlichen Zuständigkeiten für die Entscheidung über einen Stundungsantrag3, einhalten.4 Stundungszinsen (§ 234 AO) können demzufolge bei abweichender Fälligkeitsbestimmung nicht entstehen. Andererseits besteht bei einer Stundung ein Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG, während dies – mangels einer entsprechenden Regelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG – für die abweichende Fälligkeitsbestimmung grundsätzlich nicht gilt (s. § 22 Rz. 53). Die abweichende Fälligkeitsbestimmung ist grundsätzlich nicht antragsgebunden; demgegenüber soll die Stundung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 222 Satz 2 AO).5 In aller Regel dürfte indessen die Fälligkeitsbestimmung auf Antrag des Grunderwerbsteuerschuldners erfolgen. Es empfiehlt sich, einen entsprechenden Antrag vor Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids (vgl. § 15 Satz 1 GrEStG) beim Finanzamt zu stellen, da ansonsten mangels einer Anwendung des § 15 Satz 2 GrEStG die Fälligkeit nach der allgemeineren Regelung des § 15 Satz 1 GrEStG eintritt und die bekannten Folgen auslöst, insbesondere die Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) im Fall der Nichtleistung (s. oben Rz. 3 ff.).

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Die abweichende Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG kann sowohl in dem Grunderwerbsteuerbescheid mit der (erstmaligen) Grunderwerbsteuerfestsetzung vorgenommen werden als auch nachträglich erfolgen.6 § 15 Satz 2 GrEStG enthält insoweit keine Einschränkung. Allerdings unterbricht die (nachträgliche) Fälligkeitsbestimmung nicht die Zahlungsverjährung gem. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO, denn die dort enthaltene abschließende Aufzählung7 enthält keinen Hinweis auf § 15 Satz 2 GrEStG (Rz. 7).Erfolgt die Fälligkeitsbestimmung nachträglich, d.h. später als nach Ablauf eines Monats seit Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids (vgl. § 15 Satz 1 GrEStG), entstehen bis dahin grundsätzlich Säumniszuschläge (§ 240 AO), die aber entfallen, wenn die Verlängerung der Zahlungsfrist rückwirkend erfolgt.8 Unter Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung zur Entstehung von Säumniszuschlägen bei einem Antrag auf Stundung (AEAO Nr. 6 Buchst. a zu § 240), dürfte Folgendes gelten:

1 Vgl. insoweit auch Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 5. 2 Vgl. Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4; vgl. auch Jochum in Wilms/Jochum, § 15 GrEStG Rz. 12. 3 Siehe die gleichlautenden Ländererlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 17.12.2015, BStBl. I 2015, 1079. 4 Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 18. 5 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 15. 6 Vgl. Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 6; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 20. 7 Vgl. BFH v. 24.9.1996 – VII R 31/96, BStBl. II 1997, 8; v. 21.6.2010 – VII R 27/08, BStBl. II 2011, 331 = AO-StB 2010, 264; v. 17.9.2014 – VII R 8/13, AO-StB 2015, 260 = BFH/NV 2015, 4; Heuermann in HHSp, § 231 AO Rz. 12; Loose in T/K, § 231 AO Rz. 8. 8 Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 20; in diesem Sinne wohl auch Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 6; Jochum in Wilms/Jochum, § 15 GrEStG Rz. 14.

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B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer

Rz. 21 § 15

– Wird ein Antrag auf Hinausschieben der Fälligkeit vor der Fälligkeit gem. § 15 Satz 1 GrEStG beantragt, aber erst nach Fälligkeit bewilligt, so ist die Verlängerung der Zahlungsfrist mit Wirkung vom Fälligkeitstag an auszusprechen. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist vom neuen Fälligkeitstag an zu gewähren. – Wird ein Antrag auf Hinausschieben der Fälligkeit vor Fälligkeit beantragt, aber erst nach Fälligkeit abgelehnt, so kann im Allgemeinen eine Frist zur Zahlung der rückständigen Steuern bewilligt werden. Diese Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist vom Ende der Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf der Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben. – Wird ein Antrag auf Hinausschieben der Fälligkeit nach Eintritt der Fälligkeit (§ 15 Satz 2 GrEStG) beantragt und bewilligt, so ist die Verlängerung der Zahlungsfrist vom Eingangstag des Antrags an auszusprechen, sofern nicht besondere Gründe eine Stundung schon vom Fälligkeitstag an rechtfertigen. Bereits entstandene Säumniszuschläge sind in die entsprechende Verfügung einzubeziehen. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist zu gewähren. – Wird ein Antrag auf Hinausschieben der Fälligkeit nach Eintritt der Fälligkeit (§ 15 Satz 2 GrEStG) beantragt und abgelehnt, so verbleibt es bei dem ursprünglichen Fälligkeitstag (ein Monat nach Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids gem. § 15 Satz 1 GrEStG), sofern nicht besondere Gründe eine Frist zur Zahlung der rückständigen Steuern rechtfertigen. Die Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist vom Ende der Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf der Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben. – Wird bei Bestimmung der Fälligkeit erst nach Ablauf der Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) gezahlt, sind Säumniszuschläge vom Ablauf des neuen Fälligkeitstages an zu berechnen. Wird im Falle der Ablehnung einer neuen Fälligkeit die eingeräumte Zahlungsfrist (zzgl. der Schonfrist nach § 240 Abs. 3 AO) nicht eingehalten, sind Säumniszuschläge vom Ablauf des ursprünglichen Fälligkeitstages an zu berechnen. 2. Ermessensentscheidung Die Entscheidung über die Bestimmung einer von § 15 Satz 1 GrEStG abweichenden Fälligkeit steht im pflichtgemäßen Ermessen der FinBeh., das diese nach Maßgabe des § 5 AO ohne Ermessensfehler auszuüben hat.1 Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf die Bestimmung einer Zahlungsfrist durch das Finanzamt nach § 15 Satz 2 GrEStG, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Anspruch auf Verlängerung der Zahlungsfrist aus § 15 Satz 2 GrEStG besteht ausnahmsweise dann, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls eine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, wenn also die Verlängerung der Zahlungsfrist die einzige rechtmäßige Rechtsfolge darstellt, welche die FinBeh. wählen kann.

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Maßgebliche Ermessenserwägungen können z.B. folgende sein: – Hat sich der Erwerber im Kaufvertrag ein Rücktrittsrecht vorbehalten, falls die mit dem Verkäufer vereinbarte Schuldübernahme von den Gläubigern nicht genehmigt würde, so ist dies weder für sich allein noch im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die zu übernehmenden Schulden einen hohen Betrag ausmachen, eine Besonderheit, die das Finanzamt veranlassen muss, gem. § 15 Satz 2 GrEStG eine abweichende Fälligkeit der Grunderwerbsteuer zu bestimmen.2 – Der Steuerpflichtige hat seinen Sitz oder Wohnsitz im Ausland, so dass mit längeren Postlauf- und Überweisungszeiten zu rechnen ist.3 – Die Auszahlung von fest eingeplanten und bei Abschluss des Vertrages auch zugesicherten Finanzierungsmitteln verzögert sich durch später eintretende Umstände unvorhersehbar.4

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1 Vgl. Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4. 2 BFH v. 23.2.1977 – II R 102/75, BStBl. II 1977, 436. 3 OFD Hannover v. 2.5.2007 – S 4537-8-StO 262, DStR 2007, 1082; OFD Magdeburg v. 25.1.2001 – S 4537-1-St 333, juris; Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4. 4 OFD Hannover v. 2.5.2007 – S 4537-8-StO 262, DStR 2007, 1082; OFD Magdeburg v. 25.1.2001 – S 4537-1-St 333, juris; Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4.

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§ 15 Rz. 21 Fälligkeit der Steuer – Es treten Umstände ein, die eine Vertragsaufhebung mit der Folge der Anwendung des § 16 GrEStG begründen.1 – Der Steuerpflichtige hat bereits einen Stundungsantrag (§ 222 AO) gestellt.2 Dabei ist zu beachten, dass die Zahlungsfristverlängerung nach § 15 Satz 2 AO gegenüber der Stundung das den Steuerpflichtigen weniger belastende Mittel ist, da keine Stundungszinsen gem. § 234 AO anfallen.3 3. Rechtsschutz 22

Gegen die Ablehnung der Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 AO) gegeben. Denn mit seinem auf § 15 Satz 2 GrEStG gestützten Antrag und dem Einspruch gegen die Ablehnung begehrt der Steuerpflichtige den Erlass eines (sonstigen) Steuerverwaltungsakts (§ 118 Satz 1 AO), so dass mit dem Einspruch ein Verpflichtungsbegehren verfolgt wird. Im Fall der Zurückweisung des Einspruchs ist das Begehren vor dem Finanzgerichtmit der Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 2 FGO) weiterzuverfolgen. Dabei ist bei der Formulierung des Klageantrags neben § 101 FGO insbesondere auch § 102 Satz 1 FGO zu beachten. Das Finanzgericht überprüft die Ermessensentscheidung der FinBeh. nur darauf, ob Ermessensfehler vorliegen.4 Einen Anspruch auf Erlass der Fälligkeitsbestimmung hat der Steuerpflichtige nur ausnahmsweise, wenn ein Fall der Ermessensreduzierung auf null vorliegt (Rz. 20). Begehrt er gleichwohl mit der Verpflichtungsklage den Erlass der Fälligkeitsbestimmung, riskiert er ein Teilunterliegen mit der entsprechenden Kostenfolge aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Daher empfiehlt es sich, den Klageantrag darauf zu richten, dass der Beklagte (das Finanzamt) unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung verpflichtet wird, über den Antrag auf Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

III. Hinausschieben der Fälligkeit 1. Stundung der festgesetzten Grunderwerbsteuerschuld (§ 222 AO) 23

Gemäß § 222 Satz 1 AO können die FinBeh. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung betrifft das steuerliche Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) und soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung (§§ 241 ff. AO) gewährt werden (§ 222 Satz 2 AO). Nach dieser Maßgabe können auch Grunderwerbsteueransprüche gestundet werden. Die Stundung erfolgt durch Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 AO), die sog. Stundungsverfügung. Die Stundung bewirkt das Hinausschieben der Fälligkeit, also eine Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts auf einen späteren Zeitpunkt als denjenigen, der sich nach § 15 Satz 1 GrEStG, ggf. auch § 15 Satz 2 GrEStG ergibt.

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Die Stundung (§ 222 Satz 1 AO) hat letztlich dieselbe Wirkung wie die Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG, nämlich das Hinausschieben der Fälligkeit auf einen späteren, vom gesetzlichen Regelfall (§ 15 Satz 1 GrEStG; vgl. Rz. 14) abweichenden Zeitpunkt (Rz. 18). Allerdings handelt es sich bei der Stundung und der Fälligkeitsbestimmung um voneinander zu unterscheidende Maßnahmen. Zur Abgrenzung von Stundung und Fälligkeitsbestimmung s. Rz. 18 f. Wird die Stundung gewährt, entstehen folglich keine Säumniszuschläge, (§ 240 AO), allerdings werden Stundungszinsen (§ 234 Abs. 1 Satz 1 AO) erhoben. Aufgrund der Stundung ist es der FinBeh. verwehrt, den Grunderwerbsteuerbescheid zu vollstrecken (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO) oder mit ihm aufzurechnen (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 BGB). Die Stundung führt – anders als die Fälligkeitsbestimmung nach § 15 Satz 2 GrEStG (Rz. 7, 19) – zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung (§ 231 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO). Außerdem besteht bei einer Stundung ein Anspruch Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG (Rz. 18), während dies – mangels einer entspre1 OFD Hannover v. 2.5.2007 – S 4537-8-StO 262, DStR 2007, 1082; OFD Magdeburg v. 25.1.2001 – S 4537-1-St 333, juris; Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 15. 2 Vgl. OFD Hannover v. 23.3.1993 – S 4540-9-StH 334, S 4540-5-StO 411, juris. 3 OFD Magdeburg v. 25.1.2001 – S 4537-1-St 333, juris. 4 Siehe dazu z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 5 AO Rz. 33 ff.

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B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer

Rz. 27 § 15

chenden Regelung in § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG – für die abweichende Fälligkeitsbestimmung grundsätzlich nicht gilt (s. § 22 Rz. 53). Wesentliche Voraussetzung für die Gewährung der Stundung für eine Grunderwerbsteuerschuld ist, 25 dass die Einziehung bei Fälligkeit (§ 15 Satz 1 GrEStG; Rz. 14 f.) eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde. Generell liegt eine erhebliche Härte vor, wenn der Grunderwerbsteuerschuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Grunderwerbsteuer zu entrichten, und es aus persönlichen oder sachlichen Gründen unbillig erscheint, die Grunderwerbsteuerschuld zu diesem Zeitpunkt einzuziehen.1 Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Steuerpflichtige zum Fälligkeitszeitpunkt weder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde über die erforderlichen Mittel verfügt noch in der Lage ist, sich diese Mittel auf zumutbare Weise zu beschaffen.2 Es muss sich um eine momentane Härte handeln, wobei es auf die konkrete Situation im Zeitpunkt der Einziehung ankommt.3 „Im Augenblick der Einziehung muss die Besteuerung als solche gerecht, die Einziehung aber ungerecht sein.“4 Da das Merkmal „erhebliche Härte“ den Tatbestand des § 222 Satz 1 AO betrifft, ist es gerichtlich vollumfänglich überprüfbar; die Beschränkungen des § 114 Satz 1 FGO gelten hierfür (selbstverständlich) nicht. Bei der Prüfung, ob eine erheblichen Härte i.S.v. § 222 AO vorliegt, hat die FinBeh. zwischen dem Interesse des Steuergläubigers an einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung und dem Interesse des Steuerpflichtigen an einem Aufschub der Fälligkeit der Steuerzahlung abzuwägen.5 Bei der Grunderwerbsteuer ist zu beachten, dass diese grundsätzlich einen von vornherein kalkulierbaren Kostenfaktor darstellt6 und üblicherweise bei der Finanzierung eines Grundstückserwerbs als Bestandteil der Erwerbsnebenkosten in die Planung mit einbezogen wird. Der Steuerpflichtige muss sich daher im Regelfall auf die fristgemäße Zahlung der Grunderwerbsteuer einrichten7, so dass eine Stundung der Grunderwerbsteuer im Regelfall nicht in Betracht kommen dürfte. Die Stundung setzt die Stundungswürdigkeit des Steuerpflichtigen voraus; diese ist nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige seine mangelnde Leistungsfähigkeit weder selbst herbeigeführt noch durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat.8 Umgekehrt führt ein steuerliches Fehlverhalten (z.B. vorwerfbare unpünktliche Steuerzahlung) zur Stundungsunwürdigkeit und zur Ablehnung des Stundungsantrags. Dabei muss die FinBeh. im Verwaltungsverfahren betreffend die Gewährung der Stundung ermitteln, warum der Steuerschuldner die Grunderwerbsteuer nicht in die Finanzierung des Erwerbs einbezogen hat.9

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Die sog. technische Stundung (Verrechnungsstundung, Überbrückungsstundung) ist ein Unterfall der Stundung nach § 222 Satz 1 AO.10 Sie beruht auf der Erwägung, dass die Einziehung der Grunderwerbsteuer eine erhebliche Härte bedeuten kann, wenn dem Steuerschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) zusteht, mit dem die Steuerschuld verrechnet werden kann.11 Der BFH leitet dies aus dem allgemeinen, aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ ab.12 Eine technische Stundung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige seine Pflichten im Zusammenhang mit der Entstehung des Gegenanspruchs vollständig erfüllt hat.13 Fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Stundungs-

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1 Vgl. z.B. von Groll in HHSp, § 222 AO Rz. 123; vgl. auch BFH v. 10.3.1981 – VIII R 146/77, juris; v. 2.3.1983 – I R 192/77, juris. 2 BFH v. 19.3.1981 – IV R 59/77, juris; v. 22.4.1988 – III R 269/84, BFH/NV 1989, 428. 3 BFH v. 10.10.1994 – X B 9/94, BFH/NV 1995, 472. 4 BFH v. 10.10.1994 – X B 9/94, BFH/NV 1995, 472 unter Hinweis auf die frühere Kommentierung von Kruse in T/K, § 222 AO Rz. 5 (nunmehr Loose in T/K, § 222 AO Rz. 23). 5 BFH v. 30.5.1990 – I R 115/86, BFH/NV 1990, 757. 6 Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 19; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 32. 7 BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649; Pahlke6, § 15 GrEStG Rz. 19; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 32. 8 BFH v. 1.7.1998 – IV B 7/98, BFH/NV 1999, 12. 9 FG Thür. v. 5.6.2000 – I 419/00, EFG 2000, 910. 10 BFH v. 24.3.1998 – I R 120/97, BStBl. II 1999, 3 = FR 1998, 962. 11 BFH v. 12.6.1996 – II R 71/94, BFH/NV 1996, 873; FG Nds. v. 12.1.1999 – VII (III) 346/96, juris. 12 Vgl. z.B. BFH v. 29.11.1984 – V B 44/84, BStBl. II 1985, 194 = UR 1985, 90 m. Anm. Weiss; v. 30.5.1990 – I R 115/86, BFH/NV 1990, 757; v. 24.3.1998 – I R 120/97, BStBl. II 1999, 3 = FR 1998, 962. 13 FG Nds. v. 12.1.1999 – VII (III) 346/96, juris.

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§ 15 Rz. 27 Fälligkeit der Steuer antrag an zureichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Abgabenrückstand mit Erstattungsansprüchen verrechnet werden kann, die hierfür mit großer Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen werden, ist die Ablehnung der Stundung nicht rechtswidrig.1 Entsprechendes gilt für die Tilgung der Steuerschulden aus dem Erlös eines Grundstücksverkaufs.2 28

Die Gewährung der Stundung steht im Ermessen der FinBeh.3, welches sie nach Maßgabe des § 5 AO pflichtgemäß und frei von Ermessensfehlern auszuüben hat. Die Ermessensentscheidung des Finanzamts ist gem. § 114 Satz 1 FGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich lediglich darauf, ob die behördliche Entscheidung Ermessensfehler aufweist. Die FinBeh. handelt z.B. ermessensfehlerfrei, wenn sie den Stundungsantrag eines Steuerpflichtigen, der bereits eine eidesstattliche Versicherung (§ 284 AO, §§ 802c ff. ZPO) abgegeben hat und vorgibt, keine Ratenzahlungen leisten zu können, mit der Begründung ablehnen, der Steueranspruch sei wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen gefährdet.4 Welche FinBeh. über den Stundungsantrag zu entscheiden hat, richtet sich nach den Zuständigkeitsregelungen der FinVerw., die an die Höhe der Stundungsbeträge gekoppelt sind (Rz. 18).5 2. Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO)

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Nach § 361 Abs. 1 AO und § 69 Abs. 1 AO haben Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 AO) und Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO) keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, der angefochtene Steuerbescheid ist trotz eingelegtem Rechtsbehelf nach wie vor vollziehbar. Wird demgegenüber die Aussetzung der Vollziehung – je nach Verfahrensstadium gem. § 361 Abs. 2 AO oder nach § 69 Abs. 2 oder Abs. 3 FGO – gewährt, wird damit die aufschiebende Wirkung des betreffenden Rechtsbehelfs hergestellt, d.h., es ist der FinBeh. jegliches Gebrauchmachen vom materiellen Inhalt des angefochtenen Steuerbescheids untersagt.6 Für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung kann die FinBeh. den Grunderwerbsteueranspruch demnach nicht durchsetzen, und die grundsätzliche Leistungspflicht des Grunderwerbsteuerschuldners ist suspendiert. Säumniszuschläge (§ 240 AO) fallen daher in dem Zeitraum der Vollziehungsaussetzung nicht an7, es sind jedoch u.U. Aussetzungszinsen nach Maßgabe des § 237 AO festzusetzen. Die Aussetzung der Vollziehung des den Erwerbsvorgang betreffenden Grunderwerbsteuerbescheides erzeugt in gleicher Weise einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung aus § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG wie die Stundung der festgesetzten Steuer (Rz. 24; § 22 Rz. 52 ff.).8

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Ob die Aussetzung der Vollziehung ein Hinausschieben der Fälligkeit bewirkt, ist streitig: Der BFH vertritt die Auffassung, die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids beseitige nicht die Fälligkeit der mit diesem festgesetzten Steuerforderung9, sondern hindere nur dessen Vollziehbarkeit. Demgegenüber schiebt die Aussetzung der Vollziehung nach einer beachtlichen Meinung in der Lit. die Fälligkeit des Anspruchs hinaus.10 Letztlich kann dahinstehen, welcher der beiden Auffassungen

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10

BFH v. 21.1.1982 – VIII B 94/79, BStBl. II 1982, 307; v. 7.11.1984 – II S 11/84, juris. BFH v. 7.11.1984 – II S 11/84, juris. Vgl. z.B. BFH v. 21.1.1982 – VIII B 94/79, BStBl. II 1982, 307. FG Nds. v. 20.7.1989 – II 412/86, juris. Siehe die Gleichlautenden Ländererlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 17.12.2015, BStBl. I 2015, 1079. Grundlegend BFH v. 3.7.1995 – GrS 3/93, BStBl. II 1995, 730 = FR 1995, 706 m. Anm. Groh; vgl. z.B. auch Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 69 FGO Rz. 24. Vgl. z.B. BFH v. 9.2.1988 – VII R 62/86, BFH/NV 1988, 752. BFH v. 31.7.1985 – II R 76/83, BStBl. II 1985, 698; v. 10.8.1988 – II R 228/85, BFH/NV 1989, 666. BFH v. 17.9.1987 – VII R 50/86, VII R 51/86, BStBl. II 1988, 366; v. 9.2.1988 – VII R 62/86, BFH/NV 1988, 752; v. 25.4.1989 – VII R 36/87, BStBl. II 1990, 352; offengelassen BFH v. 31.8.1995 – VII R 58/94, BStBl. II 1996, 55; s. auch BVerwG v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, BVerwGE 66, 218; gl.A. Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 16; Fritsch in Koenig4, § 222 AO Rz. 12; Schindler in Gosch, § 220 AO Rz. 15. Siehe z.B. Alber in HHSp, § 220 AO Rz. 82; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt22, § 220 AO Rz. 7; Loose in T/K, § 220 AO Rz. 16; ferner Klüger in Koenig4, § 220 AO Rz. 13.

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B. Fälligkeit der Grunderwerbsteuer

Rz. 32 § 15

der Vorzug zu geben ist, denn jedenfalls unterscheidet sich die Aussetzung der Vollziehung in ihrer Wirkung nicht von einem förmlichen Hinausschieben der Fälligkeit.1 3. Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen 31 einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben (§ 258 AO). Die Vollstreckung ist i.S.d. § 258 AO unbillig, wenn die Vollstreckung oder einzelne Vollstreckungsmaßnahmen dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil brächten, der durch kurzfristiges Zuwarten oder eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden kann.2 Dabei begründen Nachteile und etwaige Härten, die üblicherweise mit jeder Vollstreckungsmaßnahme verbunden sind und die jeden Vollstreckungsschuldner treffen, für sich allein noch keine Unbilligkeit der Vollstreckung. Dies gilt auch für den Fall, dass die Ablehnung des Vollstreckungsaufschubes die Gefahr einer Insolvenz erhöht oder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nach sich zieht.3 Ein Vollstreckungsaufschub hindert nicht die Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO)4 und lässt die Fälligkeit unberührt.5 Ist ein Erlassantrag oder Stundungsantrag gestellt worden, so sind Vollstreckungsmaßnahmen nur 32 dann unbillig, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der beantragten Stundung zu rechnen ist.6 Umgekehrt gilt dies aber nicht: Sachliche Unbilligkeit i.S.d. § 227 AO lässt sich nicht aus dem Umstand herleiten, dass das Finanzamt auf Wunsch des Vollstreckungsschuldners zunächst auf die vorübergehende Einziehung der gepfändeten Forderungen verzichtet und insoweit einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO gewährt hat. Denn Maßnahmen des Vollstreckungsaufschubs, mit denen die Vollstreckungsbehörde lediglich auf einzelne Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet, lassen die Steuerforderungen und damit auch deren Fälligkeit unberührt (Rz. 30). Der Vollstreckungsaufschub ist regelmäßig kein Grund für einen teilweisen Erlass wegen sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit, da Vollstreckungsschutz bereits bei einer vorübergehenden Notlage zu gewähren ist, die nicht die Einziehung der Forderung, sondern lediglich die Art und Weise sowie den Umfang oder den Zeitpunkt ihrer Vollstreckung als unbillig erscheinen lässt.7 Der Vollstreckungsaufschub ist immer nur eine Maßnahme zur Berücksichtigung einer vorübergehenden Unbilligkeit, während ein Erlass nach § 227 AO voraussetzt, dass die Einziehung des betreffenden Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis dauerhaft unbillig ist.8

1 Zutreffend Schindler in Gosch, § 220 AO Rz. 15; ebenso Klüger in Koenig4, § 220 AO Rz. 13. 2 Vgl. z.B. BFH v. 15.1.2003 – V S 17/02, BFH/NV 2003, 738; v. 18.11.2010 – XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt22, § 258 AO Rz. 6. 3 BFH v. 31.5.2005 – VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743. 4 BFH v. 27.1.1982 – II R 79/80, juris; v. 14.5.1987 – X R 26/81, BFH/NV 1988, 411; v. 13.9.1989 – I R 76/84, juris. 5 BFH v. 15.3.1979 – IV R 174/78, BStBl. II 1979, 429; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt22, § 220 AO Rz. 4. 6 BFH v. 15.1.2003 – V S 17/02, BFH/NV 2003, 738. 7 BFH v. 14.5.1987 – X R 26/81, BFH/NV 1988, 411; v. 10.3.2016 – III R 2/15, AO-StB 2016, 184 = BFH/NV 2016, 1082. 8 Bartone, AO-StB 2016, 224 (226).

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Sechster Abschnitt Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (§ 16)

§ 16 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (1) Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, 1. wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet; 2. wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird. (2) Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, 1. 1wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. 2Ist für den Rückerwerb eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich, so muss innerhalb der Frist die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch beantragt werden; 2. wenn das dem Erwerbsvorgang zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist; 3. wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird. (3) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, 1. wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet; 2. wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund des § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird. (4) Tritt ein Ereignis ein, das nach den Absätzen 1 bis 3 die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 der Abgabenordnung) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses. (5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn einer der in § 1 Absatz 2 bis 3a bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war. A. I. II. III. IV. V. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrechtliche Berücksichtigung der Ansprüche nach § 16 GrEStG I. Allgemeine Verfahrensfragen 1. Anspruchsentstehung . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. .

1 3 4 6 7

2. Form des Antrags . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . 4. Antrag durch Insolvenzverwalter und Sicherungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . 5. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 6. Rückforderung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweislast und Mitwirkungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 12 14 15 16 17

9

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761

§ 16 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung II. Zeitpunkt der Anspruchsentstehung 1. Anspruchsentstehung vor Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Anspruchsentstehung nach Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Ansprüche und Rechtsbehelfsverfahren . . 21.1 IV. Antrag und Klageverfahren 1. Statthafte Klageart . . . . . . . . . . . . . 22 2. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 V. Festsetzungsverjährung . . . . . . . . . . . 26 C. Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer aufgrund einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor bzw. nach Eigentumsübergang (Abs. 1 und Abs. 2) I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Anwendung auf auflösend bedingte Erwerbsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Anwendung des § 16 GrEStG auf einzelne Tatbestände a) Anwendung der Abs. 1 und Abs. 2 auf die Zwischenerwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG . . 32 b) Anwendung von Abs. 1 und Abs. 2 auf die Ersatztatbestände aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 33 bb) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2 . . . 37 cc) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2a . . 38 dd) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2b . . 39 ee) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 3 . . . 40 ff) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 3 . . . 41 II. Abgrenzung Abs. 1 zu Abs. 2 . . . . . . . . 42 III. Rechtsfolgen der Abs. 1 und 2 1. Allgemeine Rechtsfolgen . . . . . . . . . . 45 2. Folgen einer Nichtanerkennung von Rückgängigmachung/Rückerwerb . . . . 46 IV. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor Eigentumsübergang (Abs. 1) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Abgrenzung Nr. 1 zu Nr. 2 . . . . . . . . 52 3. Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren im gegenseitigen Einvernehmen (Abs. 1 Nr. 1) a) Zweijahresfrist . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Zivilrechtliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs . . . . . . . . . . 55 c) Vollständige Rückgängigmachung . . 58 d) Wirtschaftliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs . . . . . . . . . . 60 e) Wegfall sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag 62

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f) (Keine) Berücksichtigung der Interessen des ursprünglichen Erwerbers bei der Weiterveräußerung durch den Veräußerer . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwertungsmöglichkeit einer Rechtsposition . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliche Verwertung der Rechtsposition . . . . . . . . . . . cc) Eigenes (wirtschaftliches) Interesse des Erwerbers an der Weiterveräußerung . . . . . . . . . . . . dd) Sonderfall: Die Rückgängigmachung bei Beteiligung Dritter . . 4. Rückgängigmachung aufgrund Rechtsanspruchs (Abs. 1 Nr. 2) a) Gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht . . . . . . . . . . b) Rechtsanspruch aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Ansprüche . . . . . . (1) Rücktritt wegen Nichterfüllung . (2) Rücktritt wegen Unmöglichkeit . (3) Rückabwicklung wegen Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . (4) Rückabwicklung aus Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . cc) Vertragliche Ansprüche . . . . . . dd) Rückgängigmachung „auf Grund eines Rechtsanspruchs“ . . . . . . V. Rückgängigmachung nach Eigentumsübergang/Rückerwerb durch den Veräußerer (Abs. 2) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des Abs. 2 bei Sicherungsmitteln . . . . . . . . . . . . . 3. Rückerwerb des Eigentums . . . . . . . 4. Tatsächlicher Rückerwerb . . . . . . . . 5. Identität der Beteiligten . . . . . . . . . 6. Identität des Grundstücks . . . . . . . . 7. Unmittelbarkeit des Rückerwerbs . . . . 8. Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rückerwerb des Eigentums wegen Nichtigkeit des dem Erwerbsvorgang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts (Abs. 2 Nr. 2) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs Zivilrecht – Trennungs- und Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . c) Nichtigkeit des dem Erwerbsvorgang zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Rückerwerb wegen Rückgängigmachung aufgrund Rechtsanspruchs (Abs. 2 Nr. 3) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsbedingungen . . . . . . . . . d) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . .

66 69 76 77 82

83 85 86 87 88 89 90 91 94

97 99 101 102 108 113 115 120

128 129 130

134 138 139 141

A. Grundaussagen der Vorschrift D. I. II. III.

Herabsetzung der Gegenleistung (Abs. 3) Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Anforderungen 1. Rechtliche und tatsächliche Herabsetzung der Gegenleistung . . . . . . . . . . 2. Herabsetzung der Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren (Abs. 3 Nr. 1) . . .

. 142 . 148

. 149 . 151

Rz. 2 § 16

3. Herabsetzung der Gegenleistung wegen Minderung der Kaufpreisforderung (Abs. 3 Nr. 2) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Einheitliches Vertragswerk . . . . . . . 159 E. Modifizierte Ablaufhemmung (Abs. 4) . . . 166 F. Konsequenzen verletzter Anzeigepflichten bei Ersatztatbeständen (Abs. 5) . . . . . . . 167

Literatur: Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen der Ausübung eines Miterbenvorkaufsrechts- Zugleich Anmerkungen zum Urteil des BFH v. 9.7.2014 – II R 50/12, DNotZ 2015, 84; Gottwald, Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer in der Grunderwerbsteuerlichen Veräußerungsanzeige, DNotZ 2011, 83; Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten in den Fällen des § 1 Absatz 2a und § 1 Absatz 3 GrEStG – zugleich Anmerkung zum Beschluss des BFH vom 20.1.2005, AZ. II B 52/04, MittBayNot 2005, 378; Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten in den Fällen des § 1 Absatz 2 a und § 1 Absatz 3 GrEStG, UVR 2005, 334; Burmiller, Die Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs nach § 16 GrEStG – Auf Gestaltungssicherheit achten, SteuK 2014, 423; Behrens, Anmerkungen zum gleichlautenden Länder-Erlass zu § 1 Absatz 2a GrEStG vom 18.2.2014, DStR 2014, 1526; Behrens, Anmerkungen zum koordinierten Länder-Erlass zu § 1 Absatz 2a GrEStG vom 25.2.2010, DStR 2010, 777; Behrens, Zur Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen i.S. § 1 Absatz 2a GrEStG nach § 16 GrEStG, DStR 2009, 1611; Behrens, Zur Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen i.S. von § 1 Absatz 2a GrEStG gemäß § 16 GrEStG, DStR 2009, 1611; Heine, Rückabwicklung von Anteilsvereinigungen und Anteilsübertragungen nach § 16 Grunderwerbsteuergesetz, GmbHR 2001, 365; List, Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs in den Fällen des § 16 Absatz 1 GrEStG unter zivilrechtlichen Aspekten, DStR 2000, 1161; Mayer, Rückabwicklung von Kaufverträgen – Grunderwerbsteuerfalle beim Share Deal, DB 2009, 1495; Podewils, Zur Behandlung gezahlter Grunderwerbsteuer bei der Rückabwicklung von Immobilienkaufverträgen, DStR 2012, 972; Reich, Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs, ZNotP 2003, 428; Schuhmann, Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs und Grunderwerbsteuerpflicht, ZfIR 1999, 503; Siebert, Die Freigabe sicherungsübereigneter Gebäude im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2007, 2198; Vettermann, Möglichkeiten nachträglicher Anpassung der Grunderwerbsteuer in Immobilientransaktionen, DStR 2017, 1518; Wohltmann, Verfahrensrechtliche Probleme bei Rückabwicklungen nach § 16 GrEStG, UVR 2008, 344.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Bei § 16 GrEStG handelt es sich um eine spezialgesetzliche Korrekturvorschrift i.S.d. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d Halbs. 1 AO, die neben den allgemeinen Korrekturvorschriften der AO gilt.1 Die Anwendung des § 131 AO über den Widerruf ist danach ausgeschlossen.2 § 16 GrEStG befreit nicht alle Fälle eines fehlgeschlagenen Erwerbsvorgangs von der Grunderwerbsteuer. Im Anwendungsbereich der Vorschrift geht § 16 GrEStG den Regelungen der AO vor, da die Vorschrift als speziellere die allgemeineren AO-Vorschriften verdrängt. § 16 GrEStG ermöglicht lediglich, spätere Veränderungen des Erwerbsvorgangs nachzuvollziehen. Die Voraussetzungen dieser Veränderungen sind allein Sache des Zivilrechts.

1

Zugunsten des Erwerbers als primärem Steuerschuldner berücksichtigt § 16 GrEStG das Scheitern 2 des Erwerbsvorgangs bzw. die Herabsetzung der Gegenleistung. Dies entspricht dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer. Eine Belastung mit Grunderwerbsteuer soll nur erfolgen, wenn das Grundstück übertragen wurde und es zumindest in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auch dabei bleibt. Die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor Übergang des Eigentums auf den Erwerber wird von Abs. 1 geregelt. 1 BFH v. 17.4.2000 – II B 120/00, BFH/NV 2002, 1170. 2 Die Auffassung von Barandt, DStZ 1983, 429, der den Aufhebungsbescheid als Widerrufsbescheid ansehen wollte, ist mittlerweile durch die Rechtsprechung des BFH überholt und wird soweit ersichtlich nicht mehr vertreten.

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§ 16 Rz. 2 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Abs. 2 erfasst den Rückerwerb des Eigentums vom Veräußerer durch den Erwerber nach Eigentumsübergang. In Abs. 3 wird der Fall der nachträglichen Herabsetzung der Gegenleistung geregelt. Bei Abs. 4 handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Regelung, die eine von der AO abweichende Festsetzungsfrist enthält. Nach Abs. 5 kommen § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht zur Anwendung, wenn eine Anzeige nach §§ 18, 19 GrEStG in Fällen des § 1 Abs. 2, 2a oder 3 GrEStG nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

II. Bedeutung und Telos 3

§ 16 GrEStG hat in der Praxis eine hohe Bedeutung. Ohne die Norm würde bei einem gescheiterten Erwerbsvorgang die Belastung mit Grunderwerbsteuer bestehen bleiben (Abs. 1) bzw. bei einem Rückerwerb (Abs. 2) sogar ein zweites Mal anfallen. Im Regelfall kommt eine Nichtbesteuerung, Verringerung der Steuerlast oder Aufhebung eines Steuerbescheides in Betracht, wenn die Parteien innerhalb von zwei Jahren vom Erwerbsvorgang Abstand nehmen, das Rechtsgeschäft von Anfang an nichtig ist oder aufgrund eines Anspruchs rückabgewickelt wird. Der Rechtsanwender sollte insbesondere in folgenden Situationen überprüfen, ob § 16 GrEStG anwendbar ist: – Rückabwicklung aufgrund eines Rücktrittsrechts, – Rückabwicklung aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses der Vertragsparteien, – Durch eine Umstrukturierung fallen Veräußerer und Erwerber später zusammen.

§ 16 Abs. 2 GrEStG nimmt sowohl den ursprünglichen Erwerb als auch den Rückerwerb von der Besteuerung aus, also wird der Erwerbsvorgang „rückwirkend“ so behandelt, als habe er nie stattgefunden. Damit folgt § 16 GrEStG einer wirtschaftlichen Betrachtung. Die zwischenzeitliche zivilrechtliche Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs bleibt unberücksichtigt. Auch eine Verzinsung findet nicht statt, so dass der Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerlich vollständig negiert wird. Die Anforderungen im Rahmen der Prüfung des § 16 sind in den vergangenen Jahren durch Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Rechtsprechung sukzessive verschärft worden. Insbesondere die Anforderungen an eine rechtzeitige und vollständige Anzeige i.S.d. § 16 Abs. 5 stellen für den Steuerpflichtigen ein hohes finanzielles Steuer- und für den beteiligten Berater ein hohes Haftungsrisiko dar. Im Hinblick auf das Haftungsrisiko und die gestiegenen Anforderungen in der Praxis empfiehlt es sich, als steuerlicher oder rechtlicher Berater schon vor Abschluss des Ersterwerbs eine vollständige Anzeige vorzubereiten und das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft um entsprechende Rückabwicklungsklauseln zu ergänzen, die den Anforderungen des § 16 gerecht werden.

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 4

Als spezialgesetzliche Korrekturvorschrift ist § 16 GrEStG insbesondere zu den allgemeinen Korrekturvorschriften der Abgabenordnung abzugrenzen. Die allgemeinen Regelungen der AO sind von der Anwendung nicht vollständig ausgeschlossen1 und kommen insbesondere zur Anwendung, wenn der Erwerbsvorgang von Anfang an nichtig wird bzw. sich eine anfängliche Nichtigkeit später herausstellt, es also von Anfang an keinen Erwerbsvorgang gibt (z.B. in Fällen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB). In diesen Fällen ist die zur Anwendung kommende Korrekturvorschrift § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Für § 16 GrEStG bleibt kein Anwendungsbereich.2 Ob ein Erwerbsvorgang zumindest zeitweise vorlag, bestimmt sich rein objektiv, eine Anerkennung der Nichtigkeit im Vergleichswege genügt hierfür nicht.3 Zusätzlich zur Nichtigkeit setzt der Aufhe1 G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 2. 2 BFH v. 27.1.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425; v. 8.7.2003 – III B 86/02, BFH/NV 2003, 1449; v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. 3 BFH v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 7 § 16

bungsanspruch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO voraus, dass die Beteiligten auch das wirtschaftliche Ergebnis des Erwerbsvorgangs beseitigen (Rechtsgedanke des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO).1 Hierfür ist erforderlich, dass das wirtschaftliche Ergebnis tatsächlich rückgängig gemacht wurde. Der Wille zur Rückgängigmachung reicht hierfür nicht aus.2 Wenn der Erwerbsvorgang nicht tatsächlich beseitigt wurde, das wirtschaftliche Ergebnis also noch fortbesteht, scheitert § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO unabhängig davon, welche Gründe eine Rückgängigmachung verhindern. In diesem Sinne muss die Beseitigung des wirtschaftlichen Erfolgs eine Folge der Nichtigkeit sein und nicht etwa der bloße Vollzug einer weiteren im Vorhinein getroffenen Vereinbarung.3 Allerdings kommt in diesem Fall bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen eine Rückabwicklung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Betracht. Es besteht insofern bei der Anwendung von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf nichtige Erwerbsvorgänge in den Voraussetzungen eine Parallelität zu § 16 GrEStG, denn auch dort wird die vollständige Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs voraussetzt. Dies bedeutet in der Praxis vor allem, dass eine eventuell bestehende Auflassungsvormerkung gelöscht werden muss.

5

IV. Geltungsbereich Zumindest grundsätzlich können alle Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 GrEStG auch Gegenstand einer Rückgängigmachung nach § 16 GrEStG sein. Für § 1 Abs. 1 GrEStG ist dies unkritisch. Für die Tatbestände des § 1 Abs. 2, 2a, 3 und 3a GrEStG ergibt sich dies aus einem Umkehrschluss aus § 16 Abs. 5 GrEStG, der eine Rückgängigmachung für nicht ordnungsgemäß angezeigte Erwerbsvorgänge nach diesen Tatbeständen nicht zulässt.4 Dass die (Ersatz-)Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 7 sowie von Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG sich nicht auf das Eigentum beziehen und sich somit streng genommen nicht unter § 16 GrEStG subsumieren lassen, ändert an diesem Befund nichts. Das Grunderwerbsteuergesetz rekurriert in den jeweiligen Einleitungssätzen mit der Formulierung „das Eigentum am Grundstück“ (Abs. 1) bzw. „das Eigentum an dem veräußerten Grundstück“ (Abs. 2) auf das Sacheigentum am Grundstück, allerdings handelt es sich hierbei nur um eine sprachliche Verknappung, die alle anderen Erwerbsvorgänge sachlich miteinschließt. Auf die anderen Erwerbsvorgänge sind die Vorschriften dennoch entsprechend anzuwenden. Da die Ersatztatbestände von ihrer zivilrechtlichen Struktur aber einige Besonderheiten aufweisen, gelten die jeweiligen Vorschriften des § 16 GrEStG nur entsprechend. Hieraus ergeben sich Besonderheiten bei der Rückgängigmachung der einzelnen Ersatztatbestände (vgl. Rz. 33).

6

V. Rechtsentwicklung § 16 GrEStG geht auf § 17 GrEStG 1959 zurück. 7 Der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 5 GrEStG wurde durch JStG 1997 auf den neuen eigefügten § 1 Abs. 2a GrEStG erweitert. Der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 4 GrEStG wurde durch das StEntlG 1999 ff. mit Wirkung ab 1.1.20005 auf den neu eingefügten § 5 Abs. 3 GrEStG erweitert. Mit Erlass des StÄndG 2001 hat der Gesetzgeber von dieser Änderung durch die Streichung der Worte „oder in den Fällen des § 5 Abs. 3“ wieder Abstand genommen. Damit beschränkt sich die Erweiterung auf Fälle des § 5 Abs. 3 GrEStG auf Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.1.2000 und dem 31.12.20016. In § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist die frühere Angabe „der §§ 459 und 460“ durch die Angabe „des § 437“ mit Wirkung ab dem 27.7.2002 ersetzt worden.

1 2 3 4 5 6

BFH v. 27.7.1990 – III R 119/90, BFH/NV 1997, 61; v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. BFH v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. BFH v. 5.6.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267. So auch BFH v. 11.6.2013 – II R 52/12, BStBl. II 2013, 752; v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 752. Zum Anwendungsbereich s. § 23 Abs. 6 Satz 2. Zum Anwendungsbereich s. § 23 Abs. 7 Satz 1.

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§ 16 Rz. 7 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Für die Zeit zwischen dem 1.1.2008 bis 31.12.2009 ordnete der Gesetzgeber an, dass der neu eingefügte § 6a GrEStG nicht auf die gem. § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG rückgängig gemachten Erwerbsvorgänge Anwendung findet.1 Der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 5 GrEStG wurde durch das AmtshilfeRLUmsG auf neuen Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG ausgedehnt.2 Wegen des rückwirkenden Wegfalls der Steuerpflicht mit der Rückabwicklung wären auch steuerstrafrechtliche Konsequenzen nicht zu befürchten. Um der früheren einschränkenden Rechtsprechung3 entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 25.7.2014 die Norm entsprechend ergänzt.4 8

§ 16 Abs. 5 erfasst ohne Änderung des Wortlauts „§ 1 Absatz 2 bis 3a“ nunmehr auch Fälle des neu geschaffenen § 1 Abs. 2b.

B. Verfahrensrechtliche Berücksichtigung der Ansprüche nach § 16 GrEStG I. Allgemeine Verfahrensfragen 1. Anspruchsentstehung 9

Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gewährt § 16 GrEStG dem Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Nichtfestsetzung (Abs. 1, 2), Aufhebung der Steuerfestsetzung (Abs. 1, 2) oder Herabsetzung der Steuerfestsetzung (Abs. 3). Die Vorschrift hängt nicht vom Ermessen der Verwaltung ab.

10

Bei den in § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG geregelten Ansprüchen handelt es sich um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO. Insofern entsteht der Anspruch, sobald die materiellen Voraussetzungen der Ansprüche nach § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG vorliegen. Verfahrensrechtlich setzt die Vorschrift die Stellung eines Antrags voraus. Der Antrag des Steuerpflichtigen ist als verfahrensrechtliche Voraussetzung nicht Teil der Voraussetzungen des Anspruchs, sondern lediglich ein Verfahrenshindernis.5 2. Form des Antrags

11

Der Antrag ist an keine bestimmte Form gebunden, er kann mündlich, schriftlich oder durch konkludentes Handeln gestellt werden. Legt der Steuerpflichtige Einspruch gegen die Steuerfestsetzung ein, so kann dieser als Antrag nach § 16 GrEStG ausgelegt werden.6 Übersendet der Steuerpflichtige kommentarlos eine Aufhebungsvereinbarung, so soll hierin kein Antrag liegen. Das Finanzamt soll in dieser Situation lediglich nach § 89 AO dazu verpflichtet sein, auf die Stellung eines Antrags hinzuwirken.7 Relevant wird diese Frage nur, wenn die Wertung der bloßen Zusendung des Aufhebungsvertrages als konkludentes Verhalten darüber entscheidet, ob der Steuerpflichtige den Antrag noch in der Festsetzungsfrist gestellt hat. Aus Perspektive des Finanzamts wird man annehmen müssen, dass der Steuerpflichtige mit der Zusendung des Aufhebungsvertrages nicht eine bloße Information übermitteln wollte, sondern auch seinen Willen zum Ausdruck bringt, nicht besteuert werden zu wollen. Insofern ist schon die Zusendung des Aufhebungsvertrages als Antrag nach § 16 GrEStG zu verstehen. 3. Antragsberechtigung

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Bei der Antragsberechtigung ist danach zu differenzieren, ob ein Anspruch geltend gemacht wird, der sich auf einen schon bestehenden Anspruch bezieht oder ein Anspruch auf die abstrakte Steuerschuld. 1 2 3 4 5 6 7

Zum Anwendungsbereich s. § 23 Abs. 8 Satz 2. Zum Anwendungsbereich s. § 23 Abs. 11. BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. Gesetz v. 25.7.2014, BGBl. I 1265. BFH v. 3.5.1973 – II R 37/68, BStBl. II 1973, 709; Bruschke, UVR 1993, 302. BFH v. 16.1.1980 – II R 83/74, BStBl. II 1980, 359; Wohltmann, UVR 2008, 345. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 293.

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B. Verfahrensrechtliche Berücksichtigung der Ansprüche nach § 16 GrEStG

Rz. 18 § 16

Existiert noch kein Steuerbescheid und wird ein Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer geltend gemacht, so ist jeder Steuerschuldner i.S.d. § 13 GrEStG antragsberechtigt. Die Ansprüche auf Aufhebung der Steuerfestsetzung (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) und Herabsetzung der Steuerfestsetzung (§ 16 Abs. 3 GrEStG) können nur vom Adressaten des Steuerbescheides geltend gemacht werden. Schulden mehrere die Grunderwerbsteuer gesamtschuldnerisch und ist eine Steuerfestsetzung nur 13 gegenüber einem Steuerpflichtigen ergangen, so führt dies konsequenterweise dazu, dass für alle Gesamtschuldner, gegen die keine Steuerfestsetzung erfolgt ist, sich nicht gegen den ergangenen Steuerbescheid wenden können. Es kann nur ein Antrag nach § 16 GrEStG gerichtet auf den Anspruch auf Nichtfestsetzung geltend gemacht werden. Jeder Gesamtschuldner, der Adressat eines Steuerbescheids ist, kann dagegen einen Anspruch auf Aufhebung bzw. Herabsetzung der Steuer geltend machen. Das Finanzamt ist in dieser Situation verpflichtet, alle Gesamtschuldner auf etwaige Anträge anderer Gesamtschuldner hinzuweisen (§ 89 Abs. 1 Satz 1 AO). 4. Antrag durch Insolvenzverwalter und Sicherungsgeber Im Insolvenzverfahren geht die Antragsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über, da der Anspruch aus § 16 GrEStG in die Insolvenzmasse fallen kann.1 Ein Sicherungsgeber, insbesondere ein Bürge, kann den Antrag nach § 16 GrEStG nicht stellen.2

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5. Örtliche Zuständigkeit Das für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 1 GrEStG örtlich zuständige Finanzamt ist auch für den Antrag nach § 16 GrEStG zuständig. Liegt ein Fall der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vor, so sind die zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständigen Finanzämter auch für den Antrag nach § 16 GrEStG zuständig.

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6. Rückforderung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung Vor einer Entscheidung über den Antrag nach § 16 Abs. 1 GrEStG fordert die Finanzverwaltung eine nach § 22 GrEStG erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung zurück. Dies soll verhindern, dass der Erwerber bei einer nur vorgetäuschten Rückgängigmachung ins Grundbuch gelangt.3

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7. Beweislast und Mitwirkungsverpflichtung Im Hinblick auf die tatsächlichen Voraussetzungen trifft den Erwerber im Vergleich zur AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht.4 Ihn trifft auch die Feststellungslast (objektive Beweislast).5 Im besonderen Maße gilt das für die Umstände, die für die Beurteilung der Interessenlage der Vertragsparteien relevant sind.

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II. Zeitpunkt der Anspruchsentstehung 1. Anspruchsentstehung vor Steuerfestsetzung Bei den Ansprüchen aus § 16 GrEStG handelt es sich um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, insofern entstehen die Ansprüche, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Verfahrensrechtlich muss nun danach differenziert werden, ob der Tatbestand verwirklicht wurde, bevor oder 1 Zur Aufrechnung durch das Finanzamt gegen den Erstattungsanspruch im Insolvenzverfahren: BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589. 2 BFH v. 27.2.1974 – II 240/65, BStBl. II 1974, 375. 3 OFD Hannover v 23.3.1993 – S 4540 – 9 – StH 334. 4 BFH v. 4.12.1985 – II R 171/84, BStBl. II 1986, 271. 5 BFH v. 4.12.1985 – II R 171/84, BStBl. II 1986, 271.

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18

§ 16 Rz. 18 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nachdem die Steuer festgesetzt wurde. Der Anspruch auf Nichtfestsetzung (Abs. 1 und Abs. 2) entsteht grundsätzlich vor der Steuerfestsetzung, während die Ansprüche auf Aufhebung der Festsetzung (Abs. 1 und Abs. 2) bzw. Änderung der Festsetzung grundsätzlich sich auf den schon bestehenden Steuerbescheid beziehen. 19

Der vor der Steuerfestsetzung entstehende Anspruch auf Nichtfestsetzung aus § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG steht der Steuerfestsetzung materiell-rechtlich als Festsetzungshindernis entgegen. Die Antragsstellung als Verfahrenshindernis ist nicht Teil der Anspruchsentstehung (vgl. Rz. 10). Ist der Anspruch vor Erlass eines Steuerbescheides entstanden, so muss die Finanzverwaltung ganz von einer Steuerfestsetzung absehen (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) bzw. sie von Anfang an niedriger festsetzen (§ 16 Abs. 3 GrEStG). Das Finanzamt muss also schon bei Erlass des Steuerbescheides prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 16 GrEStG vorliegen. Konsequenterweise kann der Steuerpflichtige bei einer Rückgängigmachung vor Erlass des Steuerbescheides auch im Einspruchsverfahren bzw. im Rahmen seiner Anfechtungsklage vortragen, dass eine Steuer von Anfang nicht hätte festgesetzt werden dürfen, da ein Festsetzungshindernis vorlag. Eine dennoch erfolgte (Abs. 1 und 2) bzw. in voller Höhe erfolgte (Abs. 3) Steuerfestsetzung ist rechtswidrig und nach § 172 ff. AO aufzuheben, wobei die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 3 beginnt. 2. Anspruchsentstehung nach Steuerfestsetzung

20

Der erst nach Steuerfestsetzung entstehende Anspruch auf Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung wird im Verfahren der Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt. Über den zu stellenden Antrag wird also losgelöst von der Steuerfestsetzung entschieden. Liegen die Voraussetzungen vor, so muss die Finanzverwaltung einen Aufhebungsbescheid (Abs. 1 und Abs. 2) oder Änderungsbescheid (Abs. 3) erlassen. Stellt sich der Aufhebungs- bzw. Änderungsbescheid später als rechtswidrig heraus, so folgt eine Aufhebung oder Änderung auch den §§ 172 AO.

21

Unabhängig davon, ob der Anspruch vor oder nach der Steuerfestsetzung entstanden ist, muss eine Ablehnung des Antrags durch Ablehnungsbescheid erfolgen. Bei einem Antrag vor Erlass eines Steuerbescheides ergeht der Ablehnungsbescheid zusammen mit Erlass des Steuerbescheides (§ 155 AO),1 anderenfalls als bloße Ablehnung des Antrags. Eine Ablehnung in einem Ablehnungsbescheid ergeht nicht nur bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen, sondern auch, wenn der Antrag nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt wurde oder der Antragsteller nicht antragsbefugt2 ist. Zusätzlich zur Entstehung des Anspruchs muss auch der Antrag nach § 16 GrEStG gestellt werden, das ergibt sich aus der Bindung der Verwaltung an die gestellten Anträge.3 Ist also nur eine Steuerfestsetzung beantragt worden, ohne aber auf die erfolgte Rückabwicklung hinzuweisen und den Antrag nach § 16 GrEStG geltend zu machen, kann die Finanzverwaltung nur über den Anspruch auf Steuerfestsetzung entscheiden. Liegt ein Steuerbescheid vor, so ist im einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung4 statthaft.

III. Ansprüche und Rechtsbehelfsverfahren 21.1

Sowohl gegen einen isolierten Ablehnungsbescheid als auch gegen einen mit einem Steuerbescheid verbundenen Ablehnungsbescheid ist als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO). Gegen einen mit einem Ablehnungsbescheid kombinierten Steuerbescheid ist ein Anfechtungseinspruch statthaft, während gegen einen isolierten Ablehnungsbescheid ein Verpflichtungseinspruch statthaft ist. Wenn ein Steuerbescheid also schon vorliegt, dann richtet sich der Einspruch auf die 1 BFH v. 9.8.1989 – II R 145/86, BStBl. II 1989, 981. 2 BFH v. 6.3.1974 – II R 95/72, BFHE 112, 224: Zu § 17 GrEStG 1940 bei Antragsstellung durch einen Gesellschafter einer KG in Liquidation. 3 So auch Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 325. 4 FG Berlin-Bdb. v. 27.2.2007 – 11 V 1387/06, EFG 2007, 1102; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 324.

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B. Verfahrensrechtliche Berücksichtigung der Ansprüche nach § 16 GrEStG

Rz. 25 § 16

Aufhebung des Bescheides bzw. dessen Änderung. Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist in diesem Fall also die Frage, ob ein Erwerbsvorgang vorlag und ob die Festsetzung nach § 16 GrEStG aufgehoben bzw. geändert werden muss. Liegt noch kein Steuerbescheid vor, ist Gegenstand des Einspruchsverfahrens lediglich der Antrag auf Nichtfestsetzung. Ein vor Erlass der Einspruchsentscheidung geltend gemachter Anspruch nach § 16 GrEStG muss auch noch spätestens in dieser berücksichtigt werden.1

IV. Antrag und Klageverfahren 1. Statthafte Klageart Bestand der Anspruch auf Nichtfestsetzung schon vor Steuerfestsetzung, so ist im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid zu prüfen, ob ein Erwerbsvorgang vorlag und ob die Steuerfestsetzung nach § 16 GrEStG aufzuheben oder zu ändern ist. Hat der Steuerpflichtige hingegen nach der Steuerfestsetzung deren Aufhebung oder Änderung begehrt und wurde dieser Antrag abgelehnt, so ist nach erfolglosem Einspruchsverfahren im finanzgerichtlichen Verfahren die Verpflichtungsklage in Gestalt der Vornahmeklage statthaft (§ 40 Abs. 1 FGO).2

22

In beiden Verfahren müssen die allgemeinen Anforderungen an eine zulässige Klage, insbesondere ein durchlaufenes Vorverfahren, erfüllt sein. Aus verfahrensökonomischen Gründen hat der BFH zugelassen, dass ein Aufhebungsanspruch, der bereits im Einspruchsverfahren gegen die Steuerfestsetzung geltend gemacht wurde, nicht nochmalig in einem separaten Vorverfahren geführt werden muss.3 Trotz der grundsätzlichen Trennung zwischen der Anfechtung des Steuerbescheides und des Anspruchs auf Aufhebung kann also im Anfechtungsverfahren der Anspruch auf Aufhebung mitgeprüft werden. Dies muss auch für den Anspruch auf Änderung der Festsetzung nach Abs. 3 gelten.

23

Hat der Steuerpflichtige vor Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Steuerbescheid sich nicht auch auf den Anspruch auf Aufhebung bzw. Abänderung berufen, kann er noch im Rahmen seiner Anfechtungsklage im Wege der Klageänderung (§ 67 FGO) den Anspruch aus § 16 GrEStG in das Klageverfahren einbeziehen.4 Allerdings müssen die Verfahrensvoraussetzungen für den Anspruch aus § 16 GrEStG vorliegen (§ 44 FGO). Es muss ein separater Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags aus § 16 GrEStG vorliegen. Auf ein Vorverfahren kann nur im Sonderfall der Sprungklage verzichtet werden (§ 45 FGO). Hat der Steuerpflichtige aber nicht einmal den Antrag nach § 16 GrEStG gestellt, so kommt eine Einbeziehung des Anspruchs aus § 16 GrEStG in den Anfechtungsprozess nicht in Betracht.5 Im Revisionsverfahren kann der Anspruch aus § 16 GrEStG wegen § 123 FGO nicht mehr in den Anfechtungsprozess eingeführt werden.

24

2. Kosten Die Gerichtskosten sind nach den allgemeinen Regeln (§ 137 ff. FGO) festzusetzen. Wird der Anspruch aus § 16 GrEStG in den Anfechtungsprozess im Klageverfahren einbezogen und erklären die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, so ist die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu fällen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Klage ohne die spätere Einbeziehung des Anspruchs aus § 16 GrEStG nicht erfolgreich gewesen wäre. Insofern ist eine vollständige Kostentragung durch den Steuerpflichtigen geboten.6 1 2 3 4 5 6

BFH v. 16.2.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495. BFH v. 9.8.1989 – II R 145/86, BStBl. II 1989, 981. BFH v. 16.2.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495. BFH v. 16.2.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495. BFH v. 9.8.1989 – II R 145/86, BStBl. II 1989, 981; v. 5.6.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267. BFH v. 21.6.2007 – II B 169/05, BFH/NV 2007, 1707.

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§ 16 Rz. 26 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung

V. Festsetzungsverjährung 26

Eine besondere Frist für den Antrag aus § 16 GrEStG kennt das Gesetz nicht. Es gilt lediglich die allgemeine Festsetzungsfrist, allerdings modifiziert um die besondere Ablaufhemmung des § 16 Abs. 4 (unter Rz. 166 f.). Dass zumindest die allgemeine Festsetzungsfrist einzuhalten ist, ergibt sich daraus, dass nach deren Ablauf weder eine Steuerfestsetzung aufgehoben (Abs. 1 und Abs. 2) noch geändert (Abs. 3) werden kann (vgl. § 169 Abs. 1 AO). Wird der Antrag noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt, so hemmt er deren Ablauf (§ 171 Abs. 3 AO), und eine Änderung durch das Finanzamt kann auch noch außerhalb der Festsetzungsfrist erfolgen.

C. Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer aufgrund einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor bzw. nach Eigentumsübergang (Abs. 1 und Abs. 2) I. Anwendungsbereich 1. Allgemeines 27

Anknüpfungspunkt von § 16 GrEStG ist der Erwerbsvorgang bzw. im Rahmen des § 16 Abs. 2 GrEStG zusätzlich der vorausgegangene Erwerbsvorgang. Liegen mehrere Erwerbsvorgänge vor, die rückgängig gemacht werden, so ist jeder Erwerbsvorgang isoliert zu betrachten.1 Ob nachfolgende Erwerbsvorgänge der Grunderwerbsteuer unterliegen, hat keine Auswirkung auf die Anwendung des § 16 GrEStG.2 2. Anwendung auf auflösend bedingte Erwerbsvorgänge

28

Zivilrechtlich kann das Verpflichtungsgeschäft auch unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen werden. Ein unter einer auflösenden Bedingung stehendes Verpflichtungsgeschäft wird unwirksam, sobald die Bedingung eintritt. Wegen des sachenrechtlichen Publizitätsprinzips ist hingegen eine Auflassung (= dinglicher Übertragungsakt) unter einer auflösenden Bedingung unwirksam (§ 925 Abs. 2 BGB). Ein Eintritt der auflösenden Bedingung vor Eigentumsübergang führt dem Wortlaut nach nicht zu einem Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG, da schon der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht mehr besteht, also auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Allerdings kann innerhalb von zwei Jahren nach dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buch a AO eine bestehende Festsetzung geändert werden. Auch nach Unanfechtbarkeit kommt eine Änderung zumindest entsprechend dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG in Betracht. Der Wortlaut erfasst zwar nur Verletzungen von Vertragsbedingungen und nicht deren Wegfall. Allerdings wird der Erwerbsvorgang durch den Eintritt der auflösenden Bedingung unwirksam und wirtschaftlich auch nicht durchgeführt (Vgl. § 41 AO). Insofern besteht eine gleiche wirtschaftliche Interessenlage, wie bei der Verletzung von Vertragsbedingungen und einem damit im Zusammenhang stehenden Rücktrittsrecht.3

29

Tritt die auflösende Bedingung erst nach dem Eigentumsübergang ein, so ist wegen des zivilrechtlichen Abstraktionsprinzips (vgl. Rz. 129) die Eigentumsübertragung dennoch wirksam. Die gegenseitigen Leistungen können aber auf der Grundlage des Bereicherungsrechts (§ 812 ff. BGB) zurückgefordert werden. Wird der Erwerbsvorgang vollständig und tatsächlich rückabgewickelt, so kann innerhalb von zwei Jahren nach § 16 Abs. 2 GrEStG die Steuerfestsetzung aufgehoben werden. Wurde

1 BFH v. 20.10.1982 – II R 6/81, BStBl. II 1983, 140; v. 14.7.1999 – II R 1/97, BStBl. II 1999, 737; v. 16.10.2009 – II B 37/09, BFH/NV 2010, 240. 2 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770. 3 Vgl. BFH v. 26.2.1975 – II R 173/71, BStBl. II 1975, 675; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 385.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 32 § 16

die Steuer noch nicht festgesetzt, so ist von einer Festsetzung abzusehen.1 Wegen der ex-nunc-Wirkung (§ 158 Abs. 2 Halbs. 2 BGB) der auflösenden Bedingung fällt diese zwar nicht direkt unter den Wortlaut der Vorschrift. Allerdings wird angenommen, dass sie zumindest dem Rechtsgedanken nach anzuwenden ist. Auch nach Ablauf der zweijährigen Frist kann nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG ein Anspruch auf Nichtfestsetzung und Aufhebung der Festsetzung bestehen. Der Wortlaut erfasst die auflösende Bedingung nicht. Allerdings wird wie im Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eine Anwendung dem Rechtsgedanken nach befürwortet.2 Anders ist die Rechtslage bei Gebäuden auf fremden Boden. Bei diesen handelt es sich zivilrechtlich 30 um bewegliche Sachen. Insofern kann neben dem Verpflichtungsgeschäft auch die dingliche Übertragung unter eine auflösende Bedingung gestellte werden, da § 925 Abs. 2 BGB nicht gilt. Mit dem Wegfall des Verpflichtungsgeschäfts fällt in dieser Konstellation auch das Erfüllungsgeschäft weg, der ursprüngliche Veräußerer hält sein Eigentum mit Bedingungseintritt zurück, ohne dass es eines weiteren Rechtsvorgangs bedarf. Wie im Fall der auflösenden Bedingung bei Grundstückskaufverträgen wird auch hier angenommen, dass trotz des Wortlauts von § 16 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GrEStG zumindest nach dem Rechtsgedanken ein Anspruch auf Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung einer bestehenden Steuerfestsetzung besteht. Auch beim Vorkaufsrecht kann es sich um einen Fall des auflösend bedingten Erwerbsvorgangs handeln. Beim vereinbarten Vorkaufsrecht muss danach unterschieden werden, ob der Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber konkludent oder ausdrücklich als durch die Nichtausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten bedingt auszulegen ist.3 Liegt eine derartige auflösende Bedingung vor, so liegt ein nichtiger Erwerbsvorgang vor. Anderenfalls stehen Übereignungsansprüche des Vorkaufsberechtigten und des Erwerbers zivilrechtlich selbständig nebeneinander. Dem Erwerber steht aber zumindest ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so dass er im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sich vom Vertrag lösen und den Erwerbsvorgang rückgängig machen kann.

31

3. Anwendung des § 16 GrEStG auf einzelne Tatbestände a) Anwendung der Abs. 1 und Abs. 2 auf die Zwischenerwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG Zumindest grundsätzlich ist eine Rückgängigmachung nach § 16 GrEStG im Hinblick auf jeden 32 Erwerbsvorgang des § 1 GrEStG möglich. Bei einzelnen Tatbeständen wirft die Anwendung von § 16 GrEStG allerdings besondere Fragen auf. Die Anwendbarkeit von § 16 GrEStG auf die Zwischenerwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG wird zum Teil ganz abgelehnt.4 Das wird damit begründet, dass ohne tatsächliche Ausübung der Rechte des Abtretungsempfängers eine Besteuerung ohnehin nicht in Betracht kommt. Wenn aber die Rechte aus der Abtretung wahrgenommen wurden und ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zustande gekommen ist, hat die Rückgängigmachung dieses Erwerbsvorgangs auch keine Auswirkungen auf den mittlerweile endgültig erfüllten Zwischenerwerb.5 Richtigerweise darf man aber an die Rückabwicklung eines Zwischengeschäftes keine höheren Anforderungen stellen als an die Rückabwicklung anderer Sachverhalte im Dreipersonenverhältnis (etwa der Rückabwicklung unter Einschaltung eines Dritten). Insofern ist eine Rückabwicklung möglich, soweit auch das Zwischengeschäft zwischen dem Abtretenden und dem Abtretungsempfänger schuldrechtlich rückabgewickelt wird.6

1 2 3 4 5 6

Ebenso Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 385. Ebenso Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 385. BFH v. 25.6.1980 – II R 28/79, BStBl. 1981, 332. Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 9. Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 9; a.A. Heine, UVR 2000, 57. In diesem Sinne auch Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 203.

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§ 16 Rz. 33 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung b) Anwendung von Abs. 1 und Abs. 2 auf die Ersatztatbestände aa) Allgemeines 33

Soweit im Bereich der Ersatztatbestände der § 1 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a bereits vor dem Eigentumsübergang (§ 16 Abs. 1) das zu Grunde liegende Geschäft rückabgewickelt wird oder das Rechtsgeschäft gar nichtig ist (§ 16 Abs. 2 Nr. 2), so ergeben sich keine Besonderheiten. Ist das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft aber wirksam und schon vollzogen, so stellen sich besondere Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung. Tatsächliche Veränderungen am Grundstück schließen dabei die Rückabwicklung nicht aus.1 Da es im Bereich der Ersatztatbestände der Abs. 2a bis 3a auf das Überschreiten von Grenzen für die Steuerbarkeit ankommt, ist es für die Rückgängigmachung ausreichend, wenn durch (teilweise) Aufhebung bzw. Rückerwerb die Grenzen nicht mehr überschritten sind.

34

Für die Ersatztatbestände nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist es erforderlich, dass die Änderung im Gesellschafterbestand rückgängig gemacht wird. Die Rückübertragung muss ihrerseits nicht grunderwerbsteuerbar sein. Wird die Rückübertragung durch einen nicht steuerbaren Vorgang bewirkt, so erfasst § 16 Abs. 2 GrEStG freilich nur den steuerpflichtigen Teil, also den ursprünglichen Erwerbsvorgang. Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 GrEStG ist schon erfüllt, wenn keine Anteilsveränderung i.H.v. 95 % mehr vorliegt. Es wird nicht verlangt, dass die letzte die Besteuerung auslösende Anteilsübertragung vollständig rückgängig gemacht wird. Der BFH hat zur Rückabwicklung eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG bestätigt, dass es ausreicht, wenn Anteile an den ursprünglichen Gesellschafter zurückübertragen werden, so dass kein Wechsel von mindestens 95 % der Anteile mehr vorliegt.2

35

Ist das Quorum von 95 % durch mehrere zeitlich getrennte Erwerbsvorgänge überschritten worden, so reicht es für einen Rückerwerb i.S.d. § 16 Abs. 2 GrEStG aus, wenn einer dieser Erwerbsvorgänge durch Rückübertragung auf/Rückerwerb durch den Veräußerer rückgängig gemacht wird. Es ist nicht erforderlich, dass es sich dabei um den letzten Erwerbsvorgang handelt, solange das Quorum zu keinem Zeitpunkt überschritten wird. Um eine tatsächlich vollständige Rückgängigmachung zu gewährleisten, muss der Anteilsveräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung innerhalb der Gesellschaft zurückerlangen.3 Nach der allgemeinen Dogmatik der Vorschrift schließen zwischenzeitliche Veränderungen am Grundstück die Begünstigung nicht aus. Hingegen ist erforderlich, dass sich der Rückerwerb zwischen den ursprünglichen Beteiligten des Erwerbsvorgangs (Veräußerer und Erwerber) abspielt. Obwohl der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG an die Veränderung des Gesellschafterbestands anknüpft, ist der Tatbestand grundstücksbezogen. Das führt dazu, dass ein Rückerwerb nur insofern möglich ist, als die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Rückübertragung noch Eigentümerin der Grundstücke ist. Ein Anspruch auf Nichtfestsetzung oder Aufhebung der Festsetzung besteht nur im Hinblick auf die noch der Gesellschaft zustehenden Grundstücke. Allerdings kann der Erwerbsvorgang, der zur Übertragung des Grundstücks aus dem Gesellschaftsvermögen auf einen Dritten führte, seinerseits nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG rückgängig gemacht werden, so dass noch vor Rückübertragung der Anteile das Gesellschaftsvermögen wieder die Grundstücke aufweist, die der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG zustanden.4 Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gelten auch für den Beitritt und die Übertragung eines Gesellschaftsanteils und sind auch grunderwerbsteuerlich beachtlich.5

36

Alle Ansprüche des § 16 GrEStG, also aus Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, sind ausgeschlossen, wenn bei den Ersatztatbeständen der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß nach den §§ 18 bis 20 GrEStG angezeigt wurde (vgl. zu den Einzelheiten Rz. 167 f.).

1 2 3 4 5

Behrens/Schmitt, UVR 2009, 56. BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. Behrens, DStR 2009, 1615. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 273; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 146; Heine, UVR 2001, 186. BFH v. 24.1.2005 – II R 54/02, BStBl. II 2005, 299.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 38 § 16

bb) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2 Nach § 1 Abs. 2 unterfällt die Übertragung der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer. Wichtigster praktischer Anwendungsfall einer Übertragung der Verwertungsbefugnis sind Treuhandvereinbarungen. Grundsätzlich kann auch ein nach § 1 Abs. 2 steuerbarer Erwerbsvorgang in einer Weise rückabgewickelt werden, die zu einer Aufhebung der Grunderwerbsteuer-Festsetzung führt. Dafür muss aber zunächst der ursprüngliche Erwerbsvorgang ordnungsgemäß angezeigt worden sein, § 16 Abs. 5 (Rz. 167 f.).1 Eine Rückabwicklung setzt voraus, dass der Verwertungsbefugte seine Verwertungsbefugnis wieder verliert, d.h. auf sie im Einvernehmen mit dem Grundstückseigentümer verzichtet.2 Bei einer Treuhandvereinbarung ist eine Rückabwicklung vollzogen, wenn diese aufgehoben wird und die Verwertungsbefugnis damit vollständig auf den Treugeber zurückfällt.

37

Um die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG zu erfüllen, müssen alle Rechte, die als Einräumung der Verwertungsmöglichkeit angesehen wurden, zurückübertragen werden. Ist dies geschehen und sind auch die übrigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG erfüllt, so entfallen sowohl die Besteuerung der ursprünglichen Einräumung der Verwertungsmöglichkeit als auch deren Rückübertragung.

37.1

Die Verwertungsmöglichkeit muss vom Veräußerer zurückerworben werden. Dafür bedarf es nicht eines Rückerwerbs sämtlicher ursprünglich übertragenen Rechtspositionen, der ursprüngliche Veräußerer muss nur die Verwertungsmöglichkeit zurückerlangen.3 Dies kann nur durch Einigung zwischen den Beteiligten erreicht werden. Verzichtet lediglich der Erwerber auf seine erworbene Rechtsposition, so gelangt diese dadurch noch nicht an den Veräußerer zurück, und der Rückerwerb der Verwertungsmöglichkeit ist nicht vollzogen. Wie bei den anderen Tatbeständen des § 16 GrEStG sind wertmindernde oder werterhöhende Änderungen, die der Erwerber aufgrund seiner Verwertungsmöglichkeit vorgenommen hat, unbeachtlich.

37.2

Zeitlich und sachlich ist die Rückübertragung der Verwertungsmöglichkeit somit vollzogen, wenn der Erwerber keine Rechtsposition mehr innehat, die den Anforderungen an eine Verwertungsmöglichkeit genügt.

37.3

Wird ein Treuhandverhältnis aufgelöst oder aufgehoben, so kann darin auch eine Rückübertragung der Verwertungsmöglichkeit liegen.4

37.4

Die Verwertungsmöglichkeit an einem Grundstück wird nicht dadurch zurückübertragen, dass jemand ein von ihm auf fremdem Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) errichtetes Grundstück auf den Eigentümer des Grundstücks überträgt.5

37.5

cc) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2a Der Grunderwerbsteuer unterfallen nach § 1 Abs. 2a Änderungen am Gesellschafterbestand einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren, wenn unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Dabei wird technisch bei jeder Anteilsübertragung die Übertragung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft fingiert. Diese Fiktion kann durch eine Rückübertragung nicht rückgängig gemacht werden. Dennoch ist auch beim Tatbestand des § 1 Abs. 2a eine Anwendung des § 16 möglich.

G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 92. G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 90; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 261. Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 36 ff. Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger (Treuhanderlasse) v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757. 5 Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 72; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 261.

1 2 3 4

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38

§ 16 Rz. 38 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Dabei ist die frühere Auffassung der Finanzverwaltung, wonach alle Änderungen am Gesellschafterbestand innerhalb des (früheren) Fünfjahreszeitraums rückgängig gemacht werden müssen,1 durch die Rechtsprechung des BFH und die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung überholt.2 Erforderlich ist, dass durch die Rückabwicklung die Voraussetzungen des ursprünglichen Erwerbsvorgangs nicht mehr gegeben sind. Das heißt, die Änderung im Gesellschafterbestand muss rückabgewickelt werden bzw. die übertragenen Anteile müssen auf den früheren ursprünglichen Gesellschafter rückübertragen werden, so dass ein Übergang von mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft nicht mehr gegeben ist.3 38.1

Trotz der Herabsetzung der kritischen Beteiligungsquote von 95 % auf 90 % reicht es für die Rückabwicklung eines Erwerbsvorganges, der vor dem Stichtag 1.7.2021 (§ 23 Abs. 21) stattfand, wenn durch die Rückabwicklung weniger als 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Anforderungen an eine Rückabwicklung ergeben sich allein aus § 16 in Verbindung mit dem ursprünglichen Erwerbsvorgang. Es darf nicht zu einer Schlechterstellung von Erwerbsvorgängen kommen, nur weil in der Zwischenzeit das Regelungsregime für den Ersterwerb novelliert wurde. dd) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 2b

39

Der neu geschaffene § 1 Abs. 2b schafft für Kapitalgesellschaften ein ähnlich strenges Regime wie es schon vorher für Personengesellschaften in § 1 Abs. 2a existierte. Danach wird auch bei Kapitalgesellschaften bei der Übertragung von Anteilen innerhalb eines Zehn-Jahreszeitraums fingiert, dass jede Anteilsübertragung die Übertragung des Sacheigentums am Grundstück auf eine neue Kapitalgesellschaft darstellt. Hierbei gelten dieselben Grundsätze, die für Rückübertragungen bei Personengesellschaften gelten. Für eine Rückgängigmachung reicht es aus, wenn durch die Aufhebung der Anteilsübertragung bzw. durch eine Rückübertragung auf den früheren Gesellschafter innerhalb des Zehnjahreszeitraums weniger als 90 % auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Für die Rückgängigmachung eines vor dem Stichtag 1.7.2021 verwirklichten Erwerbsvorgangs gelten die zu § 1 Abs. 2a dargestellten Grundsätze (Rz. 38.1). ee) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 3

40

Nach § 1 Abs. 3 ist die Vereinigung von mehr als 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft steuerbar. Eine Rückgängigmachung liegt vor, wenn durch Aufhebung einer4 der zur Vereinigung führenden Rechtsvorgänge oder durch Rückerwerb das Überschreiten des 90 % Quorums rückgängig gemacht wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Rückerwerb steuerbar ist. Es ist lediglich entscheidend, dass die Anteile wirksam übertragen werden und damit weniger als 90 % in einer Hand vereinigt sind. Ob ein steuerbarer Rückerwerb aber durch einen nichtsteuerbaren Ersterwerb gleichsam von der Grunderwerbsteuer befreit wird, musste durch den BFH nicht final entschieden werden. Nach der allgemeinen Dogmatik, die bei einem Rückerwerb zur Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs von einer Befreiung des Erst- und Zweiterwerbs von der Grunderwerbsteuer ausgeht, muss aber auch im Fall des § 1 Abs. 3 Steuerfreiheit eintreten. Der BFH hatte bisher lediglich darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt des Ersterwerbs das Grundstück dem damaligen Veräußerer grunderwerbsteuerlich zuzuordnen gewesen sein muss.5

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 7.2.2000, MittBayNot 2000, 155 Tz. 12, 26. 2 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830; vgl. gleichlautende Ländererlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314 Tz. 10. 3 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. 4 BFH v. 11.6.2013 – II R 52/12, BStBl. II 2013, 752. 5 BFH v. 20.2.2019 – II R 27/16, BStBl. II 2019, 559.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 45 § 16

Für die Rückgängigmachung eines vor dem Stichtag 1.7.2021 verwirklichten Erwerbsvorgangs gelten die zu § 1 Abs. 2a dargestellten Grundsätze (Rz. 38.1). ff) Rückgängigmachung des Ersatztatbestandes nach § 1 Abs. 3 Nach § 1 Abs. 3a unterfällt der Grunderwerbsteuer auch ein Rechtsvorgang, durch den ein Rechtsträger wirtschaftlich zu mindestens 90 % die Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft erhält. Auch auf diesen Ersatztatbestand ist § 16 anwendbar. Für eine Rückabwicklung ist es auch hier erforderlich, dass durch eine Aufhebung des ursprünglichen Rechtsgeschäfts bzw. durch einen Rückerwerb durch den Veräußerer die 90 %-Grenze nicht mehr überschritten wird.

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II. Abgrenzung Abs. 1 zu Abs. 2 Nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 soll dieser Anwendung finden, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. § 16 Abs. 2 GrEStG spricht hingegen davon, dass der Veräußerer das Eigentum „zurück-“erwirbt. Grundsätzlich betrifft Abs. 1 also die Rückabwicklung eines einzelnen Erwerbsvorgangs vor Eigentumsübergang, Abs. 2 die Rückabwicklung durch einen gegenläufigen Erwerbsvorgang nach Eigentumsübergang.

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Dies hat auch Auswirkungen auf die Rechtsfolgen des jeweiligen Absatzes. Da sich Abs. 1 nur auf ei- 43 nen Erwerbsvorgang bezieht, muss auch nur für diesen die Steuer nicht festgesetzt bzw. eine bestehende Steuerfestsetzung aufgehoben werden. Bei der Rückabwicklung nach Abs. 2 liegen mit dem ursprünglichen Erwerbsvorgang und der Rückabwicklung allerdings zwei Erwerbsvorgänge vor, so dass auch für beide Erwerbsvorgänge die Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung der Steuerfestsetzung angeordnet wird („sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang). Unter den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 GrEStG fällt die Rückgängigmachung des Verpflichtungsgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die bloße Aufhebung des Verpflichtungsgeschäftes unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer,1 insofern ist nur ein einziger Erwerbsvorgang, nämlich der ursprüngliche Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes betroffen. Demgegenüber scheidet eine Anwendung von § 16 Abs. 1 GrEStG bei den Erwerbstatbeständen §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 Nr. 4 GrEStG aus, wegen der Natur der Erwerbsvorgänge stellt sich die Rückabwicklung nämlich als eigenständiger Erwerbsvorgang dar, so dass die Rückabwicklung nach § 16 Abs. 2 GrEStG zu behandeln ist. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG fallen unter § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn es bei der Rückübertragung von Anteilen nicht zu einer Anteilsvereinigung kommt. In den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 2 GrEStG fallen sowohl Fälle, in denen die Rückabwicklung zu einem weiteren Erwerbsvorgang führt, als auch Fälle, in denen allein die Rückabwicklung der Grunderwerbsteuer unterliegt.

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III. Rechtsfolgen der Abs. 1 und 2 1. Allgemeine Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen der Abs. 1 und 2 sind die Nichtfestsetzung der Steuer bzw. die Aufhebung einer bestehenden Steuerfestsetzung. Ist also eine Steuer zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG noch nicht festgesetzt worden, so besteht ein Anspruch auf Nichtfestsetzung. Ist hingegen die Steuer schon festgesetzt worden, so besteht ein Anspruch auf Aufhebung dieser Festsetzung. Wegen der identischen Voraussetzungen soll im Folgenden von der Aufhebung der Steuerfestsetzung gesprochen worden. 1 BFH v. 22.6.2010 – II R 24/09, BFH/NV 2010, 2300.

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§ 16 Rz. 46 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 2. Folgen einer Nichtanerkennung von Rückgängigmachung/Rückerwerb 46

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, so besteht auch ein Anspruch aus § 16 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG nicht. Man spricht von einer „unechten“ Rückgängigmachung. Bei einer unechten Rückgängigmachung kann sich eine Grunderwerbsteuerfestsetzung für einen nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ergeben. Eine Steuerfestsetzung ohne Rechtsträgerwechsel ist der Grunderwerbsteuer allerdings wesensfremd. Dennoch hat der BFH dies ausdrücklich zugelassen und auch mögliche Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO abgelehnt.1 Auch die Finanzverwaltung gewährt Billigkeitsmaßnahmen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen.2 Gegen diese Rechtsprechung des BFH ist vorgebracht worden, dass der Verkehrssteuercharakter der Grunderwerbsteuer einen Erwerb ohne Rechtsträgerwechsel nicht zulasse. Damit verstoße eine Auslegung, die ohne Rechtsträgerwechsel einen Erwerbsvorgang bestehen lassen will, gegen das Prinzip der Folgerichtigkeit der gesetzgeberischen Grundentscheidung. Der BFH betont in seiner Entscheidung, dass die Belastung mit Grunderwerbsteuer ohne Rechtsträgerwechsel gerade keinen Verstoß gegen die folgerichtige Ausgestaltung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung darstellt.3 Vielmehr liege diese Behandlung der fehlgeschlagenen Rückgängigmachung gerade auf einer Linie mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung. Dem ist vor dem Hintergrund, dass nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG schon der Abschluss des Kaufvertrages der Grunderwerbsteuer unterliegt, zuzustimmen. Der Rechtsträgerwechsel ist in der Grunderwerbsteuer zwar der Regelfall, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Besteuerung am fehlenden Rechtsträgerwechsel scheitern würde.

IV. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor Eigentumsübergang (Abs. 1) 1. Allgemeines 47

§ 16 Abs. 1 GrEStG enthält zwei verschiedene Tatbestände: zum einen die Rückgängigmachung aufgrund einer Vereinbarung oder eines vorbehaltenen Rücktritts- oder Wiederkaufsrechts (Nr. 1), auf der anderen Seite die Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruchs wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen (Nr. 2). Einen mit § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG vergleichbaren Tatbestand für einen anfänglich nichtigen Erwerbsvorgang weist Abs. 1 nicht auf. Die Rückgängigmachung im Fall der Nr. 1 ist nur innerhalb von zwei Jahren möglich, während die Nr. 2 unbegrenzt möglich ist. Außerhalb der zweijährigen Frist der Nr. 1 entscheidet die Abgrenzung zwischen den beiden Tatbeständen also, ob eine Rückgängigmachung überhaupt noch möglich ist.

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Es ist sachlich gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber den lediglich auf einem freien Entschluss der Parteien basierenden Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf zwei Jahre begrenzt. Die Parteien können hier allein im gegenseitigen Einvernehmen entweder durch freien Entschluss nach Vertragsschluss bzw. durch Geltendmachung eines bei Vertragsschluss vereinbarten Rücktritts- oder Wiederkaufsrecht den Steueranspruch beseitigen. Der Tatbestand ist schon dann erfüllt, wenn sich die Parteien dazu entschließen, den Erwerb rückgängig zu machen, und dies auch vollziehen. Insofern können die Parteien schon bei ihren Dispositionen die Begünstigung und deren zeitliche Begrenzung berücksichtigen.4

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Hingegen wäre eine zeitliche Begrenzung bei § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, nicht gerechtfertigt. Im Rahmen der Nr. 2 verlangt der Gesetzgeber einen Rechtsanspruch, also die Möglichkeit, einseitig auch gegen den Willen des/der anderen Beteiligten eine Rückabwicklung durchzusetzen. Dies wird im Re-

1 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486; anders die Vorinstanz FG Hamburg v. 21.5.2011, EFG 2011, 200700; a.A. Behrens, UVR 2012, 92. 2 OFD Nürnberg v. 3.6.1993 – S 2221 - 218/St 21. 3 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498. 4 Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 16.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 51 § 16

gelfall auf Umständen beruhen, die erst nachträglich eingetreten sind oder sich zumindest erst nachträglich herausgestellt haben.1 In der Praxis ist der Rechtsanspruch auf Rückabwicklung oftmals Gegenstand eines Zivilrechtsstreits. Dessen Abschluss hängt auch von der Auslastung der Gerichte über die verschiedenen Instanzen ab. Gemeinsames und damit zentrales Merkmal beider Tatbestände ist die Rückgängigmachung. Das Zi- 50 vilrecht kennt verschiedene Institute der Rückabwicklung, den Begriff der Rückgängigmachung verwendet es allerdings nicht. Die dogmatische Herleitung ist umstritten.2 Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die Merkmale des § 16 GrEStG rein zivilrechtlich3 oder eigenständig grunderwerbsteuerlich auszulegen sind. Die eigenständig grunderwerbsteuerliche Auslegung des BFH folgert aus dem Zusammenhang zwischen dem ursprünglichen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG und der Rückgängigmachung nach § 16 GrEStG, dass von einer Besteuerung nur abzusehen sei, wenn die anvisierte Übereignung tatsächlich (wirtschaftlich) nicht erfolge oder nicht auf Dauer bestehen bleibe. Konsequenterweise müsse auch im Rahmen des § 16 GrEStG über die zivilrechtliche Aufhebung hinaus die wirtschaftliche Rückabwicklung verlangt werden.4 In der praktischen Anwendung kommen beide Ansichten zu identischen Ergebnissen, da auch die Befürworter einer rein zivilrechtlichen Auslegung des § 16 GrEStG verlangen, dass eine zivilrechtlich wirksame Rückabwicklung die Verpflichtung enthält, diese auch zu vollziehen. Erst nach der Erfüllung der zivilrechtlichen Rückabwicklungsansprüche soll demnach ein Anspruch aus § 16 GrEStG entstehen. Dieser Ansicht wäre zuzustimmen, wenn grunderwerbsteuerliche Bindungen zwischen Veräußerer und Erwerber nicht mehr bestehen würden, sobald kein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG mehr vorliegt. Aus systematischen Gründen ist aber darauf abzustellen, ob dem Erwerber noch eine Verfügungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG verbleibt.5 Insofern erschöpfen sich die Anforderungen des § 16 Abs. 1 (und Abs. 2) GrEStG nicht in der bloßen zivilrechtlichen Rückabwicklung. Eine zivilrechtliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1) bzw. eines Rückerwerbsvorgangs (Abs. 2) sind lediglich eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Rückabwicklung und Rückerwerb sind actus contrarius zum ursprünglichen Erwerbsvorgang. Insofern besteht zwischen den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG und der Rückgängigmachung im Rahmen des § 16 Abs. 1 GrEStG ein sachlicher Zusammenhang.6 Ein Anspruch auf die Aufhebung der Steuerfestsetzung hängt folglich davon ab, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang derart aufgehoben wird, dass Rückabwicklung und Rückerwerb auch tatsächlich wirtschaftlich vollständig vollzogen werden. Die Vertragspartner müssen sich also derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.7 Folglich verneint der BFH eine Rückgängigmachung, wenn im Einverständnis der Beteiligten alles beim Alten bleibt.8 Die Herleitung der vollständigen wirtschaftlichen Rückgängigmachung aus einer eigenständigen 51 grunderwerbsteuerlichen Auslegung hat Konsequenzen für die Anwendung von § 42 AO im Rahmen des § 16 GrEStG. Da unabhängig vom Motiv in der zivilrechtlich wirksamen Rückabwicklung kein Missbrauch rechtlicher Gestaltung gesehen werden kann, liegt ein Gestaltungsmissbrauch lediglich vor, wenn eine zivilrechtlich wirksame Rückabwicklung nicht wirtschaftlich tatsächlich vollzogen 1 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498; v. 8.6.1988 – II R 90/86, BFH/NV 1989, 728; Begründung GrEStG 1940, Reichssteuerblatt 1940, 411. 2 Viskorf, DStR 1988, 206; Meier, DVR 1986, 66; Kilches, DVR 1986, 76; Fiedler, StW 1987, 110; Schuhmann, UVR 1990, 209. 3 So List, DStR 2000, 1161. 4 BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413. 5 Viskorf, DStR 1988, 206. 6 BFH v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726; v. 11.10.1995 – II R 97/93, BFH/NV 1996, 260; v. 14.11.2007 – II R 1/06, BFH/NV 2008, 403; v. 6.10.2010 – II R 31/09, BFH/NV 2011, 306. 7 BFH v. 8.6.1988 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 412; v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486. 8 BFH v. 8.3.1995 – II R 42/92, BFH/NV 1995, 924.

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§ 16 Rz. 51 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung wird. In diesen Fällen scheidet ein Anspruch aus § 16 GrEStG aber schon aus einer eigenständigen grunderwerbsteuerlichen Auslegung aus. Damit kommt § 16 GrEStG die Funktion einer spezialgesetzlichen Missbrauchsregelung zu, die eine Anwendung von § 42 AO zwischen Veräußerer und Erwerber ausschließt. Folglich wird § 42 AO vom BFH auch nur im Verhältnis zu Dritten im Rahmen des § 16 GrEStG angewendet.1 2. Abgrenzung Nr. 1 zu Nr. 2 52

Eine Überschneidung zwischen Nr. 1 und Nr. 2 gibt es im Bereich vertraglich vereinbarter Rücktrittsrechte. Diese werden nur vom Wortlaut der Nr. 1 erfasst, sind demnach grundsätzlich nur innerhalb von zwei Jahren nach Steuerentstehung rückgängig zu machen. Über den insofern missverständlichen Wortlaut hinaus kommt aber auch Nr. 2 zur Anwendung, wenn die Ausübung von einer Pflichtverletzung, konkret also der Verletzung der vereinbarten Vertragsbedingungen, abhängt.2 Dies gilt auch für ein vereinbartes Rücktrittsrecht, das vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängt.3 Nachträglich eintretende Umstände sind solche, die Gegenstand von Vertragsbedingungen i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sein können. Voraussetzung für die Anwendung von Nr. 2 ist, dass das Rücktrittsrecht schon bei Vertragsabschluss vereinbart wurde. Ein vereinbartes, aber befristetes Rücktrittsrecht kann nach Fristablauf auf der Grundlage der Nr. 2 zu einem Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung führen, wenn unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Verlängerung der vereinbarten Frist besteht.4 Wird hingegen ein neues Rücktrittsrecht vereinbart oder einvernehmlich ein Rücktrittsrecht verlängert, so ist die ursprünglich vereinbarte Frist abgelaufen, das neue bzw. fristverlängerte Rücktrittsrecht nicht anfänglich vereinbart worden, und es kommt nur zur Anwendung von Nr. 1. Dies soll sicherstellen, dass die Zweijahresfrist nicht unterlaufen wird.5 Eine Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG scheidet auch aus, wenn die Verlängerung des Rücktrittsrechts nicht (form-)wirksam ist.6 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass vertragliche Rücktrittsrechte sowohl unter Nr. 1 als auch Nr. 2 fallen können. Ein Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung außerhalb der zweijährigen Frist ist nur im Rahmen der Nr. 2 möglich. 3. Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren im gegenseitigen Einvernehmen (Abs. 1 Nr. 1) a) Zweijahresfrist

53

Die Rückgängigmachung im gegenseitigen Einvernehmen setzt voraus, dass die Beteiligten den Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren sowohl zivilrechtlich als auch wirtschaftlich rückgängig machen.7

54

Im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG besteht der Anspruch nach Nr. 1 nur bei einer Rückabwicklung innerhalb von zwei Jahren nach Entstehung der Steuer. Innerhalb von zwei Jahren nach der Steuerentstehung muss der Erwerbsvorgang tatsächlich rückgängig gemacht worden sein.8 Innerhalb der zwei Jahre muss im Falle der Schließung eines Aufhebungsvertrages unter Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters auch die Genehmigung fallen. Ist zuguns-

1 BFH v. 7.10.1987 – II R 123/85, BStBl. II 1988, 296; zust. Viskorf, DStR 1988, 206; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 61. 2 Loose in Boruttau19, § 16 Rz. 43. 3 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498. 4 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498. 5 BFH v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498 = FR 2012, 768 m. Anm. Kanzler; zur Kritik an dieser Rechtsprechung: Behrens, UVR 2012, 92. 6 FG Berlin v. 23.7.2006 – 1 K 1076/03, EFG 2006, 1601. 7 G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 52. 8 Begründung GrEStG, Reichssteuerblatt 1940, 411; BFH v. 6.5.1969 – II 87/64, BStBl. II 1969, 556.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 57 § 16

ten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung eingetragen, so lässt der BFH es ausreichen, wenn der Löschungsantrag innerhalb der zwei Jahre gestellt wird.1 b) Zivilrechtliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verlangt eine Rückgängigmachung durch Vereinbarung.2 Dem steht ein 55 vorbehaltenes Rücktritts- (§ 346 BGB) oder Wiederkaufsrecht (§ 497 BGB) gleich. Ob und unter welchen Bedingungen die Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen solche Rechte vorsehen, steht allein in ihrem Ermessen. Werden eingeräumte Rücktritts- oder Wiederkaufsrechte von der Nichterfüllung von Vertragsbedingungen abhängig gemacht, so kann die Nichterfüllung auch in den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG fallen. Der ursprüngliche Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG muss vollständig rückgängig gemacht werden, also verlangt § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die zivilrechtlich wirksame Beseitigung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs.3 Es darf keine Bindung zwischen den Beteiligten zurückbleiben, die grunderwerbsteuerlich von Bedeutung ist (s. auch Rz. 62 ff.). Die zivilrechtliche Rückgängigmachung aufgrund einer Vereinbarung setzt weder im Hinblick auf 56 den Rückerwerb i.S.d. Abs. 2 noch die Rückgängigmachung i.S.d. Abs. 1 eine bestimmte formale Gestaltung voraus. Demzufolge muss für eine Rückgängigmachung keine ausdrückliche Aufhebung vorliegen. Ein schlichter Rückkauf ist ausreichend.4 Die andere Ansicht, die einen Rückkauf nicht zulassen will, weil die Hauptverpflichtung des Rückkaufs „Rückübereignung des Kaufgegenstandes“ zunächst die Erfüllung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs voraussetze,5 vermag insofern nicht zu überzeugen. Zivilrechtlich kann der gegenläufige Rückkaufvertrag abgeschlossen werden, auch wenn dem ursprünglichen Erwerber dinglich das Eigentum nicht zusteht. Außerdem würde man dem Durchführungsweg (Rückkauf oder Aufhebung) eine zu große Bedeutung bemessen, wenn man vollkommen unberücksichtigt ließe, dass beide Alternativen wirtschaftlich zum gleichen Ergebnis führen. Auch die Gründe, auf denen die Rückgängigmachung beruht, haben keine Relevanz. Ein schlichter Rückkauf ohne ausdrücke Aufhebung der ursprünglichen Vereinbarung ist ausreichend. Unter § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fällt ein vorbehaltenes Rücktrittsrecht nur dann, wenn es ohne weitere Voraussetzungen jederzeit ausgeübt werden kann.6 In diesem Fall kommt allerdings möglicherweise die Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG in Betracht. Bleibt die ursprüngliche Vereinbarung bestehen und wird lediglich zusätzlich eine Vertragsübernahme oder ein Vertragsbeitritt vereinbart, scheiden sowohl § 16 Abs. 1 GrEStG als auch Abs. 2 aus.7 Anders sind Fälle zu behandeln, in denen ein Nachtrag zum Vertrag, insbesondere die Vertragsübernahme bzw. der Beitritt zum Vertrag, rückgängig gemacht wird. Unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 (vor Eigentumsübergang) bzw. Abs. 2 GrEStG (nach Eigentumsübergang) kommt es zum Wegfall der durch Vertragsübernahme/Beitritt bewirkten Änderungen. Der Grunderwerbsteuer unterliegt in diesem Fall lediglich der ursprüngliche Erwerbsvorgang. Auch hierbei ist allerdings entscheidend, dass die Rückgängigmachung des Nachtrags zum Vertrag sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich vollständig bewirkt wird. Wird die ursprüngliche Vereinbarung hingegen aufgehoben und ein neuer Vertrag abgeschlossen, so kommt eine Anwendung von § 16 Abs. 1 (vor Eigentumsübergang) und Abs. 2 GrEStG (nach Eigentumsübergang) in Betracht. In der Praxis ist der häufigste Anwendungsfall der Rückgängigmachung im gegenseitigen Einvernehmen der Aufhebungsvertrag. Dieser ist zivilrechtlich bei einem bestehenden Anwartschaftsrecht nur

1 2 3 4

BFH v. 8.3.2006 – IX R 83/98, BFH/NV 2006, 127. G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 16. BFH v. 5.6.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1991, 267; v. 19.10.1995 – II R 81/93, BFH/NV 1996, 577. BFH v. 6.12.1978 – II R 81/73, BStBl. II 1979, 249; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 34; Pahlke6 § 16 GrEStG Rz. 18. 5 Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 14. 6 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498. 7 FG Bremen v. 5.2.2003 – 2 K 224/01, EFG 2003, 1403.

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§ 16 Rz. 57 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung wirksam, wenn er in der notariellen Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB geschlossen wird.1 Entspricht der Aufhebungsvertrag nicht der notariellen Form, so ist er grundsätzlich formnichtig und damit unwirksam (vgl. § 125 BGB). Unter Umständen kann er allerdings geheilt werden.2 Das Formerfordernis gilt auch für die Grunderwerbsteuer.3 Die zivilrechtliche Nichtigkeit schlägt also auf die Grunderwerbsteuer durch. Die Vereinbarung muss nicht als Aufhebungsvertrag bezeichnet werden. Erforderlich ist vielmehr, dass sich durch Auslegung nach dem wahren übereinstimmenden Willen der Beteiligten (§§ 133, 157 BGB)4 eine Vereinbarung ergibt, die auf Aufhebung des Erwerbsvorgangs abzielt. Neben der Auslegung finden auch die anderen Rechtsinstitute des Allgemeinen Teils des BGB bei der Beurteilung eines Rechtsgeschäfts Anwendung. Die Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs muss nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen wirksam sein. Eine Vereinbarung, die sich als Scheingeschäft i.S.d. § 117 Abs. 1 BGB i.V.m. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO darstellt, ist unwirksam und grunderwerbsteuerlich unbeachtlich.5 Selbiges gilt, wenn die Vereinbarung den Übereignungsanspruch zugunsten eines Dritten begründet.6 Der Zeitpunkt der Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entspricht dem Zeitpunkt der zivilrechtlichen Beseitigung des Erwerbsvorgangs. Im Fall der Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters an einem Aufhebungsvertrag wird dieser erst mit der Genehmigung wirksam (§ 177 Abs. 1 BGB).7 Im Sonderfall des Zwangsversteigerungsverfahrens ist § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anwendbar, wenn der Meistbietende erklärt, er habe das im eigenen Namen abgegebene Gebot für den bisherigen Eigentümer abgegeben,8 oder wenn das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren vor Zuschlagserteilung an den bisherigen Eigentümer abgetreten wird.9 Wird ein auf ein bestimmtes Grundstück bezogener Grundstückskaufvertrag dadurch erfüllt, dass Ansprüche aus anderen Grundstückskaufverträgen abgetreten werden, wird durch die Annahme einer anderen als der eigentlich geschuldeten Leistung übereinstimmend der ursprüngliche Anspruch aufgehoben. Der BFH hat in diesem Sonderfall § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG angewendet.10 In der Praxis stellt ein solches Vorgehen wohl eine Ausnahme dar. Auch wenn der BFH dieses Vorgehen gebilligt hat, so erscheint es allein aus zivilrechtlichen Gesichtspunkten (Gewährleistung, Garantien, Vormerkung, Finanzierung) ratsam, den ursprünglichen Kaufvertrag aufzuheben und neue Kaufverträge abzuschließen. c) Vollständige Rückgängigmachung 58

Um zu verhindern, dass die Beteiligten grunderwerbsteuerlich von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG profitieren, tatsächlich aber den Erwerbsvorgang nicht umfassend rückabgewickelt haben, wird verlangt, dass der Erwerbsvorgang vollständig rückgängig gemacht wurde, der zugrundeliegende Vertrag also aufgehoben wird.11 Diese Anforderungen erfüllt ein Vertrag, der als „Rückgängigmachung“ bezeichnet wird, nicht, wenn sich aus seinem Inhalt ergibt, dass es sich zivilrechtlich lediglich um eine Vertragsänderung handelt.12 Dass es sich um eine Vertragsänderung und nicht eine Rückgängigmachung handelt, kann sich auch aus dem Zusammenhang mehrerer Verträge ergeben. So hat der BFH § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in ei-

1 Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 40 BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 211/92, NJW 1993, 3323; v. 7.10.1994 – V ZR 102/93, NJW 1994, 3346. 2 Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 46. 3 FinMin. BW v. 7.8.2000 Tz 1.1., DB 2002, 2020. 4 BFH v. 31.5.1972 – II R 92/67, BStBl. II 1972, 836. 5 BFH v. 8.3.1995 – II R 42/92, BFH/NV 1995, 924. 6 BFH v. 8.3.1995 – II R 42/92, BFH/NV 1995, 924. 7 BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1007. 8 Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 24. 9 BFH v. 6.6.1984 – II R 184/81, BStBl. II 1985, 261. 10 BFH v. 30.1.2008 – II R 48/06, BFH/NV 2008, 1524. 11 G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 21. 12 BFH v. 17.10.1990 – II R 148/87, BFH/NV 1991, 413.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 60 § 16

nem Fall verneint, in dem die Parteien den Grundstückskaufvertrag aufgehoben und direkt einen neuen Vertrag über dasselbe Grundstück geschlossen haben.1 Dass eine vollständige Rückgängigmachung nicht vorliegt, kann sich auch daraus ergeben, dass der Veräußerer des Grundstücks de facto an den ursprünglichen Vertrag trotz Rückabwicklung gebunden bleibt, da die Rückgängigmachung bei Neuabschluss eines weiteren Vertrages an Bedingungen geknüpft ist, die die Rückgängigmachung konterkarieren. Die häufigsten Vertragsänderungen in der Praxis sind der Wegfall, Austausch oder Beitritt von Er- 59 werbspersonen. Als Vertragsänderungen stellen diese Formen keine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Hierzu hat der BFH entschieden, dass eine Vertragsänderung, durch die auf Erwerberseite aus dem ursprünglich allein aufgetretenen Ehegatten beide Ehegatten je zur ideellen Hälfte werden, keine Rückgängigmachung des ersten Erwerbsvorgangs ist.2 Steht auf der Erwerberseite eine Bruchteilsgemeinschaft, so ist diese grundsätzlich Vertragspartner. Wird später ein Mitgläubiger ausgewechselt oder scheidet dieser aus, so sind sowohl der Veräußerer als auch die übrigen Bruchteilsgemeinschafter noch an den Vertrag gebunden. Eine Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs liegt also nicht vor. Erwerbsvorgänge, an denen eine Bruchteilsgemeinschaft beteiligt ist, gelten nur als rückgängig gemacht, soweit sie mit der gesamten Bruchteilsgemeinschaft rückgängig gemacht wurden.3 Liegt keine vollständige Rückabwicklung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs vor (sog. unechte Rückabwicklung/fehlgeschlagene Rückabwicklung), so kommt es in der Regel zu einer doppelten bzw. mehrfachen steuerlichen Belastung. Der ursprüngliche Erwerbsvorgang bleibt steuerpflichtig, außerdem fällt eine Steuer durch den Erwerb des Letzterwerbers an (vgl. Rz. 46). Diese Mehrfachbelastungen entsprechen der grunderwerbsteuerlichen Systematik, da sie sich aufgrund der bestehenden zivilrechtlichen Verträge ergeben. Sie sind nicht systemfremd und somit zu tolerieren, auch wenn es im Einzelfall zu Belastungsspitzen kommt. Eine vollständige Rückabwicklung liegt nicht vor, wenn lediglich der ursprüngliche Grundstückskaufvertrag modifiziert wird. Neben Fällen der offenen Vertragsanpassung fallen hierunter auch Fälle, in denen die Vertragsparteien formal den ursprünglichen Grundstückskaufvertrag aufheben, im unmittelbaren Anschluss aber ein neuer Grundstückskaufvertrag zwischen den identischen Personen über nahezu das identische Grundstück geschlossen wird.4 Wird im Rahmen der formalen Aufhebung des ursprünglichen Vertrages und dem Neuabschluss zwischen den identischen Parteien eine Teilfläche an einen neuen Erwerber übertragen, so ist zu prüfen, ob hierdurch zumindest teilweise die ursprüngliche Vereinbarung rückgängig gemacht wurde. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn dem Ersterwerber eine Rechtsposition verbleibt, die er im eigenen Interesse verwerten kann. Hierbei kommt es auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen sowie die Entstehungsgeschichte der Verträge an. Wenn dieselben natürlichen Personen hinter dem Ersterwerber und dem Zweiterwerber stehen, sprechen gute Gründe dafür, eine fortbestehende Verwertungsmöglichkeit des Ersterwerbers anzunehmen.5 d) Wirtschaftliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs Über die Rückgängigmachung der zivilrechtlichen Grundlage des Erwerbsvorgangs hinaus ist für § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch erforderlich, dass der Erwerbsvorgang wirtschaftlich rückgängig gemacht wird (vgl. Rz. 53). Dies ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zu den Erwerbsvorgängen des § 1 GrEStG. Der BFH fordert, dass die Beteiligten auch das wirtschaftliche Ergebnis des Erwerbsvorgangs wieder beseitigen und sich so stellen müssen, als sei dieser nicht zustande gekommen.6

1 2 3 4 5 6

BFH v. 17.10.1990 – II R 148/87, BFH/NV 1991, 413. BFH v. 6.10.1976 – II R 131/74, BStBl. II 1977, 253; auch Schuhmann, UVR 1990, 209. Klose, DStZ 1991, 525. FG Hamburg v. 7.8.2020 – 3 K 171/19 (rkr.), UVR 2021, 9. FG Hamburg v. 7.8.2020 – 3 K 171/19 (rkr.), UVR 2021, 9. BFH v. 16.2.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495; v. 1.7.2008 – II R 36/07, BStBl. II 2008, 882; v. 21.3.2007 – II B 67/05, BFH/NV 2006, 615; v. 13.11.2012 – II B 123/11, BFH/NV 2013, 255.

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§ 16 Rz. 60 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Das Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Rückgängigmachung ist unmittelbarer Bestandteil von § 16 GrEStG. Eine Anwendung von § 42 AO ist nicht erforderlich. Hiervon war der BFH allerdings in seiner früheren Rechtsprechung ausgegangen.1 Diese Rechtsprechung wurde mittlerweile aufgegeben.2 Urteile, die noch auf der Grundlage des § 42 AO ergangen sind, können nur noch bedingt herangezogen werden. Da § 16 Abs. 1 GrEStG keine Regelung für Fälle trifft, in denen Dritte an der Rückgängigmachung beteiligt sind, kommt weiterhin in diesen Fällen § 42 AO zur Anwendung (vgl. Rz. 75). 61

Eine tatsächliche wirtschaftliche Rückgängigmachung setzt voraus, dass die ursprünglichen Vertragspartner (Veräußerer und Erwerber) aus ihren mit dem Erwerbsvorgang einhergehenden Verpflichtungen entlassen werden. Sämtliche vertragliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang müssen aufgehoben und die Vertragsparteien so gestellt werden, als wäre der Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen. Die Übereignungspflicht des Veräußerers im Hinblick auf das Grundstück muss entfallen.3 Wenn trotz Aufhebung der Übereignungspflicht der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsposition nicht wiedererlangt, weil der Erwerber die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück behält, steht dies der erforderlichen wirtschaftlichen Rückgängigmachung entgegen.4 Solche Fallkonstellationen können sich insbesondere durch dingliche Sicherungsmittel ergeben. Im Fall der Weiterveräußerung auf einen Dritten ist besonders zu prüfen, inwiefern bei der Weiterveräußerung Interessen des Ersterwerbers berücksichtigt wurden (vgl. Rz. 82). Ob eine tatsächliche wirtschaftliche Rückgängigmachung vorliegt, richtet sich nicht nach der subjektiven Absicht der Beteiligten, sondern danach, ob objektiv ein tatsächlicher Vollzug vorliegt.5 Liegt objektiv kein Vollzug vor, so kommt § 16 GrEStG auch dann nicht zur Anwendung, wenn dem Vollzug rechtliche oder tatsächliche Gründe entgegenstehen, er also objektiv unmöglich ist.6 Die Gründe für ein Scheitern der Rückabwicklung sind grundsätzlich unbeachtlich. e) Wegfall sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag

62

Im Rahmen der Aufhebung des Grundstückskaufvertrages müssen alle Rechte und Pflichten des Veräußerers wegfallen. Die Pflicht des Veräußerers zur Übereignung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) muss ebenso entfallen, wie sein Anspruch auf die Gegenleistung (§ 433 Abs. 2 BGB). Ist die vereinbarte Gegenleistung schon erbracht worden, so ist sie dem Erwerber zurückzugewähren.7 Durch die Rückgängigmachung muss der Veräußerer wieder die uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück erlangen. Der Veräußerer muss als Eigentümer wieder im Grundbuch eingetragen sein, den tatsächlichen Besitz zurückerlangen, die Nutzen des Grundstücks ziehen können und die anfallenden Kosten tragen. Der BFH betont, dass der Veräußerer das Grundstück in seinem gesamten wirtschaftlichen Gehalt verwerten können muss.8 Folglich liegt eine Rückgängigmachung nicht vor, wenn die Verfügungsmacht des Veräußerers aufgrund bestehender Grundpfandrechte, mit denen sich Dritte ihre Darlehensforderungen gegen den Käufer absichern, beschränkt ist.9

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Auch der Erwerber muss neben seinem Anspruch auf Übereignung des Grundstücks alle Rechtspositionen verlieren, die ihm der Vertrag eingeräumt hatte. Insbesondere muss eine zur Sicherung des

1 BFH v. 24.6.1969 – II R 132/66, BStBl. II 1970, 22. 2 BFH v. 29.9.1976 – II R 163/71, BStBl. II 1977, 87; v. 6.10.1976 – II R 131/74, BStBl. II 1977, 253; zur Rechtsprechungsentwicklung Viskorf, DStR 1988, 205. 3 BFH v. 10.10.1973 – II R 33/68, BStBl. II 1974, 362. 4 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770 m.w.N. 5 BFH v. 4.7.2001 – II B 115/00, BFH/NV 2002, 69; v. 28.11.2003 – II B 143/02, BFH/NV 2004, 368. 6 BFH v. 27.1.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425. 7 BFH v. 10.10.1973 – II R 33/68, BStBl. II 1974, 362; v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61. 8 BFH v. 6.5.1969 – II 141/64, BStBl. II 1969, 630; v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413; v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61. 9 BFH v. 16.6.1999 – II R 55/97, BFH/NV 1999, 1376.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 64 § 16

Übereignungsanspruchs eingetragene Auflassungsvormerkung wieder gelöscht werden.1 Bei bestehender Auflassungsvormerkung bleibt der Veräußerer nämlich unabhängig vom Bestand des Kaufvertrages in seiner Verfügungsmacht beschränkt, da bei bestehender Vormerkung das Grundbuchamt nicht ohne weiteres eine Eintragung eines Dritten vornehmen darf. Die Anforderungen von § 16 Abs. 1 GrEStG sind schon erfüllt, wenn der Antrag auf Eintrag der Löschung dem Grundbuchamt vorliegt, die Löschung aber noch nicht erfolgt ist. Der BFH lässt es außerdem genügen, wenn der Erwerber dem Veräußerer eine der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilligung erteilt und der Veräußerer somit unabhängig vom vormerkungsberechtigten Erwerber die Löschung der Auflassungsvormerkung herbeiführen kann.2 Kann der Erwerber allerdings auf die Stellung des Löschungsantrags noch Einfluss nehmen, so liegen die Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 GrEStG nicht vor. Werden die Anforderungen im Hinblick auf eine Auflassungsvormerkung nicht erfüllt, so ist unbeachtlich, warum eine solche bestehen bleibt.3 Eine eingetragene Auflassungsvormerkung beeinträchtigt nämlich unabhängig von den Gründen die Verkehrsfähigkeit des Grundstückes. Hat der Erwerber zu eigenen Gunsten Grundpfandrechte erworben, in der Regel eine Grundschuld, so wird diese behandelt wie eine Auflassungsvormerkung, d.h. es ist mindestens erforderlich, dass der Erwerber dem Veräußerer eine (unbedingte) Löschungsbewilligung erteilt. Hängt die Möglichkeit, die Löschung der Auflassungsvormerkung zu beantragen, noch von der Rückzahlung des Kaufpreises im Sinne einer aufschiebenden Bedingung ab, besteht bis zur Rückzahlung des Kaufpreises auch noch eine verwertbare Rechtsposition.4 Ein erhaltener Kaufpreis bzw. eine Anzahlung hierauf ist zurückzuzahlen.5 Die Rückzahlung kann auch im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Veräußerers erfolgen.6 Es ist auch ausreichend, wenn der Erstkäufer sich vom Kaufvertrag lösen will und vom in den Kaufvertrag eingetretenen Zweitkäufer den Kaufpreis erhält.7 Die Rechtsprechung hat im Hinblick auf die Pflicht zur Rückzahlung der Gegenleistung allerdings bestimmte Einschränkungen zugelassen. Wenn dem Veräußerer die Rückzahlung unmöglich ist, etwa weil der Veräußerer insolvent wird, so ist diese ausnahmsweise nicht erforderlich.8 Der BFH hat es auch genügen lassen, wenn der Erwerber auf einen Teil der Rückzahlung verzichtet, um sich aus den vertraglichen Bindungen zu lösen.9 Dies ist sachgerecht, da dem Veräußerer § 16 Abs. 1 GrEStG nicht verschlossen werden sollte, weil der Erwerber auf seinen Anspruch verzichtet. Dennoch besteht eine gewisse Inkonsequenz im Verhältnis zu anderen Fällen, in denen die Voraussetzungen einer Rückgängigmachung nicht vorliegen. In diesen Fällen ist das Motiv bzw. der Grund für die Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nämlich irrelevant (vgl. Rz. 61). Dennoch bleibt es dabei, dass zumindest grundsätzlich die Rückzahlung des Kaufpreises erforderlich ist.10 Eine zusätzliche Entschädigung, die der Veräußerer dem Erwerber für seine Einwilligung zahlt, ist unschädlich und lässt den Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG unberührt.11 Der Veräußerer muss den Besitz am Grundstück zurückerlangen, die Lasten des Grundstücks tragen und die Nutzen aus dem Grundstück ziehen können.12

1 BFH v. 6.5.1969 – II 87/64, BStBl. II 1969, 556; v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 16.2.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495; v. 1.7.2008 – II R 36/07, BStBl. II 2008, 882; v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61; v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2997, 498. 2 BFH v. 1.7.2008 – II R 36/07, BStBl. II 2008, 882; II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. 3 Zutreffend Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 18. 4 FG Hessen v. 22.10.2020 – 5 K 35/20; Rev. anh.: BFH II R 38/20. 5 BFH v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61. 6 BFH v. 19.2.2009 – II R 61/07, BFH/NV 2008, 1698. 7 Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 28. 8 BFH v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. 9 BFH v. 21.12.1960 – II 194/57 U, BStBl. III 1961, 163; v. 4.12.1985 – II R 171/84, BStBl. II 1986, 271; zust. Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 27. 10 A.A.: Behrens/Schmitt, UVR 2008, 370 (275 f.). 11 BFH v. 21.12.1960 – II 194/57 U, BStBl. III 1961, 163; Hofmann11 § 16 GrEStG Rz. 28. 12 BFH v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61.

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§ 16 Rz. 65 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 65

Durch die Rückgängigmachung muss der Erwerber jede tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit verlieren. Er darf keine Möglichkeit behalten, seine wirtschaftlichen Interessen aufgrund einer Rechtsposition zu wahren, die er durch den Erwerbsvorgang erlangte.1 Rechtsposition in diesem Sinne darf nicht im Sinne einer Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG verstanden werden.2 Eine Rückgängigmachung kann auch dann scheitern, wenn die beim Erwerber verbleibende Rechtsposition unterhalb der Verwertungsmöglichkeit des § 1 Abs. 2 GrEStG bleibt. § 16 Abs. 1 GrEStG verlangt eine vollständige wirtschaftliche Rückabwicklung. Auch eine verbliebene Rechtsposition unterhalb der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG entspricht dem Bild der vollständigen Rückabwicklung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG nicht. f) (Keine) Berücksichtigung der Interessen des ursprünglichen Erwerbers bei der Weiterveräußerung durch den Veräußerer

66

Rechtspositionen des Erwerbers, die § 16 Abs. 1 GrEStG verhindern, können eine Einstandspflicht des Erwerbers aus einem neuen, zweiten Kaufvertrag oder eine Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Veräußerer im Interesse des ursprünglichen Erwerbers3 sein.

67

Zur Frage, wann eine Rückgängigmachung im Fall der Weiterveräußerung des Grundstücks im Interesse des ursprünglichen Erwerbers zu bejahen ist, hat sich eine umfassende Kasuistik herauskristallisiert, die im Folgenden dargestellt werden soll. Grundsätzlich werden bei der Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Veräußerer im Interesse des Erwerbers die gleichen Anforderungen gestellt, die allgemein im Rahmen des § 16 Abs. 1 GrEStG gelten. Der Veräußerer muss aus den ursprünglichen vertraglichen Bindungen gegenüber dem Ersterwerber entlassen werden.4 Für diese Frage kommt es allein auf die Rechtsbeziehungen zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien an. Die Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG bezieht sich auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang. Insofern ist die Steuerbarkeit der Weiterveräußerung irrelevant für die Frage der Rückgängigmachung.5 Der BFH hatte in seiner früheren Rechtsprechung6 die Rückgängigmachung davon abhängig gemacht, ob der Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 GrEStG steuerbar ist. Hieran wird aber nicht mehr festgehalten.7 Eine Rückgängigmachung kann auch dann scheitern, wenn die beim Erwerber verbleibende Rechtsposition unterhalb der Verwertungsmöglichkeit des § 1 Abs. 2 GrEStG bleibt.

68

In Weiterveräußerungsfällen ist eine tatsächliche Rückgängigmachung bei kumulativem Vorliegen von drei Merkmalen ausgeschlossen. In der Rechtsprechung hat sich ein Schema zur Prüfung dieser Merkmale herausgebildet.8 Eine Rückgängigmachung ist ausgeschlossen, wenn – dem Ersterwerber die Verwertungsmöglichkeit aus einer Rechtsposition verbleibt, die aus dem aufgehobenen Erwerbsvorgang stammt; der aufgehobene Erwerbsvorgang also de facto fortwirkt (vgl. Rz. 69 ff.), – von der aus dem Erwerbsvorgang verbliebenen Rechtsposition vom Erwerber auch tatsächlich im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung Gebrauch gemacht wird (vgl. Rz. 76 ff.) und – die Verwertung der Rechtsposition im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers geschehen ist (vgl. Rz. 77 ff.).

1 BFH v. 7.10.1987 – II R 123/85, BStBl. II 1988, 296; v. 17.2.1993 – II B 142/92, BFH/NV 1994, 56. 2 So auch BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301; dem widersprechend Behrens/Schmitt, UVR 2008, 370/371. 3 BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413. 4 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 23.8.2006 – II R 8/05, BFH/NV 2007, 273. 5 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700. 6 BFH v. 10.10.1973 – II R 33/68, BStBl. II 1974, 362; v. 7.10.1987 – II R 123/85, BStBl. II 1988, 296. 7 Viskorf, DStR 1988, 266. 8 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726; v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; v. 23.8.2006 – II R 8/05, BFH/NV 2007, 273; v. 7.11.2007 – III R 7/07, BFH/NV 2008, 403; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 72 § 16

Da die Merkmale kumulativ vorliegen müssen, ist eine Rückgängigmachung anzunehmen, wenn entweder eine grunderwerbsteuerlich maßgebliche Rechtsposition dem Erwerber nicht verbleibt oder eine bestehende Rechtsposition vom Erwerber tatsächlich nicht ausgeübt wird.1 aa) Verwertungsmöglichkeit einer Rechtsposition Eine Rückgängigmachung liegt nicht vor, wenn dem Erwerber eine Verwertungsmöglichkeit einer Rechtsposition verbleibt, die er aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang erlangt hat.

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Ob dem Erwerber die Verwertungsmöglichkeiten der Rechtsposition verbleiben, ist ausschließlich ob- 70 jektiv zu beantworten. Persönliche Bindungen spielen keine Rolle. Selbst für den Fall personeller oder sachlicher Verpflichtung zwischen Veräußerer und Erwerber scheitert eine Rückgängigmachung nur dann, wenn dem Erwerber eine aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang resultierende Rechtsposition verbleibt. Besteht zwischen Erwerber und Veräußerer eine gesellschaftsrechtliche Verbindung, so ändert dies den Prüfungsmaßstab nicht. Die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft und der anschließenden Weiterveräußerung des Grundstücks scheitert nicht allein daran, dass der Gesellschafter (auch) die Interessen der Gesellschaft wahrt.2 Eine gesellschaftsvertragliche Verbindung steht einer tatsächlichen Rückgängigmachung auch nicht entgegen, solange der Veräußerer seine Rechtsposition vollständig zurückerlangt.3 Dies soll nicht nur für gesellschaftsvertragliche Verbindungen zwischen Veräußerer und Erwerber, sondern auch für Verbindungen zwischen Erst- und Zweitkäufer gelten.4 Bei gesellschaftsvertraglichen Verbindungen ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob dem Ersterwerber eine Verwertungsmöglichkeit verbleibt, die den Erwerb durch den Zweitkäufer absichert.5 Methodisch ist die Frage, ob der Erwerber eine aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang stammende 71 Rechtsposition behalten hat, die ihm die Möglichkeit zur Verwertung einräumt, auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten.6 Die Gesamtwürdigung aller Umstände muss sich dabei auf die tatsächlichen Verhältnisse beziehen. Allein die naheliegende Vermutung von bestimmten wirtschaftlichen Interessen des Erwerbers am Schicksal des Grundstückes reichen nicht aus. Indizien können allerdings schon darin liegen, von wem die Initiative zur Rückgängigmachung ausging. Der BFH hat eine Rückgängigmachung in einem Fall abgelehnt, in dem von der Käuferseite die Initiative zur Rückgängigmachung und Weiterveräußerung ausging. Begründet wurde das damit, dass der Veräußerer sich dem erkennbaren wirtschaftlichen Eigeninteresse des Käufers unterordnete. Dokumentiert wurde dies insbesondere durch den zeitlichen Geschehensablauf.7 Ein (mit-)entscheidender Einfluss eines Dritten ist hierbei unbeachtlich.8 Als Rechtsposition kommt hierbei jedwede Rechtsposition aus dem Erwerbsvorgang in Betracht. 72 Diese muss lediglich unmittelbar auf dem ursprünglichen Erwerbsvorgang beruhen. Dazu gehören auch die Ansprüche, die sich bei Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergeben. Der Übereignungsanspruch aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der bedeutendste Anspruch. Aber auch der aus dem Rückgewährschuldverhältnis stammende Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises oder der Umstand, dass der Erwerber weiterhin in Besitz des Grundstücks ist sowie die Nutzungen daraus zieht, kann eine beachtliche Rechtsposition sein.9 Eine Rechtsposition liegt auch vor, wenn der Erwerber noch eine zu löschende Auflassungsvormerkung besitzt. Bei einer nicht 1 U.a. BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 11.10.1995 – II R 97/93, BFH/NV 1996, 260; v. 6.10.2010 – II R 31/09, BFH/NV 2011, 306. 2 FG Rh.-Pf. v. 2.1.1990 – 4 K 70/88, EFG 1990, 376. 3 BFH v. 11.10.1995 – II R 97/93, BFH/NV 1996, 260; FG Hamburg v. 23.5.2000 – I 174-99, EFG 2000, 1088. 4 Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 40; a.A.: FG Hamburg v. 23.5.2000 – I 174-99, EFG 2000, 1088. 5 FG Köln v. 27.4.2000 – 5 K 4668/98, UVR 2000, 398 mit Anm. Herlinghaus. 6 BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 23.8.2006 – II R 8/05, BFH/NV 2007, 273. 7 BFH v. 14.8.2001 – II B 85/00, BFH/NV 2001, 1605. 8 BFH v. 17.4.2002 – II B 120/00, BFH/NV 2002, 1170. 9 BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700.

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§ 16 Rz. 72 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung gelöschten Auflassungsvormerkung, für die auch noch keine Löschungsbewilligung erteilt wurde, handelt es sich um eine Rechtsposition, die einer Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG entgegensteht.1 Eine schädliche Rechtsposition wird insbesondere anzunehmen sein, wenn die Löschungsbewilligung erst in derselben oder in aufeinander folgenden Urkunden erteilt wird.2 73

Auch bei der vollmachtlosen Vertretung des Verkäufers sowohl beim Aufhebungsvertrag als auch beim Weiterveräußerungsvertrag behält der Ersterwerber zumindest bis zur Genehmigung des Aufhebungsvertrages die aus dem ursprünglichen Kaufvertrag erworbene Rechtsposition.3 Zumindest wenn der Weiterveräußerungsvertrag erst nach dem Aufhebungsvertrag zivilrechtlich wirksam wird, verbleibt dem Ersterwerber auch die Verwertungsmöglichkeit seiner Rechtsposition. Der BFH hat auch geurteilt, dass dem Ersterwerber die Verwertungsmöglichkeit verbleibt, wenn zwar der ursprüngliche Vertrag aufgehoben wird, aber in derselben Urkunde die Anteile an der grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft auf den Ersterwerber oder einen von ihm benannten Dritten übertragen werden.4 Werden beide Vorgänge nicht in einer Urkunde zusammengefasst und liegt zwischen den Vorgängen ein längerer Zeitraum, kann nur im Einzelfall entschieden werden, ob dem Ersterwerber eine Verwertungsmöglichkeit verbleibt. Ausdrücklich nicht erforderlich für die erforderliche Rechtsposition ist, dass der Erwerber eine Verwertungsmöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG verbleibt, da auch ohne eine solche Verwertungsmöglichkeit Veräußerer die wirtschaftliche Möglichkeit verlieren kann, das Grundstück selbst zu verwerten (vgl. auch oben Rz. 65).5 Liegt eine dementsprechende Verwertungsmöglichkeit allerdings vor, so hat der Erwerber auch eine die Rückgängigmachung hindernde Rechtsposition. Beispiele für eine Verwertungsmöglichkeit sind ein eingeräumtes Käuferbenennungsrecht oder ein Anspruch auf einen sich aus der Weiterveräußerung ergebenden Mehrerlös.6

74

Eine Rechtsposition des Erwerbers, die keine Verwertungsbefugnis darstellt, verhindert eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn der ursprüngliche Veräußerer seine anfängliche Rechtsposition nicht zurückerlangt, da das Grundstück schon vor Erklärung des Rücktritts durch den Erwerber durch den Veräußerer auf Veranlassung und im Interesse des Erwerbers an einen Dritten veräußert wird.7 Eine Rückgängigmachung scheidet auch aus, wenn der ursprüngliche Erwerber eine notarielle Vollmacht innehat und mithilfe dieser gleichzeitig zu notarieller Urkunde die Vertragsaufhebung erklärt und das Grundstück im Namen des Veräußerers auf einen von ihm ausgewählten Dritten überträgt.8

75

Die Rechtsprechung hat angenommen, dass einem vormerkungsgesicherten Ersterwerber, der zudem Grundpfandrechtsgläubiger ist, eine Rechtsposition verbleibt, wenn er den Weiterverkauf des Grundstücks an einen Dritten mit Kaufpreiszahlung an ihn erst nach Prüfung der Verträge über den Zweiterwerb genehmigt und die Löschung der Vormerkung bewilligt.9 Eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG ist auch abzulehnen, wenn eine Gestaltung gewählt wird, bei der diese im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung als Teil eines vorgefassten Gesamtplans anzusehen ist.10 Hierbei handelt es sich um eine originäre Auslegung des § 16 Abs. 1 GrEStG, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 42 AO ist. Im Rahmen eines solchen Gesamtplanes findet z.B. ein sog. „Vorratserwerb““ statt, der den späteren Grundstückserwerb eines Dritten (gleichzeitig mit der Aufhebung des ersten Erwerbsvorgangs) absichern soll.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BFH v. 21.1.2005 – II B 165/03, BFH/NV 2005, 2049; v. 5.10.2005 – II B 152/04, BFH/NV 2006, 127. BFH v. 1.7.2008 – II R 36/07, BStBl. II 2008, 882. BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301. BFH v. 5.9.2013 – II R 9/12, BFH/NV 2013, 2014; FG Berlin-Bdb. v. 16.6.2016 – 12 K 4041/12. BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/N V 2010, 2301; Viskorf, DStR 1988, 206. BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413; v. 17.2.1993 – II B 142/92, BFH/NV 1994, 56; v. 25.7.2000 – XI B 41/00, BFH/NV 2001, 204. BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413. BFH v. 10.7.1974 – II R 95/68, BStBl. II 1974, 771. BFH v. 25.7.2000 – XI B 41/00, BFH/NV 2001, 204. Vgl. Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 40. Noch auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung, die § 42 AO anwenden wollte: BFH v. 25.11.1953 – II 216/52 U, BStBl. III 1954, 21.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 77 § 16

bb) Tatsächliche Verwertung der Rechtsposition Die dem Erwerber nach der Rückgängigmachung verbliebene Rechtsposition muss von diesem auch 76 tatsächlich genutzt worden sein, um eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG auszuschließen.1 Die tatsächliche Ausübung einer dem Erwerber verbliebenen Rechtsposition ergibt sich aus den Vereinbarungen über die Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs und dem folgenden Weiterveräußerungsvertrag. Um eine Anwendung von § 16 Abs. 1 GrEStG auszuschließen, muss die tatsächliche Verwertung der verbleibenden Rechtsposition konkret festgestellt werden. Der Umstand, dass der ursprüngliche Veräußerer bei Rückabwicklung die Stellung eines Ersatzkäufers verlangt oder dass der Erwerber im Interesse eines Dritten handelt, bedeutet noch keine tatsächliche Verwertung einer dem Erwerber verbliebenen Rechtsposition. Notwendige und hinreichende Bedingung der tatsächlichen Verwertung ist die Einflussnahme des Ersterwerbers auf Inhalt und Durchführung des Weiterveräußerungsvertrages.2 Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung des Grundstückskaufvertrages das Grundstück weiterveräußert, wird der Veräußerer aus seinen Bindungen nicht entlassen, wenn der Ersterwerber auf die Weiterveräußerung Einfluss nehmen kann. So verwertet der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Grundstückskaufvertrag in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse, wenn er durch Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung bezüglich des ursprünglichen Kaufvertrages bestimmen kann, wer die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben darf. Dies gilt unabhängig von der Steuerbarkeit des Erwerbsvorgangs/Anteilserwerbs.3 In der Praxis lässt sich für die Finanzverwaltung eine Einflussnahme auf die Weiterveräußerung des Grundstücks bzw. der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft besonders leicht feststellen, wenn Aufhebung und weiterer Erwerbsvorgang in einer Urkunde zusammengefasst sind. Zur Verhinderung von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Anspruchs aus § 16 GrEStG gegenüber den Finanzbehörden sollten Aufhebung des Ersterwerbs und Zweiterwerb unbedingt in unterschiedlichen notariellen Urkunden erfolgen.

cc) Eigenes (wirtschaftliches) Interesse des Erwerbers an der Weiterveräußerung Um eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG auszuschließen, muss der Erwerber nicht nur eine aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang verbleibende Rechtsposition tatsächlich verwerten, dies muss auch im eigenen (zumeist: wirtschaftlichen) Interesse des Erwerbs geschehen sein. In der Praxis wirft dieses Kriterium zumeist die schwierigsten Abgrenzungsfragen auf. Das eigene (wirtschaftliche) Interesse des Erwerbers ist kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse des Erwerbers an der Weiterveräußerung des Grundstücks verhindert also nicht allein eine Anwendung von § 16 Abs. 1 GrEStG.4 Besteht ein eigenständiges (wirtschaftliches) Interesse, so indiziert dies nicht, dass der Erwerber eine aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang stammende Rechtsposition innehat. Eine solche Rechtsposition wird vom eigenen Interesse des Erwerbers vielmehr vorausgesetzt.5 Inhaltlich ist das eigene (wirtschaftliche) Interesse weit zu fassen. Es ist nicht auf die Erzielung eines Mehrerlöses beschränkt.6 Die Rechtsprechung hat es als ausreichend angesehen, wenn der ursprüngliche Erwerber das Grundstück einem ihm genehmen anderen zukommen lassen will.7 In der Praxis stellt sich das Eigeninteresse des Ersterwerbers freilich im Regelfall nicht als bloßes ideelles, sondern als wirtschaftliches Interesse dar.

1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 6.10.2010 – II R 31/09, BFH/NV 2011, 306. BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301. BFH v. 19.9.2018 – II R 10/16, BStBl. II 2019, 176. BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770. BFH v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1007. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 67. BFH v. 5.10.2005 – II B 152/04, BFH/NV 2006, 127: hier handelte es sich um eine durch Gesellschaftergeschäftsführer miteinander verbundene andere Gesellschaft.

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§ 16 Rz. 78 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 78

Der Rückgängigmachung immanent ist das Eigeninteresse des Erwerbers an der Vertragsaufhebung. Allein darin, dass der Erwerber sich vom Vertrag lösen will, kann also kein schädliches Eigeninteresse zu sehen sein.1 Da der Veräußerer zur Wahrung seiner berechtigten Interessen häufig die Stellung eines Ersatzkäufers verlangen wird, ist es unschädlich, wenn der Erwerber an der Weiterveräußerung mitwirkt, um sich vom Vertrag lösen zu können. Der BFH hat dies insofern bestätigt, als er entschieden hat, dass in der Stellung eines Ersatzkäufers zur Abwehr von Schadensersatzforderungen des Verkäufers kein schädliches Eigeninteresse liegt.2 Grundsätzlich ist die Finanzverwaltung verpflichtet, das wirtschaftliche Eigeninteresse des Erwerbers zu beweisen. Die Rechtsprechung hat vereinzelt Beweiserleichterungen im Sinne eines widerlegbaren Anscheinsbeweises angenommen. Zugunsten der Finanzverwaltung gilt ein Anscheinsbeweis, wenn der Ersterwerber am Zweiterwerber (Kapitalgesellschaft) maßgeblich beteiligt ist und den Kaufvertrag für diese unterschreibt.3 Es wird dann widerleglich vermutet, dass in diesem Fall der Erwerber (Gesellschafter) ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Weiterveräußerung hat. Ein weiterer Anscheinsbeweis wurde angenommen, wenn der Ersterwerber an einer Kapitalgesellschaft maßgeblich beteiligt ist und bei der Beurkundung sowohl für sich als auch als Vertreter dieser Gesellschaft (Zweiterwerberin) auftritt.4

79

Schon bei den Erwerbstatbeständen des § 1 GrEStG ist anerkannt, dass es nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg ankommt (vgl. § 1 Rz. 184). Diese Wertung setzt sich im Rahmen des § 16 GrEStG fort. Auch hier hat die Rechtsprechung bestätigt, dass es auf den wirtschaftlichen Erfolg nicht ankommt.5 Ob eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG vorliegt, ist allein danach zu entscheiden, ob die grunderwerbsteuerlich relevante Rechtsposition des Erwerbers fortbesteht. Besteht die Rechtsposition des Erwerbers auch nach der Rückgängigmachung fort, so scheidet § 16 Abs. 1 GrEStG aus. Es macht keinen Unterschied, ob der Ersterwerber im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung einen Mehrerlös erzielt oder ob seine Erwartungen sich im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung erfüllen.6 Auch darauf, ob das Grundstück zu den gleichen Bedingungen wie im aufgehobenen Kaufvertrag veräußert wurde, kommt es nicht an.7

80

Die im Zivilrecht geltende strenge Trennung zwischen der Kapitalgesellschaft, ihren Alleingesellschaftern und ihren Geschäftsführern/Vorständen setzt sich in der Grunderwerbsteuer nicht fort. Im Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer können diese Personen nicht Dritter sein (vgl. Rz. 82). Ist die Kapitalgesellschaft Erwerber, so muss sie sich die Interessen von Alleingesellschaftern und beim Vertragsabschluss auftretenden Vertretern als eigene wirtschaftliche Interessen zurechnen lassen.8 Der BFH hat die Anwendung von § 16 Abs. 1 GrEStG abgelehnt, wenn ein alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer die der GmbH verbliebenen Rechtsposition im eigenen Namen verwertet.9 Das eigene Interesse eines Gesellschafters kann auch darin bestehen, die wirtschaftlichen Folgen in den betrieblichen Bereich der Kapitalgesellschaft zu verlagern.10

81

Die bloße Einflussnahme auf die Weiterveräußerung durch den Erwerber führt nicht zum Verlust des Anspruchs aus § 16 Abs. 1 GrEStG.11 Dies hat der BFH im Hinblick auf einen Erwerber entschieden, der sich als Makler eine marktübliche Provision für die Beschaffung eines Ersatzkäufers verdient hat. Hierin erkennt man die Parallele zwischen § 16 GrEStG und § 1 GrEStG, auch hier kommt es auf den Erfolg nicht an.

1 BFH v. 4.12.1985 – II R 171/84, BStBl. II 1986, 271; v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301; v. 6.10.2010 – II R 31/09, BFH/NV 2011, 306. 2 BFH v. 6.10.2010 – II R 31/09, BFH/NV 2011, 306. 3 BFH v. 7.11.2007 – III R 7/07, BFH/NV 2008, 403. 4 BFH v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726; v. 7.11.2007 – III R 7/07, BFH/NV 2008, 403. 5 BFH v. 3.8.2006 – II B 170/05, BFH/NV 2007, 97. 6 BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 413. 7 BFH v. 17.4.2002 – II B 120/00, BFH/NV 2002, 1170. 8 BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301. 9 BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700. 10 BFH v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726; v. 7.11.2007 – III R 7/07, BFH/NV 2008, 403. 11 BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 84 § 16

Hingegen handelt es sich um keine Rückgängigmachung, wenn der Erwerber als Zwischenhändler auftritt. Dies soll vorliegen, wenn der Erwerber die Beschaffung und Vermittlung von Grundstücken und weitere Geschäftsbesorgungen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb übernimmt und wie ein Veräußerer das Grundstück an einen Dritten verkaufen lässt.1 § 16 GrEStG scheitert auch dann, wenn der Erwerber anderweitige Vermögensvorteile erhält. Anerkannt sind hierbei vor allem öffentliche Fördermittel.2 dd) Sonderfall: Die Rückgängigmachung bei Beteiligung Dritter Von Fällen, in denen der Erwerber, trotz Rückabwicklung eine verwertbare Rechtsposition behält, zu 82 unterscheiden sind solche Fälle, in denen ein Dritter verhindert, dass der ursprüngliche Veräußerer seine Rechtsposition zurückerhält. Erlangt der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsposition nicht wieder, da Bindungen gegenüber einem Dritten bestehen, so schließt das zumindest grundsätzlich nicht den Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG aus. Der BFH hat dies für Darlehensgeber und Grundpfandgläubiger in seiner Rechtsprechung bestätigt.3 Bindungen gegenüber einem Dritten können einen Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG aber auch komplett ausschließen. Das ist dann der Fall, wenn der Veräußerer seine Verfügungsbefugnis am Grundstück nicht mehr zurückerlangen kann. Eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG liegt nicht vor, wenn Grundpfandrechte zugunsten eines Darlehensgebers des Erwerbers eingetragen sind bzw. mit Zustimmung des ursprünglichen Veräußerers eingetragen bleiben und die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betrieben wird.4 Streng genommen um keine Fälle der Beteiligung Dritter handelt es sich bei Grundbuchpositionen, die sich der Erwerber vorbehält. Dabei lässt allein der Umstand, dass eine Eigentümergrundschuld zugunsten des Ersterwerbers nicht gelöscht wird, § 16 Abs. 1 GrEStG nicht scheitern.5 Hingegen hat der Erwerber noch eine gesicherte, § 16 Abs. 1 GrEStG ausschließende Rechtsposition, wenn er noch durch eine Vormerkung gesichert ist und einem Verkauf an einen Dritten und der Löschung seiner Grundbuchposition nur zustimmt, wenn der Kaufpreis an ihn gezahlt wird.6 4. Rückgängigmachung aufgrund Rechtsanspruchs (Abs. 1 Nr. 2) a) Gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht Während § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG von einer einvernehmlichen Rückabwicklung ausgeht, regelt § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Voraussetzungen der Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruchs, der einseitig und gegen den Willen der anderen am Erwerbsvorgang beteiligten Partei durchgesetzt werden kann. Ein gesetzliches oder vertragliches Recht zur Rückgängigmachung muss tatsächlich bestehen und ausgeübt werden.7

83

Es müssen entweder gesetzliche Ansprüche vorliegen oder Ansprüche, die sich aus dem Vertrag selbst ergeben. Der Begriff der Vertragsbedingungen ist zivilrechtlich in § 158 Abs. 2 BGB verwendet. Grunderwerbsteuerlich bedarf der Begriff allerdings einer eigenständigen Auslegung und wird als „Vertragsbestimmungen“ verstanden.8

84

1 2 3 4 5

BFH v. 9.3.1994 – II R 86/90, BStBl. II 1994, 412; v. 3.8.2006 – II B 170/05, BFH/NV 2007, 97. BFH v. 7.11.2007 – III R 7/07, BFH/NV 2008, 403. BFH v. 7.10.1987 – II R 123/85, BStBl. II 1988, 296. BFH v. 4.3.1999 – II R 18/97, BFH/NV 1999, 1376. BFH v. 18.1.1991 – VI B 140/89, BStBl. II 1991, 309 = FR 1991, 273; v. 17.5.2000 – II B 135/99, BFH/NV 2001, 204; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 72. 6 BFH v. 17.5.2000 – II B 135/99, BFH/NV 2001, 204. 7 Begr. GrEStG 1940, Reichssteuerblatt 1940, 411; BFH v. 8.6.1988 – II R 90/86, BFH/NV 1989, 728. 8 BFH v. 23.2.1956 – II 286/55 U, BStBl. III 1956, 131; v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683.

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§ 16 Rz. 84 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Es kann eine Parallele zur zivilrechtlichen Leistungsstörung (vgl. § 280 Abs. 1, § 323 Absatz Abs. 1 BGB) gezogen werden.1 b) Rechtsanspruch aa) Allgemeines 85

Die Rückgängigmachung muss auf einem bestehenden Anspruch beruhen. Dass die Parteien sich im Vergleichswege auf die Rückgängigmachung einigen, fällt nicht hierunter.2 Der den Anspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG begründende Rechtsanspruch muss tatsächlich bestehen. Rechtsansprüche können gesetzlicher oder vertraglicher Natur sein. Es ist auch möglich, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages sich gleichzeitig mit einer gesetzlichen und einer vertraglichen Grundlage begründen lässt. Für grunderwerbsteuerliche Zwecke reicht es dann aus, wenn sämtliche Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs gegeben sind. bb) Gesetzliche Ansprüche

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In den meisten Fällen liegt schon ein gesetzlicher Anspruch vor, auf dem die Rückgängigmachung basiert. Das Grunderwerbsteuerrecht regelt die Voraussetzungen der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nicht. Es handelt sich vielmehr hierbei um eine (zivilrechtliche) Vorfrage. Die gesetzlichen Voraussetzungen müssen vollständig erfüllt sein. Für die Grunderwerbsteuer sind alle zivilrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Das Finanzamt und das FG sind dabei berechtigt, die zivilrechtlichen Fragen inzident zu prüfen. Bei den folgenden gesetzlichen Ansprüchen handelt es sich um Gestaltungsrechte, die das ursprüngliche Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestalten. Gestaltungsrechte müssen durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt werden. Bevor die Erklärung des Gläubigers, „rückabwickeln zu wollen“, zugegangen ist, entsteht auch der grunderwerbsteuerliche Anspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht.

(1) Rücktritt wegen Nichterfüllung 87

Ein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 BGB kann sich ergeben, wenn entweder eine Nichtoder eine Schlechtleistung vorliegt (§ 323 BGB). Außerdem können Rückabwicklungsansprüche auch entstehen, wenn Rücksichtspflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB verletzt werden. Zumindest für Zwecke der Grunderwerbsteuer stellt die Nichtzahlung der Grunderwerbsteuer durch den Käufer keine solche Verletzung von Rücksichtspflichten dar.3 Im Bereich der Rücksichtspflichten rechtfertigt nicht jede Verletzung eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages. Ob rückabzuwickeln ist und damit die Grunderwerbsteuer nicht anfällt bzw. zu erstatten ist, ist eine Einzelfallentscheidung. (2) Rücktritt wegen Unmöglichkeit

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Ist die Erbringung der Leistung dem Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB unmöglich geworden, so steht dem Gläubiger nach § 326 Abs. 5 BGB ein Rücktrittsrecht zu. Bei den grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgängen handelt es sich im Regelfall nicht um absolute Fixgeschäfte, so dass eine verspätete Leistung nicht zur Unmöglichkeit führt. Erbringt der Schuldner seine Leistung also nicht zum vereinbarten Zeitpunkt, wird der Gläubiger nur über die Nicht- bzw. Schlechtleistung nach § 323 BGB zu einem Rücktrittsrecht und einer Rückabwicklung kommen.

1 Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 39 f., Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 57. 2 BFH v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698. 3 So FG Nürnberg v. 11.3.2010 – 4 K 915/2008, BeckRS 2010, 26029594; dagegen: Grziwotz, NJW 2000, 2646.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 93 § 16

(3) Rückabwicklung wegen Störung der Geschäftsgrundlage Zivilrechtlich ist auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 89 Abs. 3 Satz 1 BGB, anerkannt.1 Primär besteht im Fall der Störung der Geschäftsgrundlage allerdings ein Anspruch auf Vertragsanpassung. Dieser geht nur dann in einen Anspruch auf Rücktritt über, wenn eine Anpassung des ursprünglichen Vertrages nicht möglich oder nicht zumutbar ist.2 Geschäftsgrundlage sind nur Aspekte, die von beiden Vertragsparteien beim Vertragsschluss vorausgesetzt wurden. Die Verwendung des Kaufgegenstandes auf Seiten des Käufers ist regelmäßig allerdings nur Motiv des Käufers. Die Bebaubarkeit ist ein solches einseitiges Motiv, das nicht zur Rückabwicklung führt. (4) Rückabwicklung aus Bereicherungsrecht Bereicherungsrechtliche Ansprüche können eine Rückgängigmachung nicht rechtfertigen. Sie sind subsidiär zum vertraglichen Rückgewährschuldverhältnis und kommen insofern nur bei Nichtigkeit in Betracht. Bei einem anfänglich nichtigen Erwerbsvorgang, der von den Parteien auch nicht als wirksam behandelt wurde (sonst: § 1 Abs. 2 GrEStG), liegt aber schon kein steuerbarer Vorgang vor (vgl. § 1 Rz. 213).

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cc) Vertragliche Ansprüche Neben gesetzlichen Rücktrittsrechten erfüllt auch ein vertragliches Rücktrittsrecht die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Zwei unterschiedliche Fälle lassen die Grunderwerbsteuer wegfallen bzw. führen zu einem Erstattungsanspruch. Einerseits fällt unter § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ein Rücktrittsrecht, das vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängt. Dieses ist von der Rückgängigmachung beim Eintritt von auflösenden Bedingungen streng zu trennen (vgl. Rz. 28 ff.). Auch unter § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG fällt das vertraglich vorbehaltene Rücktritts- oder Widerrufsrecht, das für den Fall der Nichterfüllung von Vertragsbedingungen vertraglich vorgehen wurde.3 Dies dürfte in der Praxis den häufigsten Anwendungsfall darstellen. Die Rechtsfolgen des vertraglichen Rücktritts ergeben sich wie beim gesetzlichen Rücktritt aus den § 346 ff. BGB.

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In vielen Fällen werden sich gesetzliches und vertragliches Rücktrittsrecht überlagern. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist es dann unerheblich, auf welche Rechtsgrundlage die Rückgängigmachung sich stützen lässt, solange zumindest eine vollständig erfüllt ist.

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Schon beim Erwerbsvorgang – vor allem beim Kaufvertrag, aber auch in den Fällen der Anteilsvereinigung – sollte geprüft werden, ob zusätzliche vertragliche Rücktrittsgründe Sinn ergeben. Zur Absicherung der üblichen Risiken sind die gesetzlichen Bestimmungen des Zivilrechts völlig ausreichend. Regelt man vertraglich, dass die gesetzlichen Rücktrittsgründe ausdrücklich nicht gelten sollen und ersetzt man diese durch einen ganzen Katalog selbst vereinbarter Rücktrittsgründe, so riskiert man damit, dass der später eintretende Fall gerade von diesen Gründen nicht erfasst ist. Über die Rechtsinstitute der ergänzenden Vertragsauslegung und der Störung der Geschäftsgrundlage lassen sich unter Umständen noch die Voraussetzungen der grunderwerbsteuerlichen Rückgängigmachung erfüllen. Aber zumindest aus grunderwerbsteuerlicher Hinsicht birgt ein zu enges Korsett eigener Rücktrittsgründe auch ein beträchtliches Risiko. Insofern sollte zumindest subsidiär auch eine Rückabwicklung auf Grundlage der gesetzlichen Rücktrittsgründe zugelassen werden.

In vielen Fällen basiert in der Praxis eine Rückabwicklung gerade nicht auf einem einseitig durchgesetzten Recht, sondern darauf, dass man sich zur Prozessvermeidung auf eine Rückabwicklung einigt. Gerade in diesen Situationen dienen die Rücktrittsrechte keinen zivilrechtlichen Zwecken mehr, sondern werden nur noch für die Besteuerung benötigt. 1 Loyal, NJW 2013, 417. 2 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498; zu § 16 Abs. 2 Nr. 3 vgl. BFH v. 23.2.1956 – II 286/55 U, BStBl. III 1956, 131; v. 10.6.1969 – II 41/65, BStBl. II 1969, 559; v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698. 3 Zur Parallelsituation des § 16 Abs. 2 Nr. 3: BFH v. 26.11.1980 – II R 139/74, BStBl. II 1976, 347.

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93

§ 16 Rz. 93 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Die Finanzverwaltung wird unklare Rücktrittsrechte nur selten nach dem wahren Willen der Beteiligten interpretieren, sondern die Rücktrittsrechte zulasten des Steuerpflichtigen als nicht gegeben ansehen. Insofern ist eine besonders sorgfältige Dokumentation geboten.

dd) Rückgängigmachung „auf Grund eines Rechtsanspruchs“ 94

Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG verlangt, dass aufgrund eines Rechtsanspruchs die Rückgängigmachung erfolgt ist. Es müssen also ein Rechtsanspruch vorliegen, der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden sein und das eine auf dem anderen beruhen (kausale Verknüpfung). Für die Kausalität ist es nicht erforderlich, dass die Rückgängigmachung tatsächlich durch eine einseitige Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) bzw. Erklärung des Widerkaufs (§ 456 BGB) herbeigeführt wurde. Eine Rückgängigmachung kann auch einvernehmlich, etwa durch eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten herbeigeführt werden. In der Praxis werden die Beteiligten zur umfassenden Klarstellung aller bestehenden und nicht bestehenden Ansprüche oftmals einen Aufhebungsvertrag schließen. Es reicht aber auch aus, wenn sich aus den Umständen, insbesondere dem Verhalten der Beteiligten ergibt, dass ein Rücktrittsrecht anerkannt wird.1

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In der Anerkennung der übereinstimmenden Rückgängigmachung als Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruchs liegt ein Umgehungsrisiko. Deshalb wird bei der einvernehmlichen Rückgängigmachung verlangt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Rücktritts- bzw. Wiederkaufsrecht unbestritten feststand und ohne die Vereinbarung auch einseitig hätte durchgesetzt werden können.2 Eine Dokumentation des Vorliegens des Rücktrittsrechts ist hier von besonderer Bedeutung. Rechtsansprüche, die erst im Aufhebungsvertrag erstmals gewährt werden, bleiben grunderwerbsteuerlich im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unberücksichtigt, da diese nur bei anfänglicher Vereinbarung § 16 Abs. 1 GrEStG genügen würde. Ob auch ein Vergleich eine Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG darstellt, ist umstritten. In einem frühen Urteil hatte der BFH dies verneint.3 Überzeugender erscheint es allerdings, einen Vergleich zumindest dann für die Rückgängigmachung zuzulassen, wenn der Vergleich zumindest konkludent das einseitige Recht, den Erwerbsvorgang rückgängig zu machen, nur bestätigt.4 Der Rücktritt muss zur vollständigen Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs führen. Das bedeutet, dass sämtliche Leistungen nach den § 346 ff. BGB zurückzugewähren sind. In Insolvenzfällen wird die tatsächliche Rückgängigmachung erst durch Geltendmachung der Forderung wegen Nichterfüllung durch Anmeldung zur Tabelle bewirkt.5 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Sanierung6 grunderwerbsteuerlich noch keine Bedeutung. Anders als § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG enthält Nr. 2 keine Frist. Die Aufhebung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung ist allerdings nur innerhalb der allgemeinen Festsetzungsfrist, modifiziert um die besondere Ablaufhemmung des § 16 Abs. 4 GrEStG (vgl. Rz. 166 ff.), möglich.

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Einstweilen frei.

1 2 3 4 5 6

BFH v. 21.12.1960 – II 194/57 U, BStBl. III 1961, 163; v. 10.6.1969 – II 41/65, BStBl. II 1969, 559. BFH v. 8.6.1988 – II R 90/86, BFH/NV 1989, 728. BFH v. 21.12.1960 – II 194/57 U, BStBl. III 1961, 163; dem folgend: Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 38. Vgl. Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 64. BFH v. 14.1.1976 – II R 149/74, BStBl. II 1976, 347. Vom Gesetzgeber zuletzt gestärkt durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2582.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 100 § 16

V. Rückgängigmachung nach Eigentumsübergang/Rückerwerb durch den Veräußerer (Abs. 2) 1. Allgemeines In § 16 Abs. 1 GrEStG sind Fälle geregelt, in denen der ursprüngliche Veräußerer das Eigentum zurückerlangt, weil der ursprüngliche Erwerbsvorgang wieder beseitigt wurde. In Abs. 2 dagegen regelt der Gesetzgeber die grunderwerbsteuerlichen Folgen, wenn der ursprüngliche Erwerbsvorgang bereits vollzogen ist und der ursprüngliche Veräußerer das Eigentum zurückerhält, weil in einem zweiten (Erwerbs-)Vorgang das Eigentum an ihn zurückgefallen ist. Es kommt also zum ursprünglichen Erwerbsvorgang ein weiterer hinzu.

97

§ 16 Abs. 2 GrEStG ist auf jeden ursprünglichen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG anwendbar.1 Ursprünglicher Erwerbsvorgang und den Rückerwerb bewirkender Erwerbsvorgang müssen sich nicht entsprechen. Der Rückerwerb muss nur den besonderen Anforderungen des § 16 Abs. 2 GrEStG genügen. Sowohl ursprünglicher als auch späterer Erwerbsvorgang müssen der Steuer nicht unterlegen haben.2 Rechtsfolge des § 16 Abs. 2 GrEStG ist die Freistellung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs und des Rückerwerbsvorgangs von der Grunderwerbsteuer. Während § 16 Abs. 1 GrEStG also nur einen einzelnen Vorgang von der Besteuerung ausnimmt, ordnet Abs. 2 das für zwei verschiedene Vorgänge an. § 16 Abs. 2 GrEStG normiert in Nr. 1 bis 3 drei verschiedene Fälle, in denen die Belastung mit Grunderwerbsteuer für den ursprünglichen Erwerb und den Rückerwerb wegfällt: – Rückerwerb durch den ursprünglichen Veräußerer innerhalb von zwei Jahren, – Nichtigkeit von Anfang an oder durch spätere Erklärung der Anfechtung und – Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruchs. Allen Fällen ist gemeinsam, dass nach Erwerb und Rückerwerb der ursprüngliche Eigentümer in seine alte Position zurückkehrt. Im Fall des Rückerwerbs (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) muss dieser innerhalb von zwei Jahren geschehen. In den anderen Fällen gilt nur die allgemeine Festsetzungsverjährung, modifiziert durch § 16 Abs. 4 GrEStG.

98

2. Anwendbarkeit des Abs. 2 bei Sicherungsmitteln Wird ein Gebäude auf fremdem Boden unter einer auflösenden Bedingung im Rahmen der Sicherungsübereignung übertragen, so ist die spätere Rückübertragung nach Abs. 2 und nicht nach Abs. 1 zu beurteilen. Im Rahmen von Treuhandgeschäften (Vgl. § 1 Rz. 61) sind zwei verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden. Wird im Rahmen eines Treuhandgeschäfts ein Grundstück vom Treuhänder auf den Treugeber zurückübertragen, ist dieser Vorgang entweder schon nach § 3 Nr. 8 GrEStG steuerfrei, oder es findet § 16 Abs. 2 GrEStG darauf Anwendung.3 Hatte der Eigentümer eines Grundstücks dem Treugeber die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück eingeräumt und wird die Treuhandvereinbarung später aufgehoben, so kommen grundsätzlich sowohl § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG in Betracht (vgl. zu den Einzelheiten der Treuhandgeschäfte bei § 1 Rz. 61).

99

In den allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen unterscheiden sich § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG nicht. Beide Absätze setzen voraus, dass die Rückgängigmachungen, bei Abs. 2 allerdings in einem Rückerwerbsvorgang bestehend, tatsächlich wirtschaftlich durchgeführt werden.

100

1 Vgl. im Gegensatz dazu zu den Erwerbsvorgängen, auf die § 16 Abs. 1 Anwendung findet, Rz. 33. 2 BFH v. 17.2.1954 – II 14/53 U, BStBl. III 1954, 99. 3 Gleichlautende Erlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, DStR 2008, 355.

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§ 16 Rz. 101 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 3. Rückerwerb des Eigentums 101

Für alle drei Tatbestände des Abs. 2 gilt, dass eine Anwendung nur in Betracht kommt, wenn der ursprüngliche Veräußerer das Eigentum rechtlich und wirtschaftlich zurückerlangt. Es ist also zunächst eine rechtliche Rückübertragung vom Erwerber auf den Veräußerer erforderlich.1 Bei der Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG ist es unbeachtlich, wenn der Erwerb oder der Rückerwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.2 Der BFH hatte dies in einem Erbbaurechtsfall erörtert, diese werden aufgrund geänderter Rechtsprechung nunmehr gänzlich anders behandelt.3 M.E. sollte die allgemeine Aussage zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Steuerbarkeit weiterhin bestehen. Eine bestimmte Art des Rückerwerbs ist dabei nicht vorgeschrieben. Insbesondere muss der Rückerwerb weder dem Erwerb entsprechen noch ihn aufheben. Es ist allerdings erforderlich, dass der Veräußerer das volle – nicht belastete – Eigentum am Grundstück zurückerlangt. Der Rückerwerb muss unmittelbar durch den Veräußerer erfolgen. Es ist also Personenidentität erforderlich. 4. Tatsächlicher Rückerwerb

102

Ein bloßer rechtlicher Rückerwerb reicht nicht aus, um einen Wegfall der Grunderwerbsteuer auf Erwerb und Rückerwerb zu rechtfertigen. Insofern verlangt die Rechtsprechung darüber hinaus, dass das Grundstück auch tatsächlich zurückerworben wurde. Dies ist der Fall, wenn die Beteiligten aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt und der Erwerber keinen Einfluss auf das Schicksal des Grundstücks mehr hat. Die bloße formelle Rückübertragung erfüllt die Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 GrEStG nicht. Es ist erforderlich, dass der Veräußerer die volle Verfügungsfreiheit über das Grundstück zurückerlangt.4 Ansonsten scheidet die Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG aus.

103

In dieser Hinsicht gleicht der tatsächliche Rückerwerb i.S.d. § 16 Abs. 2 GrEStG der tatsächlichen Rückgängigmachung i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG. In beiden Fällen muss die Rückerlangung der ursprünglichen Position des Veräußerers auch wirtschaftlich vollzogen werden und nicht nur juristisch vorliegen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zu den Erwerbsvorgängen der § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG. Der ursprüngliche Erwerbsvorgang darf steuerlich nur negiert werden, wenn die Rückgängigmachung/der Rückerwerb den Erwerbsvorgang wirtschaftlich aufhebt.

104

Der ursprüngliche Veräußerer muss seine vorherige Position zurückerlangen, im Regelfall ist das Volleigentum am Grundstück zurückzuübertragen. Wird dem Veräußerer durch den Erwerber lediglich ein Erbbaurecht am Grundstück eingeräumt, so liegt keine Rückübertragung des Eigentums vor. In diesem Fall liegen sogar zwei steuerbare Erwerbsvorgänge (Eigentumserwerb durch den Erwerber, Erwerb des Erbbaurechts durch den Veräußerer) vor.5

105

Der tatsächliche wirtschaftliche Rückerwerb liegt erst dann vor, wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt,6 es darf dem Erwerber keine grunderwerbsteuerlich relevante Rechtsposition verbleiben. Zeitlich liegt der tatsächliche Rückerwerb erst vor, wenn der ursprüngliche Veräußerer wieder im Grundbuch eingetragen ist.7 Wurde ursprünglich das Eigentum übertragen hat, der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsposition nicht (ohne Eintragung ins Grundbuch) zurückerlangt, wenn ihm nur die Verwertungsbefugnis übertragen wird.

106

In formaler Hinsicht stellt § 16 Abs. 2 GrEStG keine besonderen Anforderungen an den Rückerwerb. Es ist nicht erforderlich – aber auch nicht schädlich – dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang explizit aufgehoben wird. Schreibt das Zivilrecht eine besondere Form vor, etwa nach § 311b Abs. 1 BGB die 1 2 3 4

BFH v. 27.1.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425. BFH v. 17.2.1954 – II 14/53 U, BStBl. III 1954, 99; G/B/B/S6, Kapitel 10 Rz. 39. So auch Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 21. BFH v. 27.1.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425; v. 6.10.1976 – II R 131/74, BStBl. II 1977, 253; v. 2.12.1987 – II R 94/85, BFH/NV 1989, 253; v. 17.10.1990 – II R 148/87, BFH/NV 1991, 413. 5 BFH v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 71. 6 BFH v. 14.8.2001 – II B 85/00, BFH/NV 2001, 1605. 7 BFH v. 26.11.1952 – II 43/52 S, BStBl. III 1953, 16; v. 9.10.1974 – II R 67/68, BStBl. II 1975, 245.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 110 § 16

notarielle Beurkundung, so ist diese für die Wirksamkeit des Rückerwerbs erforderlich, insofern auch grunderwerbsteuerlich einzuhalten. In Einzelfällen sieht die Finanzverwaltung im Hinblick auf einzelne Rückerwerbstatbestände besondere Formalien vor.1 Eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG in Fällen einer Besteuerung nach § 5 Abs. 3 GrEStG wegen fehlender Gesamthandsberechtigung scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Dies hat der BFH im Fall einer dreigliedrigen GbR entschieden.2 Die drei Gesellschafter hatten ein Grundstück gemeinsam in die Gesellschaft eingebracht. Noch innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 GrEStG trat ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so dass anteilig die Steuerbefreiung auf die ursprüngliche Einbringung wegfiel. Der Gesellschafter trat sodann wieder in die Gesellschaft ein und berief sich auf § 16 Abs. 2 GrEStG analog.

107

5. Identität der Beteiligten Der Anspruch aus § 16 Abs. 2 GrEStG soll sicherstellen, dass keine Besteuerung anfällt, wenn ein Grundstück vom ursprünglichen Erwerber an den Veräußerer zurückübertragen wird und somit wirtschaftlich keine Grundstücksübertragung vorliegt. Dies setzt voraus, dass der ursprüngliche Eigentümer auch am Ende wieder Eigentümer des Grundstücks ist. Des Weiteren wird verlangt, dass ein unmittelbarer Rückerwerb vorliegt, also der Rückerwerb unmittelbar zwischen ursprünglichem Veräußerer und Erwerber stattfand. Dies führt dazu, dass ein Anspruch aus § 16 Abs. 2 GrEStG grundsätzlich nicht besteht, wenn der Erwerber das Grundstück weiterveräußert hat und der Zweiterwerber das Grundstück auf den ursprünglichen Veräußerer zurücküberträgt.3

108

Ist eine OHG Veräußerer eines Grundstücks und erwirbt einer ihrer Gesellschafter nach der Weiter- 109 veräußerung des Grundstücks durch den Erwerber auf einen Dritten das Grundstück von diesem Dritten, so liegt keine Identität der Beteiligten vor. Das ertragsteuerliche Konzept der transparenten Besteuerung von Personengesellschaften greift bei den Verkehrssteuern im Allgemeinen und der Grunderwerbsteuer im Speziellen nicht. Hier ist die OHG eigenständiges Steuersubjekt, insofern besteht keine Identität zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Identität der Beteiligten hat die Rechtsprechung für das „verein- 110 fachte Verfahren“ bei der Rückabwicklung von Kettengeschäften zugelassen (vgl. Rz. 116). Anwendbar ist § 16 Abs. 2 GrEStG – obwohl streng genommen der Erwerber das Grundstück an einen Zweiterwerber weiterübertragen hat (Zwischenerwerb) – wenn der Zwischenerwerb des Zweiterwerbers auf einer Universalsukzession beruhte und der ursprüngliche Veräußerer das Grundstück vom Gesamtrechtsnachfolger zurückerwirbt.4 Existieren mehrere Erben, so ist Gesamtrechtsnachfolger die Erbengemeinschaft und nicht der einzelne Erbe, insofern steht auch der Anspruch aus § 16 Abs. 2 GrEStG der Erbengemeinschaft zu.5 Auch eine Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des ursprünglichen Veräußerers steht einer Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen. Im Fall der Universalsukzession in Gestalt des Erbanfalls kann der Erwerber das Grundstück also an den Erben rückübertragen. Bei mehreren Erben muss die Rückübertragung auf die Erbengemeinschaft erfolgen, der Rückerwerb eines einzelnen Erben fällt nicht unter § 16 Abs. 2 GrEStG.6 Besteht der Zwischenerwerb hingegen in einer Singularsukzession, so kommt eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG nicht in Betracht.

1 2 3 4 5

FinMin. BW v. 7.8.2000, DB 2002, 2020, Tz. 2. BFH v. 29.9.2005 – II R 35/04, BStBl. II 2006, 43. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 201. BFH v. 16.1.1963 – II 58/61, BeckRS 1963, 21007674. BFH v. 18.11.2015 – II B 33/15, ZEV 2016, 286; Sächsisches FG v. 26.2.2015 – 4 K 1323/12 (Vorinstanz), ZEV 2015, 492. 6 BFH v. 6.6.1984 – II R 184/81, BStBl. II 1985, 261.

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§ 16 Rz. 110 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Konsequenterweise gilt das in gleichem Maße auf Seiten des Erwerbers. Wird das Grundstück vom Gesamtrechtsnachfolger des Erwerbers zurückübertragen, so liegt eine unmittelbare Rückübertragung vom Erwerber auf den Veräußerer vor.1 111

Ausnahmen gelten auch bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen, die zu einer Zwischenverfügung führen. Zwischenverfügungen auf der Grundlage des Umwandlungsgesetzes sind grundsätzlich unschädlich. Nicht gänzlich geklärt ist die Frage, ob auch die Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den letzten Gesellschafter einer Personengesellschaft eine unschädliche Zwischenverfügung darstellt. Da es sich bei der Anwachsung um einen gesetzlichen Fall der Gesamtrechtsnachfolge handelt, sprechen die besseren Argumente dafür, die Anwachsung für eine unschädliche Zwischenverfügung zu halten.2 Eine Identität der Beteiligten soll danach dann vorliegen, wenn der vorletzte Gesellschafter einer grundbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligung überträgt, die Personengesellschaft damit vollbeendet wird und eine beteiligungsidentische neue GbR das Grundstück nach Aufhebung des Vertrages über die Beteiligungsübertragung zurückerwirbt.3

112

Bei den meisten familienrechtlichen Zwischenverfügungen ist § 16 Abs. 2 GrEStG anwendbar. Wenn Veräußerer oder Erwerber verstorben sind, liegt keine schädliche Zwischenverfügung vor, wenn die Erben als allgemeine Rechtsnachfolger auftreten.4 Auch der Umstand, dass das von einem Ehegatten erworbene Grundstück ohne rechtgeschäftlichen Akt in das Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft i.S.d. § 1416 Abs. 1 Satz 2 BGB fällt, stellt keine schädliche Zwischenverfügung dar, so dass ein Rückerwerb durch den ursprünglichen Veräußerer unter § 16 Abs. 2 fällt. Diese Ausnahme gilt allerdings nur für den rechtsgeschäftslosen Erwerbsakt. Liegt als Zwischenverfügung ein normaler Erwerbsvorgang zwischen den Ehegatten vor, so verhindert diese eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG, da der ursprüngliche Veräußerer nicht mehr vom ursprünglichen Erwerber zurückerwirbt.5 Grundsätzlich hat die Einführung der Steuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten nach § 3 Nr. 4 GrEStG nichts daran geändert. Allerdings kann der Erwerbsvorgang zwischen den Ehegatten nach § 16 Abs. 2 GrEStG steuerfrei rückgängig gemacht werden, um dann einen Rückerwerb vom ursprünglichen Erwerber zu ermöglichen.6 Die eheliche Gütergemeinschaft ist eine Gesamthandsgemeinschaft, die in der Grunderwerbsteuer nicht als eigener Rechtsträger angesehen wird. Rechtsträger sind die Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaft, also die Eheleute als natürliche Personen. Den Ehegatten ist ein Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hälftig zuzurechnen.7 Veräußern die Ehegatten ein der ehelichen Gütergemeinschaft gehörendes Grundstück an einen Dritten und erwirbt nur ein Ehegatte das Grundstück später zurück, so wird die Grunderwerbsteuer nur hälftig nach § 16 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. Dies hat der RFH im Fall der Ehescheidung entschieden.8 Aber auch in anderen Situationen soll dies gelten, so etwa bei Änderung des Güterstandes. Auch über die Befreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG für Geschäfte zwischen Ehegatten kann keine vollständige Nichterhebung erreicht werden, da der finale Rückerwerb nicht „durch den Ehegatten […] des Veräußerers“ (allein) erfolgt.9 6. Identität des Grundstücks

113

Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 GrEStG setzt die Rückübertragung des Eigentums „an dem veräußerten Grundstück“ voraus. Die Grunderwerbsteuer entfällt also nur, wenn sich das ursprünglich veräußerte Grundstück und das zurückerworbene Grundstück entsprechen, sie also identisch sind. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

FG Nürnberg v. 28.4.2020 – 4 K 1791/18, UVR 2020, 237. So auch Hofmann11 § 16 GrEStG Rz. 27; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 201. FG Berlin v. 18.9.2003 – 1 K 1097/03, EFG 2004, 220. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 201. RFH v. 8.5.1928 – I A 453/27, RStBl. 1928, 210. Vgl. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 203. Dies galt vor Erlass der AO 1979 nach § 11 Nr. 5 StAnpG und § 1476 Abs. 1 BGB. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 204. So auch Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 204.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 116 § 16

Erwirbt der Veräußerer ein „Ersatzgrundstück“, scheidet eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG aus.1 Entsprechend dieser Grundsätze kommt beim Rückerwerb eines Teilgrundstücks eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG auch nur bezogen auf das Teilgrundstück in Betracht. Wird das auf dem Grundstück stehende Gebäude in Wohneigentum umgewandelt, so stellt der Erwerb einer Eigentumswohnung (sog. Tauschmodell) keinen Erwerb einer Teilfläche und damit keinen Fall des § 16 Abs. 2 GrEStG dar.2 § 16 Abs. 2 GrEStG findet auch keine Anwendung beim Erwerb eines Erbbaurechts am Grundstück durch den Veräußerer. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht das Erbbaurecht einem Grundstück gleich. Es ist nicht lediglich ein Teil eines Grundstücks. Insofern handelt es sich bei der Übertragung um einen eigenständigen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG und nicht um einen gegenläufigen Rückerwerb.3 Erwerber und Veräußerer halten an dem ursprünglichen Grundstückskaufvertrag fest und wollen dessen Rechtsfolgen. Die Identität des Grundstücks bezieht sich ausschließlich auf die Grundstücksfläche. Sowohl (bauli- 114 che) Veränderungen am Grundstück als auch Wertveränderungen verhindern eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG nicht. Unter die (baulichen) Veränderungen am Grundstück zwischen Veräußerung und Rückerwerb, die eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG grundsätzlich nicht verhindern, fallen Reparaturen, Anund Umbauten, der Abbruch von Gebäuden, bei Land- und forstwirtschaftlichen Gebäuden auch die Veränderung der Bepflanzung.4 Der BFH hat dies damit begründet, dass nach § 2 GrEStG den baulichen Anlagen und sonstigen Wertverbesserungen keine eigenständige Bedeutung zukommt. Auch den Zweck des § 16 GrEStG, die Rückabwicklung fehlgeschlagener Erwerbsvorgänge (unabhängig von der zwischenzeitlichen Verwendung) zu ermöglichen, hat die Rechtsprechung zum Beleg hierfür herangezogen. Wertveränderungen des Grundstücks, die aus den Veränderungen des Grundstücks resultieren, schließen eine Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG auch nicht teilweise aus. Das gilt sowohl für Werterhöhungen, für die der Veräußerer beim Rückerwerb eine Zuzahlung leisten hat, als auch für Wertminderungen, die zu einem niedrigeren Rückerwerbskaufpreis führen. In beiden Fällen ist die Grunderwerbsteuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang und den Rückerwerb vollständig nicht festzusetzen bzw. zu erstatten. 7. Unmittelbarkeit des Rückerwerbs Da der Rückerwerb zumindest dem Grunde nach das Spiegelbild des ursprünglichen Erwerbsvorgangs ist, muss er nicht nur zwischen den gleichen Beteiligten, sondern auch unmittelbar zwischen ihnen vollzogen werden. Es werden zwar teilweise Vereinfachungen zugelassen, aber grundsätzlich muss der Rückerwerb zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber stattfinden. Wenn der Erwerber das Grundstück an einen Dritten übereignet und dieser das Grundstück auf den Veräußerer im Rahmen eines abgeschlossenen, weiteren Veräußerungsgeschäfts überträgt, also nicht unmittelbar vom Erwerber auf den Veräußerer das Grundstück zurückübertragen wird, ist § 16 Abs. 2 GrEStG wegen der fehlenden Unmittelbarkeit des Rückerwerbs grundsätzlich nicht anwendbar.

115

Eine Ausnahme von der Regel stellt das vereinfachte Verfahren bei sog. Kettengeschäften dar (vgl. Rz. 110). Der BFH hat die Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG zugelassen, wenn durch die Vereinbarungen der drei Beteiligten die Veräußerungsgeschäfte zwischen dem Erwerber und dem Dritten und zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber rückgängig gemacht werden und die unmittelbare Rückübertragung des Eigentums am Grundstück vom Dritten auf den Veräußerer der Erfüllung beider Vereinbarungen dient.5

116

1 Im Fall der freiwilligen Baulandumlegung ergibt sich eine mögliche Steuerbefreiung nach § 7 GrEStG, vgl. § 7 GrEStG Rz. 40. 2 BFH v. 19.2.2014 – II B 106/13, BFH/NV 2014, 901. 3 BFH v. 8.8.2001 – II R 46/99, BFH/NV 2002, 71. 4 BFH v. 14.1.1976 – II R 149/74, BStBl. II 1976, 347; v. 27.4.2005 – II R 4/04, BFH/NV 2005, 1629. 5 BFH v. 14.6.1961 – II 33/59 U, BStBl. III 1961, 538.

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§ 16 Rz. 117 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 117

Von der Rechtsprechung wird eine weitere Ausnahme zugelassen, wenn der Erwerber das Grundstück zwar nicht unmittelbar an den Veräußerer, jedoch im Auftrag des Veräußerers das Grundstück auf einen Dritten überträgt. Der BFH hat diese Ausnahme vom Kriterium der Unmittelbarkeit in Fällen anerkannt, in denen das Grundstück aufgrund Rückkaufs in die freie Verfügung des Veräußerers zurückgekehrt ist.1 Dies ist dann der Fall, wenn zumindest schuldrechtlich das Grundstück direkt vom Veräußerer an den Dritten verkauft wird und der ursprüngliche Erwerber lediglich zur Vermeidung von Formalitäten das Grundstück an den Dritten dinglich überträgt.2

118

Unabhängig von den Ausnahmen im Einzelfall setzt § 16 Abs. 2 GrEStG also voraus, dass zumindest das Grundstück vom Veräußerer zurückgekauft wird. Diese Voraussetzung ist strikt zu handhaben. Eine schuldrechtliche Veräußerung des Erwerbers an den Dritten im Einvernehmen genügt diesen Anforderungen nicht. Der BFH hat insofern die Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG in einem Fall abgelehnt, in dem der ursprüngliche Veräußerer auf die Vertragsbedingungen Einfluss nahm und direkte Verhandlungen mit dem Dritten führte, der schuldrechtlich wegen § 311b BGB aber allein wirksame schuldrechtliche Vertragsschluss zwischen dem ursprünglichen Erwerber und dem Dritten geschlossen wurde.3

119

Zu Unklarheiten kann auch der Abschluss eines Vertrages führen, an dem gleichzeitig ursprünglicher Veräußerer und Erwerber sowie der Dritte beteiligt sind. Zur Vermeidung von Diskussionen mit der Finanzverwaltung ist sicherzustellen, dass die Verträge jeweils nur zwischen ursprünglichem Veräußerer und Erwerber bzw. Veräußerer und Drittem geschlossen werden. Lediglich bei der dinglichen Übertragung dürfen Erwerber und Dritter zusammenwirken.

8. Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren (Abs. 2 Nr. 1) 120

Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt bzw. eine bestehende Festsetzung aufgehoben, wenn innerhalb von zwei Jahren das Eigentum am Grundstück vom Veräußerer zurückerworben wird. Es bestehen weitestgehend Überschneidungen zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Allerdings besagt Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, dass Auflassung und Eintragung innerhalb von zwei Jahren nach Steuerentstehung fallen müssen (vgl. Rz. 54, 63). Im Hinblick auf die Anforderungen, die Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 GrEStG an den Rückerwerb stellt, kann weitestgehend auf die Ausführungen zu Abs. 1 Nr. 1 (vgl. Rz. 53 ff.) verwiesen werden.

121

Voraussetzung des Rückerwerbs des Eigentums am Grundstück ist, dass die Eigentumsübertragung rechtlich und tatsächlich rückgängig gemacht wurde. Es muss Identität zwischen den Beteiligten und zwischen dem veräußerten und erworbenen Grundstück bestehen (vgl. Rz. 108). Wie bei Abs. 1 Nr. 1 ist ein bestimmter Grund für die Rückübertragung nicht erforderlich. Auch auf eine bestimmte Form kommt es nicht an, insbesondere müssen sich Ersterwerb und Rückerwerb nicht entsprechen.

122

Für den Rückerwerb kommt jede Form der Übertragung des Eigentums in Betracht, insbesondere: – schlichter Rückkauf,4 – Eigentumsübergang als Folge einer übertragenden Umwandlung,5 – Rückerwerb im Zwangsversteigerungsverfahren, – Anwachsung, etwa nach Austritt des letzten Gesellschafters einer Gesamthand.

123

Die Frist, in der der Rückerwerb stattfinden muss, beträgt zwei Jahre. Sie beginnt mit der Entstehung der Steuer nach § 14 GrEStG (vgl. § 14 Rz. 12 ff.). Bei bedingtem oder befristetem Rückerwerb gilt der Rückerwerb erst mit Eintritt der Bedingung bzw. Genehmigung als bewirkt. Insofern müssen

1 2 3 4 5

BFH v. 25.10.1979 – II R 35/75, BStBl. II 1980, 129. BFH v. 31.5.1972 – II B 30/71, BStBl. II 1972, 636. BFH v. 24.10.1990 – II B 78/90, BFH/NV 1991, 625. BFH v. 25.10.1979 – II R 35/75, BStBl. II 1980, 129. Zur Parallelsituation im Rahmen § 6a GrEStG – § 23 Abs. 8 Satz 2 GrEStG: BFH v. 6.12.1978 – II R 81/73, BStBl. II 1979, 249.

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C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 128 § 16

auch Bedingung/Genehmigung innerhalb der zweijährigen Frist fallen. Die Frist hängt nicht davon ab, ob eine Unbedenklichkeitsbescheinigung i.S.d. § 22 GrEStG vorliegt.1 § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG enthält eine ausdrückliche Regelung zu der Frage, welche Handlungen vorgenommen werden müssen, um die Frist zu wahren. Der BFH hatte früher die Frist als gewahrt angesehen, wenn der Rückerwerb in die Zweijahresfrist fällt, auch wenn der Eigentumsübergang erst später eintritt.2 Diese dem Steuerpflichtigen sehr entgegenkommende Regelung hat der Gesetzgeber dahingehend eingeschränkt, dass innerhalb der Zweijahresfrist sowohl die Auflassung (dingliche Einigung) vorliegen als auch die Eintragung ins Grundbuch beantragt werden muss. Dabei muss der Umschreibungsantrag innerhalb der Frist rechtswirksam gestellt werden.3 Erforderlich ist der rechtzeitige Rückerwerb des Eigentums; die Eintragung einer Auflassungsvormerkung i.S.d. § 883 BGB ist zwar eine Vorstufe des Eigentums, genügt den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht.

124

Die besondere Fristenregelung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG ist aber nur im Fall des Eigentumserwerbs durch Rechtsgeschäft anwendbar. Tritt der Übergang des Eigentums am Grundstück von Gesetzes wegen ein, so ist schon eine Eintragung in das Grundbuch nicht zum Eigentumsübergang erforderlich. Beispiele für den gesetzlichen Eigentumserwerb sind u.a. der Erwerb durch Erbanfall, der Erwerb durch Verschmelzung oder der Erwerb aus einer Zwangsversteigerung.

125

Wenn der Antrag lediglich geringfügige Formmängel aufweist, so ist dies für die Anwendung von 126 § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unschädlich. Wird der Antrag zu spät gestellt, so sind die Gründe für die Verspätung unbeachtlich.4 Das gilt z.B. für Fälle, in denen zwischen den Parteien über die Wirksamkeit des Rückerwerbs gestritten wird. Im Einzelfall kann die Frist wegen höherer Gewalt gehemmt sein. Um die Frist zu wahren, genügt die Stellung des Antrags auf Eintragung ins Grundbuch. Dies ist insofern konsequent, als die tatsächliche Eintragung aufgrund der internen Abläufe beim Grundbuchamt für die Beteiligten nicht beeinflussbar ist. Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG muss aber das Eigentum auch vollständig übergehen.5 Wird der Antrag fristgemäß gestellt und später zurückgenommen oder vom Grundbuchamt zurückgewiesen, so sind die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt.

127

9. Rückerwerb des Eigentums wegen Nichtigkeit des dem Erwerbsvorgang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts (Abs. 2 Nr. 2) a) Allgemeines Bei § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG handelt es sich um eine Änderungsvorschrift, die eine Spezialvorschrift zur Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO darstellt.6 Ein Rückgriff auf das allgemeine Verfahrensrecht ist insofern ausgeschlossen. Grunderwerbsteuer wird sowohl auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang als auch auf den Rückerwerb nicht festgesetzt bzw. eine bestehende Festsetzung wird aufgehoben, wenn das Kausalgeschäft des ursprünglichen Erwerbsvorgangs nichtig war oder aufgrund Anfechtung rückwirkend nichtig wurde (§ 142 Abs. 1 i.V.m. §§ 119 ff. BGB). Ein Anspruch aus § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG entsteht erst dann, wenn eine Anfechtung tatsächlich durch Erklärung bewirkt wurde (§ 143 Abs. 1 BGB), ein bloßes anfechtbares Rechtsgeschäft genügt den Anforderungen nicht.

1 2 3 4 5

BFH v. 18.1.2006 – II B 105/05, BFH/NV 2006, 813. BFH v. 9.10.1974 – II R 67/68, BStBl. II 1975, 245. FG Saarland v. 17.7.1997 – 2 K 297/96, EFG 1997, 1472. BFH v. 18.1.2006 – II B 105/05, BFH/NV 2006, 813. BFH v. 9.10.1974 – II R 67/68, BStBl. II 1975, 245; allerdings vor Einführung von Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG und partiell überholt. 6 Ebenso Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 45; Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 84.

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128

§ 16 Rz. 129 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung b) Exkurs Zivilrecht – Trennungs- und Abstraktionsprinzip 129

Das bürgerliche Recht trennt das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft und das dieses vollziehende Verfügungsgeschäft. Verpflichtungsgeschäfte sind vor allem die schuldrechtlichen Verträge, die im zweiten Buch des Bürgerlichen Rechts geregelt sind. In der Regel verpflichtet sich die eine Seite hierbei zu einer gewissen Leistung und die andere Partei zur Erbringung einer Gegenleistung hierfür. Beide Verpflichtungen müssen erfüllt werden. Geschieht dies nicht, so steht dem anderen Teil die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu, § 320 BGB. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist die wichtigste Erfüllung die Übereignung eines Grundstücks. Das Trennungsprinzip besagt, dass das Verpflichtungsgeschäft getrennt vom Erfüllungsgeschäft zu behandeln ist. In der Konsequenz ist auch die Wirksamkeit der beiden Geschäfte voneinander unabhängig, also abstrakt (= Abstraktionsprinzip) zu beurteilen. In vielen Fällen kann es vorkommen, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist – zum Beispiel, weil der Käufer sich in einem Inhaltsirrtum befand (§ 119 Abs. 1 BGB) –, das Erfüllungsgeschäft aber wirksam. Ohne das Verpflichtungsgeschäft als Grund für das Behaltendürfen muss der Erwerber nach den § 812 ff. BGB das Grundstück zurückgeben, also zurückübertragen. § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG regelt genau diesen Fall,1 dass das Grundstück ursprünglich wirksam übertragen wurde, das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist und das Grundstück später wegen der Unwirksamkeit zurückübertragen wird. Damit wird sichergestellt, dass nicht mit dem Ursprungserwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und dem Rückerwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zwei Vorgänge besteuert werden, deren wirtschaftliches Ergebnis nach dem Rückerwerb nicht mehr besteht. c) Nichtigkeit des dem Erwerbsvorgang zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts

130

Da § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG im Gegensatz zur Nr. 1 keine bestimmte Frist verlangt, reicht es nicht aus, wenn die Parteien sich darauf einigen2 oder übereinstimmend davon ausgehen,3 dass das ursprüngliche Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Die Nichtigkeit muss objektiv vorliegen, es darf nicht in der Disposition der Beteiligten stehen, den Anspruch zu begründen. Dies gilt sogar dann, wenn der Rückgewähranspruch auf dem Klageweg verfolgt wurde und das Verfahren durch gerichtlichen Vergleich beendet wurde. In diesem Fall reicht es nicht aus, wenn das Ergebnis des Vergleichs ist, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Es kommt darauf an, ob das Verpflichtungsgeschäft auch objektiv nichtig war bzw. durch Anfechtung geworden ist. Gründe für die Nichtigkeit ergeben sich in der Regel aus dem Allgemeinen Teil des BGB, insbesondere: – Sittenwidriges Rechtsgeschäft, § 138 Abs. 1 BGB, – Wucher, § 138 Abs. 2 BGB, – Verbot gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB, – Anfechtung § 142 Abs. 1 i.V.m. §§ 119 ff. Anfechtung meinte ursprünglich nur die Anfechtung mit Nichtigkeitsfolge nach dem BGB.4 Aus der Gesamtschau von § 16 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 2 GrEStG wird allerdings gefolgert, dass auch die Anfechtungen nach § 129 ff. InsO und § 11 AnfG begünstigt sein müssen,5 da wirtschaftlich der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird. Der BFH hat dies schon zur Konkursordnung bestätigt.6 Darüber hinaus kann sich die Nichtigkeit des Erwerbsvorgangs auch daraus herleiten, dass ein anderes Verpflichtungsgeschäft nichtig ist und dieses mit dem Erwerbsvorgang ein einheitliches Geschäft i.S.d. § 139 BGB bildet.7 1 2 3 4 5 6 7

Begr. GrEStG 1940, Reichssteuerblatt 1940, 410f. BFH v. 30.6.2008 – II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698. BFH v. 27.1.1999 – II R 78/96, BFH/NV 1999, 964; v. 27.1.1999 – II R 4/04, BFH/NV 2005, 1629. Begr. GrEStG 1940, Reichssteuerblatt 1940, 411f. Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 88. BFH v. 6.2.1980 – II R 7/76, BStBl. II 1980, 363; v. 23.11.2006 – II R 38/05, BFH/NV 2007, 498. BFH v. 27.1.1999 – II R 4/04, BFH/NV 2005, 1629.

800

Koppermann

C. Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 135 § 16

Eine Anwendung von § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG scheidet immer dann aus, wenn nicht nur das Ver- 131 pflichtungsgeschäft nichtig ist, sondern auch die Übertragung des Grundstücks unwirksam ist (sog. Fehleridentität). Wenn der Erwerber nicht ins Grundbuch eingetragen wurde, so gibt es ohnehin keinen Erwerbsvorgang, der korrigiert werden müsste. Erfolgte hingegen trotz Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts eine Eintragung ins Grundbuch, so hat der Veräußerer nach § 894 BGB einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Steuerverfahrensrechtlich ist ein trotz fehlender Steuerbarkeit erlassener Grunderwerbsteuerbescheid nach §§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufzuheben. Bei formnichtigen Grundstückskäufen muss genau geprüft werden, ob der Vertrag wirklich unwirksam ist. Zunächst ist festzustellen, ob eine Heilung des Vertrages nach § 311b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 125 BGB vorliegt. Wenn der Vertrag nichtig und nicht geheilt ist, muss noch überprüft werden, ob der unwirksame Vertrag von den Parteien als wirksam betrachtet wird, § 41 AO.1 Wenn es an alldem fehlt, dann liegt schon kein Erwerbsvorgang vor. § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG bedarf es dann nicht. Ein dennoch ergangener Grunderwerbsteuerbescheid ist aufzuheben. Ist der nichtige Grundstücksvertrag hingegen geheilt worden oder von den Parteien als wirksam behandelt worden, so liegt kein nichtiges Rechtsgeschäft vor, so dass § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch nicht eröffnet ist. Folglich kommen bei einem Rückerwerb auch nur die Tatbestände § 16 Abs. 2 Nr. 1 und 3 GrEStG in Betracht.

132

Besteht das Verpflichtungsgeschäft aus verschiedenen Teilen, so sind grundsätzlich alle beurkundungspflichtig. Ist die Beurkundungspflicht nur teilweise erfüllt worden und sind somit einzelne Teile formnichtig, so können entweder das gesamte Rechtsgeschäft wegen des nicht beurkundeten Teils nichtig sein (§ 139 BGB) oder nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB die nicht beurkundeten Teile geheilt werden. Im letzteren Fall ist das Rechtsgeschäft insgesamt wirksam. Auf ein solches voll wirksames Rechtsgeschäft findet § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG schon tatbestandlich keine Anwendung. Dies hat der BFH in einem Fall entschieden, in dem außerhalb des notariellen Vertrages Nebenabreden geschlossen wurden, die zu einer Erhöhung des Kaufpreises führten. Im Ergebnis wäre also nicht der gesamte Kaufvertrag beurkundet gewesen, was zur Gesamtnichtigkeit geführt hätte. Da im Fall allerdings die Nebenabreden nicht erfüllt und zudem angefochten wurden, war der beurkundete Teil wirksam.2

133

10. Rückerwerb wegen Rückgängigmachung aufgrund Rechtsanspruchs (Abs. 2 Nr. 3) a) Allgemeines Die Voraussetzungen werden in der prägnanten Formel zusammengefasst, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gegeben sind, wenn sich ein Vertragspartner aufgrund einer Pflichtverletzung des anderen Vertragspartners im Rahmen des ursprünglichen, auf die Übertragung des Eigentums am Grundstück gerichteten Vertrags von dem Rechtsgeschäft lösen kann und deshalb das Eigentum am Grundstück zurückübertragen wird.

134

Bei § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG handelt es sich um die Parallelnorm zu Abs. 1 Nr. 2. So wie Abs. 2 Nr. 2 und anders als Abs. 2 Nr. 1 enthält Nr. 3 keine Befristung. Die Festsetzungsverjährung der ursprünglichen Grunderwerbsteuerfestsetzung ist dennoch zu beachten. Tatbestandlich wird vorausgesetzt, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang vollständig rückgängig gemacht wurde. Dies erfordert regelmäßig, den rechtlichen und tatsächlichen Rückerwerb des Eigentums am Grundstück. Hierfür müssen die Beteiligten des ursprünglichen Erwerbsvorgangs und des Rückerwerb einerseits sowie das veräußerte und das zurückerworbene Grundstück andererseits identisch sein. Weiterhin wird vorausgesetzt, dass die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den ursprünglichen Übereignungsanspruch begründet hat, nicht erfüllt sind und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

135

1 Vgl. zur Steuerbarkeit bei unwirksamem, nicht geheilten aber so gelebtem Erwerbsvorgang Rz. 4, 55. 2 BFH v. 30.4.1952 – II 149/51 S, BStBl. III 1952, 151.

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§ 16 Rz. 135 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Im Wesentlichen finden dieselben Grundsätze wie zu § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG Anwendung (vgl. Rz. 83). 136

Es müssen nachträgliche Umstände vorliegen, die den Rechtsanspruch eines Beteiligten begründen. Der Rechtsanspruch muss dabei ein einseitig durchsetzbarer sein. Einseitig bedeutet, dass der Anspruch nicht vom Anspruchsgegner abhängt. Insofern muss bei einer Rückgängigmachung auf der Grundlage eines Vergleichs oder einer gegenseitigen Einigung geprüft werden, ob schon einseitig der Anspruch zur Rückgängigmachung bestand. Allein der Umstand, dass durch Vereinbarung der Grundstückserwerb rückgängig gemacht wurde, schließt § 16 Abs. 2 GrEStG aber nicht aus.1 Der Zeitpunkt, zu dem das Rücktrittsrecht bestehen muss, ist der Abschluss des die Rückgängigmachung begründenden zweiten Verpflichtungsgeschäfts. Zu diesem Zeitpunkt muss das Rücktrittsrecht zweifelsfrei bestehen. Zumindest, soweit sie an den Eintritt nachträglicher, ungewisser Umstände geknüpft sind, können auch vertraglich eingeräumte Rücktritts- und Wiederkaufsrechte einen Anspruch nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG begründen. Hierzu gelten die im Rahmen des Abs. 1 Nr. 2 angeführten Voraussetzungen (vgl. Rz. 83).

137

Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 Nr. 3 verlangt wie Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zwei Elemente. Zum einen muss eine „Nichterfüllung von Vertragsbedingungen“ vorliegen, die einen Rechtsanspruch auf Rückerwerb auslöst. Außerdem muss eine tatsächliche und rechtliche Rückgängigmachung vorliegen. Zudem muss die Rückgängigmachung kausal auf dem Anspruch auf Rückgängigmachung beruhen. b) Nichterfüllung

138

Der grunderwerbsteuerliche Begriff der Nichterfüllung von Vertragsbedingungen hat seinen Ursprung in dem früheren zivilrechtlichen Konstrukt der positiven Vertragsverletzung. Nach der Schuldrechtsmodernisierung entspricht die „Nichterfüllung von Vertragsbedingungen“ der Pflichtverletzung im Leistungsstörungsrecht. Im Zivilrecht spielt die Pflichtverletzung insbesondere beim Schadensersatz § 280 Abs. 1 BGB und beim Rücktritt § 323 Abs. 1 BGB eine Rolle. Für § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG muss aus der Pflichtverletzung ein Recht resultieren, einseitig das Rechtsgeschäft rückgängig zu machen. Es muss also ein zivilrechtliches Gestaltungsrecht vorliegen. Vorrangig kommen hierfür die Rücktrittsgründe nach § 323, § 324, § 326 Abs. 5 BGB, der Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 447 Nr. 2 i.V.m. §§ 323 ff. BGB sowie die Grundzüge der Störung der Geschäftsgrundlage § 313 BGB in Betracht. c) Vertragsbedingungen

139

Vertragsbedingungen meint im Kontext von § 16 Abs. 2 GrEStG nicht nur Bedingungen i.S.d. § 158 BGB, sondern ist weiter zu verstehen (vgl. Rz. 84). Der Rechtsprechung2 folgend wird der Begriff als Vertragsbestimmungen im weitesten Sinn verstanden. Dabei kann es sich sowohl um die individuell ausgehandelten Klauseln des Vertrages als auch um gesetzliche Regelungen handeln. Im Sonderfall des Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz), ist nach Auffassung der Verwaltung § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG anwendbar, wenn der Verkäufer einseitig den Kaufpreis anhebt und der Käufer deswegen vom Vertrag zurücktritt.3

140

Besonderheiten gelten, wenn der Ersterwerb im Rahmen einer Zwangsversteigerung stattfand. Wird das Grundstück im Rahmen einer weiteren Zwangsversteigerung auf den ursprünglichen Eigentümer zurückübertragen, so liegt kein Rückerwerb i.S.d. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vor.4 Wird mangels Berichtigung des Bargebotes (vgl. hierzu § 49 ZVG) die Wiederversteigerung durchgeführt, so erlangt der frühere Eigentümer das Eigentum am Grundstück zwar nicht zurück, jedoch 1 2 3 4

BFH v. 10.6.1969 – II 41/65, BStBl. II 1969, 559. BFH v. 15.2.1978 – II R 177/75, BStBl. II 1978, 379; v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683. Koordinierter. Ländererlass – Finanzministerium Sachsen v. 20.12.2000, 41-S 4543-10. FG Düsseldorf v. 11.2.2015 – 7 K 3097/14, EFG 2015, 758.

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D. Herabsetzung der Gegenleistung (Abs. 3)

Rz. 144 § 16

nimmt die Rechtsprechung an, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang durch Abgabe des Meistgebotes rückgängig gemacht wird, sobald die rechtzeitig beantragte Wiederversteigerung abgeschlossen ist. Danach liegen auch die Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vor.1 d) Kausalität Zwischen dem Recht, sich vom dem der ursprünglichen Grundeigentumsübertragung zugrunde lie- 141 genden Vereinbarung zu lösen, und der tatsächlichen Rückabwicklung muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Die Rückgängigmachung muss gerade darauf basieren, dass eine Vertragspartei ein Recht zum Rücktritt und zur Rückabwicklung hatte. Probleme treten hierbei insbesondere dann auf, wenn sich die Parteien einvernehmlich auf eine Rückabwicklung einigen. Sowohl außergerichtliche Einigungen als auch ein gerichtlicher Vergleich können die Kausalität zweifelhaft erscheinen lassen. Kausal war der Anspruch nur dann, wenn er schon bei Abschluss der Einigung bzw. des Vergleichs bestand.

D. Herabsetzung der Gegenleistung (Abs. 3) I. Regelungsgegenstand Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG entsteht ein Anspruch auf niedrigere Festsetzung der Grunderwerb- 142 steuer, wenn die Steuer noch nicht festgesetzt ist, bzw. auf entsprechende Änderung der Steuerfestsetzung, wenn die Steuer schon festgesetzt ist. Es handelt sich um einen Anspruch mit zwei Zielen. Wenn die Grunderwerbsteuer schon festgesetzt wurde, so ist die Festsetzung zu ändern. Ist noch kein Bescheid ergangen, so ist beim Erlass die Herabsetzung der Gegenleistung zu berücksichtigen. Es kann synonym von der Änderung der Steuerfestsetzung gesprochen werden. Der Anspruch hängt davon ab, dass die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt wird. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass der Erwerbsvorgang, für den die Gegenleistung herabgesetzt wird, ein Rechtsgeschäft war oder auf einem Rechtsgeschäft beruhte.2 Damit ergänzt die Regelung § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, wonach die Grunderwerbsteuer nachträglich er- 143 höht werden kann, wenn die Gegenleistung nachträglich angehoben wird. Wie die Absätze 1 und 2 ist auch Absatz 3 lex specialis zu den allgemeinen Änderungsnormen der AO (vgl. Rz. 4). Kommt § 16 Abs. 3 nicht zur Anwendung, so ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Änderungsnormen grundsätzlich möglich. Dabei kommt insbesondere § 175 AO, die Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses, in Betracht. Für den Steuerpflichtigen hätte dies den Vorteil, dass auch die spezielle Hemmung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO Anwendung fände. Eine Änderung der Gegenleistung fällt nur unter § 175 AO, wenn es sich tatsächlich um ein (grunderwerbsteuerlich) rückwirkendes Ereignis handelt. Die nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung ist allerdings kein solches rückwirkendes Ereignis. Danach kommt weder eine Änderung des Steuerbescheides nach § 175 AO in Betracht noch die spezielle Hemmung der Verjährung zur Anwendung. Eine Hemmung kommt lediglich nach dem Spezialtatbestand des Abs. 4 in Betracht.3 Abs. 3 beinhaltet zwei Nummern, die inhaltlich den Abs. 1 und 2 entsprechen. Nach Nr. 1 führt eine Herabsetzung der Gegenleistung im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts innerhalb von zwei Jahren voraussetzungslos zu einem Anspruch auf niedrigere Festsetzung der Grunderwerbsteuer bzw. Änderung der Festsetzung. Aus Nr. 2 erwächst ein Anspruch auf Änderung der Steuerfestsetzung, wenn nach § 437 Nr. 2 BGB die Gegenleistung für das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft gemindert wurde. Eine Anpassung der Grunderwerbsteuer bei Herabsetzung der Gegenleistung beim Verpflichtungsgeschäft ergibt sich nach § 16 Abs. 3 GrEStG nur in den Fällen, in denen die Grunderwerbsteuer überhaupt nach der Gegenleistung bemessen wird. Der Anwendungsbereich ist also auf § 8 Abs. 1 i.V.m. 1 BFH v. 14.9.1988 – II R 76/86, BStBl. II 1989, 150. 2 Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 40; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 223. 3 BFH v. 22.7.2020 – II R 15/18, BStBl. II 2021, 165.

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144

§ 16 Rz. 144 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung § 9 GrEStG beschränkt. In Fällen der Bemessung der Grunderwerbsteuer nach dem Grundbesitzwert kommt § 16 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung. 145

Die Gegenleistung für das Verpflichtungsgeschäft muss nachträglich herabgesetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob dies einseitig oder zweiseitig, also einvernehmlich, geschieht. Da die Vorschrift auf nachträgliche Herabsetzungen der Gegenleistungen beschränkt ist, müssen ein wirksamer Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG vorliegen und Grunderwerbsteuer i.S.d. § 14 GrEStG entstanden sein. Bei aufschiebend bedingten oder genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen entsteht erst mit Eintritt der Bedingung bzw. Erteilung der Genehmigung, der Anspruch auf die Gegenleistung und damit die Grunderwerbsteuer. Insofern liegt keine nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung vor, wenn zwischen Vertragsschluss und Wirksamkeit des Vertrages die Gegenleistung verringert wird. Es besteht kein Bedürfnis für einen Anspruch auf niedrigere Festsetzung der Steuer. Im Fall einer Steuerfestsetzung vor Bedingungseintritt/Erteilung der Genehmigung handelt es sich um eine rechtswidrige Steuerfestsetzung. Der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3 GrEStG ist allerdings nicht eröffnet. Die rechtswidrige Steuerfestsetzung ist nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften anzugreifen. Auch Zweifel an der Höhe der Gegenleistung bzw. eine aufschiebend bedingte Gegenleistung werden im neuen Feststellungsverfahren und nicht im Verfahren nach § 16 Abs. 3 GrEStG erfasst.

146

Anwendbar ist § 16 Abs. 3 GrEStG teilweise im Bereich einer Gesamtgegenleistung, die sich auf grunderwerbsteuerbare und nicht grunderwerbsteuerbare Leistungen bezieht. Die im Nachhinein herabgesetzte Gesamtgegenleistung muss zunächst in einen grunderwerbsteuerbaren und einen nicht grunderwerbsteuerbaren Teil aufgespaltet werden. Nur im Hinblick auf einer Herabsetzung des grunderwerbsteuerbaren Teils kommt es zur Anwendung von § 16 Abs. 3 GrEStG.

147

Wird nach Durchführung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks ein niedrigeres Entgelt vereinbart, so liegt hierin keine Herabsetzung der Gegenleistung im Anwendungsbereich von § 16 GrEStG.1 Bei der Zwangsversteigerung gilt als die Bemessungsgrundlage bildende Gegenleistung das Meistgebot, § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Insofern gilt als Herabsetzung der Gegenleistung auch eine zivilrechtlich nur in Ausnahmefällen zugelassene Herabsetzung des Meistgebots.

II. Anwendungsbereich 148

Grundsätzlich ist § 16 Abs. 3 GrEStG auf alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG anwendbar. Die Tatbestände der § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG bemessen sich nicht nach der Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 9 GrEStG, sondern nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Insofern kommt eine Herabsetzung der Gegenleistung denknotwendig nicht in Betracht, und der Tatbestand des § 16 Abs. 3 GrEStG ist nicht auf die § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG anwendbar.

III. Anforderungen 1. Rechtliche und tatsächliche Herabsetzung der Gegenleistung 149

Beide Nummern des § 16 Abs. 3 GrEStG verlangen die rechtliche und tatsächliche Herabsetzung der Gegenleistung. Eine rechtliche Herabsetzung der Gegenleistung liegt vor, wenn ein Anspruch auf teilweise Kaufpreisrückzahlung entsteht. Über das Erlöschen der ursprünglichen Kaufpreisschuld und die Entstehung eines Rückzahlungsanspruchs hinaus, muss die Herabsetzung von den Parteien auch tatsächlich vollzogen werden. Im Fall der vollständig bezahlten Gegenleistung ist also auch eine tatsächliche Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe des Minderungsbetrages erforderlich. Eine Entrich-

1 BFH v. 3.5.1973 – II R 37/68, BStBl. II 1973, 709.

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Koppermann

D. Herabsetzung der Gegenleistung (Abs. 3)

Rz. 154 § 16

tung des Kaufpreises in der ursprünglichen Höhe bzw. ein Verzicht auf den Rückzahlungsanspruch verhindern folglich eine Anwendung von § 16 Abs. 3 GrEStG.1 § 16 Abs. 3 GrEStG ist allerdings dennoch anwendbar, wenn der Rückzahlungsanspruch aus recht- 150 lichen oder tatsächlichen Gründen nicht durchgesetzt werden kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn über das Vermögen des Käufers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Der BFH hat die Anwendung von § 16 Abs. 3 GrEStG in dieser Situation zugelassen,2 obwohl faktisch die Gegenleistung in voller Höhe erbracht wurde und auch nicht zurückgezahlt wurde. Allerdings darf es nicht allein darauf ankommen, ob der Verkäufer aus dem Geschäft noch bereichert ist. In die Betrachtung der ausgetauschten Leistungen muss einbezogen werden, ob der Grund für das Behaltendürfen der Gegenleistung in voller Höhe weiterhin die Übertragung des Eigentums am Grundstück ist. Dies ist bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers gerade nicht der Fall. Im Regelfall wird der Rückzahlungsanspruch mit einer Quote bedient. Wenn es im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu einer erfolgreichen Sanierung kommt, so kann der Rückzahlungsanspruch sogar in voller Höhe fortbestehen. Jedenfalls ist der Grund des (zeitweisen) Behaltendürfens der Gesamtgegenleistung das eröffnete Insolvenzverfahren und nicht mehr die Übereignung des Grundstücks.3 Das unterscheidet, anders als die Gegenauffassung meint, Abs. 3 von den Fällen, in denen es auf die tatsächlichen und rechtlichen Hinderungsgründe nicht ankommt. § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG verlangen die vollständige Aufhebung der grunderwerbsteuerbaren Übereignung des Grundstücks. Abs. 3 bezieht sich nur auf die mit der Übereignung des Grundstücks im Zusammenhang stehende Gegenleistung. 2. Herabsetzung der Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren (Abs. 3 Nr. 1) Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kommt es zu einer niedrigeren Festsetzung der Grunderwerbsteuer innerhalb einer Frist von zwei Jahren unabhängig von Motiv oder Rechtsgrund. Die Herabsetzung der Gegenleistung muss rechtlich wirksam und tatsächlich vollzogen werden.

151

Die Herabsetzung der Gegenleistung für das Grundstück muss innerhalb von zwei Jahren nach der Entstehung der Steuer erfolgt sein. Für die Entstehung der Steuer wird auf § 14 GrEStG abgestellt. Sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Herabsetzung der Gegenleistung müssen in die Frist fallen. Nach Fristablauf kommt nur eine niedrigere Festsetzung/Änderung der Steuerfestsetzung unter den höheren Anforderungen von § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht.

152

Rechtlich wirksam können sowohl eine Herabsetzung durch Vertragsänderung als auch durch ein einseitiges Gestaltungsrecht sein. Sowohl ein ausgeübtes Gestaltungsrecht als auch ein zusätzlicher Vertrag muss nach seinem Inhalt ausgelegt werden. Auf die bloße Bezeichnung kommt es nicht an. Der BFH hat es als unschädlich angesehen, wenn die Beteiligten eine „Vertragsstrafe“ vereinbarten, obwohl nach einer Auslegung des Rechtsfolgewillens eine Kaufpreisminderung gemeint war.4 In einem andere Fall wurde die Vereinbarung von „Eigenleistungen“ als Kaufpreisminderung anerkannt.5

153

In der Literatur ist vertreten worden, dass eine Herabsetzung der Gegenleistung auch bei einer länger- 154 fristigen Stundung der Gegenleistung vorliegen soll.6 Längerfristig i.S.d. § 12 Abs. 3 BewG soll länger als Jahr bedeuten. Begründet wird dies mit der Pflicht zur Abzinsung. Diese Ansicht ist abzulehnen, da eine von Anfang an längerfristig gestundete Gegenleistung auch nicht zu einer niedrigeren Bemessung auf der Grundlage des § 9 GrEStG führt. Für eine zusätzliche Anwendung bewertungsrechtlicher Maßstäbe bleibt kein Raum.

1 BFH v. 26.8.1992 – II R 120/89, BStBl. II 1993, 58. 2 BFH v. 26.8.1992 – II R 120/89, BStBl. II 1993, 58; a.A. Pahlke6 § 16 GrEStG Rz. 100; Hofmann11, § 16 GrEStG Rz. 43. 3 So auch: Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 242, der davon spricht, dass die „Vermögensminderung … nicht mehr kausal durch den Grundstückserwerb bedingt“ ist. 4 BFH v. 5.8.1969 – II R 11/67, 12/67, BStBl. II 1969, 689. 5 BFH v. 1.12.1982 – II R 58/81, BStBl. II 1983, 336. 6 Möllinger, DStR 1980, 282.

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§ 16 Rz. 155 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 155

Für die rechtliche Wirksamkeit der Herabsetzung sind die zivilrechtlichen Formvorschriften zu beachten. Das bedeutet, dass eine Herabsetzung aufgrund eines Gestaltungsrechts nicht formbedürftig ist,1 während eine einvernehmliche Herabsetzung formbedürftig ist.2 3. Herabsetzung der Gegenleistung wegen Minderung der Kaufpreisforderung (Abs. 3 Nr. 2) a) Allgemeines

156

Nach Nr. 2 besteht ein Anspruch auf Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung, wenn die Gegenleistung für den zugrunde liegenden Kaufvertrag nach § 437 Nr. Nr. 2 BGB gemindert wird. Der Kaufpreis kann gemindert werden, wenn bei Gefahrübergang ein Sach- oder Rechtsmangel vorlag. Zu den Sachmängeln zählt das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft sowie die Ungeeignetheit für die nach dem Vertrag vorausgesetzte bzw. gewöhnliche Verwendung des Grundstücks, § 434 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Zivilrechtlich ist die Minderung kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht, das erst durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden muss, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB. Grundsätzlich hat der Käufer dem Verkäufer vorher eine Frist zur Beseitigung des Mangels zu setzen. Wird nach Fristsetzung die Minderung erklärt, so wird zivilrechtlich ohne Zustimmung des Verkäufers die Gegenleistung herabgesetzt, und es entsteht ein Anspruch auf Rückzahlung des überzahlten Kaufpreises bzw. die Kaufpreisforderung erlischt teilweise.3

157

Grunderwerbsteuerlich ist es hingegen erforderlich, dass die Minderung auch vollzogen wird. Dem soll allerdings nicht entgegenstehen, wenn der Kaufpreis wegen Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers nicht zurückgezahlt werden kann.4 Der Vollzug der Minderung des Kaufpreises § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setzt voraus, dass sich der Verkäufer auf die Erklärung des Käufers hin mit ihr einverstanden erklärt.5 Dies widerspricht auf den ersten Blick dem zivilrechtlichen Charakter der Minderung als Gestaltungsrecht, das gerade nicht vom Willen des Verkäufers abhängt. In Übereinstimmung mit der allgemeinen Dogmatik des § 16 GrEStG ist allerdings eine Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung nur gerechtfertigt, wenn die Minderung auch vollzogen ist, weil nur in dem Fall auch anfänglich die Grunderwerbsteuer nach § 9 GrEStG vermindert festgesetzt worden wäre.

158

Abgegrenzt werden muss die Minderung von den Schadensersatzansprüchen wegen eines Rechtsoder Sachmangels. Diese ist danach vorzunehmen, was Ziel des Begehrens des Käufers ist. Verfolgt er im Kern die Herabsetzung des Kaufpreises, so handelt es sich um eine Minderung, ist sein Begehren auf den Ersatz von (Vermögens-)Schäden gerichtet, so macht er einen Schadensersatzanspruch geltend. Liegt nach der gebotenen Auslegung der Erklärung des Käufers eine Minderung vor, so kann diese sowohl auf einen Rechts- als auch auf einen Sachmangel gestützt werden. Ein vom Verkäufer wegen eines Rechtsmangels geleisteter Schadensersatz fällt allerdings nicht unter die Minderung nach § 437 BGB.6 b) Einheitliches Vertragswerk

159

Besonderheiten gelten dann, wenn der Erwerbsvorgang sich nicht auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück in seinem aktuellen Zustand bezieht. Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG kann auch das Grundstück in seinem künftigen, noch herzustellenden Zustand sein. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich dann nicht nur nach der Gegenleistung für das Grundstück, sondern auch nach der Gegenleistung für Rechtschäfte, die mit dem Erwerbsvorgang in rechtlichem oder engem sachlichen Zu-

1 2 3 4 5 6

Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 41 ff. Grüneberg in Palandt80, § 311b BGB Rz. 39. Noch vor der Schuldrechtsmodernisierung: BFH v. 26.8.1992 – II R 120/89, BStBl. II 1993, 58. Noch vor der Schuldrechtsmodernisierung: BFH v. 26.8.1992 – II R 120/89, BStBl. II 1993, 58. FinMin. BW v. 7.8.2002 3 – S 4543/9, DStR 2002, 1765. BFH v. 7.11.2000 – II B 4/00, BFH/NV 2001, 483.

806

Koppermann

D. Herabsetzung der Gegenleistung (Abs. 3)

Rz. 165 § 16

sammenhang stehen (sog. einheitliches Vertragswerk/Vertragsgeflecht; zu den Einzelheiten vgl. § 9 Rz. 104 f.). In der Praxis kommt diese Konstellation besonders häufig bei Bauherrenmodellen vor. Zu einer Anwendung von § 16 Abs. 3 GrEStG kommt es zunächst dann, wenn die in mehreren Verträgen vereinbarte Gegenleistung herabgesetzt wird. Welche Verträge mit ihren Gegenleistungen in ein einheitliches Vertragswerk einzubeziehen sind, ist parallel zur Wertung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Alles, was beim Vertragsschluss zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zählt, ist auch bei einer Herabsetzung zu berücksichtigen.

160

Bei einheitlichen Vertragswerken wird als nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung auch eine rechtliche Änderung, insbesondere der Wegfall des auf die Errichtung des Gebäudes gerichteten Rechtsgeschäfts, angesehen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Umfang der mit der Übertragung des Grundstücks einhergehenden Rechtsgeschäfte und der damit verbundenen Gegenleistung verändert. Eine Änderung des Umfangs liegt nicht schon dann vor, wenn sich der Erwerber wegen Nichterfüllung vom Bauerrichtungsvertrag lösen kann. Ist der Erwerber jedoch endgültig vom Vertrag zurückgetreten und ist in seiner Entscheidung über die Verwendung des Grundstücks wieder frei, so hat sich dadurch auch der Umfang des Erwerbsvorgangs geändert. Die damit einhergehende Herabsetzung der Gegenleistung fällt insofern unter § 16 Abs. 3 GrEStG. Der BFH hat entschieden, dass keine Herabsetzung der Gegenleistung i.S.d. § 16 Abs. 3 GrEStG vorliegt, wenn lediglich der vom Erwerber beauftragte Bauunternehmer ausgewechselt wird. Im entschiedenen Fall hatte der Erwerber schon vor Aufhebung des ursprünglichen Bauerrichtungsvertrages einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Vertrag mit einem anderen Bauunternehmer geschlossen.1 Aufwendungen, die dem Erwerber im Hinblick auf die Neuvergabe entstehe, sind nicht berücksichtigungsfähig.

161

Wegen des engen Wortlauts von § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist zweifelhaft, ob eine Herabsetzung der Gegenleistung aufgrund einer Minderung der Gegenleistung aus einem Werkvertrag zu einer niedrigeren Festsetzung der Grunderwerbsteuer bzw. einer Änderung der Festsetzung führt.

162

Die Verträge eines einheitlichen Vertragswerkes, von denen eines auf die Übertragung des Eigentums 163 am Grundstück und die anderen auf die Errichtung eines Gebäudes gerichtet sind, gehören in der Regel nicht alle dem gleichen Vertragstypus an. Nur der auf die Übertragung des Eigentums am Grundstück gerichtete Vertrag wird ein Kaufvertrag sein. Die anderen, auf die Errichtung des Gebäudes gerichteten Verträge sind regelmäßig Werkverträge, auf die die §§ 631 ff. BGB, ergänzt um die VOB/B, Anwendung finden. Das Recht, die vereinbarte Vergütung wegen Mängeln zu mindern, ergibt sich insofern aus §§ 634 ff. i.V.m. § 638 BGB. Da der eindeutige Wortlaut des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nur eine „Herabsetzung (Minderung) auf Grund des § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ für die Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zulässt, wären bei einem einheitlichen Vertragswerk Herabsetzungen der Gegenleistung, die aus anderen Vertragstypen als Kaufverträgen stammen, also nur nach Nr. 1 zu berücksichtigen. In der Konsequenz wären außerhalb der zweijährigen Frist beim einheitlichen Vertragswerk also nachträgliche Herabsetzungen der Gegenleistung nicht zu berücksichtigen.

164

Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG auch Anwendung findet, wenn die 165 Vergütung aus einem Werkvertrag, der in rechtlichem oder engem sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang steht, mehr als zwei Jahre nach Entstehen der Steuer (§ 14 GrEStG) nach § 638 BGB herabgesetzt wurde.2 Begründet wird dies damit, dass sich gerade bei Gebäudeerrichtungsverträgen Baumängel erst Jahre nach Ausführung der Arbeiten zeigen. Dass eine Herabsetzung der Gegenleistung erst nach zwei Jahren – also außerhalb der Frist der Nr. 1 – vorgenommen wird, dürfte keine Ausnahme sein, sondern vielmehr dem Regelfall entsprechen. Außerdem wird ein Wertungswiderspruch darin gesehen durch die Konstruktion des einheitlichen Vertragswerks über den Gesetzeswortlaut hinaus Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen und gleichzeitig wegen des engen Wortlauts des § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG die Herabsetzung der Gegenleistung nicht bei der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer mit einzubeziehen.

1 BFH v. 10.8.1994 – II R 29/91, BFH/NV 1995, 260. 2 FG Berlin – 1 K 1071/02, EFG 2005, 554; Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 244; Heine, UVR 2003, 291.

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§ 16 Rz. 165 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung Entsprechend den allgemeinen Anforderungen von Abs. 3 Nr. 2 gilt dies in allen Fällen, in denen der Auftraggeber eine Herabsetzung der Gegenleistung aufgrund einer Pflichtverletzung des Auftragnehmers verlangen und der Auftragnehmer diese Rechte auch einseitig durchsetzen kann.

E. Modifizierte Ablaufhemmung (Abs. 4) 166

Beginn und Dauer der Festsetzungsfrist richten sich nach den allgemeinen Regeln der AO. § 16 Abs. 4 GrEStG ergänzt die allgemeine Festsetzungsverjährung allerdings um eine besondere Ablaufhemmung.1 Nach dieser Vorschrift endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines nach dem Eintritt eines Ereignisses, das einen Anspruch auf Änderung (§ 16 Abs. 3 GrEStG) oder Aufhebung (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) begründet. Danach endet die Festsetzungsfrist mit Ablauf eines Jahres nach Eintritt des Ereignisses. Bis zur Entscheidung über einen innerhalb der Festsetzungsfrist gestellten Antrag greift die allgemeine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO, so dass der endgültige Eintritt der Festsetzungsverjährung nochmalig verschoben wird. Der Begriff des Ereignisses i.S.d. § 16 Abs. 4 GrEStG ist eigenständig, grunderwerbsteuerlich auszulegen. Eine begriffliche Übereinstimmung mit dem Ereignis mit Rückwirkung i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO besteht nicht. Als Ereignis i.S.v. § 16 Abs. 4 GrEStG ist ein Sachverhalt zu verstehen, der einen Anspruch auf Aufhebung (§ 16 Abs. 1 und 2 GrEStG) oder Änderung (§ 16 Abs. 3 GrEStG) einer Steuerfestsetzung begründen kann. Da der Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG eine zivilrechtlich wirksame und tatsächlich vollzogene Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs verlangt, liegt ein Ereignis auch erst vor, wenn beide erfüllt sind. Die Ablaufhemmung nach § 16 Abs. 4 GrEStG beginnt erst mit Vollendung des vollständigen Tatbestands.2 Würde man die Ablaufhemmung schon mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit beginnen lassen, so müssten die Beteiligten innerhalb der Jahresfrist sowohl den zivilrechtlichen Vertrag vollziehen als auch den Antrag stellen. Dies würde der Intention des Gesetzgebers widersprechen, der den Beteiligten für die Antragsstellung die Jahresfrist zubilligen wollte.3

F. Konsequenzen verletzter Anzeigepflichten bei Ersatztatbeständen (Abs. 5) 167

Unabhängig von den einzelnen Ersatztatbeständen sind die Ansprüche aus § 16 GrEStG vollständig ausgeschlossen, wenn eine Anzeige des ursprünglichen Erwerbsvorgangs nach §§ 18 GrEStG unterblieben ist. Im Gegensatz zum Übergang des Eigentums, von dem das Finanzamt spätestens durch Mitteilung des Grundbuchamtes informiert wird, wird das Finanzamt ohne eine Mitteilung des Steuerpflichtigen von den Erwerbsvorgängen der § 1 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG keine Kenntnis erlangen. Hätte die Nichtanzeige keine Konsequenz für eine Rückabwicklung nach § 16 GrEStG, so könnten die Beteiligten den Erwerbsvorgang rückabwickeln, wenn die Finanzbehörden doch noch Kenntnis vom Erwerbsvorgang erlangen, ohne dass die Beteiligten grunderwerbsteuerliche Konsequenzen zu tragen hätten.4 Auch eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO läge gerade nicht vor, da wegen der Rückabwicklung Grunderwerbsteuer nicht anfiele und damit auch keine Steuerverkürzung vorläge. Insofern hat der Gesetzgeber zur Sicherstellung ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Anzeigen von Erwerbsvorgängen und zur Vermeidung von Steuerumgehungsgestaltungen den § 16 Abs. 5 GrEStG geschaffen, der eine Anwendung von § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG ausschließt, wenn in den Fällen – des Übergangs der Verwertungsmöglichkeit am Grundstück (§ 1 Abs. 2 GrEStG), – der Änderung des Gesellschafterbestandes (§ 1 Abs. 2a GrEStG),

1 2 3 4

Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 306; Wohltmann, UVR 2008, 348, nimmt eine Anlaufhemmung an. BFH v. 14.7.1999 – II R 1/97, BStBl. II 1999, 737; Wohltmann, UVR 2008, 348. Ähnlich Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 306. BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009; v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553.

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F. Konsequenzen verletzter Anzeigepflichten bei Ersatztatbeständen (Abs. 5)

Rz. 171 § 16

– der Vereinigung von Anteilen in einer Hand (§ 1 Abs. 3 GrEStG) – bzw. der wirtschaftlichen Vereinigung von Anteilen in einer Hand (§ 1 Abs. 3a GrEStG) keine ordnungsgemäße, d.h. vor allem rechtzeitige, Anzeige vorliegt. Die Ansprüche auf Aufhebung, Nichtfestsetzung oder geringere Festsetzung nach den § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG entstehen materiell wegen § 16 Abs. 5 GrEStG bei Verletzung der Anzeigepflichten erst gar nicht. Der Gesetzgeber hat den Wortlaut des § 16 Abs. 5 mit Rückwirkung zum 6.6.20131 dahingehend klargestellt, dass die Anforderungen an eine Anzeige i.S.d. §§ 18 ff. GrEStG vollständig innerhalb der Frist erfüllt sein müssen, um eine Rückabwicklung zuzulassen. Damit ist die frühere, für den Steuerpflichtigen günstige, Rechtsprechung2 überholt.

168

Eine unvollständige Anzeige kann aber noch in einer durch die Finanzbehörden zu setzenden Frist 169 vervollständigt werden, wenn innerhalb der Frist ein Fristverlängerungsantrag gestellt wird.3 Die Anzeige muss zwar nicht an die Grunderwerbsteuerstelle adressiert sein, muss sich aber nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle richten. Dafür ist nach der Rechtsprechung erforderlich, dass die Anzeige als eine solche nach dem GrEStG gekennzeichnet ist und ihrem Inhalt nach ohne weitere Sachprüfung – insbesondere ohne dass es insoweit einer näheren Aufklärung über den Anlass der Anzeige und ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz bedürfte – an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist.4 Diese hohen Anforderungen an den Inhalt einer Anzeige sind insbesondere im Hinblick auf die kurze Frist nicht in allen Konstellationen sachgerecht. Ist ein steuerlicher Berater in den ggf. nicht notariell zu beurkunden Erwerbsvorgang nicht eingebunden, so wird der Steuerpflichtige kaum die inhaltlichen Anforderungen kennen und damit in der Frist auch keine ausreichende Anzeige einreichen. Gerade ein unerfahrener Steuerpflichtiger wird von den Anforderungen damit übermäßig hart getroffen. Richtigerweise wird man für eine Anzeige, die nachgereicht wird, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen, wenn ein steuerlicher Berater vorher keine Kenntnis vom Abschluss des Vertrages erlangt hat, der Vertrag nicht notariell beurkundet wurde und auch nicht von einem Rechtsanwalt vorbereitet wurde. Insbesondere im Hinblick auf die Absenkung der relevanten Beteiligungsquote auf 90 % und den Umstand, dass durch die Globalisierung immer mehr ausländische Erwerbsvorgänge unbewusst die deutsche Grunderwerbsteuer auslösen, wird man an der restriktiven Rechtsprechung des BFH zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand5 nicht mehr festhalten können. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die bisherige Rechtsprechung aus einer Zeit vor der Verschärfung der Anzeigepflichten im Jahr 2014 stammt, sachgerecht. Die Pflicht zur Anzeige eines Erwerbsvorgangs ist objektiver Natur, sie entsteht unabhängig von der Kenntnis der Beteiligten ihrer grunderwerbsteuerlichen Pflichten. Es kommt auch nicht darauf an, welche Erfahrungen, Kenntnisse und externe Beratung ihnen zur Verfügung stehen. Insofern entsteht die Pflicht zur Anzeige unabhängig davon, ob diese den Beteiligten bekannt war. Folglich ist auch die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG von der subjektiven Kenntnis der Beteiligten unabhängig. Eine rückwirkende Anzeige kommt nicht in Betracht.

170

Es führt nicht zur materiellen Verhinderung der Ansprüche aus § 16 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG, wenn die Anzeigepflicht nur von einem einzelnen Beteiligten erfüllt wird, alle anderen also dagegen verstoßen haben. Der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG, zu verhindern, dass dem Finanzamt von Anfang an unbekannt gebliebene Erwerbsvorgänge rückabgewickelt werden können, ist nämlich Genüge getan.6

171

1 2 3 4 5 6

Gesetz vom 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1265. BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 279. BFH v. 23.5.2012 – II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579. BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492. BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830.

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§ 16 Rz. 172 Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung 172

Bei Versäumung der Anzeigepflicht ist regelmäßig keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.1 Auch eine fahrlässige Fristversäumung durch den Notar rechtfertigt keine Fristverlängerung.2 Da die Anzeigepflicht nach den §§ 18 ff. für den Notar ausschließlich im öffentlichem Interesse und nicht im Interesse der Finanzverwaltung oder des Steuerpflichtigen besteht,3 hat die Rechtsprechung eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Finanzverwaltung abgelehnt.4 Auf dieser Grundlage ist auch eine Schadensersatzpflicht des Notars gegenüber dem Steuerpflichtigen abzulehnen, wenn eine Rückabwicklung wegen der unterbliebenen Meldung des Notars ausgeschlossen ist. Umso mehr sind Steuerpflichtige und steuerliche Berater aufgerufen, im Eigeninteresse die Meldung proaktiv (nochmals) abzugeben. Hat nur ein Anzeigepflichtiger eine Anzeige abgegeben, andere Beteiligte hingegen noch nicht, so wird der Fristbeginn nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht hinausgeschoben.5

1 2 3 4 5

BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492. BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, AO-StB 2015, 225 = BStBl. II 2015, 777. LG Arnsberg v. 23.8.2005 – 2 T 28/05, BeckRS 2005, 12274. OLG München v. 10.4.1997 – 1 U 5533/96, MittBayNot 1998, 134. BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310.

810

Koppermann

Siebenter Abschnitt Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Anzeigepflichten und Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§§ 17–22)

§ 17 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (1) 1Für die Besteuerung ist vorbehaltlich des Satzes 2 das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück oder der wertvollste Teil des Grundstücks liegt. 2Liegt das Grundstück in den Bezirken von Finanzämtern verschiedener Länder, so ist jedes dieser Finanzämter für die Besteuerung des Erwerbs insoweit zuständig, als der Grundstücksteil in seinem Bezirk liegt. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 sowie in Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen, stellt das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Grundstücksteil oder das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder Grundstücken liegt, die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest. (3) 1Die Besteuerungsgrundlagen werden 1. bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet, und 2. in den Fällen des § 1 Absatz 2a bis 3a durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieser Finanzämter liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieser Finanzämter liegenden Grundstücks betroffen wird. 2Befindet sich die Geschäftsleitung nicht im Geltungsbereich des Gesetzes und werden in verschiedenen Finanzamtsbezirken liegende Grundstücke oder in verschiedenen Ländern liegende Grundstücksteile betroffen, so stellt das nach Absatz 2 zuständige Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest. (3a) In die gesonderte Feststellung nach Absatz 2 und 3 sind nicht die Grundbesitzwerte im Sinne des § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 157 Absatz 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes aufzunehmen, wenn die Steuer nach § 8 Absatz 2 zu bemessen ist. (4) 1Von der gesonderten Feststellung kann abgesehen werden, wenn 1. der Erwerb steuerfrei ist oder 2. die anteilige Besteuerungsgrundlage für den Erwerb des in einem anderen Land liegenden Grundstücksteils 2.500 Euro nicht übersteigt. 2Wird von der gesonderten Feststellung abgesehen, so ist in den Fällen der Nummer 2 die anteilige Besteuerungsgrundlage denen der anderen für die Besteuerung zuständigen Finanzämter nach dem Verhältnis ihrer Anteile hinzuzurechnen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

1 12

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16 18

B. Örtliche Zuständigkeit (Abs. 1) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelung der örtlichen Zuständigkeit

26

1. Grundstücke in einem Bundesland a) Grundsatz: Belegenheitsprinzip (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) . . . . . . . . . . . b) Ergänzung des Belegenheitsprinzips: Wertprinzip (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) . . . 2. Grundstücke in mehreren Bundesländern (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . .

46

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

Wachter

32 39

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§ 17 Rz. 1 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen II. Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung 1. Erwerb von Grundstücken in verschiedenen Bundesländern (Abs. 2 Alt. 1 und Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb von mehreren Grundstücken in Bezirken verschiedener Finanzämter (Abs. 2 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundstückserwerb durch Umwandlungen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . 4. Erwerb von Anteilen an Gesellschaften mit Grundbesitz (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) . .

.

60

.

64

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74

5. Konkurrenzverhältnis . . . . . . . . . . . . 79 III. Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 3a) 1. Gesonderte Feststellung . . . . . . . . . . . 86 2. Einheitliche Feststellung . . . . . . . . . . . 95 3. Verhältnis zwischen den einzelnen Steuerbescheiden . . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Vertrauensschutz bei Änderung der Grundbesitzbewertung . . . . . . . . . . . . 106 IV. Ausnahmen von einer gesonderten Feststellung (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 114

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Behrens/Hofmann, BVerfG fordert Neuregelung der Grundstücksbewertung für die Zwecke der Grunderwerbsteuer mit Rückwirkung ab 1.1.2009, UVR 2015, 285; Brühl/Joisten/Scheinbacher, Ausgewählte Zweifelsfragen zur örtlichen Zuständigkeit bei Umwandlungen im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2016, 1503; Canz, Die Prüfungserweiterung wegen Grunderwerbsteuer, BB 2017, 791; Eulau, Die Berechnung der Grunderwerbsteuer – Due Diligence- und Compliance-Herausforderung bei Share Deal-Transaktionen, BB 2020, 2848; Joisten, Verfassungswidrigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage i.S.d. § 8 Abs. 2 GrEStG – Wann schadet die rückwirkende Gesetzesänderung dem Steuerpflichtigen?, Ubg 2015, 463; Loose, Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage bei der GrESt (§ 8 Abs. 2 GrEStG), DB 2016, 75; Schade/Rapp, Ländererlass v. 16.12.2015 zu § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. – Vertrauensschutz „light“?, DStR 2016, 657; Schade/Rapp, Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG: Worauf darf der Steuerpflichtige vertrauen?, DStR 2015, 2166; Wischott/Keller/Uterhark, Die zeitliche Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. – Ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichergestellt?, DStR 2016, 1191.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Der „Siebente Abschnitt“ des Grunderwerbsteuergesetzes umfasst die §§ 17 bis 22 GrEStG und hat die amtliche Überschrift „Örtliche Zuständigkeit, Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, Anzeigepflichten und Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung“.

2

Dabei regelt § 17 GrEStG die örtliche Zuständigkeit (§ 17 Abs. 1 GrEStG) und die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (§ 17 Abs. 2 bis 4 GrEStG).

3

Die Anzeigepflichten finden sich in § 18 GrEStG (Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare) und in § 19 GrEStG (Anzeigepflichten der Beteiligten). Ergänzend dazu regelt § 20 GrEStG den Inhalt der Anzeigen und § 21 GrEStG ein Verbot der Urkundenaushändigung vor Absendung der Anzeigen.

4

In § 22 GrEStG ist schließlich noch die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung geregelt.

5

Die Vorschrift des § 17 GrEStG1 ist in fünf Absätze untergliedert.

6

Abs. 1 regelt die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts.

7

Abs. 2 regelt die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, wenn sich der Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken von verschiedenen Finanzämtern (oder mehreren Bundesländern) liegen.

8

Abs. 3 bestimmt, in welchen Fällen bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen oder den Erwerb von Anteilen an Gesellschaften eine gesonderte Feststellung zu erfolgen hat.

9

Abs. 3a legt fest, dass die Grundbesitzwerte nicht in die gesonderte Feststellung aufzunehmen sind, wenn die Steuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage bemessen wird. 1 Ausführlich zum Ganzen gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282 (anstelle der früheren Erlasse v. 18.7.2007, BStBl. I 2007, 549).

812

Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 21 § 17

Abs. 4 eröffnet dem Finanzamt die Möglichkeit, in unbedeutenden Fällen von einer gesonderten Feststellung abzusehen.

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§ 17 Abs. 3 GrEStG gilt entsprechend für Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 GrEStG, die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle ergeben (§ 100a Satz 2 KAGB; zur zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschrift s. § 357 KAGB).1

11

II. Bedeutung und Telos Die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter und die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen dienen vor allem der effektiven Durchführung des Besteuerungsverfahrens.

12

Die Zuständigkeiten sind grundsätzlich so festgelegt, dass die Finanzämter mit den örtlichen Verhältnissen möglichst vertraut sind. Etwaige Zweifelsfragen lassen sich dann meist schnell und unkompliziert klären.

13

Mit der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sollen komplexere Erwerbsvorgänge bei einem Finanzamt zusammengefasst werden. Dies dient der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Steuerfestsetzung.

14

Bei Erwerbsvorgängen, die Grundstücke in mehreren Bundesländern betreffen, dienen die Regelungen darüber hinaus auch der Abgrenzung der Ertrags- und Verwaltungshoheit zwischen den einzelnen Bundesländern.2

15

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Regeln über die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter (§ 17 Abs. 1 GrEStG) sind weitgehend zwingend. Nach allgemeinen Regeln der Abgabenordnung kann in Einzelfällen die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts vereinbart werden (§ 27 AO). In der Praxis kommt dies vor allem bei mittelbaren Anteilsvereinigungen und -übertragungen und Organschaftsfällen in Betracht.

16

Die für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer erforderlichen Besteuerungsgrundlagen werden in gesetzlich geregelten Fällen gesondert festgestellt (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG, §§ 179 ff. AO). Ausnahmen sind nur in wenigen Fällen möglich (§ 17 Abs. 4 GrEStG) und bedürfen einer Ermessensentscheidung des Finanzamts.

17

IV. Rechtsentwicklung Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Finanzämter geht zurück auf § 1 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RGBl. I 1940, 585 und 595).

18

Die heutige Gesetzesfassung beruht weitgehend auf § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (BGBl. I 1982, 1777).

19

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1997 (BGBl. I 1996, 2049) wurden die Regelungen zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen und gesellschaftsrechtlichen Vorgängen neu gefasst (Änderung von § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG durch Art. 7 Nr. 9 JStG 1997).

20

Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BGBl. I 1999, 402) hat die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auf alle Grundstückserwerbe durch Umwandlungen aufgrund eines „Bundes- oder Landesgesetzes“ erstreckt (Änderung von § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG durch Art. 15 Nr. 8 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002).

21

1 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97. 2 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 1 und Rz. 8 ff.; Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 1; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 11 ff.; Weilbach, § 17 GrEStG Rz. 2 f.

Wachter

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§ 17 Rz. 22 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 22

Mit dem Steueränderungsgesetz 2001 (BGBl. I 2001, 3794) wurde die Vorschrift des § 17 GrEStG um einen neuen § 17 Abs. 3a erweitert (Art. 13 Nr. 5).1 Danach sind die Grundbesitzwerte (nach § 138 Abs. 2 und 3 BewG) nicht in die gesonderte Feststellung (nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) aufzunehmen, wenn die Grunderwerbsteuer nach einer Ersatzbemessungsgrundlage (§§ 8 Abs. 2 GrEStG) zu bemessen ist.

23

Das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz 2013 (BGBl. I 2013, 1809) hat die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG um den neuen Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG (Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung) erweitert (Art. 26 Nr. 7).

24

Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 (BGBl. I 2015, 1834) wurde der Verweis in § 17 Abs. 3a GrEStG auf die (früheren) Grundbesitzwerte (nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG) an die (neuen) Grundbesitzwerte (nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG) angepasst (Art. 8 Nr. 3). Dabei handelt es sich um eine Folgeänderung zur Anpassung der Ersatzbemessungsgrundlage (in § 8 Abs. 2 GrEStG2). Die Neuregelungen sind grundsätzlich (rückwirkend) anwendbar auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht worden sind (s. im Einzelnen § 23 Abs. 14 GrEStG).3

25

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes 2021 (BGBl. I 2021, 986; s. dazu auch § 19 Rz. 53 m.w.N.) wurden die Verweise in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3a GrEStG angepasst. Dabei wurde insbesondere der neue Steuertatbestand für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG) ergänzt. Die Neuregelung gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG).

B. Örtliche Zuständigkeit (Abs. 1) I. Überblick 26

Die Vorschrift (§ 17 Abs. 1 GrEStG) regelt die örtliche Zuständigkeit der Finanzämter für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer.4 Die besondere Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit ist gegenüber der allgemeinen Regelung der Abgabenordnung (§ 17 AO) vorrangig.

27

Die sachliche Zuständigkeit der Finanzämter ist im Grunderwerbsteuergesetz dagegen nicht geregelt.5 Maßgebend sind insoweit die Abgabenordnung (§ 16 AO) und das Gesetz über die Finanzverwaltung (§ 17 FVG).6 Mehrere Bundesländer haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit für die Grunderwerbsteuer auf bestimmte Finanzämter zu übertragen.7

28

Die örtliche Zuständigkeit hat erhebliche praktische Bedeutung. Die Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 Abs. 5 GrEStG) sowie die Beteiligten (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG) müssen ihre Anzeigen an das örtlich zuständige Finanzamt richten. Eine Anzeige ist grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß, wenn sie andas zuständige Finanzamt gerichtet ist (s. vor allem § 16 Abs. 5 und § 21 GrEStG, die für eine ordnungsgemäße Anzeige u.a. auch auf § 18 Abs. 5 GrEStG und § 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verweisen).

1 Siehe dazu BT-Drucks. 14/6788, 32. 2 Siehe dazu BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 (zum Verstoß der Ersatzmessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG), und Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Erlasse v. 16.12.2015, BStBl. I 2015, 1082. 3 Siehe dazu FG Münster v. 11.3.2021 – 3 K 2647/18 F, ErbStB 2021, 210 mit Anm. Böing/Groll = EFG 2021, 927 mit Anm. Mai (keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Anwendungsvorschrift des § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG). – Näher zum Ganzen unten Rz. 106 ff. 4 Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 16 ff. und Rz. 21 ff. 5 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 2 ff.; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 14 ff. 6 BFH v. 11.9.1991 – XI R 16/90, BStBl. II 1992, 132 (kein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG durch § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG). – Zu einer nicht (nicht revisiblen) landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnung in Berlin siehe BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, Rz. 22; v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing. 7 Beispielsweise Bayern, Hessen und Sachsen.

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B. Örtliche Zuständigkeit (Abs. 1)

Rz. 31 § 17

Bei gesellschaftsrechtlichen Erwerbsvorgängen ist die fristgerechte und vollständige Anzeige an das zuständige Finanzamt Voraussetzung für die Möglichkeit einer steuerfreien Rückabwicklung (§ 16 Abs. 5 GrEStG).1 Das örtlich zuständige Finanzamt stellt zudem die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Grundbuchamt aus (§ 22 Abs. 1 GrEStG). Anträge auf eine verbindliche Auskunft sind an das für die Grunderwerbsteuer örtlich zuständige Finanzamt zu richten (§ 89 Abs. 2 AO). Das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer steht allein den Bundesländern zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG).

29

Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 wurde den Bundesländern die Befugnis zur Bestimmung 30 des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer eingeräumt (Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG).2 Von dieser Möglichkeit haben (mit Ausnahme von Bayern und Sachsen) alle Bundesländer Gebrauch gemacht (manche sogar mehrfach). Der Steuersatz für die Grunderwerbsteuer beträgt somit (entgegen der irreführende Regelung des § 11 Abs. 1 GrEStG) nicht bundeseinheitlich 3,5 %, sondern (je nach Bundesland) derzeit zwischen 3,5 % und 6,5 %. Kritik: Die gesetzlichen Vorschriften über die Zuständigkeit der Finanzämter im Bereich der Grund- 31 erwerbsteuer sind seit langem unübersichtlich, kompliziert und intransparent (s. dazu auch § 18 Rz. 223 ff. und Rz. 231 sowie § 19 Rz. 14 ff. und Rz. 242 ff.). Das zuständige Finanzamt für die Grunderwerbsteuer ist heute in vielen Fällen (selbst von Fachleuten) nicht bzw. nicht ohne weiteres rechtssicher zu ermitteln.3 Die für die Ermittlung der Zuständigkeit erforderlichen Informationen liegen oftmals nicht vor (und lassen sich meist auch nicht kurzfristig ermitteln). Dies gilt beispielsweise für die genaue Belegenheit der einzelnen Grundstücke, deren (Verkehrs-)Werte oder den tatsächlichen Ort der Geschäftsleitung der Gesellschaft. Darüber hinaus sind die Bezirke der einzelnen Finanzämter und die landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen (und deren wiederholte Änderungen) nicht immer bundesweit bekannt. Informationsangebote im Internet sind nützlich (wie etwa die Suchfunktionen unter www.bzst.bund.de oder www.finanzamt.de), aber rechtlich nicht verbindlich. Die Rechtsunsicherheit wird noch dadurch erhöht, dass die Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften oftmals nicht höchstrichterlich geklärt ist. In der Praxis sind Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Finanzämtern (innerhalb eines Bundeslandes, aber insbesondere auch zwischen verschiedenen Bundesländern) keineswegs selten. Steuerausländer können die Besonderheiten der (föderalen) Zuständigkeitsregelungen nur schwer nachvollziehen. Insgesamt genügen die derzeitigen Zuständigkeitsvorschriften nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben für klare und verständliche Normen. Der derzeitige Rechtszustand ist rechtsstaatlich vor allem deshalb bedenklich, weil die Zuständigkeit des Finanzamts nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt (nach dem maßgeblichen Erwerbsvorgang) in Ruhe sorgfältig ermittelt werden kann. Die Anzeigepflichtigen (nach § 18 und § 19 GrEStG) müssen den Erwerbsvorgang dem zuständigen Finanzamt vielmehr innerhalb einer kurzen Frist von zwei Wochen ordnungsgemäß mitteilen. Eine Anzeige gilt nur dann als ordnungsgemäß, wenn sie beim zuständigen Finanzamt fristgerecht eingeht. Eine Weiterleitung nach Fristablauf soll nicht genügen.4 Eine form- und fristgerechte Anzeige an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt, die allen diesen gesetzlichen Vorgaben vollständig entspricht, ist in vielen Fällen schlicht nicht möglich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anzeigepflichtigen (nach § 18 und § 19 GrEStG) in aller Regel 1 Siehe dazu u.a. u.a. BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, Rz. 20, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (keine Steueraufhebung nach § 16 Abs. 5 GrEStG, wenn ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist); BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung), und Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 35. 2 BGBl. I 2006, 2034. – Siehe dazu BT-Drucks. 16/813, 20 (Stärkung der regionalen Steuerautonomie). 3 Zur Komplexität des gesamten Verfahrens bei Share-Deal-Transaktionen aus Sicht der Praxis Eulau, BB 2020, 2848. 4 Siehe dazu BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, Rz. 20, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (wo die Anzeige eines Erwerbsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG durch einen Notar innerhalb der Frist bei einem unzuständigen Finanzamt erfolgt ist und nach Fristablauf an das zuständige Finanzamt weitergeleitet worden ist).

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§ 17 Rz. 31 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen keine (im Grunderwerbsteuerrecht erfahrenen) Rechtsanwälte oder Steuerberater sind. Für Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) muss es zudem möglich sein, ihre gesetzlichen Anzeigepflichten auch ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters (auf wessen Kosten?) zu erfüllen. Im Ergebnis darf die Komplexität der gesetzlichen Regelungen nicht zu Lasten der Steuerschuldner und Anzeigepflichtigen gehen. Der Gesetzgeber müsste einfache und nachvollziehbare Zuständigkeitsregeln schaffen. Bis dies der Fall ist, dürfen etwaige Fehler bei der Ermittlung der Zuständigkeiten keine (steuerlichen) Nachteile zur Folge haben. Eine Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz sollte daher (entgegen der herrschenden Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung) auch dann noch als ordnungsgemäß gelten, wenn sie in einem Einzelfall (irrtümlich)1 an ein (örtlich) unzuständiges Finanzamt gerichtet worden ist. Solche Zuständigkeitsfehler stellen keine Gefahr für Steueraufkommen dar.

II. Regelung der örtlichen Zuständigkeit 1. Grundstücke in einem Bundesland a) Grundsatz: Belegenheitsprinzip (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) 32

Für die Besteuerung ist grundsätzlich das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GrEStG).

33

Die örtliche Zuständigkeit knüpft somit an die Belegenheit des Grundstücks an (Belegenheitsprinzip).

34

Mit dem „Grundstück“ ist das „inländische Grundstück“ gemeint, auf das sich der Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) bezieht.

35

Mit dem Begriff „Grundstück“ sind grundsätzlich Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint (s. im Einzelnen § 2 GrEStG). Die Frage, ob ein Erwerbsvorgang ein oder mehrere Grundstücke betrifft, wird im Grunderwerbsteuerrecht allerdings abweichend vom bürgerlichen Recht behandelt (s. § 873 BGB und §§ 3 ff. GBO). Mehrere Grundstücke werden für Zwecke des Grunderwerbsteuergesetzes als ein Grundstück behandelt, wenn sie zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Umgekehrt werden ein oder mehrere Teile eines Grundstücks als (gesonderte) Grundstücke behandelt, wenn sie Gegenstand eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs sind (§ 2 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).

36

Der Bezirk eines Finanzamts wird jeweils von den für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden bestimmt (s. § 17 FVG).

37

In der Praxis sind insoweit auch die (aktuellen) Informationen auf den Internetseiten der Länderfinanzverwaltungen sowie die Suchfunktionen unter www.bzst.bund.de oder www.finanzamt.de hilfreich.

38

Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts bestimmt sich aber nicht immer allein nach der Belegenheit des Grundstücks. Das Belegenheitsprinzip gilt nur dann uneingeschränkt, wenn sich der Erwerbsvorgang auf ein oder mehrere Grundstücke bezieht, die allein im Bezirk eines Finanzamts liegen. Das Belegenheitsprinzip stößt aber an seine Grenzen, wenn der Grundbesitz im Bezirk mehrerer Finanzämter liegt. Dann wird das Belegenheitsprinzip u.a. durch das Wertprinzip ergänzt. b) Ergänzung des Belegenheitsprinzips: Wertprinzip (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2)

39

In den Fällen, in denen das Grundstück (eines oder mehrere) im Bezirk von mehreren Finanzämtern (und nicht nur einem) eines Bundeslandes liegt, gilt Folgendes:

40

Für die Besteuerung ist grundsätzlich das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der „wertvollste Teil des Grundstücks“ liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GrEStG). 1 Siehe dazu auch Brühl, GmbHR 2019, 1362 (1362) in seiner Urteilsanmerkung zu BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16 (der Besprechungsfall zeigt, dass auch Notare „irren“ können).

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C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 51 § 17

Das Belegenheitsprinzip wird somit durch das Wertprinzip ergänzt. Das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Teil des Grundstücks liegt, ist örtlich allein zuständig.

41

Die Zuständigkeitsregelung gilt unabhängig davon, ob sich der Erwerbsvorgang auf ein oder mehrere Grundstücke (i.S.v. § 2 GrEStG) bezieht.

42

Voraussetzung ist aber immer, dass alle Grundstücke im Gebiet eines Bundeslandes liegen (sonst gilt § 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG, s. Rz. 46 ff.).

43

Die Ergänzung des Belegenheitsprinzips durch das Wertprinzip hat eine lange Tradition und war be- 44 reits in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 enthalten. Allerdings ergibt sich aus dem Gesetz bis heute nicht, wie, wann und von wem der Wert des Grundstücks (und der einzelnen Grundstücksteile) zu ermitteln ist. Unklar ist bereits, ob es insoweit auf den gemeinen Wert (§ 9 BewG), den Grundbesitzwert (s. § 8 Abs. 2 GrEStG) oder den Einheitswert (s. §§ 19 ff. BewG) ankommen soll. Aus dem Gesetz ergibt sich lediglich, dass es auf den Wert des Grundstücks und nicht etwa auf den (anteiligen) Wert der Gegenleistung (s. § 8 Abs. 1 GrEStG und § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2: „anteilige Besteuerungsgrundlage“) ankommen soll. Eine klare Rechtsgrundlage für die Feststellung des wertvollsten Grundstücksteils fehlt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich (Art. 20 Abs. 3 GG). Siehe zum Ganzen auch § 18 Rz. 223 ff. und Rz. 231 sowie § 19 Rz. 14 ff.

45

2. Grundstücke in mehreren Bundesländern (Abs. 1 Satz 2) Eine Ausnahme von den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen (nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) gilt dann, wenn der Grundbesitz in verschiedenen Bundesländern liegt. Dann ist die Ertrags- und Verwaltungshoheit der einzelnen Bundesländer vorrangig. Jedes Bundesland will die ihm zustehende Grunderwerbsteuer selbst festsetzen und erheben. Demnach ist nicht ein Finanzamt für den gesamten Erwerbsvorgang zuständig. Vielmehr sind mehrere Finanzämter (aus den einzelnen Bundesländern) für einen Erwerbsvorgang zuständig. Die Zuständigkeit wird entsprechend aufgeteilt.

46

In den Fällen, in denen das Grundstück (eines oder mehrere) im Bezirk von mehreren Finanzämtern (und nicht nur einem) verschiedener Bundesländer (und nicht nur einem liegt), gilt Folgendes:

47

Für die Besteuerung ist jedes dieser Finanzämter insoweit örtlich zuständig, als der Grundstücksteil in seinem Bezirk liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

48

Maßgebend ist somit allein die Belegenheit des Grundstücks in dem jeweiligen Bundesland. Auf den Wert des jeweiligen Grundstücksteils kommt es dabei nicht an. Die Zuständigkeit des Finanzamts eines Bundeslands wird nicht dadurch verdrängt, dass der wertvollste Teil des Grundstücks in einem anderen Bundesland liegt (s. § 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG: „vorbehaltlich des Satzes 2“).

49

Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit (nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) haben (abweichend vom Grundsatz des § 127 AO) die Nichtigkeit der Steuerfestsetzung zur Folge.1 Die Verwaltungshoheit der einzelnen Bundesländer lässt eine Steuerfestsetzung durch ein Finanzamt eines anderen Bundeslandes nicht zu.

50

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4) I. Überblick Im Regelfall (Erwerb von einem oder mehreren Grundstücken im Bezirk eines Finanzamts) erlässt das zuständige Finanzamt unmittelbar einen Steuerbescheid über die Grunderwerbsteuer (s. §§ 155 ff. AO). Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet dabei einen unselbständigen Teil des Steuerbescheids (§ 157 Abs. 2 AO). Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt nicht (s. §§ 179 ff. AO).2 1 Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 20; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 12 und 17. 2 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 5.

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§ 17 Rz. 52 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 52

In bestimmten Ausnahmefällen sieht das Grunderwerbsteuergesetz allerdings eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vor (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG i.V.m. §§ 179 ff. AO).1 Danach hat eine gesonderte Feststellung grundsätzlich bei folgenden Erwerbsvorgängen zu erfolgen: – Erwerb von einem oder mehreren Grundstücken in verschiedenen Bundesländern (§ 17 Abs. 2 Alt. 1 und Abs. 1 Satz 2 GrEStG), – Erwerb von mehreren Grundstücken in den Bezirken verschiedener Finanzämter (§ 17 Abs. 2 Alt. 2 GrEStG), – Grundstückserwerb durch Umwandlungen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG), – Erwerb von Anteilen an Gesellschaften, zu deren Vermögen Grundstücke gehören (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG).

53

Maßgebend sind dabei jeweils die Verhältnisse im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 38 AO, § 14 GrEStG).

54

Bei steuerfreien Erwerben und in Bagatellfällen kann das Finanzamt allerdings von einer gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen absehen (§ 17 Abs. 4 GrEStG).

55

Zweck der gesonderten Feststellung ist es, das Besteuerungsverfahren (im Interesse des Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung) zu bündeln und eine einheitliche Entscheidung sicherzustellen.2 Der Erwerbsvorgang soll möglichst in einem Verfahren von einem Finanzamt erfasst werden.

56

Das Grunderwerbsteuergesetz legt fest, in welchen Fällen eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich ist (in § 17 Abs. 2, 3 und 4 GrEStG) und bestimmt das dafür örtlich zuständige Finanzamt.3

57

Nicht (in § 17 GrEStG) geregelt ist dagegen die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte (s. § 17 Abs. 3a GrEStG). Die gesonderte Feststellung erfolgt insoweit durch das Lagefinanzamt (§ 152 Nr. 1 BewG).

58

Der Inhalt der gesonderten Feststellung ist im Grunderwerbsteuergesetz nur teilweise (und negativ) geregelt (§ 17 Abs. 3a GrEStG). Danach sind die Grundbesitzwerte nicht in die gesonderte Feststellung aufzunehmen, wenn die Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der Ersatzbemessungsgrundlage bemessen wird. In dem Feststellungsbescheid trifft das Finanzamt (positiv) die Entscheidung über die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen. Dies umfasst die grundsätzliche Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs (einschließlich etwaiger Steuerbefreiungen), die an dem Erwerbsvorgang beteiligten Steuerschuldner und die Bestimmung der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzämter.

59

Der Feststellungsbescheid ist ein Grundlagenbescheid zum Grunderwerbsteuerbescheid (§ 171 Abs. 10 und §§ 179, 182, 351 AO).4 Der Grunderwerbsteuerbescheid ist ein Folgebescheid zu dem Feststellungsbescheid.5

II. Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung 1. Erwerb von Grundstücken in verschiedenen Bundesländern (Abs. 2 Alt. 1 und Abs. 1 Satz 2) 60

In den Fällen, in denen die Grundstücke in Bezirken von Finanzämtern verschiedener Bundesländer liegen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG), sind die Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen (§ 17

1 Ausführlich dazu Hofmann11, Vor § 15 GrEStG Rz. 2 ff. und § 17 Rz. 7 und 17 ff. 2 Zur Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration s. BFH v. 15.6.1994 – II R 120/91, BStBl. II 1994, 819 = BFH/ NV 1994, 73. 3 Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 3 und 5. 4 Zu möglichen Rechtsbehelfen s. Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 21 ff., Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 18. 5 BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287. Siehe dazu OFD Frankfurt a.M. v. 20.10.2017, DStR 2018, 134.

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C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 67 § 17

Abs. 2 Alt. 1 GrEStG).1 Dies gilt unabhängig vom Wert der einzelnen Grundstücke bzw. Grundstücksteile. Eine gesonderte Feststellung hat auch dann zu erfolgen, wenn in einem Vertrag für mehrere Grundstücke jeweils gesonderte Kaufpreise ausgewiesen sind.2

61

Die gesonderte Feststellung erfolgt dabei durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das wertvollste Grund- 62 stück bzw. der wertvollste Grundstücksteil liegt (§ 17 Abs. 2 GrEStG; s. dazu bereits oben § 17 Rz. 39 ff. und 51 ff.). Die gemeinen Werte der Grundstücke sind in der Praxis meist nicht bekannt. Die Finanzverwaltung greift aus Vereinfachungsgründen daher oft auf vorhandene Grundbesitzwerte oder Einheitswerte zurück, sofern diese vergleichbar sind.3 In Zweifelsfällen wird die Zuständigkeit durch die vorgesetzten Dienststellen bestimmt (s. §§ 25, 28 AO).

63

2. Erwerb von mehreren Grundstücken in Bezirken verschiedener Finanzämter (Abs. 2 Alt. 2) Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist auch dann erforderlich, wenn sich ein Rechtsvorgang (i.S.v. § 1 GrEStG)4 auf mehrere Grundstücke5 bezieht, die in Bezirken verschiedener Finanzämter liegen (§ 17 Abs. 2 Alt. 2 GrEStG).6 Dies gilt unabhängig vom Wert der einzelnen Grundstücke bzw. Grundstücksteile. Die gesonderte Feststellung ist nicht davon abhängig, dass nachvollziehbare Einzelkaufpreise vereinbart worden sind (d.h. kein Gesamtkaufpreis auf mehrere Grundstücke aufzuteilen ist). Ferner kommt es für die gesonderte Feststellung auch nicht darauf an, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 2 GrEStG nicht zur Anwendung kommt.7

64

Die gesonderte Feststellung erfolgt dabei durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück liegt (§ 17 Abs. 2 GrEStG; s. dazu bereits oben § 17 Rz. 39 ff. und 51 ff.).8

65

3. Grundstückserwerb durch Umwandlungen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist erforderlich bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).9

66

In der Praxis betrifft dies vor allem Verschmelzungen und Spaltungen nach dem Umwandlungsgesetz. Nicht erfasst sind dagegen Anwachsungen, Einbringungen und andere Unternehmensumstrukturierungen.10

67

1 Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 7; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 31 ff. 2 Teilweise abw. Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 32 und 41 (gesonderte Feststellung nur dann, wenn lediglich ein Gesamtkaufpreis vereinbart wird). 3 Siehe dazu die Finanzverwaltung, gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 2. – Siehe dazu auch Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 9. 4 Siehe dazu FG Nürnberg v. 16.3.2004 – IV 55/03, EFG 2004, 1388 (keine gesonderte Feststellung bei Erwerb aufgrund Anwachsung bei Personengesellschaften). 5 Zum Begriff der mehreren Grundstücke s. FG Nürnberg v. 16.3.2004 – IV 55/03, EFG 2004, 1388 (im Zusammenhang mit der Realteilung mehrerer Grundstücke und Übertragung auf die Gesellschafter einer Personengesellschaft). 6 Siehe dazu FG Münster v. 20.5.2021 – 8 K 973/20 GrE,F (Az. BFH II R 20/21), EFG 2021, 1393 mit Anm. Haversath (zur gesonderten Feststellung bei einem Rechtsvorgang, der sich auf mehrere Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen). – Siehe ferner Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 41 ff. 7 So auch FG Münster v. 20.5.2021 – 8 K 973/20 GrE,F, Rz. 52 ff. m.w.N., Volltext unter www.justiz.nrw.de. 8 Zum Aufteilungsmaßstab bei einer Gesamtgegenleistung im Rahmen einer gesonderten Feststellung s. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 3. 9 Siehe dazu im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), Rz. 37 f., BStBl. II 2020, 344. 10 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 10; Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 8; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 46 und Rz. 52.

Wachter

819

§ 17 Rz. 68 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 68

Nach dem Gesetzeswortlaut erfolgt eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nur bei Umwandlungen aufgrund eines (deutschen) „Bundes- oder Landesgesetzes“. Damit sind auch grenzüberschreitende Umwandlungen (u.a. grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften nach §§ 122a ff. UmwG) erfasst. Umwandlungen nach europäischem Recht1 sind dagegen erst dann erfasst, wenn die entsprechende EU-Richtlinie in Deutschland umgesetzt worden ist. Den EU-Richtlinien auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts kommt für Zwecke der Grunderwerbsteuer keine Vorwirkung2 (und auch unmittelbare Wirkung) zu. Umwandlungen nach ausländischem Recht fallen gleichfalls nicht unter die Vorschrift.3 Dies gilt auch dann, wenn die Umwandlung nach ausländischem Recht mit einer deutschen Umwandlung funktional vergleichbar sein sollte. Nach dem Normzweck sollten allerdings auch solche Fälle erfasst werden (s. auch § 17 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Der Gesetzgeber sollte daher eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Umwandlungen nach deutschem, europäischem und ausländischem Recht in Betracht ziehen.

69

Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt aber keineswegs bei allen Grundstückserwerben durch Umwandlungen. Vielmehr erfolgt eine gesonderte Feststellung nur dann, wenn der Vorgang zumindest ein Grundstück betrifft, dass außerhalb des Bezirks des Finanzamts liegt, in dem sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet (oder ganz oder teilweise in einem anderen Bundesland liegt) (§ 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Liegen alle Grundstücke ausschließlich im Bezirk des Finanzamts der Geschäftsleitung (und im gleichen Bundesland), erfolgt keine gesonderte Feststellung.4

70

Für die gesonderte Feststellung ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet. Maßgebend ist allein der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) und nicht auch der Sitz des Unternehmens (§ 11 AO). Erwerber ist dabei der Steuerschuldner im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes (s. § 13 Nr. 2 GrEStG).

71

Eine Ausnahme gilt dann, wenn sich die Geschäftsleitung des Erwerbers nicht in Deutschland befindet und Grundstücke in den Bezirken mehrere Finanzämter oder mehrerer Bundesländer betroffen sind (§ 17 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). In diesen Fällen ist das Finanzamt für die gesonderte Feststellung zuständig, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück bzw. der wertvollste Grundstücksteil liegt (§ 17 Abs. 2 GrEStG).

72

Bei Verlegung der Geschäftsleitung erfolgt ein Wechsel der Zuständigkeit nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (§ 26 AO).5

73

Zuständigkeitsvereinbarungen sind mit Zustimmung des Betroffenen möglich (§ 27 AO).6

1 Siehe dazu die am 1.1.2020 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU v. 12.12.2019, L 321/1. Die Richtlinie ist bis zum 31.1.2023 in nationales Recht umzusetzen. – Ausführlich dazu u.a. Heckschen, NotBZ 2020, 241; Luy, NJW 2019, 1905; Schmidt, Jessica, ZEuP 2020, 564; Stelmaszczyk, GmbHR 2020, 61. 2 Zur umstrittenen Frage der Vorwirkung im Gesellschaftsrecht (und diese ablehnend) Heckschen/Stelmaszczyk, BB 2020, 1734; Nazari-Khanachayi, GmbHR 2020, 940. 3 Für eine Anwendung von § 6a GrEStG bei einer Umwandlung nach österreichischem Recht s. BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), Rz. 35, BStBl. II 2020, 344 (zu einer Abspaltung zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft nach österreichischem Recht). Siehe auch BFH, a.a.O., Rz. 38 (allerdings ohne nähere Erörterung des Begriffs des Bundes- oder Landesgesetzes). 4 Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 10; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 24 und 48. 5 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 48. 6 Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 48.

820

Wachter

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 78 § 17

4. Erwerb von Anteilen an Gesellschaften mit Grundbesitz (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist auch erforderlich beim Erwerb von Anteilen an Gesellschaften, zu deren Vermögen Grundstücke gehören (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.V.m. §§ 1 Abs. 2a,1 2b,2 33 und 3a GrEStG).4

74

Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt aber nur dann, wenn der Vorgang zumindest ein Grundstück betrifft, dass außerhalb des Bezirks des Finanzamts liegt, in dem sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet (oder ganz oder teilweise in einem anderen Bundesland liegt) (§ 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Liegen alle Grundstücke ausschließlich im Bezirk des Finanzamts der Geschäftsleitung (und im gleichen Bundesland), erfolgt keine gesonderte Feststellung.

75

Für die gesonderte Feststellung ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft (§ 10 AO) befindet.5 Dabei ist auf die Geschäftsleitung der Gesellschaft abzustellen, deren Anteile vereinigt oder übertragen werden.6 Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft, um deren Anteile es geht, nicht selbst Grundstückseigentümer ist, sondern an der grundbesitzenden Gesellschaft lediglich unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.

76

Ausnahmen gelten nur dann, wenn sich die Geschäftsleitung im Ausland befindet (§ 17 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).

77

Bei Verlegung der Geschäftsleitung kann sich Zuständigkeit des Finanzamts nach allgemeinen Vorschriften ändern (§ 26 AO). In Einzelfällen (insbesondere Konzernsachverhalten) sind auch Zuständigkeitsvereinbarungen möglich (§ 27 AO).

78

1 Siehe dazu BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 = GmbHR 2021, 216 mit Anm. Brühl (keine Änderung des Steuerbescheids durch die Finanzbehörde, wenn sie nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen für einen zu einem bestimmten Zeitpunkt durch einen bestimmten Rechtsvorgang verwirklichten Erwerbsvorgang gesondert festgestellt hat); v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786 = GmbHR 2018, 286 BB 2018, 229 mit Anm. Behrens (zur mittelbaren Anteilsübertragung i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG aufgrund der Einräumung einer Vollmacht); v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 34 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit dem Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung); v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (zum Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Übertragung sämtlicher Kommanditanteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG), s. dazu auch OFD Frankfurt a.M. v. 20.10.2017, DStR 2018, 134. 2 Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) und erstmals anwendbar für alle Erwerbsvorgänge nach dem 30.6.2021 (§ 23 Abs. 18 GrEStG). – Siehe dazu auch oben Rz. 25 und § 19 Rz. 53 m.w.N. 3 Zu einem fiktiven Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG (im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG) s. BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, 344 (führt die Umwandlung zu einem fiktiven Grundstückserwerb i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, geht die Zuständigkeit für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vor). – Siehe dazu allgemein die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960, ausführlich dazu Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140; Brühl, GmbHR 2021, 126; Käshammer/ Schuhmann, DB 2021, 749; Märker, BB 2021, 605; Wischott/Graessner, NWB 2021, 18. 4 Siehe dazu BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405 (zur Änderung eines Feststellungsbescheids i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG bei der teilentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft); BFH v. 15.6.1994 – II R 120/91, BStBl. II 1994, 819 = BFH/NV 1994, 73 (gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für alle von einem Rechtsvorgang betroffenen Grundstücke in einem Steuerbescheid). 5 Zur örtlichen Zuständigkeit in den Fällen der Organschaft nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG s. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056, Tz. 8 und v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 5, sowie Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 51 ff. (jeweils auch mit mehreren Beispielen). 6 BFH v. 21.9.2005 – II R 33/04, BFH/NV 2006, 609 (im Zusammenhang mit einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).

Wachter

821

§ 17 Rz. 79 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 5. Konkurrenzverhältnis 79

Das Grunderwerbsteuergesetz sieht für verschiedene Fälle eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vor (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG).

80

Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass bei einem Erwerbsvorgang immer nur einer der genannten Fälle vorliegt. Dementsprechend hat er das Konkurrenzverhältnis unter den einzelnen Fallgruppen nicht (ausdrücklich) geregelt. Ein zwingender Anwendungsvorrang einzelner Zuständigkeitsregelungen besteht somit nicht.1

81

Bei einem Zusammentreffen von § 17 Abs. 2 GrEStG und § 17 Abs. 3 GrEStG sprechen Gründe der Praktikabilität für die vorrangige Zuständigkeit des Finanzamts am Ort der Geschäftsleitung.2 Dies ist nicht nur einfach und rechtssicher zu bestimmen, sondern mit dem Vorgang in aller Regel ohnehin schon befasst.

82

Bei einem Zusammentreffen von § 17 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG ist die Rechtslage weniger klar. In diesem Fall besteht die Wahl zwischen dem Finanzamt am Ort der Geschäftsleitung des Erwerbers (Nr. 1) oder der Gesellschaft (Nr. 2). Der Grundstückserwerb durch Umwandlung (Nr. 1) ist gegenüber dem Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft (Nr. 2) der speziellere Fall und dürfte daher regelmäßig vorrangig sein.3

83

Dem hat der Bundesfinanzhof4 in einem Einzelfall jetzt (scheinbar) widersprochen. In dem Streitfall führte eine Umwandlung (und zwar eine Abspaltung zur Neugründung auf eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich nach österreichischem Recht) zu einem fiktiven Grundstückserwerb i.S.d.§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Nach Auffassung des BFH geht in diesem Fall die Zuständigkeit für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung (für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG) der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG (für Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes) vor. Für den Erlass des Feststellungsbescheids ist somit das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft befindet.

84

Dies ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings hat sich das Konkurrenzverhältnis im Fall des BFH gar nicht gestellt. Der Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregelung (des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) ist nur eröffnet „bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes“. Bei einer Abspaltung nach österreichischem Recht (s. §§ 1 ff. öSpaltG) handelt es sich nicht um eine Umwandlung aufgrund eines deutschen Bundesgesetzes (s. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 123 ff. dUmwG; s. dazu oben Rz. 67 ff.). Im Bereich der Zuständigkeitsregelungen (§ 17 GrEStG) werden Umwandlungen nach dem Recht von anderen EU-/EWR-Mitgliedsstaaten (anders als bei § 6a Satz 2 GrEStG) nicht mit Umwandlungen nach deutschem Recht gleich behandelt. Mangels einer Umwandlung aufgrund eines deutschen Bundesgesetzes richtete sich die Zuständigkeit hier nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG, sondern (ausschließlich) nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG.

85

Bei mehreren Erwerbsvorgängen hat gleichwohl immer nur eine (und nicht mehrere) gesonderte Feststellung zu erfolgen.

III. Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 3a) 1. Gesonderte Feststellung 86

In dem Feststellungsbescheid trifft das Finanzamt die Entscheidung über die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen.

1 Zur Abgrenzung zwischen § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen s. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 4. – Teilweise abw. Hofmann11, § 17 GrStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 54. 2 Siehe dazu auch FG München v. 23.7.2014 – 4 K 1304/13, GmbHR 2014, 1217 mit Anm. Bergmann/Joisten. 3 Instruktiv und mit zahlreichen Beispielen Brühl/Joisten/Scheinbacher, DStR 2016, 1503 (1506 ff.). 4 BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), Leitsatz 5 und Rz. 35 ff., BStBl. II 2020, 344 (im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG).

822

Wachter

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 91 § 17

Dies umfasst1 u.a. die Entscheidung über die Besteuerung des jeweiligen Erwerbsvorgangs,2 die Anwendung von Steuerbefreiungen,3 die Bestimmung der als Steuerschuldner in Betracht kommenden Personen,4 der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzämter5, die Angabe der betroffenen Grundstücke6 und den Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft zu bewerten ist.7 In Fällen der sukzessiven Tatbestandsverwirklichung (z.B. nach § 1 Abs. 2a GrEStG) sind in dem Feststellungsbescheid auch die einzelnen Vorgänge aufzuführen, die zusammen zum Erreichen bzw. Überschreiten der Grenze von 90 % geführt haben.

87

Die Feststellung des steuerbaren Erwerbsvorgangs beinhaltet zugleich die Feststellung, dass ein Rückerwerb (i.S.v. § 16 GrEStG) nicht vorliegt. Einer gesonderten (negativen) Feststellung zum Rückerwerb bedarf es insoweit nicht.8

88

Nicht erfasst ist dagegen die Höhe der Anrechnung bei der Bemessungsgrundlage (nach § 1 Abs. 6 Satz 2 oder § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG).9

89

Im Regelfall bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Die der Besteuerung zugrunde liegende Bemessungsgrundlage ist in den Feststellungsbescheid mit aufzunehmen.

90

Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich die Grunderwerbsteuer nach einer Ersatzbemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 GrEStG) bemisst. Dann gehört die Bemessungsgrundlage (einschließlich der Zerle-

91

1 Siehe dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 9, sowie Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 17 ff.; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 66 ff. 2 Siehe dazu BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, Rz. 26 ff., BStBl. II 2021, 318 = GmbHR 2021, 216 mit Anm. Brühl (gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG umfasst die Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen, über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind und die Angabe der betroffenen Grundstücke sowie den Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist); BFH v. 4.3.2020 – II R 35/17, Rz. 15 ff., BStBl. II 2020, 514 (zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gehört auch der Zeitpunkt der Steuerentstehung (Stichtag), und zwar unter Angabe des genauen und zutreffenden Datums); BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 34 ff. BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (gesonderte Feststellung umfasst u.a. die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach und in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG auch die Feststellung, dass ein steuerbarer Gesellschafterwechsel vorliegt); BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (gesonderte Feststellung umfasst u.a. auch die Angabe der betroffenen Grundstücke). 3 Dazu gehören auch allgemeine Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO). 4 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748 (Gegenstand der gesonderten Feststellung ist in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach, sondern u.a. auch die verbindliche Entscheidung über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden Personen); BFH v. 31.3.2004 – II R 54/01, BStBl. II 2004, 658 = BFH/NV 2004, 1010 (Auswahl zwischen mehreren Steuerschuldnern ist bereits im Feststellungsbescheid und nicht erst im Rahmen der Steuerfestsetzung zu treffen). 5 Siehe dazu BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 (im Zusammenhang mit einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). 6 Siehe dazu BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (zum Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Übertragung sämtlicher Kommanditanteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG). 7 BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, Rz. 26 ff., BStBl. II 2021, 318 = GmbHR 2021, 216 mit Anm. Brühl (gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG umfasst auch den Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist); BFH v. 4.3.2020 – II R 35/17, Rz. 15 ff., BStBl. II 2020, 514 (zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gehört auch der Zeitpunkt der Steuerentstehung (Stichtag), und zwar unter Angabe des genauen und zutreffenden Datums); BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786 = BB 2018, 229 mit Anm. Behrens = GmbHR 2018, 266 (bei mittelbarer Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG umfasst gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG auch den Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist). 8 BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 37, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit dem nicht angezeigten Erwerb von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 9 Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 70. – Kritisch dagegen Schiessl/Tschesche, BB 2003, 1867 (1874 f.).

Wachter

823

§ 17 Rz. 91 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gung) nicht zum Inhalt des Feststellungsbescheids (§ 17 Abs. 3a GrEStG).1 Die Grundbesitzwerte sind in diesen Fällen Gegenstand einer eigenen gesonderten Feststellung (§ 152 Nr. 1 BewG). Im Schrifttum wird daher teilweise auch von einem „gekappten Feststellungsbescheid“ gesprochen.2 92

In dem Feststellungbescheid müssen aber in jedem Fall alle von dem jeweiligen Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) betroffenen Grundstücke aufgeführt werden.3 Lediglich die Grundbesitzwerte sind nicht in den Feststellungsbescheid aufzunehmen. Die notwendige Feststellung der Grundstücke muss daher in dem Feststellungsbescheid erfolgen und kann nicht später nachgeholt werden.4 Dies gilt auch dann, wenn die Grundstücke in dem Bescheid (versehentlich) nicht mit aufgeführt worden sind (z.B. Unvollständigkeit der Liste der Grundstücke, die von einer Umwandlung betroffenen sind). Möglich ist in solchen Fällen nur eine Änderung des Bescheids nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 172 ff. AO, einschließlich auch der Möglichkeit eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO).

93

Der Gesetzgeber hat diese Regelung eingeführt, um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.5 Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen soll vom (ortnäheren) Festsetzungsfinanzamt veranlasst werden.

94

Eine Verwaltungsvereinfachung ist nach allgemeiner Auffassung damit aber nicht erreicht worden.6 Die Aufteilung zwischen Festsetzungs- und Feststellungs-Finanzämtern ist weder einfach noch effizient und sollte neu geregelt werden. 2. Einheitliche Feststellung

95

Das Grunderwerbsteuergesetz regelt ausdrücklich nur die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Dagegen ist eine einheitliche Feststellung nicht vorgesehen.

96

Insoweit gelten die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO). Bei mehreren Steuerschuldnern (§ 13 GrEStG) hat die gesonderte Feststellung ihnen gegenüber einheitlich zu erfolgen.7 Das Finanzamt kann von einer einheitlichen Feststellung allerdings dann absehen, wenn nur einer von mehreren Gesamtschuldnern als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen ist (§ 5 AO). 3. Verhältnis zwischen den einzelnen Steuerbescheiden

97

Bei gesellschaftsrechtlichen Erwerbsvorgängen wird die Grunderwerbsteuer in einem mehrstufigen Verfahren festgesetzt.8

98

Dabei sind grundsätzlich drei Steuerbescheide zu unterscheiden: (1) Der Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG).

1 Zu § 17 Abs. 3a GrEStG s. BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (im Zusammenhang mit einem Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Übertragung sämtlicher Kommanditanteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG). – Zum früheren Recht (vor Einführung des § 17 Abs. 3a GrEStG) s. BFH v. 20.10.2004 – II R 27/03, BStBl. II 2005, 105 = AO-StB 2005, 69; v. 20.10.2004 – II R 32/02, BFH/NV 2005, 574. – Näher dazu Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 69. 2 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 16, s. ferner auch Rz. 8 (wonach das Feststellungsverfahren einerseits denaturiert und andererseits unvollständig ist). 3 Siehe dazu BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (zum Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Übertragung sämtlicher Kommanditanteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG). – Näher dazu Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 72. 4 Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 17; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 72. 5 BT-Drucks. 14/6877, 32. 6 Kritisch vor allem Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 16. – Zustimmend auch Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 74. 7 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 19; Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 15; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 71. 8 Zu dem Verfahren bei Share-Deal-Transaktionen in der Praxis s. Eulau, BB 2020, 2848.

824

Wachter

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 106 § 17

(2) Der Steuerbescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte, wenn die Grunderwerbsteuer nach der Grundbesitzwerten (§§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) bemessen wird (§ 8 Abs. 2 GrEStG). (3) Der Steuerbescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer (§§ 155 ff. AO). Das Verhältnis der einzelnen Steuerbescheide untereinander ist bislang nicht abschließend geklärt.1

99

Das Grunderwerbsteuergesetz bestimmt lediglich, dass die Grundbesitzwerte (§§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) nicht in den Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) „aufzunehmen“ sind, wenn die Steuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage (nach § 8 Abs. 2 GrEStG) bemessen wird (§ 17 Abs. 3a GrEStG). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Grundbesitzwerte in den Fällen, in denen sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemisst (Fälle des § 8 Abs. 1 GrEStG), in den Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit aufzunehmen sind. Dagegen ergibt sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich, in welchem Verhältnis der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu dem Bescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte steht.

100

Aus der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes folgt jedoch, dass der Bescheid über die gesonder- 101 te Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für den Bescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte bindend ist. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) ist somit Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte (nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) (§ 171 Abs. 10 und §§ 179, 182, 351 AO).2

102

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) ist darüber hinaus auch Grundlagenbescheid für den Steuerbescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer (§§ 155 ff. AO) (§ 171 Abs. 10 und §§ 179, 182, 351 AO).3

103

Der Bescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte (nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) ist gleichfalls Grundlagenbescheid für den Steuerbescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer (§§ 155 ff. AO) (§ 171 Abs. 10 und §§ 179, 182, 351 AO).4

104

Die Bindungswirkung der Grundlagenbescheide ist dabei auf die gesetzlich vorgesehenen Feststellungen des Finanzamts beschränkt.

105

4. Vertrauensschutz bei Änderung der Grundbesitzbewertung Das BVerfG hat die im Grunderwerbsteuerrecht (früher) geltende Ersatzbemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG) im Jahr 2015 für verfassungswidrig erklärt.5 Der Gesetzgeber musste die Grundstücksbewertung daher neu regeln. 1 Siehe jetzt aber BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist sowohl Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts als auch für den Grunderwerbsteuerbescheid), siehe dazu OFD Frankfurt a.M. v. 20.10.2017, DStR 2018, 134. – Zur früheren Rechtslage (vor Einführung des § 17 Abs. 3a GrEStG) s. BFH v. 20.10.2004 – II R 27/03, BStBl. II 2005, 105 = AO-StB 2005, 69. 2 So jetzt auch BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287 (der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist sowohl Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts als auch für den Grunderwerbsteuerbescheid), s. dazu OFD Frankfurt a.M. v. 20.10.2017, DStR 2018, 134. – Siehe dazu auch FG Münster v. 18.3.2021 – 8 K 3173/18 GrE (Az. BFH II R 10/21), EFG 2021, 813 mit Anm. Haversath = ErbbauZ 2021, 117 mit Anm. Lahmann (zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO durch Erlass eines Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer). 3 BFH v. 15.3.2017 – II R 36/15, BStBl. II 2017, 1215 = GmbHR 2017, 1287, s. dazu OFD Frankfurt a.M. v. 20.10.2017, DStR 2018, 134. 4 Zur Feststellungsverjährung siehe Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 77. 5 Siehe dazu Beschluss des BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871. – Ausführlich dazu u.a. Behrens/Hofmann, UVR 2015, 285; Cortez/Göbel, ZfIR 2015, 693; Engers/Schwäbe, BB 2015, 2465; Fertig, DStR 2015, 2160; Joisten, Ubg 2015, 463; Loose, DB 2016, 75; Schade/Rapp, DStR 2015, 2166; Wagner/Knipping, DB 2015, 1860.

Wachter

825

106

§ 17 Rz. 107 Örtliche Zuständigkeit, Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 107

Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 (BGBl. I 2015, 1834) nachgekommen.1 Anstelle der früheren Grundbesitzwerte (nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG) sind neue Grundbesitzwerte (nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) getreten (Änderung von § 8 Abs. 2 GrEStG durch Art. 8 Nr. 2 StÄndG 2015). Die neuen Grundbesitzwerte führen regelmäßig zu höheren Werten und damit auch zu einer höheren Grunderwerbsteuer.

108

Die Neuregelungen sind grundsätzlich rückwirkend auf alle Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht worden sind (s. im Einzelnen § 23 Abs. 14 GrEStG).2

109

Bislang ist nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit die Steuerpflichtigen in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden, dass es rückwirkend zu keiner höheren Grunderwerbsteuerbelastung kommt (s. § 176 AO).3

110

Die Finanzverwaltung gewährt in diesen Fällen keinen Vertrauensschutz.4 In den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder aus dem Jahr 2015 heißt es dazu (Tz. 1.2.):5 „In den Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG wird im Feststellungsverfahren nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG nicht über die Höhe des Grundbesitzwertes entschieden (§ 17 Abs. 3a GrEStG). Der Beschluss des BVerfG vom 23.6.2015 (BStBl. II S. 871) und die gesetzliche Neuregelung geben somit keinen Anlass, Feststellungen nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) zu ändern. Die Feststellungen müssen nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO).“

111

Kritik: Diese Auffassung kann indes nicht überzeugen.6

112

Richtigerweise kann der Steuerbescheid nach Entstehung der Grunderwerbsteuer (§ 14 GrEStG, § 38 AO) nicht mehr zulasten des Steuerpflichtigen geändert werden (s. auch § 176 AO).

113

Dies gilt insbesondere dann, wenn ein vor dem 23.6.2015 (Tag der Entscheidung des BVerfG) ergangener Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen als Rechtsgrundlagen für die Besteuerung auch § 138 Abs. 2 bis 4 BewG i.V.m. § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. angegeben hat. Der Steuerbescheid enthielt dann zwar keine Feststellungen über die „Höhe des Grundbesitzwertes“, aber Feststellungen über die für die Ermittlung der Grundbesitzwerte maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Einer solchen Feststellung der Rechtsgrundlagen kommt Bindungswirkung zu (§ 171 Abs. 10 und §§ 179, 182, 351 AO). Eine nachträgliche Ermittlung der Grundbesitzwerte auf der Grundlage der neuen Bewertungsvorschriften (nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) ist dann nicht mehr möglich. Die Finanzverwaltung ist dann an die von ihr festgestellten Rechtsgrundlagen gebunden.

IV. Ausnahmen von einer gesonderten Feststellung (Abs. 4) 114

Das Finanzamt kann im Einzelfall von einer gesonderten Feststellung absehen, wenn der Erwerb steuerfrei ist (§ 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) oder die anteilige Besteuerungsgrundlage für den Erwerb des in einem anderen Land liegenden Grundstücksteils 2.500 Euro nicht übersteigt (§ 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GrEStG).

115

Die Entscheidung trifft das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO).

116

In der Praxis machen die Finanzämter von dieser Möglichkeit allerdings nur selten Gebrauch, da am Beginn eines Besteuerungsverfahrens nur selten zweifelsfrei feststeht, dass der Vorgang ganz oder nahezu steuerfrei ist. 1 Siehe dazu u.a. Halaczinsky, ErbStB 2016, 27; Ortmann-Babel/Gauß, DB 2015, 2470 (2474). 2 Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 2. 3 Ausführlich zum Ganzen u.a. Fertig, DStR 2015, 2160; Joisten, Ubg 2015, 463; Schade/Rapp, DStR 2016, 1191; Schade/Rapp, DStR 2015, 2166; Wagner/Knipping, DB 2015, 1860; Wischott/Keller/Uterhark, DStR 2016, 1191. 4 So jetzt auch FG Münster v. 11.3.2021 – 3 K 2647/18 F, ErbStB 2021, 210 mit Anm. Böing/Groll = EFG 2021, 927 mit Anm. Mai (keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Anwendungsvorschrift des § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG). 5 Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Erlasse v. 16.12.2015, Tz. 1.2., BStBl. II 2015, 1082. – Zust. Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 3. 6 Grundlegend und überzeugend Schade/Rapp, DStR 2016, 657 (660 ff.).

826

Wachter

C. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Abs. 2 bis 4)

Rz. 122 § 17

Die Regelung beruht auf der Überlegung, dass der mit einer gesonderten Feststellung verbundene Aufwand bei Erwerbsvorgängen entbehrlich ist, bei denen keine oder nur eine geringe Grunderwerbsteuer anfällt.

117

Von einer gesonderten Feststellung kann abgesehen werden, wenn der Erwerb steuerfrei ist (§ 17 118 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Dies sind grundsätzlich alle Fälle, in denen ein Vorgang aufgrund einer gesetzlichen Steuervergünstigung vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit ist (§§ 3 bis 7 GrEStG). Die Finanzverwaltung nutzt diese Möglichkeit aber nur dann, wenn die Steuerbefreiung für jedermann klar und eindeutig ist und keiner weiteren Überprüfung mehr bedarf (z.B. in den Fällen der § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrStG).1 In allen anderen Fällen (vor allem §§ 5, 6 und 6a GrEStG, aber auch § 3 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG) erfolgt dagegen regelmäßig eine gesonderte Feststellung.2 Das Finanzamt kann von einer gesonderten Feststellung ferner dann absehen, wenn die anteilige Besteuerungsgrundlage für den Erwerb des in einem anderen Land liegenden Grundstücksteils 2.500 Euro nicht übersteigt (§ 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GrEStG). Die Regelung knüpft an die allgemeine Steuerbefreiung für den Erwerb von Grundstücken im Wert von nicht mehr als 2.500 Euro an (§ 3 Nr. 1 GrEStG).3 Maßgebend ist hier die anteilige Bemessungsgrundlage (§ 8 GrEStG) und nicht (insofern anders als bei § 17 Abs. 2 GrEStG) der Wert des Grundstücks.

119

Die Regelung erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Fall, dass ein Grundstück in einem anderen Bundesland liegt. Nicht erfasst sind dagegen Fälle, in denen sich ein geringwertiger Grundstücksteil im gleichen Bundesland, aber im Bezirk eines anderen Finanzamts befindet.

120

Falls das Finanzamt aufgrund der niedrigen Bemessungsgrundlage von einer gesonderten Feststellung 121 der Besteuerungsgrundlagen absieht, sind die anteiligen Besteuerungsgrundlagen denen der anderen für die Besteuerung zuständigen Finanzämter nach dem Verhältnis ihrer Anteile hinzuzurechnen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 GrEStG). In der Praxis wird das Finanzamt die Ermessensentscheidung im Hinblick auf die niedrige Bemessungsgrundlage (nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) oftmals gar nicht treffen können, da die Grundbesitzwerte nicht in den Feststellungsbescheid aufgenommen werden (§ 17 Abs. 3a GrEStG).4

1 Siehe dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282, Tz. 10. 2 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 14; Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 12; Loose in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 75. 3 Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 14; Pahlke6, § 17 GrEStG Rz. 12. 4 Zu Recht krit. insoweit Hofmann11, § 17 GrEStG Rz. 14.

Wachter

827

122

§ 18 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare (1) 1Gerichte, Behörden und Notare haben dem zuständigen Finanzamt schriftlich Anzeige nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erstatten über 1. Rechtsvorgänge, die sie beurkundet oder über die sie eine Urkunde entworfen und darauf eine Unterschrift beglaubigt haben, wenn die Rechtsvorgänge ein Grundstück im Geltungsbereich dieses Gesetzes betreffen; 2. Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs, die sie beurkundet oder über die sie eine Urkunde entworfen und darauf eine Unterschrift beglaubigt haben, wenn der Antrag darauf gestützt wird, daß der Grundstückseigentümer gewechselt hat; 3. 1Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, Enteignungsbeschlüsse und andere Entscheidungen, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird. 2Die Anzeigepflicht der Gerichte besteht auch beim Wechsel im Grundstückseigentum auf Grund einer Eintragung im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister; 4. nachträgliche Änderungen oder Berichtigungen eines der unter den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Vorgänge. 2Der Anzeige ist eine Abschrift der Urkunde über den Rechtsvorgang, den Antrag, den Beschluß oder die Entscheidung beizufügen. (2) 1Die Anzeigepflicht bezieht sich auch auf Vorgänge, die ein Erbbaurecht oder ein Gebäude auf fremdem Boden betreffen. 2Sie gilt außerdem für Vorgänge, die die Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, einer Personenhandelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegendes Grundstück gehört. (3) 1Die Anzeigen sind innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung oder der Unterschriftsbeglaubigung oder der Bekanntgabe der Entscheidung zu erstatten, und zwar auch dann, wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs vom Eintritt einer Bedingung, vom Ablauf einer Frist oder von einer Genehmigung abhängig ist. 2Sie sind auch dann zu erstatten, wenn der Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen ist. (4) Die Absendung der Anzeige ist auf der Urschrift der Urkunde, in den Fällen, in denen eine Urkunde entworfen und darauf eine Unterschrift beglaubigt worden ist, auf der zurückbehaltenen beglaubigten Abschrift zu vermerken. (5) Die Anzeigen sind an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Anzeigepflichten 1. Verhältnis zu den Anzeigepflichten der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den anderen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare . 3. Verhältnis zu den allgemeinen Anzeigepflichten der Abgabenordnung . . . . . 4. Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen . . . . . 5. Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meldepflichten der Notare nach der GwGMeldV-Immobilien . . . . . . . .

1 10

15 19 24 29

33 35

c) Beurkundungsverbote für Notare . . . d) Mitteilungspflichten von Vereinigungen an das Transparenzregister . . . . IV. Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . .

39 44 48 52

B. I. II. III. IV. C.

Anzeigepflichtige Personen (Abs. 1 Satz 1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Beurkundungen und Beglaubigungen betreffend Grundstücke (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) 1. Beurkundungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Wachter

829

§ 18 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare

III. IV. V. VI. VII.

2. Beglaubigungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Alt. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . 3. Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelfälle a) Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten . . . . . . b) Belastungen von Grundstücken . . . . c) Verfügungen von Todes wegen . . . . . d) Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . e) Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . Beschlüsse und Entscheidungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . Änderungen und Berichtigungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . Erbbaurechte und Gebäude auf fremden Grund und Boden (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . Übertragung von Anteilen an Gesellschaften (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . .

104 108 109 113 115 116 120 126 131 141 148 152

D. Keine Ausnahmen von der Anzeigepflicht . 170 E. Inhalt der Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . 177 F. Form der Anzeigen (Abs. 1, Abs. 4) I. Schriftlich (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . 180

II. Amtlich vorgeschriebener Vordruck (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abschrift der Urkunde, des Beschlusses oder der Entscheidung (Abs. 1 Satz 2) . IV. Absendung von Anzeige und Abschrift (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Frist für die Anzeigen (Abs. 3) . . . . . . H. I. II. J. I.

. . 185 . . 193 . . 201 . . 205

Empfänger der Anzeigen (Abs. 5) Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle . . . Andere Finanzämter . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige 1. Rechtsfolgen für die Gerichte, Behörden und Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen für die Beteiligten a) Urkundenaushändigung . . . . . . . b) Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . c) Steuerfreie Rückabwicklung . . . . . d) Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens . . . .

. 217 . 231

. 232

. 237 . 242 . 243 . 251 . 254

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: App, Zweckwidrige Verwertung von Kaufvertragsurkunden durch die Finanzämter, DNotZ 1988, 339; Behrens, Vorkaufsrechte im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2019, 1047; Behrens/Seemaier, Änderungen der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Bruschke, Immobilien-Leasing und Grunderwerbsteuer, ErbStB 2020, 115; Diehn/Rachlitz, Notarielle Prüfungspflichten im Grundbuch- und Registerverkehr, DNotZ 2017, 487; Eickelberg, Besonderheiten der konsularischen Beurkundung und ihr Einfluss auf die Zusammenarbeit der Konsularbeamten mit inländischen Notaren, DNotZ 2018, 332; Everts, Notarielle Vollmachten und Anzeigepflicht nach dem GrEStG, UVR 2009, 336; Fertig, Neue grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten beim Asset Deal?, BB 2016, 286; Fleischmann, Der Steuerpflichtige im Netz von Auskunfts- und Kontrollmechanismen, Steuer und Studium 2007, 387; Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des Grunderwerbsteuerrechts 2014/2015, MittBayNot 2016, 1; Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des Grunderwerbsteuerrechts 2013/2014, MittBayNot 2015, 1; Gottwald, Grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten in den Fällen des § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG, MittBayNot 2005, 378 und UVR 2005, 334; Heine, Strenge Anzeigepflichten bei der Grunderwerbsteuer und Änderungen nach Art. 8 StÄndG 2015, UVR 2016, 44; Heine, Anzeigepflichten bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2002, 246; Heine, Anzeigepflichten bei der Grunderwerbsteuer, UVR 1996, 227; Heinze, Grundstückskaufverträge bei fehlender Voreintragung nach mehreren Umwandlungen, DStR 2019, 1643; Heinze, Die Bedeutung der steuerlichen Anzeige- und Übersendungspflichten der Notare (insbesondere nach § 54 I EStDV) für die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht, NZG 2017, 371; Hofmann, Anzeigepflichten des Notars nach dem Grunderwerbsteuergesetz, NotBZ 2006, 1; Hofmann, Anzeigepflichten des Notars nach dem Grunderwerbsteuergesetz und deren Hintergrund, NotBZ 2001, 164; Ihle, Neue Entwicklungen im Bereich der Grunderwerbsteuer, DNotZ 2014, 809; Küperkoch, Notarielle Mitteilungspflichten, RNotZ 2002, 297; Schemmann, Die offene Urkunde und ihre Feinde, DNotZ 2018, 816; Strahl, Grunderwerbsteuer und ausgewählte gesellschaftsrechtliche Transaktionen, RNotZ 2021, 61; Wälzholz, Die aktuelle Reform des Grunderwerbsteuergesetzes – Share Deals, KöMoG und StAbwG, DNotZ 2021, 645; Wälzholz, Aktuelle Fragen der Grunderwerbsteuer in der notariellen Gestaltungspraxis, MittBayNot 2017, 9.

830

Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 11 § 18

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Inhalt der Vorschrift (des § 18 GrEStG) ist die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare im Bereich der Grunderwerbsteuer. Die Anzeigepflichten der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare wird ergänzt durch die Anzeigepflichten der (privaten) Beteiligten (§ 19 GrEStG).

1

Zweck der gesetzlichen Anzeigepflichten ist die vollständige und lückenlose Information der zuständigen Finanzämter über alle Vorgänge, die für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können. Die Finanzämter werden auf diese Weise in die Lage versetzt, die jeweiligen Vorgänge eigenständig zu prüfen und auf dieser Grundlage die Grunderwerbsteuer festzusetzen (oder nicht festzusetzen). Mittelbar dienen die Anzeigepflichten somit der Sicherung des Steueraufkommens.1

2

Mit den steuerlichen Anzeigepflichten erfüllen die Gerichte, Behörden und Notare eine gesetzliche Pflicht. Die Erfüllung der Anzeigepflichten ist aber auch darüber hinaus von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Urkunden dürfen den Beteiligten beispielsweise erst dann ausgehändigt werden, wenn die vollständige Anzeige an das Finanzamt abgesandt worden ist (§ 21 GrEStG). Die Möglichkeit, einen steuerbaren Erwerbsvorgang steuerneutral wieder rückgängig zu machen, ist nur dann eröffnet, wenn der Vorgang dem Finanzamt zuvor ordnungsgemäß angezeigt worden ist (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Die Festsetzungsfrist beginnt erst dann, wenn die Anzeige erfolgt ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

3

Die Vorschrift über die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) ist in fünf Absätze untergliedert.

4

Abs. 1 bestimmt neben den anzeigepflichtigen Stellen zugleich auch die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge. Darüber wird Form und Inhalt der Anzeigen geregelt.

5

Abs. 2 erweitert den Kreis der anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge vor allem auf die Übertragung von 6 Gesellschaftsanteilen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören. Abs. 3 schreibt vor, dass die Anzeigen innerhalb einer Frist von zwei Wochen erfolgen müssen.

7

Abs. 4 sieht vor, dass die erfolgten Anzeigen auf den Urkunden vermerkt werden können.

8

Abs. 5 bestimmt schließlich, dass die Anzeigen an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt erfolgen müssen.

9

II. Bedeutung und Telos Das Verfassungsgebot der gleichmäßigen Besteuerung gilt auch für die Grunderwerbsteuer.2 Die Grunderwerbsteuer muss demnach gleichmäßig erhoben und vollzogen werden. Dies ist nur dann möglich, wenn die zuständigen Finanzämter möglichst vollständig und lückenlos über alle für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgänge informiert werden.

10

Die notwendige Information der Finanzbehörden soll durch umfangreiche gesetzliche Anzeigepflich- 11 ten gewährleistet werden. Neben den Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 GrEStG) bestehen vor allem Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG). Die Anzeigen der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare sind für die Finanzbehörden dabei eine besondere zuverlässige und präzise Informationsquelle. Demgegenüber erweisen sich die Anzeigen der Beteiligten in der Praxis oftmals als weniger belastbar; in Einzelfällen werden die Anzeigen aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit auch übersehen. Im Bereich der Rechtsvorgänge, bei denen keine Anzeige durch Gerichte, Behörden oder Notare erfolgt, ist daher durchaus von nicht unerheblichen Informationslücken der Finanzbehörden auszugehen.

1 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 1; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 11. 2 Siehe BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 = FR 1991, 375 m. Anm. Felix zur Anzeigepflicht für Besteuerung von Kapitaleinkünften, wo beispielhaft auch auf § 18 GrEStG Bezug genommen worden ist.

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§ 18 Rz. 12 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 12

Die gesetzliche Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare bezweckt die vollständige, zeitnahe und richtige Information der Finanzämter über die für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgänge. Bei staatlichen Stellen kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen. Die Finanzämter dürfen somit über alle grunderwerbsteuerrelevanten Vorgänge, an denen (inländische) Gerichte, Behörden oder Notare mitwirken, umfassend informiert sein. Etwaige Lücken bestehen allenfalls in den Bereichen, in denen der Rechtsvorgang von ausländischen Notaren beurkundet bzw. beglaubigt worden ist. Ausländische Notare sind gegenüber den inländischen Finanzämtern nicht anzeigepflichtig und können einer solchen Anzeigepflicht auch nicht unterworfen werden (s. auch Rz. 58 ff. und Rz. 78 ff.).

13

Die steuerlichen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare durchbrechen die ansonsten bestehende Verpflichtung zur Verschwiegenheit. Richter, Beamte und Notare sind kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet (s. z.B. für Notare § 18 BNotO1). Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht grundsätzlich auch gegenüber den Finanzbehörden (zu Ausnahmen für Behörden s. § 105 AO). Dementsprechend sind Notare gegenüber Finanzbehörden berechtigt, die Auskunft (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO und § 84 FGO) und die Vorlage von Urkunden (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AO) zu verweigern. Die gesetzlichen Anzeige- und Mitteilungspflichten bleiben davon jedoch unberührt (§ 102 Abs. 4 Satz 1 AO).2 Dies gilt auch für die Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§ 18 GrEStG). Soweit eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht, sind die Notare auch zur Vorlage von Urkunden und weiterer Auskünfte verpflichtet (§§ 102 Abs. 4 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 2 AO).

14

Die steuerlichen Anzeigeverpflichtungen und die beruflichen Verschwiegenheitspflichten stehen untereinander in einem Spannungsverhältnis.3 Dabei ist die Verpflichtung zur Verschwiegenheit vorrangig. Ausnahmen von der Verschwiegenheitsverpflichtung bedürfen stets einer klaren und eindeutigen Rechtsgrundlage. Die zahlreichen Erlasse und Merkblätter der Länderfinanzverwaltungen zu den Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz4 können diese immer nur konkretisieren, nicht aber neue Anzeigepflichten begründen.

III. Verhältnis zu anderen Anzeigepflichten 1. Verhältnis zu den Anzeigepflichten der Beteiligten 15

Neben den Gerichten, Behörden und Notaren (§ 18 GrEStG) sind auch die Beteiligten selbst verpflichtet, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt bestimmte Rechtsvorgänge anzuzeigen (§ 19 GrEStG).

16

Die einzelnen Anzeigepflichten schließen sich untereinander nicht aus, sondern ergänzen sich. Mehrere Anzeigepflichten kommen nebeneinander zur Anwendung.5

17

Bei mehreren Anzeigepflichten entfällt eine Anzeigepflicht nicht deshalb, weil der Vorgang auch von jemand anderem angezeigt werden muss. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass dem Finanzamt einzelne Rechtsvorgänge mehrfach und von verschiedenen Stellen angezeigt werden. Ziel ist eine möglichst vollständige und lückenlose Information der Finanzbehörden über alle Vorgänge, die für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können.

1 Ausführlich zur gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht des Notars und den Offenbarungspflichten gegenüber dem Finanzamt Bremkamp in Frenz/Miermeister5, § 18 BNotO Rz. 100 ff. m.w.N. 2 Umfassend zu den steuerlichen Beistandspflichten der Notare Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, Abschnitt § 29, Rz. 6 ff., und speziell im Gesellschaftsrecht Bormann/Seebach in Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 18 Rz. 6 und Rz. 139 ff. 3 Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 25. 4 Die aktuelle Fassung findet sich i.d.R. auf den Internetseiten der Landesfinanzverwaltungen. Teilweise abgedruckt u.a. auch bei Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 22; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 51; Weilbach, § 18 GrEStG Rz. 8 ff. 5 Siehe dazu BFH v. 21.6.1995 – II R 11/92, BStBl. II 1995, 802.

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Rz. 25 § 18

A. Grundaussagen der Vorschrift

Bei mehrfachen Anzeigepflichten kann aber nicht immer die Verletzung jeder einzelnen Anzeigepflicht 18 sanktioniert werden, wenn dem zuständigen Finanzamt der maßgebliche Vorgang zumindest einmal ordnungsgemäß angezeigt worden ist. Entscheidend ist, dass das Finanzamt von dem Vorgang Kenntnis erlangt hat und die Grunderwerbsteuer festsetzen kann. Dafür ist zumindest eine Anzeige erforderlich, aber auch ausreichend. Eine mehrfache Anzeige ist zu Kontroll- und Prüfungszwecken zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet daher eine einschränkende Auslegung bei Verstößen gegen einzelne von mehreren Anzeigepflichten. Beispielsweise muss eine steuerneutrale Rückabwicklung eines grunderwerbsteuerlichen Vorgangs auch dann möglich sein, wenn nur einer von mehreren Anzeigepflichtigen den ursprünglichen Erwerbsvorgang dem Finanzamt vollständig angezeigt hat (§ 16 Abs. 5 GrEStG).1 In gleicher Weise ist ein späterer Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) nicht gerechtfertigt, wenn dem Finanzamt zumindest eine von mehreren Anzeigen ordnungsgemäß eingereicht worden ist.2 2. Verhältnis zu den anderen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare Für Gerichte, Behörden und Notare gelten zahlreiche gesetzliche Anzeige- und Meldepflichten (z.B. 19 nach § 34 ErbStG, § 54 EStDV, §§ 93 ff. AO). Für ein und denselben Vorgang können mitunter mehrere Anzeige- und Meldepflichten anwendbar sein. Jede einzelne Pflicht ist gesondert und vollständig zu erfüllen.3 Die Erfüllung einer Pflicht führt nicht 20 zum Erlöschen anderer Anzeige- und Meldepflichten. Für jede einzelne Anzeige- und Meldepflicht gelten unterschiedliche inhaltliche und formale Vorgaben, Fristen und Zuständigkeiten.

21

Notare müssen einzelne Beurkundungen beispielsweise mehrfach an (unterschiedliche) Finanzbehör- 22 den anzeigen. Bei der schenkweisen Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen muss (erstens) eine Anzeige an das zuständige Finanzamt für Körperschaften (§ 54 EStDV) und (zweitens) eine Anzeige an die Schenkungsteuerstelle des zuständigen Finanzamts (§ 34 ErbStG, § 8 ErbStDV) erfolgen. Zusätzlich hat (drittens) auch eine Anzeige an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt zu erfolgen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören (§ 18 GrEStG). Handelt es sich bei dem Schenker um einen Steuerausländer, ist darüber hinaus (viertens) eine Anzeige an das für ihn zuletzt zuständige Finanzamt Einkommensteuerstelle erforderlich (§ 54 Abs. 4 EStDV i.V.m. § 19 AO). Jedem einzelnen Finanzamt ist der Vorgang somit gesondert anzuzeigen. Eine bloße „Sammelanzeige“ ist nicht ausreichend. Es genügt auch nicht, den Vorgang an ein (zentrales) Finanzamt mit der Bitte um Weiterleitung an die zuständigen Stellen zu übermitteln. Vielmehr sind mehrere getrennte Anzeigen erforderlich, die (nach Maßgaben der jeweiligen inhaltlichen und formalen Vorgaben) unmittelbar an die jeweils zuständigen Finanzämter zu übersenden sind.

23

3. Verhältnis zu den allgemeinen Anzeigepflichten der Abgabenordnung Nach den allgemeinen Bestimmungen der Abgabenordnung bestehen nicht nur Mitwirkungs- und 24 Auskunftspflichten der Beteiligten selbst (§§ 90 ff. AO), sondern auch Auskunftspflichten anderer Personen (§§ 93 ff. AO) und Anzeigepflichten von Körperschaften und Betrieben (§§ 137 ff. AO). Darüber hinaus sind Gerichte und Behörden untereinander zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet (§§ 111 ff. AO).

1 Siehe (allerdings noch zur früheren Fassung von § 16 Abs. 5 GrEStG) BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830 = BB 2012, 2096 mit Anm. Behrens = GmbHR 2012, 922 mit Anm. Adolf, und den Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung, gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 4.6.2013, BStBl. II 2013, 1277. 2 Siehe BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. 3 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 14; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 50.

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§ 18 Rz. 26 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 26

Gerichte und Behörden sind zudem zur Anzeige (möglicher) Steuerstraftaten verpflichtet (§ 116 AO).

27

Steuerpflichtige sind darüber hinaus verpflichtet, unrichtige oder unvollständige Erklärungen unverzüglich zu berichtigen (§ 153 AO).

28

Die allgemeinen Pflichten nach der Abgabenordnung werden durch die besonderen Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz nicht berührt. Beide Regelungen stehen selbständig nebeneinander. 4. Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen

29

Bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind seit dem 1.7.2020 besondere Mitteilungspflichten zu erfüllen (s. §§ 138d ff. AO; Art. 97 § 33 EGAO).1 Die Mitteilungspflichten gelten auch für Steuergestaltungen im Bereich der Grunderwerbsteuer (s. auch § 19 Rz. 29 ff.).2 Viele Fragen im Zusammenhang mit den neuen Mitteilungspflichten sind bislang ungeklärt3 und teilweise sehr umstritten.4

30

Die Mitteilungspflichten gelten für sogenannte Intermediäre. Darunter versteht der Gesetzgeber im Allgemeinen Personen, die grenzüberschreitende Gestaltungen vermarkten, konzipieren, organisieren, zur Nutzung bereitstellen oder ihre Umsetzung durch Dritte verwalten. Gerichte, Behörden und Notare sind keine solchen Intermediäre.

31

Der Notar ist unabhängiger Inhaber eines öffentlichen Amts (s. § 1 BNotO) und kein Intermediär. Der (inländische) Notar ist auch dann kein Intermediär, wenn er die Beurkundung von solchen grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften vornimmt. Der Notar ist in diesen Fällen allein mit der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Vertragsabwicklung befasst und kümmert sich um den Vollzug der Urkunde in den (inländischen) Grundbüchern und Handelsregistern. Der Notar ist aber weder der steuerliche Berater noch der aktive Gestalter. Unabhängig davon sorgt der (inländische) Notar mit der Erfüllung der gesetzlichen Anzeigepflichten (u.a. nach § 18 GrEStG) dafür, dass die deutschen Finanzbehörden von allen beurkundeten Verträgen schnell, zuverlässig und vollständig Kenntnis erlangen. Dies dient der Transparenz und gewährleistet den Vollzug der Steuergesetze.

32

Die neuen Mitteilungspflichten für Intermediäre bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (§§ 138d ff. AO) und die Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§§ 18 ff. GrEStG) bestehen unabhängig voneinander und sind getrennt zu erfüllen. Gerichte, Behörden und Notare müssen ihre Anzeigepflicht (nach § 18 GrEStG) auch dann erfüllen, wenn ein Intermediär die Steuergestaltung dem Bundeszentralamt für Steuern mitteilt (oder bereits mitgeteilt hat).

1 Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BGBl. I 2019, 2875 = BStBl. I 2020, 127. – Siehe dazu statt vieler von Brocke/Nonnenmacher/Przybilka, Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, 2. Aufl. 2020. 2 Näher dazu im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen Märker, BB 2020, 2779 (allgemein) und Märker, BB 2021, 2206 (zum Formwechsel von Immobiliengesellschaften). 3 Ausführlich dazu aus Sicht der Finanzverwaltung BMF v. 29.3.2021, BStBl. I 2021, 582 (Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberscheitender Steuergestaltungen). Siehe dazu allgemein Podeyn/Fischler/Sommer, DB 2021, 760, und zu Fragen der Erbschaft- und Schenkungsteuer Guerra, ErbStB 2021, 219 und Guerra, ErbStB 2020, 47. 4 Siehe etwa Rätke in Klein15, § 138d AO Rz. 5 („verfassungswidrig“), Rz. 15 („Tiefpunkt in der Steuergesetzgebung“) und Rz. 15 („völlig untauglich“).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 34 § 18

5. Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz a) Überblick Die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes1 wurden in letzten Jahren2 (u.a. aufgrund europarecht- 33 licher Vorgaben3) mehrfach verschärft.4 Dies betrifft insbesondere auch Immobilientransaktionen, bei denen der Gesetzgeber erhöhte Geldwäscherisiken erkannt hat. In Zukunft sollen etwaige Geldwäscheverdachtsfälle den zuständigen Behörden möglichst frühzeitig mitgeteilt werden. Die Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz für Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater wurden daher erheblich erweitert (s. u.a. §§ 43 ff. GwG). Diese Pflichten knüpfen jetzt teilweise auch an Erwerbsvorgänge nach dem Grunderwerbsteuergesetz an (etwa § 43 Abs. 6 GwG). Der deutsche Gesetzgeber hat erstmals eine Verbindung zwischen den Steuertatbeständen des Grunderwerbsteuergesetzes und den Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz geschaffen. Nachfolgend soll daher ein kurzer Überblick über die wichtigsten Regelungen in diesem Bereich gegeben werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Notaren, da diese sowohl anzeigepflichtig (nach § 18 GrEStG) als auch meldepflichtig (nach § 43 GwG) sind.5 Kritik: Die Verbindung zwischen (deutschem) Grunderwerbsteuergesetz und (europäischem) Geldwäscherecht ist rechtlich grundsätzlich zulässig, erscheint aber gleichwohl sachwidrig. Ein Zusammenhang zwischen Grunderwerbsteuer und Geldwäsche besteht nicht. Angesichts der Ziels der Geldwäschebekämpfung hätte es durchaus nahegelegen, die Meldepflicht unmittelbar an den zivilrechtlichen Kaufvertrag (bzw. die Bezahlung des Kaufpreises) anzuknüpfen (und nicht an einen steuerlichen Rechtsvorgang). Die tatbestandliche Anknüpfung an das Grunderwerbsteuergesetz kann sich für Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche zudem möglicherweise als unzureichend erweisen. Für Erwerbsvorgänge, die nicht unter § 1 GrEStG fallen, besteht keine Meldepflicht. Etwaige Lücken des Grunderwerbsteuergesetzes wirken sich somit auch nachteilig auf die Geldwäschebekämpfung aus. Die Meldepflicht obliegt zudem nicht nur Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, die mit dem Grunderwerbsteuergesetz 1 Siehe zum Ganzen u.a. Frey/Pelz, BeckOK GwG, Stand: 1.8.2020; Herzog, Geldwäschegesetz, 4. Auflage 2020; Zentes/Glaab, Geldwäschegesetz, 2. Auflage 2020. 2 Das (deutsche) Geldwäschegesetz wurde zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2083). Das Gesetz ist am 1.8.2021 in Kraft getreten. – Siehe dazu den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/28164 v. 31.3.2021 = BR-Drucks. 133/21 v. 12.2.2021, die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 19/30443 v. 9.6.2021, den Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages, BR-Drucks. 505/21 v. 11.6.2021 sowie den Beschluss des Bundesrates, BR-Drucks. 505/21 v. 25.6.2021. – Ausführlich dazu u.a. Bode/Gätsch, NJW 2021, 437; Goette, M., DStR 2021, 1551; John, NZG 2021, 957; Reuter, BB 2021, 707; Rodatz/Judis/Bergschneider, BB 2021, 1115; Rosner, NWB 2021, 2007; Seibert/Bochmann/Scheller, GmbHR 2021, R 128. 3 Die zwischenzeitlich „Fünfte EU-Geldwäscherichtlinie“ ist am 9.7.2018 in Kraft getreten (= Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EG, ABl. EU v. 19.6.2018, L 156/43). 4 Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Die Europäische Kommission hat im Juli 2021 ein weiteres (umfangreiches) Paket zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgelegt. Nach derzeitigem Stand sollen die Neuregelungen voraussichtlich Anfang 2025 in Kraft treten. Im Einzelnen besteht das Vorhaben der Europäischen Kommission aus vier Gesetzgebungsvorschlägen: (1) eine Sechste Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (s. COM (2021) 423 final v. 20.7.2021), (2) eine Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (s. COM (2021) 420 final v. 20.7.2021), (3) eine Verordnung zur Schaffung einer neuen EU-Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (s. COM (2021) 421 final v. 20.7.2021), (4) eine Geldtransfer-Verordnung (Änderung und Neufassung der Verordnung (EU) 2015/847), zur Ermöglichung der Rückverfolgung von Transfers von Krypto-Vermögenswerten (s. COM (2021) 422 final v. 20.7.2021). 5 Zur Bedeutung der Notare für die Geldwäscheprävention siehe u.a. Lieder, NZG 2020, 1081 (1087), Strauß, MittBayNot 2021, 65 (73).

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§ 18 Rz. 34 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare vertraut sind (bzw. vertraut sein müssen), sondern u.a. auch Rechtsanwälten und Notaren (die grundsätzlich zu keiner steuerlichen Beratung verpflichtet sind). Es ist daher zu befürchten, dass die komplizierte und unübersichtliche Regelung des § 1 GrEStG jedenfalls von den „Nicht-Steuerberatern“ nicht immer richtig verstanden wird. Vollzugsdefizite sind insoweit nicht auszuschließen. Im Übrigen überrascht es, dass der Gesetzgeber für die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz einerseits an das Grunderwerbsteuergesetz anknüpft, dann aber wieder ein anderes Kriterium wählt als für die steuerlichen Anzeigepflichten. Die Meldepflichten (nach § 43 GwG) gelten für Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG. Dagegen gelten die Anzeigepflichten (in § 18 GrEStG) nicht für alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG. Vielmehr sind die anzeigepflichtigen Vorgänge (in § 18 GrEStG) eigenständig geregelt (und ohne Verweis auf § 1 GrEStG). Bei der vom Gesetzgeber angestrebten Verzahnung wäre es folgerichtig gewesen, sich bei der Meldepflicht (nach § 43 GwG) nicht an allen Erwerbsvorgängen (nach § 1 GrEStG), sondern an den anzeigepflichtigen Vorgängen (nach § 18 GrEStG) zu orientieren. b) Meldepflichten der Notare nach der GwGMeldV-Immobilien 35

Gerichte, Behörden und Notare haben Rechtsvorgänge, die inländische Grundstücke betreffen, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen (§ 18 GrEStG). Unabhängig davon haben u.a. Notare seit dem 1.10.2020 bei Kenntnis von einem meldepflichtigen Sachverhalt bestimmte Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu melden (§ 43 Abs. 6 GwG und § 1 ff. GeldwäschegesetzmeldepflichtverordnungImmobilien, GwGMeldV-Immobilien).1

36

Beide Pflichten bestehen selbständig nebeneinander und sind getrennt voneinander zu erfüllen. Je nach Einzelfall muss der Notar beide Anzeigen bzw. Meldungen vornehmen, keine von beiden oder nur eine beiden.

37

Für die jeweiligen Anzeige- bzw. Meldepflichten gelten unterschiedliche Regelungen und Voraussetzungen.2 – Rechtsgrundlage: – Die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz hat ihre Rechtsgrundlage in § 43 Abs. 6 GWG und in der Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien, GwGMeldV-Immobilien).3 Die Verordnung ist am 1.10.2020 in Kraft getreten (§ 8 GwGMeldV-Immobilien). – Die Anzeigepflicht an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt ist in §§ 18 ff. GrEStG geregelt. – Meldeverpflichtete: – Die Meldepflicht obliegt allen Verpflichteten nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 und 12 GwG. Dazu gehören u.a. auch Notare (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG). Die Bundesnotarkammer hat dazu im November 2020 umfangreiche Auslegungs- und Anwendungshinweise veröffentlicht (zu den Meldepflichten nach § 43 GwG s. dort vor allem Abschnitt F.).4 – Die Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz obliegt u.a. auch Notaren (§ 18 GrEStG).

1 BGBl. I 2020, 1965. – Ausführlich dazu u.a. Ehrl, notar 2020, 300; Krais, CCZ 2020, 311; Frey/Pelz, BeckOK GwG, Kommentierung zur GwGMeldV-Immobilien, Stand: 1.12.2020; Paul, GWR 2021, 91; Thelen, NotBZ 2021, 129; Thelen, Geldwäscherecht in der notariellen Praxis, 2021. 2 Siehe demgegenüber Bundesnotarkammer, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz für Notare, Stand: November 2020, Abschnitt F. I. 2. Buchst. b („Im Ergebnis besteht somit ein Gleichlauf mit der steuerlichen Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG“). 3 BGBl. I 2020, 1965. 4 Volltext unter www.bnotk.de. Ausführlich dazu Thelen, Geldwäscherecht in der notariellen Praxis 2021, Rz. 435 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 37 § 18

– Kenntnis: – Eine Meldepflicht nach der GwGMeldV-Immobilien obliegt dem Notar nur dann, wenn der meldepflichtige Sachverhalt dem Notar bekannt ist. Den Notar trifft insoweit keine Nachforschungspflicht (so ausdrücklich § 1 Satz 2 GwGMeldV-Immobilien). – Eine Anzeige an das Finanzamt hat auch nur dann zu erfolgen, wenn der steuerbare Erwerbsvorgang dem Notar bekannt ist. Bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen besteht eine Anzeigepflicht nur, wenn der Notar Kenntnis davon hat, dass zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören. Eine Nachforschungspflicht besteht auch insoweit nicht (s. dazu unten Rz. 152 ff. und Rz. 164 ff.). – Anwendungsbereich: – Die Meldepflicht gilt für alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG (§ 1 und § 2 Nr. 6 GwGMeldVImmobilien), sofern ein Sachverhalt (i.S.v. §§ 3 bis 6 GwGMeldV-Immobilien) vorliegt. Die Meldepflicht gilt somit für alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG1 und ist insbesondere nicht auf gesellschaftsrechtliche Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3b GrEStG) beschränkt. Die Meldepflichten nach der GwGMeldV-Immobilien haben somit einen anderen (weiteren) Anwendungsbereich als die Anzeigepflichten nach § 18 GrEStG (die nicht alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG erfassen) (s. dazu unten Rz. 86 ff.). – Die Meldepflicht nach der GwGMeldV-Immobilien besteht auch dann, wenn ein Erwerbsvorgang (nach § 1 GrEStG) von der Grunderwerbsteuer befreit ist (z.B. nach §§ 3 ff. GrEStG). Dies ist mit der Rechtslage im Grunderwerbsteuergesetz vergleichbar. Danach besteht die steuerliche Anzeigepflicht auch dann, wenn der Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). – Inhalt der Meldung: – Der Inhalt der Meldung nach der GwGMeldV-Immobilien ist nicht allgemein vorgegeben. Grundsätzlich ist der dem Erwerbsvorgang (nach § 1 GrEStG) zugrundeliegende Sachverhalt unter Angaben der konkret bekannten Verdachtsmomente (insbesondere nach §§ 3 bis 6 GwGMeldV-Immobilien) darzulegen. Für die Meldung ist eine elektronische Eingabemaske zu verwenden. – Dagegen ist der Inhalt der Anzeige bei der Grunderwerbsteuer gesetzlich genau vorgegeben (§§ 18, 20 GrEStG). Die Anzeige hat auf dem amtlichen Vordruck (derzeit in Papierform) zu erfolgen. – Form der Meldung: – Die Meldung nach der GwGMeldV-Immobilien hat elektronisch an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu erfolgen (und zwar unter Verwendung der Software goAML, siehe § 45 GwG).2 Eine schriftliche Meldung ist ausgeschlossen. – Dagegen muss die Anzeige an das für Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt schriftlich erfolgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Eine elektronische Übermittlung ist bislang ausgeschlossen (§ 22a GrEStG). – Frist der Meldung: – Die Meldungen nach der GwGMeldV-Immobilien haben „unverzüglich“ zu erfolgen (§ 43 Abs. 1 GwG). Die Meldepflicht besteht nicht nur für abgeschlossene Erwerbsvorgänge (nach § 1 GrEStG), sondern auch schon für „deren Vorbereitung“ (§ 2 Nr. 6 GrEStG). – Die Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz bestehen dagegen stets erst „nach“ der Beurkundung oder Beglaubigung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Bloße Entwürfe oder Vorbereitungshandlungen sind niemals anzeigepflichtig. Die Anzeigen müssen nicht unbedingt unverzüglich erfolgen, aber spätestens innerhalb der kurzen Frist von zwei Wochen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). 1 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung (zu § 43 GwG) in BR-Drucks. 352/19 v. 9.8.2019, S. 109 (Erstreckung auf „sämtliche Erwerbsvorgänge“ nach § 1 GrEStG). – Einschränkend dagegen Bundesnotarkammer, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz für Notare, Stand: November 2020, Abschnitt F. I. 2. Buchst. b („Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG“). 2 Siehe dazu auch die aktuellen Informationen unter www.zoll.de, www.fiu.bund.de und www.gwg.bnotk.de.

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§ 18 Rz. 37 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare – Dokumentation: – Die im Zusammenhang mit den Meldungen nach der GwGMeldV-Immobilien erfolgten Erwägungen sind sorgfältig zu dokumentieren (s. § 8 Satz 1 Nr. 4 GwG und § 7 GwGMeldV-Immobilien). – Die Anzeige an das Finanzamt hat der Notar auf der Urschrift der Urkunde zu vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG). – Vollzug der Urkunde: – Eine Meldung des Notars nach der GwGMeldV-Immobilien hat zur Folge, dass die Urkunde vorübergehend nicht vollzogen werden darf (sog. Anhaltepflicht, s. § 46 GwG). – Der Notar darf die Urkunde erst dann aushändigen, wenn er die vollständige Anzeige an das Finanzamt abgesandt hat (§ 21 GrEStG). 38

Bislang (Stand: Juni 2021) liegen noch keine Erkenntnis darüber vor, wie viele Meldungen nach der GwGMeldV-Immobilien tatsächlich erfolgt sind und ob die Meldungen tatsächlich Fälle der Geldwäsche (oder anderer Straftaten) betroffen haben. c) Beurkundungsverbote für Notare

39

Seit dem 1.1.2020 bestehen für Notare (als Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG) bei der Beurkundung von bestimmten Grundstücksgeschäften besondere Prüfungs- und Identifizierungspflichten (s. dazu § 12 Abs. 4 GwG n.F.1 und früher § 11 Abs. 5a GwG a.F.).2 Bei einem „Erwerbsvorgang nach § 1 des GrEStG“ hat der beurkundende Notar die Identität des wirtschaftlich Berechtigten (§ 3 GwG) besonders zu prüfen, sofern ein Vertragspartner für eine „Rechtsform“ (nach § 3 Abs. 2 oder 3 GwG) handelt. Bei diesen Rechtsformen handelt es sich um juristische Personen, Kapital- und Personengesellschaften (einschließlich auch der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts), Trusts und Stiftungen. Die Regelung gilt in gleicher Weise für in- und ausländische Rechtsformen. Die Prüfung hat unabhängig davon zu erfolgen, in welcher Eigenschaft die „Rechtsform“ an dem Erwerbsvorgang beteiligt ist (z.B. als Veräußerer, als Erwerber oder als Bürge).

40

Die Vorschrift gilt für alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG und ist insbesondere nicht auf gesellschaftsrechtliche Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3b GrEStG) beschränkt. Der Anwendungsbereich stimmt somit nicht vollständig mit den anzeigepflichtigen Vorgängen überein (s. § 18 GrEStG, der nicht alle Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG erfasst) (s. dazu unten Rz. 86 ff.). Die Prüfungspflicht besteht unabhängig davon, ob der Erwerbsvorgang (nach § 1 GrEStG) tatsächlich der Grunderwerbsteuer unterliegt oder von der Besteuerung befreit ist (z.B. nach §§ 3 ff. GrEStG). Bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen gelten die Pflichten unabhängig davon, ob der konkrete Erwerb den Schwellenwert von 90 % erreicht oder nicht (s. § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3b GrEStG).

41

Der Notar kann die Prüfung nicht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen vornehmen. Vielmehr muss der Notar die Überprüfung anhand einer von dem jeweiligen Vertragspartner in „Textform“ (s. § 126b BGB) vorzulegenden Dokumentation der „Eigentums- und Kontrollstruktur“ vornehmen (§ 12 Abs. 4 Satz 1 GwG n.F. und § 11 Abs. 5a Satz 1 GwG a.F.). Die Dokumentation muss lediglich auf ihre „Schlüssigkeit“ (und nicht etwa auf ihre Vollständigkeit oder Richtigkeit) überprüft werden. Die Überprüfung muss „vor“ der Beurkundung erfolgen. Eine Prüfungspflicht besteht nur bei Beurkundungen (und nicht auch bei Beglaubigungen). Der Notar hat die Eigentums- und Kontrollstruktur nicht selbst zu ermitteln. Vielmehr muss der entsprechende Vertragspartner dem Notar die Dokumentation vorlegen. Der Notar „hat“ die Beurkundung abzulehnen, wenn und „solange“ ein Vertragspartner seiner Nachweispflicht (nach § 12 Abs. 4 1 Geändert durch Art. 1 Nr. 12 Buchst. d des Gesetzes zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2083). Das Gesetz ist am 1.8.2021 in Kraft getreten. – Zu Gesetzesmaterialien und Schrifttum s. die Nachweise oben in Fn. 16. 2 Ausführlich dazu Thelen, Geldwäscherecht in der notariellen Praxis, 2021, Rz. 367 ff. und Rz. 406 ff.

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Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 45 § 18

GwG n.F. und § 11 Abs. 5a GwG a.F.) nicht nachkommt (§ 10 Abs. 9 Satz 4 GwG). In Fällen, wo die Vorlage entsprechender Nachweise endgültig verweigert wird (oder falsche Nachweise vorgelegt werden), kann eine Meldepflicht des Notars (nach § 4 GwGMeldV-Immobilien) in Betracht kommen. Die Dokumentation ist der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen sowie den Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (§ 12 Abs. 4 Satz 2 GwG n.F. und § 11a Abs. 5 Satz 2 GwG a.F.). Die Verpflichtung des Notars zur Verschwiegenheit (§ 18 BNotO) ist insoweit eingeschränkt.

42

Dagegen sieht das Geldwäschegesetz nicht vor, dass der Notar die Dokumentation der Eigentümer- 43 und Kontrollstruktur auch den Finanzbehörden übersenden darf. In diesem Punkt ist die gesetzliche Regelung lückenhaft. Der Notar soll der Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz bei mehreren Beteiligten eine „Beteiligungsübersicht“ beifügen (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG) (s. dazu § 20 Rz. 108 ff.). Eine solche Beteiligungsübersicht liegt dem Notar in aller Regel nicht vor und kann von ihm auch nicht erstellt werden. Dem Notar liegt aber eine Dokumentation der Eigentümer- und Kontrollstruktur vor. Dies ist zwar nicht unbedingt eine vollständige „Beteiligungsübersicht“ (i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG), kann aber zumindest als Grundlage für weitere Ermittlungen herangezogen werden. Der Notar sollte daher (de lege ferenda) die Dokumentation (nach § 12 Abs. 4 GwG n.F. und § 11 Abs. 5 GwG a.F.) nicht nur an Zoll- und Strafverfolgungsbehörden, sondern auch an das Finanzamt übersenden dürfen. Im Übrigen sollte der Gesetzgeber die unbestimmten Begriffe der „Beteiligungsübersicht“ (in § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG) und der „Eigentums- und Kontrollstruktur“ (in § 12 Abs. 2 GwG n.F. und § 11 Abs. 5 GwG a.F.) konkretisieren und harmonisieren. Die derzeitige gesetzliche Regelung ist unklar und widersprüchlich. d) Mitteilungspflichten von Vereinigungen an das Transparenzregister Seit dem Jahr 2017 gibt es in Deutschland ein Transparenzregister1 über die wirtschaftlich Berechtig- 44 ten (§ 3 GwG) von Gesellschaften, Vereinigungen und anderen Rechtsgestaltungen (§§ 18 ff. GwG).2 Juristische Personen des Privatrechts (z.B. GmbHs) und eingetragene Personengesellschaften (z.B. GmbH & Co. KGs3) mit Sitz im Inland sind danach u.a. verpflichtet, die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten (§ 19 Abs. 1 GwG) einzuholen und der registerführenden Stelle zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 GwG).4 Rechtslage bis 2021: Für Vereinigungen mit Sitz im Ausland bestand eine solche Verpflichtung bislang nur dann, wenn sie sich verpflichten, „Eigentum an einer im Inland gelegenen Immobilie zu erwerben“ (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GrEStG), sofern nicht schon eine Meldung an ein vergleichbares Register im europäischen Ausland erfolgt ist (§ 20 Abs. 1 Satz 3 GrEStG).5 Die Vorschrift gilt für alle Vereinigungen im Ausland, unabhängig davon ob sie in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaat oder einem Drittstaat ihren (Satzungs-)Sitz haben. 1 Siehe www.transparenzregister.de. 2 Erstmals eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen v. 23.7.2017 (BGBl. I 2018, 1822). 3 Ab dem 1.1.2024 gilt dies auch für die im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts (s. §§ 707 ff. BGB n.F. und §§ 18 ff. GwG n.F.). Siehe dazu Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 4 Im Schrifttum ausführlich u.a. Bochmann, GmbHR 2021, R 32; Bochmann, GmbHR 2020, 256 (Teil I) und GmbH 2020, 362 (Teil II); Gätsch/Bode, BB 2021, 138; Goette M., NZG 2020, 1206; Goette M., DStR 2020, 453; Holm, DStR 2020, 1742; John, NZG 2021, 957; Koehler, ZIP 2020, 1399; Korte, BB 2020, 2633; Lorenz, DStR 2020, 2258; Nordhues/Zenker, GWR 2021, 138; Omlor/Meier, ZGR 2020, 586; Reuter, NZG 2020, 178; Schmitz/ Thelen, GmbHR 2020, 1101; Tebben, ZGR 2020, 430; Teichmann, ZGR 2020, 450; Thelen, NotBZ 2021, 129; Thelen, DNotZ 2020, 732. – Siehe zum Ganzen auch die regelmäßig aktualisierten „FAQ“ des zuständigen Bundesverwaltungsamts in Köln im Internet unter www.bva.bund.de. 5 Eine offizielle Liste solcher Register gibt es bislang nicht. Im Internet finden sich (nicht amtliche) Übersichten zu ausländischen Registern der wirtschaftlichen Berechtigten, siehe u.a. www.bmf.gv.at (österreichische Bundesministerium für Finanzen) und www.gtai.de (German Trade and Investment).

Wachter

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45

§ 18 Rz. 45 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare Allerdings gilt die Regelung nur für den unmittelbaren Erwerb eines Grundstücks im Inland und nicht auch (auch nicht analog) für den Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen (unmittelbar oder mittelbar) Grundstücke im Inland gehören. Die Regelung gilt zudem nur für die Verpflichtung zum Erwerb eines Grundstücks und nicht auch in Fällen der Veräußerung. Für den Notar besteht ein Beurkundungsverbot, bis die Vereinigung im Ausland ihrer Mitteilungspflicht an das Transparenzregister nachkommt (§ 10 Abs. 9 Satz 4 GwG). 46

Rechtslage ab 2021: Mit Wirkung zum 1.8.20211 hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.).2 Die Mitteilungspflicht an das (deutsche) Transparenzregister gilt jetzt auch für Vereinigungen mit Sitz im Ausland, wenn „Anteile im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG sich bei ihr vereinigen oder auf sie übergehen“ oder wenn „sie im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG aufgrund eines Rechtsvorgangs eine wirtschaftliche Beteiligung innehaben“3 (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.).4 Der Gesetzgeber will auf diese Weise die Transparenz beim Erwerb von inländischen Grundstücken durch ausländische Gesellschaften (im Rahmen von sog. share deals) verbessern.5 Bislang waren aus dem Grundbuch (nur) die Eigentümer, d.h. die rechtlichen Berechtigten ersichtlich (s. § 12 GBO). Bei ausländischen Vereinigungen und Gesellschaften ergab sich daraus aber oftmals nicht, wer dahintersteht und somit der „wahre“ Eigentümer ist. Dies soll jetzt geändert werden. Die wirtschaftlich Berechtigten müssen dem deutschen Transparenzregister mitgeteilt werden und sind dann für jedermann online ersichtlich (§§ 18 ff., 23 GwG). Die neuen Mitteilungspflichten an das Transparenzregister für Vereinigungen im Ausland sind auch vom Notar zu beachten. Der Notar unterliegt einem Beurkundungsverbot, bis die Vereinigung im Ausland ihrer Mitteilungspflicht an das Transparenzregister nachkommt (§ 10 Abs. 9 Satz 4 GwG).6

47

Stellungnahme: Mit der Neuregelung schafft der Gesetzgeber wieder eine (sachwidrige – s. dazu oben Rz. 33 ff.) Verbindung zwischen Grunderwerbsteuergesetz und Geldwäschegesetz. Der Übergang von Gesellschaftsanteilen (i.S.d. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) wird zum Anlass für eine erweiterte Mitteilungspflicht an das Transparenzregister (nach § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.) genommen. Im Unterschied zu den Meldepflichten (nach § 43 Abs. 6 GwG und §§ 1 ff. GwGMeldV-Immobilien, – s. dazu oben Rz. 33 ff. und 35) knüpft der Gesetzgeber hier aber nicht an „Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG“ an. Eine Anknüpfung an die Anzeigepflichten nach § 18 GrEStG ist (trotz Anregung des Bundesrats7) gleichfalls nicht erfolgt. Die Unterschiede sind ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. 1 Zu den Übergangsvorschriften s. § 59 Abs. 8 bis 10 GwG. 2 Geändert durch Art. 1 Nr. 12 Buchst. d des Gesetzes zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2083). Das Gesetz ist am 1.8.2021 in Kraft getreten. – Zu Gesetzesmaterialien und Schrifttum s. die Nachweise oben in Fn. 16. 3 Zur Kritik an dem unbestimmten Begriff des Innehabens in § 1 Abs. 3a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG s. § 19 Rz. 127. 4 Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 19/28164 v. 31.3.2021 = BRDrucks. 133/21 v. 12.2.2021) sollte in § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG-E nur auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG Bezug genommen werden (und nicht auch auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG). Der Verweis (auch) auf § 1 Abs. 3a GrEStG (und die jetzige Gesetzesfassung) ist erst aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages erfolgt (BT-Drucks. 19/30443 v. 9.6.2021, S. 23 und S. 74). Dagegen wurde der Vorschlag des Bundesrats, die Verweisung in § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG auf § 1 Abs. 3 GrEStG durch einen Verweis auf die Anzeigepflichten der Notare nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu ersetzen, vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen (s. BR-Drucks. 133/21 (Beschluss) v. 26.3.2021, S. 7). 5 Siehe BT-Drucks. 19/28164, S. 47 f. 6 Geändert durch Art. 1 Nr. 10 Buchst. d des Gesetzes zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten (Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz) v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2083). Das Gesetz ist am 1.8.2021 in Kraft getreten. – Zu Gesetzesmaterialien und Schrifttum s. die Nachweise oben in Fn. 16. 7 Siehe BR-Drucks. 133/21 (Beschluss) v. 26.3.2021, S. 7, und die Nachweise oben in Fn. 40.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 50 § 18

– § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG: Für die Mitteilungspflichten an das Transparenzregister sind die Vorschriften des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG maßgebend.1 Nicht erfasst sind dagegen alle anderen Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG, auch nicht die (ähnlichen) gesellschaftsrechtlichen Steuertatbestände des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG. Eine Erweiterung der Mitteilungspflichten (nach § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.) auf diese Fälle ist nicht möglich (auch nicht im Wege der Analogie oder sonstigen Auslegung). Der Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung sind eindeutig. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Regelung ist allerdings nicht ersichtlich. – Umfang: Der Gesetzgeber stellt nicht unmittelbar auf einen Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ab (s. dazu auch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 GrEStG, vgl. dazu § 19 Rz. 108 ff.). Vielmehr soll es auf den Übergang oder die Vereinigung von Anteilen (i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG) oder das Innehaben einer Beteiligung (i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG) ankommen. Nach der (ursprünglichen) Gesetzesbegründung soll der Anteilserwerb mit ausländischen Erwerbern „dem Umfang nach § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechen“.2 Dies deutet darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob der Steuertatbestand (des § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG) tatsächlich verwirklicht worden ist. Vielmehr scheint allein der Übergang von Anteilen im „Umfang“ (des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) von Bedeutung zu sein. Nicht eindeutig ist zudem, ob und inwieweit der Begriff „Umfang“ mit dem Steuertatbestand (des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) inhaltlich übereinstimmt (obwohl dieser Begriff dort gar nicht vorkommt). Grundsätzlich ist der Schwellenwert von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft maßgebend. – Vereinigung, Übergang und Innehaben: Für die neue Mitteilungspflicht an das Transparenzregister kommt es darauf an, ob sich bei der Vereinigung im Ausland Anteile (i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG) vereinigen oder auf sie übergehen oder sie eine Beteiligung (i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG) innehat. Nach der Gesetzesbegründung ist „Übergang“ dabei als Oberbegriff gemeint und erfasst „jede Form des Wechsels der Geschäftsanteile“.3 Mit dem Übergang ist grundsätzlich die dingliche Übertragung gemeint (und nicht schon das schuldrechtliche Rechtsgeschäft). In § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG ist aber von „übergehen“ nicht die Rede. Der Begriff „Übergang“ findet sich nur in einem der vier Tatbestände (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). – Dynamischer Verweis: Bei der Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (in § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.) handelt es sich um dynamische Verweisungen. Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes (in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG)4 wirken sich daher mittelbar auch die Mitteilungspflicht an das Transparenzregister nach dem Geldwäschegesetz aus. Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (zur Auslegung des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG). Unklar ist zudem, ob und inwieweit die steuerrechtlichen Übergangsvorschriften bei Änderungen des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (s. etwa § 23 Abs. 18, Abs. 21 und Abs. 22 GrEStG) auch bei der Auslegung des Geldwäschegesetzes zu beachten sind.

IV. Zwingendes Recht Die steuerlichen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare (nach § 18 GrEStG) sind zwingend.5

48

Ein Verzicht auf die Anzeigen ist nicht möglich.6 Die Beteiligten können die Gerichte, Behörden oder 49 Notare auch nicht anweisen, die Anzeigen (noch) nicht vorzunehmen. Vertragliche Vereinbarungen über die Anzeigen sind in jeder Hinsicht ausgeschlossen. Die Anzeigen stehen nicht zur Disposition der Beteiligten. Andernfalls könnten sie ihren gesetzlichen Zweck nicht erfüllen. Die Anzeigen müssen auch dann erfolgen, wenn alle Beteiligten und/oder das Gericht, die Behörde und/oder der Notar der Überzeugung sind, dass ein Rechtsgeschäft von der Besteuerung befreit ist 1 2 3 4

Siehe dazu die Hinweise oben in Fn. 40. BT-Drucks. 19/28164, S. 47 unten. BT-Drucks. 19/28164, S. 47 unten. Zuletzt etwa durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c und d des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986). 5 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 1. 6 Siehe BFH v. 4.3.1999 – II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301 = ZfIR 2000, 652.

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50

§ 18 Rz. 50 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare oder keine Steuern auslöst (s. § 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Diese Entscheidung obliegt allein dem zuständigen Finanzamt. Mit der Anzeige ist keinerlei Aussage über die tatsächliche Besteuerung verbunden. Die Anzeige soll das Finanzamt lediglich in die Lage versetzen, den Rechtsvorgang eigenständig zu prüfen und die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen (oder nicht festzusetzen). 51

Gerichte, Behörden und Notare müssen die Anzeigen auch dann erstatten, wenn dies in der Urkunde, in dem Antrag, in der Entscheidung oder dem Beschluss überhaupt nicht vorgesehen ist. Die Anzeigepflichten folgen allein aus dem Gesetz und bedürfen somit keiner weiteren Grundlage. Vielen Beteiligten ist allerdings nicht bekannt, welche Anzeigen durch die Gerichte, Behörden und Notare erfolgen. Bei notariellen Urkunden kann es daher überlegenswert sein, in der Urkunde einen entsprechenden Verteiler der Abschriften vorzusehen. Dies dient nicht nur der Transparenz, sondern schafft nicht selten auch das Bewusstsein für die (mögliche) steuerliche Relevanz eines Vorgangs.

V. Rechtsentwicklung 52

Die Anzeigepflicht der Behörden, Beamten und Notare (nicht auch der Gerichte) war bereits in § 2 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 19401 enthalten.

53

Die heutige Gesetzesfassung beruht weitgehend auf § 18 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983.2

54

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 19973 wurde die Anzeigepflicht der Gerichte erweitert (Ergänzung von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG durch Art. 7 Nr. 10 JStG 1997). Die Anzeigepflicht der Gerichte besteht danach auch beim Wechsel im Grundstückseigentum aufgrund einer Eintragung im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister. Die Neuregelung hat nach allgemeiner Auffassung lediglich klarstellende Bedeutung. Die Anzeigepflicht wurde von den einzelnen Landesjustizverwaltungen zuvor unterschiedlich gehandhabt, teilweise sind auch keinerlei Anzeigen erfolgt. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung die einheitliche Anzeigepraxis im gesamten Bundesgebiet gewährleisten.4

55

Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem Jahr 20025 wurde § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG dahingehend ergänzt, dass die Anzeige „schriftlich“ zu erfolgen hat. Damit wurde eine elektronische Übermittlung der Anzeige ausgeschlossen (§ 18 Abs. 1 Satz 3 GrEStG). Die Regelung ist am 26.8.2002 in Kraft getreten. Eine elektronische Übermittlung der Anzeige ist bis heute nicht möglich, da das Bundesministerium der Finanzen von der im Jahr 2011 geschaffenen Verordnungsermächtigung (§ 22a GrEStG) bislang keinen Gebrauch gemacht hat.

56

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 20116 wurde die im Jahr 2002 eingefügte Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 GrEStG, wonach eine elektronische Übermittlung der Anzeige ausgeschlossen ist, wieder aufgehoben (Art. 9 Nr. 1 Steuervereinfachungsgesetz 2011). Gleichzeitig wurde eine neue Verordnungsermächtigung (in § 22a GrEStG) geschaffen (Art. 9 Nr. 2 Steuervereinfachungsgesetz 2011). Danach kann das Bundesministerium der Finanzen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens ein Verfahren zur elektronischen Übermittlung der Anzeige bestimmen. Dies ist bislang nicht erfolgt. Demnach ist eine elektronische Übermittlung der Anzeige weiterhin ausgeschlossen (so ausdrücklich § 22a Satz 3 GrEStG).

57

Durch das „Jahressteuergesetz 2018“7 wurden in § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG die Wörter „einer bergrechtlichen Gewerkschaft“ ersatzlos gestrichen.8 In der Gesetzesbegründung9 wird darauf hingewiesen, dass die bergrechtlichen Gewerkschaften (nach § 163 BBergG) spätestens zum 1.1.1994 aufgelöst wur1 2 3 4 5 6 7

RGBl. I 1940, 585 und 595. BGBl. I 1982, 1777. BGBl. I 1996, 2049. BT-Drucks. 13/4839, 74 f. BGBl. I 2002, 3322. BGBl. I 2011, 2131. Art. 14 Nr. 2 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 8 Zum Vergehen der Gesellschaftsform der bergrechtlichen Gewerkschaft s. Fleischer in FS für Barbara Grunewald, 2021, S. 209 ff. 9 BR-Drucks. 372/18 vom 10.8.2018, S. 68.

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B. Anzeigepflichtige Personen (Abs. 1 Satz 1)

Rz. 67 § 18

den. Die geänderte Gesetzesfassung gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 14.12.2018 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 16 Satz 1 GrEStG).

B. Anzeigepflichtige Personen (Abs. 1 Satz 1) I. Überblick Anzeigepflichtig sind „Gerichte, Behörden und Notare“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

58

Die Anzeigepflicht trifft bestimmte öffentliche Stellen, die in hoheitlicher (amtlicher) Funktion an 59 einem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang mitwirken. Bei Rechtsvorgängen, an denen Notare oder Mitarbeiter von Gerichten, Behörden oder Notaren in privater Eigenschaft beteiligt sind, besteht keine solche Anzeigepflicht. Die im Gesetz genannte Reihenfolge der anzeigepflichtigen Personen (Gerichte, Behörden und Notare) entspricht in keiner Weise deren praktischer Bedeutung. Die mit Abstand meisten Anzeigen erfolgen durch die Notare. Anzeigen durch Gerichte und Behörden sind dagegen vergleichsweise selten.

60

Die Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare bestehen nebeneinander und schließen sich untereinander nicht aus. Einzelne Rechtsvorgänge sind demnach unter Umständen von mehreren Stellen anzuzeigen (z.B. die Verschmelzung einer Gesellschaft mit Grundbesitz durch den beurkundenden Notar und durch das Registergericht).1

61

Neben der Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) besteht die Anzei- 62 gepflicht der Beteiligten (§ 19 GrEStG). Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es, dass alle grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgänge dem zuständigen Finanzamt (zumindest einmal) angezeigt werden. Die Beteiligten haben auch alle Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar keine Anzeige zu erstatten hat (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Alle Anzeigepflichten sind stets vollständig zu beachten. Die Anzeigepflicht eines Beteiligten führt nicht dazu, dass die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare entfällt. Umgekehrt müssen die Beteiligten den für sie geltenden Anzeigepflichten auch dann nachkommen, wenn insoweit eine Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden oder Notare besteht. Die einzelnen Anzeigepflichten gelten nicht alternativ, sondern kumulativ. Die Anzeigepflichten sind zwingend. Ein Verzicht auf die Anzeige ist in keinem Fall möglich.

63

Mit der Anzeigepflicht ist keinerlei steuerliche Prüfung des jeweiligen Rechtsvorgangs verbunden. 64 Die Gerichte, Behörden und Notare sollen nicht prüfen, ob ein Vorgang tatsächlich der Grunderwerbsteuer unterliegt oder nicht (und müssen dies auch nicht). Vielmehr sollen sie den Vorgang dem zuständigen Finanzamt lediglich anzeigen, damit dieses die steuerliche Prüfung selbständig vornehmen kann. Anzeigepflichtig sind demnach auch Rechtsvorgänge, die (tatsächlich oder vermeintlich) von der Besteuerung ausgenommen sind (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).

II. Gerichte Die Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz gelten u.a. für die „Gerichte“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

65

Der Gesetzeswortlaut schränkt den Kreis der anzeigepflichtigen Gerichte nicht weiter ein, so dass grundsätzlich die Gerichte aller Gerichtszweige und aller Instanzen erfasst sind (s. Art. 92 ff. GG). Die Anzeigepflicht gilt gleichermaßen für alle gerichtlichen Verfahren. Für die Anzeigepflicht ist es ohne Bedeutung, ob für einen Vorgang ein Richter, ein Rechtspfleger oder ein anderer Mitarbeiter der Justiz zuständig ist.

66

In der Praxis trifft die Anzeigepflicht der Gerichte vor allem die Amtsgerichte (s. §§ 22 ff. GVG), und dort vor allem die Grundbuchämter (s. §§ 1 ff. GBO), die Vollstreckungsgerichte (s. §§ 1 ff. ZVG), die

67

1 Zu einem Fall aus der Praxis, bei dem die Anzeige nicht vollständig erfolgt ist, s. Heinze, DStR 2019, 1643.

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843

§ 18 Rz. 67 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare Registergerichte (s. § 374 ff. FamFG), die Nachlassgerichte (s. §§ 342 ff. FamFG), die Familiengerichte (s. § 111 ff. FamFG) und die Insolvenzgerichte (s. §§ 2 ff. InsO). 68

Einzelne gerichtliche Entscheidungen, die dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt angezeigt werden müssen, sind im Gesetz beispielhaft aufgeführt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG). Dazu gehören die Zuschlagsbeschlüsse in Zwangsversteigerungsfahren (s. § 82 ZVG) und andere (gerichtliche) Entscheidungen, über die ein Wechsel im Grundeigentum bewirkt wird (z.B. ein gerichtlicher Vergleich, § 127a BGB, ein Insolvenzplan, §§ 217, 228 InsO oder ein Restrukturierungsplan, §§ 2 ff. StaRUG).

69

Besonders erwähnt ist im Gesetz zudem die Anzeigepflicht der Gerichte beim Wechsel im Grundstückseigentum aufgrund einer Eintragung im (deutschen, s. dazu unten Rz. 139 ff.) Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG; zur parallelen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Satz 2 GrEStG s. § 19 Rz. 128 ff.).1 Dazu gehören beispielsweise Umwandlungen bei Gesellschaften mit Grundbesitz (§§ 1 ff. UmwG) oder die Anwachsung bei Grundstücksgesellschaften (derzeit § 738 BGB und ab dem 1.1.2024 § 712a BGB n.F.2).3 Nicht erwähnt ist im Gesetz dagegen das Partnerschaftsregister.

70

Im Gesetz findet sich auch kein Hinweis auf das (künftige) Gesellschaftsregister für (eingetragene) Gesellschaften bürgerlichen Rechts (§§ 707 ff. BGB n.F.).4 Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts zahlreiche Regelungen, in denen auf das Handelsregister (und andere Register) Bezug genommen wird, ausdrücklich um einen entsprechenden Verweis auf das neue Gesellschaftsregister erweitert (s. etwa § 32 Abs. 1 GBO n.F., §§ 376 ff. FamFG n.F., § 58 GNotKG n.F., §§ 18 ff. GwG, u.v.a.m).5 Eine Änderung von steuerrechtlichen Vorschriften ist aber nicht erfolgt. Der Verweis im Grunderwerbsteuergesetz wurde gleichfalls nicht angepasst. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die erforderlichen Regelungen in einem steuerrechtlichen Begleitgesetz noch vornehmen wird. Ohne eine solche Regelung bestehen bei Eintragungen im Gesellschaftsregister keine Anzeigepflichten der Gerichte (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG). Eine analoge Anwendung (von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) scheidet mangels einer planwidrigen Regelungslücke aus. Die gesetzliche Erwähnung der Eintragungen im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister (in § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) ist allerdings lediglich beispielhaft (s. Gesetzeswortlaut „auch“) und nicht abschließend. Die allgemeinen Anzeigepflichten bei (gerichtlichen oder behördlichen) „Entscheidungen“ (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) bleiben davon unberührt. Die Anzeigepflichten (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG, nicht auch Satz 2) gelten daher auch für Entscheidungen des Partnerschaftsregisters, des (künftigen) Gesellschaftsregisters und des (künftigen) Stiftungsregisters (s. Rz. 69 ff.).

71

Im Gesetz (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) wird auch das (künftige) Stiftungsregister nicht erwähnt.6 Das Stiftungsregister wird aber (anders als das Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister sowie das künftige Gesellschaftsregister) nicht bei den Amtsgerichten (einem Gericht i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), sondern dem Bundesamt für Justiz (einer Behörde i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) geführt. Die Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) gilt aber nur für „Gerichte“ und gilt daher nicht für das Stiftungsregister. Im Übrigen werden Eintragungen im Stif1 Zu Lücken bei den insoweit bestehenden Anzeigepflichten s. unten Rz. 140. 2 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 Zur unterlassenen Anzeige der Beteiligten im Fall der Anwachsung bei einer Zweipersonengesellschaft s. BFH v. 29.10.2008 – II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832. 4 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 5 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 6 Mit Wirkung zum 1.1.2026 wird in Deutschland erstmals ein bundeseinheitliches Stiftungsregister mit öffentlichem Glauben eingeführt, s. Art. 3 (Änderungen des BGB und Einfügung von §§ 82b ff. BGB n.F.) und Art. 4 (Stiftungsregistergesetz) des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2947.

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Wachter

B. Anzeigepflichtige Personen (Abs. 1 Satz 1)

Rz. 80 § 18

tungsregister in aller Regel auch keinen „Wechsel im Grundstückseigentum“ bewirken, so dass die Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG) auch aus diesem Grund nicht eingreift. Für das Stiftungsregister gelten allerdings die allgemeinen Anzeigepflichten für Behörden (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG, s. dazu unten Rz. 69 ff., 71). Ergänzende Regelungen zur Anzeigepflicht der Registergerichte finden sich in der Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen (kurz MiZi, dort Teil XXI Nr. 1 Abs. 2 Nr. 9, Volltext: www.verwaltungs vorschriften-im-internet.de und § 37 Abs. 2 Handelsregisterverordnung).

72

Amtsgerichte, die Urkunden eines Notars in Verwahrung nehmen (s. §§ 45, 51, 55 BNotO) trifft in aller Regel keine Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz. Die Anzeigepflicht trifft vielmehr den Notar, der die Urkunden errichtet hat.

73

III. Behörden „Behörden“ haben dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt die gesetzlich vorgesehenen Anzeigen zu erstatten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

74

Die Anzeigepflicht gilt für alle Behörden (s. § 1 Abs. 4 VwVfG), unabhängig davon, ob es sich dabei um Bundes-, Landes- oder Gemeindebehörden handelt. Neben inländischen Behörden sind auch die deutschen Konsulate im Ausland erfasst (s. §§ 1 ff. KonsularG).1

75

Das Grunderwerbsteuergesetz erwähnt ausdrücklich die Anzeigepflicht bei behördlichen Enteignungsbeschlüssen (s. z.B. § 113 BauGB). Andere (behördliche) Entscheidungen, über die ein Wechsel im Grundeigentum bewirkt wird, können beispielsweise im Rahmen von Flurbereinigungs- oder Umlegungsverfahren ergehen.

76

Die besonderen Beurkundungszuständigkeiten in Grundbuchsachen in Baden-Württemberg (s. § 61 Abs. 4 BeurkG) sind mit Wirkung zum 1.1.2018 weitgehend entfallen. Es gelten insoweit die allgemeinen Anzeigepflichten der Notare.

77

IV. Notare Die größte praktische Bedeutung hat die Anzeigepflicht der „Notare“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).2

78

Alle Notare müssen dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt Anzeige über die grund- 79 erwerbsteuerrelevanten Vorgänge erstatten.3 Die Anzeigepflicht besteht gleichermaßen für alle Notare in Deutschland, unabhängig davon, ob es sich um hauptberufliche Notare („Nur-Notare“, § 3 Abs. 1 BNotO), Anwaltsnotare (§ 3 Abs. 2 BNotO) oder andere Notare (z.B. Notare im Landesdienst, § 114 BNotO und § 61 Abs. 4 BeurkG) handelt. Im Falle von Abwesenheit oder Verhinderung des Notars hat der amtlich bestellte Vertreter (§ 39 BNotO) die Anzeigepflichten zu erfüllen. Entsprechendes gilt auch für den Notariatsverwalter (§ 56 BNotO). Nach dem Gesetzeswortlaut obliegt die Anzeigepflicht allen Notaren. Damit wären an sich nicht nur inländische, sondern auch ausländische Notare erfasst. Der Normzweck würde gleichfalls für eine Einbeziehung ausländischer Notare sprechen. Denn nur dann wäre eine vollständige und lückenlose Information der Finanzämter über alle für die Grunderwerbsteuer bedeutsamen Rechtsvorgänge gewährleistet (s. dazu auch § 18 Rz. 58 ff. und § 19 Rz. 14 ff.).

1 Zu Beurkundungen und Beglaubigungen durch Konsularbeamte s. Eickelberg, DNotZ 2018, 332 (343 ff.). 2 Zur Bedeutung der Anzeigepflicht der Notare für einen gleichmäßigen und flächendeckenden Vollzug der Steuergesetze s. jüngst Diehn/Rachlitz, DNotZ 2017, 487 (491) (im Zusammenhang mit den Prüfungspflichten der Notare im Grundbuch- und Registerverkehr) sowie Lieder, NZG 2020, 1081 (1087); Stelmaszczyk, RNotZ 2019, 177 (187 ff.); Strauß, MittBayNot 2021, 65 (73); Tebben, GmbHR 2018, 1190 (1193) (jeweils im Zusammenhang mit Auslandsbeurkundungen im Grundstücks- und Gesellschaftsrecht). 3 Aus Sicht des notariellen Berufsrechts ausführlich Blaeschke, Praxishandbuch Notarprüfung, 3. Auflage 2021, § 10 Rz. 29 ff., Rz. 287 ff. und Rz. 312 ff.

Wachter

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80

§ 18 Rz. 81 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 81

Gleichwohl geht die ganz herrschende Meinung1 zu Recht davon aus, dass eine gesetzliche Anzeigeverpflichtung nur für inländische (und nicht auch für ausländische2) Notare besteht.3 Demnach besteht auch für Notare aus anderen EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaaten keine Anzeigepflicht.

82

Mit Notaren (i.S.v. § 18 GrEStG) sind (nur) Notare i.S.d. §§ 1 ff. Bundesnotarordnung gemeint. Der Gesetzgeber kann nur inländische Notare als Träger eines öffentlichen Amtes einer Anzeigepflicht unterwerfen. Nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts ist es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt, ausländischen Notaren Anzeigepflichten aufzuerlegen. Die Einhaltung der Anzeigepflichten könnte zudem in keiner Weise kontrolliert (und durchgesetzt) werden, weil die Befugnisse der inländischen Aufsichtsbehörden nicht gegenüber ausländischen Notaren gelten. In vielen Fällen würde die Erfüllung der Anzeigepflichten nach dem deutschen Grunderwerbsteuergesetz mit den Vorgaben des ausländischen Rechts (z.B. Verpflichtung zur Verschwiegenheit) kollidieren. Die Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz gilt somit nur für inländische Notare. Die Beschränkung der Anzeigepflicht auf inländische Notare verstößt nicht gegen Europa- oder Verfassungsrecht.

83

Im Ergebnis führt die Beschränkung der Anzeigepflicht auf inländische Notare aber zu nicht unerheblichen Informations- und Vollzugsdefiziten im Bereich des Grunderwerbsteuergesetzes (s. auch oben Rz. 10 ff.). Diese Lücken sind seit langem bekannt. Eine Erweiterung der Anzeigepflichten auf ausländische Notare ist rechtlich ausgeschlossen. Die eigene Anzeigepflicht der Beteiligten besteht in diesen Fällen unstreitig (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG), wird aber vielfach (zu Unrecht) nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt.4 Im Schrifttum wird immer wieder vorgeschlagen, ausländische Beurkundungen (zivilrechtlich und/oder steuerrechtlich) nicht als gleichwertig anzuerkennen, wenn dafür nicht die gleichen steuerlichen Anzeigepflichten bestehen (s. auch § 19 Rz. 14 ff.).5 Die Möglichkeit der bewussten Umgehung zwingender Anzeigepflichten sollte jedenfalls ausgeschlossen werden.6

84

Das Grunderwerbsteuergesetz verpflichtet den Notar lediglich zu einer Anzeige gegenüber dem Finanzamt (§ 18 GrEStG). Eine steuerliche Beratungs- oder Betreuungspflicht des Notars gegenüber den Beteiligten ergibt sich daraus nicht. Der Notar ist zu einer steuergünstigen Vertragsgestaltung nicht verpflichtet. Der Notar muss auch nicht auf etwaige Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen (s. §§ 3, 5, 6, 6a GrEStG) hinweisen oder Möglichkeiten zu deren Inanspruchnahme aufzeigen.

85

Bei Notaren, die ihre gesetzlichen Anzeigepflichten (tatsächlich oder vermeintlich) nicht (ordnungsgemäß) erfüllen, kann nach Anhörung des betroffenen Notars eine Information der zuständigen Aufsichtsbehörden (s. §§ 92 ff. BNotO) in Betracht kommen. Die Aufsichtsbehörden können den Notar dann anweisen, die gesetzlichen Anzeigepflichten zu beachten und gegebenenfalls auch weitergehende Maßnahmen ergreifen.7 Dagegen sind die Finanzbehörden nicht berechtigt, die Erfüllung der steuerlichen Anzeigepflichten bei Notaren zwangsweise durchzusetzen (s. §§ 328 ff., 255 AO).8 Notare sind 1 Siehe nur Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 2; Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 2; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 16a; Weilbach, § 18 GrEStG Rz. 13. – Weitergehend nur Heine in Wilms/Jochum, § 21 GrEStG Rz. 14 und Rz. 18 ff., Heine, UVR 2002, 246 (250) (Anzeigepflicht auch ausländischer Notare). 2 Zu Beurkundungen durch ausländische Notare (z.B. in der Schweiz), bei denen keinerlei Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz erfolgt ist, s. u.a. BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420; v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932 = AO-StB 2009, 230. – Zu den steuerlichen Risiken einer missglückten Beurkundung in der Schweiz s. BGH v. 7.12.2017 – IX ZR 25/17, GmbHR 2018, 410 mit Anm. Brete = DStR 2018, 982 mit Anm. Meixner/Schröder = EWiR 2018, 335 (Gräfe) = GmbH-StB 2018, 172 mit Anm. Podewils (Haftung eines Steuerberaters bei Beurkundung bei einem Schweizer Notar). 3 Siehe dazu auch BGH v. 13.2.2020 – V ZB 3/16, NJW 2020, 1670 = MittBayNot 2021, 65 mit Anm. Strauß (wonach die Auflassung nach § 925 BGB nur vor einem in Inland bestellten Notar erklärt werden kann), ausführlich dazu Lieder, NZG 2020, 1081. 4 Siehe dazu etwa die folgenden Fälle, bei denen jeweils keine Anzeige an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt erfolgt ist BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420; v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932 = AO-StB 2009, 230. 5 Siehe zuletzt Heinze, NZG 2017, 371. 6 Zu (rechtspolitischen) Vorschlägen zur Schließung der bestehenden Lücken s. § 19 Rz. 14 ff. 7 Siehe dazu Blaeschke, Praxishandbuch Notarprüfung, 3. Auflage 2021, § 10 Rz. 29 ff., Rz. 287 ff. und Rz. 312 ff. 8 Wie hier Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 18 m.w.N. – Abweichend Heine in Wilms/Jochum, § 18 GrEStG Rz. 15; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 36.

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Wachter

Rz. 92 § 18

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO). Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahmen gegen Notare sind daher in gleicher Weise unzulässig, wie gegenüber Gerichten und Behörden. Die Befugnisse der für die Notare zuständigen Aufsichtsbehörden sind insoweit vorrangig und abschließend. Eine steuerliche Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) bei einem Notar zur Prüfung und Durchsetzung seiner gesetzlichen Anzeigepflichten als Amtsträger ist gleichfalls unzulässig.1

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2) I. Überblick Die anzeigepflichtigen Vorgänge werden im Grunderwerbsteuergesetz im Einzelnen aufgeführt (in § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 und in § 18 Abs. 2 GrEStG).2

86

Der Gesetzgeber knüpft dabei nicht pauschal an die steuerbaren Erwerbsvorgänge an (s. § 1 GrEStG).3 87 Damit verfolgt er einen anderen Ansatz als beispielsweise im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Dort haben die Gerichte, Behörden und Notare alle Vorgänge anzuzeigen, die für die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer von Bedeutung sein können (§ 34 Abs. 1 ErbStG). Die steuerlichen Anzeigepflichten (nach § 18 GrEStG) knüpfen auch nicht unmittelbar an einzelne Steuertatbestände an (wie dies z.B. bei den Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG häufig der Fall ist; s. dazu § 19 Rz. 71 ff.).4 Der Gesetzgeber hat die Anzeigepflichten (nach § 18 GrEStG) vielmehr eigenständig und unabhängig von den Steuertatbeständen geregelt. Der Katalog der anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge umfasst im Grunderwerbsteuerrecht vor allem: 88 – Beurkundungen und Beglaubigungen betreffend inländische Grundstücke (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG), – Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs, die einen Wechsel des Grundstückseigentümers betreffen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG), – Beschlüsse und Entscheidungen, durch die ein Wechsel des Grundstückseigentums bewirkt wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG), – Übertragung von Anteilen an Gesellschaften, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). Erbbaurechte und Gebäude auf fremdem Grund und Boden stehen den Grundstücken gleich (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG).

89

Anzeigepflichtig sind jeweils auch spätere Änderungen oder Berichtigungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG).

90

Die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge sind im Grunderwerbsteuergesetz abschließend aufgeführt. Eine Erweiterung der Anzeigepflichten im Wege der Auslegung oder durch Anweisungen der Finanzverwaltung ist unzulässig.

91

Die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge, die von Gerichten, Behörden und Notaren angezeigt werden müssen (§ 18 GrEStG), sind nicht identisch mit den anzeigepflichtigen Rechtsvorgängen der Beteiligten (§ 19 GrEStG).

92

Einstweilen frei.

93–100

1 So auch FG Saarland v. 18.2.1977 – 368/75, EFG 1977, 297 (Außenprüfung beim Notar zur Prüfung der Grunderwerbsteuer ist unzulässig). – Siehe ferner BFH v. 17.3.1982 – II B 58/81, BStBl. II 1982, 510 (Unzulässigkeit eines pauschalen Verlangens der Herausgabe der gesamten Handakten); BFH v. 17.3.1982 – II B 57/81, BStBl. II 1982, 406 (Weigerung eines Notars zur Herausgabe der Handakten). 2 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 3 ff.; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 5 ff. 3 Anders zuletzt auch § 43 Abs. 6 GwG, wo auf die Erwerbsvorgänge nach § 1 GrEStG Bezug genommen wird. 4 Bei der Neuregelung der Mitteilungspflichten an das Transparenzregister (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.) hat der Gesetzgeber gleichfalls ausdrücklich an die Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG angeknüpft. Siehe dazu oben Rz. 44 ff. und Fn. 40.

Wachter

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§ 18 Rz. 101 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare

II. Beurkundungen und Beglaubigungen betreffend Grundstücke (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) 1. Beurkundungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Alt. 1) 101

Anzeigepflichtig sind Beurkundungen und Beglaubigungen, die ein inländisches Grundstück betreffen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

102

Die Anzeigepflicht umfasst zunächst (gerichtliche, behördliche oder notarielle) Beurkundungen, wenn der Rechtsvorgang ein inländisches Grundstück betrifft.1 Dabei geht es vor allem um notarielle Beurkundungen (§ 128 BeurkG) von Grundstücks-Kaufverträgen (§ 311b Abs. 3 BGB) und anderen Verträgen über Grundstücke (z.B. Überlassungs- oder Einbringungsverträge).2 Gerichtliche und behördliche Beurkundungen (s. § 61 Abs. 4 BeurkG, § 127a BGB) sind in der Praxis selten, werden von der Anzeigepflicht aber gleichfalls erfasst. Die Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, wer den Text des Rechtsgeschäfts entworfen hat.

103

Die Anzeigepflicht beschränkt sich nicht auf Verträge. Vielmehr sind alle „Rechtsvorgänge“ anzeigepflichtig. Dies umfasst sämtliche (ein- und mehrseitigen) Rechtsgeschäfte aller Art einschließlich auch von Beschlüssen, Entscheidungen und Erklärungen. 2. Beglaubigungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Alt. 2 GrEStG)

104

Die Anzeigepflicht besteht darüber hinaus bei Beglaubigungen, wenn der Rechtsvorgang ein inländisches Grundstück betrifft. Damit sind alle öffentlichen Beglaubigungen umfasst (§ 129 BGB). Die größte praktische Bedeutung hat die Vorschrift bei der notariellen Beglaubigung von Unterschriften (§ 40 BeurkG).

105

Bei Beglaubigungen besteht (anders als bei Beurkundungen) eine Anzeigepflicht aber nur dann, wenn die Person, die die Unterschrift beglaubigt hat, auch die „Urkunde entworfen“ hat.3 Die Anzeigepflicht ist somit auf Unterschriftsbeglaubigungen mit Entwurf beschränkt. Dies beruht auf dem Gedanken, dass die Urkundsperson die Bedeutung des Vorgangs für die Grunderwerbsteuer in aller Regel nur dann erkennen kann, wenn sie auch den Text der Urkunde entworfen hat.

106

Bei bloßen Unterschriftsbeglaubigungen ohne Entwurf ist eine solche Prüfung meist nicht möglich (bzw. nicht zumutbar), so dass die Urkundsperson in diesen Fällen keine Anzeigepflicht trifft.4 Eine Anzeigepflicht besteht bei Unterschriftsbeglaubigungen ohne Entwurf auch dann nicht, wenn der Notar die (notariell beglaubigte) Urkunde später vollzieht, bei Grundbuchämtern einreicht oder an Behörden, Gerichte oder andere Personen weiterleitet. Die Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) bleiben davon unberührt. Die Urkundsperson muss die Beteiligten dabei auf ihre eigenen Anzeigepflichten nicht hinweisen.

107

Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Anzeigepflicht für alle Unterschriftsbeglaubigungen (mit Entwurf), die ein inländisches Grundstück „betreffen“ (gleich in welcher Art und welcher Form). Auf den Inhalt der Urkunde käme es danach nicht an. Damit wären auch solche Urkunden anzuzeigen, die ihrem Inhalt nach in keiner Weise auf einen steuerbaren Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) gerichtet sind. Dies erscheint zu weitgehend. Der Gesetzeswortlaut ist daher teleologisch zu reduzieren. Richtigerweise sind nur solche Urkunden anzuzeigen, die für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Für eine solche Beschränkung spricht auch ein Vergleich mit der Anzeigepflicht bei Anträgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG), Beschlüssen und Entscheidungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG). Diese sind gleichfalls nur anzuzeigen, wenn sie inhalt1 Zur Anzeigepflicht bei einer (mangels bewusster Nicht-Unterschrift des Notars) noch „offenen“ Urkunde s. Schemmann, DNotZ 2018, 816 (817). 2 Zum Immobilien-Leasing s. Bruschke, ErbStB 2020, 115 (118). 3 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 2; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 16. 4 Siehe demgegenüber § 34 ErbStG, und dazu Bayerisches Landesamt für Steuern v. 18.12.2014, ZEV 2015, 128. Dort heißt es „Zu den dort (§ 34 Abs. 1 ErbStG) genannten Beurkundungen zählt ausdrücklich auch die Beglaubigung einer Unterschrift (§ 39 BeurkG).“ – Kritsch und überzeugend dazu Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 16.

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

Rz. 112 § 18

lich auf einen Wechsel des Grundstückseigentümers gerichtet sind. Der Gesetzeswortlaut ist daher dahingehend einzuschränken, dass der anzeigepflichtige Rechtsvorgang ein inländisches Grundstück in grunderwerbsteuerrelevanter Weise (und nicht irgendwie) betreffen muss. Demnach besteht beispielsweise keine Anzeigepflicht bei der Unterschriftsbeglaubigung von Handelsregisteranmeldungen (§ 12 HGB), die Änderungen von Firma, Sitz oder Vertretungsregelungen zum Gegenstand haben. Anzeigepflichtig sind dagegen Handelsregisteranmeldungen betreffend die Sonderrechtsnachfolge in Kommanditanteile, sofern zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören (und der Notar davon Kenntnis hat); s. dazu auch unten Rz. 164. 3. Grundstücke Die Anzeigepflicht besteht nicht nur bei Rechtsgeschäften über Grundstücke (§§ 18 Abs. 1 Satz 1 108 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 GrStG).1 Entsprechendes gilt auch bei Rechtsgeschäften über (amtlich noch nicht vermessene) Teilflächen an Grundstücken, Miteigentumsanteilen an Grundstücken (§§ 741 ff., 1008 ff. BGB) und Wohnungs- und Teileigentum (§§ 1 ff. WEG). Den Grundstücken stehen Erbbaurechte (§§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 1 ff. ErbbauRG) und Gebäude auf fremden Grund und Boden (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 95 BGB) gleich (s. zum Ganzen § 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG, dazu Rz. 148 ff.). 4. Einzelfälle a) Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten Zu den anzeigepflichtigen Rechtsvorgängen, die ein inländisches Grundstück betreffen, gehören Kauf- 109 verträge und andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen (s. § 1 Abs. 1 GrEStG). Dies umfasst u.a. Tauschverträge, Schenkungs- und Überlassungsverträge, Einbringungsverträge, Erbauseinandersetzungen, Scheidungs- und Trennungsvereinbarungen sowie Vorverträge und Optionsverträge. Für die Anzeigepflicht kommt es nicht darauf an, ob das Rechtsgeschäft entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich ist. Die Beurkundung der Auflassung (§§ 925, 925a BGB) ist stets anzeigepflichtig. Dies gilt unabhängig davon, ob die (dingliche) Auflassung zusammen mit dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft oder isoliert beurkundet wird (s. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).

110

Bei der Aufspaltung eines (einheitlichen) Erwerbsvorgangs in (die getrennte Beurkundung von) Angebot und Annahme bewirkt grundsätzlich erst die Annahme einen steuerbaren Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG). Anzeigepflichtig ist dagegen sowohl das Angebot als auch die Annahme. Dafür spricht neben dem Gesetzeswortlaut (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) vor allem der Normzweck. Dem zuständigen Finanzamt soll eine vollständige Kenntnis von allen Rechtsvorgängen über grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge vermittelt werden.

111

Die Anzeigepflicht umfasst nicht nur Kaufverträge über Grundstücke, sondern auch alle anderen Verträge, die mit diesen rechtlich oder wirtschaftlich eine Einheit bilden.2 Bei (einheitlichen) Erwerbsvorgängen, die auf mehreren miteinander zusammenhängenden Vereinbarungen beruhen, sind alle Verträge vollständig anzuzeigen.3 Dies gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Rechtsvorgänge in einer oder mehreren Urkunde enthalten sind. Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn zwischen mehreren Vereinbarungen keine wirksame Verknüpfungsabrede besteht oder diese sonst (ganz oder teilweise) (form-)unwirksam sind. Durch die Aufspaltung eines einheitlichen Vertragswerks auf meh-

112

1 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 7. 2 Ausführlich Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 21 ff. 3 Zu unvollständigen Anzeigen von Notaren, wenn dem Finanzamt nur der Grundstückskaufvertrag und nicht auch der damit zusammenhängende Bau- bzw. Werkvertrag angezeigt wird s. u.a. BFH v. 25.1.2006 – II R 61/04, BFH/NV 2006, 1059; v. 4.3.1999 – II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301.

Wachter

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§ 18 Rz. 112 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare rere Urkunden dürfen die Anzeigepflichten nicht umgangen werden.1 Mit der Anzeige ist keinerlei Aussage über die Steuerbarkeit des Erwerbsvorgangs oder die Höhe der steuerlichen Bemessungsgrundlage verbunden. Die Anzeige dient lediglich dazu, dem Finanzamt das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsvorgangs bzw. eines einheitlichen Vertragswerks zu ermöglichen. Dementsprechend sind alle Teile der Vereinbarungen stets vollständig anzuzeigen und an das Finanzamt zu übersenden. Dies gilt insbesondere für Baubetreuungsverträge,2 Generalunternehmerverträge und Bauverträge sowie Treuhandvereinbarungen.3 Im Einzelfall können auch Vollmachten zur Abwicklung und Durchführung von solchen Erwerbsvorgängen anzeigepflichtig sein. Eine Anzeige kann umgekehrt nur dann unterbleiben, wenn eine Bedeutung der einzelnen Vorgänge für die Grunderwerbsteuer mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann.4 In der Praxis besteht der sicherste Weg in einer vollständigen und lückenlosen Anzeige des gesamten Vertragswerks (samt aller Anlagen). Neben den Anzeigepflichten der Notare (§ 18 GrEStG) bestehen stets auch die eigenen Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG); s. dazu auch § 19 Rz. 132 ff. b) Belastungen von Grundstücken 113

Die (dingliche) Belastung von Grundstücken (z.B. mit Grundpfandrechten, Nießbrauch- oder Wohnungsrechten, Vorkaufsrechten) ist nach allgemeiner Meinung nicht anzeigepflichtig.5 Mit dem Gesetzeswortlaut ist dies indes nicht ohne weiteres zu vereinbaren, da die entsprechenden Rechtsvorgänge zweifellos ein inländisches Grundstück betreffen. Der Gesetzeswortlaut muss daher teleologisch reduziert werden. Anzeigepflichtig sind nur solche Vorgänge, die ein Grundstück in grunderwerbsteuerrelevanter Weise betreffen.

114

Bei dinglichen Belastungen eines Grundstücks kommt es mangels Rechtsträgerwechsels zu keinem steuerbaren Erwerbsvorgang. Eine Anzeige ist daher grundsätzlich nicht erforderlich. Ausnahmen sind dann möglich, wenn die Belastung einen atypischen Inhalt aufweist und dem Berechtigten eine wirtschaftliche Verwertungsbefugnis eingeräumt wird (§ 1 Abs. 2a GrEStG). c) Verfügungen von Todes wegen

115

Verfügungen von Todes wegen (Testamente und Erbverträge) sind nicht anzeigepflichtig. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser über Grundstücke verfügt (z.B. Anordnung von Grundstücksvermächtnissen). Solche Verfügungen haben zu Lebzeiten des Erblassers noch keinerlei (steuerliche) Rele1 Zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei Anzeigen nach §§ 30 ff. ErbStG siehe u.a. BFH v. 26.7.2017 – II R 21/17, BStBl. II 2017, 1163 (Anzeigepflicht bei Schenkung mehrerer Gegenstände); v. 8.3.2017 – II R 2/15, BStBl. II 2017, 751 = GmbHR 2017, 945 (Anzeigepflicht bei mittelbarer Schenkung). 2 Zum einheitlichen Erwerbsgegenstand s. etwa BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BStBl. II 2017, 655 = BFH/NV 2017, 854 = BB 2017, 1574 mit Anm. Janz = DStRE 2017, 755 mit Anm. Schmid (einheitlicher Erwerbsgegenstand wurde bejaht bei Abschluss eines bindenden Grundstückskaufvertrages und nachfolgendem Abschluss eines Bauerrichtungsvertrages); BFH v. 8.3.2017 – II R 38/14, BStBl. II 2017, 1005 = BFH/NV 2017, 990 = ZfIR 2017, 624 mit Anm. Möller (einheitlicher Erwerbsgegenstand wurde verneint bei wesentlicher Änderung des ursprünglich angebotenen Generalübernehmervertrages nach Abschluss des Grundstückkaufvertrags). 3 Ähnlich auch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs (Einheitliches Vertragswerk/Einheitlicher Erwerbsgegenstand) v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 6 (und zuvor bereits die Erlasse v. 14.3.2017, BStBl. I 2017, 436, Tz. 6) Anzeigepflichten („Die Anzeigepflichten der Notare nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG erstreckt sich sowohl auf den Grundstückskaufvertrag als auch auf Verträge, die zivilrechtlich mit diesem eine Einheit bilden. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in derselben oder einer anderen Niederschrift beurkundet worden sind oder ob die Verträge mit dem Grundstückskaufvertrag im Wege einer Verknüpfungsabrede rechtlich verbunden sind (z.B. Treuhandvertrag, Baubetreuungsvertrag, Generalunternehmervertrag oder Bauvertrag“). 4 Ähnlich auch Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 10; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 22. – Möglicherweise weitergehend Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 3. 5 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 3; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 9; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 15. – Ausführlich zu Vorkaufsrechten im Grunderwerbsteuerrecht Behrens, BB 2019, 1047.

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

Rz. 122 § 18

vanz und müssen daher dem Finanzamt nicht angezeigt werden. Anzeigepflichten bestehen erst nach Eintritt des Erbfalls, wenn sich die Erben über den Nachlass (samt Grundbesitz) auseinandersetzen oder Grundstücksvermächtnisse erfüllt werden. Der Umstand, dass der Grundstückserwerb von Todes wegen grunderwerbsteuerfrei ist (§ 3 Nr. 2 GrEStG), steht der Anzeigepflicht nicht entgegen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). d) Umwandlungen Bei der Beurkundung von Umwandlungen (s. §§ 1 ff. UmwG: Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel) handelt es sich grundsätzlich um anzeigepflichtige Rechtsvorgänge, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers Grundstücke gehören. Entsprechendes gilt auch für Umwandlungen nach ausländischem Recht, wenn davon inländische Grundstücke betroffen sind (s.a. § 6a Satz 2 GrEStG).

116

Eine Anzeigepflicht des Notars besteht nicht nur dann, wenn in der Urkunde ein Antrag auf Grundbuchberichtigung aufgenommen worden ist oder die Grundstücke in der Urkunde selbst aufgeführt sind. Allerdings muss der Notar Umwandlungen dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt nur dann anzeigen, wenn er von den Grundstücken des übertragenden Rechtsträgers Kenntnis hat.1 In aller Regel sind die Grundstücke aber aus der Bilanz ersichtlich (s. § 17 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 266 Abs. 2 A. II. 1 HGB)

117

Ein Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) ist nach herrschender Auffassung2 nicht anzeigepflichtig. Dies 118 wird damit begründet, dass es bei dem Formwechsel zu keinem Rechtsträgerwechsel kommt (nur das „Rechtskleid“ ändert sich) und es daher an einem steuerbaren Erwerbsvorgang fehlt (s. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG). Dies ist zwar zutreffend, ändert richtigerweise aber nichts an der Anzeigepflicht.3 Zum einen sind Rechtsvorgänge auch dann anzuzeigen, wenn sie von der Besteuerung ausgenommen sind (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Zum anderen können Formwechsel für die Grunderwerbsteuer mittelbar durchaus von Bedeutung sein (z.B. den Wegfall von Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 3 GrEStG).4 Umwandlungen (mit Grundstücken) unterliegen in vielen Fällen einer dreifachen Anzeigepflicht. Es 119 besteht eine Anzeigepflicht des beurkundenden Notars (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG), des Handelsregisters (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) und der Beteiligten (§ 19 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 GrEStG). Dies erscheint übermäßig. Die Anzeigepflicht allein des Notars wäre ausreichend und angemessen. e) Vollmachten Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob und inwieweit auch die notarielle Beurkundung oder Beglaubigung von Vollmachten anzeigepflichtig ist.5

120

Nach dem Gesetzeswortlaut sind dem Finanzamt alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die ein Grundstück betreffen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Danach wären grundsätzlich auch Vollmachten anzuzeigen, die den Bevollmächtigten zu Handlungen über Grundstücke berechtigten. Dies würde neben Grundstücksvollmachten auch Generalvollmachten umfassen, sofern zum Vermögen des Vollmachtgebers Grundstücke gehören (und dem Notar dies bekannt ist).

121

Die Auffassung der Finanzverwaltung zu dieser Frage ist uneinheitlich. In einzelnen Merkblättern wird darauf hingewiesen, dass zumindest Grundstücksverkaufsvollmachten (nicht aber Erwerbsvollmachten) dem Finanzamt angezeigt werden müssen.

122

1 Zu einer Verschmelzung, bei der die Anzeige unvollständig ist, s. Heinze, DStR 2019, 1643. 2 Siehe nur Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 6. 3 Im Ergebnis wie hier Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 6 (unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 Satz 2 und § 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG), wohl auch Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 19 (der im Zusammenhang mit Umwandlungen nur Verschmelzungen und Spaltungen und nicht auch den Formwechsel erwähnt). 4 Zur möglichen (mittelbaren) Steuerfolgen eines Formwechsels s. bereits Gottwald, MittBayNot 2003, 438. 5 Ausführlich zum Ganzen Everts, UVR 2009, 336.

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§ 18 Rz. 123 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 123

Richtigerweise ist davon auszugehen, dass Vollmachten dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt grundsätzlich nicht angezeigt werden müssen. Dies gilt gleichermaßen für Generalvollmachten, Vorsorgevollmachten, Spezialvollmachten, Bietervollmachten, Verkaufs- und Kaufvollmachten. Entscheidend dafür ist, dass die bloße Erteilung der Vollmacht (noch) kein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang ist. Zu einem steuerpflichtigen Vorgang kommt es erst dann, wenn der Bevollmächtigte von der Vollmacht tatsächlich Gebrauch macht. Die (isolierte) Vollmacht ist für Zwecke der Grunderwerbsteuer somit regelmäßig bedeutungslos und muss daher dem Finanzamt auch nicht angezeigt werden können.

124

Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn die Vollmacht einen atypischen Inhalt aufweist oder im Zusammenhang mit anderen Rechtsgeschäften erteilt wird. Anzeigepflichten können beispielsweise dann bestehen, wenn die Vollmacht den Bevollmächtigten zur (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Verwertung von Grundstücken berechtigt bzw. dies nicht auszuschließen ist (§ 1 Abs. 2 GrStG; s. auch § 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Eine Anzeigepflicht kann auch dann bestehen, wenn nur 89 % der Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz übertragen werden und der Veräußerer dem Erwerber (über die restlichen 11 % der Anteile) eine Vollmacht erteilt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vollmacht unbeschränkt und unwiderruflich ausgestaltet ist und ein etwaiger Widerruf der Vollmacht vertraglich sanktioniert wird.1 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Beteiligungen an Gesellschaften einen steuerbaren Erwerbsvorgang begründen können (§ 1 Abs. 3a GrEStG).

125

Die eigenen Anzeigepflichten der Beteiligten bleiben davon unberührt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

III. Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) 126

Gerichte, Behörden und Notare müssen dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt zudem alle Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs anzeigen, die „sie beurkundet oder über die sich eine Urkunde entworfen und darauf eine Unterschrift beglaubigt haben, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, dass der Grundstückseigentümer gewechselt hat“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG).

127

Die Anzeigepflicht für Grundbuchberichtigungsanträge dürfte (neben § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) kaum einen eigenständigen Anwendungsbereich haben. Denn bei allen Grundbuchberichtigungsanträgen (i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) dürfte es sich stets auch um Rechtsvorgänge handeln, die Grundstücke betreffen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Die Regelung zeigt aber, dass der Wortlaut der allgemeinen Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) zu weit ist und telelogisch reduziert werden muss. Der Anzeige bedürfen nicht alle Rechtsvorgänge, die ein Grundstück (irgendwie) „betreffen“, sondern nur solche, die auf einen „Wechsel im Grundstückseigentum“, d.h. einen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang (i.S.v. § 1 GrEStG) gerichtet sind.

128

Der Anwendungsbereich der Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) ist aber auch deshalb gering, weil der Wechsel des Grundstückseigentums in aller Regel einer (notariell beurkundeten) Auflassung (§ 925 BGB) bedarf. Ein bloßer Antrag ist insoweit nicht ausreichend. Dann greift aber bereits die Anzeigepflicht für beurkundete Rechtsvorgänge (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

129

Der praktisch wichtigste Fall für einen Antrag auf Grundbuchberichtigung infolge Eigentumswechsels ist die Anwachsung bei Personengesellschaften (s. derzeit § 738 BGB, künftig § 712a BGB n.F.). Der Eigentumswechsel erfolgt außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes. Die Berichtigung des Grundbuchs muss sodann entsprechend beantragt werden.

1 Dagegen jetzt aber BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, DStR 2018, 26 = BB 2018, 229 mit Anm. Behrens (die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils reicht für einen Anteilsübergang im Sinne einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG nicht aus). – Anders noch die Vorinstanz FG BW v. 20.1.2015 – 5 K 1652/11, EFG 2016, 1019 mit Anm. Bischoff (die Erteilung einer umfassenden, unwiderruflichen und unbefristeten Vollmacht durch den unmittelbar beteiligten Gesellschafter an einen Dritten kann bei der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands herbeiführen und damit steuerpflichtig nach § 1 Abs. 2a GrEStG sein).

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

Rz. 139 § 18

Grundsätzlich sind auch Anträge auf Grundbuchberichtigung infolge von Erbfällen (§§ 1922 ff. BGB, § 35 GBO) anzeigepflichtig. Der Umstand, dass der Grundstückserwerb von Todes wegen von der Grunderwerbsteuer befreit ist (§ 3 Nr. 2 GrEStG), ändert daran nichts (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).

130

IV. Beschlüsse und Entscheidungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) Gerichte und Behörden müssen dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt auch anzei- 131 gen, „Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, Enteignungsbeschlüsse und andere Entscheidungen, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird.“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG). Die Anzeige hat seit Anfang 2018 nach dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck „Anzeige Zwangsversteigerungsverfahren“ zu erfolgen. Die Entwicklung der Vorschrift deutet darauf hin, dass es mit den gerichtlichen und behördlichen Anzeigepflichten in diesen Fällen immer wieder Schwierigkeiten gab.

132

Umstritten war zunächst, ob auch gerichtliche Entscheidungen in (nicht streitigen) Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Anzeigepflicht erfasst sind. Die Rechtsprechung1 hat dies im Zusammenhang mit der Eintragung einer Verschmelzung, bei der zum Vermögen der übertragenen Genossenschaft Grundstücke gehörten, zutreffend bejaht. Gesetzeswortlaut und Normzweck lassen eine Einschränkung der Anzeigepflicht auf streitige Entscheidungen nicht zu.

133

Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber zu einer Klarstellung veranlasst gesehen. Im Rahmen des Jahres- 134 steuergesetzes 1997 (BGBl. I 1996, 2049) wurde die Anzeigepflicht der Gerichte erweitert (Ergänzung von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG durch Art. 7 Nr. 10 JStG 1997). Die Anzeigepflicht der Gerichte besteht danach auch beim Wechsel im Grundstückseigentum auf Grund einer Eintragung im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister. Die Neuregelung hat nach allgemeiner Auffassung lediglich klarstellende Bedeutung.2 Gerichte und Behörden haben die Anzeigepflichten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) aber wohl im- 135 mer noch nicht vollständig erfüllt. Mit dem Steueränderungsgesetz 2001 (BGBl. I 2001, 3794) wurde deshalb für diese Fälle eine zusätzliche Anzeigepflicht (auch) der Beteiligten in das Gesetz aufgenommen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG). Bei gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen, die zu einem Wechsel des Grundstückseigentums führen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG), besteht somit seit dem 1.1.2002 (§ 23 Abs. 7 GrEStG) eine kumulative Anzeigepflicht der Gerichte und Behörden (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) und der Beteiligten andererseits (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG). Die Anzeigepflicht umfasst u.a. (gerichtliche) Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfah- 136 ren (s. § 82 ZVG). Die Anzeigepflicht weicht damit vom Steuertatbestand ab (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Der Grunderwerbsteuer unterliegt nicht erst der Zuschlag, sondern bereits das Meistgebot (s. § 81 ZVG). Das Meistgebot ist das höchste bis zum Schluss der Zwangsversteigerung wirksam abgegebene Gebot. Der Meistbietende ist auch der Steuerschuldner (§ 13 Nr. 4 GrEStG). Den Meistbietenden trifft aber keine eigene Anzeigepflicht. Die Anzeigepflicht gilt nur für gerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren, nicht auch für freiwillige Versteigerungen (s. § 156 BGB). Anzeigepflichtig sind ferner gerichtliche oder behördliche Enteignungsbeschlüsse.

137

Sonstige Entscheidungen, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird, können u.a. ergehen in Flurbereinigungsverfahren, Umlegungsverfahren (§§ 45 ff. BauGB) und Grenzregelungsverfahren (§§ 80 ff. BauGB).3

138

Die Anzeigepflicht der (deutschen) Gerichte besteht nur beim Wechsel im Grundstückseigentum aufgrund einer Eintragung im deutschen Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG).4

139

1 2 3 4

BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 868. BT-Drucks. 13/4839, S. 74 f. Ausführlich dazu Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 17 ff. Zu den gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Eintragungen im Partnerschaftsregister, im (künftigen) Gesellschaftsregister und im (künftigen) Stiftungsregister s.o. Rz. 49 ff.

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§ 18 Rz. 139 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare Bei Eintragungen in ausländischen Registern besteht dagegen keine Anzeigepflicht. Register in anderen EU-/EWR-Mitgliedsstaaten sind nicht erfasst. Eine Anzeigepflicht besteht auch dann nicht, wenn das ausländische Handelsregister mit dem deutschen Handelsregister vergleichbar ist. Bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, die in einem ausländischen Handelsregister eingetragen werden (z.B. Umwandlungen, s. auch § 6a Satz 2 GrEStG), besteht demnach keine Anzeigepflicht der deutschen Gerichte (z.B. Grundbuchämter). 140

Kritik: Die Anzeigepflicht der Gerichte erfasst nur solche Fälle, bei denen das „Grundstückseigentum“ aufgrund einer Eintragung im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister wechselt. Nicht erfasst sind dagegen die Eintragungen von Änderungen bei Gesellschaftern von Gesellschaften, zu deren Vermögen Grundstücke gehören (z.B. Eintragung der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines Kommanditistenwechsels im Handelsregister einer Kommanditgesellschaft, zu deren Vermögen Grundstücke gehören, s. §§ 162, 176, 106 ff. HGB). Ab dem 1.1.2024 stellt sich die Problematik in gleicher Weise auch beim Gesellschafterwechsel von (eingetragenen) Gesellschaften bürgerlichen Rechts (s. §§ 707 ff. BGB n.F.); s. dazu § 22 Rz. 10 und Rz. 30 ff. – Gerichte: Der Grundstückseigentümer (die Gesellschaft) bleibt in diesen Fällen unverändert, so dass insoweit keine Anzeigepflicht des Gerichts (Handelsregister bzw. Gesellschaftsregister) besteht. – Notare: Die Anzeigepflichten der Notare (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) greifen in diesen Fällen häufig nicht ein, weil die Übertragung der Anteile nicht beurkundet bzw. beglaubigt wird oder diese (bei der bloßen Beglaubigung der Unterschriften unter der Registeranmeldung) von den Grundstücken der Gesellschaft keine Kenntnis haben (s. dazu auch oben Rz. 164). – Beteiligte: Die Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 GrEStG) bestehen grundsätzlich, sind allerdings inhaltlich in vielen Punkten unklar und werden in der Praxis nicht immer beachtet. Die bestehenden Lücken1 könnten durch eine entsprechende Erweiterung der gerichtlichen Anzeigepflichten geschlossen werden. Denkbar wäre zum einen, die Worte „Wechsel im Grundstückseigentum“ ganz zu streichen bzw. durch die Bezugnahme auf einen steuerbaren Erwerbsvorgang (§ 1 GrEStG) zu ersetzen. Darüber hinaus könnte vorgesehen werden, dass die Anzeigepflicht auch bei der Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft (i.S.v. § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) besteht.

V. Änderungen und Berichtigungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) 141

Anzeigepflichtig sind schließlich auch alle nachträglichen Änderungen oder Berichtigungen der Vorgänge, die bereits zuvor (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG) angezeigt worden sind (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG).

142

Mit Änderungen und Berichtigungen sind Nachträge, Ergänzungen, Feststellungen, Korrekturen, und anderes mehr gemeint. Inhalt, Anlass und Form der späteren Änderungen sind für die Anzeigepflicht grundsätzlich ohne Bedeutung.

143

Zu den anzeigepflichtigen Änderungen gehört auch die vollständige Aufhebung oder Rückgängigmachung eines Geschäfts (z.B. wegen Anfechtung, Rücktritt oder Wegfall der Geschäftsgrundlage). In diesen Fällen kann die Steuerfestsetzung unter Umständen aufgehoben werden oder von vornherein unterbleiben (s. § 16 GrEStG).

144

Nach dem Gesetzeswortlaut sind alle Änderungen und Berichtigungen anzeigepflichtig. Dies erscheint aber zu weitgehend. Richtigerweise müssen nur solche Änderungen angezeigt werden, die die Festsetzung für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind (oder zumindest sein können). Zu den anzeigepflichtigen Vorgängen gehören insbesondere Änderungen des Erwerbsgegenstands, Änderungen von Leistung und/oder Gegenleistungen sowie die Änderungen von Umständen, die für die Gewährung von Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen maßgebend waren bzw. sind.

1 Zur Kritik und zu weiteren Änderungsvorschlägen s. auch § 19 Rz. 14 ff. und § 22 Rz. 10 und § 22 Rz. 30 ff.

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

Rz. 152 § 18

Gerichte, Behörden und Notare müssen die Änderungen und Berichtigungen dem Finanzamt anzei- 145 gen, wenn sie daran auch tatsächlich mitgewirkt haben. Bei Änderungen ohne ihre Mitwirkung (z.B. einem privatschriftlichen Nachtrag zu einem notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag) trifft sie dagegen keine Anzeigepflicht. Die Anzeigepflichten der Beteiligten bleiben davon aber unberührt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die Anzeigepflicht bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Änderung und Berichtigung von 146 Vorgängen, die „unter den Nr. 1 bis 3 aufgeführt“ sind. Damit sind an sich nur Vorgänge nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GrEStG, nicht dagegen auch die anzeigepflichtigen Vorgänge nach § 18 Abs. 2 GrEStG erfasst. Eine solche Auslegung wäre aber nicht zutreffend. Richtigerweise werden auch Änderungen und Berichtigungen bei anzeigepflichtigen Vorgängen nach § 18 Abs. 2 GrEStG erfasst. Bei den Fällen des § 18 Abs. 2 GrEStG handelt es sich nicht um weitere, anzeigepflichtige Vorgänge. Der Gesetzgeber hat vielmehr klargestellt, dass sich die allgemeine Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 1 GrEStG) „auch“ auf die in § 18 Abs. 2 GrEStG Vorgänge bezieht. Schließlich spricht dafür auch der Normzweck, einer möglichst vollständigen Information der Finanzbehörden für die Anzeige aller Änderungen und Berichtigungen (gleich, ob diese Vorgänge nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG betreffen). Bei Änderungen und Berichtigungen bestehen (neben den Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare) oftmals auch eigene Anzeigepflichten der Beteiligten (s. insbesondere § 19 Abs. 1 Satz 2 und § 19 Abs. 2 GrEStG).

147

VI. Erbbaurechte und Gebäude auf fremden Grund und Boden (Abs. 2 Satz 1) Die Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare beziehen sich auch auf Vorgänge, die ein Erbbaurecht oder ein Gebäude auf fremden Boden betreffen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG).

148

Diese Regelung hat allenfalls klarstellende Bedeutung. Bereits nach allgemeinen Grundsätzen stehen 149 Erbbaurechte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG)1 und Gebäude auf fremdem Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) den Grundstücken gleich. Die Anzeigepflichten bestehen demnach nicht nur bei Rechtsvorgängen, die Grundstücke (einschließlich Grundstücksteilflächen, Miteigentumsanteilen an Grundstücken (§§ 741 ff., 1008 ff. BGB) und Wohnungs- und Teileigentum (§§ 1 ff. WEG) betreffen. Erfasst sind auch Rechtsvorgänge, die Erbbaurechte (§§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 1 ff. ErbbauRG) und Gebäude auf fremdem Boden (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 95 BGB) zum Gegenstand haben. Die Anzeigepflicht erfasst neben der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechts auch spätere Änderungen und Ergänzungen, die Verlängerung, die Übertragung (nicht auch die Belastung) und die Aufhebung.

150

Den Grundstücken stehen nach allgemeinen Grundsätzen darüber hinaus auch „dinglich gesicherte 151 Sondernutzungsrechte i.S.d. § 15 WEG und des § 1010 BGB“ gleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Diese Rechte werden bei den Anzeigepflichten (anders als die Erbbaurechte nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und die Gebäude auf fremden Boden nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) nicht gesondert erwähnt. Dies dürfte wohl auf einem Redaktionsversehen des (historischen) Gesetzgebers beruhen.2 In der Sache bestehen die Anzeigepflichten aber auch in diesen Fällen.

VII. Übertragung von Anteilen an Gesellschaften (Abs. 2 Satz 2) Die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare „gilt außerdem für Vorgänge, die die Übertra- 152 gung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, einer Personenhandelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegendes Grundstück gehört.“ (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). 1 Zur Behandlung von Erbbaurechten bei der Grunderwerbsteuer s. allgemein Bruschke, ErbStB 2021, 191. 2 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 8, geht gleichfalls von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus, verneint im Ergebnis insoweit aber eine Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare. Ähnlich auch Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 2. – Unstreitig besteht eine Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 GrEStG.

Wachter

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§ 18 Rz. 153 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 153

Die Regelung findet sich in dieser Form erstmals im Grunderwerbsteuergesetz 1983. Vorläufer waren aber bereits in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g und h der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 enthalten. Die Entstehung der Vorschrift ist insoweit von Interesse, als der Wortlaut nicht mit den heutigen Steuertatbeständen (der § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) abgestimmt ist.

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Die Anzeigepflicht gilt für Anteile an Kapitalgesellschaften. Dies sind im Inland GmbH, Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt), Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Europäische Aktiengesellschaften (s. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Ausländische Kapitalgesellschaften1 sind gleichfalls erfasst, sofern diese mit den inländischen Kapitalgesellschaften vergleichbar sind. Bei Gesellschaften aus den EU-/EWR-Mitgliedsstaaten ist die Vergleichbarkeit stets gegeben.2

155

Von der Anzeigepflicht sind ferner Anteile an Personenhandelsgesellschaften erfasst. Dies sind OHG, KG und GmbH & Co. KG (nicht auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts, s. dazu Rz. 155 ff.). Darüber hinaus sind auch Anteile an Partnerschaftsgesellschaften und Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigungen erfasst sein, da für diese grundsätzlich das Recht der Handelsgesellschaften subsidiär Anwendung findet. Am 1.1.2022 ist das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021 in Kraft getreten.3 Danach haben Personenhandelsgesellschaften (u.a. OHG, KG, GmbH & Co. KG) die Möglichkeit, zur Körperschaftsteuer zu optieren (§ 1a KStG). Die Option zur Körperschaftsteuer gilt als (fiktiver) Formwechsel (i.S.d. §§ 1, 25 UmwStG mit Verweis auf §§ 20 ff. UmwStG).4 Die Option gilt aber grundsätzlich nur für die Ertragsbesteuerung. Zivilrechtlich bleibt die Personenhandelsgesellschaft (trotz Option zur Körperschaft) eine Personengesellschaft. Entsprechendes gilt auch für die Grunderwerbsteuer. Der Gesetzgeber hat lediglich punktuell (bei §§ 5 und 6 GrEStG) die Folgen der Option für die Grunderwerbsteuer geregelt.5 Im Übrigen (d.h. außerhalb der §§ 5 und 6 GrEStG) ist die Option für die Grunderwerbsteuer daher ohne Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Steuertatbestände (des § 1 GrEStG) und die Anzeigepflichten (nach § 18 GrEStG).6

156

Schließlich gilt die Anzeigepflicht für die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). Nach dem Gesetzeswortlaut sind alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in gleicher Weise erfasst (s. §§ 705 ff. BGB). Im Ergebnis gilt die Regelung aber nur für (rechtsfähige) Außengesellschaften, da nur zu deren Vermögen Grundstücke gehören können. Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts7 führt insoweit zu keinen unmittelbaren Änderungen. Ab dem 1.1.2024 wird die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts aber nur noch nach einer entsprechenden Voreintragung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister möglich sein (s. § 47 Abs. 2 GBO n.F. und §§ 707 ff. BGB n.F.; zu den Übergangsregelungen siehe Art. 229 § 21 EGBGB). Die Übertragung der Anteile ist grundsätzlich formlos möglich (s. § 311b Abs. 3 BGB) und bedarf keiner zwingenden Mitwirkung eines Gerichts oder eines Notars (i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Der 1 Zu Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland (insbesondere englische private limited companies nach dem Wirksamwerden des Brexit zum 31.12.2021) siehe u.a. die Neuregelungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch Art. 11 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2056). Das Gesetz ist am 1.7.2021 in Kraft getreten. Siehe dazu allgemein Benz/Böhmer, DB 2021, 1630 und insbesondere zu den Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes Behrens/ Seemaier, DStR 2021, 1673; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 2 Zur Grunderwerbsteuer beim Erwerb durch ausländische (Briefkasten-)Gesellschaften s. BFH v. 8.1.2019 – II B 62/18, GmbH-StB 2019, 67. 3 BGBl. I 2021, 2050. 4 Näher dazu u.a. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613; Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Fischer, GmbHR 2021, R 144; Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439; Prinz, FR 2021, 561; Prinz, DB 2021, 914; Rickermann, DB 2021, 1561. 5 Siehe dazu Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 6 Zu möglichen mittelbaren Auswirkungen auf die Anzeigepflichten der Beteiligten nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG s. § 19 Rz. 160 ff. 7 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

856

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge

Rz. 162 § 18

Vertrag muss zu seiner Wirksamkeit insbesondere nicht beurkundet oder beglaubigt werden. Es verbleibt damit bei den eigenen Anzeigepflichten der Beteiligten (nach § 19 GrEStG). Eine Anzeigepflicht des Notars besteht aber dann, wenn er die Unterschriften unter der Registeranmeldung betreffend den Gesellschafterwechsel beglaubigt (und er Kenntnis davon hat, dass zum Vermögen der Gesellschaft Grundbesitz gehört). Das Gericht trifft dagegen keine Anzeigepflicht, da die Eintragung des Gesellschafterwechsels nur deklaratorische Bedeutung hat und zudem keinen Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt. Grundstückseigentümer ist und bleibt die rechtsfähige und eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Kritik: Die steuerlichen Anzeigepflichten erweisen sich bei der Übertragung von Anteilen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts (mit Grundbesitz) in der Praxis immer wieder als lückenhaft (s. dazu auch § 22 Rz. 10 und Rz. 30 ff.). Eine Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden oder Notare (nach § 18 GrEStG) besteht meist schon rechtlich nicht. Die Anzeigepflichten der Beteiligten (nach § 19 GrEStG) werden oftmals nur unvollständig erfüllt. Die Anzeigepflichten gelten entsprechend für vergleichbare Personengesellschaften ausländischen Rechts.1

157

Nicht erfasst sind dagegen (in- und ausländische) Genossenschaften,2 Vereine,3 Anstalten, Stiftungen 158 und sonstige juristische Personen (des privaten oder öffentlichen Rechts). Allerdings gibt es bei diesen Körperschaften oftmals keine bzw. keine übertragbaren Anteile (z.B. bei Stiftungen und Vereinen, s. § 38 BGB). Für Erwerbsvorgänge nach dem 14.12.2018 sind „bergrechtliche Gewerkschaften“ nicht mehr erfasst (§ 23 Abs. 16 Satz 1 GrEStG, s. dazu oben Rz. 57). Die Anzeigepflicht setzt voraus, dass zum Vermögen der Gesellschaft inländische Grundstücke gehö- 159 ren. Bei ausländischen Grundstücken besteht keine Anzeigepflicht. Ohne Bedeutung ist, ob die Grundstücke zum Anlage- oder Umlaufvermögen der Gesellschaft gehören. Maßgebend sind nur Grundstücke der Gesellschaft, so dass Grundstücke im Sonderbetriebsvermögen einer Gesellschaft nicht zu berücksichtigen sind. Nach dem Gesetzeswortlaut besteht die Anzeigepflicht nur dann, wenn zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke (i.S.v. § 2 GrEStG) gehören.4 Nicht erfasst sind dagegen Beteiligungen an Gesellschaften, zu deren Vermögen Grundstücke gehören. Bislang ist unklar, ob bei solchen mittelbaren Grundstücksvermögen eine Anzeigepflicht besteht. Dagegen spricht zunächst der Gesetzeswortlaut („ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegendes Grundstück“). Der Gesetzgeber unterscheidet im Übrigen sonst stets sorgfältig zwischen Grundstücken und Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften (und auch zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen). Der Normzweck würde allerdings für eine solche Anzeigepflicht sprechen, denn nur dann ist eine vollständige Information der Finanzbehörden tatsächlich gewährleistet. Dafür bedarf es aber einer Gesetzesänderung. Die notarielle Verschwiegenheitsverpflichtung (§ 18 BNotO) kann nicht ohne eine klare Rechtsgrundlage durchbrochen oder erweitert werden.

160

Die Anzeigepflicht erfasst die (dingliche) Übertragung von Anteilen an Gesellschaften. Sonstige Verfügungen über Gesellschaftsanteile (z.B. Verpfändung, Nießbrauchbestellung) werden zu Recht nicht erfasst, da es sich dabei auch um keine steuerbaren Erwerbsvorgänge handelt.

161

Die Anzeigepflicht besteht unabhängig von Art, Umfang und Höhe der Anteile, die übertragen werden. Eine Anzeigepflicht besteht somit auch dann, wenn weniger als 90 % der Anteile an einer Gesellschaft übertragen werden. Jede Übertragung von Anteilen muss angezeigt werden.

162

1 Zum Luxemburger fonds commun de placement (FCP) im deutschen Grunderwerbsteuerrecht s. Stadler/Mager/ Mayer, BB 2021, 408. 2 Siehe dagegen § 18 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG (Eintragungen im Genossenschaftsregister). 3 Siehe dagegen § 18 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG (Eintragungen im Vereinsregister). 4 Zu den Anzeigepflichten des Notars bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen s. Strahl, RNotZ 2021, 61 (82 ff.).

Wachter

857

§ 18 Rz. 162 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare Die Anzeigepflicht der Notare bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen (nach § 18 GrEStG) ist somit erheblich weiter als die Anzeigepflicht der Beteiligten (nach § 19 GrEStG). Die Beteiligten sind nur dann anzeigepflichtig, wenn die (in § 19 Abs. 1 und 2 GrEStG) genannten Steuertatbestände erfüllt sind. 163

Nach dem Gesetzeswortlaut („außerdem“) gilt die Anzeigepflicht bei der Übertragung von Anteilen an Gesellschaften für Gerichte, Behörden und Notare. In der Praxis trifft die Anzeigepflicht aber vor allem die Notare bei der Beurkundung von Anteilsübertragungen (z.B. nach § 15 GmbHG).

164

Eine Anzeige kann aber immer nur dann erfolgen, wenn der Notar Kenntnis davon hat, dass zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören. In der Regel ist dies dem Notar nicht bekannt. Den Notar treffen insoweit auch keine Nachforschungspflichten.1 Der Notar kann die Beteiligten (nach seinem Ermessen) allenfalls (unverbindlich) nach dem Vorhandensein von Grundbesitz befragen. Der Notar kann (und muss) sich in diesen Fällen auf die Angaben der Beteiligten verlassen. Er muss die Angaben insbesondere nicht überprüfen oder kontrollieren (auch nicht durch routinemäßige Einsichten in die Grundbücher, da es dafür an einem berechtigten Interesse i.S.v. § 12 GBO fehlt). Dem Notar stehen insoweit auch keinerlei Ermittlungsmöglichkeiten zu.2

165

Weitergehende Informationen muss dann das zuständige Finanzamt (und nicht der Notar) im Rahmen des Besteuerungsverfahrens selbst ermitteln. Das Finanzamt verfügt (anders als der Notar) auch über entsprechende Ermittlungsmöglichkeiten und kann diese gegebenenfalls auch zwangsweise durchsetzen.

166

Praxishinweis: In der Praxis kann es sinnvoll sein, die Erklärungen der Beteiligten zu Fragen des Notars in der Urkunde (oder außerhalb der Urkunde) entsprechend zu dokumentieren.

167

Formulierungsvorschlag für eine Gesellschaft mit Grundbesitz: Die Beteiligten erklären, dass der Gesellschaft folgende Grundstücke (genaue Bezeichnung nach § 20 GrEStG) gehören. Demnach ist die Übertragung der Anteile an der Gesellschaft dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

168

Formulierungsvorschlag für eine Gesellschaft ohne Grundbesitz: Die Beteiligten erklären, dass der Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte gehören. Die Gesellschaft ist nach Angabe auch nicht an anderen Gesellschaften beteiligt, zu deren Vermögen Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte gehören. Eine Anzeige an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt ist daher nicht erforderlich.

169

Ungeklärt ist bislang die Frage, ob den Notar eine Anzeigepflicht (nach § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) auch dann trifft, wenn er die Unterschriften unter der Handelsregisteranmeldung beglaubigt, die die Übertragung von Anteilen an einer Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG, GmbH & Co. KG) zum Gegenstand hat (s. §§ 12, 106 ff., 161 ff., 176 HGB); s. dazu auch oben Rz. 86 ff. und Rz. 101 ff. Richtigerweise besteht in diesen Fällen keine Anzeigepflicht. Der Grund dafür ist, dass die Handelsregisteranmeldung keine (dingliche) „Übertragung von Anteilen“ an einer Gesellschaft bewirkt. Die Übertragung der Anteile erfolgt gesondert und außerhalb der Handelsregisteranmeldung. Der entsprechenden Eintragung im Handelsregister kommt insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu; sie hat für den Anteilserwerb keine (konstitutive) Bedeutung. Im Übrigen ist das Handelsregister für jedermann einsehbar. Somit kann das Finanzamt die Beteiligungsverhältnisse an einer Gesellschaft jederzeit auch selbst durch Einsicht in das Handelsregister überprüfen.

1 Ähnlich auch Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 8; Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 7; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 24 (Anzeigepflicht begründet eine Erkundigungspflicht, aber keine Nachforschungs- oder Ermittlungspflicht). 2 Erklären die Beteiligten dem Notar auf Nachfrage allerdings, dass zum Vermögen der Gesellschaft Grundstücke gehören, muss er den Vorgang auch dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt anzeigen. Andernfalls verletzt der Notar seine Anzeigepflichten (so der Fall des BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst (leichtfertige Verletzung der Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG durch einen Notar bei Beurkundung der Abtretung von Anteilen an einer Gesellschaft zu deren Vermögen Grundbesitz gehört und bloßer Anzeige nach § 54 EStDV).

858

Wachter

F. Form der Anzeigen (Abs. 1, Abs. 4)

Rz. 180 § 18

Entsprechendes gilt (ab dem 1.1.2024) bei der Beglaubigung von Unterschriften unter der Registeranmeldung betreffend einen Gesellschafterwechsel bei einer eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) mit Grundbesitz (s. §§ 707 ff. BGB n.F., § 47 Abs. 2 GBO n.F.).1

D. Keine Ausnahmen von der Anzeigepflicht Die gesetzlichen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare gelten umfassend und uneingeschränkt. Ausnahmen sind im Gesetz nicht vorgesehen.

170

Das Grunderwerbsteuergesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Anzeigen auch dann zu erstatten sind, wenn der Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§ 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG; s. §§ 3 ff. GrEStG).

171

Für Bagatellfälle bestehen (anders als etwa nach § 8 Abs. 3 ErbStDV) gleichfalls keinerlei Ausnahmen (s. auch § 3 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und Umkehrschluss zu § 17 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Rechtsvorgänge mit keiner oder geringer wirtschaftlicher Bedeutung unterliegen uneingeschränkt der gesetzlichen Anzeigepflicht.

172

Die Anzeigen müssen auch dann erfolgen, wenn für die Eintragung im Grundbuch ausnahmsweise keine Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich ist (s. § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

173

Die Anzeigepflichten sind zwingend. Vertragliche Regelungen über die Anzeigepflichten sind ausgeschlossen. Die Anzeigen müssen auch dann erfolgen, wenn die Beteiligten erklären, die Anzeigen selbst vornehmen zu wollen (s. § 19 GrEStG). Ein Verzicht der Beteiligten auf die Anzeigen ist nicht möglich. Die Beteiligten können den Gerichten, Behörden oder Notaren eine Anzeige auch nicht untersagen. Ein solches Verbot wäre wirkungslos.

174

Die Anzeigepflicht entfällt auch nicht dadurch, dass der Vorgang gleichzeitig auch von anderen öffentlichen Stellen (Gerichten, Behörden oder Notaren) angezeigt werden muss. Mehrere Anzeigepflichten bestehen kumulativ nebeneinander, verdrängen sich untereinander aber nicht. Jede Anzeigepflicht besteht für sich.

175

Entsprechendes gilt für Rechtsvorgänge, die sowohl von Gerichten, Behörden und Notaren als auch den 176 Beteiligten selbst angezeigt werden müssen. Mehrere Anzeigepflichten sollen sicherstellen, dass die Finanzämter vollständig über alle der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge informiert werden.

E. Inhalt der Anzeigen Die Anzeigen müssen stets richtig, vollständig und wahrheitsgemäß sein.

177

Inhaltlich sollen die Anzeigen klar und eindeutig sein. Unklarheiten und Missverständnisse sind zu vermeiden. Anzeigen dürfen nicht darauf gerichtet sein, dem Finanzamt den wahren Sachverhalt zu verschleiern. Das Finanzamt soll aufgrund der Anzeige in der Lage sein, den mitgeteilten Sachverhalt zu prüfen und die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen.

178

Der Inhalt der Anzeigen ist im Grunderwerbsteuergesetz vorgegeben (s. § 20 GrEStG). Die inhaltlichen Vorgaben gelten einheitlich für die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) und die Anzeigen der Beteiligten (§ 19 GrEStG).

179

F. Form der Anzeigen (Abs. 1, Abs. 4) I. Schriftlich (Abs. 1 Satz 1) Gerichte, Behörden und Notare haben die Anzeigen schriftlich zu erstatten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). 1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

Wachter

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180

§ 18 Rz. 181 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 181

Eine elektronische Übermittlung der Anzeigen ist ausgeschlossen. Eine Übersendung per Telefax oder E-Mail genügt gleichfalls nicht dem gesetzlichen Schriftformerfordernis.

182

Das Bundesministerium der Finanzen ist seit 2011 gesetzlich ermächtigt, „zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens“ eine elektronische Übermittlung der Anzeige (nach § 18 GrEStG) vorzusehen (§ 22a GrEStG). Von dieser Möglichkeit wurde bis heute (Stand: Juni 2021) kein Gebrauch gemacht. Im Moment ist nicht abzusehen, wann eine elektronische Übermittlungsmöglichkeit geschaffen wird.1 Die schriftliche Übermittlung ist derzeit somit zwingend (§ 22a Satz 3 GrEStG).

183

Die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (§ 87a AO). Diese gelten nur für die Anzeigen der Beteiligten (§ 19 Abs. 5 Satz 3 GrEStG) und nicht auch für die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG). Insoweit ist die Regelung in § 22a GrEStG vorrangig und abschließend.

184

Die Anzeige ist nicht zu unterschreiben (s. § 150 Abs. 3 AO und § 126 BGB).

II. Amtlich vorgeschriebener Vordruck (Abs. 1 Satz 1) 185

Die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare müssen „nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck“ erfolgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Die Steuerschuldner müssen für ihre eigene Anzeigepflicht (§ 19 GrEStG) keinen Vordruck verwenden.

186

Der Vordruck (sogenannte Veräußerungsanzeige)2 wird von den Länderfinanzverwaltungen kostenlos zur Verfügung gestellt (in aller Regel auch im Internet zum Download).

187

Die Finanzverwaltung hat den amtlichen Vordruck seit dem Jahr 2018 mehrfach überarbeitet, erweitert und (zumindest hinsichtlich der Vorderseiten) auch bundesweit vereinheitlicht. Seitdem gibt es nicht mehr nur einen amtlichen vorgeschriebenen Vordruck (so § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), sondern mehrere amtliche Vordrucke. Neben dem (allgemeinen) Vordruck („Veräußerungsanzeige“) stehen jetzt auch besondere Vordrucke für einzelne Erwerbsvorgänge zur Verfügung, u.a. „Anzeige Zwangsversteigerungsverfahren“ und „Anzeige Anteilsübertragungen“. Die Anzeigen können zudem um Anlagen ergänzt werden. Eingeführt wurden Anlagen für „weitere Grundstücke“, „weitere Veräußerer“ und „weitere Erwerber“. Die Vordrucke wurden zudem um Datenschutzhinweise ergänzt.

188

Die Finanzverwaltung hat mit den neuen Vordrucken auf die verbreitete Kritik an der bisherigen Veräußerungsanzeige reagiert. Die Veräußerungsanzeige war vor allem für den typischen Fall eines (einfachen) Grundstückskaufvertrages erstellt worden (mit maximal zwei Grundstücken, zwei Veräußerern und zwei Erwerbern). Für viele andere Rechtsvorgänge (insbesondere gesellschaftsrechtliche Erwerbsvorgänge) war der Vordruck dagegen völlig ungeeignet. Gleichwohl bestand die Finanzverwaltung auch in solchen Fällen auf einer Anzeige nach dem amtlichen Vordruck. Der Vordruck müsse zumindest „soweit als möglich“ ausgefüllt werden.3 Dies war und ist nicht überzeugend.

189

Kritik: Die (seit Anfang 2018 erweiterten) Vordrucke sind zweifellos eine gewisse Verbesserung, ganz zufriedenstellend ist die Situation aber immer noch nicht. Die zahlreichen und komplexen Erwerbsvorgänge des Grunderwerbsteuergesetzes lassen sich schlicht nicht in einigen wenigen (grundsätzlich immer noch einseitigen) Vordrucken zutreffend abbilden. Zudem passt auch die neue „Anzeige über Anteilsübertragungen“ wieder nur für einzelne Anteilsübertragungen (vor allem die Erwerbsvorgänge nach §§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, 3 und 3a GrEStG), nicht aber für Umwandlungen, Anwachsungen und andere Umstrukturierungen. Vielfach ist auch schlicht der Platz in den Vordrucken nicht ausreichend für die erforderlichen Angaben. Umgekehrt werden in den amtlichen Vordrucken auch Angaben gefordert, die im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen sind und die für die Erhebung der Grunderwerbsteuer auch nicht von Bedeutung sind (z.B. Datum, Firma, Tag 1 Allgemein zur Digitalisierung der Steuerverwaltung und einem „Digitalen FA 2030“ Schaebs/Hessel/Bernhardt, DB 2021, 412. 2 Das Muster einer (bis Ende 2017 gültigen) Veräußerungsanzeige ist u.a. abgedruckt bei Loose in Boruttau19, § 20 GrEStG Rz. 17 am Ende; Weilbach, § 18 GrEStG Rz. 7 a.E. 3 Siehe auch Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 24.

860

Wachter

F. Form der Anzeigen (Abs. 1, Abs. 4)

Rz. 194 § 18

der Übergabe bzw. Verrechnungstag oder die land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Grundbesitzes); s. dazu auch § 20 Rz. 69. Die Finanzverwaltung ist berechtigt (und verpflichtet) amtliche Vordrucke für die Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) zur Verfügung zu stellen. In den Fällen, in denen die von der Finanzverwaltung selbst erstellten Vordrucke nicht passen, müssen diese aber auch nicht verwendet werden. Vielmehr muss dann eine andere Form der Anzeige möglich sein. Nach dem Normzweck kommt es darauf an, dass das Finanzamt die Veräußerungsanzeige als eine Anzeige nach § 18 GrEStG erkennen kann und die Anzeige inhaltlich vollständig und richtig ist. Ein förmliches Anschreiben eines Gerichts, einer Behörde oder eines Notars, das an das zuständige Finanzamt für die Grunderwerbsteuer gerichtet ist und deutlich als „Anzeige nach § 18 GrEStG“ gekennzeichnet ist, muss in solchen Fällen (auch ohne Verwendung eines amtlichen Vordrucks) ausreichen. Das Finanzamt erhält auf diese Art und Weise sichere und zuverlässige Kenntnis von dem Vorgang und kann die Grunderwerbsteuer entsprechend festsetzen. Die Verwendung der Vordrucke ist grundsätzlich zwingend. Dabei ist die aktuelle Fassung der jeweiligen Vordrucke zu verwenden. Die Verwendung eines früheren (veralteten) Vordrucks ist grundsätzlich nicht ausreichend. Im Interesse der Praktikabilität ist dabei aber eine großzügige Übergangsfrist zu gewähren. Nicht ausreichend ist die Übersendung einer bloßen Kurzmitteilung eines Notars.1

190

Die Vordrucke sind dem zuständigen Finanzamt in einfacher Ausfertigung (nicht mehrfach) zu übersenden.2 Das Verlangen mancher Finanzämter mehrere Ausdrucke der Anzeige zu übersenden ist unbegründet.

191

Die Finanzverwaltung verlangt teilweise, dass alle Angaben (insbesondere nach § 20 GrEStG) in der Anzeige selbst enthalten sind.3 Ein Verweis auf die (beigefügte) Urkunde des Notars wird nicht als ausreichend angesehen. Dem ist zu widersprechen. Für ein solches Verlangen fehlt eine gesetzliche Grundlage. Die Anzeige ist „nach“ amtlichem Vordruck zu erstatten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), nicht aber zwingend „im“ Vordruck selbst. In vielen Fällen ist es schlicht nicht möglich, die Angaben in den Vordruck einzufügen. Die vorgegebenen Felder sind oftmals zu klein, unpassend oder sonst nicht geeignet. Die (neuen) Vordrucke sehen (zumindest teilweise) selbst Anlagen vor. Nach dem Normzweck kommt es darauf an, ob das zuständige Finanzamt über den Erwerbsvorgang vollständig informiert wird. Diesem Zweck genügen die Angaben in der Urkunde genauso wie die Angaben in dem Vordruck. Darüber hinaus ist auch eine Bezugnahme auf Anlagen, Verzeichnisse oder Übersichten zulässig (wie sich beispielweise auch aus § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG für Beteiligungsübersichten ergibt). Der Vordruck bildet zusammen mit der Abschrift und den Anlagen eine Einheit und ist insgesamt die für die Besteuerung maßgebliche Anzeige im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes.

192

III. Abschrift der Urkunde, des Beschlusses oder der Entscheidung (Abs. 1 Satz 2) Der Anzeige von Gerichten, Behörden oder Notaren ist stets eine Abschrift der Urkunde, des Antrags, des Beschlusses oder der gerichtlichen Entscheidung beizufügen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Entsprechendes gilt für die Anzeigen der Steuerschuldner (§ 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG).

193

Eine ordnungsgemäße Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz setzt somit stets Anzeige und Abschrift voraus. Eines allein genügt nicht. Die bloße Anzeige (ohne das Beifügen einer Abschrift) ist ebenso unzureichend wie das Übersenden einer Abschrift (ohne eine gesonderte Anzeige). Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig und zwingend. Die Anzeige ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil

194

1 Siehe dazu u.a. BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830 = BB 2012, 2096 mit Anm. Behrens = GmbHR 2012, 922 mit Anm. Adolf; FG Nds. v. 12.12.2012 – 7 K 122/09 (Az. BFH II R 8/13), DStRE 2013, 1458. 2 Der Hinweis bei Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 9 („Deckblatt und fünf Durchschriften!“), bezieht sich noch auf die frühere Rechtslage und ist nicht mehr aktuell. 3 So etwa Tz. 4.7 Satz 2 der Merkblätter der Finanzverwaltung über die Beistandspflichten der Notare, abgedruckt u.a. bei Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 53.

Wachter

861

§ 18 Rz. 194 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare sich die erforderlichen Angaben bereits aus der beigefügten Abschrift ergeben. Umgekehrt kann auf die Übersendung der Abschrift auch dann nicht verzichtet werden, wenn alle Informationen bereits in der Anzeige enthalten sind. Das Finanzamt soll in die Lage versetzt werden, den Vorgang eigenständig zu prüfen. Dazu sind Anzeige und Abschrift notwendig. Die doppelte Information des Finanzamts in Form von Anzeige und Abschrift ist allerdings bei der Vollständigkeit einer Anzeige zu berücksichtigen. Eine Anzeige, in der einzelne Angaben (nach § 20 GrEStG) fehlen, ist formal unvollständig. Nach dem Normzweck ist die Anzeige im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes aber gleichwohl als vollständig anzusehen, wenn sich die fehlenden Angaben aus der beigefügten Abschrift ergeben. Dies gebietet auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 195

Der Anzeige an das Finanzamt ist eine Abschrift der Urkunde etc. beizufügen. Eine einfache Abschrift ist dabei ausreichend. Die Übersendung einer beglaubigten Abschrift ist gesetzlich nicht vorgesehen (anders z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 ErbStDV) und kann auch nicht verlangt werden.1 Manche Finanzämter verlangen in der Praxis (zusätzlich) die Übersendung einer elektronischen Kopie (z.B. als pdf-Dokument) per Email (oftmals zur Weiterleitung an andere Finanzämter oder Behörden). Eine Rechtsgrundlage dafür besteht nicht.

196

Die Übersendung einer Abschrift genügt. Mehrere Abschriften können vom Finanzamt nicht verlangt werden (z.B. zur Weiterleitung an andere Finanzämter im Rahmen von Kontrollmitteilungen).2

197

Der Anzeige ist eine vollständige Abschrift der Urkunde beizufügen. Dies umfasst auch sämtliche Anlagen, Nachträge, Ergänzungen und Pläne. Die Abschrift muss lückenlos sein. Schwärzungen oder Streichungen sind nicht zulässig (auch nicht aus Gründen des Datenschutzes oder zum Schutz von Persönlichkeitsrechten). Die Abschrift für das Finanzamt muss auch etwaige Vollmachten, Registerauszüge oder Existenz- und Vertretungsnachweise umfassen.

198

Der Normzweck verlangt eine vollständige Information des zuständigen Finanzamts. Demnach sind dem Finanzamt auch Abschriften von Dokumenten zu übersenden, auf die in der anzeigepflichtigen Urkunde verwiesen wird (z.B. Bezugsurkunden) oder mit dieser inhaltlich zusammenhängen (z.B. Bauverträge mit Grundstückskaufverträgen bei einheitlichen Rechtsgeschäften).

199

Die Urkunde ist dem Finanzamt so zu übersenden, wie sie tatsächlich errichtet worden ist. Urkunden, die in einer Fremdsprache errichtet worden sind (s. § 5 Abs. 2 BeurkG), sind dem Finanzamt daher in dieser (fremden) Sprache zu übersenden. Dies ist ausreichend. Eine Übersetzung kann das Finanzamt von den anzeigepflichtigen Gerichten, Behörden und Notaren3 nicht verlangen.4 Im Einzelfall kann das Finanzamt allenfalls von den Steuerschuldnern eine (auszugsweise) Übersetzung anfordern, sofern dies für die Besteuerung tatsächlich notwendig ist (s. § 87 AO). Die verbreitete Praxis vieler Finanzämter, insbesondere bei englischsprachigen Urkunden von den beurkundenden Notaren eine (beglaubigte) Übersetzung anzufordern, entbehrt somit einer Rechtsgrundlage. Der Notar ist nicht der Übersetzer des Finanzamts. Der Notar ist nicht verpflichtet, für das Finanzamt eine Übersetzung zu erstellen oder erstellen zu lassen.

200

Die Anzeige der Gerichte, Behörden und Notare ist keine Steuererklärung (i.S.v. §§ 149 ff. AO). Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu den eigenen Anzeigen der Steuerschuldner, bei denen es sich um Steuererklärungen handelt (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG).

1 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 13; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 38. 2 Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 13 (unter Hinweis auf eine abweichende Verwaltungspraxis in Hessen, für die aber eine gesetzliche Grundlage fehlt). – Siehe dazu FG Bremen v. 15.1.1990 – II 256/88 K, EFG 1990, 377 (Vorlage von zusätzlichen Kopien der Veräußerungsanzeige oder der Urkunde ist gegenüber dem Notar nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar). 3 KG v. 7.11.2000 – 1 W 1770/00, DNotI-Report 2001, 19 (zu § 54 EStDV). 4 So auch Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 9.

862

Wachter

F. Form der Anzeigen (Abs. 1, Abs. 4)

Rz. 204 § 18

IV. Absendung von Anzeige und Abschrift (Abs. 4) Die Gerichte, Behörden und Notare haben dem zuständigen Finanzamt die Anzeige (samt einer Ab- 201 schrift der Urkunde etc.) zu übersenden. Die Absendung der Anzeige ist auf der Urschrift der Urkunde bzw. einer beglaubigten Abschrift zu vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG). Das Grunderwerbsteuergesetz sieht keine besondere Form der Übersendung oder Zustellung vor. Eine Übersendung mit einfachem Brief ist üblich und ausreichend. Eine Übersendung per Einschreiben, per Kurier oder eine förmliche Zustellung ist nicht notwendig.

202

Das Finanzamt bestätigt den Eingang der Anzeige heute nicht mehr (anders noch nach § 6 Abs. 3 Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940). Der Absendervermerk auf der Urkunde gilt als ausreichender Nachweis über die tatsächlich erfolgte Anzeige. Mit der ordnungsgemäßen Absendung (und dem entsprechenden Vermerk auf der Urkunde) ist die Anzeigepflicht erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn die Anzeige dem Finanzamt im Einzelfall (z.B. aufgrund eines Zustellfehlers) tatsächlich nicht zugeht.

203

Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Absendung der Anzeige auf der „Urschrift der Urkunde“ bzw. (bei 204 Unterschriftsbeglaubigungen mit Entwurf) auf der zurückbehaltenen „beglaubigten Abschrift“ zu vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG). Am 1.1.2022 ist eine neue Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse in Kraft getreten.1 Die Urkunden der Notare werden seitdem in einer elektronischen Urkundensammlung der Bundesnotarkammer aufbewahrt (s. §§ 35, 36 und §§ 78, 78h BNotO2). Auf der Urschrift der Urkunde dürfen demnach keine Vermerke mehr angebracht werden, nachdem die Urkunde in die elektronische Urkundensammlung eingestellt worden ist (§§ 34, 35 NotAktVV 2022). Andernfalls käme es zu einer unzulässigen Abweichung zwischen der Urschrift in Papierform und der elektronischen Urschrift. In der Verordnung über die Führung der notariellen Akten ist dementsprechend angeordnet, dass ab dem Zeitpunkt der Einstellung der Urkunde in die elektronische Urkundensammlung Vermerke (z.B. nach § 18 Abs. 4 GrEStG, aber auch nach § 8 Abs. 1 Satz 5 ErbStDV) auf einem gesonderten Blatt anzubringen sind. Dieses gesonderte Blatt ist sodann mit der Urschrift zu verbinden und in der Urkundensammlung aufzubewahren (§ 35 Abs. 3 NotAktVV 2022). Daneben ist das gesonderte Blatt auch in die elektronische Urkundensammlung aufzunehmen (§ 35 Abs. 2 NotAktVV 2022). Diese (berufsrechtliche) Regelung steht in einem gewissen Widerspruch zu der (steuerrechtlichen) Regelung des Grunderwerbsteuergesetzes. Nach den Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes (§ 18 Abs. 4 GrEStG) ist der Absendevermerk „auf der Urschrift“ selbst anzubringen und nicht auf einem gesonderten Blatt. Dies ist aber (berufsrechtlich) nicht mehr möglich, sobald die Urschrift in die elektronische Urkundensammlung eingestellt worden ist. Dieser Konflikt ist durch eine erweiternde Auslegung des Grunderwerbsteuergesetzes aufzulösen. Der Vermerk ist demnach auch dann noch „auf der Urschrift“ angebracht, wenn er nicht unmittelbar auf der Urschrift selbst, sondern auf einem mit der Urschrift fest verbundenen gesonderten Blatt angebracht wird.3 Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, mit der die Erfüllung der Anzeigepflichten nachweisbar dokumentiert werden soll. In der Praxis lässt sich das Problem dadurch vermeiden, dass die Urkunde erst dann in die elektronische Urkundensammlung eingestellt wird, nachdem der Absendevermerk auf der Urschrift angebracht worden ist. Der Gesetzgeber sollte den etwas engen Wortlaut des Grunderwerbsteuergesetzes, der sich noch an der Papierurkunde orientiert, an die elektronische Aktenführung anpassen und entsprechend erweitern.

1 BGBl. I 2020, 2246. – Näher dazu Frohn in Frenz/Miermeister, 5. Auflage 2020, § 36 BNotO Rz. 1 ff. und Püls/ Gerlach, NotAktVV und elektronisches Urkundenarchiv, 2021. 2 Siehe Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer v. 1.6.2017, BGBl. I 2017, 1396. 3 So im Ergebnis auch Blaeschke, Praxishandbuch Notarprüfung, 3. Auflage 2021, § 10 Rz. 39 ff. m.w.N.

Wachter

863

§ 18 Rz. 205 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare

G. Frist für die Anzeigen (Abs. 3) 205

Die Anzeige ist grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung, der Unterschriftsbeglaubigung oder der Bekanntgabe der Entscheidung zu erstatten (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GrEStG). Das Datum (der Anzeige) ist auf der Veräußerungsanzeige (neben dem Datum der Urkunde) anzugeben. Im Gesetz ist diese Datumsangabe allerdings nicht vorgesehen.

206

Kritik: Die Frist von zwei Wochen ist viel zu kurz bemessen.1 Die Zweiwochenfrist war zwar schon in § 2 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 vorgesehen und ist seitdem unverändert. Allerdings wurde der Inhalt der Anzeige (s. § 20 GrEStG) in den letzten Jahren immer mehr ausgeweitet. Die erforderlichen Informationen sind innerhalb der Frist vielfach nicht bzw. nicht vollständig zu erlangen. Der Gesetzgeber sollte daher eine (deutliche) Verlängerung (mindestens ein Monat, besser drei Monate) prüfen. In Anlehnung an die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare im ErbStG (s. § 8 Abs. 1 Satz 4 ErbStDV) wäre auch eine Regelung, wonach die Anzeige „unverzüglich“ erfolgen muss, überlegenswert. Dies würde einerseits eine schnelle Erstattung der Anzeige gewährleisten und andererseits den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls angemessen Rechnung tragen.

207

Die Anzeigefrist beginnt stets mit dem Tag der Beurkundung, der Unterschriftsbeglaubigung oder der Bekanntgabe der Entscheidung. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsvorgang noch nicht wirksam ist und die Steuer noch gar nicht entstanden ist.2 Das Grunderwerbsteuergesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Anzeige auch dann innerhalb der Frist von zwei Wochen erfolgen muss, wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs noch vom Eintritt einer Bedingung (s. § 158 BGB), vom Ablauf einer Frist (s. § 163 BGB) oder von einer Genehmigung (s. §§ 182 ff. BGB) abhängig ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG).3 Die Grunderwerbsteuer entsteht in diesen Fällen gleichwohl erst mit dem Eintritt der Bedingung bzw. Genehmigung (§ 14 GrEStG).

208

In der Praxis erfolgt die Anzeige derzeit (entsprechend dem Gesetzeswortlaut) unverzüglich nach der Beurkundung bzw. Beglaubigung. Eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist meist aber noch gar nicht möglich, da die Steuer noch gar nicht entstanden ist. Das Finanzamt übersendet dem anzeigenden Notar daraufhin regelmäßig ein Formular nach § 14 GrEStG und bittet um Mitteilung, ob und wann die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs eingetreten ist.4 Erst nach Eingang dieser Mitteilung beim Finanzamt ist eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer möglich.

209

Kritik: Dieses Verfahren ist zwar seit Jahrzehnten eingespielt, erscheint aber gleichwohl vergleichsweise umständlich und bürokratisch. Es wäre völlig ausreichend, wenn Gerichte, Behörden und Notare die Anzeige innerhalb von zwei Wochen nach Wirksamwerden des jeweiligen Erwerbsvorgangs erstatten. Dies würde das aufwändige Hin- und Hersenden von Routineanfragen zwischen Finanzämtern und Notaren (noch dazu per Briefpost und nicht etwa per Email) vermeiden. Steuersystematisch ist es ohnehin wenig überzeugend, dem Finanzamt einen steuerpflichtigen Vorgang bereits anzeigen zu müssen, obwohl die Steuer noch gar nicht entstanden ist. Dies erscheint nicht nur ineffizient, sondern auch unverhältnismäßig. Der Gleichlauf zwischen Steuerentstehung (§ 14 GrEStG) und Anzeigepflicht (§ 18 GrEStG) spricht dafür, dass die Anzeige erst nach dem Wirksamwerden des Erwerbsvorgangs erfolgen muss.5 Dies ist bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen.

1 Allgemeine Auffassung, s. nur Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 39 und § 19 GrEStG Rz. 36. Nur zu § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und nicht auch zu § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auch Heine in Wilms/Jochum, § 18 GrEStG Rz. 44. – Gegen eine Verlängerung der zweiwöchigen Anzeigefrist allerdings Weilbach, § 18 GrEStG Rz. 13. 2 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 8; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 15; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 38. 3 Siehe dazu FG München v. 20.1.2021 – 4 K 270/20 (Az. BFH II R 2/21), EFG 2021, 570 mit Anm. Kronawitter = ErbStB 2021, 104 mit Anm. Halaczinsky. 4 Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Mitteilung der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts besteht nicht. Die Verpflichtung zu einer entsprechenden Mitteilung ergibt sich allenfalls mittelbar aus § 18 GrEStG (und in der Praxis aus der Notwendigkeit an einem zeitnahen Erhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 22 GrEStG). – Siehe auch Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 11 (wonach die Mitteilung der Rechtswirksamkeit die Umschreibung im Grundbuch regelmäßig beschleunigt). 5 So bereits auf der Grundlage des heute geltenden Rechts Halaczinsky, UVR 2015, 300 (309) (aufschiebend bedingte oder noch genehmigungsbedürftige Vorgänge sind nicht anzeigepflichtig).

864

Wachter

G. Frist für die Anzeigen (Abs. 3)

Rz. 216 § 18

Im Übrigen ist es wenig sachgerecht, dass für die Anzeigepflicht der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare (nach § 18 GrEStG) strengere Vorgaben gelten als für die Anzeigepflichten der (privaten) Steuerschuldner (§ 19 GrEStG). Dort gibt es keine (ausdrückliche) Regelung, wonach die Anzeige schon vor der Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs erfolgen muss (s. § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG).1 Die Unterschiede zwischen den einzelnen Anzeigepflichten erscheinen sachlich nicht gerechtfertigt.

210

Die Anzeigefrist von zwei Wochen beginnt nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig von der Kenntnis 211 von dem anzeigepflichtigen Vorgang (s. § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass Gerichte, Behörden und Notare von dem Vorgang aufgrund der Beurkundung, Beglaubigung, Beschlussfassung oder Entscheidung ohnehin Kenntnis haben. Die (allgemeine) Kenntnis von dem Vorgang beinhaltet aber nicht notwendigerweise auch die (besondere) Kenntnis, dass es sich dabei um einen anzeigepflichtigen Vorgang im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes handelt. Richtigerweise kann die Frist daher immer erst mit (positiver) Kenntnis des zuständigen Richters, Beamten oder Notars beginnen, dass es sich um einen (möglicherweise) grunderwerbsteuerbaren Vorgang handelt. Bei Gerichten und Behörden kommt es dabei auf die Kenntnis der Person an, die mit der entsprechenden Entscheidung etc. befasst war. Die Frist von zwei Wochen kann grundsätzlich verlängert werden (s. § 109 AO). Die Rechtspre- 212 chung2 verlangt allerdings, dass der Antrag auf Fristverlängerung innerhalb der Frist von zwei Wochen gestellt wird. Eine rückwirkende Fristverlängerung zur erstmaligen Erstattung der Anzeige soll nach Ablauf der Frist nicht mehr möglich sein. Diese Auffassung erscheint zu streng. Richtigerweise sollte eine Fristverlängerung auch noch nach Ablauf der (ohnehin sehr kurzen) Anzeigefrist von zwei Wochen möglich sein (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AO analog). Im Alltag wird die Einhaltung der Frist ohnehin großzügig gehandhabt. In der Praxis sollte vorsorglich innerhalb der Frist eine (möglicherweise noch unvollständige) Anzeige erstattet werden und ein Antrag auf Fristverlängerung gestellt werden. Die fehlenden Angaben und Unterlagen können dann nach allgemeiner Meinung nachgereicht werden.

213

Bei Fristversäumnis soll nach überwiegender Meinung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) ausgeschlossen sein.3 Dies ist nicht nachvollziehbar. Bei einem schuldlosen Versäumen der kurzen Frist (des § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) muss nach allgemeinen Grundsätzen auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (z.B. bei Krankheit, Büroversehen oder Ferienzeiten).

214

Die Absendung der Anzeige (einschließlich des Datums) ist auf der Urschrift der Urkunde bzw. einer beglaubigten Abschrift zu vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG).

215

Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Anzeige innerhalb von zwei Wochen „erstattet“ werden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob es für die Erstattung der Anzeige auf deren Absendung (beim Notar) oder den Zugang (beim Finanzamt) ankommt. Für die Maßgeblichkeit des Zugangs spricht der Normzweck. Das Finanzamt erlangt erst mit Zugang der Anzeige von dem Erwerbsvorgang Kenntnis und kann erst dann die Besteuerung vornehmen. Die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (s. § 130 Abs. 3 BGB) sprechen gleichfalls dafür, auf den Zugang der Anzeige abzustellen. Gleichwohl muss für die Rechtzeitigkeit der Anzeige die Absendung genügen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Danach ist die Anzeige innerhalb der Frist lediglich (einseitig) zu „erstatten“ (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 Satz 1 GrEStG) und nicht etwa auch zu übersenden. Auf der Urschrift der Urkunde ist die „Absendung“ der Anzeige zu vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG). Der Notar darf die Urkunden erst dann aushändigen, wenn er die Anzeige an das Finanzamt „abgesandt“ hat (§ 21 GrEStG). Im Übrigen würde die ohnehin schon kurze Frist noch weiter (und unverhältnismäßig) verkürzt, wenn innerhalb der Frist auch noch der Zugang gewährleistet werden müsste.

216

1 Siehe dazu FG München v. 20.1.2021 – 4 K 270/20 (Az. BFH II R 2/21), EFG 2021, 570 mit Anm. Kronawitter = ErbStB 2021, 104 mit Anm. Halaczinsky. 2 BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420. 3 Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 40.

Wachter

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§ 18 Rz. 217 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare

H. Empfänger der Anzeigen (Abs. 5) I. Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle 217

Die Anzeigen sind an das für die Erhebung der Grunderwerbsteuer (sachlich und örtlich) zuständige Finanzamt zu senden (§ 18 Abs. 5 GrEStG; s. auch § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG: „zuständigen Finanzamt“).1

218

Eine Anzeige an ein anderes Finanzamt ist nicht ausreichend.2

219

Nicht genügend ist insbesondere auch die Übersendung einer Anzeige an das Finanzamt Körperschaftsteuerstelle3 oder das für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt.4

220

Ausnahmen kommen allenfalls dann in Betracht, wenn eine (irrtümlich) nicht an die Grunderwerbsteuerstelle adressierte Anzeige ihrem Inhalt eindeutig als eine solche Anzeige erkennbar ist und diese dann (ohne weitere Sachprüfung) tatsächlich an die zuständige Stelle weitergeleitet wird.5 Angesichts der unübersichtlichen Zuständigkeitsregelungen (s. Rz. 217 ff.) ist dabei ein großzügiger Maßstab anzulegen.

221

Die Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz sind im Regelfall an das Finanzamt zu übersenden, dass auch für die Besteuerung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 GrEStG). Für die Besteuerung ist grundsätzlich das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück (oder der wertvollste Teil des Grundstücks) liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Liegt das Grundstück in den Bezirken von Finanzämtern verschiedener Bundesländer, ist jedes dieser Finanzämter für die Besteuerung des Erwerbs insoweit zuständig, als der Grundstücksteil in seinem Bezirk liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). In diesen Fällen ist die (eine) Anzeige an mehrere Finanzämter zu übersenden.

222

In bestimmten Ausnahmefällen (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) werden die Besteuerungsgrundlagen von einem Finanzamt gesondert festgestellt. Die Anzeigen sind dann (nur) an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu übersenden.6 1 Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 17; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 47. 2 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234 (Übersendung eines Erbauseinandersetzungsvertrags an das Finanzamt mit dem Vermerk „im Erbschaft- und Schenkungsteuerinteresse“ ist keine ordnungsgemäße Anzeige i.S.v. § 18 GrEStG); v. 1.12.2004 – II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365 (keine ordnungsgemäße Anzeige nach § 18 GrEStG, wenn der Notar den Vertrag lediglich bei der Kapitalverkehrssteuerstelle einreicht); v. 11.6.2008 – II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876 (Anzeige nach § 54 EStDV ist keine ordnungsgemäße Anzeige i.S.v. § 18 GrEStG). 3 BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst (leichtfertige Verletzung der Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG durch einen Notar bei Beurkundung der Abtretung von Anteilen an einer Gesellschaft zu deren Vermögen Grundbesitz gehört und bloßer Anzeige nach § 54 EStDV); BFH v. 11.6.2008 – II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876 (keine ordnungsgemäße Anzeige nach § 18 GrEStG, wenn Notar eine Abschrift der Urkunde an die Körperschaftsteuerstelle des Finanzamts nach § 54 EStDV übersendet); FG Düsseldorf v. 21.11.2012 – 7 K 3613/12 GE, EFG 2013, 546 (bloße Übersendung einer Urkundsabschrift durch den Notar an das Finanzamt ohne Hinweis auf die Übertragung eines Grundstücks ist keine ordnungsgemäße Anzeige i.S.v. § 18 GrEStG; eine etwaige Kontrollmitteilung des Finanzamts an die Grunderwerbsteuerstelle ersetzt auch keine ordnungsgemäße Anzeige); FG Münster v. 24.9.2009 – 8 K 2284/06 GrE, EFG 2010, 507 mit Anm. Matthes (Schreiben des Notars an die Körperschaftsteuerstelle des Finanzamts ist keine Anzeige i.S.v. § 18 GrEStG, jedenfalls dann nicht, wenn die Grunderwerbsteuerstelle davon tatsächlich keine Kenntnis erlangt). 4 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234 (keine ausreichende Anzeige nach § 18 GrEStG, wenn Notar einen Erbauseinandersetzungsvertrag an das Finanzamt mit dem Vermerk übersendet „im Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerinteresse“). 5 Siehe dazu (im Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige eines Erbauseinandersetzungsvertrages) BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. Im konkreten Fall wurde eine solche Ausnahme allerdings verneint. 6 Siehe dazu BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, Rz. 20, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (wo die Anzeige eines Notars nicht innerhalb der Frist beim zuständigen Finanzamt erfolgt ist und daher eine spätere Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 5 GrEStG nicht mehr möglich war). – Siehe dazu auch Ihle, notar 2021, 45 (53 f.) (u.a. mit Hinweis darauf, dass eine Haftung des Notars gegenüber dem Fiskus oder den Beteiligten bei Verletzung der Anzeigepflicht ausscheidet).

866

Wachter

H. Empfänger der Anzeigen (Abs. 5)

Rz. 231 § 18

Kritik: Die Zuständigkeitsregelung ist (zumindest aus Sicht der Gerichte, Behörden und Notare, die die Anzeigen erstatten müssen) in vielen Fällen nur schwer verständlich und wenig transparent.1 In vielen Bundesländern bestehen zudem besondere Zuständigkeiten einzelner Finanzämter für die Grunderwerbsteuer, die nicht immer bundesweit bekannt sind.

223

Die Zuständigkeit ist zudem oftmals von tatsächlichen Umständen abhängig, die im Zeitpunkt der Anzeigenerstattung oftmals (noch) gar nicht bekannt sind. Beispielsweise ist vielfach unklar, in welchem Finanzamtsbezirk das „wertvollste Grundstück“ oder der „wertvollste Grundstücksteil“ liegt (§ 17 Abs. 1 und 2 GrEStG). Auf welche Werte kommt es insoweit an? Welcher Stichtag ist für die Werte maßgebend? Wer ermittelt und überprüft diese Werte? Wer entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten zwischen (mehreren) Finanzämtern und Steuerpflichtigen? Was gilt, wenn sich die maßgeblichen Werte später ändern?

224

In rechtlicher Hinsicht ist keineswegs immer eindeutig, ob die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) oder im Einzelfall davon abgesehen wird (§ 17 Abs. 4 GrEStG). Innerhalb der kurzen Anzeigefrist von zwei Wochen kann diese Frage meist nicht verbindlich geklärt werden (noch dazu von einem für die Grunderwerbsteuer an sich unzuständigen Gericht, Behörde oder Notar).

225

Diese Schwierigkeiten bestehen in gleicher Weise für die Anzeigepflichten der Steuerschuldner (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Die (privaten) Beteiligten sind möglicherweise mit den internen Zuständigkeiten der Finanzverwaltung noch sehr viel weniger vertraut als (staatliche) Gerichte, Behörden und Notare.

226

Die bestehenden Unsicherheiten und Risiken, die mit der Ermittlung des richtigen Empfängers für die Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz verbunden sind, sind (je nach Perspektive) Anlass für folgende Überlegungen:

227

Anzeigepflichtige Personen: Gerichte, Behörden und Notare (sowie Steuerschuldner) sollten vor jeder Anzeige die (sachliche und örtliche) Zuständigkeit des Finanzamts sorgfältig prüfen (s. auch www. finanzamt.de). Dabei ist insbesondere auch darauf zu achten, dass die Adresse des für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamts richtig und vollständig angegeben wird. Eine Anzeige an ein (örtlich oder sachlich) unzuständiges Finanzamt entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Bei Zweifeln kann unter Umständen auch eine (vorsorgliche) Anzeige an mehrere Finanzämter in Betracht kommen.

228

Finanzverwaltung: Der Finanzverwaltung obliegen gewisse Kooperations- und Mitwirkungspflichten gegenüber den anzeigepflichtigen Personen. Dazu gehört es, Anzeigen, die (versehentlich) bei einem unzuständigen Finanzamt eingehen, unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten (bzw. das weitere Vorgehen mit dem Absender durch Nachfrage klären).2 Die Finanzverwaltung muss stets das ihr Mögliche tun, damit die Anzeigen form- und fristgerecht beim richtigen Empfänger eingehen. Nicht sachgerecht wäre es dagegen, wenn sich die Finanzverwaltung lediglich auf Formfehler bei der Anzeige stützt.3 Ein kooperatives Miteinander hilft, solche Formfehler zu vermeiden, und gewährleistet ordnungsgemäße Anzeigen.

229

Gesetzgeber: Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob er nicht klarere und einfachere Empfangszuständigkeiten schafft. Die Unklarheiten dürfen jedenfalls nicht zu Lasten der anzeigepflichtigen Personen gehen.

230

II. Andere Finanzämter Die Gerichte, Behörden und Notare übersenden die Anzeigen (nach § 18 GrEStG) nur an das für die 231 Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt (§ 18 Abs. 5, 17 GrEStG). In den meisten Bundesländern werden Kopien dieser Anzeigen sodann aber auch an andere Finanzämter und Behörden weitergeleitet (insbesondere an die für die für die steuerliche Veranlagung von 1 Zur Kritik s. auch § 17 Rz. 31 ff., § 18 Rz. 217 ff. und § 19 Rz. 14 ff. 2 Ähnlich auch Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 1 (großzügiger Maßstab zugunsten des Steuerpflichtigen). 3 Strenger allerdings Heine in Wilms/Jochum, § 18 GrEStG Rz. 41 ff.

Wachter

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§ 18 Rz. 231 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare Veräußerer und Erwerber zuständigen Wohnsitz- bzw. Betriebstätten-Finanzämter, die örtlichen Bewertungsstellen und ggf. die Vollstreckungsstellen). In Einzelfällen erfolgen zudem weitere Mitteilungen an die Umsatzsteuerstellen oder besondere Veranlagungsstellen (z.B. bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a Abs. 7 EStG). Diese Praxis ist mit der unmittelbaren Zielsetzung der Anzeigen für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht ohne weiteres zu vereinbaren und erscheint (trotz der §§ 30 Abs. 4, 93a AO1) rechtsstaatlich nicht unbedenklich (u.a. auch im Hinblick auf das Steuergeheimnis, den Datenschutz und die Verschwiegenheitspflichten). Problematisch ist vor allem, dass die Weiterleitung standardmäßig (ohne konkreten Anlass und ohne Prüfung im Einzelfall) und verdeckt (ohne Kenntnis der Anzeigeverpflichteten und ohne Wissen der Beteiligten) erfolgt. Der Kreis der Empfänger ist zudem nicht bestimmt und kaum vorhersehbar (an zahlreiche andere Finanzämter und Behörden). Die Weiterleitung erfolgt außerdem für Zwecke, die mit der Erhebung der Grunderwerbsteuer nichts zu tun haben. Die Praxis der Weiterleitung ist in den einzelnen Finanzämtern bzw. Bundesländern keineswegs einheitlich. Insgesamt erscheint der Umgang mit den Anzeigen wenig transparent. Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Weiterleitung der Anzeigen, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer erstattet worden sind, besteht jedenfalls nicht. Die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung über die Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen sind insoweit nicht ausreichend bestimmt und berücksichtigen zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur ungenügend. Rechtsprechung zu diesen Fragen liegt im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer bislang noch nicht vor.

J. Rechtsfolgen I. Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Anzeige 232

Mit der Anzeigepflicht kommen Gerichte, Behörden und Notare ihrer gesetzlichen Pflicht (nach § 18 GrEStG) nach. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigepflicht hat aber auch darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht erhebliche praktische Bedeutung. Dies gilt beispielsweise für:

233

Urkundenaushändigung: Die ordnungsgemäße Anzeige (nach § 18 GrEStG) ist Voraussetzung dafür, dass Gerichte, Behörden und Notare die Urkunden den Beteiligten aushändigen und Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften erteilen dürfen (§ 21 GrEStG).

234

Beginn der Festsetzungsverjährung: Die ordnungsgemäße Anzeige kann für den Beginn der Festsetzungsfrist von Bedeutung sein (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (nach § 18 GrEStG) bewirken den Fristbeginn auch dann, wenn die Steuerschuldner ihren eigenen Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) nicht nachgekommen sind.2

235

Steuerfreie Rückabwicklung: Die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigen (nach § 18 GrEStG) ist zudem Voraussetzung dafür, dass bestimmte Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG) steuerfrei wieder rückgängig gemacht werden (§ 16 Abs. 5 GrEStG).3 Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 16 Abs. 5 GrEStG) setzt dies voraus, dass die Anzeige „fristgerecht“ und „in allen Teilen vollständig“ (§§ 18 bis 20 GrEStG) erfolgt ist.

236

Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens: Die fristgerechte und vollständige4 Anzeige i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG ist ferner Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefrei-

1 Siehe dazu allgemein Intemann in Koenig4, § 30 AO Rz. 115 ff.; Rüsken in Klein15, § 30 AO Rz. 77 ff. 2 BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. – Siehe dazu Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 28 ff. 3 Siehe dazu zuletzt BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 4 Nach dem Wortlaut von § 100a Satz 1 KAGB muss die Anzeige „fristgerecht und vollständig“ sein. Dagegen muss die Anzeige (anders als etwa bei § 16 Abs. 5 GrEStG) nicht „in allen Teilen“ vollständig sein.

868

Wachter

J. Rechtsfolgen

Rz. 241 § 18

ung von Erwerbsvorgängen (i.S.v. § 1 GrEStG), die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle (nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ergeben (§ 100a Satz 1 KAGB).1

II. Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige 1. Rechtsfolgen für die Gerichte, Behörden und Notare Gerichte, Behörden und Notare, die ihren steuerlichen Anzeigepflichten (ausnahmsweise) nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen, verletzen die ihnen obliegenden gesetzlichen Pflichten.

237

Eine Verletzung steuerlicher Anzeigepflichten kann von den zuständigen Aufsichtsbehörden geahndet werden (s. z.B. für Notare §§ 92 ff. BNotO). Darüber hinaus sind berufs- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die verantwortlichen Personen möglich.2

238

Die bewusste Verletzung von Anzeigepflichten kann im Einzelfall auch steuerstrafrechtliche Folgen haben (§§ 370, 378 AO3).4

239

Die Finanzämter können die Anzeigepflichten bei den Gerichten, Behörden und Notaren allerdings nicht zwangsweise durchsetzen (s. dazu bereits oben Rz. 85).

240

Die Verletzung der Anzeigepflichten begründet auch keine Schadensersatzansprüche (§ 839 BGB, 241 § 19 BNotO).5 Die Erfüllung der Anzeigepflichten erfolgt allein im öffentlichen Interesse. Eine Verletzung der Anzeigepflichten kann daher weder zu Ansprüchen des Fiskus6 noch der Beteiligten7 führen. Gerichte, Behörden und Notare sind zudem keine Steuerberater und haften daher nicht für etwaige Steuerschäden.8

1 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97. – Ausführlich zur Grunderwerbsteuer bei Immobilienfonds G/B/B/S6, Kapitel 14, S. 540 ff. m.w.N. 2 Zur Verletzung von steuerlichen Pflichten durch einen Notar (allerdings keiner Pflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz) s. BGH v. 22.7.2013 – NotZ (Brfg) 13/12, BFH/NV 2013, 1902 (eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung eines Notars hinsichtlich steuerlicher Verpflichtungen stellt eine für eine Person seines Standes nicht hinnehmbare Art der Wirtschaftsführung dar, die eine Amtsenthebung nach 50 Abs. 1 Nr. 8, Alt. 2 BNotO rechtfertigen kann). 3 Zur leichtfertigen Verletzung der Anzeigepflichten nach § 18 GrEStG durch einen Notar s. BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 = AO-StB 2015, 225 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst. 4 Siehe dazu FG Münster v. 24.9.2009 – 8 K 2284/06 GrE, EFG 2010, 507 mit Anm. Matthes (Nichterstattung der erforderlichen Anzeigen nach § 18 GrEStG kann den objektiven Tatbestand einer fremdnützigen Steuerhinterziehung erfüllen, wenn die Steuer deshalb nicht rechtzeitig festgesetzt werden kann. Allerdings ist dem Notar kein leichtfertiges Fehlverhalten vorzuwerfen, wenn er auf insoweit auf zuverlässige und qualifizierte Mitarbeiter vertraut); FG BW, Außensenate Stuttgart v. 17.3.2004 – 5 K 59/01, EFG 2004, 867 mit Anm. Fumi (ein Notar, der ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft nicht nach § 18 GrEStG anzeigt, kann eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO begehen); FG Bremen v. 19.1.1993 – II 163/90 K, EFG 1993, 540 (ein Notar kann eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen, wenn er ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft dem Finanzamt nicht anzeigt. Unkenntnis des Notars über seine steuerlichen Pflichten ist dabei ebenso wenig ein Entschuldigungsgrund wie Arbeitsüberlastung oder die Unkenntnis von Mitarbeitern). 5 Zur Notarhaftung und Grunderwerbsteuer s. auch Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 23 ff.; Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 30 ff. und 43. 6 FG BW, Außensenate Stuttgart v. 17.3.2004 – 5 K 59/01, EFG 2004, 867 mit Anm. Fumi; OLG München v. 10.4.1997 – 1 U 5533/96, ZNotP 1997, 73 (zur Grunderwerbsteuer). Zustimmend Schlee, ZNotP 2007, 51; Loose in Boruttau19, GrEStG, § 18 Rz. 43. 7 BGH v. 21.11.1978 – VI ZR 227/77, DB 1979, 445 (zur Grunderwerbsteuer). 8 Für Notare grundlegend (allerdings im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer) BGH v. 20.9.2007 – III ZR 33/07, DNotZ 2008, 370 mit Anm. Moes = EWiR 2008, 79 (Bellut) und (speziell zur Grunderwerbsteuer) LG Münster v. 25.10.2017 – 010 O 229/17, juris, s. dazu Hager/Müller-Teckhof, NJW 2018, 1853 (1858). – Grundlegend zum Ganzen Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Auflage 2018, Rz. 1277 ff.; Ganter, DNotZ 2021, 402 (417).

Wachter

869

§ 18 Rz. 242 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 2. Rechtsfolgen für die Beteiligten a) Urkundenaushändigung 242

Die Verletzung der Anzeigepflichten kann aber nicht nur für die betroffenen Gerichte, Behörden und Notare, sondern auch für die an dem Erwerbsvorgang beteiligten Personen weitreichende Folgen haben. Ein Beispiel dafür ist Urkundenaushändigung (§ 21 GrEStG). Den Beteiligten dürfen die Urkunden nicht ausgehändigt und die Ausfertigungen nicht erteilt werden, solange die Anzeigen nicht ordnungsgemäß erfolgt sind. Dies kann die weitere Abwicklung des Erwerbs erschweren oder verzögern, wenn dafür Ausfertigungen der Urkunde erforderlich sind (z.B. zur Vorlage bei Baubehörden, Banken oder Geschäftspartnern). b) Festsetzungsfrist

243

Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Eine Verletzung der steuerlichen Anzeigepflichten kann zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist führen. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) verlängert sich die Festsetzungsfrist von vier Jahren auf fünf Jahre (§ 378 AO) und bei Steuerhinterziehung (§ 370 AO) von vier Jahren auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Täter einer Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung kann allerdings immer nur der Steuerpflichtige selbst sein, nicht auch ein Richter, Beamter oder Notar1 (s. aber auch § 169 Abs. 2 Satz 3 AO).

244

Die Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 14 GrEStG, § 38 AO).

245

Abweichend davon beginnt die Festsetzungsfrist jedoch erst später, wenn eine „Anzeige zu erstatten“ ist. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die ordnungsgemäße Anzeige ist somit maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsfrist.

246

Mit den Anzeigen (i.S.v. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) sind allerdings nur die Anzeigen der Steuerpflichtigen (der Beteiligten nach § 19 GrEStG) gemeint und nicht auch die Anzeigen Dritter (der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG).2 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut, aber aus der Gesetzessystematik. Die in der Vorschrift vorgesehene Sanktion (späterer Beginn der Festsetzungsfrist) ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige die ihm obliegenden Anzeigepflichten verletzt hat. Dagegen wäre es nicht sachgerecht, den Beginn der Festsetzungsfrist (zu Lasten des Steuerschuldners) zu verschieben, wenn nicht er selbst, sondern Dritte (hier die Gerichte, Behörden und Notare) ihre Anzeigepflichten verletzt haben. Diese einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts ist auch deshalb notwendig, weil der Steuerpflichtige auf die Erfüllung der Anzeigepflichten durch die Gerichte, Behörden und Notare keinerlei Einfluss hat.

247

Für den Beginn der Festsetzungsfrist ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

248

Anzeigepflicht nur der Gerichte, Behörden und Notare: Bei Erwerbsvorgängen, die allein von den Gerichten, Behörden und Notaren angezeigt werden müssen (nach § 18 GrEStG), bleibt es bei dem Fristbeginn mit der Steuerentstehung. Dies gilt auch dann, wenn die Gerichte, Behörden oder Notare ihre Anzeigen nicht oder nicht ordnungsgemäß erstattet haben.3

249

Anzeigepflicht nur der Beteiligten: Bei Erwerbsvorgängen, die allein von den Beteiligten angezeigt werden müssen (nach § 19 GrEStG), beginnt die Festsetzungsfrist dagegen erst mit Ablauf des Kalen1 Siehe BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 = AO-StB 2015, 225 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst (zur leichtfertigen Verletzung der Anzeigepflichten nach § 18 GrEStG durch einen Notar). 2 BFH v. 26.2.2007 – II R 50/06, BFH/NV 2007, 1535; v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310 ; v. 21.6.1995 – II R 11/92, BStBl. II 1995, 802; v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 868. – Siehe zum Ganzen Loose in Boruttau19, § 18 GrEStG Rz. 41 ff. 3 Siehe BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 = AO-StB 2015, 225 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst (zur leichtfertigen Verletzung der Anzeigepflichten nach § 18 GrEStG durch einen Notar).

870

Wachter

J. Rechtsfolgen

Rz. 254 § 18

derjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Verletzung der (eigenen) Anzeigepflichten der Beteiligten führt somit (zu deren Lasten) zu einem späteren Beginn der Festsetzungsfrist. Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Notare und der Beteiligten: Bei Erwerbsvorgängen, die 250 auch von den Beteiligten selbst angezeigt werden müssen (nach § 19 GrEStG), kommt es für den Beginn der Festsetzungsfrist grundsätzlich auf die Erstattung der Anzeige an (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine verspätete Anzeige führt somit zu einem späteren Fristbeginn. Dies ist allerdings dann nicht sachgerecht, wenn der Vorgang dem Finanzamt zumindest von den Gerichten, Behörden oder Notaren angezeigt worden ist.1 Das Finanzamt hat dann von dem Vorgang Kenntnis, so dass es für einen späteren Beginn der Festsetzungsfrist keinen Grund gibt. Entscheidend ist, dass das Finanzamt von dem Vorgang Kenntnis hat. Dagegen kommt es nicht darauf an, durch wessen Anzeige das Finanzamt diese Kenntnis erlangt hat. c) Steuerfreie Rückabwicklung Die Verletzung der Anzeigepflichten (nach § 18 GrEStG) führt dazu, dass bestimmte Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG) nicht mehr steuerfrei rückgängig gemacht werden können (§ 16 Abs. 5 GrEStG).2

251

Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine steuerfreie Rückabwicklung in diesen Fällen nur dann möglich, wenn alle anzeigepflichtigen Personen ihre Anzeigen vollständig erfüllt haben (s. „§§ 18 bis 20“, nicht § 18 und § 20 GrEStG). Danach wäre die Anwendung der Vorschrift bei jeder Verletzung der Anzeigepflichten ausgeschlossen. Dies erscheint jedoch unverhältnismäßig.

252

Bei Erwerbsvorgängen, die dem Finanzamt von mehreren Personen angezeigt werden müssen, sollte eine steuerfreie Rückabwicklung aber schon dann möglich sein, wenn zumindest eine (von mehreren) Anzeigen ordnungsgemäß erfüllt worden ist.3 Damit ist der Vorgang dem Finanzamt bekannt. Dies ist erforderlich, aber auch ausreichend. Eine ordnungsgemäße Anzeige durch die Gerichte, Behörden oder Notare (nach § 18 GrEStG) ermöglicht somit auch dann eine steuerfreie Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs (nach § 16 Abs. 5 GrEStG), wenn die Beteiligten ihren eigenen Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) nicht nachgekommen sind.4

253

d) Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens Die Verletzung der Anzeigepflichten (nach § 18 GrEStG) führt dazu, dass Erwerbsvorgänge (i.S.v. § 1 GrEStG), die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle (nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ergeben, nicht grunderwerbsteuerfrei sind (§ 100a Satz 1 KAGB).5

1 BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. 2 Siehe dazu u.a. BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (keine Steueraufhebung, wenn ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist); v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 3 Siehe dazu (allerdings noch zu § 16 Abs. 5 GrEStG a.F.) BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830 = BB 2012, 2096 mit Anm. Behrens = GmbHR 2012, 922 mit Anm. Adolf, und den Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung, gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 4.6.2013, BStBl. II 2013, 1277. 4 Siehe dazu zuletzt BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 5 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97.

Wachter

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254

§ 18 Rz. 255 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 255

Nach dem Gesetzeswortlaut setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass die Erwerbsvorgänge dem zuständigen Finanzamt „fristgerecht und vollständig i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG“ angezeigt worden sind. Die Anzeige muss aber nicht „in allen Teilen“ vollständig sein (so § 16 Abs. 5 GrEStG). Demnach kann auch eine (in Teilen) unvollständige Anzeige ausreichend sein, wenn das Finanzamt die Anzeige zweifelsfrei als solche erkennen kann und die fehlenden Angaben für die steuerliche Beurteilung des Vorgangs von untergeordneter Bedeutung sind.

256

Bei Erwerbsvorgängen, die dem Finanzamt von mehreren Personen angezeigt werden müssen, greift die Steuerbefreiung schon ein, wenn zumindest eine (von mehreren) Anzeigen ordnungsgemäß ist. Damit ist der Vorgang dem Finanzamt bekannt. Dies ist erforderlich, aber auch ausreichend. Eine ordnungsgemäße Anzeige durch die Gerichte, Behörden oder Notare (nach § 18 GrEStG) ermöglicht somit auch dann die Steuerbefreiung des Erwerbsvorgangs (nach § 100a Satz 1 KAGB), wenn die Beteiligten ihren eigenen Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) nicht nachgekommen sind.

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Wachter

§ 19 Anzeigepflicht der Beteiligten (1) 1Steuerschuldner müssen Anzeige erstatten über 1. Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten; 2. formungültige Verträge über die Übereignung eines Grundstücks, die die Beteiligten unter sich gelten lassen und wirtschaftlich erfüllen; 3. den Erwerb von Gebäuden auf fremdem Boden; 3a. unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren zum Übergang von 90 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2a); 3b. unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Kapitalgesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren zum Übergang von 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Absatz 2b); 4. schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung von mindestens 90 vom Hundert der Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 1); 5. die Vereinigung von mindestens 90 vom Hundert der Anteile einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 2); 6. Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 vom Hundert der Anteile einer Gesellschaft begründen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 3); 7. die Übertragung von mindestens 90 vom Hundert der Anteile einer Gesellschaft auf einen anderen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 4); 7a. Rechtsvorgänge, aufgrund derer ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 90 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat (§ 1 Absatz 3a); 8. 1Entscheidungen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3. 2Die Anzeigepflicht besteht auch beim Wechsel im Grundstückseigentum auf Grund einer Eintragung im Handels-, Genossenschaftsoder Vereinsregister; 9. Umwandlungen, wenn innerhalb des Rückwirkungszeitraums im Sinne der §§ 2, 20 Absatz 6 oder § 24 Absatz 4 des Umwandlungssteuergesetzes ein Erwerbsvorgang nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 verwirklicht wird und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 3 oder 3a ausgelöst hätte. 2Sie haben auch alle Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige nach § 18 nicht zu erstatten hat. (2) Die in Absatz 1 bezeichneten Personen haben außerdem in allen Fällen Anzeige zu erstatten über 1. jede Erhöhung der Gegenleistung des Erwerbers durch Gewährung von zusätzlichen Leistungen neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung; 2. Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten; 3. Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überläßt; 4. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 oder § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1; 4a. Änderungen von Beherrschungsverhältnissen im Sinne des § 6a Satz 4; Wachter

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§ 19 Anzeigepflicht der Beteiligten 5. Änderungen in der Nutzung oder den Verzicht auf Rückübertragung, wenn der Grundstückserwerb nach § 4 Nummer 5 von der Besteuerung ausgenommen war. (3) 1Die Anzeigepflichtigen haben innerhalb von zwei Wochen, nachdem sie von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten haben, den Vorgang anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn der Vorgang von der Besteuerung ausgenommen ist. 2Die Frist nach Satz 1 verlängert sich auf einen Monat für den Steuerschuldner, der eine natürliche Person ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, eine Kapitalgesellschaft ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland oder eine Personengesellschaft ohne Ort der Geschäftsführung im Inland ist. (4) 1Die Anzeigen sind an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten. 2Ist über den anzeigepflichtigen Vorgang eine privatschriftliche Urkunde aufgenommen worden, so ist der Anzeige eine Abschrift der Urkunde beizufügen. (5) 1Die Anzeigen sind Steuererklärungen im Sinne der Abgabenordnung. 2Sie sind schriftlich abzugeben. 3Sie können gemäß § 87a der Abgabenordnung in elektronischer Form übermittelt werden. (6) 1Die Höhe des Verspätungszuschlags bestimmt sich nach § 152 Absatz 5 Satz 2 der Abgabenordnung; § 152 Absatz 6 der Abgabenordnung ist nicht anzuwenden. 2Die Begrenzung der Höhe des Verspätungszuschlags nach § 152 Absatz 10 der Abgabenordnung findet keine Anwendung. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu den Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare . . . . . 2. Verhältnis zu den allgemeinen Anzeigepflichten der Abgabenordnung . . . . . 3. Verhältnis zu den Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitteilungspflichten von Vereinigungen an das Transparenzregister . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . V. Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Anzeigepflichtige Personen . . . . . . . . . .

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1) 1. Verschaffung einer Verwertungsbefugnis über ein Grundstück (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . 83 2. Formungültige Verträge über ein Grundstück (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . 85 3. Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . 91 4. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 6. Anspruch auf Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

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7. Vereinigung von 90 % der Anteile an einer Gesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) . . . 8. Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Übertragung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) . . . . . . . . 10. Wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a) . . . . . . 11. Erwerb aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Entscheidungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Erwerbsvorgänge im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungen(Abs. 1 Satz 1 Nr. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sonstige Erwerbsvorgänge (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere anzeigepflichtige Vorgänge (Abs. 2) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erhöhung der Gegenleistung (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungen des Erwerbers an Dritte (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leistungen von Dritten an den Veräußerer (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand (Abs. 2 Nr. 4) a) Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) . . . . . . . . b) Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (§ 6 GrEStG) . . . . . . . . 6. Änderung von Beherrschungsverhältnissen (Abs. 2 Nr. 4a) . . . . . . . . . . . . . . 7. Änderungen bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (Abs. 2 Nr. 5) . . . . . . . IV. Keine Ausnahmen von der Anzeigepflicht .

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A. Grundaussagen der Vorschrift D. Inhalt der Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . 203 E. I. II. III.

Form der Anzeigen (Abs. 4 und Abs. 5) Schriftlich (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . 206 Vordruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Abschrift der Urkunde (Abs. 4 Satz 2) . . . 211

F. Frist für die Anzeigen (Abs. 3) I. Regelfall: Steuerinländer (Abs. 3 Satz 1) II. Ausnahmefall: Steuerausländer (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verspätungszuschlag (Abs. 6) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höhe des Verspätungszuschlags . . . .

. . 217 . . 225 . . 231 . . 232

Rz. 3 § 19

G. Empfänger der Anzeigen (Abs. 4 Satz 1) . . 237 H. Rechtsfolgen I. Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige 1. Unmittelbare Rechtsfolgen . . . . . . . 2. Mittelbare Rechtsfolgen a) Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . b) Steuerfreie Rückabwicklung . . . . c) Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens . . .

. . 250

. . 255 . . 260 . . 268 . . 271

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Behrens/Seemaier, Änderungen der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 1.7.2021, DB 2021, 866, Broemel/Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals“ und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Bruschke, Immobilien-Leasing und Grunderwerbsteuer, ErbStB 2020, 115; Fischer, Hans-Jörg, Neuregelungen bei der Grunderwerbsteuer: Gestaltungsbegrenzungen bei „Share Deals“ – eine Fortsetzung des Wettlaufs zwischen Gestaltung und Gesetzgebung?, BB 2021, 1566; Fischer/Waßmer, Steuerstrafrechtliche Aspekte grunderwerbsteuerliche Sachverhalte bei Unternehmensakquisitionen im Rahmen internationaler M&A-Transaktionen, BB 2002, 969; Fleischmann, Der Steuerpflichtige im Netz von Auskunfts- und Kontrollmechanismen, Steuer und Studium 2007, 387; Halaczinsky, Die Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes sowie des Grundsteuerrechts durch das JStG 2020, ErbStB 2021, 86; Halaczinsky, Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgangs und Zeitpunkt des Entstehens der Grunderwerbsteuer, UVR 2015, 300; Heine, Strenge Anzeigepflichten bei der Grunderwerbsteuer und Änderungen nach Art. 8 StÄndG 2015, UVR 2016, 44; Heine, Anzeigepflicht bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2002, 246; Hötzel, Grunderwerbsteueranzeigen in Zeiten komplexer Immobilientransaktionen: Schnell vor sachgerecht?, Der Konzern 2019, 320; Keller/Petersen, Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer bei M&A-Transaktionen, BB 2016, 151 (Teil 1) und BB 2016, 218 (Teil 2); Mayer/ Nadler, BB-Rechtsprechungsreport Grunderwerbsteuer 2013, BB 2014, 1879; Mayer/Nadler, BB-Rechtsprechungsreport Grunderwerbsteuer 2012, BB 2013, 1434; Mayer/Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Pirner/Könemann, Eine Steuer für Ehrliche und Pechvögel? Zum strukturellen Vollzugsdefizit bei der Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit Umstrukturierungen internationaler Konzerne, IStR 2013, 423; Wohltmann, Die Anzeigepflichten im Grunderwerbsteuerrecht – Ein Überblick, UVR 2006, 183.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Inhalt der Vorschrift (des § 19 GrEStG) ist die Anzeigepflicht der Beteiligten (Steuerschuldner). Die Anzeigepflichten der (privaten) Beteiligten ergänzen die Anzeigepflichten der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG).

1

Zweck der gesetzlichen Anzeigepflichten ist die vollständige und lückenlose Information der zuständigen Finanzämter über alle Vorgänge, die für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können. Die Finanzämter werden dadurch in die Lage versetzt, die jeweiligen Vorgänge eigenständig zu prüfen und auf dieser Grundlage die Grunderwerbsteuer festzusetzen. Mittelbar dienen die Anzeigepflichten auch der Sicherung des Steueraufkommens.1

2

Mit den steuerlichen Anzeigepflichten erfüllen die Beteiligten eine gesetzliche Pflicht. Die Erfüllung der Anzeigepflichten ist aber auch darüber hinaus von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Anzeige ist beispielsweise Voraussetzung für den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

3

1 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 1.

Wachter

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§ 19 Rz. 4 Anzeigepflicht der Beteiligten 4

Die Vorschrift über die Anzeigepflicht der Beteiligten (§ 19 GrEStG) ist in sechs Absätze untergliedert.

5

Abs. 1 bestimmt die anzeigepflichtigen Personen und die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge.

6

Abs. 2 erweitert den Kreis der anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge vor allem auf spätere Änderungen der für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Umstände.

7

Abs. 3 sieht vor, dass die Anzeigen grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen erfolgen müssen; für Steuerausländer gilt eine Frist von einem Monat.

8

Abs. 4 bestimmt, dass die Anzeigen an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt erfolgen müssen. Ferner ist vorgesehen, dass den Anzeigen jeweils eine Abschrift der Urkunde beizufügen ist.

9

Abs. 5 legt fest, dass es sich bei Anzeigen der Beteiligten um Steuererklärungen handelt, die grundsätzlich schriftlich abzugeben sind.

10

Abs. 6 regelt den Verspätungszuschlag (s. § 152 AO).

II. Bedeutung und Telos 11

Die Grunderwerbsteuer muss gleichmäßig erhoben und vollzogen werden.1 Dies ist nur dann möglich, wenn die zuständigen Finanzämter möglichst vollständig und lückenlos über alle für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgänge informiert werden.2

12

Die gesetzlichen Anzeigepflichten gewährleisten die Information der Finanzbehörden. Neben den Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) soll dies vor allem durch die Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 GrEStG) erreicht werden.

13

Die Anzeigepflichten der Beteiligten (§ 19 GrEStG) ergänzen die Anzeigepflichten der staatlichen Stellen vor allem bei den Erwerbsvorgängen, bei denen keine (inländischen3) Gerichte, Behörden und Notare mitwirken (s. dazu auch unten Rz. 132 ff. und § 18 Rz. 58 ff.). In diesen Fällen sind die Anzeigen der Beteiligten grundsätzlich die einzige Informationsquelle der Finanzbehörden. Allerdings erfüllen die privaten Beteiligten die ihnen obliegenden Anzeigepflichten oftmals weit weniger zuverlässig als die staatlichen Stellen. Nicht selten sind die Anzeigen lückenhaft oder unvollständig. In Einzelfällen werden die Anzeigen oft auch ganz „vergessen“; dies ist vor allem bei Steuerausländern (ohne inländischen Steuerberater)4 zu beobachten.5 Im Bereich der Rechtsvorgänge, bei denen keine Anzeige durch Gerichte, Behörden oder Notare erfolgt, ist daher durchaus von nicht unerheblichen Informationslücken der Finanzbehörden auszugehen.

14

Kritik: Der Gesetzgeber hat die Problematik erkannt und die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet (insbesondere § 19 Abs. 1 GrEStG). Dieser Ansatz ist aber nicht zielführend.6 Der Katalog der anzeigepflichtigen Vorgänge ist zwischenzeitlich sehr unübersichtlich und nur wenig transparent. Viele Regelungen sind nach allgemeiner Auffassung missglückt und 1 Siehe BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 = FR 1991, 375 m. Anm. Felix zur Anzeigepflicht für Besteuerung von Kapitaleinkünften, wo beispielhaft auch auf § 18 GrEStG Bezug genommen worden ist. 2 Zum Zweck der Anzeigepflichten der Beteiligten s. etwa BFH v. 29.10.2008 – II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832. 3 Zu Beurkundungen durch ausländische Notare (z.B. in der Schweiz), bei denen keinerlei Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz erfolgt ist, s. u.a. BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420; v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932 = AO-StB 2009, 230. Siehe auch § 18 Rz. 59 ff. 4 Zu Vollzugsdefiziten bei der Grunderwerbsteuer bei internationalen Sachverhalten siehe u.a. Fischer/Waßmer, BB 2002, 969 (vor allem auch zu steuerstrafrechtlichen Fragen) und Pirner/Könemann, IStR 2013, 423 (insbesondere im Zusammenhang mit der Umstrukturierung internationaler Konzerne). 5 In den letzten Jahren wird immer wieder davon berichtet, dass deutsche Finanzbehörden systematisch gegen ausländische Unternehmen mit Grundbesitz in Deutschland wegen des Verdachts auf Hinterziehung von Grunderwerbsteuer ermitteln, u.a. im Zusammenhang mit konzerninternen Umstrukturierungen und Unternehmenskäufen. Dabei soll es auch zu Steuerstrafverfahren gegen ausländische Unternehmen und deren Vorstände bzw. Geschäftsführer gekommen sein. Dies mag im Einzelfall formal gerechtfertigt sein; inhaltlich ist eine solche „Kriminalisierung“ des Grunderwerbsteuerrechts aber nicht zielführend und der falsche Weg. 6 Tendenziell anders Heine in Wilms/Jochum, § 19 GrEStG Rz. 10, wonach die präzise und lückenlose Aufzählung der Anzeigepflichten notwendig sei.

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Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 21 § 19

nicht ausreichend mit den zugrunde liegenden Steuertatbeständen abgestimmt. Das für die Anzeigen jeweils zuständige Finanzamt lässt sich oft nur schwer ermitteln. Die jetzige Regelung führt tendenziell nicht zu mehr, sondern eher zu weniger (vollständigen) Anzeigen. Mögliche Wege zur Verbesserung der Information könnten u.a. folgende Maßnahmen sein:

15

Einfache und transparente Regelungen: Das System der Anzeigen muss einfacher und transparenter werden. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Beteiligten alle Vorgänge anzeigen müssen, die für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können, wäre ausreichend. Dies wäre für alle Steuerschuldner im In- und Ausland klar und verständlich.

16

Klare Zuständigkeiten: Die Anzeigen müssen dem für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt übersandt werden. Die derzeitigen Zuständigkeitsregelungen sind für viele Beteiligte (zumindest ohne steuerlichen Berater) nur schwer zu durchschauen (s. dazu auch § 17 Rz. 31 und § 18 Rz. 217 ff.). Die Anzeige an ein zentrales Finanzamt (zumindest für jedes Bundesland, möglicherweise auch für ganz Deutschland) sollte ausreichend und möglich sein. Dieses Zentralfinanzamt könnte dann die interne Weiterleitung an die zuständigen Stellen übernehmen.

17

Inhalt der Anzeigen: Der gesetzlich geforderte Inhalt der Anzeigen ist übermäßig und vielfach kaum zu erfüllen (insbesondere § 20 GrEStG; s. zur Kritik auch § 20 Rz. 8 ff. und Rz. 28 und § 21 Rz. 37 ff.). Dies wirkt auf viele Beteiligte abschreckend. Eine Anzeige dient der Erstinformation der Finanzbehörden. Alle weiteren Angaben können später nachgereicht bzw. angefordert werden (sofern diese überhaupt erforderlich sind). Eine einfache (Online-)Anzeige würde die Anzeigebereitschaft erhöhen (möglicherweise ergänzt um ein Portal in bestimmten Fremdsprachen für Steuerausländer).

18

Anreize für ordnungsgemäße Anzeigen: Bislang werden nicht ordnungsgemäße Anzeigen vom Ge- 19 setzgeber in verschiedener Hinsicht sanktioniert. Besser wäre es stattdessen, schnelle und vollständige Anzeigen der Beteiligten zu „belohnen“. Den Beteiligten sollte ein Anreiz geboten werden, wenn sie an einer (reibungslosen) Steuerfestsetzung aktiv mitwirken. Ein erster Ansatz in diese Richtung ist die Regelung des § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs grundsätzlich nur dann steuerfrei ist, wenn auch der ursprüngliche Erwerbsvorgang vollständig angezeigt worden ist.1 Die Regelung ist aber leider nur wenig bekannt. Zudem hat der Gesetzgeber die Vorschrift viel zu eng gefasst (s. § 16 Abs. 5 GrEStG: fristgerecht und in allen Teilen vollständig). Denkbare Anreize wären möglicherweise eine schnellere Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (eine Art Express-Service, unter Umständen auch bei der Grundbucheintragung) oder eine gewisse Stundung der Steuer im Fall einer schnellen und vollständigen Erstattung der Anzeige. Zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe: Die vorhandenen Informationslücken könnten zudem dadurch geschlossen werden, dass die zwischenzeitliche Rechts- und Amtshilfe auch auf den Bereich der Grunderwerbsteuer ausgedehnt wird. Dies könnte auch die Befugnis umfassen, Grundbücher, Register und Kataster anderer EU-/EWR-Mitgliedsstaaten einzusehen und entsprechende Daten an die zuständigen Finanzbehörden zu übermitteln.

20

Verzeichnis der Gesellschafter: Die größten Informationslücken bestehen zweifellos bei den mittel- 21 baren Grundstücksübertragungen durch (in- oder ausländische) Gesellschaften (s. dazu auch § 22 Rz. 10 und Rz. 30 ff.). Das bestehende System der Anzeigepflichten erweist sich insbesondere dann als unzureichend, wenn der Erwerb über (ausländische) Gesellschaften und ohne die Mitwirkung von inländischen Gerichten, Behörden oder Notaren erfolgt. Der Gesetzgeber könnte die Eigentümer von inländischen Grundstücken (mit Ausnahme natürlicher Personen) beispielsweise verpflichten, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt einmal jährlich eine Liste der rechtlichen2 und

1 Siehe dazu u.a. BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (keine Steueraufhebung, wenn ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG nicht ordnungsgemäß angezeigt worden ist); v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 2 Bei einzelnen (inländischen) Gesellschaften sind die Gesellschafter auch aus dem (deutschen) Handelsregister ersichtlich (z.B. bei der GmbH aufgrund der Gesellschafterliste, §§ 16, 40 GmbHG). Das Handelsregister kann

Wachter

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§ 19 Rz. 21 Anzeigepflicht der Beteiligten wirtschaftlichen1 Berechtigten zu übersenden. Auf dieser Grundlage könnte das Finanzamt etwaige (unmittelbare oder mittelbare) Veränderungen feststellen und auf ihre Relevanz für die Grunderwerbsteuer überprüfen. Verstöße gegen die Offenlegungsverpflichtung könnten dann entsprechend sanktioniert werden (z.B. durch Bußgelder, möglicherweise aber auch durch entsprechende Eintragungen im Grundbuch, wie etwa Verfügungssperren).

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu den Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare 22

Neben den Beteiligten (§ 19 GrEStG) sind auch die Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) verpflichtet, den für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzämtern bestimmte Rechtsvorgänge anzuzeigen.

23

Die einzelnen Anzeigepflichten schließen sich untereinander nicht aus, sondern ergänzen sich. Mehrere Anzeigepflichten kommen nebeneinander zur Anwendung.2

24

Bei mehreren Anzeigepflichten entfällt eine Anzeigepflicht nicht deshalb, weil der Vorgang auch von jemand anderem angezeigt werden muss. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass dem Finanzamt einzelne Rechtsvorgänge mehrfach und von verschiedenen Personen angezeigt werden. Ziel ist eine möglichst vollständige und lückenlose Information der Finanzbehörden über alle Vorgänge, die für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können.

25

Bei mehrfachen Anzeigepflichten kann aber nicht immer die Verletzung jeder einzelnen Anzeigepflicht sanktioniert werden, wenn dem zuständigen Finanzamt der maßgebliche Vorgang zumindest einmal ordnungsgemäß angezeigt worden ist. Entscheidend ist, dass das Finanzamt von dem Vorgang tatsächlich Kenntnis erlangt hat und die Grunderwerbsteuer festsetzen kann. Dafür ist zumindest eine Anzeige erforderlich, aber auch ausreichend. Eine mehrfache Anzeige ist zu Kontroll- und Prüfungszwecken zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet daher eine einschränkende Auslegung bei Verstößen gegen einzelne von mehreren Anzeigepflichten. Beispielsweise beginnt die Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) schon dann, wenn nur der Notar (und nicht auch die Beteiligten) die Anzeige ordnungsgemäß erstattet hat.3 2. Verhältnis zu den allgemeinen Anzeigepflichten der Abgabenordnung

26

Nach den allgemeinen Bestimmungen der Abgabenordnung bestehen weitere Mitwirkungs- und Auskunftspflichten der Beteiligten (§§ 90 ff. AO). Diese allgemeinen Pflichten werden durch die besonderen Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz nicht berührt. Beide Regelungen bestehen vielmehr selbständig nebeneinander.

27

Steuerpflichtige sind insbesondere auch verpflichtet, unrichtige oder unvollständige Erklärungen unverzüglich zu berichtigen (§ 153 AO). Dies gilt auch für Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz.4

28

Die Anzeigen der Beteiligten nach dem Grunderwerbsteuergesetz sind Steuererklärungen (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Die Vorschriften der Abgabenordnungen für Steuererklärungen (s. §§ 149 ff. AO) kommen somit ergänzend zur Anwendung.

1 2 3 4

von jedermann (auch den Finanzbehörden) online eingesehen werden. Bei anderen Gesellschaften (z.B. Aktiengesellschaften) sind die Aktionäre dagegen nicht aus dem Handelsregister ersichtlich (s. §§ 67 ff. AktG). Die wirtschaftlich Berechtigten (§ 3 GwG) sind grundsätzlich aus dem Transparenzregister (§§ 18 ff. GwG) ersichtlich, das auch von Finanzbehörden eingesehen werden kann (§ 23 GwG). Siehe www.transparenzregister. de. – Siehe dazu auch oben Rz. 32 ff. und § 18 Rz. 33 ff. Siehe dazu BFH v. 21.6.1995 – II R 11/92, BStBl. II 1995, 802. BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. Siehe dazu auch Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 25 (Vorrang der speziellen Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 2 GrEStG gegenüber den allgemeinen Berichtigungspflichten nach § 153 Abs. 2 AO).

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Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 33 § 19

3. Verhältnis zu den Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen Bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen haben Intermediäre seit dem 1.7.2020 besondere Mitteilungspflichten zu erfüllen (s. §§ 138d ff. AO; Art. 97 § 33 EGAO).1 Die Mitteilungspflichten gelten auch für Steuergestaltungen im Bereich der Grunderwerbsteuer.2

29

Viele Fragen im Zusammenhang mit den neuen Mitteilungspflichten sind bislang ungeklärt3 und teilweise sehr umstritten.4

30

Die Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§ 19 GrEStG) bleiben davon unberührt. Die Steuerschuldner müssen die Anzeigepflichten nach dem Grunderwerbsteuergesetz unabhängig davon erfüllen, ob ein Intermediär die Steuergestaltung dem Bundeszentralamt für Steuern mitteilt (oder bereits mitgeteilt hat). Beide Pflichten bestehen nebeneinander und sind getrennt voneinander zu erfüllen.

31

4. Mitteilungspflichten von Vereinigungen an das Transparenzregister Im Jahr 20175 wurde in Deutschland (aufgrund europarechtlicher Vorgaben) erstmals ein Register der wirtschaftlich Berechtigten (beneficial owner) geschaffen, das sogenannte Transparenzregister.6 Das Transparenzregister enthält Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten (§ 3 GwG) von Gesellschaften, Vereinigungen und anderen Rechtsgestaltungen (§§ 18 ff. GwG).7 Personen- und Kapitalgesellschaften im Inland8 sind danach verpflichtet, die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten (§ 19 Abs. 1 GwG) einzuholen und der registerführenden Stelle zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 GwG).9

32

Die Mitteilungspflicht obliegt darüber hinaus auch bestimmten Vereinigungen mit Sitz im Ausland, die im Inland (unmittelbar oder mittelbar) ein Grundstück erwerben (s. § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG). Der Gesetzgeber hat das Bestehen einer Mitteilungspflicht gegenüber dem Transparenzregister an das Grunderwerbsteuergesetz angeknüpft (s. § 20 Abs. 2 Satz 2 GwG n.F.) (s. dazu § 18 Rz. 33 ff.). Diese Verknüpfung ändert aber nichts daran, dass die Pflichten nach dem Geldwäschegesetz und nach dem Grunderwerbsteuergesetz getrennt voneinander und eigenständig zu erfüllen sind.

33

1 Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BGBl. I 2019, 2875 = BStBl. I 2020, 127. – Siehe dazu statt vieler von Brocke/Nonnenmacher/Przybilka, Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, 2. Aufl. 2020. 2 Näher dazu im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen Märker, BB 2020, 2779. – Siehe dazu auch § 18 Rz. 29 ff. 3 Ausführlich dazu aus Sicht der Finanzverwaltung BMF v. 29.3.2021, BStBl. I 2021, 582 (Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberscheitender Steuergestaltungen). Siehe dazu allgemein Podeyn/Fischler/Sommer, DB 2021, 760 und zu Fragen der Erbschaft- und Schenkungsteuer Guerra, ErbStB 2021, 219 und Guerra, ErbStB 2020, 47. 4 Siehe etwa Rätke in Klein15, § 138d AO Rz. 5 („verfassungswidrig“), Rz. 15 („Tiefpunkt in der Steuergesetzgebung“) und Rz. 15 („völlig untauglich“). 5 Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen v. 23.7.2017 (BGBl. I 2018, 1822). 6 Siehe www.transparenzregister.de. 7 Im Schrifttum ausführlich u.a. Bochmann, GmbHR 2021, R 32; Bochmann, GmbHR 2020, 256 (Teil I) und GmbH 2020, 362 (Teil II); Gätsch/Bode, BB 2021, 138; Goette M., NZG 2020, 1206; Goette M., DStR 2020, 453; Holm, DStR 2020, 1742; John, NZG 2021, 957; Koehler, ZIP 2020, 1399; Korte, BB 2020, 2633; Lorenz, DStR 2020, 2258; Nordhues/Zenker, GWR 2021, 138; Omlor/Meier, ZGR 2020, 586; Reuter, NZG 2020, 178; Schmitz/ Thelen, GmbHR 2020, 1101; Tebben, ZGR 2020, 430; Teichmann, ZGR 2020, 450; Thelen, NotBZ 2021, 129; Thelen, DNotZ 2020, 732. – Siehe zum Ganzen auch die regelmäßig aktualisierten „FAQ“ des zuständigen Bundesverwaltungsamts in Köln im Internet unter www.bva.bund.de. 8 Ab dem 1.1.2024 gilt dies auch für die im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts (§§ 707 ff. BGB n.F.). Siehe dazu Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 9 Zu möglichen Sanktionen s. den Bußgeldkatalog des Bundesverwaltungsamts für Verstöße gegen § 56 GwG, Volltext unter www.bva.bund.de. – Zum „Naming and shaming“ nach § 57 GwG ausführlich Armbrüster/Böffel, ZIP 2019, 1885.

Wachter

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§ 19 Rz. 33 Anzeigepflicht der Beteiligten – GwG: Nach dem Geldwäschegesetz obliegen den Gesellschaften Mitteilungspflichten an das Transparenzregister (§§ 18 ff., 20 GwG). Die Pflichten knüpfen teilweise an Vorgänge des Grunderwerbsteuerrechts an (z.B. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG). – GrEStG: Nach dem Grunderwerbsteuergesetz haben die Steuerschuldner bestimmte Anzeigepflichten zu erfüllen (§§ 19 ff. GrEStG). Voraussetzung für das Bestehen einer Anzeigepflicht ist ein steuerbarer Erwerbsvorgang (z.B. im Fall von § 19 Abs. 1 Nr. 4 bis Nr. 7a GrEStG einen Erwerb nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht gegenüber dem Finanzamt.

IV. Rechtsentwicklung 34

Die Anzeigepflicht der Beteiligten war bereits in § 3 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 19401 enthalten.

35

Die heutige Gesetzesfassung beruht weitgehend auf § 19 des Grunderwerbsteuergesetzes 19832.

36

Die Vorschrift über die Anzeigepflicht der Beteiligten wurde seitdem allerdings immer wieder geändert und erweitert.3 Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise vor allem die bestehenden Lücken bei der Erfüllung der Anzeigepflichten schließen.

37

Mit dem Jahressteuergesetz 19974 wurde zunächst der Kreis der anzeigepflichtigen Personen geändert. Früher musste die Anzeige erstattet werden vom Veräußerer, vom Erwerber und den sonstigen Personen, die an einem Erwerbsvorgang beteiligt sind, soweit sie Steuerschuldner waren (§ 19 Abs. 1 GrEStG a.F.). Heute sind (nur noch) die „Steuerschuldner“ anzeigepflichtig (Art. 7 Nr. 11 Buchst. a JStG 1997). Die Steuerschuldner sind in § 13 GrEStG bestimmt.

38

Ferner wurde durch das Jahressteuergesetz 19975 der Kreis der anzeigepflichtigen Rechtsgeschäfte erweitert. Aufgrund des neu eingefügten Steuertatbestands (§ 1 Abs. 2a GrEStG) wurde die Anzeigepflicht auch auf „Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a)“ erweitert (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG, eingefügt durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. b Jahressteuergesetz 1997). Die Neuregelung ist zum 1.1.1997 in Kraft getreten (s. § 23 Abs. 3 GrEStG).

39

Im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/20026 wurden die Anzeigepflichten der Beteiligten erneut geändert (Art. 15 Nr. 9). Die Änderungen der Anzeigepflichten beruhen dabei überwiegend auf Änderungen der zugrunde liegenden Steuertatbestände (der § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 3 GrEStG). Die Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG betreffend § 1 Abs. 2a GrEStG) galt danach für Änderungen des Gesellschafterbestandes i.H.v. 95 % der Anteile an einer Personengesellschaft. Bei den Anzeigepflichten für andere Fälle der Anteilsübertragung (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis Nr. 7 GrEStG) wurde jeweils die Formulierung „alle Anteile“ durch „mindestens 95 % der Anteile“ ersetzt.

40

Ferner wurden die Anzeigepflichten der Beteiligten erweitert, wenn die Steuervergünstigung für Grundstücksübertragungen auf eine Gesamthand (§ 5 Abs. 1 und 2 GrEStG) in Anspruch genommen worden sind. In diesen Fällen sind seit dem 1.1.2000 (§ 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG) auch Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG).

41

Mit dem Steueränderungsgesetz 20017 wurden die Anzeigepflichten der Beteiligten erneut und in mehrfacher Hinsicht geändert (Art. 13 Nr. 6 StÄndG).

42

Die Anzeigepflicht für steuerpflichtige Änderungen des Gesellschafterbestandes von Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) wurde dabei neu gefasst. Anzeigepflichtig sind danach „unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft, die innerhalb von fünf Jahren zum Übergang von 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter 1 2 3 4 5 6 7

RGBl. I 1940, 585 und 595. BGBl. I 1982, 1777. Siehe die Übersicht bei Heine in Wilms/Jochum, § 19 GrEStG Rz. 23; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 1. BGBl. I 1996, 204. BGBl. I 1996, 2049. BGBl. I 1999, 402. BGBl. I 2001, 3794.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 50 § 19

geführt haben, wenn zum Vermögen der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2a)“ (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG).1 Gerichte und Behörden haben die bestehenden Anzeigepflichten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) in der Praxis offenbar nicht immer vollständig erfüllt. Deshalb wurde für die entsprechenden Fälle eine zusätzliche Anzeigepflicht (auch) der Beteiligten in das Gesetz aufgenommen. Bei gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen, die zu einem Wechsel des Grundstückseigentums führen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG), besteht seit dem 1.1.2002 (§ 23 Abs. 7 GrEStG) sowohl eine Anzeigepflicht der Gerichte und Behörden als auch (kumulativ) eine Anzeigepflicht der Beteiligten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG).

43

Aufgrund des Steueränderungsgesetzes 20012 wurde ferner das Wort „übrigen“ in § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG gestrichen. Die Beteiligten haben danach alle (nicht nur alle übrigen) Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige (nach § 18 GrEStG) nicht zu erstatten hat (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

44

Schließlich wurde durch das Steueränderungsgesetz 20013 die Anzeigepflicht bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung einer Steuervergünstigung (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG) auf die Fälle des Übergangs eines Grundstücks von einer Gesamthand (§ 6 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG) erweitert.

45

Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem Jahr 20024 wurde § 19 Abs. 5 GrEStG dahin gehend geändert, dass die Anzeigen „schriftlich“ (und nicht mehr formlos) zu erfolgen haben (Art. 26). Gleichzeitig wurde vorgesehen, dass die Anzeigen (gem. § 87a AO) in elektronischer Form übermittelt werden können. Die Neuregelungen sind am 26.8.2002 in Kraft getreten.

46

Im Jahr 2005 wurde im Rahmen des Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlichen Privaten Partnerschaften (ÖPP-Gesetz)5 eine neue Anzeigepflicht der Beteiligten bei Änderungen in der Nutzung oder dem Verzicht auf eine Rückübertragung bei bestimmten steuerbefreiten Erwerbsvorgängen (§ 4 Nr. 5 GrEStG) eingeführt (§ 19 Abs. 2 Nr. 5 GrEStG).

47

Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz 20096 wurde eine neue Steuervergünstigung für Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) geschaffen (Art. 7 Nr. 1). Die Steuervergünstigung setzt ein Beherrschungsverhältnis zwischen den Unternehmen voraus. Änderungen des Beherrschungsverhältnisses (i.S.v. § 6a Satz 4 GrEStG) sind den Finanzämtern von den Beteiligten demnach anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG). Die Regelung ist zum 1.1.2010 in Kraft getreten (s. § 23 Abs. 8 GrEStG).

48

Mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz 20137 wurde u.a. ein neuer Steuertatbestand für 49 die Beteiligung an Gesellschaften mit Grundstücken geschaffen (§ 1 Abs. 3a GrEStG). Dementsprechend wurde auch eine neue Anzeigepflicht der Beteiligten für diese Fälle eingeführt (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG). Anzeigepflichtig sind demnach „Rechtsvorgänge, aufgrund derer ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 95 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat (§ 1 Abs. 3a)“ (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG). Die Neuregelung gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 11 GrEStG). Die Anzeigen haben grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erfolgen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens 20168 1 Siehe dazu BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 44 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller, u.a. unter Hinweis auf BR-Drucks. 399/01, 55 und BR-Drucks. 804/1/96, S. 15 (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige der Sicherungsabtretung einer Kommanditbeteiligung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG). 2 BGBl. I 2001, 3794. 3 BGBl. I 2001, 3794. 4 BGBl. I 2002, 3322. 5 BGBl. I 2005, 2676. 6 BGBl. I 2009, 3950. 7 BGBl. I 2013, 1809. 8 BGBl. I 2016, 1679.

Wachter

881

50

§ 19 Rz. 50 Anzeigepflicht der Beteiligten wurde die Anzeigefrist für Steuerausländer (nicht aber auch für Steuerinländer) auf einen Monat verlängert (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Die verlängerte Anzeigefrist findet auf alle Erwerbsvorgänge Anwendung, die nach dem 22.7.2016 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 15 GrEStG).1 51

Im Referentenentwurf für ein „Jahressteuergesetzes 2019“2 waren ursprünglich auch Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes vorgesehen (u.a. auch von § 19 GrEStG). Im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wurden die geplanten Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes dann aber aus dem „Jahresssteuergesetz 2019“ wieder herausgenommen3 und in einen eigenständigen Gesetzesentwurf überführt.4 Im „Jahressteuergesetz 2019“5 finden sich daher keine Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes.

52

Im Jahressteuergesetz 2020 wurde die Vorschrift des § 19 GrEStG um einen neuen Absatz 6 ergänzt.6 Die allgemeine Vorschrift zum Verspätungszuschlag (§ 152 AO) wurde durch eine besondere Regelung für verspätete Anzeigen bei der Grunderwerbsteuer ergänzt (§ 19 Abs. 6 Satz 1 GrEStG). Die allgemeine Begrenzung der Höhe des Verspätungszuschlags auf 25.000 Euro (§ 152 Abs. 10 AO) findet danach bei der Grunderwerbsteuer keine Anwendung (§ 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG).7 Die Neuregelung gilt erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 17 GrEStG).

53

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (2021) wurde u.a. die Vorschrift des § 19 GrEStG in zahlreichen Punkten ergänzt.8 Dabei geht es überwiegend um Folgeänderungen zu den erweiterten Steuertatbeständen für Share Deals, und zwar vor allem die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 % und die Verlängerung des Zeitraums von fünf auf zehn Jahre (s. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis 7a GrEStG). Ferner wurde eine neue Anzeigepflicht für verbilligte Veräußerungen innerhalb des umwandlungsrechtlichen Rückwirkungszeitraums eingeführt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG).

1 Siehe dazu OFD Nds. v. 29.7.2016 – S 4540-61-St 262, DB 2016, 2088. 2 Art. 19 des Referentenentwurfs des BMF v. 8.5.2019, Volltext unter www.bundesfinanzministerium.de. Siehe dazu u.a. Bartelt/Geberth, DB 2019, 1175. 3 Siehe den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BR-Drucks. 356/19 v. 9.8.2019. Siehe dazu u.a. Bartelt/Bock, DB 2019, 1767; Zapf, FR 2019, 804. 4 Im Juli 2019 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen (s. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019 = BR-Drucks. 355/19 v. 9.8.2019, Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 355/19 (Beschluss) v. 20.9.2019 und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/13546 v. 29.9.2019). Das Gesetzgebungsverfahren wurde zunächst nicht weiter fortgeführt werden, dann aber Anfang des Jahres 2021 (überraschend) wieder aufgegriffen (s. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 19/28528 v. 15.4.2021). Der Bundestag hat dem Gesetz am 21.4.2021 zugestimmt (s. BR-Drucks. 320/21 v. 23.4.2021). Die Zustimmung des Bundesrats ist am 7.5.2021 erfolgt. Die Änderungen sind am 1.7.2021 in Kraft treten (Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986). – Siehe dazu u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Fischer, Hans-Jörg, BB 2021, 1566; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken an der Neuregelung s. Happel, DStR 2021, 1193 (Teil I) und DStR 2021, 1272 (Teil II). 5 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 6 Art. 32 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 = BStBl. I 2021, 6. 7 Die Neuregelung des § 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG (nicht aber auch Satz 1) war bereits in Art. 19 Nr. 9 Buchst. b des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Finanzen v. 8.5.2019 für ein „Jahressteuergesetz 2019“ enthalten (s. Rz. 53). 8 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986). Siehe dazu u.a. u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Fischer, Hans-Jörg, BB 2021, 1566; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645 (sowie die Hinweise oben bei Rz. 53).

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Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 59 § 19

Die neuen Anzeigepflichten sind grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 18 GrEStG sowie die umfangreichen Übergangsvorschriften in § 23 Abs. 19 ff. GrEStG).1

V. Zwingendes Recht Die steuerlichen Anzeigepflichten der Beteiligten (nach § 19 GrEStG) sind zwingend.2

54

Die Anzeigepflichten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz und gelten gleichermaßen für alle Beteiligten. Die Anzeigepflichten gelten unabhängig davon, ob die Beteiligten die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs kennen. Die Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Vorgang ist allenfalls für den Beginn der Anzeigefrist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG), nicht aber für das Bestehen der Anzeigepflicht als solches von Bedeutung.3

55

Beteiligte, die (tatsächlich oder vermeintlich) vom Bestehen der Anzeigepflichten nichts wissen, sind in keiner Weise entlastet oder entschuldigt. Jeder Beteiligte muss sich über die gesetzlichen Anzeigepflichten rechtzeitig informieren (oder sich von einem Steuerberater entsprechend beraten lassen).4 Die Anzeigepflichten sind unabhängig von den subjektiven Kenntnissen, Fähigkeiten und Vorstellungen der Beteiligten.5 Diese sind allenfalls im Rahmen von Steuerstrafverfahren von Bedeutung (§§ 370, 378 AO).6

56

Vereinbarungen über die steuerlichen Anzeigen sind nicht möglich.7 Die Beteiligten können beispielsweise nicht wirksam vereinbaren, einen Vorgang nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig anzuzeigen. Entsprechende Vereinbarungen wären unwirksam (§ 134 BGB). Dies gilt auch für jegliche Absprachen mit dem beurkundenden Notar (s. § 18 GrEStG).

57

Die Beteiligten müssen die Anzeigen unabhängig davon erstatten, ob dies in dem Vertrag oder der Urkunde vorgesehen ist. Die Anzeigepflichten ergeben sich allein aus dem Gesetz; eine vertragliche Grundlage ist nicht erforderlich.

58

Die Anzeigen müssen auch dann erfolgen, wenn alle Beteiligten der Überzeugung sind, dass ein 59 Rechtsgeschäft von der Besteuerung befreit ist oder keine Steuern auslöst (s. § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG). Diese Entscheidung obliegt allein dem zuständigen Finanzamt. Mit der Anzeige ist keinerlei Aussage über die tatsächliche Besteuerung verbunden. Die Anzeige soll das Finanzamt lediglich in die

1 Siehe dazu die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes) v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. 2 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 1. 3 Siehe dazu BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 39 und 42, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zur Verletzung der Anzeigepflichten nach §§ 19, 20 GrEStG im Zusammenhang mit einer mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft); v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 49, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige der Sicherungsabtretung einer Kommanditbeteiligung). 4 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 1; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 4 ff. und Rz. 10. 5 Siehe dazu u.a. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 39, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (gesetzliche Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG einer britischen Limited besteht unabhängig davon, ob und inwieweit die Beteiligten erkannt haben, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt bzw. wussten, dass insoweit eine Anzeigepflicht besteht); v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420 (Anzeigepflichten der Beteiligten sind nicht davon abhängig, ob und inwieweit sie die durch einen Rechtsvorgang ausgelöste Grunderwerbsteuer erkannt haben); v. 29.7.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63 (gesetzliche Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz ist eine objektive Pflicht, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht); v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932 = AO-StB 2009, 230 (zu Art und Umfang der Erkundigungspflichten des Steuerpflichtigen bei rechtlichen Zweifeln über seine steuerlichen Anzeigepflichten); v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680 (Anzeigepflichten sind objektiv bestehende Pflichten der Beteiligten). 6 Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 5. 7 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 4; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 7.

Wachter

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§ 19 Rz. 59 Anzeigepflicht der Beteiligten Lage versetzen, den Rechtsvorgang eigenständig zu prüfen und die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen (oder nicht festzusetzen). 60

Die Beteiligten müssen die ihnen obliegenden Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) auch vornehmen, wenn ihnen ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar zugesichert oder versprochen hat, dass die Anzeige (nach § 18 GrEStG) bereits erfolgt ist.1 Jeder Anzeigepflichtige muss seine eigenen Anzeigepflichten vollständig erfüllen und kann sich nicht auf die Anzeigen anderer Personen verlassen.

B. Anzeigepflichtige Personen 61

Die Anzeigepflicht (nach § 19 GrEStG) obliegt nach dem Gesetzeswortlaut den Steuerschuldnern.2

62

Die Steuerschuldner werden im Grunderwerbsteuergesetz allgemein definiert (§ 13 GrEStG).

63

Steuerschuldner sind danach regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Bei bestimmten Steuertatbeständen gehören auch andere Personen, Gesellschaften und Rechtsträger zu den Steuerschuldnern (s. im Einzelnen § 13 Nr. 2 bis Nr. 8 GrEStG).

64

Einen Steuerschuldner kann es an sich nur geben, wenn ein Steuertatbestand tatsächlich verwirklicht worden ist. Bei Rechtsvorgängen, die keiner Besteuerung unterliegen oder von der Besteuerung ausgenommen sind (s. § 19 Abs. 3 Satz 1 a.E. GrEStG) fällt keine Grunderwerbsteuer an, so dass es auch keinen Steuerschuldner gibt. Allerdings besteht der Zweck der Anzeigepflichten gerade darin, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt eine eigenständige Prüfung des jeweiligen Vorgangs zu ermöglichen. Ohne eine entsprechende Anzeige des Vorgangs könnte das Finanzamt nicht prüfen, ob und inwieweit ein Steuertatbestand (oder eine Befreiungsvorschrift) erfüllt ist oder nicht. Diese Beurteilung steht nicht den Beteiligten zu, sondern obliegt ausschließlich dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt. Die gesetzliche Anzeigepflicht trifft demnach nicht nur tatsächliche, sondern auch potentielle Steuerschuldner.3

65

Diese erweiternde Auslegung des Begriffs des Steuerschuldners für Zwecke der Anzeigepflichten wird auch durch die amtliche Gesetzesüberschrift bestätigt. Dort wird von der „Anzeigepflicht der Beteiligten“ gesprochen. Der Begriff der Beteiligten (s. § 78 AO) ist weiter als der Begriff des Steuerschuldners und umfasst auch die potentiellen Steuerschuldner als mögliche Adressaten eines Grunderwerbsteuerbescheids.

66

Andere Personen, die nicht als Steuerschuldner in Betracht kommen, trifft dagegen keine Anzeigepflicht. Demnach müssen beispielsweise Immobilienmakler, Projektentwickler oder Bauunternehmen (sofern sie nicht selbst Steuerschuldner sind) keine Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz erstatten.4 Anders als bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (s. § 33 ErbStG) obliegt auch Vermögensverwahrern, Vermögensverwaltern und Versicherungsunternehmen keine besondere Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz. Gleiches gilt auch für die diplomatischen Vertreter und Konsuln des Bundes im Ausland (s. § 9 ErbStDV). Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sind ebenfalls nicht anzeigepflichtig. Neben den Steuerschuldnern selbst besteht somit nur für Gerichte, Behörden und Notare eine Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§ 18 GrEStG).

67

Die allgemeinen Pflichten von gesetzlichen Vertretern, Vermögensverwaltern und Verfügungsberechtigten (§§ 34, 35 AO) bleiben unberührt.

1 Siehe BFH v. 4.3.1999 – II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301 (wonach sich ein Steuerpflichtiger, der seinen eigenen Anzeigepflichten nach § 19 GrEStG nicht nachgekommen ist, sich nicht dadurch entlasten, dass der Notar die Erfüllung seiner Anzeigepflicht zugesagt hat und man übereinstimmend eine nochmalige Anzeige durch den Steuerpflichtigen selbst für entbehrlich gehalten hat). 2 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 12; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 2; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 6 ff. 3 So im Ergebnis auch Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 12. 4 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 2.

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Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 76 § 19

Die Anzeigepflicht der Beteiligten (nach § 19 GrEStG) besteht für alle in- und ausländischen Steuerschuldner.1 Wohnsitz, Aufenthalt, Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit sind insoweit ohne Bedeutung (s. § 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Die Anzeigepflicht gilt für in- und ausländische Gesellschaften und Rechtsträger.

68

Mangelnde Sprach- oder Rechtskenntnisse der (ausländischen) Beteiligten lassen die Anzeigepflichten nicht entfallen. Die Anzeigepflichten sind zwingend und von jedermann zu beachten. Auf die subjektiven Kenntnisse des einzelnen Steuerschuldners kommt es dabei nicht an.

69

Die Anzeigepflicht von ausländischen Steuerschuldnern verstößt nicht gegen Europa- oder Völkerrecht. Der (unmittelbare oder mittelbare) Erwerb eines inländischen Grundstücks (s. § 1 Abs. 1 GrEStG) ist ein hinreichender und begründeter Anknüpfungspunkt für die Erhebung der deutschen Grunderwerbsteuer (und die damit verbundenen Anzeigepflichten).

70

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2) I. Überblick Die Rechtsvorgänge, über die die Steuerschuldner dem Finanzamt Anzeige erstatten müssen, werden im Grunderwerbsteuergesetz im Einzelnen (und abschließend) aufgeführt (in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 9 und in § 19 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 GrEStG).2 Der Gesetzgeber knüpft dabei nicht pauschal an die steuerbaren Erwerbsvorgänge an (s. § 1 GrEStG). Damit verfolgt er einen anderen Ansatz als beispielsweise im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Dort haben die Beteiligten, dem Finanzamt alle der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegenden Erwerbsvorgänge anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG).

71

Die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge, die von den Beteiligten angezeigt werden muss (§ 19 GrEStG) 72 sind nicht identisch mit den Rechtsvorgängen, die dem Finanzamt von den Gerichten, Behörden und Notaren (§ 18 GrEStG) angezeigt werden (s. dazu § 18 Rz. 86 ff.). Zwischen beiden gibt es Überschneidungen; manche Vorgänge müssen mehrfach angezeigt werden. Lücken kann es dagegen an sich nicht geben, da die Beteiligten ausdrücklich auch alle Erwerbsvorgänge anzeigen müssen, über die Gerichte, Behörden und Notare keine Anzeige erstatten müssen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Der Katalog der anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge wurde in den letzten Jahren immer wieder erweitert und ist heute sehr unübersichtlich. Eine Systematik ist kaum zu erkennen. Im Grundsatz sind die anzeigepflichtigen Erwerbsvorgänge in § 19 Abs. 1 GrEStG zusammengefasst, wohingegen § 19 Abs. 2 GrEStG vor allem die Anzeigepflichten bei späteren Änderungen regelt.

73

Ursprünglich sollten sich die Anzeigepflichten der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare (nach § 18 GrEStG) und die Anzeigepflichten der (privaten) Beteiligten (nach § 19 GrEStG) untereinander ergänzen. Bei Erwerbsvorgängen, die auf einem wirksamen Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) beruhten, obliegt die Anzeigepflicht beispielsweise allein dem beurkundenden Notar (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Eine zusätzliche Anzeigepflicht der Beteiligten besteht in diesen Fällen nicht.

74

Eine Anzeigepflicht der Beteiligten bestand ursprünglich vor allem dann, wenn der Grundstückserwerb ohne bzw. ohne einen wirksamen Vertrag erfolgt ist und dementsprechend kein Notar an dem Erwerb mitgewirkt hat (s. insbesondere die Fälle § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG: Verschaffung einer Verwertungsbefugnis, § 1 Abs. 2 GrEStG und formungültige Verträge). Hierzu gehört an sich auch der Erwerb von Gebäuden auf fremdem Boden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Gleichwohl besteht hier eine doppelte Anzeigepflicht der Notare (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) und der Beteiligten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG).

75

Seit einigen Jahren unterliegen auch bestimmte (unmittelbare und mittelbare) Änderungen bei den Gesellschaftern von Personen- und Kapitalgesellschaften, zu deren Vermögen Grundbesitz gehört, der Grunderwerbsteuer. Mit der Erweiterung der Steuertatbestände (s. § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) wurden auch die Anzeigepflichten der Beteiligten entsprechend erweitert (§ 19

76

1 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 2. – Siehe dazu auch oben Fn. 4 auf S. 876. 2 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 2 ff.; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 3 ff.

Wachter

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§ 19 Rz. 76 Anzeigepflicht der Beteiligten Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis Nr. 7a GrEStG). Bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, an denen Notare mitwirken, sind auch diese zur Anzeige verpflichtet (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).1 77

Beim Erwerb von Grundstücken aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen (z.B. Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, Verschmelzungen von Rechtsträgern mit Grundbesitz nach dem Umwandlungsgesetz) obliegt den Beteiligten eine eigene Anzeigepflicht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG). Diese Anzeigepflicht tritt neben die Anzeigepflicht der Gerichte (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) und der Notare (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG).

78

Bei bestimmten Erwerbsvorgängen innerhalb des umwandlungsrechtlichen Rückwirkungszeitraums haben die Steuerschuldner eine eigene Anzeigepflicht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG). Diese Anzeigepflicht tritt neben die Anzeigepflicht der Notare (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

79

Schließlich müssen die Beteiligten auch alle Erwerbsvorgänge anzeigen, über die Gerichte, Behörden und Notare keine Anzeige (nach § 18 GrEStG) erstatten müssen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Diese Auffangregelung verhindert, dass einzelne Erwerbsvorgänge nicht angezeigt werden müssen.

80

Darüber hinaus („außerdem“) müssen die Beteiligten dem zuständigen Finanzamt auch spätere Änderungen des Erwerbsvorgangs anzeigen (§ 19 Abs. 2 GrEStG).

81

Das Gesetz sieht zunächst eine Anzeige von solchen Änderungen vor, die für die steuerliche Bemessungsgrundlage von Bedeutung sein können. Dazu gehören u.a. Erhöhungen der Gegenleistung des Erwerbers (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), Leistungen des Erwerbers an Dritte (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) und Leistungen von Dritten an den Veräußerer (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).

82

Bei der Inanspruchnahme von bestimmten Steuervergünstigungen (u.a. §§ 5, 6 und 6a GrEStG) sind auch spätere Änderungen der jeweils maßgeblichen Verhältnisse anzuzeigen. Die Finanzämter sollen damit vor allem in die Lage versetzt werden, die steuerlichen Behaltefristen zu überwachen.

II. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1) 1. Verschaffung einer Verwertungsbefugnis über ein Grundstück (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) 83

Die Steuerschuldner müssen Rechtsvorgänge anzeigen, die es (ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung) einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

84

Die Anzeigepflicht betrifft den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG, auch wenn diese Vorschrift im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird.2 2. Formungültige Verträge über ein Grundstück (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)

85

Anzeigepflichtig sind formungültige Verträge über die Übereignung eines Grundstücks, die die Beteiligten unter sich gelten lassen und wirtschaftlich erfüllen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG).

86

Schuldrechtliche und dingliche Verträge zur Übereignung eines Grundstücks bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 Satz 1, §§ 925, 925a BGB; s. auch §§ 20, 29 GBO).

87

Zivilrechtlich sind Verträge ohne Einhaltung dieser Form nichtig (§ 125 BGB). Der Formmangel kann durch Auflassung und Grundbucheintragung geheilt werden (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB).

88

Steuerrechtlich können auch unwirksame Verträge von Bedeutung sein, sofern die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen (allgemein § 41 Abs. 1 AO). Der (faktische) Erwerb eines Grundstücks aufgrund eines formunwirksamen Vertrages kann somit auch der Grunderwerbsteuer unterliegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 41 Abs. 1 1 Zu den Auswirkungen auf die Mitteilungspflichten nach dem Transparenzregister (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F.) in den Fällen des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis Nr. 7a GrEStG s. § 18 Rz. 33 ff. 2 Zu Fällen des Immobilien-Leasing s. Bruschke, ErbStB 2020, 115 (118).

886

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 95 § 19

AO). Mangels Mitwirkung eines Notars an dem formunwirksamen Vertrag erfolgt insoweit auch keine Anzeige an das Finanzamt. Der Gesetzgeber hat für diese Fälle daher eine eigene Anzeigepflicht der Beteiligten vorgesehen. Die Anzeigepflicht gilt in allen Fällen der Formunwirksamkeit. Ein formungültiger Vertrag über ein Grundstück kann nicht nur dann vorliegen, wenn der Vertrag überhaupt nicht, sondern nicht vollständig oder sonst nicht ordnungsgemäß beurkundet wird. In diesen Fällen besteht eine Anzeigepflicht von Notar und Beteiligten.

89

Andere Fälle der Unwirksamkeit eines Vertrages werden von der Anzeigepflicht nicht erfasst (z.B. 90 Fälle der §§ 117, 134, 138 BGB). In diesen Fällen verbleibt es bei den allgemeinen Anzeigepflichten der Notare und der Beteiligten (z.B. bei Unterverbriefung u.a. nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und § 153 AO). 3. Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) Der Erwerb von Gebäuden auf fremden Boden muss dem Finanzamt von den Steuerschuldnern angezeigt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG).

91

Gebäude auf fremden Boden stehen für Zwecke der Grunderwerbsteuer den Grundstücken gleich (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG; zum Zivilrecht s. § 95 BGB).

92

Die allgemeinen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) gelten nicht nur für Grundstücke, sondern auch für Gebäude auf fremden Boden. Der Gesetzgeber hat dies in § 18 Abs. 2 Satz 1 GrEStG nochmals ausdrücklich klargestellt.

93

Darüber hinaus sind auch die Steuerschuldner selbst anzeigepflichtig (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht dabei unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Erwerbs. Auf die Sicherung des Erwerbs (beispielsweise durch eine Grunddienstbarkeit, § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB) kommt es insoweit nicht an.

94

4. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a) Die Steuerschuldner müssen dem Finanzamt Anzeige erstatten über (unmittelbare oder mittelbare) 95 Änderungen des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahren)1 zum Übergang von 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)2 der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG3 i.V.m. § 1 Abs. 2a GrEStG).4

1 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Auf bestimmte Änderungen des Gesellschafterbestandes bis zum 30.6.2026 ist allerdings noch die frühere Gesetzesfassung maßgebend (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 20 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Auf bestimmte Änderungen des Gesellschafterbestandes bis zum 30.6.2026 ist allerdings noch die frühere Gesetzesfassung maßgebend (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 20 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 3 Grundlegend dazu BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). – Siehe ferner Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 3 f.; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 5; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 9. 4 Siehe dazu BFH v. 26.2.2007 – II R 50/06, BFH/NV 2007, 1535 (keine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG bei Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand im Rahmen einer Verschmelzung).

Wachter

887

§ 19 Rz. 96 Anzeigepflicht der Beteiligten 96

Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a1 GrEStG2 an.3

97

Die Anzeigepflicht obliegt allein der Personengesellschaft als Steuerschuldner (§ 13 Nr. 6 GrEStG), nicht auch den Veräußerern und Erwerbern der Anteile.4 Die Personengesellschaft hat in vielen Fällen von (mittelbaren) Änderungen des Gesellschafterbestandes aber gar keine Kenntnis und kann die Anzeigepflicht somit auch nicht erfüllen (s. auch § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG).

98

Die Vorschrift wurde im Schrifttum allgemein als missglückt angesehen, da die anzeigepflichtigen Rechtsvorgänge nicht hinreichend klar bezeichnet werden.5

99

Der BFH ist dem jedoch nicht gefolgt.6 Die Vorschrift sei hinreichend klar und eindeutig. Die Anzeigepflicht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG) schließt mit ihrem Wortlaut unmittelbar an den zugrunde liegenden Steuertatbestand (§ 1 Abs. 2a GrEStG) an. Daraus werde deutlich erkennbar, dass unter Änderungen des Gesellschafterbestandes (i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG) solche i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG zu verstehen sind. Dies ergebe sich auch aus dem entsprechenden Klammerzusatz. Nach Auffassung des BFH gibt es keinen Grund, einzelne Erwerbsvorgänge, die den Steuerbestand (des § 1 Abs. 2a GrEStG) erfüllen, von der Anzeigepflicht auszunehmen.

100

Die Anzeigepflicht besteht somit nicht nur dann, wenn ein Gesellschafter zivilrechtlich erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an einer bestehenden grundbesitzenden Personengesellschaft erwirbt, sondern auch dann, wenn er seine Beteiligung innerhalb von fünf Jahren aufstockt.

101

Die grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtungsweise weicht somit vom Zivilrecht ab. Zivilrechtlich ist ein Gesellschafter nur dann neu, wenn er erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an der Personengesellschaft erwirbt. Grunderwerbsteuerrechtlich ist ein Gesellschafter aber auch dann noch neu, wenn er seine Beteiligung innerhalb von fünf Jahren nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftsvermögen aufstockt. Die Aufstockung der bestehenden Beteiligung innerhalb des Fünfjahreszeitraums kann den Steuertatbestand auch dann verwirklichen, wenn sich der Gesellschafterbestand zivilrechtlich dadurch nicht ändert. Dementsprechend ist die Aufstockung auch anzeigepflichtig.

102

Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur solche Änderungen des Gesellschafterbestands anzeigepflichtig, die zum Übergang von 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter geführt haben. Eine Anzeigepflicht besteht aber auch unterhalb der Grenze von 90 %, sofern die Änderungen zur Verwirklichung des Steuertatbestands beitragen können. Nur dann kann das Finanzamt prüfen, ob innerhalb des gesamten Zeitraums von zehn Jahren und unter Berücksichtigung auch sonstiger (unmittelbarer und mittelbarer) Änderungen der Steuertatbestand tatsächlich verwirklicht worden ist.

1 Zum mittelbaren Gesellschafterwechsel bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach dessen Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2015 s. Behrens, BB 2017, 1046; Brühl/Joisten, GmbHR 2018, 139; Rödding, BB 2017, 1052. 2 Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wurde durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) geändert (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18, Abs. 19 und Abs. 20 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 3 Siehe dazu die Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses zum JStG 1997, BR-Drucks. 804/1/96, S. 14 f. (Anzeigepflicht flankiert nach Ansicht des Gesetzgebers die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG). 4 Zur Anzeigepflicht der Personengesellschaft nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG s. Tz. 13 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG (BStBl. I 2018, 1314). Danach sind von grundbesitzenden Personengesellschaft alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Die Anzeigepflicht besteht bei Tatbestandsverwirklichung. Bei sukzessiver Änderung des Gesellschafterbestands sind bei der Anzeige die vorausgegangenen Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben, anzugeben. – Ausführlich zu den Erlassen u.a. Behrens, BB 2019, 30; Behrens/Wagner, DB 2019, 1868; Broemel/Lange, DStR 2019, 185. 5 Siehe etwa Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 3 (mangelnde Eindeutigkeit und Klarheit; Grenze der Zumutbarkeit erreicht bzw. überschritten); Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 5 (Anzeigepflicht der Personengesellschaft bedenklich und nur im Rahmen des Zumutbaren). – Anders jetzt aber Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 9 (Vorschrift ist nicht zu unbestimmt, und zwar unter ausdrücklicher Aufgabe der der in der 18. Aufl., § 19 Rz. 23 vertretenen Auffassung). 6 BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 48, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller.

888

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 106 § 19

Die anzeigepflichtigen Änderungen des Gesellschafterbestandes beziehen sich nicht nur auf die dinglichen Veränderungen der Beteiligungen im Außenverhältnis. Vielmehr sind auch schuldrechtliche Änderungen im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern erfasst (wie etwa Änderungen in der vermögensmäßigen Beteiligung), sofern sie den Steuertatbestand (des § 1 Abs. 2a GrEStG) auslösen können. Keine Anzeigepflicht besteht aber bei sonstigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages.

103

5. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b) Die Steuerschuldner müssen dem Finanzamt Anzeige erstatten über (unmittelbare oder mittelbare) Änderungen des Gesellschafterbestands einer Kapitalgesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren zum Übergang von 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG1 i.V.m. § 1 Abs. 2b GrEStG2). Die Vorschrift ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG an. Die Anzeigepflicht ist erst dann zu erfüllen, wenn der Steuertatbestand verwirklicht ist. Dies ist hier erst der (dingliche) „Übergang“ der Anteile (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG) und nicht schon der Abschluss des (schuldrechtlichen) Rechtsgeschäfts.

104

Die Anzeigepflicht obliegt allein der Kapitalgesellschaft als Steuerschuldner (§ 13 Nr. 7 GrEStG3), nicht auch den Veräußerern und Erwerbern der Anteile. Die Kapitalgesellschaft (bzw. deren geschäftsführende Organe) hat in vielen Fällen von (mittelbaren) Änderungen des Gesellschafterbestandes aber gar keine Kenntnis und kann die Anzeigepflicht somit auch nicht erfüllen (s. auch § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Die gesetzliche Regelung führt somit dazu, dass eine Vielzahl von Anzeigen (aufgrund schlichter Unkenntnis über die genauen Beteiligungsverhältnisse und deren inhaltliche Ausgestaltung) unterbleibt und die Grunderwerbsteuer nicht ordnungsgemäß erhoben werden kann. Das Vollzugsdefizit ist in der gesetzlichen Regelung angelegt, so dass die Vorschrift wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung4 verfassungswidrig ist.5

105

Die Geschäftsführer und Vorstände von (inländischen) Kapitalgesellschaften können allenfalls in ganz 106 einfach gelagerten Fällen ihrer gesetzlichen Pflicht zur laufenden (und nicht nur stichtagsbezogenen) Ermittlung der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse für Zwecke des Grunderwerbsteuergesetzes nachkommen (s. für die GmbH u.a. §§ 16, 40 GmbHG, für die AG u.a. § 67 AktG und für alle Kapitalgesellschaften u.a. §§ 18 ff., 23 GwG). In der Praxis ergeben sich jedoch selbst in solchen Fällen zahlreiche Probleme. Der Steuergesetzgeber unterstellt stillschweigend, dass den Geschäftsführern entsprechende Informationen über die Gesellschafter vorliegen (bzw. diese von ihnen beschafft werden können). Dies ist aber oftmals nicht der Fall. Im Gesellschaftsrecht bestehen keine gesetzlichen Auskunfts- oder Informationssprüche der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern (weder im GmbHG noch im AktG). In Gesellschaftsverträgen können entsprechende Auskunftspflichten der Gesellschafter zwar vereinbart werden; indes geschieht dies in der Praxis nur sehr selten. Schon im Ausgangspunkt stellt sich somit die Frage, wie die Geschäftsführer ihren steuerlichen Pflichten nachkommen sollen, wenn 1 Die Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) eingeführt (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18 und Abs. 23 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. b) des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) eingeführt (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18 und Abs. 23 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 3 Die Regelung zum Steuerschuldner in § 13 Nr. 7 GrEStG wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) eingeführt (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18 und Abs. 23 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 4 Siehe BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 = FR 1991, 375 m. Anm. Felix zur Anzeigepflicht für Besteuerung von Kapitaleinkünften, wo beispielhaft auch auf § 18 GrEStG Bezug genommen worden ist. 5 So im Ergebnis auch Meding/Müller, DB 2021, 2117 (2121) und insbesondere zu Aktiengesellschaften auch Stoschek, DStR 2021, 2021 (2025 ff.).

Wachter

889

§ 19 Rz. 106 Anzeigepflicht der Beteiligten ihnen keine entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Befugnisse zustehen. Eine Vorschrift die auf etwas Unmögliches gerichtet ist, kann nicht wirksam sein. 107

In besonders gelagerten Einzelfällen können den Geschäftsführern möglicherweise gewisse Auskunftsrechte zustehen (etwa aufgrund von Treue- und Loyalitätspflichten bzw. Treu und Glauben). Der Inhalt solcher Ansprüche (und deren Durchsetzung) ist aber mit großen Unsicherheiten behaftet und kann nicht Grundlage für eine generelle Anzeigepflicht im Grunderwerbsteuergesetz sein. Hinzu kommt ein weiteres: Bei vielen Kapitalgesellschaften bestehen außerhalb der (im Handelsregister öffentlich zugänglichen) Satzung schuldrechtliche Nebenvereinbarungen zwischen einzelnen, mehreren oder allen Gesellschaftern (u.a. Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarungen, Poolabreden, Stimmrechtsbindungen). Diese Vereinbarungen sind nicht im Handelsregister hinterlegt und auch sonst nicht öffentlich zugänglich. Den Geschäftsführern sind diese Vereinbarungen daher regelmäßig nicht bekannt. Für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Anzeigepflichten ist die genaue Kenntnis solcher Vereinbarungen aber von entscheidender Bedeutung. Die Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter werden in solchen Vereinbarungen abweichend von Gesetz und Satzung ausgestaltet (z.B. Sonder- und Vorzugsrechte, Liquidationspräferenzen, Exitregelungen). Eine ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Anzeigepflichten ist aber nur dann möglich, wenn die Beteiligungsverhältnisse (nach Maßgabe der dinglichen Satzung und von schuldrechtlichen Vereinbarungen) in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht vollständig aufgeklärt worden sind. Dies ist dem Geschäftsführer im Regelfall nicht möglich, so dass auch insoweit erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Anzeigepflicht bestehen. In komplexen Fällen (mit mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen oder ausländischen Gesellschaftern aus anderen Rechts- und Steuerordnungen) dürfte es für Geschäftsführer und Vorstände regelmäßig unmöglich sein, sich fortlaufend über die aktuellen Beteiligungsverhältnisse zu informieren. Der Geschäftsführer hat gegenüber (mittelbaren) Gesellschaftern meist schon keinen Informationsanspruch bzw. kann diesen (insbesondere im Ausland) auch nicht durchsetzen. Entsprechendes gilt auch bei (ausländischen) Kapitalgesellschaften, die ihren Satzungssitz bzw. ihre Geschäftsleitung haben. 6. Anspruch auf Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4)

108

Anzeigepflichtig sind schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung von mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)1 der Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).3

109

Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an.

110

Die Anzeigepflicht obliegt grundsätzlich dem Erwerber (§ 13 Nr. 5 Buchst. a) GrEStG). Bei einer Anteilsvereinigung in der Hand von mehreren Unternehmen oder Personen sind diese Steuerschuldner und somit anzeigepflichtig (§ 13 Nr. 5 Buchst. b) GrEStG).

111

Die Anzeigepflicht obliegt dem Steuerschuldner unabhängig davon, ob ihm selbst ein Grundstück gehört. Maßgebend ist alleine, ob „zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört“ (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Gesellschaftsvermögen richtet sich dabei nicht nach den allgemeinen Eigentumsverhältnissen des Zivilrechts, son1 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). In einzelnen Fällen kann allerdings noch die frühere Gesetzesfassung maßgebend sein (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 21 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 6. 3 Siehe dazu BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 35 ff., BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zur Verletzung der Anzeigepflichten nach §§ 19, 20 GrEStG im Zusammenhang mit einer mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft); v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234 (Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bei steuerpflichtiger Anteilsvereinigung durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung); BFH v. 23.5.2012 – II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579 (mögliche Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bei einer Anteilsvereinigung aufgrund der schenkweisen Übertragung von Anteilen an einer Grundstücks-GmbH vom Vater auf die Tochter).

890

Wachter

Rz. 119 § 19

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

dern nach den besonderen Zurechnungstatbeständen des Grunderwerbsteuergesetzes (hier § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur solche Geschäfte anzeigepflichtig, die den Steuertatbestand (des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) tatsächlich erfüllen. Nach dem Normzweck müssten aber alle Geschäfte angezeigt werden, die allein (oder zusammen mit anderen Geschäften) den Tatbestand erfüllen oder erfüllen können.

112

7. Vereinigung von 90 % der Anteile an einer Gesellschaft (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) Dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt ist ferner anzuzeigen, die Vereinigung von 113 mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)1 der Anteile einer Gesellschaft, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG).2 Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG an.

114

GrEStG).3

Bei einer AnDie Anzeigepflicht obliegt grundsätzlich dem Erwerber (§ 13 Nr. 5 Buchst. a) teilsvereinigung in der Hand von mehreren Unternehmen oder Personen sind allerdings diese Steuerschuldner und anzeigepflichtig (§ 13 Nr. 5 Buchst. b) GrEStG).

115

8. Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) Anzeigepflichtig sind Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)4 der Anteile einer Gesellschaft begründen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).5

116

Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG an.

117

Die Anzeigepflicht obliegt grundsätzlich beiden Vertragsparteien (§ 13 Nr. 1 GrEStG).

118

9. Übertragung von mindestens 90 % der Anteile (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) Dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt ist ferner anzuzeigen, die Übertragung von 119 mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)6 der Anteile einer Gesellschaft auf einen anderen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG).7 1 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). In einzelnen Fällen kann allerdings noch die frühere Gesetzesfassung maßgebend sein (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 21 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Siehe dazu BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 35 ff., BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zur Verletzung der Anzeigepflichten nach §§ 19, 20 GrEStG im Zusammenhang mit einer mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft). 3 Zur Anzeigepflicht (nur) des Erwerbers (und nicht auch des Veräußerers) nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 13 Nr. 5a GrEStG s. BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, Rz. 26, BStBl. II 2015, 777 = AO-StB 2015, 225 = BB 2015, 1831 mit Anm. Heinmüller = DStRE 2015, 1003 mit Anm. Sellhorst. 4 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 5 Zur Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrEStG s. u.a. BFH v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932; v. 11.6.2008 – II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876; v. 21.9.2005 – II R 33/04, BFH/NV 2006, 609; v. 1.12.2004 – II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365, FG Düsseldorf v. 21.11.2012 – 7 K 3613/12 GE, Az. BFH II B 158/12, EFG 2013, 546. 6 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 7 Zur unterbliebenen Anzeigen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GrEStG s. BFH v. 17.8.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970.

Wachter

891

§ 19 Rz. 120 Anzeigepflicht der Beteiligten 120

Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG an.

121

Die Anzeigepflicht trifft den Anteilsveräußerer und -erwerber (§ 13 Nr. 1 GrEStG). 10. Wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % (Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a)

122

Dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt sind alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, aufgrund derer ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % (bis zum 30.6.2021: 95 %)1 an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG2 i.V.m. § 1 Abs. 3a GrEStG).3

123

Die Anzeigepflicht knüpft an den Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG an.

124

Die Anzeigepflicht obliegt dem Rechtsträger, der die wirtschaftliche Beteiligung innehat (§ 13 Nr. 7 GrEStG).

125

Die Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3a GrEStG) gilt nicht nur für alle Kapital- und Personengesellschaften, sondern für „Rechtsträger“ aller Art. Dies umfasst u.a. auch (in- und ausländische) Stiftungen, Vereine, Genossenschaften.

126

Die Anzeigepflicht ist (ebenso wie der zugrunde liegende Steuertatbestand, § 1 Abs. 3a GrEStG) sehr weitgehend und reichlich unbestimmt. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an klare und bestimmte Steuernormen genügt diese Regelung nicht.

127

Der Begriff des „Innehabens“4 ist ein Fremdkörper im Grunderwerbsteuerrecht, der sonst weder im Zivilrecht noch im Steuerrecht bekannt ist. In anderen Fällen stellt das Grunderwerbsteuergesetz darauf ab, ob zum Vermögen einer Gesellschaft ein Grundstück „gehört“. Sind die Begriffe des „Innehabens“ und des „Gehörens“ inhaltlich identisch? Kommt es dabei auf das rechtliche oder das wirtschaftliche Eigentum an? Genügt zum „Innehaben“ die bloße Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung? Richtet sich das „Innehaben“ einer Beteiligung nach den Vermögens- und/oder den Verwaltungsrechten des Inhabers? Wann und wie beginnt das „Innehaben“? 11. Erwerb aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Entscheidungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 8)

128

Die Beteiligten müssen ferner „Entscheidungen i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GrEStG“ anzeigen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG).5 Dies sind Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, Enteignungsbeschlüsse und andere Entscheidungen, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht auch beim Wechsel im Grundstückseigentum auf Grund einer Eintragung im Handels-, Genossenschaft- oder Vereinsregister6 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Satz 2 GrEStG).7

129

In diesen Fällen wird ein und derselbe Erwerbsvorgang dem Finanzamt somit mehrfach angezeigt. Zunächst durch das Gericht bzw. die Behörde, auf deren Entscheidung der Erwerb beruht und sodann durch den Erwerber als Steuerschuldner. Bei Mitwirkung eines Notars (z.B. beim Erwerb von Grundstücken aufgrund einer Verschmelzung oder Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz) ist auch dieser noch anzeigepflichtig. 1 Änderung durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). In einzelnen Fällen kann allerdings noch die frühere Gesetzesfassung maßgebend sein (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 22 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 5; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 6. 3 Siehe dazu Tz. 10 der gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018 (Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG), BStBl. I 2018, 1078. 4 Zum Begriff des Innehabens i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 2 GwG n.F. i.V.m. § 1 Abs. 3a GrEStG s. § 19 Rz. 127. 5 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 6; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 6; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 12. 6 Nach dem Gesetzeswortlaut sind u.a. das Partnerschaftsregister, das (künftige) Gesellschaftsregister und das (künftige) Stiftungsregister nicht erfasst. Die Aufzählung (s. Gesetzeswortlaut „auch“) ist allerdings nur beispielhaft und erfasst daher auch andere als die im Gesetz genannten Register. Siehe dazu § 18 Rz. 65 ff. 7 Zu der parallelen Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG s. § 18 Rz. 65 ff. und 139 ff.

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Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 135 § 19

Die Anzeigepflicht der Beteiligten (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG) verhindert, dass die Festset- 130 zungsfrist beginnt, bevor das Finanzamt von dem steuerpflichtigen Erwerb überhaupt Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). 12. Erwerbsvorgänge im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungen(Abs. 1 Satz 1 Nr. 9) Die Steuerschuldner müssen dem Finanzamt Anzeige erstatten über Umwandlungen, wenn innerhalb 131 des Rückwirkungszeitraums (§§ 2, 20 Abs. 6 oder 24 Abs. 4 UmwStG) ein Erwerbsvorgang (nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) verwirklicht wird und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung (nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG) ausgelöst hätte (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG).1 Eine Besteuerung nach anderen Steuertatbeständen (des § 1 GrEStG) wird nicht erfasst. Die neue Anzeigepflicht knüpft an den erweiterten Anwendungsbereich der Ersatzbemessungsgrundlage an (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG).2 In bestimmten Fällen, in denen die an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger Grundstücke innerhalb des Rückwirkungszeitraums untereinander „verbilligt“ veräußern, bestimmt sich die Grunderwerbsteuer nach dem Grundbesitzwert (§§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 bis 3 BewG) und nicht nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG). Die Anzeigepflicht gilt erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). 13. Sonstige Erwerbsvorgänge (Abs. 1 Satz 2) Die Beteiligten haben „auch alle Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige nach § 18 nicht zu erstatten hat“ (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).3

132

Mit dieser Auffangregelung soll eine lückenlose Anzeige aller Erwerbsvorgänge sichergestellt werden. 133 Die Beteiligten müssen dem Finanzamt danach auch solche Erwerbsvorgänge anzeigen, die nicht schon nach § 18 GrEStG oder § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG anzeigepflichtig sind. Die Anzeigepflicht kommt in allen Fällen zur Anwendung, in denen ein steuerpflichtiger Erwerb oh- 134 ne Mitwirkung eines Gerichts, einer Behörde oder eines Notars erfolgt (und demnach keine Anzeige nach § 18 GrEStG erfolgt). Dies kann beispielsweise bei einem Erwerb aufgrund Anwachsung (derzeit § 738 BGB und künftig § 712a BGB n.F.) einer Personengesellschaft mit Grundbesitz der Fall sein (vorbehaltlich § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).4 Weitere Beispiele sind die Übertragung der Rechte aus einem Kaufangebot (s. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG, vorbehaltlich § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG) oder die durch einen Treuhänder vermittelte Vereinigung von Anteilen an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen Grundstücke gehören (vorbehaltlich § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG).5 Die Auffangregelung kommt darüber hinaus immer dann zur Anwendung, wenn steuerpflichtige Erwerbsvorgänge (i.S.v. § 18 GrEStG) von einem ausländischen Notar (und nicht von einem inländischen Notar) beurkundet oder beglaubigt werden. Ausländische Notare unterliegen nicht den Anzei1 Die Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 9 Buchst. e des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) eingeführt (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. – Die Neuregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG war bereits in Art. 19 Nr. 9 Buchst. a Doppelbuchst. ee des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Finanzen v. 8.5.2019 für ein „Jahressteuergesetz 2019“ enthalten. Zur Begründung s. S. 212 ff. des Referentenentwurfs. Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) eingeführt (zur zeitlichen Anwendung s. § 23 Abs. 18 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 3 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 11; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 7 f.; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 16 f. 4 Zu einem solchen Fall s. BFH v. 29.10.2008 – II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832 (Erwerb aufgrund Anwachsung bei Kündigung einer Zweipersonen-Grundstücks-GbR). 5 Siehe dazu statt vieler Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 105 ff. und Rz. 371 ff. m.w.N.

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135

§ 19 Rz. 135 Anzeigepflicht der Beteiligten gepflichten nach dem deutschen Grunderwerbsteuergesetz (s. dazu auch § 18 Rz. 79 ff. und § 19 Rz. 12 ff.). Die Beteiligten selbst müssen den Erwerbsvorgang aber in jedem Fall anzeigen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligten im In- oder Ausland ansässig sind. 136

Die subsidiäre Anzeigepflicht der Beteiligten ist in der Praxis vor allem dann von Bedeutung, wenn sich die Steuerpflicht eines Erwerbsvorgangs nicht unmittelbar aus dem Grunderwerbsteuergesetz selbst ergibt, sondern auf einem steuerlichen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)1 oder Gesamtplan2 beruht. Die Hintergründe und Zusammenhänge einzelner Gestaltungen sind für die beteiligten Gerichte, Behörden und Notare meist nicht ersichtlich, so dass diese keine Anzeige an das Finanzamt erstatten. Die eigene Anzeigepflicht der Beteiligten bleibt davon aber unberührt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Der Erwerbsvorgang muss dem Finanzamt auch in diesen Fällen vollständig angezeigt werden.3

137

Die Anzeigepflicht der Beteiligten greift dagegen nicht ein, wenn rechtlich eine Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden oder Notare besteht (nach § 18 GrEStG), diese aber tatsächlich nicht erfolgt (z.B. aufgrund eines Büroversehens). Maßgebend ist insoweit die rechtliche Verpflichtung und nicht die tatsächliche Erstattung der Anzeige. In Zweifelsfällen sollten sich die Beteiligten aber durch Rückfrage nochmals bestätigen lassen, dass die Anzeige auch tatsächlich ordnungsgemäß erfolgt ist.

138

Die Beteiligten müssen im Übrigen (auch nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) immer nur „Erwerbsvorgänge“ anzeigen.4 Die Anzeige von anderen (Rechts-)Vorgängen (s. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) ist dagegen nicht erforderlich. Dies gilt selbst dann, wenn solche Rechtsvorgänge mittelbar für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können.5 Anzeige- oder Berichtigungspflichten können aber nach anderen Vorschriften bestehen (z.B. § 19 Abs. 2 GrEStG oder § 153 AO).

III. Weitere anzeigepflichtige Vorgänge (Abs. 2) 1. Überblick 139

Die Beteiligten haben dem Finanzamt außerdem „in allen Fällen“ Anzeige zu erstatten über bestimmte Änderungen der für die Grunderwerbsteuer maßgeblichen Umstände (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 GrEStG).6

140

Die maßgeblichen Änderungen werden im Grunderwerbsteuergesetz im Einzelnen aufgeführt. Anzeigepflichtig sind danach insbesondere Veränderungen, die für die steuerliche Bemessungsgrundlage von Bedeutung sind, wie Erhöhungen der Gegenleistungen des Erwerbers (Nr. 1) und Leistungen des Erwerbers oder Dritter (Nr. 2 und Nr. 3). Darüber hinaus sind Änderungen anzeigepflichtig, die sich auf gewährte Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen auswirken können, wie Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand (Nr. 4), Änderungen von Beherrschungsverhältnissen (Nr. 4a) und Änderungen in der Nutzung von Grundstücken bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (Nr. 5).

141

Die Aufzählung ist abschließend. Sonstige Änderungen sind nicht anzeigepflichtig.

1 Siehe BFH v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680 (zur Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG bei einem steuerpflichtigen Beitritt von Gesellschaftern zu einer Grundstücks-KG, bei dem sich die Steuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO ergab). – Siehe dazu auch Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 11. 2 Siehe BFH v. 8.11.1995 – II R 16/92, BFH/NV 1996, 357 (zur Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG, bei der zunächst steuerfreien Einbringung eines Grundstücks in eine Kommanditgesellschaft, wenn die einbringenden Miteigentümer aufgrund eines vorgefassten Plans ihre Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen haben. 3 Siehe dazu Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 11. 4 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 8. – In Bezug auf Treuhandverhältnisse möglicherweise weitergehend Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 1 und 11. 5 Siehe dazu (allerdings zur noch früheren Rechtslage) BFH v. 8.11.1995 – II R 16/92, BFH/NV 1996, 357 (keine Anzeige von Umständen, die zum Wegfall der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG führen können). Heute besteht in diesen Fällen eine Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG. 6 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 7 ff.; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 9 ff.; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 22 ff.

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Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 150 § 19

Die Anzeigepflicht der Beteiligten besteht in diesen Fällen (§ 19 Abs. 2 GrEStG) zusätzlich und neben einer etwa bereits erfolgten Anzeige des Erwerbsvorgangs (nach § 19 Abs. 1 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn bereits ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine entsprechende Anzeige erstattet hat (z.B. nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG).

142

2. Erhöhung der Gegenleistung (Abs. 2 Nr. 1) Die Grunderwerbsteuer bemisst sich grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Alle Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz müssen demnach stets auch den Kaufpreis oder die sonstige Gegenleistung (§ 9 GrEStG) enthalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG).

143

Die Erfassung der vollen Gegenleistung erfordert es, auch zusätzliche Leistungen des Erwerbers mit in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen bereits bei oder erst nach dem Erwerb vereinbart worden sind.

144

Zur Gegenleistung gehören demnach auch Leistungen, die der Erwerber eines Grundstücks dem Veräußerer neben der bereits beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).1 Dabei handelt es sich meist (aber nicht zwingend) um nachträglich vereinbarte Leistungen.

145

Die Beteiligten haben dem Finanzamt daher eine Anzeige zu erstatten über jede Erhöhung2 der Gegenleistung des Erwerbers durch Gewährung von zusätzlichen Leistungen neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).3

146

Beispiele dafür sind etwa eine Erhöhung des Kaufpreises, Vereinbarungen über eine Beteiligung am 147 Mehrerlös bei Eintritt bestimmter Umstände (z.B. Earn-Out-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen) oder Leistungen aufgrund weiterer Vereinbarungen. Die erhöhte Gegenleistung muss in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Erwerbsvorgang gewährt werden. Auf Art, Umfang und Zeitpunkt der Gegenleistung kommt es dagegen nicht an.

148

Anzeigepflichtig sind sowohl (rechtliche) Vereinbarungen über eine Erhöhung der Gegenleistung als auch die (tatsächliche) Gewährung einer erhöhten Gegenleistung.

149

Erhebliche praktische Bedeutung hat die Anzeigepflicht vor allem bei (einheitlichen) Erwerbsvorgängen, die formal aus mehreren Verträgen bestehen.4 Bei Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsvorgangs beziehen sich die Anzeigepflichten der Beteiligten nicht nur auf den Grundstückskaufvertrag, sondern auch auf die damit zusammenhängenden Bau- und Werkverträge.5 Die sonstigen Anzeigepflichten der Beteiligten (vor allem § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 GrEStG) und der Notare (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) bleiben davon unberührt (s. dazu auch § 18 Rz. 86 ff.).

150

1 Zur nachträglichen Anpassung der Grunderwerbsteuer bei Immobilientransaktionen s. Vettermann, DStR 2017, 1518. 2 Zur Herabsetzung der Gegenleistung s. § 16 Abs. 3 GrEStG. – Zur Änderung eines Grunderwerbsteuerbescheids nach Kaufpreisherabsetzung aufgrund einer vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel s. BFH v. 22.7.2020 – II R 32/18, juris. 3 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 10. 4 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 7; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 10; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 23 ff. 5 Siehe dazu u.a. BFH v. 29.7.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63 (keine Anzeige eines Werksvertrages über Arbeiten an den gekauften Wohnungen); v. 26.2.2009 – II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599 (Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gilt auch für einen gesonderten Bauvertrag über die Sanierung eines Gebäudes); v. 4.3.1999 – II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301 (keine Anzeige eines Werkvertrages durch die Beteiligten); v. 30.10.1996 – II R 69/94, BStBl. II 1997, 85 = BFH/NV 1997, 84 (Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, wenn in rechtlichem Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag Generalunternehmervertrag abgeschlossen wird). – Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs (Einheitliches Vertragswerk/Einheitlicher Erwerbsgegenstand) v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328, Tz. 6 (und zuvor bereits die Erlasse v. 14.3.2017, BStBl. I 2017, 436, Tz. 6) Anzeigepflichten („Besteht keine zivilrechtliche Einheit zwischen Grundstückskaufvertrag und weiteren, nicht notariell beurkundeten Verträgen, sind die Beteiligten gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zur Anzeige der weiteren Verträge verpflichtet.“). – Ausführlich zum Ganzen u.a. Fertig, BB 2016, 286.

Wachter

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§ 19 Rz. 151 Anzeigepflicht der Beteiligten 3. Leistungen des Erwerbers an Dritte (Abs. 2 Nr. 2) 151

Die Gegenleistung als steuerliche Bemessungsgrundlage umfasst u.a. auch Leistungen, die der Erwerber eines Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).

152

Dies meint Leistungen des Erwerbers an einen Dritten für dessen Erwerbsverzicht.

153

Die Leistung muss dafür gewährt werden, dass der Dritte (negativ) auf einen eigenen Erwerb verzichtet und dem Erwerber dadurch (positiv) den eigenen Erwerb ermöglicht. Rechtsgrund der Leistung muss der Verzicht des Dritten auf den Erwerb des Grundstücks sein. Andere Leistungen an Dritte (z.B. Zahlung des Maklerlohns für den Erwerb) werden dagegen nicht erfasst.

154

Die Beteiligten haben dem Finanzamt über die Gewährung solcher Leistungen Anzeige zu erstatten (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).

155

Die Anzeigepflicht trifft die Steuerschuldner (§ 13 GrEStG). Dies sind in der Regel Veräußerer und Erwerber. Den Empfänger der Gegenleistung trifft dagegen keine eigene Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz. Sonstige steuerliche Pflichten (z.B. nach dem Einkommensteuergesetz) bleiben davon unberührt. 4. Leistungen von Dritten an den Veräußerer (Abs. 2 Nr. 3)

156

Die steuerpflichtigen Gegenleistungen umfassen ferner Leistungen, die ein anderer als der Erwerber eines Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG).

157

Die Vorschrift erfasst nur solche Leistungen, die ein Dritter mit dem Ziel an den Veräußerer erbringt, dass dieser das Grundstück an den Erwerber überlässt.

158

Die Beteiligten haben dem Finanzamt über die Gewährung solcher Leistungen Anzeige zu erstatten (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).

159

Die Anzeigepflicht trifft die Steuerschuldner (§ 13 GrEStG). Dies sind in der Regel Veräußerer und Erwerber. Den Leistenden trifft dagegen keine eigene Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz. 5. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand (Abs. 2 Nr. 4) a) Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG)

160

Die Beteiligten haben dem Finanzamt dementsprechend Anzeige zu erstatten über Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung (nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 GrEStG).1 Die Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 GrEStG) knüpft an die Steuervergünstigung (nach § 5 GrEStG) bzw. deren Wegfall an.

161

Die Vorschrift des § 5 GrEStG (Übergang auf eine Gesamthand) hat zusammengefasst folgenden Inhalt: Beim Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) werden bestimmte Befreiungen von der Grunderwerbsteuer gewährt (§ 5 GrEStG).

162

Geht ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand über, wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht (§ 5 Abs. 1 GrEStG).

1 Siehe dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 (1045) = DStR 2016, 1546, dort Ziff. 8 (Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG). – Ausführlich zum Ganzen Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 9; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 26.

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C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 165 § 19

Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (§ 5 Abs. 2 GrEStG).

163

Die Vorschriften über die Steuerbefreiung beim Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand sind allerdings insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahren)1 Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG).

164

Die maßgebliche Vorschrift des § 5 GrEStG wurde in jüngster Zeit mehrfach geändert (s. zum Gan- 165 zen auch § 5 Rz. 1 ff.): – Brexit I: Im Jahressteuergesetz 20202 ist eine Änderung von § 5 Abs. 3 GrEStG erfolgt. Danach soll allein der Brexit noch nicht zum Wegfall der Steuervergünstigung führen. Die Regelungen gelten für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.1.2020 verwirklicht worden sind. – Brexit II: Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vom 25.6.20213 wurde u.a. § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG geändert. Die Änderungen betreffen vor allem Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft zu behandeln sind. Die Neuregelungen dürften nach dem Wirksamwerden des Brexit insbesondere für Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz aus dem Vereinigten Königreich von praktischer Bedeutung sein. Das Gesetz ist am 1.7.2021 in Kraft getreten. – Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts: Nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts4 können Personengesellschaften beantragen, für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden (§ 1a KStG). In diesem Zusammenhang wurden u.a. auch § 5 Abs. 1, 2 und 3 GrEStG geändert.5 Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass eine Gesamthand, die von der Option Gebrauch gemacht hat, die Steuervergünstigungen bei der Grunderwerbsteuer zu Unrecht in Anspruch nimmt. Das Gesetz ist am 1.1.2022 in Kraft getreten. – Reform des GrEStG: Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes6 wurde u.a. § 5 Abs. 3 GrEStG geändert.7 Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Folgeänderungen zu den Neuregelungen für Share Deals (u.a. Reduzierung der Schwellenwerte von 95 % auf 90 % und Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn bzw. 15 Jahre). Die Neuregelungen sind am 1.7.2021 in Kraft getreten. 1 Änderung durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Bestimmte Ausnahmen bestehen aber dann, wenn die Frist bereits vor dem 1.7.2021 abgelaufen war (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 24 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53. 2 Art. 33 des Jahresssteuergesetz 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 = BStBl. I 2021, 6. Ausführlich dazu Geck/Messner, ZEV 2021, 88; Halaczinsky, ErbStB 2021, 86; Halaczinsky, ErbStB 2021, 54; Liebernickel, DB 2020, 2606. 3 Art. 11 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2056). Siehe dazu allgemein Benz/Böhmer, DB 2021, 1630, und insbesondere zu den Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 4 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050). – Ausführlich dazu u.a. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Fischer, GmbHR 2021, R 144; Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439; Prinz, FR 2021, 561; Prinz, DB 2021, 914; Rickermann, DB 2021, 1561. 5 Art. 9 des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050). Siehe dazu Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 6 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 966). Ausführlich dazu u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Fischer, Hans-Jörg, BB 2021, 1566; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. – Zu verfassungsrechtlichen Bedenken an der Neuregelung für Share Deals s. Happel, DStR 2021, 1193 und 1272. – Siehe dazu auch oben Rz. 53. 7 Art. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 966).

Wachter

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§ 19 Rz. 165 Anzeigepflicht der Beteiligten Eine Änderung der korrespondierenden Anzeigepflicht (des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG) ist allerdings in keinem dieser Fälle erfolgt. 166

Nach § 5 GrEStG ist der Übergang eines Grundstücks auf eine „Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand)“ steuerbegünstigt. Gesamthandsgemeinschaften sind traditionell Personengesellschaften (GbR, OHG, KG und PartGG, derzeit §§ 718 ff. BGB), Erbengemeinschaften (§§ 2032 ff. BGB) und Gütergemeinschaften (§§ 1415 ff. BGB) sowie vergleichbare ausländische Gemeinschaften ausländischen Rechts.

167

Am 1.1.2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.2021 in Kraft.1 Ein Herzstück des umfangreichen Reformwerks (mit seinen 137 Artikeln) ist die Aufgabe des Gesamthandprinzips (im Bereich des Gesellschaftsrechts). Die möglichen Auswirkungen auf das Steuerrecht sind derzeit Gegenstand kontroverser Diskussionen.2 Im Kern geht es um die Frage, ob das Grunderwerbsteuergesetz den Übergang eines Grundstücks auf eine „Gesamthand“ (s. Wortlaut von § 5 GrEStG) von der Besteuerung noch ausnehmen kann, wenn es gesellschaftsrechtlich eine solche Gesamthand nicht mehr gibt.3 Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit den umfangreichen Änderungen des Gesellschaftsrechts nicht auch noch nebenbei das Steuerrecht ändern wollte.4 Der gesamte Entstehungsprozess des Reformgesetzes war vielmehr von Anfang an allein auf das Gesellschaftsrecht ausgerichtet. Die umfangreichen Gesetzesmaterialien deuten gleichfalls darauf hin, dass das Steuerrecht unberührt bleiben sollte. Im Ergebnis sind die steuerrechtlichen Vorschriften somit (auch künftig) eigenständig auszulegen. Der Begriff des Gesamthandvermögens meint (bei rechtsfähigen Personengesellschaften) künftig das Vermögen der Gesellschaft. Damit wird das Vermögen der Gesellschaft von den Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvermögen) abgegrenzt. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass der Steuergesetzgeber die Reform des Personengesellschaftsrechts in naher Zukunft zum Anlass nimmt, um die Besteuerung der Personengesellschaften insgesamt neu zu regeln (insbesondere § 15 EStG, aber auch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG oder § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) oder zumindest einzelne Vorschriften zu ändern (beispielsweise §§ 5, 6 GrEStG5 oder §§ 10 Abs. 1 1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. – Siehe dazu u.a. Fleischer, DStR 2021, 483; Fleischer, DStR 2021, 430; Fleischer, BB 2021, 386; Lieder, ZRP 2021, 34; Noack, BB 2021, 643; Noack/Göbel, GmbHR 2021, 569; Schmidt, Karsten, ZHR 185 (2021) 16; Schollmeyer, NZG 2021, 129. 2 Siehe u.a. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu ZIP 2/2021; Fleischer DB 2021, 430 (433); Heinze, DStR 2020, 2107; Kilincsoy, FR 2021, 248; Noack, Max, BB 2201, 643; Prinz, DB 2021, 914 (918); Schall, NZG 2021, 494; Karsten Schmidt, ZHR 185 (2021) 15 (28 ff.). 3 Zur derzeitigen Auffassung der Rechtsprechung s. BFH v. 23.2.2021, II R 22/19, DStR 2021, 1703 mit Anm. Kugelmüller-Pugh (Zu einem treuhänderischen Erwerb bei der Grunderwerbsteuer: BFH, a.a.O., Rz. 25: „(…) Aus §§ 5, 6 GrEStG ergibt sich kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach Personengesellschaften im Grunderwerbsteuerrecht als transparent anzusehen sind. Der Katalog der Durchgriffsmöglichkeiten zeigt vielmehr, dass die Personengesellschaft grundsätzlich grunderwerbsteuerrechtlich intransparent ist und nur in bestimmten Ausnahmefällen und unter besonderen Voraussetzungen die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird. (…)“; BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, BStBl. II 2020, 658 (zur Schenkungsteuer bei disquotaler Einlage in das Gesellschaftsvermögen einer Kommanditgesellschaft: BFH, a.a.O., Rz. 26: „(…) Auch das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) berücksichtigt in §§ 5 f. GrEStG diese für die Gesamthandsgemeinschaft spezifische Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen. Bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesellschaftern auf eine Gesamthandschaft geht das GrEStG zwar von einem steuerbaren Rechtsträgerwechsel von dem einzelnen Gesellschafter auf die Gesamthand aus, blickt jedoch für die Erhebung der Steuer auf die Beteiligung des einzelnen Gesamthänders an der nunmehr grundbesitzenden Gesamthand und sieht von der Erhebung der Steuer in der Höhe ab, in der der Gesamthänder als Veräußerer zunächst bruchteilsmäßig am Grundstück und dann anteilsmäßig am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (vgl. § 5 Abs. 1 GrEStG).“. 4 Siehe u.a. BR-Drucks. 59/21, S. 110 und 114, sowie das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages v. 11.5.2021 (Aktenzeichen WD 4-3000-051/21) zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Dualismus des Unternehmenssteuerrechts. 5 Siehe dazu u.a. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 644; Heinze, DStR 2020, 2107.

898

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 170 § 19

Satz 4, 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG1). Im Übrigen ist auch eine Neuausrichtung der Rechtsprechung durchaus möglich. Insgesamt ist die Rechtslage derzeit sehr unsicher. Dies gilt nicht nur für die Steuervergünstigung (des § 5 GrEStG), sondern für die daran anknüpfenden Anzeigepflichten (nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG). Nach dem Gesetzeswortlaut sind Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung (nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 GrEStG). Die Regelung war schon bisher unklar und unbestimmt.2 Daran hat sich durch die zahlreichen Reformen nichts geändert. Vielmehr sind neue Fragen aufgetaucht.

168

Nach dem Gesetzeswortlaut sind dem Finanzamt „Änderungen im Gesellschafterbestand“ anzuzeigen. Die Steuerbegünstigung (§ 5 GrEStG) gilt aber nicht nur für Gesellschaften, sondern auch für alle Gesamthandsgemeinschaften. Anzuzeigen sind aber nur Änderungen im Kreise der Gesellschafter, nicht auch bei Ehegatten oder Erben.

169

Die Steuervergünstigung entfällt nachträglich, wenn sich der „Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand“ vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Nach dem Gesetzeswortlaut sind dem Finanzamt aber nur „Änderungen im Gesellschafterbestand“ anzuzeigen. Bei einer Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesellschaft (ohne Änderung im Gesellschafterbestand) besteht somit grundsätzlich keine Anzeigepflicht.3 Dem hat der BFH4 jetzt allerdings widersprochen. Nach dem Normzweck umfasse die Anzeigepflicht (des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG) über den Wortlaut hinaus auch die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der Gesellschaft. Dies gelte selbst dann, wenn sich der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand nicht ändert. Die Anzeigepflicht soll sicherstellen, dass den Finanzbehörden die (gem. § 5 Abs. 3 GrEStG) zur Versagung der Steuervergünstigung (aus § 5 GrEStG) führenden Änderungen bekannt werden. Im Übrigen beziehe sich auch die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG, die gleichfalls von Änderungen im Gesellschafterbestand der Personengesellschaft spreche, auf Änderungen in der vermögensmäßigen Beteiligung eines an der Personengesellschaft beteiligten Gesellschafters.5 Kritik: Der Erweiterung der Anzeigepflicht über den Gesetzeswortlaut hinaus kann nicht zugestimmt werden. Der Gesetzgeber hat die seit vielen Jahren bestehende Lücke bis heute nicht geschlossen. Dies kann nicht zu Lasten der Steuerschuldner gehen.6 In der Praxis ist die Rechtsprechung des BFH in Zukunft gleichwohl unbedingt zu beachten.7 Bisher nicht erstattete Anzeigen sind unverzüglich nachzuholen, soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (s. §§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 175 Abs. 1 Satz 2 AO).

170

1 Siehe dazu von Oertzen/Reich, ZEV 2021, 215. 2 Allgemeine Auffassung, s. etwa Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 9 (einerseits zu eng, andererseits zu weit gefasst); Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11 (Anzeigepflicht verunglückt); Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 26 (als missglückt anzusehen). 3 So noch FG Berlin-Bdb. v. 25.10.2016 – 12 K 15162/15 (Vorinstanz zu BFH II R 39/16, s. Fn. 134), EFG 2017, 747 mit Anm. Beermann (Keine Anzeigepflicht in Fällen, in denen der grundstückseinbringende Gesamthänder seine gesamthänderische Mitberechtigung nicht aufgibt und auch kein anderer Gesellschafter beitritt, sich aber die Beteiligungsverhältnisse am Vermögen der Gesamthand verschieben, etwa durch Vereinbarungen mit den übrigen Gesamthändern oder durch Veränderungen im Bereich der Kapitalkonten)., und zuvor bereits Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 9; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 26. 4 BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert. 5 BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 48, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller. 6 Anders Loose, DB 2019, 1595 (1596), der darauf hinweist, dass „die Anzeigepflichten im Zweifel sehr weit ausgelegt“ werden. 7 Siehe dazu auch die (deutlichen) Hinweise (der beiden Richter am Zweiten Senat des Bundesfinanzhofs) auf eine etwaige steuerstrafrechtliche Verfolgung (nach §§ 370 ff., 378 AO), Loose, DB 2019, 1595 (1596); Schmid M., DStRK 2019, 187.

Wachter

899

§ 19 Rz. 171 Anzeigepflicht der Beteiligten 171

Eine Korrektur der gewährten Steuervergünstigung erfolgt nur dann, wenn sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand „innerhalb von zehn Jahren“1 nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). Die Anzeigepflicht gilt für alle Änderungen im Gesellschafterbestand und ist zeitlich in keiner Weise befristet. Richtigerweise sind nur solche Minderungen anzuzeigen, bei denen eine Änderung der Steuervergünstigung noch möglich ist (d.h. nur innerhalb von zehn Jahren).

172

Die Beteiligten müssen Änderungen im Gesellschafterbestand „bei Gewährung der Steuervergünstigung“ (§ 5 GrEStG) anzeigen. Mit der Formulierung „bei“ ist keine zeitliche Reihenfolge gemeint. Die Anzeigepflicht gilt auch für Änderungen nach der Gewährung der Steuervergünstigung.

173

Die Anzeigepflicht besteht in den Fällen der „Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2“ GrEStG. Die Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 GrEStG (Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern) und § 5 Abs. 2 GrEStG (Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer) kommen in der Regel alternativ (und nicht kumulativ) zur Anwendung. Der Gesetzeswortlaut „und“ (in § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG) müsste daher richtig „oder“ (bzw. und/oder) lauten. b) Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (§ 6 GrEStG)

174

Die Beteiligten haben dem Finanzamt eine Anzeige zu erstatten über Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung (nach § 6 Abs. 32 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG) (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG).3 Die Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG) knüpft an die Steuervergünstigung (nach § 6 GrEStG) bzw. deren Wegfall an.

175

Die Vorschrift des § 6 GrEStG (Übergang von einer Gesamthand) hat zusammengefasst folgenden Inhalt: Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) werden bestimmte Befreiungen von der Grunderwerbsteuer gewährt (§ 6 GrEStG). Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer an der Gesamthand beteiligten Personen wird die Steuer insoweit nicht erhoben, soweit der Bruchteil, den der einzelne Erwerber erhält, dem Anteil entspricht, zu dem er am Vermögen der Gesamthand beteiligt war (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Dies gilt auch bei Auflösung einer Gesamthand (s. § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person wird die Steuer insoweit nicht erhoben, als der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Entsprechendes gilt auch bei Auflösung einer Gesamthand (s. § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). Eine entsprechende Steuervergünstigung gilt zudem beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Die Steuervergünstigung entfällt allerdings insoweit, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren (bis zum 30.6.2021: fünf Jahren)4 nach dem Übergang des Grundstücks von einer auf die andere Gesamthand vermindert (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).

176

Die maßgebliche Vorschrift des § 6 GrEStG wurde in jüngster Zeit mehrfach geändert (s. zum Ganzen auch § 6 Rz. 1 ff.):

1 Zu der zum 1.7.2021 erfolgten Verlängerung der Frist von fünf auf zehn Jahren s. oben Rz. 165. 2 Zur früheren Rechtslage s. BFH v. 26.2.2007 – II R 50/06, BFH/NV 2007, 1535; FG Hessen v. 9.11.2010 – 5 K 3252/05 (Az. BFH: II B 10/11), EFG 2004, 777 mit Anm. Matthes. 3 Siehe dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 (1045) = DStR 2016, 1546, dort Ziff. 8 (Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG). 4 Änderung durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986). Die Neuregelung ist grundsätzlich auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Bestimmte Ausnahmen bestehen aber dann, wenn die Frist bereits vor dem 1.7.2021 abgelaufen war (s. die Übergangsregelung in § 23 Abs. 24 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 53.

900

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 178 § 19

– Brexit I: Im Jahressteuergesetz 20201 ist eine Änderung von § 6 Abs. 3 GrEStG erfolgt. Danach soll allein der Brexit noch nicht zum Wegfall der Steuervergünstigung führen. Die Regelungen gelten für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.1.2020 verwirklicht worden sind. – Brexit II: Mit dem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vom 25.6.20212 wurde u.a. § 6 Abs. 3 GrEStG geändert. Die Änderungen betreffen vor allem Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht als Personengesellschaft zu behandeln sind. Die Neuregelungen dürften nach dem Wirksamwerden des Brexit insbesondere für Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz aus dem Vereinigten Königreich von praktischer Bedeutung sein. Das Gesetz ist am 1.7.2021 in Kraft getreten. – Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts: Nach dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts3 können Personengesellschaften beantragen, für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden (§ 1a KStG). In diesem Zusammenhang wurde u.a. § 6 Abs. 3 GrEStG geändert.4 Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass eine Gesamthand, die von der Option Gebrauch gemacht hat, die Steuervergünstigungen bei der Grunderwerbsteuer zu Unrecht in Anspruch nimmt. Das Gesetz ist am 1.1.2022 in Kraft getreten. – Reform des GrEStG: Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes5 wurden u.a. § 6 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG geändert.6 Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Folgeänderungen zu den Neuregelungen für Share Deals (u.a. Reduzierung der Schwellenwerte von 95 % auf 90 % und Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn bzw. 15 Jahre). Die Neuregelungen sind am 1.7.2021 in Kraft getreten. Eine Änderung der korrespondierenden Anzeigepflicht (des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG) ist allerdings in keinem dieser Fälle erfolgt. Nach dem Gesetzeswortlaut sind Änderungen im Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der Steuervergünstigung (nach § 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG) anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG).7

177

Nicht erfasst sind dagegen Änderungen bei Allein- und Miteigentümern (§ 6 Abs. 1 und 2 GrEStG). Gleichwohl besteht insoweit keine Gesetzeslücke. Für Änderungen im Bestand von Allein- oder Miteigentümern bedarf es stets einer Beurkundung, so dass bereits der Notar anzeigepflichtig ist (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

178

1 Art. 33 des Jahresssteuergesetz 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 = BStBl. I 2021, 6. Ausführlich dazu Geck/Messner, ZEV 2021, 88; Halaczinsky, ErbStB 2021, 86; Halaczinsky, ErbStB 2021, 54; Liebernickel, DB 2020, 2606. 2 Art. 11 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2056). Siehe dazu allgemein Benz/Böhmer, DB 2021, 1630, und insbesondere zu den Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 3 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050). – Ausführlich dazu u.a. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Fischer, GmbHR 2021, R 144; Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439; Prinz, FR 2021, 561; Prinz, DB 2021, 914; Rickermann, DB 2021, 1561. 4 Art. 9 des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050). Siehe dazu Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. 5 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 966). Ausführlich dazu u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Fischer, Hans-Jörg, BB 2021, 1566; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. – Zu verfassungsrechtlichen Bedenken an der Neuregelung für Share Deals s. Happel, DStR 2021, 1193 und 1272. – Siehe dazu auch oben Rz. 53. 6 Art. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 966). 7 Siehe dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 (1045) = DStR 2016, 1546, dort Ziff. 8 (Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG).

Wachter

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§ 19 Rz. 179 Anzeigepflicht der Beteiligten 179

Im Übrigen ist die Anzeigepflicht (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 GrEStG) mit der zugrunde liegenden Steuervergünstigung (§ 6 GrEStG) unzureichend abgestimmt (s. dazu bereits oben Rz. 160 ff. und Rz. 174 ff. im Zusammenhang mit § 5 GrEStG). Die Regelung war schon bisher unklar und unbestimmt. Daran hat sich durch die zahlreichen Reformen nichts geändert. Vielmehr sind neue Fragen aufgetaucht. 6. Änderung von Beherrschungsverhältnissen (Abs. 2 Nr. 4a)

180

Bei bestimmten Umstrukturierungen im Konzern wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben (s. § 6a GrEStG).1 Die Steuerbefreiung gilt nur, wenn an dem Rechtsvorgang ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren (nicht zehn Jahren) vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren (nicht zehn Jahren) nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % (nicht 90 %) ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Abs. 4 GrEStG).2 Eine Ausnahme gilt in Fällen des Brexit (§ 6a Satz 5 GrEStG3; vgl. § 6 Rz. 52).

181

Die Steuerbefreiung setzt somit u.a. voraus, dass die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an dem bzw. den abhängigen Gesellschaften auch nach dem Rechtsvorgang noch mindestens fünf Jahre (fort-)besteht. Bei einem Wegfall des Beherrschungsverhältnisses kommt es zu einer Nachversteuerung. Der Gesetzgeber muss daher sicherstellen, dass das Finanzamt von entsprechenden Änderungen Kenntnis erlangt.

182

Dementsprechend müssen die Beteiligten dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt Anzeige erstatten über „Änderungen von Beherrschungsverhältnissen i.S.d. § 6a Satz 4“ (§ 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG).4

183

Der Gesetzgeber knüpft die Anzeigepflicht an Änderungen des „Beherrschungsverhältnisses“ (§ 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG). In der zugrunde liegenden Vorschrift über die Steuervergünstigung (§ 6a Satz 4 GrEStG) findet sich dieser Begriff jedoch überhaupt nicht. Dort wird vielmehr eine (ununterbrochene) Beteiligung von einem herrschenden und einem oder mehreren abhängigen Unternehmen an einem Rechtsvorgang umschrieben. Demzufolge ist der genaue Umfang der Anzeigepflicht in mehrfacher Hinsicht unklar.

184

Unstreitig anzuzeigen sind alle Veränderungen, aufgrund derer das herrschende Unternehmen nicht mehr zu mindestens 95 % an dem bzw. den abhängigen Unternehmen beteiligt ist. Dazu gehört beispielsweise das (auch nur vorübergehende) Herabsenken der Beteiligungsquote auf weniger als 95 %.

185

Nicht anzuzeigen sind dagegen solche Veränderungen, die für die Steuervergünstigung (nach § 6a GrEStG) ohne Bedeutung sind. Dazu gehört etwa die Aufstockung einer bestehenden Beteiligung

1 Der BFH hat in mehreren Urteilen v. 21./22.8.2019 grundlegend zur Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG Stellung genommen, vgl. § 6a Rz. 1 ff. Die Finanzverwaltung folgt der neuen Rechtsprechung weitgehend; s. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, BStBl. I 2020, 960. Ausführlich zum Ganzen u.a. Behrens/Seemaier, DStR 2020, 1411; Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140; Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342; Brühl, GmbHR 2020, 528; Brühl, GmbHR 2021, 126; Loose, DB 2020, 919; Loose in Festschrift für Dieter Mayer, 2020, S. 221 ff.; Käshammer/Schuhmann, DB 2021, 749; Märker, BB 2021, 605; H.-U. Viskorf, DB 2020, 421; Wälzholz, MittBayNot 2021, 12; Wälzholz, DNotZ 2020, 310; Wälzholz/Bayer, GmbH-StB 2020, 195 und 217. 2 Mit Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2011, 986) wurde lediglich der Verweis in § 6a Satz 1 GrEStG geändert. Im Übrigen ist die Vorschrift unverändert geblieben. Siehe dazu auch oben Rz. 53. 3 Eingefügt durch Art. 6 Nr. 2 des Gesetzes über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Steuerbegleitgesetz – Brexit-StBG) v. 25.3.2019, BGBl. I 2019, 357. 4 Siehe dazu die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21./22.8.2019, BStBl. I 2020, 960 = DStR 2021, 164 = DB 2020, 2269, dort Ziff. 4.1 (Anzeigepflicht der Steuerschuldner nach § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG). – Ausführlich zum Ganzen Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 10; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 28.

902

Wachter

C. Anzeigepflichtige Rechtsvorgänge (Abs. 1 und Abs. 2)

Rz. 194 § 19

von mindestens 95 % auf bis zu 100 %.1 Nicht anzeigepflichtig ist auch die bloße Umwandlung einer mittelbaren Beteiligung in eine unmittelbare Beteiligung (und umgekehrt), da beide für Zwecke der Grunderwerbsteuervergünstigung gleich behandelt werden. Ungeklärt ist die Anzeigepflicht bei anderen Veränderungen. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es allein auf die Beteiligung des herrschenden Unternehmens am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft an. Änderungen des Stimmrechts oder der Beschlussmehrheiten sind demnach nicht anzeigepflichtig. Dies gilt auch dann, wenn sie sich tatsächlich auf die Möglichkeiten der Beherrschung auswirken können (z.B. Einstimmigkeit für alle Beschlüsse bei der abhängigen Gesellschaft, Vetorecht für Minderheitsgesellschafter).

186

In gleicher Weise sind auch sonstige Änderungen bei dem herrschenden Unternehmen oder den abhängigen Gesellschaften nicht anzeigepflichtig (z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Formwechsel des Unternehmens2).

187

Das Beherrschungsverhältnis bezieht sich zudem nur auf die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der bzw. den abhängigen Gesellschaften. Änderungen der Beteiligungsverhältnisse bei dem herrschenden Unternehmen sind demnach nicht anzeigepflichtig.3

188

Die Steuervergünstigung setzt voraus, dass ein herrschendes Unternehmen an einem oder mehreren 189 abhängigen Gesellschaften beteiligt war. Der Wegfall einer (von mehreren) abhängigen Gesellschaft innerhalb der fünfjährigen Behaltefrist (z.B. durch Auflösung oder Verschmelzung) lässt das Beherrschungsverhältnis unberührt und ist demnach nicht anzeigepflichtig. Die Anzeigepflicht dient allein der Überwachung der fünfjährigen Behaltefrist nach Entstehung der Steuer. Bei Änderungen innerhalb der fünfjährigen Frist vor Entstehung der Steuer besteht dagegen (noch) keine Anzeigepflicht.4 Die Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG) kann frühestens nach Gewährung der Steuervergünstigung (nach § 6a GrEStG) bestehen. Die Anzeigepflicht endet (entgegen dem Gesetzeswortlaut) spätestens mit dem Ende der fünfjährigen Behaltefrist (und besteht nicht etwa unbefristet).

190

Die Anzeigepflicht obliegt den Personen, die an dem (nach § 6a GrEStG) steuervergünstigten Erwerbsvorgangs beteiligt waren (§ 19 Abs. 2 i.V.m. § 13 GrEStG).

191

Änderungen in den Beherrschungsverhältnissen, die keiner Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG unterliegen, müssen dem Finanzamt oftmals gleichwohl angezeigt werden. In vielen Fällen werden Anzeigepflichten der Beteiligten (nach § 19 Abs. 1 GrEStG) oder von Notaren (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG) bestehen. Darüber hinaus können Berichtigungspflichten der Beteiligten nach den allgemeinen Bestimmungen der Abgabenordnungen bestehen (§ 153 AO).

192

7. Änderungen bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (Abs. 2 Nr. 5) Der Erwerb von Grundstücken durch juristische Personen des öffentlichen Rechts im Zusammenhang mit einer Öffentlich Privaten Partnerschaft ist unter bestimmten Umständen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen (§ 4 Nr. 5 GrEStG).5 Die Ausnahme von der Besteuerung entfällt u.a. dann rückwirkend, wenn das Grundstück nicht mehr für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt wird (§ 4 Nr. 5 Satz 2 GrEStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).

193

Die Beteiligten müssen dem Finanzamt entsprechende Änderungen in der Nutzung des Grundstücks demnach anzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 5 GrEStG).6

194

1 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 28. 2 Für den Formwechsel des herrschenden Unternehmens auch Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 28. 3 Weitergehend wohl Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11 (Beherrschungsverhältnis erfasst alle insoweit maßgebenden Verhältnisse bei dem herrschenden Unternehmen und der bzw. den abhängigen Gesellschaften). 4 So auch Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 28. 5 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung bei Öffentlich Privater Partnerschaft s. BFH v. 10.4.2019 – II R 16/17, juris. 6 Siehe dazu BT-Drucks. 15/5668, S. 17, sowie Loose in Boruttau18, § 19 GrEStG Rz. 27.

Wachter

903

§ 19 Rz. 195 Anzeigepflicht der Beteiligten

IV. Keine Ausnahmen von der Anzeigepflicht 195

Die gesetzlichen Anzeigepflichten der Beteiligten gelten umfassend und uneingeschränkt. Ausnahmen sind im Gesetz nicht vorgesehen.

196

Das Grunderwerbsteuergesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Anzeigen auch dann zu erstatten sind, wenn der Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG; s. §§ 3 ff. GrEStG).

197

Für Bagatellfälle bestehen (anders als etwa nach § 8 Abs. 3 ErbStDV) gleichfalls keinerlei Ausnahmen (s. auch § 3 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG und Umkehrschluss zu § 17 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Rechtsvorgänge mit keiner oder geringer wirtschaftlicher Bedeutung unterliegen uneingeschränkt der gesetzlichen Anzeigepflicht.

198

Die Anzeigen müssen auch dann erfolgen, wenn für die Eintragung im Grundbuch ausnahmsweise keine Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich ist (s. § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

199

Die Anzeigepflichten sind zwingend. Vertragliche Regelungen über die Anzeigepflichten sind ausgeschlossen. Die Steuerpflichtigen müssen die Anzeige auch dann selbst erstatten, wenn andere Beteiligte oder Dritte erklären, die Anzeigen vornehmen zu wollen. Ein Verzicht auf die Anzeigen ist nicht möglich.

200

Bei mehreren anzeigepflichtigen Steuerschuldnern ist jeder selbst für die Erfüllung der Anzeigepflicht verantwortlich. Kein Steuerschuldner kann sich darauf verlassen, dass ein anderer Steuerschuldner die Anzeige erstatten wird.

201

Die Anzeigepflicht entfällt auch nicht dadurch, dass der Vorgang gleichzeitig auch von öffentlichen Stellen (Gerichten, Behörden oder Notaren) angezeigt werden muss. Mehrere Anzeigepflichten bestehen kumulativ nebeneinander, verdrängen sich untereinander aber nicht. Jede Anzeigepflicht besteht für sich.

202

Entsprechendes gilt für Rechtsvorgänge, die sowohl von Gerichten, Behörden und Notaren als auch von den Beteiligten selbst angezeigt werden müssen. Mehrere Anzeigepflichten sollen sicherstellen, dass die Finanzämter vollständig über alle der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge informiert werden.

D. Inhalt der Anzeigen 203

Die Anzeigen müssen stets richtig, vollständig und wahrheitsgemäß sein (s. auch § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 150 Abs. 2 AO).

204

Inhaltlich sollen die Anzeigen klar und eindeutig sein. Unklarheiten und Missverständnisse sind zu vermeiden. Anzeigen dürfen nicht darauf gerichtet sein, dem Finanzamt den wahren Sachverhalt zu verschleiern. Das Finanzamt soll aufgrund der Anzeige in der Lage sein, den mitgeteilten Sachverhalt zu prüfen und die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen.

205

Der Inhalt der Anzeigen ist im Grunderwerbsteuergesetz vorgegeben (s. § 20 GrEStG).1 Die inhaltlichen Vorgaben gelten einheitlich für die Anzeigen der Beteiligten (§ 19 GrEStG)2 und die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG).

1 BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 38, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zu einer unvollständigen Anzeige nach § 19 Abs. 1 GrEStG beim Erwerb aller Aktien an einer mittelbar grundbesitzhaltenden Aktiengesellschaft durch eine britische Limited), und zuvor Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 13; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 14. 2 Zum Inhalt der Anzeigen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG s. Tz. 13 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG (BStBl. I 2018, 1314). Danach sind von grundbesitzenden Personengesellschaft alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Die Anzeige ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu erstatten. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG muss die Anzeige bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht enthalten.

904

Wachter

E. Form der Anzeigen (Abs. 4 und Abs. 5)

Rz. 212 § 19

E. Form der Anzeigen (Abs. 4 und Abs. 5) I. Schriftlich (Abs. 5 Satz 2) Die Anzeigen der Beteiligten sind eine Steuererklärung im Sinne der Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 149 ff. AO).1

206

Die Anzeigen müssen schriftlich erfolgen (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG; s. auch § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 150 AO).2

207

Eine elektronische Übermittlung der Anzeigen ist möglich (§ 19 Abs. 5 Satz 3 GrEStG i.V.m. § 87a AO). Dies gilt nicht nur für die Anzeigen, sondern auch für die Abschriften der Urkunde (§ 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG) und die Anlagen (wie etwa eine Beteiligungsübersicht, § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Die elektronische Übermittlung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (§ 87a AO). Nicht ausreichend ist danach die bloße Übersendung eines USB-Sticks, eines sonstigen Datenträgers oder eines Links zu einem Download-Server.3

208

Die Anzeigen sind nicht zu unterschreiben (s. § 150 Abs. 3 AO und § 126 BGB).

209

II. Vordruck Für die Anzeigen der Beteiligten ist (anders als für die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) kein amtlicher Vordruck vorgesehen.4 Die Anzeigen müssen aber schriftlich erfolgen (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG) und den gesetzlichen Mindestinhalt (§ 20 GrEStG) aufweisen.

210

III. Abschrift der Urkunde (Abs. 4 Satz 2) Der Anzeige ist5 eine Abschrift der Urkunde beizufügen, wenn über den anzeigepflichtigen Vorgang eine privatschriftliche Urkunde aufgenommen worden ist (§ 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG; s. auch § 97 AO). Entsprechendes gilt für die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).

211

Eine ordnungsgemäße Anzeige nach dem Grunderwerbsteuergesetz setzt somit regelmäßig Anzeige 212 und Abschrift voraus.6 Eines allein genügt nicht. Die bloße Anzeige (ohne das Beifügen einer Abschrift) ist ebenso unzureichend wie das Übersenden einer Abschrift (ohne eine gesonderte Anzeige).7

1 BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, Rz. 22 und Rz. 38, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert und ausführlich Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 31 ff. 2 BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 38, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zu einer unvollständigen Anzeige nach § 19 Abs. 1 GrEStG beim Erwerb aller Aktien an einer mittelbar grundbesitzhaltenden Aktiengesellschaft durch eine britische Limited). 3 Kritisch insoweit Hötzel, Der Konzern 2019, 320 (321) (wonach dies für Anzeigen an mehrere Finanzämter bei großen Immobilientransaktionen mit umfangreichen Anlagen nicht ausreichend sei). 4 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 16. 5 Zu Recht einschränkend BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 43, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (der Anzeige sind „in der Regel“ die in § 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG genannten Abschriften beizufügen). 6 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 14; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 38. 7 Siehe dazu FG Düsseldorf v. 21.11.2012 – 7 K 3613/12 GE (Az. BFH: II B 158/12), EFG 2013, 546 (bloße Übersendung einer Urkundsabschrift durch den Notar an das Finanzamt ohne Hinweis auf die Übertragung eines Grundstücks ist keine ordnungsgemäße Anzeige).

Wachter

905

§ 19 Rz. 213 Anzeigepflicht der Beteiligten 213

Der Anzeige an das Finanzamt ist eine Abschrift der Urkunde beizufügen. Eine einfache Abschrift ist dabei ausreichend. Die Übersendung einer beglaubigten Abschrift ist gesetzlich nicht vorgesehen (anders z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 ErbStDV) und kann auch nicht verlangt werden.1 Manche Finanzämter verlangen in der Praxis (zusätzlich) die Übersendung einer elektronischen Kopie (z.B. als pdf-Dokument) per Email (oftmals zur Weiterleitung an andere Finanzämter oder Behörden). Eine Rechtsgrundlage dafür besteht nicht.

214

Die Übersendung einer Abschrift genügt. Mehrere Abschriften können vom Finanzamt nicht verlangt werden (z.B. zur Weiterleitung an andere Finanzämter im Rahmen von Kontrollmitteilungen).

215

Der Anzeige ist eine vollständige Abschrift der Urkunde beizufügen. Dies umfasst sämtliche Anlagen, Nachträge, Ergänzungen und Pläne. Die Abschrift muss lückenlos sein. Schwärzungen oder Streichungen sind nicht zulässig (auch nicht aus Gründen des Datenschutzes oder zum Schutz von Persönlichkeitsrechten). Der Normzweck gebietet eine vollständige und lückenlose Information des zuständigen Finanzamts. Die Abschrift für das Finanzamt muss auch etwaige Vollmachten, Registerauszüge oder Existenz- und Vertretungsnachweise umfassen.

216

Bei fremdsprachigen (auch englischsprachigen) Urkunden kann das Finanzamt von den Beteiligten (nicht aber vom Notar, § 18 GrEStG) die Vorlage einer Übersetzung verlangen (§ 87 AO). Im Rahmen der Ermessenausübung kann das Finanzamt eine auszugsweise Übersetzung ausreichen lassen. Maßgebend ist stets, welche Informationen das Finanzamt für Zwecke der Grunderwerbsteuer tatsächlich benötigt.

F. Frist für die Anzeigen (Abs. 3) I. Regelfall: Steuerinländer (Abs. 3 Satz 1) 217

Die Steuerschuldner müssen die Anzeigen grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung erstatten (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GrEStG).2 Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG).

218

Die Anzeigefrist beginnt mit der Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Vorgang.3 Bei Gesellschaften und anderen Rechtsträgern kommt es auf die Kenntnis der vertretungsberechtigten Organmitglieder (s. § 166 BGB) an. Maßgebend ist die Kenntnis von dem Rechtsvorgang, nicht die Kenntnis von der Grunderwerbsteuerpflicht.

219

Gerichte, Behörden und Notare müssen die Anzeigen auch dann innerhalb der Frist von zwei Wochen erstatten, wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs vom Eintritt einer Bedingung, vom Ablauf einer Frist oder von einer Genehmigung abhängig ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG). Für die Anzeigen der Beteiligten fehlt eine vergleichbare Vorschrift (§ 19 GrEStG). Die Vorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG gilt für die Anzeigepflicht der Beteiligten weder unmittelbar noch entsprechend (zur Kritik an dieser Regelung s. § 18 Rz. 205 ff.).4 Die Anzeige hat vielmehr erst dann zu erfolgen, wenn die Grunderwerbsteuer entstanden ist (§ 14 GrEStG, § 38 AO).5 1 Siehe Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 35 und Rz. 38. 2 Siehe dazu BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert; v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 43, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller. 3 Im Zusammenhang mit den Anzeigen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG s. dazu Tz. 13 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG (BStBl. I 2018, 1314). Danach sind von grundbesitzenden Personengesellschaft alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Die Anzeige ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu erstatten. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG muss die Anzeige bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht enthalten. 4 Siehe dazu FG München v. 20.1.2021 – 4 K 270/20 (Az. BFH II R 2/21), EFG 2021, 570 mit Anm. Kronawitter = ErbStB 2021, 104 mit Anm. Halaczinsky. 5 Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 11.

906

Wachter

F. Frist für die Anzeigen (Abs. 3)

Rz. 228 § 19

Bei Versäumnis der Frist kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 152 AO).1 Die Höhe des Verspätungszuschlags richtet sich nach § 19 Abs. 6 GrEStG (s. dazu Rz. 53 und Rz. 231 ff.).

220

Kritik: Die Frist von zwei Wochen ist sehr kurz bemessen.2 Dies gilt insbesondere bei Beteiligten, die steuerlich nicht beraten sind. Eine ordnungsgemäße Anzeige (mit dem gesetzlichen Mindestinhalt, § 20 GrStG) ist innerhalb der Frist vielfach kaum möglich. Eine allgemeine Verlängerung der Anzeigefrist (nicht nur für Steuerausländer, s. § 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) auf drei Monate wäre sachgerecht.

221

Die Frist von zwei Wochen kann grundsätzlich verlängert werden (s. § 109 AO). Die Rechtsprechung3 verlangt allerdings, dass der Antrag auf Fristverlängerung innerhalb der Frist von zwei Wochen gestellt wird. Eine rückwirkende Fristverlängerung zur erstmaligen Erstattung der Anzeige soll nach Ablauf der Frist nicht mehr möglich sein. Diese Auffassung erscheint zu streng. Richtigerweise sollte eine Fristverlängerung auch noch nach Ablauf der (ohnehin sehr kurzen) Anzeigefrist von zwei Wochen möglich sein (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AO analog). Im Alltag wird die Einhaltung der Frist ohnehin großzügig gehandhabt.

222

In der Praxis sollte vorsorglich innerhalb der Frist eine (möglicherweise noch unvollständige) Anzeige erstattet werden und ein Antrag auf Fristverlängerung gestellt werden. Die fehlenden Angaben und Unterlagen können dann nach allgemeiner Meinung nachgereicht werden.

223

Bei Fristversäumnis soll nach überwiegender Auffassung4 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) ausgeschlossen sein. Dies erscheint unnötig restriktiv und wenig sachgerecht.5 Bei einem schuldlosen Versäumen (z.B. Krankheit) der kurzen Frist (des § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) muss nach allgemeinen Grundsätzen auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

224

II. Ausnahmefall: Steuerausländer (Abs. 3 Satz 2) Bei Steuerausländern gilt an Stelle der allgemeinen Frist für die Anzeigen von zwei Wochen generell eine Frist von einem Monat (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG).6 Die Monatsfrist findet auf alle Erwerbsvorgänge Anwendung, die nach dem 22.7.2016 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 15 GrEStG).

225

Die Frist von einem Monat gilt für natürliche Person ohne Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland.

226

Bei Kapitalgesellschaften gilt die Monatsfrist nach dem Gesetzeswortlaut, wenn diese „ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland“ ist. Nach dem Normzweck muss es für die Fristverlängerung aber darauf ankommen, dass sich Satzungssitz (§ 11 AO) und Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Ausland befinden. Befindet sich dagegen Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, ist die Kapitalgesellschaft steuerlich im Inland ansässig (s. § 1 Abs. 1 KStG) und es bleibt bei der Anzeigenfrist von zwei Wochen.

227

Bei Personengesellschaften ist die internationale Abgrenzung schwieriger als bei den Kapitalgesellschaften. Das Grunderwerbsteuergesetz stellt jetzt darauf ab, dass die Personengesellschaft „ohne Ort der Geschäftsführung im Inland“ ist. Mit Geschäftsführung dürfte der Ort der Geschäftsleitung gemeint sein (§ 10 AO). Auf die Belegenheit der Betriebsstätten (§ 12 AO) und deren Zuordnung zum in- oder ausländischen Vermögen soll es dagegen nicht ankommen.

228

1 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 15; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 13. 2 Allgemeine Auffassung, s. nur Loose in Boruttau18, § 18 GrEStG Rz. 39 und § 19 GrEStG Rz. 36. – Nur zu § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und nicht auch zu § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auch Heine in Wilms/Jochum, § 18 GrEStG Rz. 44. 3 BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, Rz. 21 ff., BFH/NV 2016, 420 (erstmalige Erstattung der Anzeige muss innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen). 4 Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 36. 5 Großzügiger auch Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 15 (Möglichkeit einer Wiedereinsetzung erscheint nicht völlig ausgeschlossen). 6 Änderung von § 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016 (BGBl. I 2016, 1679). Siehe dazu OFD Nds. v. 29.7.2016, DB 2016, 2088 und Weilbach, § 19 GrEStG Rz. 4a.

Wachter

907

§ 19 Rz. 229 Anzeigepflicht der Beteiligten 229

Für andere juristische Personen oder Erwerber im Ausland (z.B. Stiftungen, Vereine oder Genossenschaften) ist keine Fristverlängerung vorgesehen. Richtigerweise muss die Frist für alle Erwerber im Ausland gelten. Die Zusammenstellung der erforderlichen Angaben und Unterlagen erfordert in diesen Fällen einen erhöhten (Zeit-)Aufwand. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform des Steuerschuldners.

230

Nicht ganz unproblematisch erscheint allerdings, dass Steuerausländer damit allgemein bessergestellt werden als Steuerinländer. Im Anwendungsbereich der europäischen Grundfreiheiten dürfte dies eine unzulässige Inländerdiskriminierung darstellen. Richtigerweise sollte die Anzeigefrist einheitlich (und für alle Steuerschuldner) auf drei Monate verlängert werden.

III. Verspätungszuschlag (Abs. 6) 1. Überblick 231

Im Jahressteuergesetz 2020 wurde die Vorschrift des § 19 GrEStG um einen neuen Absatz 6 ergänzt.1 Die allgemeine Vorschrift zum Verspätungszuschlag (§ 152 AO) wurde dabei durch eine besondere Regelung für verspätete Anzeigen bei der Grunderwerbsteuer ergänzt.2 Die Höhe des Verspätungszuschlags bestimmt sich nach § 152 Abs. 5 Satz 2 AO (§ 19 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GrEStG). § 152 Abs. 6 AO ist dabei nicht anzuwenden (§ 19 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG). Die allgemeine Begrenzung der Höhe des Verspätungszuschlags auf 25.000 Euro (§ 152 Abs. 10 AO) findet bei der Grunderwerbsteuer keine Anwendung (§ 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG).3 Die Neuregelung gilt erstmals für Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.20204 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 17 GrEStG).5 Die Neuregelung zum Verspätungszuschlag gilt nur für die Anzeigen der Beteiligten (nach § 19 GrEStG) und nicht auch für die steuerlichen Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (nach § 18 GrEStG). Eine analoge Anwendung zu Lasten der Anzeigeverpflichteten ist ausgeschlossen. 2. Höhe des Verspätungszuschlags

232

Die Anzeigen der Beteiligten (nach § 19 GrEStG) sind Steuererklärungen im Sinne der Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Bei Nichterfüllung bzw. bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der An-

1 Art. 32 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096 = BStBl. I 2021, 6. Siehe dazu den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/22850 v. 25.9.2020 = BR-Drucks. 503/20 v. 3.9.2020, und die Stellungnahmen des Bundesrates, BR-Drucks. 746/20 (Beschluss) v. 18.12.2020 und BRDrucks. 503/20 (Beschluss) v. 9.10.2020. 2 Zu der Neuregelung des Verspätungszuschlags s. u.a. Halaczinsky, ErbStB 2021, 86 (87). 3 Die Neuregelung des § 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG (nicht aber auch Satz 1) war bereits in Art. 19 Nr. 9 Buchst. b des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Finanzen v. 8.5.2019 für ein „Jahressteuergesetz 2019“ enthalten (s. Rz. 53). Zur Begründung s. S. 214 ff. des Referentenentwurfs. 4 Siehe dazu aber auch § 23 Abs. 18 a.E. GrEStG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986): Danach ist u.a. § 19 Abs. 6 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung erstmals auf Erwerbe anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden sind. Diese Regelung ist mit § 23 Abs. 17 GrEStG (wonach § 19 Abs. 6 GrEStG auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht worden sind, anzuwenden ist) nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen. Möglicherweise handelt es sich bei dem Verweis in § 23 Abs. 18 GrEStG auf § 19 Abs. 6 GrEStG um ein Redaktionsversehen, da die Vorschrift (des § 19 Abs. 6 GrEStG) durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) gar nicht (mehr) geändert worden ist. Die Änderung von § 19 Abs. 6 GrEStG ist vielmehr bereits durch das Jahressteuergesetzes 2020 v. 21.12.2020 (BGBl. I 2020, 3096) erfolgt. Aufgrund der widersprüchlichen Gesetzesanordnungen sind die Regelungen in § 23 Abs. 17 und Abs. 18 GrEStG partiell nichtig und können zu Gunsten des Steuerpflichtigen erst ab dem späteren Zeitpunkt (d.h. für Erwerbsvorgänge nach dem 30.6.2021 und nicht schon nach dem 28.12.2020) angewendet werden. 5 Zu einer Aufhebung eines Verspätungszuschlags wegen eines entschuldbaren Versäumnis der Anzeige nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG vor einer Klärung durch die Rechtsprechung s. BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert.

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Wachter

F. Frist für die Anzeigen (Abs. 3)

Rz. 236 § 19

zeigepflicht kann das Finanzamt nach allgemeinen Vorschriften einen Verspätungszuschlag festsetzen (§ 152 AO). Die Höhe des Verspätungszuschlags beträgt für Anzeigen (nach § 19 GrEStG), die sich auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 19 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GrEStG).

233

Eine Besonderheit besteht in den Fällen der gesonderten Feststellung (nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG). Dann gilt die allgemeine Vorschrift des § 152 Abs. 6 AO nicht (so ausdrücklich § 19 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GrEStG). Der Gesetzgeber hat dies wie folgt begründet:1 „Bei Feststellungsfällen im Sinne des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG richtet sich die Höhe des Verspätungszuschlags hingegen nach § 152 Abs. 6 AO, weil die Anzeige in diesen Fällen eine Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen darstellt. Der Verspätungszuschlag beträgt somit in Feststellungsfällen für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 25 Euro. Die derzeitige Gesetzeslage führt damit zu einer ungerechtfertigten Begünstigung der Feststellungsfälle im Vergleich zu Fällen, bei denen auf Grund der Lage der Grundstücke keine Feststellung durchzuführen ist. Darüber hinaus kommt in Fällen, die von den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG erfasst werden, nach derzeitiger Gesetzeslage regelmäßig § 152 Abs. 6 AO zur Anwendung, so dass ein Verspätungszuschlag von 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung festzusetzen ist. Der Höchstbetrag nach § 152 Abs. 10 AO würde erst nach mehr als 83 Jahren Verspätung erreicht, käme also praktisch nie zur Anwendung. Die gesetzliche Neuregelung in § 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ginge damit gerade für die Fälle, in denen die Finanzverwaltung auf die Anzeige durch den Steuerpflichtigen angewiesen ist, ins Leere.“

234

Nach allgemeinen Vorschriften darf der Verspätungszuschlag höchstens 25.000 Euro betragen (§ 152 235 Abs. 10 AO). Diese Begrenzung gilt aber nicht für die Grunderwerbsteuer (§ 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG). Dies wird vor allem mit der Missbrauchsbekämpfung begründet. In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu:2 „Die Aufhebung oder Begrenzung der Höhe des Verspätungszuschlags bei Nichterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigeplicht nach § 19 GrEStG ist aus Gründen der Missbrauchsvermeidung erforderlich. Der Verspätungszuschlag hat den Zweck, Pflichtverletzungen wegen nicht oder verspäteter Abgabe der Steuererklärung zu sanktionieren und dient zugleich der Prävention. Die Anzeigen in Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG sind vor allem bei den Ergänzungstatbeständen § 1 Absatz 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG die primäre Informationsquelle der Finanzverwaltung und das wesentliche Instrument zur Vollzugssicherung. Bei Unterlassen der (rechtzeitigen) Anzeige wird die Steuerveranlagung erheblich erschwert. Lediglich die Aufhebung der Begrenzung führt zur ausreichenden Wirksamkeit, um bei Fällen mit hohen Immobilienwerten auch einen angemessenen Verspätungszuschlag festzusetzen. Eine Anhebung der maximalen Höhe des Verspätungszuschlags ist in diesen Fällen nicht ausreichend. Fälle mit geringen Immobilienwerten, die auch zu einer geringeren festzusetzenden Steuer führen, sind von der Aufhebung der Höhe des Verspätungszuschlags auf Grund der Bemessung in Höhe von 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer je angefangenem Monat der Verspätung nicht betroffen.“ Kritik:3 Diese Regelung überzeugt nicht. Angesichts der sehr kurzen Anzeigefrist von zwei Wochen (bzw. bei Steuerausländern einem Monat) erscheint ein derart hoher Verspätungszuschlag völlig unangemessen. Angesichts des Umfangs der Anzeigepflichten (s. § 20 GrEStG) müsste die Anzeigefrist verlängert werden (und nicht der Verspätungszuschlag erhöht werden). 1 Siehe dazu die Begründung zu § 19 Abs. 6 GrEStG in BT-Drucks. 19/22850 v. 25.9.2020 = BR-Drucks. 503/20 v. 3.9.2020. 2 Siehe dazu die Begründung zu § 19 Abs. 6 GrEStG in BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019 = BR-BR-Drucks. 355/19 v. 9.8.2019. 3 Kritisch zu der Änderung auch Hötzel, Der Konzern 2019, 320.

Wachter

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§ 19 Rz. 236 Anzeigepflicht der Beteiligten Die allgemein geltende Begrenzung des Verspätungszuschlags auf 25.000 Euro (s. § 152 Abs. 10 AO) soll bei der Grunderwerbsteuer für verspätet eingereichte Anzeigen keine Anwendung finden. Eine solche Sonderregelung für einzelne Steuerarten widerspricht der allgemeinen (und einheitlichen) Geltungsanordnung der Abgabenordnung für alle Steuern. Eine hinreichende Begründung dafür, warum gerade bei der Grunderwerbsteuer der allgemeine Höchstbetrag nicht ausreichen soll, ist nicht ersichtlich. Der Hinweis auf einen „Missbrauch der Anzeigen“ ist irritierend. Die Beteiligten sind gesetzlich verpflichtet, die Anzeigen (nach § 19 GrEStG) beim zuständigen Finanzamt ordnungsgemäß zu erstatten. Etwaige Verstöße können nach allgemeinen Vorschriften sanktioniert werden (und unter Umständen auch strafrechtlich geahndet werden). Beteiligte, die ihrer Anzeigepflicht nicht fristgerecht nachkommen, verletzen ihre steuerlichen Pflichten, missbrauchen aber nicht die gesetzlichen Anzeigen. Die in der Gesetzesbegründung hervorgehobene Differenzierung zwischen Fällen mit hohen und Fällen mit niedrigen Immobilienwerten erscheint im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot bedenklich. Der Verspätungszuschlag darf nicht dahingehend umgestaltet werden, dass bei großen Fällen eine Art „Strafsteuer“ erhoben werden kann.

G. Empfänger der Anzeigen (Abs. 4 Satz 1) 237

Die Anzeigen sind an das für die Erhebung der Grunderwerbsteuer (sachlich und örtlich) zuständige Finanzamt zu senden (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG).1

238

Eine Anzeige an ein anderes Finanzamt ist grundsätzlich nicht ausreichend.

239

Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn das unzuständige Finanzamt die Anzeige (innerhalb der Frist von zwei Wochen) an das zuständige Finanzamt weiterleitet (Rechtsgedanke von § 357 Abs. 2 Satz 4 AO).2

240

Die Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz sind im Regelfall an das Finanzamt zu übersenden, das auch für die Besteuerung zuständig ist (§ 17 Abs. 1 GrEStG). Für die Besteuerung ist grundsätzlich das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück (oder der wertvollste Teil des Grundstücks) liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Liegt das Grundstück in den Bezirken von Finanzämtern verschiedener Bundesländer, ist jedes dieser Finanzämter für die Besteuerung des Erwerbs insoweit zuständig, als der Grundstücksteil in seinem Bezirk liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). In diesen Fällen ist die (eine) Anzeige an mehrere Finanzämter zu übersenden.

241

In bestimmten Ausnahmefällen (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) werden die Besteuerungsgrundlagen von einem Finanzamt gesondert festgestellt. Die Anzeigen sind dann (nur) an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu übersenden.3

242

Kritik: Die Zuständigkeitsregelung ist (zumindest aus Sicht der Steuerschuldner, die unter Umständen steuerlich nicht beraten sind) in vielen Fällen nur schwer verständlich und wenig transparent (zur Kritik s. auch oben Rz. 14 ff., § 17 Rz. 31 und § 18 Rz. 217 ff., 223 ff.). In vielen Bundesländern bestehen zudem besondere Zuständigkeiten einzelner Finanzämter für die Grunderwerbsteuer, die nicht immer bundesweit bekannt sind.

1 BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 38, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zu einer unvollständigen Anzeige nach § 19 Abs. 1 GrEStG beim Erwerb aller Aktien an einer mittelbar grundbesitzhaltenden Aktiengesellschaft durch eine britische Limited), und im Schrifttum Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 17; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 12; Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 41 ff. 2 So auch Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 17; Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 15. 3 Siehe dazu BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, Rz. 20, BStBl. II 2020, 157 = GmbHR 2019, 1360 mit Anm. Brühl = ErbStB 2019, 338 mit. Anm. Böing (wo ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG nicht innerhalb der Frist beim zuständigen Finanzamt angezeigt worden ist und daher eine spätere Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 5 GrEStG nicht mehr möglich war).

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H. Rechtsfolgen

Rz. 251 § 19

Die Zuständigkeit ist zudem oftmals von tatsächlichen Umständen abhängig, die im Zeitpunkt der Anzeigenerstattung oftmals (noch) gar nicht bekannt sind. Beispielsweise ist vielfach unklar, in welchem Finanzamtsbezirk das „wertvollste Grundstück“ oder der „wertvollste Grundstücksteil“ liegt (§ 17 Abs. 1 und 2 GrEStG). Auf welche Werte kommt es insoweit an? Welcher Stichtag ist für die Werte maßgebend? Wer ermittelt und überprüft diese Werte? Wer entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten zwischen (mehreren) Finanzämtern und Steuerpflichtigen?

243

In rechtlicher Hinsicht ist keineswegs immer eindeutig, ob die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) oder ob im Einzelfall davon abgesehen wird (§ 17 Abs. 4 GrEStG). Innerhalb der kurzen Anzeigefrist von zwei Wochen kann diese Frage meist nicht verbindlich geklärt werden (noch dazu von einem für die Grunderwerbsteuer an sich unzuständigen Gericht, Behörde oder Notar).

244

Diese Schwierigkeiten bestehen bei Anzeigen der (privaten) Steuerschuldner noch sehr viel stärker als bei den Anzeigen der (staatlichen) Gerichte, Behörden und Notare.

245

Die bestehenden Unsicherheiten und Risiken, die mit der Ermittlung des richtigen Empfängers für die Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz verbunden sind, sind (je nach Perspektive) Anlass für folgende Überlegungen.

246

Anzeigepflichtige Personen: Gerichte, Behörden und Notare (soweit Steuerschuldner) sollten vor jeder Anzeige die (sachliche und örtliche) Zuständigkeit des Finanzamts sorgfältig prüfen (s. auch www.finanzamt.de). Dabei ist insbesondere auch darauf zu achten, dass die Adresse des für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamts richtig und vollständig angegeben wird. Eine Anzeige an ein (örtlich oder sachlich) unzuständiges Finanzamt entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Bei Zweifeln kann unter Umständen auch eine (vorsorgliche) Anzeige an mehrere Finanzämter in Betracht kommen.

247

Finanzverwaltung: Der Finanzverwaltung obliegen gewisse Kooperations- und Mitwirkungspflichten gegenüber den anzeigepflichtigen Personen. Dazu gehört es, Anzeigen, die (versehentlich) bei einem unzuständigen Finanzamt eingehen, unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten (bzw. das weitere Vorgehen mit dem Absender durch Nachfrage klären).1 Die Finanzverwaltung muss stets das ihr Mögliche tun, damit die Anzeigen form- und fristgerecht beim richtigen Empfänger eingehen. Nicht sachgerecht wäre es dagegen, wenn sich die Finanzverwaltung lediglich auf Formfehler bei der Anzeige stützt.2 Ein kooperatives Miteinander hilft, solche Formfehler zu vermeiden und gewährleistet ordnungsgemäße Anzeigen.

248

Gesetzgeber: Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob er nicht klarere und einfachere Empfangszuständigkeiten schafft. Die Unklarheiten dürfen jedenfalls nicht zu Lasten der anzeigepflichtigen Personen gehen.

249

H. Rechtsfolgen I. Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Anzeige Die Anzeigen der Beteiligten nach dem Grunderwerbsteuergesetz sind Steuererklärungen (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 149 ff. AO).

250

Mit der Erfüllung der Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) kommen die Beteiligten ihren gesetzlichen Pflichten nach. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigepflicht hat aber auch darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht erhebliche praktische Bedeutung. Dies gilt beispielsweise für:

251

1 Ähnlich auch Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 42 (Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeit dürfen nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen). 2 Strenger Heine in Wilms/Jochum, § 18 GrEStG Rz. 41 ff.

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§ 19 Rz. 252 Anzeigepflicht der Beteiligten 252

Beginn der Festsetzungsverjährung: Die ordnungsgemäße1 Anzeige der Beteiligten ist maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).2

253

Steuerfreie Rückabwicklung: Die ordnungsgemäße Erstattung der Anzeigen (nach § 19 GrEStG) ist zudem Voraussetzung dafür, dass bestimmte Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG) steuerfrei wieder rückgängig gemacht werden (§ 16 Abs. 5 i.V.m. §§ 19 und 20 GrEStG).3

254

Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens: Die fristgerechte und vollständige4 Anzeige i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG ist ferner Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefreiung von Erwerbsvorgängen (i.S.v. § 1 GrEStG), die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle (nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ergeben (§ 100a Satz 1 KAGB).5

II. Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige 1. Unmittelbare Rechtsfolgen 255

Beteiligte (Steuerschuldner), die ihren steuerlichen Anzeigepflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen, verletzen die ihnen obliegenden gesetzlichen Pflichten.6 Damit verletzen sie ihre Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 149 ff. AO).7

256

Das Finanzamt kann gegen denjenigen, der seiner Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, einen Verspätungszuschlag festsetzen (§ 152 AO und § 19 Abs. 6 GrEStG; zur Neuregelung des § 19 Abs. 6 GrEStG s. oben Rz. 231 ff. und Rz. 53).8

257

Das Finanzamt kann die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigepflichten auch zwangsweise durchsetzen (§§ 328 ff. AO).

258

Unrichtige oder unvollständige Anzeigen sind unverzüglich zu berichtigen (§ 153 AO).

259

Die bewusste Verletzung von Anzeigepflichten kann im Einzelfall auch steuerstrafrechtliche Folgen haben (§§ 370, 378 AO9).10 1 Eine unvollständige Anzeige genügt dafür allerdings nicht. Siehe BFH v. 17.8.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 (Anzeige ohne die erforderlichen Angaben zum Grundbesitz nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG verschafft dem Finanzamt nicht die erforderliche positive Kenntnis des Sachverhalts und würde die Bearbeitungszeit unzulässig verkürzen). 2 Siehe dazu BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert; v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310. 3 Siehe dazu zuletzt BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). – Zur Kritik daran s. § 19 Rz. 14 ff. und § 20 Rz. 8 und Rz. 28. 4 Nach dem Wortlaut von § 100a Satz 1 KAGB muss die Anzeige „fristgerecht und vollständig“ sein. Dagegen muss die Anzeige (anders als etwa bei § 16 Abs. 5 GrEStG) nicht „in allen Teilen“ vollständig sein. 5 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97. 6 Siehe dazu Pahlke6, § 19 GrEStG Rz. 16. 7 BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert. 8 Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 32. 9 Zur Leichtfertigkeit eines Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Unterlassen einer Anzeige nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrEStG s. BFH v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932 = AO-StB 2009, 230 (Einbringung eines Unternehmens samt Grundstücken in einer Kommanditgesellschaft). – Zu den steuerstrafrechtlichen Folgen der Verletzung von Anzeigepflichten s. auch die deutlichen Hinweise bei Loose, DB 2019, 1595 (1596); Schmid M., DStRK 2019, 187 (187). – Zu einer möglichen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) durch Unterlassen der Anzeige (nach § 19 GrEStG) s. Dickhöfer, EFG 2021, 996 (997) (Urteilsanmerkung zu FG Düsseldorf v. 25.3.2021 – 11 K 2137/20 GE, EFG 2021, 993). 10 Zur strafbaren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit falschen Angaben nach §§ 30 ff. ErbStG (nicht nach § 19 GrEStG) s. BGH v. 10.2.2015 –1 StR 405/14, AO-StB 2015, 227 = NJW 2015, 2354 mit Anm. Ruhmannseder. – Ausführlich zum Ganzen Beyer, BB 2015, 3040; Esskandari/Bick, ErbStB 2015, 299.

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Wachter

H. Rechtsfolgen

Rz. 267 § 19

2. Mittelbare Rechtsfolgen a) Festsetzungsfrist Die Verletzung der Anzeigepflichten durch die Beteiligten kann aber auch darüber hinaus noch weite- 260 re Rechtsfolgen haben. Ein Beispiel dafür ist die Verlängerung der Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO).1 Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Eine Verletzung der steuerlichen Anzeigepflichten kann zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist führen. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) verlängert sich die Festsetzungsfrist von vier Jahren auf fünf Jahre (§ 378 AO) und bei Steuerhinterziehung (§ 370 AO) von vier 4 Jahren auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

261

Die Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 14 GrEStG, § 38 AO).

262

Abweichend davon beginnt die Festsetzungsfrist jedoch erst später, wenn eine „Anzeige zu erstatten“ ist. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die (ordnungsgemäße) Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).2 Die vollständige3 Anzeige ist somit maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsfrist.4

263

Die Vorschrift soll verhindern, dass die Festsetzungsfrist schon beginnt, bevor das zuständige Finanzamt von dem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang überhaupt Kenntnis erlangt hat. Der Steuerpflichtige soll insbesondere durch eine Verletzung bzw. Verzögerung seiner Anzeigen nicht die dem Finanzamt zur Prüfung des Vorgangs zur Verfügung stehende Zeit verkürzen können.5

264

Mit den Anzeigen (i.S.v. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) sind allerdings nur die Anzeigen der Steuer- 265 pflichtigen (der Beteiligten nach § 19 GrEStG) gemeint und nicht auch die Anzeigen Dritter.6 Der spätere Beginn der Festsetzungsfrist ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige die ihm obliegenden Anzeigepflichten selbst verletzt hat. Dagegen wäre es nicht sachgerecht, den Beginn der Festsetzungsfrist zu verschieben, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter seine Anzeigepflicht verletzt hat. Die Verletzung von Anzeigepflichten durch Dritte wirkt sich somit nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen aus.

266

Die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigepflichten durch Dritte wirkt sich dagegen durchaus zu Gunsten des Steuerpflichtigen aus.7 Bei Erwerbsvorgängen, die dem für die Grunderwerbsteuer zu-

267

1 Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 18. 2 Zu Fragen der Festsetzungsverjährung, der Verfolgungsverjährung und einer möglichen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) durch Unterlassen der Anzeige (nach § 19 GrEStG) s. Dickhöfer, EFG 2021, 996 (997) (Urteilsanmerkung zu FG Düsseldorf v. 25.3.2021 – 11 K 2137/20 GE, EFG 2021, 993). 3 Siehe dazu BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 37 ff., BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zu einer unvollständigen Anzeige nach § 19 Abs. 1 GrEStG beim Erwerb aller Aktien an einer mittelbar grundbesitzhaltenden Aktiengesellschaft durch eine britische Limited); BFH v. 23.5.2012 – II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579 (zu einer zwar lückenhaften, aber gleichwohl noch ausreichend vollständigen Anzeige); v. 17.8.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 (zu einer unvollständigen Anzeige). 4 Siehe dazu BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627 = BB 2019, 1571 mit Anm. Behrens = DB 2019, 1547 mit Anm. Loose, S. 1595 = ZfIR 2019, 764 mit Anm. Lambert (zu einer verspäteten Anzeige nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bei einer steuerbegünstigten Grundstückseinbringung in eine Gesamthand); v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 35 ff., BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zur Verletzung der Anzeigepflichten nach §§ 19, 20 GrEStG im Zusammenhang mit einer mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft). 5 BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 39, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 =BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (die Anlaufhemmung tritt schon bei objektiver Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG ein und zwar unabhängig von subjektiven Merkmalen oder persönlichen Kenntnissen). 6 BFH v. 26.2.2007 – II R 50/06, BFH/NV 2007, 1535; v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310; v. 21.6.1995 – II R 11/92, BStBl. II 1995, 802; v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 868. 7 BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl. II 2005, 780 = AO-StB 2005, 310.

Wachter

913

§ 19 Rz. 267 Anzeigepflicht der Beteiligten ständigen Finanzamt zwar nicht von den Beteiligten (nach § 19 GrEStG), aber von Dritten (nach § 18 GrEStG) ordnungsgemäß angezeigt sind, verschiebt sich der Beginn der Festsetzungsfrist nicht. Das Finanzamt hat dann positive Kenntnis von dem Vorgang, so dass kein Grund für eine verlängerte Bearbeitungszeit besteht. b) Steuerfreie Rückabwicklung 268

Die Verletzung der Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) führt dazu, dass bestimmte Erwerbsvorgänge (nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG) nicht mehr steuerfrei rückgängig gemacht werden können (§ 16 Abs. 5 GrEStG).1

269

Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine steuerfreie Rückabwicklung in diesen Fällen nur dann möglich, wenn alle anzeigepflichtigen Personen ihre Anzeigen vollständig erfüllt haben (s. „§§ 18 bis 20“, nicht § 18 und § 20 GrEStG). Danach wäre die Anwendung der Vorschrift bei jeder Verletzung der Anzeigepflichten ausgeschlossen. Dies erscheint jedoch unverhältnismäßig.

270

Bei Erwerbsvorgängen, die dem Finanzamt von mehreren Personen angezeigt werden müssen, sollte eine steuerfreie Rückabwicklung schon dann möglich sein, wenn zumindest eine (von mehreren) Anzeigen ordnungsgemäß erfüllt worden ist.2 Damit ist der Vorgang dem Finanzamt bekannt. Dies ist erforderlich, aber auch ausreichend. Eine ordnungsgemäße Anzeige durch die Gerichte, Behörden oder Notare (nach § 18 GrEStG) ermöglicht somit auch dann eine steuerfreie Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs (nach § 16 Abs. 5 GrEStG), wenn die Beteiligten ihren eigenen Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) nicht nachgekommen sind. c) Steuerbefreiung bei Übergang eines Immobilien-Sondervermögens

271

Die Verletzung der Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) führt dazu, dass Erwerbsvorgänge (i.S.v. § 1 GrEStG), die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle (nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ergeben, nicht grunderwerbsteuerfrei sind (§ 100a Satz 1 KAGB).3

272

Nach dem Gesetzeswortlaut setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass die Erwerbsvorgänge dem zuständigen Finanzamt „fristgerecht und vollständig i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG“ angezeigt worden sind. Die Anzeige muss aber nicht „in allen Teilen“ vollständig sein (so § 16 Abs. 5 GrEStG). Demnach kann auch eine (in Teilen) unvollständige Anzeige ausreichend sein, wenn das Finanzamt die Anzeige zweifelsfrei als solche erkennen kann und die fehlenden Angaben für die steuerliche Beurteilung des Vorgangs von untergeordneter Bedeutung sind.

273

Bei Erwerbsvorgängen, die dem Finanzamt von mehreren Personen angezeigt werden müssen, greift die Steuerbefreiung schon ein, wenn zumindest eine Anzeige (von mehreren Anzeigen) ordnungsgemäß ist. Damit ist der Vorgang dem Finanzamt bekannt. Dies ist erforderlich, aber auch ausreichend. Eine ordnungsgemäße Anzeige durch die Gerichte, Behörden oder Notare (nach § 18 GrEStG) ermöglicht somit auch dann die Steuerbefreiung des Erwerbsvorgangs (nach § 100a Satz 1 KAGB), wenn die Beteiligten ihren eigenen Anzeigepflichten (nach § 19 GrEStG) nicht nachgekommen sind.

1 BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung), sowie Loose in Boruttau19, § 19 GrEStG Rz. 34. – Zur Kritik daran s. § 19 Rz. 14 ff. und § 20 Rz. 8 ff. und Rz. 28. 2 Siehe dazu (allerdings noch zu § 16 Abs. 5 GrEStG a.F.) BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830 = BB 2012, 2096 mit Anm. Behrens = GmbHR 2012, 922 mit Anm. Adolf, und den Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung, gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 4.6.2013, BStBl. II 2013, 1277. 3 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97. – Ausführlich zur Grunderwerbsteuer bei Immobilienfonds G/B/B/S6, Kap. 14, S. 540 ff. m.w.N.

914

Wachter

§ 20 Inhalt der Anzeigen Derzeit geltende Fassung

(1) Die Anzeigen müssen enthalten: 1. Vorname, Zuname, Anschrift sowie die steuerliche Identifikationsnummer gemäß § 139b der Abgabenordnung oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer gemäß § 139c der Abgabenordnung des Veräußerers und des Erwerbers, gegebenenfalls auch, ob und um welche begünstigte Person im Sinne des § 3 Nummer 3 bis 7 es sich bei dem Erwerber handelt;

2. die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer;

3. die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung; 4. die Bezeichnung des anzeigepflichtigen Vorgangs und den Tag der Beurkundung, bei einem Vorgang, der einer Genehmigung bedarf, auch die Bezeichnung desjenigen, dessen Genehmigung erforderlich ist;

5. den Kaufpreis oder die sonstige Gegenleistung (§ 9); 6. den Namen der Urkundsperson.

Fassung durch Art. 14 Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Inkrafttreten wird durch RechtsVO bestimmt, vgl. § 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG) (1) Die Anzeigen müssen enthalten: 1. Name, Vorname, Anschrift, Geburtsdatum sowie die Identifikationsnummer gemäß § 139b der Abgabenordnung oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer gemäß § 139c der Abgabenordnung des Veräußerers und des Erwerbers, den Namen desjenigen, der nach der vertraglichen Vereinbarung die Grunderwerbsteuer trägt, sowie Name und Anschrift dessen gesetzlichen Vertreters und gegebenenfalls die Angabe, ob und um welche begünstigte Person im Sinne des § 3 Nummer 3 bis 7 es sich bei dem Erwerber handelt; bei nicht natürlichen Personen sind bis zur Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer gemäß § 139c der Abgabenordnung die Registerund die für die Besteuerung nach dem Einkommen vergebene Steuernummer des Veräußerers und des Erwerbers anzugeben; 2. die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer, den Anteil des Veräußerers und des Erwerbers am Grundstück und bei Wohnungsund Teileigentum die genaue Bezeichnung des Wohnungs- und Teileigentums sowie den Miteigentumsanteil; 3. die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung; 4. die Bezeichnung des anzeigepflichtigen Vorgangs, den Tag der Beurkundung und die Urkundennummer, bei einem Vorgang, der einer Genehmigung bedarf, auch die Bezeichnung desjenigen, dessen Genehmigung erforderlich ist, bei einem Vorgang unter einer Bedingung auch die Bezeichnung der Bedingung; 5. den Kaufpreis oder die sonstige Gegenleistung (§ 9); 6. den Namen und die Anschrift der Urkundsperson.

Wachter

915

§ 20 Rz. 1 Inhalt der Anzeigen (2) Die Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen außerdem enthalten: 1. die Firma, den Ort der Geschäftsführung sowie die Wirtschafts-Identifikationsnummer der Gesellschaft gemäß § 139c der Abgabenordnung,

2. die Bezeichnung des oder der Gesellschaftsanteile; 3. bei mehreren beteiligten Rechtsträgern eine Beteiligungsübersicht.

A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

1 6

. . . . . . . . . .

15 20

B. Inhalt der Anzeigen I. Mindestinhalt aller Anzeigen (Abs. 1) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Angaben a) Veräußerer und Erwerber (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundstück (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . c) Bebauung (Abs. 1 Nr. 3) . . . . . . d) Erwerbsvorgang (Abs. 1 Nr. 4)

. . .

29

. . . . . . . . .

33 53 66

(2) Die Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen außerdem enthalten: 1. die Firma, den Ort der Geschäftsführung sowie die Wirtschafts-Identifikationsnummer der Gesellschaft gemäß § 139c der Abgabenordnung; bis zur Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer gemäß § 139c der Abgabenordnung ist die Registerund die für die Besteuerung nach dem Einkommen vergebene Steuernummer der Gesellschaft anzugeben; 2. die Bezeichnung des oder der Gesellschaftsanteile; 3. bei mehreren beteiligten Rechtsträgern eine Beteiligungsübersicht.

aa) Anzeigepflichtiger Vorgang (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Tag der Beurkundung (Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) . . . . . . . . . . . . 73 cc) Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . 75 e) Kaufpreis oder sonstige Gegenleistung (Abs. 1 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . 82 f) Namen der Urkundsperson (Abs. 1 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Zusätzlicher Inhalt der Anzeigen bei Anteilen an einer Gesellschaft (Abs. 2) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Einzelne Angaben a) Gesellschaft (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . 97 b) Gesellschaftsanteile (Abs. 2 Nr. 2) . . . 102 c) Beteiligungsübersicht (Abs. 2 Nr. 3) . . 108

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Gottwald, Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer in der grunderwerbsteuerlichen Veräußerungsanzeige, DNotZ 2011, 83; Kowallik, Umsetzung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen für Unternehmen durch das Unternehmensbasisregistergesetz mit der Wirtschafts-IdNr. als Primärschlüssel, DB 2021, 1433.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

Die Vorschrift (§ 20 GrEStG) regelt den Inhalt der nach dem Grunderwerbsteuergesetz erforderlichen Anzeigen.

2

Der Inhalt der Anzeigen ist für alle Anzeigen einheitlich geregelt. Die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) und die Anzeigen der Steuerpflichtigen (§ 19 GrEStG) müssen somit dieselben Angaben enthalten.

3

Die Vorschrift regelt in ihrem Abs. 1 den Inhalt für alle Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz. Diese Angaben müssen in jeder Anzeige enthalten sein, und zwar unabhängig von dem jeweiligen Erwerbsvorgang und Steuertatbestand. 916

Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12 § 20

Nach Abs. 2 der Vorschrift müssen bei „Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen“, zusätzlich bestimmte weitere Angaben gemacht werden.

4

Die Vorschrift regelt den Inhalt der Anzeigen abschließend. Die Anzeigepflichtigen können in der Anzeige freiwillig weitergehende Angaben machen. Das Finanzamt kann solche Angaben allerdings nicht verlangen.

5

II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift bezweckt (zusammen mit den Anzeigepflichten nach §§ 18, 19 GrEStG) die vollständige Information der Finanzämter von allen für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgängen.

6

Die Angaben sollen die Finanzämter in die Lage versetzen, die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen und zu erheben. Mittelbar dient die Vorschrift somit auch der Sicherung des Grunderwerbsteueraufkommens.

7

Das Ziel einer umfassenden Information der Finanzämter ist legitim und anerkennenswert. Gleichwohl ist die Vorschrift unverhältnismäßig (zur Kritik s. auch § 19 Rz. 14 ff.).

8

Nach dem Gesetzeswortlaut müssen die Anzeigen eine Vielzahl von Informationen enthalten, die für die Erhebung der Grunderwerbsteuer in keiner Weise von Bedeutung sind. Beispiele dafür sind etwa die steuerliche Identifikationsnummer von Veräußerer und Erwerber, die Bezeichnung des Grundstücks auch mit Straße und Hausnummer, die Größe des Grundstücks, die Art der Bebauung und der Name der Urkundsperson. Angaben, die für die Besteuerung ohne Bedeutung sind, dürfen nicht generell von allen Anzeigepflichtigen verlangt werden.

9

Viele Angaben sind auch deshalb nicht erforderlich, weil sie sich bereits aus der Abschrift der Urkunde ergeben, die dem Finanzamt ohnehin zu übersenden ist. Eine doppelte Information des Finanzamts durch Anzeige und Abschrift ist weder geboten noch verhältnismäßig.

10

Manch andere Angaben sind dem Finanzamt ohnehin bekannt (z.B. bei den Bewertungsstellen der Finanzämter oder den Wohnsitzfinanzämtern) bzw. ergeben sich zuverlässig aus öffentlichen Registern (z.B. dem Liegenschaftskataster). Das Finanzamt ist beispielsweise berechtigt, das Grundbuch (auch ohne Darlegung eines berechtigten Interesses) einzusehen (§ 43 Abs. 1 GBV). Die Einsichtnahme in das Handelsregister und Unternehmensregister ist ohnehin jedermann (und damit auch dem Finanzamt) möglich (§ 9 HGB). Dies umfasst bei der GmbH beispielsweise auch die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste, aus der die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse ersichtlich sind (§§ 16, 40 GmbHG). Zudem können die Finanzbehörden jederzeit online das Transparenzregister einsehen und sich über die wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften und anderen Vereinigungen informieren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e GWG). Im Ausland bestehen oftmals vergleichbare Register (z.B. Handelsregister, Register der ultimate beneficial owner), die auch für deutsche Finanzbehörden zugänglich sind.

11

Darüber hinaus sind viele der geforderten Angaben den anzeigepflichtigen Personen selbst nicht bekannt und oftmals auch nicht zu erlangen. Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) können die erforderlichen Angaben lediglich erfragen, sind dabei aber weitgehend auf die freiwillige Mitwirkung der Beteiligten angewiesen. Ein gesetzlicher Auskunftsanspruch steht ihnen nicht zu (und kann von ihnen daher auch nicht durchgesetzt werden). Ähnliche Schwierigkeiten können auch bei der Anzeigepflicht der Steuerschuldner auftreten (§ 19 GrEStG). Bei Änderungen des Gesellschafterbestands einer Personen- bzw. Kapitalgesellschaft obliegt die Anzeigepflicht der Personengesellschaft (§§ 19 Abs. 1, 13 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG). Die Gesellschaft muss aber keineswegs immer vollständige Kenntnis über alle unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen haben. Auskunftsansprüche stehen der Gesellschaft kraft Gesetzes gleichfalls nicht zu. Demgegenüber kann das Finanzamt alle für die Grunderwerbsteuer erforderlichen Informationen im Rahmen des gesetzlichen Besteuerungsverfahrens ohne weiteres ermitteln (§§ 88 ff. AO). Die Beteiligten sind insoweit auch zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet. Dem Finanzamt stehen dabei auch entsprechende Zwangsmittel zur Verfügung.

12

Wachter

917

§ 20 Rz. 13 Inhalt der Anzeigen 13

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die gesetzlich vorgesehenen Anzeigen die Finanzämter möglichst vollständig über alle für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgänge informieren sollen. Dieses Ziel ist aber bereits dann erreicht, wenn das zuständige Finanzamt von dem (möglicherweise) steuerpflichtigen Erwerbsvorgang positive Kenntnis erlangt hat. Fehlende Informationen und Unterlagen können im Rahmen des gesetzlichen Besteuerungsverfahrens ermittelt werden. Der Normzweck gebietet es nicht, dass alle (notwendigen oder wünschenswerten) Informationen bereits im Rahmen der Anzeige den Finanzämtern übermittelt werden. Die Anzeigen dienen lediglich der Erstinformation der Finanzämter und schließen das Anfordern von weiteren Informationen nicht aus. Die Anzeigen sollen es den Finanzämtern gerade ermöglichen, durch Nachfragen bei den Steuerpflichtigen, den Anzeigepflichtigen oder Dritten, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Die Anzeigen können somit dazu beitragen, die Erhebung der Grunderwerbsteuer zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das Besteuerungsverfahren wird dadurch aber nicht entbehrlich.

14

Der Inhalt der Anzeigen hat nach dem Gesetzeswortlaut eine weit überschießende Tendenz, die von dem Normzweck nicht gedeckt ist. Bei der Auslegung der Vorschrift ist dies zu berücksichtigen.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 15

Das Grunderwerbsteuergesetz nimmt an zwei Stellen auf den Inhalt der Anzeigen (§ 20 GrEStG) ausdrücklich Bezug. – Die Regeln über die Nichtfestsetzung der Steuer bzw. die Aufhebung oder Änderung der Steuer gelten nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und „in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20)“ war (§ 16 Abs. 5 GrEStG). – Gerichte, Behörden und Notare dürfen Urkunden, die einen steuerpflichtigen Vorgang betreffen, den Beteiligten erst aushändigen und Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften erteilen, wenn die die Anzeigen „in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20)“ an das Finanzamt abgesandt haben (§ 21 GrEStG; s. dazu auch § 21 Rz. 15 ff.).

16

In beiden Fällen bedarf es somit einer vollständigen Anzeige (i.S.v. § 20 GrEStG). Die Gesetzesformulierung „in allen Teilen vollständig“ sowie die Bezugnahme auf § 20 GrEStG deuten darauf hin, dass nur eine Anzeige genügt, die alle gesetzlich vorgesehenen Angaben enthält (§ 20 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG). Dies wäre jedoch übermäßig und unverhältnismäßig.

17

Nach dem Normzweck muss vielmehr jede Anzeige genügen, die dem zuständigen Finanzamt die erforderliche Kenntnis von einem (möglicherweise) steuerpflichtigen Vorgang verschafft. Das Fehlen von einzelnen Angaben in der Anzeige steht dem nicht entgegen. Dies gilt insbesondere für solche Angaben, die für die ordnungsgemäße Erhebung der Grunderwerbsteuer unmittelbar nicht von Bedeutung sind (wie etwa die steuerliche Identifikationsnummer), dem Finanzamt bereits bekannt sind (z.B. aufgrund der übersandten Urkunde) oder sich aus öffentlichen Registern ergeben (wie dem Grundbuch, dem Handelsregister (und künftig dem Gesellschaftsregister) oder dem Transparenzregister).1

18

Für eine einschränkende Auslegung spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang auch Anzeigen genügen lässt, die nicht „in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20)“ sind. Für den Beginn der Festsetzungsfrist bedarf es beispielsweise einer (ordnungsgemäßen) Anzeige (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Anzeige muss aber nicht zwingend alle Angaben gem. § 20 GrEStG vollständig enthalten.

19

Darüber hinaus knüpft auch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) an den Inhalt der Anzeigen nach § 20 GrEStG an. Danach sind Erwerbsvorgänge (i.S.v. § 1 GrEStG), die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle (nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ergeben (§ 100a

1 Siehe dazu auch BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 43, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (wonach die Anzeige eine „einwandfreie Identifizierung“ von Veräußerer und Erwerber – § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – sowie der grundbesitzenden Gesellschaft – § 20 Abs. 2 GrEStG – ermöglichen muss).

918

Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 23 § 20

Satz 1 KAGB), grunderwerbsteuerfrei.1 Dies gilt aber nur dann, wenn die Erwerbsvorgänge „fristgerecht und vollständig i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG“ angezeigt worden sind (§ 100a Satz 1 KAGB). Die Anzeige muss schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht „in allen Teilen“ vollständig sein. Das Fehlen von einzelnen Angaben (i.S.v. § 20 GrEStG) steht der Vollständigkeit der Anzeige somit nicht entgegen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn das Finanzamt aufgrund der Anzeige in der Lage ist, die Steuerbefreiung für den Erwerbsvorgang zu prüfen.

IV. Rechtsentwicklung Die heutige Vorschrift über den Inhalt der Anzeigen (§ 20 GrEStG) geht zurück auf § 4 der Durch- 20 führungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz vom 30.3.19402. Dies gilt nicht nur für § 20 Abs. 1 GrEStG, sondern auch für § 20 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG. Im Grunderwerbsteuergesetz 1983 vom 17.12.19823 wurde die Vorschrift in § 20 GrEStG weitgehend unverändert übernommen.

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Das Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.20104 hat den Mindestinhalt der Anzeigen vor allem um die 22 Angaben der steuerlichen Identifikationsnummer (§ 139b) und der Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) erweitert (Art. 29 Nr. 2 JStG 2010, Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Mit der gesetzlichen Neuregelung sollte den Finanzämtern ein eindeutiger Anknüpfungspunkt der für die Beteiligten zuständigen Ertrags- und Umsatzsteuer-Finanzämter verschafft werden.5 Ziel der Regelung war damit nicht die Grunderwerbsteuer. Vielmehr ging es um die Erleichterung von Kontrollmitteilungen an andere (für die Grunderwerbsteuer nicht zuständige) Finanzämter. Vor diesem Hintergrund kann eine Anzeige für Zwecke der Grunderwerbsteuer (trotz des Gesetzeswortlauts „müssen“ enthalten) nicht unvollständig sein, wenn die steuerliche Identifikationsnummer (§ 139b AO) oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) nicht (oder nicht richtig) angegeben ist.6 Das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.6.20137 hat den Inhalt der Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen (§ 20 Abs. 2 GrEStG) erneut erweitert. Seitdem müssen die Anzeigen auch enthalten: „bei mehreren beteiligten Rechtsträgern eine Beteiligungsübersicht“ (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, eingefügt durch Art. 26 Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz). Die Vorschrift gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 11 GrEStG). In den amtlichen Gesetzesmaterialien findet sich zu der Neuregelung gerade einmal ein Satz.8 Dort heißt es: „Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Einführung des neuen Steuertatbestandes § 1 Abs. 3a GrEStG.“ In der Neuregelung zur Anzeigepflicht (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) findet sich allerdings keinerlei Verweis auf den neuen Steuertatbestand (§ 1 Abs. 3a GrEStG) oder die entsprechende Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG). Der Gesetzeswortlaut deutet vielmehr darauf hin, dass die Angaben bei allen Anzeigen gemacht werden müssen. Eine Einschränkung auf bestimmte Steuerbestände ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.9 Dieser (eklatante) Widerspruch zwischen der gesetzgeberischen Zielsetzung und seiner Umsetzung erweckt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift.

1 Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) s. auch OFD NW v. 29.1.2016, UVR 2016, 97. 2 RGBl. I 1940, 585 und 595. 3 BGBl. I 1982, 1777. 4 BGBl. I 2010, 1768. 5 Siehe BT-Drucks. 17/2823, S. 35 und BR-Drucks. 318/10, S. 92. 6 Zu Recht krit. zum Ganzen auch Gottwald, DNotZ 2011, 83. 7 BGBl. I 2013, 1809. 8 BR-Drucks. 139/13, S. 221. 9 Loose in Boruttau19, § 20 GrEStG Rz. 16 geht davon aus, dass der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die Fälle der mittelbaren Änderung im Personenstand einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG), der mittelbaren Anteilsvereinigung bzw. mittelbaren Übergangs vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) sowie des Innehabens einer wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) beschränkt ist.

Wachter

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§ 20 Rz. 24 Inhalt der Anzeigen 24

Nach allgemeiner Auffassung muss der Gesetzgeber die Anzeigepflichten klar und bestimmt regeln.1 Diesen Anforderungen genügt die Neuregelung in keiner Weise. Was ist eine „Beteiligungsübersicht“? In welcher Form müssen die Beteiligungen dargestellt werden? Genügt die Vorlage eines bloßen Schaubilds? Welche (unmittelbaren oder mittelbaren) Beteiligungen muss die Übersicht umfassen? Sind Angaben zu Art und Umfang der Beteiligungen erforderlich? Müssen auch Minderheitsbeteiligungen vollständig aufgeführt werden? Ist die Bezugnahme auf eine Bilanz ausreichend (s. § 271 HGB)?

25

Neben dem Begriff der „Beteiligungsübersicht“ ist auch unklar, was mit „mehreren beteiligten Rechtsträgern“ gemeint sein soll? Auf welche Beteiligung kommt es insoweit an? Genügt jede Beteiligung? Kommt es (allein) auf die vermögensmäßige Beteiligung an? Werden auch wirtschaftliche Beteiligungen erfasst (s. § 1 Abs. 3a GrEStG)? Können auch natürliche Personen „Rechtsträger“ sein?

26

Die Neuregelung (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG) ist (auch) mangels hinreichender Bestimmtheit verfassungswidrig (s. auch unten Rz. 108 ff.).

27

Durch das „Jahressteuergesetz 2018“2 wurde § 20 GrEStG insgesamt neu gefasst. Die Gesetzesänderung soll bewirken, dass die Anzeigepflichtigen „zusätzliche Daten“ an die Finanzämter übermitteln.3 In der Gesetzesbegründung werden dabei folgende Daten genannt: – Geburtsdatum des Veräußerers und Erwerbers, – Name des Steuerschuldners, der die Zahlung der Steuer übernimmt, – Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters des Steuerschuldners, – bei nicht natürlichen Personen: die Registernummer und die für die Einkommens- bzw. Körperschaftbesteuerung vergebene Steuernummer des Veräußerers und des Erwerbers, – den Anteil des Veräußerers und des Erwerbers am Grundstück, – bei Wohnungs- und Teileigentum: die genaue Bezeichnung des Wohnungs- und Teileigentums sowie den Miteigentumsanteil, – die Urkundennummer, – bei einem Vorgang unter einer Bedingung: die Bezeichnung der Bedingung, – die Anschrift der Urkundsperson. Die Daten sollen allerdings nur insoweit zu übermitteln sein, als sie „objektiv vorhanden“ sind. Die Verpflichtung zur Angabe der Daten entfällt, soweit die Übermittlung „objektiv unmöglich“ ist (z.B. Registernummer bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts).4 Die Gesetzesänderung wird damit begründet, dass die Umsetzung eines (künftigen) Verfahrens zur elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen der Notare (nach § 22a GrEStG) voraussetze, dass die Notare zusätzliche Daten übermitteln, die über den bisherigen Inhalt der Anzeigen hinausgehen. Die elektronische Zuordnung und Weiterverarbeitung der Veräußerungsanzeigen könne nur auf diese Weise sichergestellt werden.5 Die Neuregelung des § 20 GrEStG ist bislang noch nicht in Kraft getreten (s. § 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Derzeit (Stand: Juni 2021) ist auch nicht abzusehen, wann dies der Fall sein wird. Die Vorschrift soll erst dann angewendet werden, wenn das Verfahren zur elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen der Notare eingeführt wird. Die dafür erforderliche Rechtsverordnung (§ 22a GrEStG) liegt bislang noch nicht vor. Der Gesetzgeber will dadurch vermeiden, dass bis zur Einführung eines Verfahrens zur elektronischen Übermittlung von Veräußerungsanzeigen auf den Papierformularen zusätzliche Daten übermittelt werden müssen.

28

Kritik: Die gesetzliche Neuregelung des § 20 GrEStG überzeugt nicht. Gegen die neuen Vorschriften bestehen zahlreiche Bedenken. 1 Zum verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit und der Normenklarheit s. zuletzt BVerfG v. 20.7.2021 (im Zusammenhang mit dem Wahlrecht), Rz. 81 ff. und Rz. 97 ff. 2 Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018 (kurz „Jahressteuergesetz 2018“), BGBl. I 2018, 2338. 3 BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, S. 69. 4 So BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, S. 69. 5 So BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, S. 69.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 28 § 20

Die (erneute) Erweiterung des Inhalts der Anzeigen um zahlreihe weitere (formale) Angaben dient nicht der Sicherung des Grunderwerbsteueraufkommens. Vielmehr wird die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigen dadurch unnötig erschwert und vielfach unmöglich gemacht. Es ist schon bezeichnend, wenn der Gesetzgeber in der kurzen Begründung1 ausdrücklich den Fall anspricht, dass die Angabe der vorgesehen Daten „objektiv unmöglich“ ist. Dieser Hinweis hätte eigentlich Anlass dafür sein müssen, dass der Gesetzgeber die Vorschrift selbst sachgerecht beschränkt. Die Neuregelung wird dazu führen, dass noch mehr Anzeigen als bisher (vor allem aus formalen Gründen) nicht ordnungsgemäß sind (s. § 16 Abs. 5 und 21 GrEStG: „in allen Teilen vollständig“) und Anlass für neue Streitigkeiten mit den Finanzbehörden sind. Dies dient weder der Sicherung des Steueraufkommens noch der Akzeptanz des Steuerrechts. Der Gesetzgeber schafft mit der neuen Regelung keinen Anreiz für mehr Anzeigen (s. dazu auch § 19 Rz. 14 ff.). Einfache, schnelle und unkomplizierte Anzeigen wären notwendig, damit die Finanzverwaltung möglichst umfassend und vollständig über alle Erwerbsvorgänge (im In- und Ausland) informiert wird. Die Anzeigen müssten daher erleichtert (und nicht erschwert) werden (s. dazu bereits oben Rz. 8 ff.). Eine gesetzliche Anzeigeverpflichtung, die selbst von Fachleuten kaum noch zu erfüllen ist (noch dazu innerhalb der kurzen Fristen), wird auf viele (in- und ausländische) Steuerschuldner eher „abschreckend“ wirken. Dies mag im Einzelfall steuerstrafrechtlich zu ahnden sein, kann aber nicht das Ziel des Grunderwerbsteuergesetzes sein. Die Erweiterung der Anzeigepflichten erscheint auch aus einem anderen Grund rechtsstaatlich bedenklich. Der Gesetzgeber begründet die Verschärfungen offiziell mit der (künftigen) elektronischen Übermittlung der Anzeigen. Für den notwendigen Inhalt der Anzeige ist es aber ohne jede Bedeutung, ob die Anzeige dem Finanzamt in Papierform oder elektronisch übermittelt wird. Die angegebene Begründung ist daher zur Rechtfertigung der Neuregelung in keiner Weise geeignet. Die Erweiterung der notwendigen Angaben in der Anzeige (auch und gerade im Hinblick auf die elektronische Übermittlung) erschließt sich aber aus einem anderen (nicht ausdrücklich erwähnten) Grund. Die Finanzverwaltung verwendet die Daten aus den Anzeigen nicht nur für Zwecke der Grunderwerbsteuer, sondern leitet diese (z.B. als Kontrollmitteilungen) auch an andere Finanzämter und Behörden weiter (s. dazu § 18 Rz. 231). Für diesen Zweck ist es (aus Sicht der Finanzverwaltung) zweifellos sehr hilfreich, wenn die Daten bereits möglichst umfassend aufbereitet und auch alle denkbaren Register- und Steuernummern vorhanden sind. Dies schafft die Grundlage für eine mühelos elektronische Weiterleitung an andere Behörden und eine Abgleichung mit anderen Datenbeständen. Dies ist aber nicht das Ziel der Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz und zur Erhebung der Grunderwerbsteuer auch nicht erforderlich. Eine solche Verwendung der Daten wird vom Gesetzgeber zudem in keiner Weise offengelegt und auch sonst nicht transparent gemacht. Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür fehlt. Die Vereinbarkeit dieser Praxis mit den Vorgaben des Verfassungsrechts und des Datenschutzrechts erscheint mehr als bedenklich. Schließlich wirft auch die konkrete Ausgestaltung der erweiterten Anzeigepflichten zahlreiche neue Fragen auf (s. dazu im Einzelnen unten Rz. 28 und Rz. 32 ff.). Die Abstimmung mit den Steuertatbeständen ist unzureichend. Die amtlichen Vordrucke und der Gesetzestext weichen vielfach voneinander ab. Jede Verletzung der Anzeigepflichten wird streng sanktioniert (u.a. § 16 Abs. 5, § 19 Abs. 6, 21 GrEStG und §§ 370 ff. AO). Dies ist aber nur dann verhältnismäßig, wenn die Anzeigepflichten selbst so klar und verständlich geregelt sind, dass sie von allen Verpflichteten (innerhalb der kurzen Fristen) ordnungsgemäß erfüllt werden können. Das ist aber nicht der Fall.

1 BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, S. 69.

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§ 20 Rz. 29 Inhalt der Anzeigen

B. Inhalt der Anzeigen I. Mindestinhalt aller Anzeigen (Abs. 1) 1. Überblick 29

Der Gesetzgeber hat für alle Anzeigen den Mindestinhalt in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 GrEStG abschließend bestimmt.

30

Die Regelung gilt für alle Anzeigen, unabhängig von Erwerbsvorgang, Steuertatbestand und anzeigepflichtiger Person.

31

Die Angaben müssen auch dann in die Anzeige aufgenommen werden, wenn sie sich bereits aus der beigefügten Urkundsabschrift ergeben (§§ 18 Abs. 1 Satz 2, 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG). Nach dem gesetzlichen Regelungsmodell erfordert die vollständige Information des Finanzamts Anzeige und Abschrift (nicht Anzeige oder Abschrift). Die bloße Übersendung der Urkundsabschrift ist daher keine ordnungsgemäße Anzeige. Eine (ergänzende) Bezugnahme auf die Urkundsabschrift ist aber üblich und zulässig (s. dazu auch § 18 Rz. 177 ff.).

32

Das zukünftige Verfahren der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen der Gerichte, Notare und Behörden (nach § 22a GrEStG) geht einher mit einer Erweiterung des Inhalts der Anzeigen (nach § 20 GrEStG) (s. dazu oben Rz. 28). Die Neuregelungen sind bislang noch nicht in Kraft getreten (s. § 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Es ist derzeit (Stand: Juni 2021) auch nicht abzusehen, wann dies der Fall sein wird. Bei den nachfolgenden Einzelerörterungen wird am Ende eines Abschnitts jeweils ein Ausblick auf die (künftigen) Regelungen zum Inhalt der Anzeige gegeben. 2. Einzelne Angaben a) Veräußerer und Erwerber (Abs. 1 Nr. 1)

33

Die Anzeigen müssen u.a. enthalten „Vorname, Zuname, Anschrift sowie die steuerliche Identifikationsnummer gem. § 139b AO oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer gem. § 139c AO des Veräußerers und des Erwerbers, gegebenenfalls auch, ob und um welche begünstigte Personen i.S.d. § 3 Nr. 3 bis 7 es sich bei dem Erwerber handelt“ (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

34

Vorname ist der Name, der einem Kind von den Inhabern der Personensorge erteilt wird (s. §§ 12, 1616 ff. BGB). Maßgebend ist grundsätzlich der im Geburtsregister eingetragene Vorname (§§ 18 ff. PStG). Bei mehreren Vornamen genügt die Angabe eines Vornamens. Die bloße Angabe eines Rufnamens ist nicht ausreichend.

35

Zuname meint den Nachnamen bzw. Familiennamen (s. §§ 21 Abs. 1 Nr. 4, 31 Abs. 1 Nr. 1 PStG). Die Angabe eines Geburtsnamens ist nicht zwingend erforderlich. Die bloße Angabe von Spitznamen, Berufsnamen oder Künstlernamen genügt nicht. Adelsbezeichnungen und akademische Titel sollten (müssen aber nicht) angegeben werden.

36

Die gesetzliche Regelung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG: „Vorname, Zuname“) passt nur für natürliche Personen. Eine Regelung für Gesellschaften und andere juristische Personen fehlt. Der amtliche Vordruck der Finanzverwaltung für die Veräußerungsanzeige (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) sieht vor, dass in diesen Fällen die „Firma“ (s. §§ 17 ff. HGB) anzugeben ist. Dies ist nachvollziehbar, da die Firma der Name des Kaufmanns ist. Eine Rechtsgrundlage für die Angabe der „Firma“ fehlt allerdings bis heute. Die Angabe der „Firma“ passt zudem nur für Gesellschaften, nicht aber für Vereine (s. § 65 BGB), Stiftungen (s. derzeit § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BGB und künftig § 81 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BGB n.F.)1 1 Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v. 16.7.2021 (BGBl. I 2021, 2947) wird am 1.7.2023 (und nicht schon am 1.7.2022) in Kraft treten (die Neuregelungen zum Stiftungsregister allerdings erst zum 1.1.2026). – Siehe dazu u.a. Burgard, GmbHR 2021, R 244; Lorenz/Mehren, DStR 2021, 1774; Pruns, ZErb 2021, 301; Schienke-Ohletz/Junius-Morawe, BB 2021, 1886; Winkler, ZStV 2021, 121.

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 39 § 20

und eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts (s. §§ 707 ff. BGB n.F.).1 Der Gesetzgeber sollte die Regelung daher entsprechend anpassen. Neben dem Namen von natürlichen Personen sollte – bei anderen (als natürlichen) Personen – auch die Angabe der Firma (z.B. bei Gesellschaften und Genossenschaften), des Namens (z.B. bei Vereinen und Stiftungen und eingetragenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts) oder einer sonstigen Bezeichnung (z.B. ausländischen Vereinigungen, Trusts, Anstalten etc.) vorgesehen werden. 37 Die Angabe des Geburtsdatums (oder Geburtsorts) ist nicht erforderlich. In der amtlichen Veräußerungsanzeige (nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) wird die Angabe des Geburtsdatums bereits (heute) verlangt, obwohl dies gesetzlich (in § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) noch nicht vorgesehen ist. Künftig wird die Angabe des „Geburtsdatum“ gesetzlich zwingend sein (s. oben Rz. 27 und unten Rz. 47). In den meisten Fällen ergibt sich das Geburtsdatum aber ohnehin aus der Abschrift der Urkunde (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG und § 10 BeurkG i.V.m. § 26 Abs. 2 Dienstordnung für Notare, DONot). In der amtlichen Veräußerungsanzeige ist neben der Angabe des Geburtsdatums die „Registernummer“ vorgesehen. Bei Gesellschaften und anderen juristischen Personen soll demnach nicht etwa das Gründungsdatum (als Äquivalent zum Geburtsdatum), sondern die Registernummer angegeben werden. Dies ist im Gesetz (derzeit) nicht vorgesehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die (künftige) Neuregelung sieht die Angabe der Registernummer gleichfalls nur „bis zur Einführung der Wirtschats-Identifikationsnummer“ (gem. § 139c AO) vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 a.E. GrEStG n.F.), und ferner bei Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). In sonstigen Fällen ist die Angabe der Registernummer dagegen nicht verpflichtend. Die Registernummer ergibt sich aber regelmäßig aus der Urkunde, die der Abschrift beigefügt ist (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG und § 12 BeurkG und § 21 BNotO).

Die Angabe der Anschrift soll die Erreichbarkeit von Veräußerer und Erwerber gewährleisten. In der Regel ist die (zustellungsfähige) Anschrift mit Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer anzugeben. Zusätzliche Angaben (wie Telefon, Fax, Email) sind vielfach nützlich, aber nicht zwingend erforderlich. Die alleinige Angabe eines Postfachs ist nicht genügend. Eine c/o-Anschrift ist regelmäßig ausreichend. Bei natürlichen Personen ist im Regelfall die (private) Wohnanschrift anzugeben. Zwingend ist dies aber nicht, so dass auch eine sonstige Anschrift genügt (z.B. bei Mitgliedern von Organen, Amtsträgern oder Bevollmächtigten, u.a. auch aus Gründen des Datenschutzes). Die Angabe des „Wohnorts“ ist im Gesetz gerade nicht vorgesehen. Umgekehrt genügt allein die Angabe des Wohnorts (der politischen Gemeinde) ohne die Angabe auch von Straße und Hausnummer nicht. Bei Gesellschaften (und anderen juristischen Personen) ist grundsätzlich die Geschäftsanschrift anzugeben. Diese muss nicht zwingend mit der im Handelsregister eingetragenen Anschrift übereinstimmen (s. etwa § 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB, § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG und § 37 Abs. 3 Nr. 1 AktG).

38

Alle Anzeigen müssen zudem die steuerliche Identifikationsnummer (§ 139b AO) oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) von Veräußerer und Erwerber enthalten. Für alle natürliche Personen wurde im Jahr 2008 eine steuerliche Identifikationsnummer eingeführt (§ 139b AO2 und die auf der Grundlage von § 139d AO erlassene Steueridentifikationsnummerverordnung vom 28.11.20163). Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO)4 wurde bislang noch nicht eingeführt (s. zum aktuellen Stand der Arbeiten die Informationen des Bundeszentralamts für Steuern unter www.bzst. de).5

39

1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 Zur Steuer-Identifikationsnummer als Primärschlüssel für den Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen s. Kowallik, DB 2021, 873. 3 BGBl. I 2016, 2726. 4 Zur Wirtschafts-Identifikationsnummer als Primärschlüssel für eine neue bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nach dem Unternehmensbasisdatenregistergesetz (UBRegG) (BGBl. I 2021, 2506) s. Kowallik, DB 2021, 1433 (1435). 5 Siehe dazu Art. 1 § 2 des Gesetzes zur Errichtung und Führung eines Registers über Unternehmensbasisdaten und zur Einführung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer für Unternehmen und zur Änderung weite-

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§ 20 Rz. 40 Inhalt der Anzeigen 40

Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer (§ 139b AO) in allen Fällen zwingend anzugeben. Aufgrund des Normzwecks ist die Angabe aber zumindest dann entbehrlich, wenn Veräußerer und Erwerber auf andere Weise zweifelsfrei identifiziert werden können.1 Dies wird in vielen Fällen der Fall sein. Bei notariell beurkundeten Erwerbsvorgängen erfolgt zudem eine amtliche Feststellung der Identität der Beteiligten durch den Notar (§ 10 BeurkG, § 26 DONot, §§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 4 Abs. 3 GwG), so dass die zusätzliche Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer nicht zwingend ist. Die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer ist (entgegen dem Gesetzeswortlaut) auch dann entbehrlich, wenn diese nicht vergeben worden ist (z.B. bei Steuerausländern, die im Inland ein Grundstück erwerben und allgemein bei Personen, die in Deutschland nicht gemeldet sind).

41

Die Angaben müssen für Veräußerer und Erwerber gemacht werden. Bei mehreren Veräußerern oder Erwerbern müssen die Angaben jeweils für alle gemacht werden. Angaben zu den Steuerschuldnern (s. § 13 GrEStG) sind (nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) auch dann nicht erforderlich, wenn diese nicht zugleich Veräußerer oder Erwerber sind. Bei Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, sind aber Angaben zur Gesellschaft vorgesehen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und § 139c AO).

42

Angaben zu einem etwaigen Rechts- oder Steuerberater werden vom Gesetz nicht verlangt. In der Praxis empfiehlt es sich aber, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt die entsprechenden Informationen frühzeitig zukommen zu lassen (sofern diese nicht ohnehin bekannt sind, s. § 80 AO).

43

Der Erwerb unter Angehörigen ist in vielen Fällen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. In den Anzeigen ist daher anzugeben, ob es sich bei dem Erwerber um begünstigte Personen (i.S.v. § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG) handelt (z.B. Ehegatten, Lebenspartner und Kinder). Damit soll verhindert werden, dass steuerfreie Erwerbsvorgänge frühzeitig als solche erkannt werden. In der Anzeige genügt die bloße Angabe der familiären bzw. verwandtschaftlichen Verbindung. Nachweise (z.B. Heiratsurkunden, Eheverträge, Abstammungsurkunden) müssen der Anzeige nicht beigefügt werden. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens können vom Finanzamt aber entsprechende Unterlagen angefordert werden.

44

Ausblick:2 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) künftig wie folgt geändert werden.

45

An die Stelle der Angabe von „Vorname, Zuname“ soll die Angabe von „Name, Vorname“ treten. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Der Begriff „Name“ umfasst neben dem Familiennamen von natürlichen Personen auch den Namen von Vereinen, Stiftungen und eingetragenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Eine Angabe der „Firma“ ist im Gesetz unverändert nicht vorgesehen (s. dazu oben Rz. 27).

46

Die Angabe der „Anschrift“ bleibt unverändert (s. dazu oben Rz. 27 und Rz. 38).

47

Die Angabe des „Geburtsdatums“ für natürliche Personen wird erstmals geregelt. Der Geburtsort ist nicht anzugeben. Bei Gesellschaften ist eine Angabe des Gründungsdatums nicht vorgesehen (s. dazu oben Rz. 37).

48

Unverändert verlangt wird die Angabe der „Identifikationsnummer“ (§ 139b AO) oder der Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) von Veräußerer und Erwerber. Die Identifikationsnum-

rer Gesetze v. 9.7.2021 (BGBl. I 2021, 2506). Danach gilt die (bislang noch nicht eingeführte) Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c AO als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer für Unternehmen (für das künftige Basisregister). Das Gesetz ist am 15.7.2021 in Kraft getreten. Das neue Basisregister soll voraussichtlich ab ca. 2024 betriebsbereit sein (s. dazu auch die aktuellen Informationen unter www.bmwi.de). 1 Siehe dazu auch BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 43, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (wonach die Anzeige eine „einwandfreie Identifizierung von Veräußerer und Erwerber“ ermöglichen muss). 2 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 52 § 20

mer wird jetzt im Gesetz aber (nur noch) als „Identifikationsnummer“ (so auch § 139b AO) und nicht mehr als „steuerliche“ Identifikationsnummer bezeichnet (s. dazu oben Rz. 33 und Rz. 39 ff.). Neu vorgesehen ist die Angabe von dem „Namen desjenigen, die nach der vertraglichen Vereinba- 49 rung die Grunderwerbsteuer trägt“ (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Anzugeben ist nur der Name (ohne Vorname) und nicht etwa auch die Firma, die Anschrift, das Geburtsdatum oder der Registernummer. Anzugeben ist der Name von der Person, die die Grunderwerbsteuer vertraglich trägt (schuldet). Dies muss nicht der Steuerschuldner (i.S.v. § 13 GrEStG) sein. Der Zweck der Neuregelung ist unklar. Die Angabe ist an sich überflüssig, da sich der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen bereits aus der Urkunde ergibt (s. § 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die gesonderte Angabe erscheint zudem auch übermäßig, da in nahezu allen Grundstückskaufverträgen vertraglich (klarstellend) vereinbart wird, dass der Erwerber die Grunderwerbsteuer trägt (so auch § 448 Abs. 2 BGB). Die Angabe ist zudem verwirrend, da mit diesem „Namen“ neben dem Veräußerer, dem Erwerber und dem Steuerschuldner (§ 13 GrEStG) noch eine weitere Person geschaffen wird, die dem Grunderwerbsteuergesetz bislang unbekannt war. Die Regelung ist zudem nicht mit den Regelungen des Grunderwerbsteuergesetzes (nach § 13 GrEStG) und der Abgabenordnung (z.B. § 192 AO) abgestimmt. Unklar erscheint auch, ob eine solche Angabe in der Anzeige für das Finanzamt bei der Steuerfestsetzung bindend ist (z.B. bei der Ermessensausübung nach § 5 AO bei mehreren Steuerschuldnern). Ferner ist in der Anzeige künftig „Name und Anschrift dessen gesetzlichen Vertreters“ anzugeben. 50 Diese Angabe bezieht sich trotz des Wortlauts „dessen“ (und nicht deren) nicht nur auf den unmittelbar davor genannten vertraglichen Steuerschuldner („Namen desjenigen, die nach der vertraglichen Vereinbarung die Grunderwerbsteuer trägt“). Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters des Veräußerers und des Erwerbers anzugeben sind. Diese Regelung ist gleichfalls nicht leicht verständlich. Die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung zum gesetzlichen Vertreter (siehe u.a. §§ 34, 69, 191 AO) gelten seit jeher auch für die Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 AO), ohne dass dabei Probleme bekannt geworden sind. Solche Angaben sind zur vollständigen Information des Finanzamts über einen möglicherweise grunderwerbsteuerbaren Vorgang nicht erforderlich. Die Angaben zu den gesetzlichen Vertretern ergeben sich zudem in aller Regel bereits aus der Urkunde, da der Notar die Vertretungsberechtigung prüfen und feststellen muss (s. § 12 BeurkG und § 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Bei Gesellschaften ergeben sich die Namen der gesetzlichen Vertreter (z.B. die Geschäftsführer einer GmbH) aus dem auch für das Finanzamt online einsehbaren Handelsregister (s. §§ 8 ff. HGB). Die Neuregelung ist daher in keiner Weise verhältnismäßig. Die Regelung ist zudem inhaltlich unklar. Anzugeben ist der Name des gesetzlichen Vertreters. Was gilt bei mehreren gesetzlichen Vertreters (z.B. eine Aktiengesellschaft mit drei einzelvertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern)? Genügt in diesem Fall die Angabe des Namens von einem Vorstandsmitglied oder müssen stets die Namen aller Organmitglieder angegeben werden? Müssen die Namen auch dann angegeben werden, wenn die gesetzlichen Vertreter an dem Erwerbsvorgang nicht unmittelbar beteiligt waren (z.B. bei Vertretung der Gesellschaft durch einen Prokuristen oder einen Bevollmächtigten)? Wie ist die gesetzliche Vertretungsbefugnis bei ausländischen Gesellschaften, Vereinen oder Stiftungen nachzuweisen, wenn sich diese nicht aus einem öffentlichen Register ergibt (z.B. im Vereinigen Königreich, Irland oder Malta). Nicht unproblematisch erscheint es zudem, in der Anzeige stets auch die „Anschrift“ des gesetzlichen Vertreters (und nicht etwa nur die Geschäftsanschrift des Vertretenen) zu verlangen. Die Persönlichkeitsrechte der gesetzlichen Vertreter und der Datenschutz gebieten insoweit jedenfalls eine einschränkende Auslegung. Beispielsweise kann bei Geschäftsführern einer GmbH nicht generell die Angabe der (privaten) Anschrift verlangt werden; eine Geschäftsanschrift muss insoweit ausreichen. Entsprechendes gilt auch für Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Betreuer, Pfleger u.v.a.m. Unverändert anzugeben ist, ob es sich bei dem Erwerber um „begünstigte Personen“ (i.S.v. § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG) handelt (z.B. Ehegatten, Lebenspartner und Kinder, s. dazu oben Rz. 43)

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Neu in der Anzeige anzugeben sind bei „nicht natürlichen Personen“ bestimmte Register- und Steuernummern, allerdings nur „bis Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer“ (nach § 139c

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§ 20 Rz. 52 Inhalt der Anzeigen AO). Nach deren Einführung sind diese Angaben dann nicht mehr erforderlich (bzw. werden durch die Wirtschafts-Identifikationsnummer ersetzt). Anzugeben ist künftig zum einen die „Registernummer“. Dies ist die Nummer der Gesellschaft (bzw. juristischen Person) in einem (öffentlichen) Register. Gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber gleichwohl unbedingt notwendig sind Angaben zu dem Register. Allein die Angabe der Registernummer ist (zumindest in Deutschland) vollkommen wertlos. Notwendig sind zumindest die Angabe der Registerart (z.B. Handels- oder Vereinsregister), der Sitz des Registers (z.B. München oder Köln) und die Nummer des Registers (z.B. HRB 123 oder VR 345). Entsprechendes gilt auch für ausländische Register, bei denen zusätzlich die Angabe des Staates notwendig ist. Die Angabe ist nicht auf Handels-, Vereins- und Genossenschaftsregister beschränkt (s. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG), sondern gilt für alle Register. Demnach sind auch Eintragungen in einem (künftigen) Gesellschaftsregister (s. §§ 707 ff. BGB n.F.)1 oder Stiftungsregister2 erfasst. Dies gilt unabhängig von der Publizität der Register (s. § 15 HGB). Anzugeben ist danach beispielsweise auch die Registernummer aus ausländischen Registern (z.B. dem englischen Companies House). Maßgebend ist stets der Zweck einer eindeutigen Identifizierung der Person. Die Registernummer ist nur anzugeben von Veräußerer und Erwerber und nicht auch von anderen (gesetzlichen oder vertraglichen) Steuerschuldnern. Ferner ist in der Anzeige künftig „die für die Besteuerung nach dem Einkommen vergebene Steuernummer“ anzugeben. Die Angabe ist allerdings nur für „nicht natürliche Personen“ erforderlich. Der Einkommensteuer unterliegt aber nur das Einkommen von „natürlichen Personen“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Vorschrift dürfte daher nur einen geringen Anwendungsbereich haben. Die Angabe der Steuernummer für die Einkommensteuer ist zudem auch nicht erforderlich, um die Grunderwerbsteuer erheben zu können. Im Übrigen ist die gesetzlich vorgesehene Angabe einer Vielzahl von Steuernummern, Identifikationsnummern, Registernummern verwirrend und unverhältnismäßig. Diese Angaben sind für die Erhebung der Grunderwerbsteuer nicht erforderlich. Natürliche Personen müssen sich nicht gleichzeitig durch Personalausweis und Reisepass identifizieren; bei nicht natürlichen Personen sollte dementsprechend die Angaber einer Nummer genügen. b) Grundstück (Abs. 1 Nr. 2) 53

Alle Anzeigen müssen ferner eine „Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer“ enthalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).3

54

Das Grundstück (s. § 2 GrEStG) ist nach der Eintragung im Grundbuch anzugeben. Dies erfordert eine Bezeichnung des Grundstücks mit Amtsgericht, Grundbuchbezirk und Blattnummer (s. § 28 Satz 1 GrEStG). Bei Erwerbsvorgängen, an denen ein Notar mitwirkt, ergibt sich der Grundbuchinhalt in aller Regel bereits aus der Urkunde (s. § 21 BeurkG).

55

Darüber hinaus ist das Grundstück nach dem Kataster zu bezeichnen. Das Grunderwerbsteuergesetz stellt damit an die Bezeichnung des Grundstücks strengere Anforderungen als das formstrenge Grundbuchrecht (s. § 28 Satz 1 GBO). Danach ist eine Bezeichnung eines Grundstücks mit Amtsgericht, Grundbuchbezirk und Blattnummer ausreichend. Dies muss auch für Zwecke des Grunderwerbsteuergesetzes genügen. Die Angabe des Katasters muss somit (entgegen dem zu weitgehenden Gesetzeswortlaut) nicht zwingend in den Anzeigen enthalten sein. In den amtlichen Vordrucken der Finanz-

1 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 Mit Wirkung zum 1.1.2026 wird in Deutschland erstmals ein bundeseinheitliches Stiftungsregister mit öffentlichem Glauben eingeführt, s. Art. 4 (Stiftungsregistergesetz) des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2947. 3 Siehe dazu BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, Rz. 38, BStBl. II 2018, 667 = GmbHR 2018, 272 = BB 2018, 355 mit Anm. Behrens = DB 2018, 1050 mit Anm. Moritz (zu einer unvollständigen Anzeige nach § 19 Abs. 1 GrEStG beim Erwerb aller Aktien an einer mittelbar grundbesitzhaltenden Aktiengesellschaft durch eine britische Limited).

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 61 § 20

verwaltung für die steuerliche Veräußerungsanzeige ist eine Angabe des Katasters auch gar nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber sollte den Hinweis auf den Kataster streichen. Schließlich ist in den Anzeigen auch Straße und Hausnummer des Grundstücks anzugeben. Dies 56 sind in der Praxis sicherlich nützliche Informationen, für die Erhebung der Grunderwerbsteuer aber in keiner Weise erforderlich. In vielen Fällen sind Straße und Hausnummer zudem bereits aus dem Bestandsverzeichnis des Grundbuchs (§ 6 GBV) oder der Urkundsabschrift ersichtlich. In den amtlichen Vordrucken der Finanzverwaltung für die steuerliche Veräußerungsanzeige wird darüber hinaus die Angabe der Gemeinde verlangt, in der der veräußerte Grundbesitz belegen ist. Eine Rechtsgrundlage dafür besteht allerdings nicht. Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass in allen Fällen jedes einzelne Grundstück immer „nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer“ bezeichnet wird. Eine solche Bezeichnung ist allerdings nicht in allen Fällen möglich.

57

Bei amtlich noch nicht vermessenen Grundstücksteilflächen ist eine grundbuchmäßige Bezeichnung im Zeitpunkt des Erwerbs rechtlich ausgeschlossen. In diesem Fall ist lediglich eine Bezeichnung anhand des bisherigen (ungeteilten) Grundstücks und einem amtlichen Lageplan möglich. Die genaue Bezeichnung kann dann nach der amtlichen Vermessung der Teilfläche und entsprechender Grundbucheintragung nachgeholt werden.

58

Die grundbuchmäßige Bezeichnung des Grundbesitzes kann aber nicht nur an rechtliche, sondern 59 auch an faktische Grenzen stoßen. Beim Erwerb von sehr vielen Grundstücken ist eine genaue Bezeichnung jedes einzelnen Grundstücks kaum noch möglich. In solchen Fällen sind aus Gründen der Praktikabilität auch Sammelbezeichnungen ausreichend. Dafür spricht auch der Gesetzeswortlaut, der nur von einem Grundstück („Bezeichnung des Grundstücks“) und nicht von mehreren Grundstücken (etwa Bezeichnung der Grundstücke oder Bezeichnung des jeweiligen Grundstücks) ausgeht. Die Verwendung des Singulars zeigt, dass eine zusammenfassende Bezeichnung möglich sein muss. Für die Zulässigkeit einer solchen Anzeige spricht im Übrigen auch die von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellte Veräußerungsanzeige, die von Gerichten, Behörden und Notaren zu verwenden ist (§ 18 Abs. 1 GrEStG). Dieser amtliche Vordruck sah bis Ende 2017 gerade einmal zwei Zeilen für die Bezeichnung des Grundbesitzes vor; mehr Angaben waren in der Veräußerungsanzeige gar nicht möglich. Anfang 2018 hat die Finanzverwaltung erstmals eine Anlage zur Veräußerungsanzeige für weitere Grundstücke geschaffen. Eine ergänzende Bezugnahme auf die Urkundsabschrift war und ist in diesen Fällen aber zulässig und ausreichend. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die „Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße 60 und Hausnummer“ (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) zwingender Bestandteil aller Anzeigen nach dem Grunderwerbsteuergesetz. Der BFH hat dies im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs (nach §§ 16 Abs. 5, 1 Abs. 2a GrEStG) im Jahr 2012 – zu Recht – großzügiger gesehen.1 Danach waren grundstücksbezogene Angaben nicht zwingend erforderlich. Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil mit einem Nichtanwendungsgesetz reagiert.2 In der Zwischenzeit wurde zudem das Gesetz geändert3 (s. § 23 Abs. 12 GrEStG). § 16 Abs. 5 GrEStG n.F. setzt jetzt voraus, dass der Erwerbsvorgang „in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20)“ worden ist. Gleichwohl kann dies nicht überzeugen. Nach dem Normzweck muss es genügen, dass dem zuständigen Finanzamt der Vorgang angezeigt worden ist. Die genaue Bezeichnung des Grundbesitzes ist für die Besteuerung nicht zwingend erforderlich. Die entsprechenden Angaben können vom Finanzamt bei Bedarf jederzeit vom Steuerpflichtigen angefordert werden. Dies gilt aufgrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch für die heutige Rechtslage. In der Praxis sollte gleichwohl stets auf eine vollständige und präzise Bezeichnung des Grundbesitzes geachtet werden.

1 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. – Anders noch BFH v. 17.8.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 (bei vollständigem Fehler der Angaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 im Zusammenhang mit § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). 2 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 4.6.2013, BStBl. I 2013, 1277. 3 BGBl. I 2014, 1266.

Wachter

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§ 20 Rz. 62 Inhalt der Anzeigen 62

Ausblick:1 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) künftig wie folgt erweitert werden.

63

Unverändert notwendig ist die Angabe der „Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer“ (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).

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Neu anzugeben ist in der Anzeige der „Anteil des Veräußerers und des Erwerbers am Grundstück“. Die Art der Angabe (z.B. in Prozent oder als Bruch) ist gesetzlich nicht vorgegeben. Das Grunderwerbsteuergesetz erfasst den Erwerb eines Grundstücks (oder Anteils an einem Grundstück) und die dadurch bewirkte Bereicherung des Erwerbers. Maßgebend für die Besteuerung ist daher der tatsächliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Der Anteil des Veräußerers an dem Grundstück ist für die Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung. Auf den Anteil des Erwerbers an dem Grundstück kommt es gleichfalls nur insoweit an, als dieser Gegenstand des Erwerbs ist und tatsächlich erworben wird. Anteile des Erwerbers, die diesem bereits vor dem Erwerb gehörten, unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer. Beispiel: Ein Grundstück steht im hälftigen Miteigentum von Veräußerer und Erwerber. Der Erwerber kauft von dem Veräußerer einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück von einem Viertel, so dass sich der Anteil des Erwerbers von ein Halb auf drei Viertel erhöht. Der Besteuerung unterliegt der Erwerb des weiteren Viertels und nicht der (Gesamt-)Anteil des Erwerbs von drei Vierteln.

Etwas anderes kann beim Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft mit Grundbesitz gelten (insbesondere bei den Steuertatbeständen des § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG). Diese sind hier aber nicht gemeint. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Anteil „am Grundstück“ und nicht der Anteil einer Gesellschaft (mit einem Grundstück) anzuzeigen. Dies wird auch durch die systematische Stellung der Regelung (in § 20 Abs. 1 GrEStG und nicht in § 20 Abs. 2 GrEStG) bestätigt. Die Anzeigen, die sich „auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen“, sind in § 20 Abs. 2 GrEStG geregelt (und nicht in § 20 Abs. 1 GrEStG). Dort ist die Bezeichnung des oder der „Gesellschaftsanteile“ bereits ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift in § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG bezieht sich daher nur auf die Anteile am Grundstück. Der Begriff des „Anteils“ am Grundstück wird im Gesetz nicht näher definiert. Die Vorschrift erfasst den Miteigentumsanteil an einem Grundstück (Bruchteilseigentum nach §§ 1008 ff. BGB). Maßgebend ist insoweit der (dingliche) Anteil an dem Grundstück, wie er sich auch aus dem Grundbuch ergibt. Auf etwaige (schuldrechtliche) Vereinbarungen zwischen den Miteigentümern (s. § 1010 BGB) kommt es insoweit nicht an (s. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 GrEStG). Allerdings beschränkt sich die Regelung nicht auf Miteigentumsanteile, sondern spricht allgemein von „Anteil“ am Grundstück (s. auch § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG n.F. a.E., wo im Zusammenhang mit Wohnungs- und Teileigentum von „Miteigentumsanteil“ die Rede ist). Damit sind auch andere Anteile an einem Grundstück von der Anzeigepflicht erfasst. In Betracht kommen insbesondere Anteile an (grundstücksbesitzenden) Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (s. §§ 705 ff. BGB). In diesen Fällen haben Veräußerer bzw. Erwerber aber keinen Anteil am Grundstück, da die (Außen-)Gesellschaft selbst rechts- und grundbuchfähig ist (s. § 899a BGB und § 47 Abs. 2 GBO). Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts2 hat der Gesetzgeber das Gesamthandprinzip für Zwecke des Gesellschaftsrechts ausdrücklich aufgegeben (s. § 713 BGB n.F.).3 Die Grundstücke sind Vermögen der Gesellschaft (und nicht der Gesellschafter); Veräußerer und Erwerber haben somit keinen „Anteil“ am Grundstück. Bei mehreren Veräußern bzw. Erwerbern ist aufgrund des Normzwecks der Anteil jedes Beteiligten getrennt anzugeben, auch wenn sich dies aus dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar ergibt (nicht der Anteil des jeweiligen Veräußerers oder des jeweiligen Erwerbers). 1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff. 2 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 Siehe zum Ganzen u.a. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 644; Heinze, DStR 2020, 2107; Fleischer DB 2021, 430; Prinz, DB 2021, 914 (918); Karsten Schmidt, ZHR 185 (2021) 15 (28 ff.).

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 69 § 20

Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob die Anteile von Veräußerer und Erwerber vor und/oder nach dem Erwerbsvorgang anzugeben sind. Grundsätzlich kommt es auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes an (s. § 14 GrEStG und § 38 AO). Danach wären (nur) die Anteile nach dem Wirksamwerden des Erwerbsvorgangs anzuzeigen (und nicht auch die früheren Anteile). Der Begriff des Grundstücksanteils meint den zivilrechtlichen (dinglichen) Anteil an dem Grundstück. Nicht maßgebend ist eine davon abweichende wirtschaftliche (schuldrechtliche) Beteiligung. Etwaige Vereinbarungen zwischen den Beteiligten in Treuhand-, Pool- oder Beteiligungsvereinbarungen sind insoweit ohne Bedeutung. Bei Wohnungs- und Teileigentum (§§ 1 ff. WEG) ist in der Anzeige neu anzugeben „die genaue Bezeichnung des Wohnungs- und Teileigentums sowie de(r) Miteigentumsanteil“. Bereits bislang ist das „Grundstück“ in der Anzeige zu bezeichnen. Die Bezeichnung hat nach „Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer“ zu erfolgen. Eine „genaue“ Bezeichnung des Grundstücks war und ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Dies ist allein durch die grundbuchmäßige Bezeichnung gewährleistet (s. § 28 GBO). Für Wohnungs- und Teileigentum soll künftig zusätzlich eine „genaue“ Bezeichnung erforderlich sein. Ein sachlicher Grund dafür ist nicht ersichtlich. Die Vorschriften für „Grundstücke“ gelten uneingeschränkt auch für Wohnungs- und Teileigentum (§§ 1 ff. WEG und § 2 GrEStG). Wohnungs- und Teileigentum ist ein besonders ausgestaltetes Miteigentum nach Bruchteilen, das rechtlich wie ein Grundstück (i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) behandelt wird. Im Hinblick auf die allgemeine Gleichbehandlung von Grundstücken und Wohnungseigentum (s. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 GrEStG) erscheint die partielle Erweiterung der Anzeige für Wohnungseigentum als ein Fremdkörper im Grunderwerbsteuergesetz. Erwerbsvorgänge über Wohnungs- und Teileigentum bedürfen der notariellen Beurkundung (s. § 4 WEG und §§ 873, 925 BGB). Der Notar muss das Grundbuch vor der Beurkundung einsehen (§ 21 BeurkG). Der Grundbuchstand wird in der Urkunde im Allgemeinen vollständig angegeben. Dies gilt uneingeschränkt auch bei Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern (s. § 7 WEG). Die Abschrift der Urkunde ist der Anzeige beigefügt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die entsprechenden Angaben nochmals zusätzlich in die Anzeige selbst aufzunehmen ist daher nicht erforderlich. Die „genaue“ Bezeichnung des Wohnungs- und Teileigentums ist zudem meist sehr umfangreich und erfordert oftmals auch eine Bezugnahme auf die Teilungserklärung. Für derart ausführliche Angaben ist die kurze (Veräußerungs-)Anzeige schon aus Platzgründen nicht geeignet. Für die Besteuerung sind diese Angaben zudem auch nicht erforderlich.

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c) Bebauung (Abs. 1 Nr. 3) Alle Anzeigen müssen ferner „die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung“ enthalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

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Die Größe des Grundstücks ist grundsätzlich in Quadratmetern anzugeben. Die gesonderte Angabe der Grundstücksgröße erscheint entbehrlich, da sich diese bereits aus dem Grundbuch (und dem Kataster) ergibt. Die Größe des Grundstücks ist für die Erhebung der Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung. Die Angabe ist daher verzichtbar und sollte gestrichen werden.

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Bei bebauten Grundstücken ist in den Anzeigen ferner die Art der Bebauung anzugeben. Eine schlagwortartige Bezeichnung (z.B. Wohnhaus, Bürogebäude) ist ausreichend. Die Angabe des Baujahrs ist nicht erforderlich. Die Wohn- oder Nutzfläche der Gebäude ist nicht anzugeben. Die Art der Bebauung ist für die Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung, so dass auch diese Angabe verzichtbar erscheint. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass Anzeigen nur dann vollständig und ordnungsgemäß sind, wenn sie auch diese Angaben (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) enthalten (s. dazu bereits oben § 20 Rz. 8 ff.). Dies erscheint indes unverhältnismäßig.

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In der amtlichen Veräußerungsanzeige der Finanzverwaltung (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) wird 69 zusätzlich die Angabe verlangt, ob das (bebaute oder unbebaute) Grundstück „land- und forstwirtschaftlich genutzt“ wird. Eine Rechtsgrundlage dafür besteht nicht. Die Nutzung des Grundstücks muss in der Anzeige (nach § 20 GrEStG) nicht angegeben werden. Im Übrigen liegen die entsprechenden Angaben den Bewertungsstellen der Finanzämter ohnehin vor und können bei Bedarf auch noch im weiteren Besteuerungsverfahren geklärt werden (s. § 8 Abs. 2 GrEStG und §§ 157 ff. BewG). Wachter

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§ 20 Rz. 70 Inhalt der Anzeigen 70

Ausblick:1 Der Inhalt der Anzeige bleibt insoweit auch bei elektronischer Übermittlung der Veräußerungsanzeigen unverändert (nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). d) Erwerbsvorgang (Abs. 1 Nr. 4) aa) Anzeigepflichtiger Vorgang (Abs. 1 Nr. 4)

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Alle Anzeigen müssen ferner u.a. den „anzeigepflichtigen Vorgang“ bezeichnen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Dies meint nicht den Steuertatbestand (§ 1 GrEStG), sondern den zugrunde liegenden Rechtsvorgang. Eine Kurzbezeichnung (z.B. Kaufvertrag, Überlassung) ist ausreichend. Gerichte, Behörden und Notare können bei ihrer Anzeige in der amtlichen Veräußerungsanzeige zwischen Kauf, Tausch, Abtretung (Übertragung von Rechten), Schenkung und sonstigen Rechtsvorgängen (s. auch § 1 GrEStG) wählen. Grundsätzlich sollte es ausreichen, dass ein Vorgang dem Finanzamt für Zwecke der Grunderwerbsteuer angezeigt wird. Die steuerrechtliche Einordnung dieses Vorgangs ist die alleinige Aufgabe des Finanzamts. Es besteht daher keine Veranlassung, den anzeigepflichtigen Personen eine solche Bezeichnung aufzuerlegen. Eine falsche oder unzutreffende Bezeichnung ist demnach ohne Bedeutung.

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Ausblick:2 Der Inhalt der Anzeige bleibt insoweit auch bei elektronischer Übermittlung der Veräußerungsanzeigen unverändert (nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). bb) Tag der Beurkundung (Abs. 1 Nr. 4 GrEStG)

73

In allen Anzeigen muss zudem der „Tag der Beurkundung“ angegeben werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Damit ist in aller Regel der Tag der notariellen Beurkundung gemeint; in der amtlichen Veräußerungsanzeige ist das „Datum der Urkunde“ anzugeben. Dieser Tag ist auch aus der Urkundsabschrift ersichtlich (§ 9 Abs. 2 BeurkG). Der Tag der Beurkundung ist in der Regel für die Entstehung der Grunderwerbsteuer von Bedeutung (§ 38 AO und § 14 GrEStG).

74

Ausblick:3 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) künftig dahin erweitert werden, dass neben dem „Tag der Beurkundung“ auch die „Urkundennummer“ anzugeben ist. Diese Angabe war bereits bislang in der amtlichen Veräußerungsanzeige vorgesehen (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Dort ist inhaltlich gleichbedeutend die Angabe von „Urkundenrollenummer/Geschäftszeichen“ vorgesehen. Die Dienstordnung der Notare spricht insoweit von der „Nummer der Urkundenrolle und der Jahreszahl“ (§ 28 Abs. 2 und § 8 Abs. 3 DONot). Die Angabe dient der eindeutigen Identifizierung und Zuordnung der Urkunde. cc) Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte (Abs. 1 Nr. 4)

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Bei Vorgängen, die einer Genehmigung bedürfen, ist in der Anzeige zudem auch derjenige anzugeben, dessen Genehmigung erforderlich ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). In der Anzeige ist lediglich das Gericht (z.B. Familiengericht), die Behörde (z.B. Gemeinde) oder die Person (z.B. Ergänzungspfleger) anzugeben, deren Genehmigung erforderlich ist. 1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff. 2 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff. 3 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 81 § 20

Die Vorschrift erfasst alle gerichtlichen, behördlichen und privatrechtlichen Genehmigungen. Der Rechtsgrund der Genehmigung ist aber nicht anzugeben. Nach Erteilung der Genehmigung ist eine erneute Anzeige nicht erforderlich. Die Vorschrift gilt nur für (nachträgliche) Genehmigungen (s. § 184 BGB) und nicht auch für (vorherige) Einwilligungen (s. § 183 BGB). Die Angabe ist vor allem für den Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer von Bedeutung. Die Grunderwerbsteuer entsteht bei genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen erst mit der Genehmigung (§ 14 Nr. 2 GrEStG). Das Finanzamt muss daher wissen, ob die Genehmigung erfolgt ist und die Grunderwerbsteuer entstanden ist.

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Gerichte, Behörden und Notare müssen ihre Anzeige aber auch dann innerhalb von zwei Wochen nach 77 der Beurkundung erstatten, wenn die Wirksamkeit des Rechtsvorgangs noch von einer Genehmigung abhängig ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) (s. dazu auch § 18 Rz. 205 ff.). Das Fehlen der Genehmigung muss in der amtlichen Veräußerungsanzeige angegeben werden. Nach Eingang der Anzeige setzt das Finanzamt die Grunderwerbsteuer aber noch nicht fest, sondern wartet zunächst die Genehmigung ab. Nachdem das Finanzamt von der Erteilung der Genehmigung nicht (automatisch) Kenntnis erlangt, wird der Notar, der die Anzeige erstattet hat, in der Regel um eine entsprechende Mitteilung gebeten. Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für dieses Verfahren besteht (abgesehen von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG) nicht. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist nur bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften hinausgeschoben (§ 14 Nr. 2 GrEStG). Entsprechendes gilt auch bei Rechtsgeschäften, deren Wirksamkeit noch vom Eintritt einer Bedingung abhängig ist. Die Grunderwerbsteuer entsteht in diesen Fällen erst mit dem Eintritt der Bedingung (§ 14 Nr. 1 GrEStG). Nach dem Gesetzeswortlaut ist der fehlende Bedingungseintritt in den grunderwerbsteuerlichen Anzeigen jedoch nicht anzugeben (s. § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Die unterschiedliche Regelung ist wenig sachgerecht. Beide Fälle sollten gleichbehandelt werden.

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Die Anzeigepflicht bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften ist auch in anderer Hinsicht nicht 79 ganz überzeugend. Gerichte, Behörden und Notare müssen die Anzeige auch dann erstatten, wenn die Genehmigung noch nicht vorliegt (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Dagegen müssen die Steuerpflichtigen die Anzeige erst dann erstatten, wenn die Genehmigung erteilt worden und die Steuer entstanden ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und Umkehrschluss zu § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Richtigerweise sollte in beiden Fällen die Anzeige erst dann erfolgen, wenn das Rechtsgeschäft wirksam geworden ist. Dies vermeidet aufwendige Rückfragen der Finanzämter an die Notare und vereinfacht somit das Besteuerungsverfahren. Der amtliche Vordruck, den Gerichte, Behörden und Notare für ihre Anzeigen verwenden müssen 80 (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), weicht in verschiedener Hinsicht von dem gesetzlich vorgegebenen Inhalt der Anzeige ab. In der Veräußerungsanzeige ist beispielsweise anzugeben, ob die „Rechtswirksamkeit“ des Vorgangs eingetreten ist. Diese Angabe ist für den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 14 GrEStG) wichtig, aber im Gesetz nicht vorgesehen. Das Gesetz verlangt nur die Angabe, ob und gegebenenfalls wessen Genehmigung zu dem Rechtsgeschäft noch erforderlich ist. Angaben zur Rechtswirksamkeit sieht das Gesetz nicht vor. In der Veräußerungsanzeige soll (in derselben Zeile) zudem auch der „Tag der Übergabe“ angegeben werden. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich. Gerichten, Behörden und Notaren ist der Tag der Übergabe im Allgemeinen auch gar nicht bekannt (sofern er sich nicht ohnehin aus der Urkunde selbst ergibt). Für die Grunderwerbsteuer ist der Tag der Übergabe auch ohne jede Bedeutung. Die Finanzverwaltung sollte die Vordrucke an die gesetzlichen Regelungen anpassen. Ausblick:1 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) künftig dahin erweitert werden, dass bei bedingten Rechtsvorgängen auch Angaben zur „Bedingung“ gemacht werden müssen. 1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuer-

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§ 20 Rz. 81 Inhalt der Anzeigen Bei einem Rechtsvorgang, der von einer Bedingung abhängig ist, muss demnach künftig die Bedingung bezeichnet werden. Hintergrund ist die Regelung zur Steuerentstehung bei bedingten Rechtgeschäften (§ 14 Nr. 1 GrEStG). Die Steuer entsteht in diesen Fällen erst mit dem Eintritt der Bedingung. Der Begriff der Bedingung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsrechts (§§ 4 ff. BewG) und des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 158 ff. BGB). In der Anzeige sind sowohl aufschiebende (§ 4 BewG und § 158 Abs. 1 BGB) als auch auflösende (§ 5 BewG und § 158 Abs. 2 BGB) Bedingungen zu bezeichnen. Eine allgemeine Bezeichnung ist ausreichend. Genaue Angaben werden vom Gesetz insoweit nicht verlangt. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut sind nur Bedingungen in der Anzeige anzugeben, nicht auch Befristungen (s. § 8 BewG) oder Zeitbestimmungen (s. § 163 BGB). Eine Erweiterung der Anzeigepflicht lässt sich auch nicht damit begründen, dass diese Fälle im Bewertungsgesetz oder im Bürgerlichen Gesetzbuch gleichbehandelt werden. Im Grunderwerbsteuergesetz fehlt es an einer entsprechenden Regelung. e) Kaufpreis oder sonstige Gegenleistung (Abs. 1 Nr. 5) 82

In allen Anzeigen ist der „Kaufpreis oder die sonstige Gegenleistung (§ 9)“ anzugeben (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG). Diese Angaben sind für die steuerliche Bemessungsgrundlage maßgebend und bilden daher das „Herzstück“ jeder Anzeige.

83

Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei einem Grundstückskaufvertrag richtet die Bemessungsgrundlage nach dem vereinbarten Kaufpreis (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). In anderen Fällen ist der Wert der Gegenleistung gesondert zu ermitteln (s. § 9 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG).

84

Die Gegenleistung umfasst dabei nicht nur die vertraglich vereinbarte Leistung des Erwerbers, sondern auch weitere Leistungen des Erwerbers (oder anderer Personen) an den Veräußerer (oder andere Personen) (s. im Einzelnen § 9 Abs. 2 GrEStG).

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In der Praxis ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Angaben zu den Gegenleistungen vollständig und richtig sind. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn mehrere Rechtsgeschäfte in engem und sachlichem Zusammenhang miteinander abgeschlossen werden. Diese können grunderwerbsteuerlich dann als eine Einheit anzusehen sein. In den Anzeigen sollte dies (vorsorglich) angegeben und offengelegt werden.

86

Unrichtige oder unvollständige Angaben zum Kaufpreis oder den sonstigen Gegenleistungen führen dazu, dass keine ordnungsgemäße Anzeige vorliegt. Die Anzeige ist dann nicht nur formal „nicht in allen Teilen vollständig“, sondern auch inhaltlich unzutreffend. Die Anzeige hat demnach unter Umständen keine rechtliche Wirkung (z.B. für §§ 16 Abs. 5,1 21 GrEStG oder § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

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Ausblick:2 Der Inhalt der Anzeige bleibt insoweit auch bei elektronischer Übermittlung der Veräußerungsanzeigen unverändert (nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG). f) Namen der Urkundsperson (Abs. 1 Nr. 6)

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In allen Anzeigen ist schließlich auch der „Name der Urkundsperson“ anzugeben. licher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff. 1 Siehe dazu zuletzt BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 40 ff., BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Anzeige des Erwerbs von Kommanditanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG im Rahmen einer Sicherungsabtretung). 2 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 94 § 20

Dies bezieht sich nur auf die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG). Bei den Anzeigen der Steuerpflichtigen (§ 19 GrEStG) gibt es in aller Regel keine Urkundsperson.

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„Name“ ist der Nachname bzw. Familienname. Die Angabe des Vornamens ist nicht erforderlich ((Umkehrschluss zu § 20 Abs. 1 Nr. 1: „Name, Vorname“).

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Urkundsperson meint in aller Regel den beurkundenden Notar. Der Name des Notars ist auch aus der Niederschrift ersichtlich (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG), die der Anzeige beigefügt ist. Eine Angabe der Adresse wird vom Gesetz (bislang) nicht verlangt. Der Name der Kanzlei des Notars muss nicht angegeben werden. Die Finanzverwaltung verlangt in den amtlichen Veräußerungsanzeigen (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) gleichwohl folgende Angaben des anzeigepflichtigen Notars: Name, Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Telefonnummer und Datum (der Anzeige?). Das Finanzamt hat daher jederzeit die Möglichkeit, etwaige Unklarheiten durch einfache Rückfrage (auch telefonisch) bei der anzeigenpflichtigen Urkundsperson aufzuklären.

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Ausblick:1 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG) künftig dahin erweitert werden, dass neben dem Namen auch die „Anschrift der Urkundsperson“ anzugeben ist. Diese Angabe war bereits bislang in der amtlichen Veräußerungsanzeige vorgesehen (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Als Angaben zur „Anschrift“ werden dort schon immer verlangt: Straße, Hausnummer, PLZ, Ort und Telefonnummer. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Die Angaben sind ohnehin meist schon aus der Urkunde ersichtlich und auch über das Europäische Notarverzeichnis der Notarkammern (www.notarverzeichnis.eu) für jedermann online verfügbar. Der Gesetzgeber meint mit der „Anschrift“ offensichtlich die Postanschrift. Die Angabe einer EmailAdresse des Notars ist jedenfalls in der amtlichen Veräußerungsanzeige nicht vorgesehen. Für etwaige Rückfragen des Finanzamts wäre dies allerdings zweckmäßig (damit diese möglichst noch innerhalb der kurzen Frist von zwei Wochen geklärt werden können).

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II. Zusätzlicher Inhalt der Anzeigen bei Anteilen an einer Gesellschaft (Abs. 2) 1. Überblick Bei Anzeigen, die sich „auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen“, müssen die Anzeigen noch verschiedene weitere Angaben enthalten (§ 20 Abs. 2 GrEStG).2

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Zusätzliche Angaben sind somit immer dann erforderlich, wenn der Grundbesitz nicht unmittelbar, sondern mittelbar (über eine Gesellschaft) erworben wird. Der Gesetzgeber umschreibt dies dahingehend, dass sich der Erwerbsvorgang auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen muss. Diese Formulierung war zwar so bereits in der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 19403) enthalten, ist aber rechtlich wenig bestimmt. Der Gesetzgeber hat gleichwohl davon abgesehen, die erweiterte Anzeigepflicht an einzelne Steuertatbestände (z.B. § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG) oder Anzeigepflichten (z.B. § 18 Abs. 2 Satz 2 oder § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis Nr. 7a und Nr. 9 GrEStG) zu knüpfen. Die Regelung gilt demnach uneingeschränkt für alle Fälle, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen. Damit sind beispielsweise auch Einbringungen, Anwachsungen4 und Umwandlungen erfasst. Unter der Geltung des Grundgesetzes erscheint die mangelnde Bestimmtheit der Vorschrift rechtsstaatlich bedenklich. Dies zeigt vor allem ein Vergleich zu anderen Vorschriften des

94

1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff. 2 Siehe dazu Loose in Boruttau19, § 20 GrEStG Rz. 13 ff. 3 RGBl. I 1940, 585 und 595. 4 Zur unterlassenen Anzeige der Beteiligten im Falle der Anwachsung bei einer Zweipersonengesellschaft s. BFH v. 29.10.2008 – II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832.

Wachter

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§ 20 Rz. 94 Inhalt der Anzeigen Grunderwerbsteuergesetzes, wo ähnliche Fälle klarer und bestimmter geregelt worden sind (s. z.B. § 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). 95

Darüber hinaus ist die Regelung der erweiterten Anzeigepflicht auch deshalb problematisch, weil sie sich auf Anteile an (in- und ausländischen) „Gesellschaften“ beschränkt. Damit werden Personenund Kapitalgesellschaften erfasst (einschließlich auch Gesellschaften des bürgerlichen Rechts). Dagegen gilt die Vorschrift nicht für Genossenschaften und Vereine (s. aber §§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GrEStG). Anstalten, Stiftungen und Trusts sind gleichfalls nicht erfasst. Bei Stiftungen können zwar keine „Anteile“ übertragen werden, aber in Einzelfällen durchaus andere Rechte von Bezugs- oder Anfallsberechtigten. Schließlich fallen auch Einzelunternehmen nicht unter den Begriff der Gesellschaften. Eine solche Regelung widerspricht dem Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung.

96

Das zukünftige Verfahren der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen der Gerichte, Notare und Behörden (nach § 22a GrEStG) geht einher mit einer Erweiterung des Inhalts der Anzeigen (nach § 20 GrEStG) (s. dazu oben Rz. 27). Die Neuregelungen sind bislang noch nicht in Kraft getreten (s. § 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Es ist derzeit (Stand: Juni 2021) auch nicht abzusehen, wann dies der Fall sein wird. Bei den nachfolgenden Einzelerörterungen wird am Ende eines Abschnitts jeweils ein Ausblick auf die (künftigen) Regelungen zum Inhalt der Anzeige gegeben. 2. Einzelne Angaben a) Gesellschaft (Abs. 2 Nr. 1)

97

Bei Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen die Anzeigen zusätzlich enthalten „die Firma, den Ort der Geschäftsführung sowie die Wirtschafts-Identifikationsnummer der Gesellschaft gem. § 139c AO“ (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).

98

Die Firma ist der Name der Gesellschaft (s. § 17 ff. HGB, § 4 GmbHG, § 4 AktG). Dies meint die im Handelsregister eingetragene Firma. Das Register, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, muss dagegen nicht angegeben werden.

99

Die Anzeige muss den Ort der Geschäftsführung angeben. Dies meint (trotz des abweichenden Wortlauts) den Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO). Die Angabe des Satzungssitzes (§ 11 AO) ist dagegen nicht erforderlich. Der Ort der Geschäftsleitung ist für die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts von Bedeutung (s. § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG). Gerichten, Behörden und Notaren ist der Ort der Geschäftsleitung oftmals nicht bekannt. Aus dem Handelsregister ist nur der Satzungssitz und die Geschäftsanschrift ersichtlich, nicht aber der Ort der Geschäftsleitung.

100

Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) wurde bislang noch nicht eingeführt und kann daher auch noch nicht angegeben werden (s. zum aktuellen Stand der Arbeiten die Informationen des Bundeszentralamts für Steuern unter www.bzst.de) (s. dazu oben Rz. 39 ff.). § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verlangt die Angabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer von Veräußerer und Erwerber; nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist zusätzlich die Angabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer der Gesellschaft erforderlich.1

101

Ausblick:2 Für Zwecke der elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen soll der Inhalt der Anzeigen (nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) künftig erweitert werden.

1 Siehe dazu auch BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 43, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = GmbHR 2017, 1117 = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller (wonach die Anzeige die „einwandfreie Identifizierung“ der grundbesitzenden Gesellschaft nach § 20 Abs. 2 GrEStG ermöglichen muss). 2 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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Wachter

B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 107 § 20

In der Anzeige neu anzugeben ist die Registernummer und die Steuernummer der Gesellschaft allerdings nur „bis Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer“ (nach § 139c AO) – s. dazu bereits oben Rz. 39 ff., 48 und 52 (im Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Erforderlich ist die Angabe der Register- und Steuernummern von der „Gesellschaft“. Bei anderen (juristischen) Personen, Vereinigungen oder Rechtsträgern sind keine solchen Angaben vorgesehen (z.B. auch nicht für in- oder ausländische Stiftungen, Vereine, Genossenschaften, Trusts, Anstalten oder Vermögensmassen). Das Gesetz verlangt (wie auch bei § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG n.F.) die Angabe der für die „Besteuerung nach dem Einkommen“ vergebenen Steuernummer. Bei Körperschaften dürfte dies die Steuernummer sein, die das Finanzamt für Körperschaften vergeben hat (s. §§ 1, 7 ff. KStG). Die Vielzahl an erforderlichen Abgaben erschwert die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigen und erscheint daher unverhältnismäßig (zur Kritik s. auch oben Rz. 39 ff., 48 und 52). b) Gesellschaftsanteile (Abs. 2 Nr. 2) Bei Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen die Anzeigen zusätzlich auch die „Bezeichnung des oder der Gesellschaftsanteile“ enthalten (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).

102

Die Vorschrift ist in mehrfacher Hinsicht nicht ganz eindeutig.

103

Im Regelfall sind die Gesellschaftsanteile anzugeben, die (unmittelbarer) Gegenstand der Übertragung sind. Gesellschaftsanteile, die nur mittelbar übertragen werden, müssen nicht gesondert angegeben werden. Bei Verschmelzungen und Spaltungen nach dem Umwandlungsgesetz stellt sich die Frage, ob die Anteile an der übertragenden oder der aufnehmenden Gesellschaft (oder an beiden) anzugeben sind. Welche Angaben sind erforderlich, wenn ein Einzelunternehmen (mit Grundstücken) in eine Gesellschaft eingebracht wird (z.B. nach §§ 20 oder 24 UmwStG) und keine Anteile gewährt werden?

104

Die Gesellschaftsanteile sind in den Anzeigen zu bezeichnen. Im Unterschied zur Bezeichnung der Grundstücke (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) macht das Gesetz zur Bezeichnung der Gesellschaftsanteile keine näheren Vorgaben.

105

Auf welche Art und Weise müssen die Gesellschaftsanteile bezeichnet werden? Wie genau muss die 106 Bezeichnung sein (z.B. 1.000 Geschäftsanteile an der X-GmbH mit den Nr. 1 bis 1.000 gemäß der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste im Nennbetrag zu jeweils 1 Euro)? Muss die Art der Gesellschaftsanteile (und deren Gattung) näher angegeben werden (z.B. Namensaktien oder Inhaberaktien, Stückaktien oder Nennbetragsaktien)? Sind die konkreten Rechte, die mit den einzelnen Gesellschaftsanteilen verbunden sind (z.B. Sonderrechte, Vetorechte, Mehrfachstimmrechts) in der Anzeige anzugeben? Gilt die Regelung nur für Gesellschaftsanteile im Rechtssinne oder auch für wirtschaftlich vergleichbare Anteile? In den amtlichen Vordrucken für die steuerlichen Veräußerungsanzeigen verlangt die Finanzverwaltung seit Anfang 2018 die Angabe des „Anteils am Gesellschaftsvermögen/-kapital, der übertragen wird“. Eine Rechtsgrundlage dafür besteht nicht. Nach der gesetzlichen Regelung sind nur die „Gesellschaftsanteile“ in der Anzeige zu bezeichnen. Angaben zum Gesellschaftsvermögen und/oder -kapital sind weder vorgesehen noch erforderlich. Der Begriff des Gesellschaftsvermögens bzw. -kapitals ist zudem in keiner Weise bestimmt. Ausblick:1 Der Inhalt der Anzeige bleibt insoweit auch bei elektronischer Übermittlung der Veräuße- 107 rungsanzeigen unverändert (nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Der Gesetzgeber hat nicht näher konkretisiert, welche Angaben zu den Gesellschaftsanteilen im Einzelnen erforderlich sind. Die amtlichen Veräußerungsanzeigen (nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG) enthalten dazu keine näheren Informationen. Dort ist keine Angabe der „Gesellschaftsanteile“ vorgesehen. Vielmehr werden Angaben zu dem „Anteil am Gesellschaftsvermögen/-kapital“ verlangt, der übertragen bzw. erworben wird. 1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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§ 20 Rz. 107 Inhalt der Anzeigen Dies ist widersprüchlich und vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Die Finanzverwaltung bestätigt damit, dass die gesetzliche Regelung unklar ist. c) Beteiligungsübersicht (Abs. 2 Nr. 3) 108

Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen zudem „bei mehreren beteiligten Rechtsträgern eine Beteiligungsübersicht“1 enthalten (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).2

109

Die Regelung wurde erstmals im Rahmen des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz in das Gesetz eingefügt und gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 11 GrEStG). Die Vorschrift wurde (entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung) nicht auf die Fälle der Anzeigepflicht (nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG3) beschränkt, so dass es an einer folgerichtigen Umsetzung fehlt. Darüber hinaus ist die Vorschrift aber auch nicht ausreichend bestimmt und daher verfassungswidrig (s. dazu bereits oben Rz. 23 ff.).4

110

Die Regelung gilt gleichermaßen für alle Anzeigen. Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) haben in aller Regel aber keine Kenntnis von den (genauen) Beteiligungsverhältnissen. Eine Beteiligungsübersicht liegt ihnen nicht vor und kann von ihnen auch nicht beschafft werden.5 Gerichte, Behörden und Notare können in ihre Anzeige daher auch keine Beteiligungsübersicht aufnehmen. Der Gesetzgeber verlangt insoweit etwas Unmögliches.6

111

Die anzeigepflichtigen Steuerschuldner (§ 19 GrEStG)7 werden in vielen Fällen gleichfalls nicht in der Lage sein, eine solche Beteiligungsübersicht vorzulegen. Nicht jeder Veräußerer und Erwerber eines Gesellschaftsanteils hat eine genaue Kenntnis der (unmittelbaren und mittelbaren) Beteiligungen an der Gesellschaft. Es bestehen insoweit auch keine Auskunftsansprüche.

112

Die Erweiterung der Anzeigen auf Beteiligungsübersichten ist daher auch unverhältnismäßig. Das Grunderwerbsteuer-Finanzamt sollte die entsprechenden Informationen entweder unmittelbar bei der Gesellschaft oder bei dem für die Gesellschaft zuständigen Finanzamt anfordern. Dies wäre nicht nur einfacher, sondern vor allem auch wesentlich verlässlicher als die (möglichen) Angaben der Anzeigepflichtigen.

113

Die Finanzverwaltung besteht (trotz der Kritik) darauf, dass der steuerlichen Veräußerungsanzeige eine Beteiligungsübersicht beigefügt wird. In dem Anfang 2018 erstmals neu eingeführten Vordruck für die „Anzeige über Anteilsübertragungen“ wird darauf nochmals ausdrücklich hingewiesen. Der (durch Fettdruck und Einrahmung) besonders hervorgehobene Hinweis lautet: „Eine Beteiligungsübersicht ist 1 Zu der notwendigen Dokumentation der „Eigentums- und Kontrollstruktur“ durch den beurkundenden Notar bei Erwerbsvorgängen nach § 1 GrEStG (§ 12 Abs. 4 GwG n.F. und § 11 Abs. 5 GwG a.F.) s. § 18 Rz. 33 ff. und Rz. 41 ff. 2 Pahlke6, § 20 GrEStG Rz. 2; Loose in Boruttau19, § 20 GrEStG Rz. 14 ff. 3 Zur Notwendigkeit einer Beteiligungsübersicht in den Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG s. Tz. 10 der gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018 (Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG), BStBl. I 2018, 1078. 4 Zu Recht kritisch auch Loose in Boruttau19, § 20 GrEStG Rz. 14 (Vorschrift ist unscharf und wesentlich zu weit gefasst). 5 Gleichwohl für eine Anzeige mit allen Angaben nach § 20 Abs. 2 GrEStG ohne jede Einschränkung Hofmann11, § 18 GrEStG Rz. 9; Pahlke6, § 18 GrEStG Rz. 8. 6 Im (notariellen) Schrifttum besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass der anzeigepflichtige Notar (§ 18 GrEStG) dem Finanzamt keine Beteiligungsübersicht (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG) vorlegen muss. Siehe etwa Gottwald, MittBayNot 2015, 1 (6) (Notare sind von der Anzeige nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht betroffen); Ihle, DNotZ 2014, 809 (814) (Notar soll die Beteiligten auf die Dokumentationspflicht nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG hinweisen; eine Rechtsgrundlage für eine solche Hinweispflicht ist allerdings nicht ersichtlich). – Ähnlich auch Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 13 (geringe Bedeutung für den Notar). 7 Zum Inhalt der Anzeigen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG s. Tz. 13 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018 zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG (BStBl. I 2018, 1314). Danach sind von grundbesitzenden Personengesellschaft alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Die Anzeige ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu erstatten. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG muss die Anzeige bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht enthalten.

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Wachter

B. Inhalt der Anzeigen

Rz. 114 § 20

beizufügen (§ 20 Absatz 2 Nummer 3 Grunderwerbsteuergesetz)“. Der neue Vordruck ändert allerdings nichts daran, dass es für ein solches Verlangen an einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage fehlt (s. dazu bereits oben Rz. 23 ff.). Ausblick:1 Der Inhalt der Anzeige bleibt insoweit auch bei elektronischer Übermittlung der Veräußerungsanzeigen unverändert (nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Der Gesetzgeber hat von einer Änderung der Vorschrift (trotz vielfältiger Kritik und praktischer Schwierigkeiten) abgesehen. Dabei dürfte gerade die elektronische Übermittlung der Beteiligungsübersicht (mit Schaubildern, Grafiken und Tabellen) technisch nicht ganz unproblematisch sein.

1 Siehe dazu die (vorgesehene) Änderung von § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. Die Änderung ist bislang noch nicht in Kraft getreten (§ 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG). Siehe dazu auch oben Rz. 27 ff.

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114

§ 21 Urkundenaushändigung Die Gerichte, Behörden und Notare dürfen Urkunden, die einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen, den Beteiligten erst aushändigen und Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften den Beteiligten erst erteilen, wenn sie die Anzeigen in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20) an das Finanzamt abgesandt haben. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . .

. .

1 2

. 6 . 10

B. Urkundenaushändigung I. Gerichte, Behörden und Notare . . . . . . . . 15 II. Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

III. Anzeigepflichtige Vorgänge . . . . . . . . . . IV. Urkunden, Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vollständige Anzeige . . . . . . . . . . . . . . VII. Anzeige an das zuständige Finanzamt . . . . VIII. Absenden der Anzeige . . . . . . . . . . . . . IX. Aushändigen nach Absenden der Anzeige . . C. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 24 29 33 44 47 51 53

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Becker, Die „Flucht in die Zwischenverfügung“, ZNotP 2017, 174; Genske, Beurkundungs- und Berufsrecht, notar 2016, 152; Ihle, Steuerrecht, Aktuelle Entwicklungen, notar 2016, 49; Heine, Strenge Anzeigepflichten bei der Grunderwerbsteuer und Änderungen nach Art. 8 StÄndG 2015, UVR 2016, 44; Wälzholz, Aktuelle Fragen der Grunderwerbsteuer in der notariellen Gestaltungspraxis, MittBayNot 2017, 9.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Gerichte, Behörden und Notare dürfen Urkunden, die einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen, den Beteiligten erst aushändigen, wenn sie Anzeigen an das Finanzamt abgesandt haben (§ 21 GrEStG). Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Gerichte, Behörden und Notare ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht (nach § 18 GrEStG) nachkommen.

1

II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift (des § 21 GrEStG) knüpft an die gesetzlichen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden 2 und Notare (§ 18 GrEStG) an. Diese müssen dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen schriftlich Anzeige über bestimmte grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge erstatten. Der Gesetzgeber hatte (früher) offensichtlich Bedenken, ob die staatlichen Gerichte, Behörden und Notare ihre Anzeigepflichten auch tatsächlich erfüllen. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflichten hat der Gesetzgeber daher im Grunderwerbsteuergesetz ein besonderes Verbot der Urkundenaushändigung vorgesehen. Die Aushändigung von Urkunden (und die Erteilung von Urkundsabschriften) sind danach erst dann 3 zulässig, wenn die Anzeigen an das Finanzamt abgesandt worden sind. Die Vorschrift regelt nach ihrem Wortlaut die zeitliche Reihenfolge zwischen den steuerlichen Anzeigen und der Aushändigung der Urkunden. Die Aushändigung der Urkunden darf erst dann erfolgen, wenn die Anzeige an das Finanzamt abgesandt worden ist. Die Urkunden dürfen demnach erst nach der Absendung der Anzeigen (und nicht schon vorher) ausgehändigt werden. Nach der Absendung der steuerlichen Anzeige entfällt das zeitlich befristete Verbot der Urkundenaushändigung.

Wachter

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§ 21 Rz. 4 Urkundenaushändigung 4

Die Regelung hat das Ziel, die Erfüllung der gesetzlichen Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden und Notare sicherzustellen.1 Die Finanzämter sollen zuverlässig über alle grunderwerbsteuerbaren Vorgänge informiert werden, damit sie die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß erheben können. Mittelbar dient die Vorschrift somit auch der Sicherung des Grunderwerbsteueraufkommens.2

5

Die Vorschrift soll den Vollzug der Urkunden durch die Notare bei Grundbuchämtern und Registergerichten nicht verzögern. Verhindert werden soll allerdings, dass die Beteiligten sich die Urkunde aushändigen lassen und den Erwerb selbst vollziehen, ohne dass zuvor die steuerlichen Anzeigepflichten erfüllt worden sind. Ohne die Urkunde kann ein steuerpflichtiger Erwerb in vielen Fällen nicht vollzogen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn für den Erwerb eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist. Die Regelung ergänzt insoweit die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 GrEStG).

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 6

Das zeitlich befristete Verbot der Urkundenaushändigung (§ 21 GrEStG) soll die Erfüllung der Anzeigepflichten durch Gerichte, Behörden und Notare sicherstellen. Das gesetzmäßige Verhalten von Gerichten, Behörden und Notaren (einschließlich auch der Erfüllung der steuerlichen Anzeigepflichten) wird darüber hinaus auch im Rahmen der allgemeinen Berufs-, Dienst- und Rechtsaufsicht überwacht. Diese Regelungen bleiben unberührt.

7

Notare sind grundsätzlich verpflichtet, Urkunden sobald als möglich beim Grundbuchamt oder Registergericht einzureichen und sich um einen zeitnahen Vollzug zu bemühen (§ 53 BeurkG).3 Die Vollzugspflicht der Notare wird durch das Grunderwerbsteuergesetz nicht berührt. Das Verbot der Urkundenaushändigung besteht nur gegenüber den „Beteiligten“ (§ 21 GrEStG), nicht aber auch gegenüber Gerichten und Behörden.

8

Die unverzügliche Vorlage der Urkunden an das Amtsgericht kann aus verschiedenen Gründen geboten sein. Zivilrechtlich ist die Antragstellung beim Grundbuchamt vor allem für das Rangverhältnis mehrerer Rechte von Bedeutung (s. §§ 17, 45 GBO und § 879 BGB). Steuerrechtlich kann die Vorlage der Urkunde an das Grundbuchamt für die Wahrung der Zweijahresfrist bei Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs von Bedeutung sein (§ 16 Abs. 1 und 2 GrEStG).4

9

Der Vollzug der Urkunden (bei Gerichten und Behörden) kann und muss somit unverzüglich erfolgen. Die steuerlichen Anzeigepflichten dürfen den Vollzug nicht verzögern oder behindern.5

IV. Rechtsentwicklung 10

Eine gesetzliche Regelung zur Urkundenaushändigung war bereits in der § 6 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RGBl. 1940, 585 und 595) enthalten. Damals wurde das Verbot der Urkundenaushändigung allerdings nicht wie heute an die Absendung der Anzeige, sondern an die Empfangsbestätigung des Finanzamts angeknüpft (§§ 6 Abs. 1, 5 DVO GrEStG 1940). Bei Urkunden, die zum Vollzug an das Grundbuchamt vorgelegt werden mussten, genügte jedoch schon damals die Absendung der Anzeige (§ 6 Abs. 2 DVO GrEStG 1940). Dem Erwerber eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren durfte die Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses in allen Fällen erteilt werden, bevor das Finanzamt den Empfang der Anzeige bestätigt hat (§ 6 Abs. 3 DVO GrEStG 1940).

1 Pahlke6, § 21 GrEStG Rz. 1; Loose in Boruttau19, § 21 GrEStG Rz. 12. 2 Heine in Wilms/Jochum, § 21 GrEStG Rz. 4, 5 und 8; Hofmann11, § 21 GrEStG Rz. 1; Loose in Boruttau19, § 21 GrEStG Rz. 12. 3 Siehe dazu Winkler19, § 53 BeurkG Rz. 17 ff. 4 Siehe dazu BFH v. 18.1.2006, II B 105/05, BFH/NV 2006, 813 = MittBayNot 2006, 364 mit Anm. Wälzholz. Ausführlich dazu Becker, ZNotP 2017, 174; Gottwald, MittBayNot 2010, 165. 5 Allgemeine Auffassung, s. statt vieler Loose in Boruttau19, § 21 GrEStG Rz. 14.

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Wachter

B. Urkundenaushändigung

Rz. 18 § 21

Die heutige Fassung der Vorschrift geht im Wesentlichen zurück auf § 21 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (BGBl. I 1982, 1777).

11

Danach wurde die Vorschrift insbesondere durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834) geändert. Nach dem Wort „Anzeigen“ wurden die Wörter „in allen Teilen vollständig (§ 18 und 20)“ eingefügt (Art. 8 Nr. 4 StÄndG 2015).1 Die Neuregelung ist auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht worden sind (§ 23 Abs. 13 GrEStG). Nach der amtlichen Gesetzesbegründung2 sollte die bereits zuvor (BGBl. I 2014, 1266) erfolgte Änderung des Anzeigenbegriffs in § 16 Abs. 5 GrEStG auch in § 21 GrEStG vorgenommen werden. Damit sollte sichergestellt werden, dass der Anzeigenbegriff innerhalb des Grunderwerbsteuergesetzes einheitlich angewandt wird. Von der Vereinheitlichung nicht betroffen ist der Anzeigenbegriff der Abgabenordnung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

12

Gleichwohl ist der Anzeigenbegriff in § 16 Abs. 5 GrEStG3 und § 21 GrEStG nicht vollständig einheit- 13 lich geregelt. In § 16 Abs. 5 GrEStG wird eine vollständige Anzeige i.S.d. „§§ 18 bis 20“ GrEStG („bis“, nicht und) verlangt, d.h. es müssen sowohl die Anzeigen der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) als auch der Steuerpflichtigen (§ 19 GrEStG) erfüllt worden sein und inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben (§ 20 GrEStG) entsprechen. Dagegen ist im Zusammenhang mit der Urkundenaushändigung (§ 21 GrEStG) lediglich eine vollständige Erfüllung der Anzeigepflicht i.S.d. „§§ 18 und 20“ GrEStG („und“, nicht bis) vorgesehen. Dies ist folgerichtig, da das Verbot der Urkundenaushändigung sich nur an die anzeigepflichtigen Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) und nicht auch an die anzeigepflichtigen Steuerpflichtigen (§ 19 GrEStG) richtet. Mit der Änderung des § 21 GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 hat der Gesetzgeber vor allem auch auf die Rechtsprechung des BFH4 reagiert, wonach grundstücksbezogene Angaben (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG) für eine ordnungsgemäße Anzeige (i.S.v. § 16 Abs. 5 GrEStG) nicht erforderlich sein sollten. In den Gesetzesmaterialien wird insoweit lediglich von einer „Klarstellung“ der Rechtslage gesprochen. Der Gesetzeswortlaut deutet allerdings auf eine (erneute) Verschärfung der Anzeigepflichten hin (zur Kritik an dieser unverhältnismäßigen Regelung s. unten Rz. 37 ff.).

14

B. Urkundenaushändigung I. Gerichte, Behörden und Notare Die Regelung gilt nur für Gerichte, Behörden und Notare (i.S.v. § 18 GrEStG), nicht auch für Steuerschuldner (§ 19 GrEStG) und andere Beteiligte.5

15

II. Urkunden Das Aushändigungsverbot betrifft „Urkunden“, die einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen.

16

Mit dem Begriff der Urkunde knüpft der Gesetzgeber an die Urkunden an, die von Gerichten, Behörden und Notaren errichtet worden sind und einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen (§ 18 GrEStG).

17

In der Regel wird es sich dabei um öffentliche Urkunden (§§ 415 ff. ZPO) handeln; nach dem Gesetzeswortlaut sind aber auch Privaturkunden umfasst.

18

1 Ausführlich dazu Heine, UVR 2016, 44. 2 BT-Drucks. 18/4901, 54. 3 Zum Normzweck der Regelung des § 16 Abs. 5 GrEStG im Zusammenhang mit einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus dem Jahr 2004 s. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, Rz. 42, BStBl. II 2017, 966 = DStR 2017, 1593 mit Anm. Schmid = BB 2017, 1957 mit Anm. Heinmüller. 4 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. – Siehe dazu auch Viskorf in Boruttau18, § 20 GrEStG Rz. 17 sowie § 21 GrEStG Rz. 12. 5 Loose in Boruttau19, § 21 GrEStG Rz. 14.

Wachter

941

§ 21 Rz. 19 Urkundenaushändigung 19

Bei Gerichten sind dies vor allem Urteile, Beschlüsse (z.B. Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) und sonstige Entscheidungen (z.B. Eintragungen im Handelsregister, § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG).

20

Anzeigepflichtige Urkunden von Behörden sind vor allem Enteignungsbeschlüsse (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG) und Entscheidungen in Umlegungs- und Flurbereinigungsverfahren.

21

Die bei weitem größte praktische Bedeutung hat die Vorschrift jedoch für die Urkunden von Notaren. Die Vorschrift gilt für alle Urkunden von Notaren (i.S.v. § 18 GrEStG). Damit sind sowohl notarielle Beurkundungen (§ 128 BGB, §§ 8 ff. BeurkG) als auch Unterschriftsbeglaubigungen (§ 129 BGB, § 40 BeurkG) erfasst. Bei Unterschriftsbeglaubigungen gilt dies allerdings nur, sofern der Notar den Text der Urkunde auch selbst entworfen hat. Dagegen bestehen bei Unterschriftsbeglaubigungen (ohne Entwurf des Urkundstextes durch den Notar) keine Anzeigepflichten und auch kein Aushändigungsverbot.

III. Anzeigepflichtige Vorgänge 22

Das Aushändigungsverbot gilt für alle Urkunden, die „einen anzeigepflichtigen Vorgang betreffen“. Damit sind die Urkunden erfasst, die von Gerichten, Behörde und Notaren angezeigt werden müssen (d.h. die Fälle des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG).

23

Nach dem Gesetzeswortlaut gilt das Aushändigungsverbot auch dann, wenn der Vorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (s. § 18 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Ausnahmen sind (anders als bei der Unbedenklichkeitsbescheinigung, § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) nicht vorgesehen. In Fällen, in denen offensichtlich keine Grunderwerbsteuer anfällt, ist der Anwendungsbereich des Aushändigungsverbots allerdings teleologisch zu reduzieren (Rechtsgedanke des § 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).1

IV. Urkunden, Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften 24

Die Vorschrift regelt die Aushändigung von Urkunden und die Erteilung von Urkundsabschriften.

25

Mit der Aushändigung der Urkunde ist die Übergabe des Originals der Urkunde gemeint. Bei notariellen Urkunden verbleibt die Urschrift der Urkunde in der Regel in der Verwahrung des Notars (§ 45 Abs. 1 BeurkG). Die Aushändigung der Urschrift erfolgt in der Regel nur zur Verwendung im Ausland (§ 45 Abs. 2 BeurkG) oder bei Unterschriftsbeglaubigungen (§ 45 Abs. 3 BeurkG).

26

Die Ausfertigung der Niederschrift vertritt die Urschrift im Rechtsverkehr (§§ 47 ff. BeurkG). Die Beteiligten können vom Notar in der Regel eine Ausfertigung verlangen (§ 51 BeurkG). Die steuerlichen Anzeigepflichten bleiben davon unberührt (§ 51 Abs. 4 BeurkG).

27

Entsprechendes gilt auch für die Erteilung von beglaubigten Abschriften einer Urkunde (§§ 51 Abs. 3, 42 BeurkG). Dies gilt unabhängig davon, ob die Beglaubigung in Papierform oder in elektronischer Form erfolgt (s. § 42 Abs. 4 BeurkG).

28

Nicht erfasst sind dagegen einfache Abschriften oder (elektronische) Kopien (z.B. pdf-Dokumente). Dies beruht darauf, dass Urkunden für Eintragungen im Grundbuch stets zumindest in öffentlich beglaubigter Form vorgelegt werden müssen (§ 29 GBO). Einfache Abschriften genügen nicht. Die Aushändigung von einfachen und elektronischen Abschriften muss nach dem Normzweck somit nicht beschränkt werden.

V. Beteiligter 29

Das Aushändigungsverbot gilt nur gegenüber den „Beteiligten“.

1 Heine in Wilms/Jochum, § 21 GrEStG Rz. 10 (aus Vereinfachungsgründen davon abzusehen).

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Wachter

B. Urkundenaushändigung

Rz. 40 § 21

Der Begriff der „Beteiligten“ ist im Grunderwerbsteuergesetz nicht näher definiert (s. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG). Der Begriff der Beteiligten ist nicht identisch mit dem Begriff der Steuerschuldner (§ 13 GrEStG) oder der Steuerpflichtigen (§ 33 AO). Der allgemeine Begriff der Beteiligten der Abgabenordnung (§ 78 AO) passt hier nicht. Hier sind alle Personen gemeint, die an dem grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang (i.S.v. § 18 GrEStG) beteiligt waren (s. auch § 13 Nr. 1 GrEStG). Dies sind regelmäßig Veräußerer und Erwerber.

30

Nicht zu den Beteiligten gehören (andere) Gerichte, Behörden und Notare, wie beispielsweise das Grundbuchamt, das Registergericht oder die Gemeinden.1 Die Vorlage der Urkunden an Gerichte und Behörden ist daher jederzeit möglich. Die Vollzugspflicht der Notare (s. § 53 BeurkG) wird durch das Grunderwerbsteuergesetz nicht verdrängt (auch nicht vorübergehend).

31

Rechtsanwälte und Steuerberater sind keine Dritten, sondern haben insoweit die gleiche Stellung wie die Beteiligten, die sie jeweils vertreten.

32

VI. Vollständige Anzeige Die Aushändigung der Urkunden darf erst dann erfolgen, wenn die Anzeigen „in allen Teilen vollständig (§§ 18 und 20)“ an das Finanzamt abgesandt worden sind.

33

Die bloße Anzeige des grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgangs genügt somit nicht. Die Anzeige muss vielmehr „schriftlich“ und „nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck“ erfolgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

34

Die Anzeige muss darüber hinaus vollständig sein, und zwar „in allen (ihren) Teilen“. Die Vollständigkeit der Anzeige richtet sich nach § 20 GrEStG, so dass nur Anzeigen mit dem dortigen Inhalt vollständig sind. Dabei wird sowohl auf § 20 Abs. 1 GrEStG (allgemeiner Inhalt der Anzeigen) als auch auf § 20 Abs. 2 GrEStG (besonderer Inhalt bei Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen) Bezug genommen.

35

Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob Gerichte, Behörden und Notare Urkunden schon dann aushändigen dürfen, wenn sie zwar eine Anzeige (i.S.v. § 18 GrEStG) abgesandt haben, diese aber nicht in allen Teilen vollständig (§ 20 GrEStG) sind.

36

Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur solche Anzeigen vollständig, die alle Angaben (i.S.v. § 20 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG) enthalten. Dies wäre aber zu weitgehend und unverhältnismäßig (s. dazu auch § 19 Rz. 14 ff.).

37

Maßgebend ist vielmehr der Normzweck. Ziel ist die Sicherstellung der Anzeigepflichten. Daher muss 38 jede Anzeige ausreichend sein, die dem Finanzamt positive Kenntnis von einem (möglicherweise) grunderwerbsteuerbaren Vorgang verschafft. Das Finanzamt muss aufgrund der Anzeige in der Lage sein, die (mögliche) Steuerbarkeit eines Rechtsvorgangs zu prüfen und die Grunderwerbsteuer ordnungsgemäß festzusetzen. Etwaige Unklarheiten können im Rahmen des Besteuerungsverfahrens (§§ 88 ff. AO) geklärt werden. Die Anzeige ist lediglich der Anfang des Besteuerungsverfahrens. Demnach muss die Anzeige nicht schon alle Angaben enthalten, die am Ende des Verfahrens im jeweiligen Einzelfall für die Besteuerung tatsächlich erforderlich sind. Der Vollständigkeit der Anzeige (i.S.v. § 21 GrEStG) steht es somit nicht entgegen, wenn einzelne Angaben in der Anzeige fehlen oder unvollständig sind. Dies gilt insbesondere für solche Angaben, die für die Steuerpflicht des Rechtsvorgangs ohne konkrete Bedeutung sind. Fehlende Angaben zu Straße und Hausnummer, zum Kataster oder zur Art der Bebauung stehen der Vollständigkeit einer Anzeige beispielsweise nicht entgegen (s. § 20 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG). Vielfach ergeben sich diese Angaben ohnehin bereits aus der beigefügten Urkundsabschrift (§ 18 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) oder sind dem Finanzamt bereits bekannt (z.B. aufgrund Einsicht in das Grundbuch, das Kataster oder das Handelsregister), so dass eine gesonderte Angabe in der Anzeige entbehrlich ist.

39

Die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer (§ 139b AO) oder der Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) mag dem Finanzamt die interne Zuordnung des Vorgangs erleichtern, das

40

1 Pahlke6, § 21 GrEStG Rz. 1.

Wachter

943

§ 21 Rz. 40 Urkundenaushändigung Steuerverfahren beschleunigen und für steuerliche Kontrollmitteilungen hilfreich sein.1 Für eine vollständige Anzeige (i.S.v. § 21 GrEStG) sind diese Nummern aber nicht zwingend erforderlich.2 Die Identität der Beteiligten wird in den Urkunden von Gerichten, Behörden und Notaren in der Regel auch ohne diese steuerlichen Nummern eindeutig und zweifelsfrei festgestellt (s. § 10 BeurkG, § 1 ff. GwG). Vielfach werden in den Urkunden auch die Nummern der Ausweise bzw. Reisepässe angegeben. Die zusätzliche Angabe von steuerlichen Identifikationsnummern ist in diesen Fällen entbehrlich. Die steuerliche Identifikationsnummer hat für die Erhebung der Grunderwerbsteuer im Übrigen keinerlei unmittelbare Bedeutung. 41

Der Begriff der Vollständigkeit der Anzeige muss auch deshalb einschränkend ausgelegt werden, weil den anzeigepflichtigen Gerichten, Behörden und Notaren die Angaben in vielen Fällen selbst nicht vorliegen und von ihnen auch nicht beschafft werden können. Den Gerichten, Behörden und Notaren stehen insoweit (anders als den Finanzämtern) insoweit auch keine Aufklärungsbefugnisse zu. Die weitere Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts ist daher allein Aufgabe der zuständigen Finanzämter und nicht der Gerichte, Behörden und Notare. Die Finanzämter sind dazu auch entsprechend befugt (§§ 88 ff. AO).

42

Die wörtliche Auslegung des steuerlichen Aushändigungsverbots hätte zudem zur Folge, dass sich ein Erwerber seinen vertraglichen Verpflichtungen auf unlautere Weise entziehen könnte. In notariellen Urkunden unterwerfen sich Erwerber wegen ihrer Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung regelmäßig der sofortigen Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Zum Zwecke der Zwangsvollstreckung kann sich der Veräußerer vom Notar eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen lassen (§ 52 BeurkG). Dies muss auch dann möglich sein, wenn dem Notar (noch) nicht alle Angaben für die Grunderwerbsteueranzeige (i.S.v. § 20 GrEStG) vollständig bekannt sind. Andernfalls könnte der Erwerber die Erteilung von (vollstreckbaren) Ausfertigungen vereiteln, indem er dem Notar beispielsweise seine steuerliche Identifikationsnummer (§ 139b AO) nicht mitteilt. Der Notar könnte dann keine vollständige Anzeige erstatten und dürfte keine Ausfertigungen der Urkunde erteilen. Dies wäre jedoch sachwidrig und zeigt, dass die Regelung zu weitgehend ist.

43

Bei einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung muss es somit genügen, wenn die Anzeige (i.S.d. § 21 GrEStG) in allen Teilen (möglichst) vollständig ist. Die Anzeige muss so vollständig sein, dass das für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt den Vorgang näher prüfen kann. Einzelne Lücken, Unklarheiten oder Ungenauigkeiten stehen dem entgegen. Dies kann vielmehr durch Nachfragen bei den anzeigepflichtigen Personen (oder auch Dritten) aufgeklärt werden.

VII. Anzeige an das zuständige Finanzamt 44

Die Gerichte, Behörden und Notare müssen die Anzeige „an das Finanzamt“ abgesandt haben. Damit ist das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt gemeint (§§ 18 Abs. 5, 17 GrEStG).

45

Die Anzeige muss zwingend an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt abgesendet werden. Eine Anzeige an ein anderes Finanzamt ist weder erforderlich noch ausreichend (z.B. Finanzamt für Körperschaften nach § 54 EStDV oder Finanzamt für Schenkungen nach § 34 ErbStG). Die Anzeige sollte ausdrücklich an das Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle gerichtet werden und als Anzeige nach § 18 GrEStG gekennzeichnet sein.

46

Die Anzeige muss an das örtliche zuständige Finanzamt erfolgen (§ 18 Abs. 5, 17 GrEStG). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach der Belegenheit des Grundbesitzes (s. im Einzelnen § 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG und www.finanzamt.de). Bei örtlicher Zuständigkeit mehrerer Finanzämter (z.B. Grundbesitz in mehreren Bundesländern) sind die Anzeigen an alle Finanzämter zu 1 Die Finanzverwaltung ist u.a. aus diesen Gründen der Auffassung, dass die steuerlichen Anzeigen nur dann vollständig sind, wenn auch die steuerliche Identifikationsnummer angegeben ist. Siehe dazu auch das (nicht veröffentlichte) Rundschreiben der Bundesnotarkammer Nr. 6/2017 v. 20.6.2017. 2 Im Ergebnis so auch Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 7/2016, 49 (50); Genske, notar 2016, 152 (152); Ihle, notar 2016, 49 (54). – Vor der Änderung von § 21 GrEStG durch das StÄndG 2015 auch Gottwald, DNotZ 2011, 83 (86); Ihle, DNotZ 2014, 809 (815 f.); Pahlke6, § 21 GrEStG Rz. – Offen (aber wohl eher restriktiver) Loose in Boruttau19, § 21 GrEStG Rz. 12.

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Wachter

C. Sanktionen

Rz. 56 § 21

senden. In den Fällen, in denen die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden (§ 17 Abs. 2 und 3 GrEStG) muss die Anzeige gegenüber dem für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt erfolgen. In Zweifelsfällen kann sich eine vorherige Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden empfehlen. Möglich ist auch eine (vorsorgliche) Anzeige an mehrere (möglicherweise) zuständige Finanzämter.

VIII. Absenden der Anzeige Für die Urkundenaushändigung kommt es auf die Absendung der Anzeige an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist somit, dass die Gerichte, Behörden und Notare die Anzeige an das zuständige Finanzamt „abgesandt“ haben (§ 21 GrEStG). Auf den Eingang beim Finanzamt kommt es insoweit nicht an. Das Finanzamt erteilt heute (anders als früher, s. § 5 Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940) auch keine Empfangsbestätigungen mehr.

47

Allerdings müssen die Gerichte, Behörden und Notare die Absendung der Anzeige auf der Urkunde oder einer zurückbehaltenen beglaubigten Abschrift vermerken (§ 18 Abs. 4 GrEStG). Der Gesetzgeber vertraut darauf, dass die Anzeige dann auch tatsächlich abgesendet wird und beim Finanzamt zugeht.

48

Gerichte, Behörden und Notare dürfen sich darauf verlassen, dass die Anzeigen das Finanzamt bei Versendung mit normaler Briefpost auch tatsächlich erreichen (und damit dem Finanzamt die entsprechende Kenntnis des Vorgangs verschaffen). Eine besondere Form der Versendung (z.B. Einschreiben) oder der Zustellung (z.B. Boten oder Gerichtsvollzieher) ist weder erforderlich noch üblich.

49

Die Absendung der Anzeige muss in allen Fällen vor der Aushändigung der Urkunden erfolgen. Ausnahmen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Die frühere Ausnahme für gerichtliche Zuschlagsbeschlüsse in Zwangsversteigerungsverfahren (§ 6 Abs. 3 Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940) besteht seit 1983 nicht mehr.

50

IX. Aushändigen nach Absenden der Anzeige Gerichte, Behörden und Notare dürfen die Urkunden „erst“ dann aushändigen, wenn sie die Anzeige abgesandt haben.

51

Im Regelfall erfolgen somit erst die Anzeige und dann die Aushändigung der Urkunde. Zulässig ist aber auch der zeitgleiche Versand von steuerlichen Anzeigen und beglaubigten Abschriften. In der notariellen Praxis dürfte dies vielfach üblich sein.

52

C. Sanktionen Die Vorschrift richtet sich ausschließlich an Gerichte, Behörden und Notare.

53

Einzelne Verstöße gegen das Verbot der Urkundenaushändigung werden in aller Regel auf (entschuldbaren) Versehen von Geschäfts- und Poststellen beruhen und bleiben daher sanktionslos.

54

Regelmäßige oder systematische Verstöße können für die von der Norm betroffenen Gerichte, Behörden und Notare (bzw. die handelnden Personen) im Einzelfall berufs- und dienstrechtliche Folgen haben. Eine Haftung (§ 839 BGB, § 19 BNotO) kommt insoweit allerdings nicht in Betracht, da die Vorschrift lediglich dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung der Anzeigepflichten dient.

55

Für die Steuerpflichtigen oder die Beteiligten haben etwaige Pflichtverletzungen keine Folgen. Die müssen sich etwaige Pflichtverletzungen auch nicht zurechnen lassen.

56

Wachter

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§ 22 Unbedenklichkeitsbescheinigung (1) 1Der Erwerber eines Grundstücks darf in das Grundbuch erst dann eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts vorgelegt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1) oder Bescheinigungen der für die Besteuerung zuständigen Finanzämter (§ 17 Abs. 1 Satz 2) vorgelegt werden, daß der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen. 2Die obersten Finanzbehörden der Länder können im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen Ausnahmen hiervon vorsehen. (2) 1Das Finanzamt hat die Bescheinigung zu erteilen, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn Steuerfreiheit gegeben ist. 2Es darf die Bescheinigung auch in anderen Fällen erteilen, wenn nach seinem Ermessen die Steuerforderung nicht gefährdet ist. 3Das Finanzamt hat die Bescheinigung schriftlich zu erteilen. 4Eine elektronische Übermittlung der Bescheinigung ist ausgeschlossen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . 8 Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Grundbucheintragungen (Abs. 1) I. Regelfall: Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . II. Ausnahmen: Entbehrlichkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 1 Satz 2) C. Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2 Satz 1) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 21 . 36

. 40

2. Voraussetzungen des Rechtsanspruchs a) Steuer entrichtet . . . . . . . . . . . . . b) Steuer sichergestellt . . . . . . . . . . . c) Steuer gestundet . . . . . . . . . . . . . d) Steuerfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchsetzung des Rechtsanspruchs . . . . III. Anspruch auf Ermessensentscheidung (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2 Sätze 3 und 4) 1. Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorlage an das Grundbuchamt . . . . . . 5. Eintragung des Erwerbers im Grundbuch 6. Wirkungen der Unbedenklichkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

50 51 52 57 58

. 60

. . . . .

61 65 66 72 74

. 77

. 49

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Böhringer, Die Grundbuchsperre des § 22 GrEStG und ihre Ausnahmen, Rpfleger 2000, 99; Bolkart, Das Zusammenspiel von Gesellschaftsregister, Grundbuch und Notar nach dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), MittBayNot 2021, 319; Schmiedeberg, Mauracher Entwurf und Grundbuchverfahren, Rpfleger 2021, 69; Schuck, Grundstücksgeschäfte ausländischer Domizilgesellschaften, BB 1998, 616; Schuhmann, Zur grunderwerbsteuerrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, UVR 1996, 76; Wohltmann, Die Erteilung der grunderwerbsteuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung – Eine lästige Formalie?, UVR 2006, 154.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Der Erwerber eines Grundstücks darf erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Be- 1 scheinigung des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, dass der Eintragung keine steuerlichen Bedenken entgegenstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Diese Bescheinigung wird als Unbedenklichkeitsbescheinigung bezeichnet (so auch die amtliche Gesetzesüberschrift zu § 22 GrEStG). In der Praxis wird vielfach abgekürzt von der „UB“ gesprochen. Die „steuerlichen Bedenken“ beziehen sich dabei allein auf die Zahlung (oder sonstige Sicherstellung) der für den konkreten Erwerbsvorgang anfallenden Grunderwerbsteuer (s. auch § 22 Abs. 2 GrEStG).

Wachter

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2

§ 22 Rz. 2 Unbedenklichkeitsbescheinigung Sonstige Bedenken des Finanzamts an der steuerlichen Zuverlässigkeit des Erwerbers sind insoweit ohne Bedeutung. 3

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wirkt als eine Grundbuchsperre, weil der Erwerber eines Grundstücks erst nach deren Vorlage im Grundbuch eingetragen werden darf.1 Von der Notwendigkeit der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung können die Finanzbehörden der Länder Ausnahmen vorsehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die Bundesländer haben von dieser Möglichkeit in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht.

4

Das Finanzamt „hat“ die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn Steuerfreiheit gegeben ist (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG).

5

Das Finanzamt „darf“ die Unbedenklichkeitsbescheinigung auch in anderen Fällen erteilen, wenn die Steuerforderung nach seinem Ermessen nicht gefährdet ist (§ 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG i.V.m. § 5 AO).

6

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist schriftlich zu erteilen (§ 22 Abs. 2 Satz 3 GrEStG).

7

Eine elektronische Übermittlung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 22 Abs. 2 Satz 4 GrEStG).

II. Bedeutung und Telos 8

Mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung soll gewährleistet werden, dass die Grunderwerbsteuer auch tatsächlich entrichtet wird. Dies dient der Sicherung des Grunderwerbsteueraufkommens.2

9

Der Erwerber eines Grundstücks darf erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt den Vorgang geprüft und (als steuerlich unbedenklich) freigegeben hat. In der Praxis setzt dies regelmäßig die Zahlung der Grunderwerbsteuer voraus. Damit ist sichergestellt, dass der Erwerber eines Grundstücks erst dann als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird, wenn die Grunderwerbsteuer bezahlt (oder sonst sichergestellt) ist.

10

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung kann ihr Ziel (Sicherung des Eingangs der Grunderwerbsteuer) allerdings nur teilweise erreichen. Grund dafür ist vor allem, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung nur bei Eintragungen des Erwerbers im Grundbuch notwendig ist. Bei Erwerbsvorgängen, die keiner Eintragung im Grundbuch bedürfen (s. vor allem die Steuertatbestände des § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG), geht die Unbedenklichkeitsbescheinigung ins Leere (zur Kritik und Änderungsvorschlägen s. § 18 Rz. 140 sowie § 19 Rz. 14 ff., § 22 Rz. 20). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist insbesondere keine Voraussetzung für Eintragungen im Handelsregister (im künftigen Gesellschaftsregister – s. dazu § 18 Rz. 140 – oder in anderen öffentlichen Registern) – s. dazu unten Rz. 30 ff. Dies gilt auch bei Gesellschaften, zu deren Vermögen Grundstücke gehören.3

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 11

Der Notar, der den Erwerb eines Grundstücks beurkundet, muss den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG). Dagegen muss der Notar die Beteiligten nicht über die steuerlichen Folgen des Rechtsgeschäfts beleh-

1 Ausführlich dazu Böhringer, Rpfleger 2000, 99. 2 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 1. 3 Im Hinblick auf die (künftige) Eintragung von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in einem Gesellschaftsregister krit. Schmiedeberg, Rpfleger 2021, 69 (72) (gesteigertes Risiko der Umgehung der Grunderwerbsteuer).

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Wachter

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 18 § 22

ren.1 Der Notar ist kein Steuerberater. Die steuerlichen Folgen ergeben sich kraft Gesetzes und sind nicht Inhalt des beurkundeten Rechtsgeschäfts.2 Der Notar muss die Beteiligten allerdings auf die Notwendigkeit der Vorlage einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung hinweisen und dies auch in der Niederschrift vermerken (§ 19 BeurkG).3 Mit diesem Hinweis sollen die Beteiligten darüber informiert werden, dass eine Eintragung im Grundbuch grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn die Grunderwerbsteuer entrichtet ist oder sonst sichergestellt ist (s. § 22 Abs. 2 GrEStG). Der Hinweis betrifft mithin nicht die steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts, sondern die allgemeinen Voraussetzungen des Grundbuchvollzugs.

12

Aus der Notwendigkeit eines solchen Hinweises ergibt sich demnach auch keine Verpflichtung des Notars zur Belehrung über die Grunderwerbsteuer.4 Der Notar schuldet daher auch in Bezug auf die Grunderwerbsteuer keinerlei Beratung oder Auskunft (insbesondere auch nicht zur Höhe der Grunderwerbsteuer oder zur gesamtschuldnerischen Haftung aller Vertragsteile, § 13 GrEStG i.V.m. § 44 AO). Der Notar ist auch nicht verpflichtet, auf mögliche Gestaltungen zur Optimierung der Grunderwerbsteuer hinzuweisen.

13

Ein Notar kann im Einzelfall aber (freiwillig) eine steuerliche Beratung aufgrund eines gesonderten 14 Auftrags übernehmen. In diesem Fall muss der Notar den Auftrag gewissenhaft und sorgfältig erfüllen. Alle erteilten Auskünfte müssen vollständig und richtig sein. Für Schäden, die aufgrund einer unrichtigen, unklaren oder (nicht erkennbar) unvollständigen Auskunft beruhen, haftet der Notar.5 Entscheidend ist somit, ob und inwieweit ein Notar einen Auftrag zur steuerlichen Beratung der Beteiligten übernommen hat. Schriftliche Aufträge (mit einer klaren Auftragsabgrenzung) sind in der notariellen Praxis selten. Inhalt und Umfang eines Auftrags müssen daher regelmäßig aufgrund der äußeren Umstände ermittelt werden. Ein entsprechender Beratungsauftrag ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Notar die steuerliche Beratung gesondert in Rechnung stellt. In allen anderen Fällen dürfte es sich dagegen regelmäßig um unverbindliche Auskünfte des Notars handeln. Die bloße Aufnahme steuerlicher Anträge oder Hinweise in die Urkunde (z.B. auf Steuerbefreiungen nach §§ 3, 5, 6 oder 6a GrEStG) begründet dagegen keinen entsprechenden Beratungsauftrag.

15

Ein Notar verletzt seine Amtspflichten, wenn er bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages (ohne weitere Aufklärung) die Fälligkeit des Kaufpreises von der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abhängig macht (§ 19 BNotO).6 Denn dann hätte es der Käufer in der Hand, durch die Nichtzahlung der Grunderwerbsteuer die Fälligkeit des Kaufpreises zu verzögern oder gar zu vereiteln.

16

IV. Rechtsentwicklung Die Regelung zur Unbedenklichkeitsbescheinigung war bereits in § 9 der Durchführungsverordnung 17 zum Grunderwerbsteuergesetz 19407 enthalten. Die heutige Gesetzesfassung beruht weitgehend auf § 22 des Grunderwerbsteuergesetzes 19838.

18

1 Umfassend Winkler19, § 17 BeurkG Rz. 264 ff. m.w.N. 2 Ausführlich dazu zuletzt (allerdings im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer) BGH v. 20.9.2007 – III ZR 33/07, DNotZ 2008, 370 mit Anm. Moes = EWiR 2008, 79 (Bellut). – Grundlegend zum Ganzen Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Auflage 2018, Rz. 1277 ff. 3 Siehe dazu Winkler19, § 19 BeurkG Rz. 2 ff. 4 BGH v. 14.5.1992 – IX ZR 262/91, DB 1992, 1819 = EWiR 1992, 1051 (Hegmanns); v. 22.4.1980 – VI ZR 96/79, DNotZ 1980, 563 ; v. 21.11.1978 – VI ZR 227/77, DB 1979, 445. 5 Siehe dazu (im Zusammenhang mit der Frist nach § 23 EStG) LG Köln v. 29.9.2020 – 5 O 171/19, BWNotZ 2021, 34. 6 OLG Hamm v. 21.2.1992 – 11 U 168/91, NJW 1993, 1601. 7 RGBl. I 1940, 585 und 595. 8 BGBl. I 1982, 1777.

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§ 22 Rz. 19 Unbedenklichkeitsbescheinigung 19

Die Möglichkeit, Ausnahmen von der Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzusehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) wurde erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.19991 geschaffen (Art. 15 Nr. 10 StEntlG 1999/2000/2002).

20

Die Notwendigkeit der schriftlichen Erteilung und der Ausschluss der elektronischen Übermittlung (§ 22 Abs. 2 Sätze 3 und 4 GrEStG) wurden mit Wirkung zum 28.8.2002 durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungs-verfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21.8.20022 in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt (Art. 26 Nr. 3 und 74 Abs. 1).

B. Grundbucheintragungen (Abs. 1) I. Regelfall: Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 1 Satz 1) 21

Der Erwerber eines Grundstücks darf erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, dass der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

22

Die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts ist grundsätzlich eine zwingende Voraussetzung für die Eintragung des Erwerbers eines Grundstücks im Grundbuch. Das Grundbuchamt prüft das Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung vor Eintragung des Erwerbers von Amts wegen (§§ 20, 29 GBO).3

23

Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nach Gesetzeswortlaut und Normzweck bei jeder Eintragung des Erwerbers eines Grundstücks erforderlich.4

24

Auf die Art des Erwerbsvorgangs kommt es dabei nicht an. Es ist daher unerheblich, ob der Erwerber das Eigentum an dem Grundstück durch Rechtsgeschäft (z.B. Kaufvertrag, Auflassung), kraft Gesetzes (z.B. Umwandlung), durch gerichtliche Entscheidung (z.B. Zuschlagsbeschluss im Zwangsversteigerungsverfahren5) oder behördliche Verfügung (z.B. Enteignung) erlangt hat.

25

Ohne Bedeutung ist auch, ob der Erwerbsvorgang notariell beurkundet oder beglaubigt worden ist.

26

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist unabhängig davon notwendig, ob die Eintragung im Grundbuch konstitutive (z.B. Auflassung, §§ 873, 925 BGB i.V.m. §§ 20, 29 GBO) oder nur deklaratorische Bedeutung hat (z.B. Anwachsung, derzeit § 738 BGB und künftig § 712a BGB6 bei einer Grundstücksgesellschaft).7

27

Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung muss dem Grundbuchamt zur Eintragung des Erwerbers grundsätzlich auch dann vorgelegt werden, wenn der Erwerb grunderwerbsteuerfrei ist (z.B. nach § 3, 5, 6 oder 6a GrStG).8 Die gesetzliche Regelung geht ausdrücklich davon aus, dass eine Unbedenklich1 BGBl. I 1999, 402. 2 BGBl. I 2002, 3322. 3 OLG Köln v. 3.8.2017 – 2 Wx 179/17, Rpfleger 2017, 696 (im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks durch eine GbR und deren ungenauer Bezeichnung in der Unbedenklichkeitsbescheinigung). 4 Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 3; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 12. 5 Ausführlich zum Erwerb bei Wiederversteigerung eines Grundstücks Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 5; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 58; Weilbach, § 22 GrEStG Rz. 12. 6 Siehe dazu Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. Nach Art. 137 Satz 1 tritt das Gesetz am 1.1.2024 in Kraft. 7 OLG Frankfurt v. 17.3.2005 – 20 W 90/05, MittBayNot 2006, 334 (Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Eintragung eines Gesellschafterwechsels einer im Grundbuch eingetragenen GbR); OLG Oldenburg v. 19.2.1998 – 5 W 30/98, NJW-RR 1998, 1632 (zur Umschreibung eines Erbbaurechts bei Vermögensübergang im Wege der Anwachsung). – Ausführlich dazu Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 2; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 3; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 12. 8 OLG Celle v. 19.5.2011 – 4 W 56/11, ZEV 2012, 368 (Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung trotz § 3 Nr. 3 GrEStG notwendig bei Eintragung einer Grundstücksübertragung im Wege der Erbauseinandersetzung); OLG Zweibrücken v. 11.7.2000 – 3 W 80/00, NJW-RR 2000, 1686 (Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Erwerb eines Grundstücks notwendig, wenn unklar ist, ob der Wert die Grenze von 2.500 Euro i.S.v.

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B. Grundbucheintragungen (Abs. 1)

Rz. 32 § 22

keitsbescheinigung auch dann erteilt werden muss, wenn „Steuerfreiheit gegeben“ ist (§ 22 Abs. 2 Satz 1 a.E. GrEStG). Ausnahmen können insoweit nur die Finanzbehörden der Länder vorsehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ist ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn die Eintragung im Grundbuch einen Vorgang betrifft, der nicht dem Grunderwerbsteuergesetz unterfällt. Dies muss aber klar und eindeutig feststehen, da das Grundbuchamt zu eigenen (steuerlichen) Ermittlungen weder berechtigt noch verpflichtet ist.1 Zudem dürfen aus Sicht des Grundbuchamts keine Anhaltspunkte für einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO). bestehen.2 Bei rechtlichen oder tatsächlichen Zweifeln ist der Vorgang dagegen von dem dafür zuständigen Finanzamt zu prüfen und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen.3

28

Beispiele für Rechtsvorgänge, bei denen die Eintragung nicht von der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abhängig gemacht werden darf, sind die bloße Änderung der Firma einer Gesellschaft, die bereits als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist4 oder der Formwechsel einer Gesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz.5

29

Dagegen ist für die Grundbuchberichtigung aufgrund des Gesellschafterwechsels bei einer grundbesitzenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) stets eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich.6 Dies gilt auch dann, wenn der konkrete Erwerbsvorgang weniger als 90 % der Anteile betrifft.7 Grund dafür ist, dass das Grundbuchamt auf der Grundlage eines einzelnen Erwerbsvorgangs (und ohne Kenntnis der Erwerbsvorgänge in den letzten zehn Jahren sowie der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungsverhältnisse) das Vorliegen eines steuerbaren Rechtsvorgangs nicht prüfen kann. Aufgrund der Komplexität der gesellschaftsrechtlichen Erwerbstatbestände (§ 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG) erscheint es im Übrigen ausgeschlossen, dass das Grundbuchamt das Vorliegen eines steuerbaren Erwerbsvorgangs von vornherein verneinen kann.

30

Für Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH 31 & Co. KG) bedarf es dagegen keiner Unbedenklichkeitsbescheinigung. Der Gesellschafterwechsel wird nicht im Grundbuch (s. § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), sondern allein im Handelsregister eingetragen (s. §§ 106 ff., 161 ff., 12 HGB). Entsprechendes gilt auch für Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften (GmbH, UG (haftungsbeschränkt) und AG) (s. § 40 GmbHG und § 67 AktG). Am 1.1.2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts in Kraft.8 Aufgrund der Neuregelungen „können“ Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) künftig in ein noch zu schaffendes Gesellschaftsregister eingetragen werden (s. im Einzelnen §§ 707 ff. BGB n.F.). Die Eintragung ist danach grundsätzlich freiwillig.

1 2 3 4 5 6 7 8

§ 3 Nr. 1 GrEStG übersteigt); BayObLG v. 15.12.1983 – BReg. 2 Z 114/83, MittBayNot 1984, 37 (Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Erwerb eines Grundstücks notwendig, wenn unklar ist, ob der Wert die Grenze von 2.500 Euro i.S.v. § 3 Nr. 1 GrEStG übersteigt); BayObLG v. 6.10.1983 – BReg.2 Z 81/83, BB 1983, 2076 (Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung trotz § 3 Nr. 6 GrEStG notwendig bei liquidationsloser Übernahme des Gesellschaftsvermögens einer zunächst aus Vater und Sohn bestehenden OHG durch den Sohn allein). Siehe dazu aus Sicht des Grundbuchrechts Demharter32, § 20 GBO Rz. 48; Schöner/Stöber16, GBO Rz. 149. BayObLG v. 8.12.1982 – BReg.2 Z 99/82, DB 1983, 2567. Siehe dazu auch Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 3. OLG Zweibrücken v. 11.7.2000 – 3 W 80/00, NJW-RR 2000, 1686; BayObLG v. 6.10.1983 – BReg.2 Z 81/83, BB 1983, 2076, sowie Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 4 und 7. OLG Frankfurt v. 6.12.1994 – 20 W 574/94, NJW-RR 1995, 1168 = Rpfleger 1995, 346 (Änderung der Firma einer Kapitalgesellschaft). LG Dresden v. 16.7.1998 – 2 T 0626/98, DB 1998, 1807 (zum Formwechsel einer OHG in eine AG nach § 202 UmwG). – Zustimmend Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 14. OLG Frankfurt v. 17.3.2005 – 20 W 90/05, MittBayNot 2006, 334 (Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Eintragung eines Gesellschafterwechsels einer im Grundbuch eingetragenen GbR). OLG Frankfurt v. 17.8.2004 – 20 W 304/04, DNotI-Report 2005, 14 (Anteilsänderung bei einer GrundstücksGbR, die weniger als 95 % der Anteile betrifft). Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

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§ 22 Rz. 32 Unbedenklichkeitsbescheinigung Eine Eintragung ist aber ausnahmsweise dann zwingend erforderlich, wenn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – als Eigentümerin oder sonstige Berechtigte im Grundbuch (§ 47 Abs. 2 GBO n.F.) oder – als Gesellschafterin einer GmbH in der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 Satz GmbHG n.F.) oder – als Aktionärin im Aktienregister (§ 67 Abs. 1 Satz 3 AktG n.F.) oder – als Gesellschafterin einer anderen im Handels- oder Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft (§ 707a Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) eingetragen ist (oder werden soll). In allen diesen Fällen ist die Voreintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in dem neuen Gesellschaftsregister notwendig, um Existenz, Identität und Vertretung der Gesellschaft nachzuweisen (s. § 707a Abs. 3 BGB n.F. mit Verweis auf die Publizität des Handelsregisters nach § 15 HGB). In der Praxis wird die Eintragung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts somit die Regel (und nicht die Ausnahme) sein. 33

Bei der Neugründung einer (rechtsfähigen) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) – nach dem 1.1.2024 – hat somit zunächst die Voreintragung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister zu erfolgen (nach Maßgabe der §§ 707 ff. BGB n.F.). Erst nach der Eintragung im Gesellschaftsregister kann die Gesellschaft dann als Eigentümerin (oder sonstige Berechtigte) im Grundbuch eingetragen werden (§ 47 Abs. 2 GBO n.F.). Existenz- und Vertretungsberechtigung sind dem Grundbuchamt durch einen beglaubigten Auszug aus dem Gesellschaftsregister oder eine Notarbescheinigung nachzuweisen (§ 32 GBO n.F.). Die Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch darf nur dann erfolgen, wenn dem Grundbuchamt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt wird (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang grunderwerbsteuerfreit ist.

34

Bei (rechtsfähigen) Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die bereits vor dem 1.1.2024 im Grundbuch eingetragen sind, besteht an sich kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Voreintragung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister ergibt sich aber, sobald eine Verfügung über das Recht oder eine Veränderung im Gesellschafterbestand erfolgen soll (s. im Einzelnen die Übergangsregelungen in Art. 229 § 21 Abs. 1 bis 4 EGBGB). In diesen Fällen muss die Gesellschaft zunächst im Gesellschaftsregister eingetragen werden (§§ 707 ff. BGB n.F.). Auf dieser Grundlage müssen die Gesellschafter dann die Berichtigung des Grundbuchs (d.h. die Voreintragung der GbR) bewilligen. Erst dann ist die GbR „handlungsfähig“. Diese (erstmalige) Voreintragung der GbR im Grundbuch ist regelmäßig grunderwerbsteuerfrei. Ein Rechtsträgerwechsel (i.S.v. § 1 GrEStG) findet nicht statt. Eigentümer des Grundstücks war und ist die GbR (bislang die rechtfähige Außen-GbR und künftig die eingetragene GbR). Die (eingetragene) GbR ist nicht Erwerber eines Grundstücks. Dies spricht dafür, die (erstmalige) Voreintragung einer im Grundbuch eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zuzulassen.1 Schutzwürdige Interessen des Fiskus stehen dem nicht entgegen. Zudem wäre es ein unnötiger bürokratischer Aufwand, wenn für die Voreintragung von vielen tausenden Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts jeweils eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung angefordert und erteilt werden müsste. Die amtlichen Formulare sind für diesen Fall zudem unpassend. Gleichwohl erscheint es richtig, auch in diesen Fällen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verlangen (nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Das Gesetz sieht insoweit keine Ausnahme vor. Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts hat der Gesetzgeber auch keine Ausnahme von dem Erfordernis der Unbedenklichkeitsbescheinigung geschaffen, obwohl er die Übergangsfragen ansonsten detailliert geregelt hat (s. Art. 229 § 21 EGBGB). In der Praxis dürfte es zudem nicht wenige Fälle geben, in denen der im Grundbuch (zuletzt) verlautbarte Gesellschafterbestand (s. § 15 Abs. 1 Buchst. c GBV) nicht mit dem Bestand der (heutigen) Gesellschafter (gemäß den Eintragungen in dem neuen Gesellschaftsregister, s. § 707 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F.) übereinstimmt (z.B. aufgrund von Erbfällen oder sonstigen Gesellschafterwechseln, die im Grundbuch nicht vollzogen worden sind). Die Identität der Gesellschafter und der Gesellschaften wird jedenfalls nicht in allen Fällen klar und eindeutig sein (bei natürlichen Personen etwa bei Änderungen des Namens oder des Wohn1 So Bolkart, MittBayNot 2021, 319 (324).

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B. Grundbucheintragungen (Abs. 1)

Rz. 35 § 22

orts, bei juristischen Personen bei Änderungen von Rechtsform, Form oder Sitz oder bei in- und ausländischen Stiftungen, die in Deutschland bislang in keinem öffentlichen Register eingetragen sind). Darüber hinaus wird auch die Zuordnung von einzelnen Grundstücken zu den einzelnen Gesellschaftern nicht immer zweifelsfrei möglich sein (z.B. bei Gesellschaftern, die gleichzeitig an mehreren Gesellschaften mit Grundbesitz beteiligt sind). Bei bestehenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts kann ein Gesellschafterwechsel (z.B. Verkauf und 35 Abtretung von GbR-Anteilen) auch nach dem 1.1.2024 durch privatschriftlichen Vertrag erfolgen. Eine Beurkundung oder Beglaubigung des Vertrages ist auch dann nicht erforderlich, wenn das Vermögen der Gesellschaft ausschließlich oder überwiegend aus Grundstücken besteht (s. § 311b Abs. 3 BGB). Der Gesellschafterwechsel muss allerdings ordnungsgemäß verlautbart werden. – Bislang erfolgt dies im Grundbuch, da die Gesellschafter bürgerlichen Rechts dort mit Namen, Geburtsdatum und Wohnort eingetragen sind (§ 47 GBO und § 15 Abs. 1 Buchst. a und c GBV). Ein Gesellschafterwechsel ist daher im Grundbuch einzutragen. Zivilrechtlich bedarf es dazu regelmäßig der Eintragungsbewilligung aller Gesellschafter in öffentlich beglaubigter Form (s. §§ 19, 29 und 47 GBO, str.). Für die Eintragung im Grundbuch ist eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).1 Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang grunderwerbsteuerfrei ist. – Künftig sind die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch nicht mehr eingetragen. Im Grundbuch ist allein die (eingetragene) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) mit ihrem Namen und Sitz laut Gesellschaftsregister eingetragen (s. §§ 707 ff. BGB n.F. und § 15 Abs. 1 Nr. 2 GBV n.F.). Die Gesellschafter sind (allein) aus dem Gesellschaftsregister ersichtlich (s. § 707 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F.). Dementsprechend muss bei einem Gesellschafterwechsel in Zukunft das Grundbuch nicht mehr berichtigt werden. Berechtigter bleibt unverändert die (eingetragene) Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Änderung im Bestand der Gesellschafter ist allein zum Gesellschaftsregister anzumelden (s. §§ 707 Abs. 3 Satz 2, 707 Abs. 4 BGB n.F.). Für die Eintragung im Gesellschaftsregister ist keine Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich, da der Vorgang keine Eintragung im „Grundbuch“ betrifft (s. § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Für Eintragungen im Gesellschaftsregister (oder Handelsregister) ist eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erforderlich (s. dazu oben Rz. 10). Dies gilt auch dann, wenn das Vermögen der Gesellschaft ausschließlich aus Grundbesitz besteht und dies dem Gericht bekannt ist. Der Gesetzgeber hat die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bewusst nur für Eintragungen eines Erwerbers im Grundbuch (und nicht auch in anderen öffentlichen Registern) vorgesehen. Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts ist keine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (z.B. von § 22 GrEStG) erfolgt (und im Gesetzgebungsverfahren auch nicht erörtert worden). – Stellungnahme: Die Neuregelung ist inhaltlich überzeugend und systematisch stimmig. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Anteil von (mittelbaren) Grundstücksübertragungen (ohne vorherige Kontrolle und Freigabe durch das Finanzamt) ab dem 1.1.2024 erheblich zunehmen wird. Aus Sicht der Beteiligten ist die Übertragung von GbR-Anteilen (samt Grundbesitz) eine einfache, schnelle und kostengünstigste Gestaltung. Verzögerungen beim Vollzug (etwa aufgrund einer ausbleibenden Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts) sind nicht zu befürchten.2 Die gesetzlichen Anzeigepflichten der Beteiligten (§§ 19, 20 GrEStG) bleiben davon selbstverständlich unberührt und sind in jedem Fall unbedingt zu beachten. Es bleibt abzuwarten, ob der Steuergesetzgeber es bei dieser Rechtslage belässt. Eine mögliche Reaktion könnte beispielsweise darin bestehen, das Erfordernis der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 GrEStG) künftig nicht nur für Eintragungen im „Grundbuch“, sondern auch für etwaige Eintragungen im Gesellschaftsregister vorzusehen. Dies würde dann allerdings (überschießend) alle eingetragenen Gesellschaften bürgerlichen Rechts betreffen, da eine Abgrenzung zwischen Gesellschaften mit und ohne Grundbesitz rechtssicher kaum möglich sein dürfte. Im Gesellschaftsregister sind aber ohnehin vor allem Gesellschaften mit Grundbesitz eingetragen (s. § 47 Abs. 2 1 Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 16. 2 Kritisch Schmiedeberg, Rpfleger 2021, 69 (72). – Siehe dazu auch § 19 Rz. 14 ff. (20).

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§ 22 Rz. 35 Unbedenklichkeitsbescheinigung GBO n.F.), so dass diese Folge unter Umständen hinnehmbar wäre. Die Eintragungen im Gesellschaftsregister bei Gesellschafterwechseln würden dadurch aber in jedem Fall erheblich erschwert und verzögert.

II. Ausnahmen: Entbehrlichkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 1 Satz 2) 36

Die obersten Finanzbehörden der Länder können (im Einvernehmen mit den Landesjustizverwaltungen) Ausnahmen von der Notwendigkeit der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung vorsehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG).1 Die einzelnen Bundesländer haben von dieser Möglichkeit in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht.2

37

In den meisten Bundesländern sind Ausnahmen für solche Erwerbsvorgänge vorgesehen, die allgemein von der Besteuerung ausgenommen sind (einzelne Fälle von §§ 3, 4 GrEStG). In der Praxis sind vor allem die Steuerbefreiungen für den Erwerb von Todes wegen (§ 3 Nr. 2 GrEStG)3 sowie für den Erwerb von Ehegatten (§ 3 Nr. 4 GrEStG) und Kindern (§ 3 Nr. 6 GrStG) von Bedeutung.

38

Dagegen sind für andere Fälle der Steuerbefreiung (vor allem die Fälle der §§ 5, 6, 6a und 7 GrEStG) keine generellen Ausnahmen vorgesehen. Diese Fälle bedürfen (aufgrund ihrer Komplexität) stets einer individuellen Prüfung durch das zuständige Finanzamt, so dass dem Grundbuchamt (trotz Steuerbefreiung) stets eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen ist.

39

Die von den Länderfinanzverwaltungen vorgesehenen Ausnahmen gelten nur für die Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die steuerlichen Anzeigepflichten (§§ 18, 19 GrEStG) bleiben davon unberührt.4 Den Finanzämtern ist somit auch in den Fällen, in denen es keiner Unbedenklichkeitsbescheinigung bedarf, stets eine Anzeige (zusammen mit der Abschrift der Urkunde) zu übersenden.

C. Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2) I. Überblick 40

Das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt erlangt von einem steuerpflichtigen Vorgang in der Regel aufgrund einer Anzeige der Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) oder der Steuerschuldner (§ 19 GrEStG) Kenntnis. Auf dieser Grundlage wird der Sachverhalt vom Finanzamt sodann geprüft (§§ 88 ff. AO) und die Grunderwerbsteuer festgesetzt.

41

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wird vom Finanzamt erteilt, sobald die Steuerforderung erfüllt (oder zumindest nicht gefährdet) ist. Ein Antrag ist dafür nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Die Bescheinigung wird von Amts wegen erteilt.

42

Für die steuerliche Unbedenklichkeit kommt es ausschließlich auf die konkrete Steuerforderung bezüglich der Grunderwerbsteuer an. Andere Steuerforderungen des Finanzamts gegen den Erwerber sind insoweit ohne Bedeutung. Der Erwerber hat demnach auch dann einen Rechtsanspruch auf un-

1 Ausführlich dazu Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 56 ff. 2 Die aktuelle Fassung der jeweiligen Ländererlasse findet sich in aller Regel auf den Internetseiten der Landesfinanzverwaltungen. Siehe u.a. auch FinMin. NW, Erlass betreffend Verzicht auf die Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom 2.5.2011, abgedruckt bei Loose in Boruttau19, § 22 Rz. 57; FinMin. BW v. 22.11.1996, DB 1997, 353), geändert durch Erlass v. 24.5.2011 (DB 2011, 1488) sowie Weilbach, § 22 GrEStG Rz. 3 (vor allem zur Rechtslage in Baden-Württemberg und Bayern); OFD Nds. v. 21.7.2011, ZEV 2012, 172. 3 Ausführlich zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in der Nachfolgeplanung Stein, ZEV 2021, 362. – Zur Notwendigkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Grundbucheintragungen auf der Grundlage eines ausländischen Vindikationslegats s. Weber, DNotZ 2018, 16 (30 f.). 4 Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 6.

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C. Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2)

Rz. 49 § 22

verzügliche Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, wenn er die Grunderwerbsteuer für einen anderen Erwerbsvorgang1 oder andere Steuern (z.B. ESt., KSt., GewSt.) noch nicht bezahlt hat. Das Finanzamt darf die Unbedenklichkeitsbescheinigung auch nicht etwa zurückhalten, weil steuer- 43 liche Außenprüfungen bei dem Erwerber noch nicht abgeschlossen sind oder gerichtliche Streitigkeiten mit dem Erwerber anhängig sind. Entsprechendes gilt bei allgemeinen Bedenken des Finanzamts an der steuerlichen Zuverlässigkeit des Erwerbers. Der (zwischenzeitliche) Versuch der Finanzverwaltung, den Erwerb inländischer Grundstücke durch 44 ausländische (Briefkasten- oder Domizil-)Gesellschaften dadurch zu verhindern, dass sie die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung verweigert haben, war erfolglos und wurde wieder aufgegeben.2 Die Prüfung der Existenz- und Vertretungsberechtigung der Beteiligten obliegt allein dem Grundbuchamt (und nicht dem Finanzamt).3 Der Anspruch auf Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht unabhängig davon, ob der Erwerbsvorgang ein (ganzes) Grundstück (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück (§§ 1008 ff., 741 ff. BGB), eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit (§§ 1 ff. WEG) oder ein Erbbaurecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) betrifft.

45

Beim Erwerb einer (amtlich noch nicht vermessenen Grundstücksteilfläche, s. § 2 Abs. 3 Satz 2 46 GBO)4 darf die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht von der Vermessung oder der Eintragung des Grundstücks im Grundbuch abhängig gemacht werden. Vielmehr muss nach erfolgter Messungsanerkennung und Auflassung gegebenenfalls eine weitere Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt werden, wenn sich der Erwerbsgegenstand oder die Höhe der Gegenleistung geändert haben (oder dies nicht auszuschließen ist)5 (zur Anzeigepflicht s. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG).6 Die Unbedenklichkeitsbescheinigung soll die Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer sichern. 47 Aufgrund des Gesetzeswortlauts „Grunderwerbsteuer“ (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG) kommt es dabei allein auf die Steuer an (§ 3 Abs. 1 AO). Nebenleistungen, wie etwa Verspätungs- und Säumniszuschläge (s. § 3 Abs. 4 AO) sind dagegen nicht erfasst.7 Die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung darf daher nicht davon abhängig gemacht werden, dass (neben der Steuer) auch etwaige Nebenleistungen entrichtet werden.8 Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist unverzüglich zu erteilen, da sie eine zwingende gesetzliche Voraussetzung für die Grundbucheintragung ist. Etwaige Verzögerungen können den Erwerb des Grundstücks gefährden oder beeinträchtigen. Schuldhafte Verzögerungen des Finanzamts können Schadensersatzansprüche zur Folge haben (§ 839 BGB).

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II. Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2 Satz 1) 1. Überblick Grundsätzlich besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung.9 Das Finanzamt „hat“ die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, wenn die „Grunderwerbsteuer entrichtet, sichergestellt oder gestundet worden ist oder wenn Steuerfreiheit gegeben ist“ (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Ein Ermessen steht dem Finanzamt in diesen Fällen nicht zu. Die Unbedenklichkeitsbeschei1 Zu Kettengeschäften s. BFH v. 4.5.1962 – II 160/60 U BStBl. III 1962, 314, und Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 52. – Siehe dazu (auch aus Sicht der Vertragsgestaltung) Schöner/Stöber16, GBO Rz. 148. 2 BFH v. 20.6.1995 – II B 83/95, BFH/NV 1995, 1089; v. 12.6.1995 – II S 9/95, BStBl. II 1995, 605. Zustimmend Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 53 f. – Ausführlich zum Ganzen Schuck, BB 1998, 616. 3 Allgemein zur Grunderwerbsteuer beim Erwerb durch ausländische (Briefkasten-)Gesellschaften BFH v. 8.1.2019, II B 62/18, GmbH-StB 2019, 67. 4 Siehe dazu BFH v. 27.8.1975 – II R 40/73, BStBl. II 1976, 32. 5 Siehe dazu DNotI-Report 2018, 97, Volltext unter www.dnoti.de. 6 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 12; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 3; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 44. 7 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 6; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 12; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 24. 8 FinMin. BW v. 9.6.1998, DStR 1998, 1180. 9 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 5 ff.; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 1, 12 ff. und 19; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 21 und 41.

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49

§ 22 Rz. 49 Unbedenklichkeitsbescheinigung nigung ist vielmehr zwingend und unverzüglich zu erteilen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung darf auch nicht unter dem Vorbehalt des Widerrufs erlassen oder mit sonstigen Nebenbestimmungen (z.B. Bedingung, Befristung, Auflage) verbunden werden (§ 120 Abs. 1 AO).1 2. Voraussetzungen des Rechtsanspruchs a) Steuer entrichtet 50

Die Grunderwerbsteuer ist „entrichtet“, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen ist (§ 47 AO). Im Regelfall wird die Grunderwerbsteuer durch Zahlung entrichtet (s. §§ 224, 224a, 225 AO).2 Möglich ist aber auch eine Entrichtung durch Aufrechnung (§ 226 AO), Erlass (§§ 163, 227 AO) oder Verjährung (§§ 169 ff., 228 ff. AO). Die Zahlung der Grunderwerbsteuer durch Dritte ist gleichfalls möglich (§ 48 AO). b) Steuer sichergestellt

51

Ein Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht auch dann, wenn die Grunderwerbsteuer „sichergestellt“ ist (§ 241 ff. AO).3 Sicherstellung ist u.a. möglich durch Hinterlegung, Verpfändung von Wertpapieren oder Bestellung von erstrangigen Hypotheken oder Grundschulden an inländischen Grundstücken. c) Steuer gestundet

52

Die Grunderwerbsteuer ist grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zur Zahlung fällig (§ 15 GrEStG, § 220 AO). Das Finanzamt kann die Steuer im Einzelfall stunden (§ 222 AO). Nach erfolgter Stundung besteht ein Anspruch auf unverzügliche Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Der Anspruch entfällt auch nicht, wenn die Frist für die Stundung abgelaufen ist und eine weitere Frist für die Stundung nicht gewährt worden ist.4

53

Die Verlängerung der Zahlungsfrist von einem Monat (§ 15 Satz 2 GrEStG) ist keine Stundung und auch nicht wie eine Stundung zu behandeln.5 Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht somit nicht (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Das Finanzamt kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aber aufgrund einer Ermessensentscheidung erteilen, wenn die Steuerforderung nicht gefährdet ist (§ 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).

54

Umstritten ist, unter welchen Umständen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht, wenn gegen den Steuerbescheid ein Rechtsbehelf eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO) gewährt worden ist.

55

In der Regel wird die Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung gewährt. Wird die Sicherheit geleistet, besteht unstreitig ein Rechtsanspruch auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 241 ff. AO).

56

Die Aussetzung der Vollziehung kann ausnahmsweise aber auch ohne Sicherheitsleistung gewährt werden. Ein Rechtsanspruch auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht in diesem Fall nur, wenn die Aussetzung der Vollziehung wie eine Stundung der Steuer behandelt werden kann. Die Rechtsprechung bejaht diese Frage zu Recht.6 Aussetzung der Vollziehung und Stundung sind beide mit und oh-

1 BFH v. 20.6.1995 – II B 83/95, BFH/NV 1995, 1089 = BB 1995, 2413. – Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 13; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 19; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 41. 2 Zur Zahlung durch Scheck s. Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 22. 3 Zu den einzelnen Möglichkeiten der Sicherstellung der Grunderwerbsteuer s. Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 25. 4 BFH v. 14.1.1987 – II B 102/86, BStBl. II 1987, 269 = BB 1987, 604. 5 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 6; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 14. 6 BFH v. 14.1.1987 – II B 102/86, BStBl. II 1987, 269 = BB 1987, 604; v. 31.7.1985 – II R 76/83, BStBl. II 1985, 698 = BB 1985, 2035. – Zustimmend im Ergebnis auch Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 16.

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Wachter

C. Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2)

Rz. 61 § 22

ne Sicherheitsleistung möglich und müssen daher gleichbehandelt werden. Die Finanzverwaltung1 lehnt einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung allerdings ab. Vielmehr soll das Finanzamt nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden (§ 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). d) Steuerfreiheit Ein Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht schließlich dann, wenn „Steuerfreiheit gegeben ist“ (§ 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG).2 Die Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs kann sich aus dem Grunderwerbsteuergesetz (§§ 3 ff. GrEStG) oder Spezialgesetzen (vor allem des öffentlichen Rechts) ergeben.

57

3. Durchsetzung des Rechtsanspruchs Der Erwerber kann seinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung auch gerichtlich durchsetzen.3 Bei Ablehnung der Unbedenklichkeitsbescheinigung sind Einspruch und Verpflichtungsklage statthaft. Bei schlichter Untätigkeit des Finanzamts kann Untätigkeitsklage erhoben werden.

58

In Ausnahmefällen kann das Finanzamt auch im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) 59 zur Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung verpflichtet werden.4 Voraussetzung dafür ist, dass die Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist und dem Erwerber dadurch erhebliche Nachteile drohen.

III. Anspruch auf Ermessensentscheidung (Abs. 2 Satz 2) Das Finanzamt darf die Unbedenklichkeitsbescheinigung auch dann erteilen, wenn die Grunderwerbsteuer weder entrichtet noch sichergestellt oder gestundet wurde und keine Steuerbefreiung vorliegt. In diesem Fall besteht allerdings kein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das Finanzamt entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 GrEStG i.V.m. § 5 AO). Für die Entscheidung ist vor allem maßgebend, ob die Steuerforderung gefährdet ist.5

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IV. Verfahren der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2 Sätze 3 und 4) 1. Schriftform Das Finanzamt hat die Unbedenklichkeitsbescheinigung schriftlich zu erteilen (§ 22 Abs. 2 Satz 3 GrEStG).6

1 Zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Aussetzung der Vollziehung s. Niedersächsisches Finanzministerium v. 1.2.1993, UVR 1993, 160; Sächs. Staatsministerium der Finanzen v. 9.3.1993, DStR 1993, 949. – Zustimmend Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 7; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 28 f. und 34. 2 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 8. 3 Ausführlich zu den einzelnen Rechtsbehelfen Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 66 ff. – Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Anwaltsnotars im Verfahren betreffend Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung s. FG Bremen v. 13.3.1991 – II 210/90 Ko, EFG 1991, 753. 4 BFH v. 14.1.1987 – II B 102/86, BStBl. II 1987, 269 = BB 1987, 604 (Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel nur bei gleichzeitiger Anordnung einer Sicherheitsleistung). – Siehe dazu Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 20; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 69. 5 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 9; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 17; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 33 und 42 f. 6 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 49.

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§ 22 Rz. 62 Unbedenklichkeitsbescheinigung 62

Ein besonderer Vordruck für die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der für die Anzeige der Gerichte, Behörde und Notare vorgesehene amtliche vorgeschriebene Vordruck (Veräußerungsanzeige) enthält aber (auf der Rückseite) bereits den Entwurf einer Unbedenklichkeitsbescheinigung.1 In der Praxis wird meist dieser Teil des Vordrucks an den Notar zurückgesandt. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht dabei nur aus einem Satz: „Der Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch aufgrund des umseitig angezeigten Rechtsvorgangs stehen steuerliche Bedenken nicht entgegen.“

63

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist zu unterschreiben und mit einem Dienstsiegel des Finanzamts zu versehen (§ 29 Abs. 3 GBO).2 Eine individuelle Siegelung ist dafür nicht erforderlich.3 Es genügt auch ein maschinell erzeugter Aufdruck eines Dienstsiegels (s. § 29 Abs. 3 Satz 2 GBO).4

64

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist im Original an den Empfänger zu übersenden. Eine elektronische Übermittlung ist ausgeschlossen (§ 22 Abs. 2 Satz 4 GrEStG). In der Praxis erfolgt die Übersendung meist mit normaler Briefpost. 2. Aussteller

65

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wird von dem Finanzamt erteilt, das (auch sonst) für die Grunderwerbsteuer zuständig ist (s. § 17 GrEStG).5 3. Empfänger

66

Das Grunderwerbsteuergesetz regelt heute nicht mehr ausdrücklich, wem die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen ist.

67

In § 9 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz 19406 fand sich dazu noch folgende Regelung:

68

„Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wird regelmäßig dem erteilt, der die Steuer entrichtet hat oder zu entrichten hat, in den Fällen, in denen keine Steuer zu entrichten ist, dem Erwerber des Grundstücks. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung kann auch 1. einer anderen Person, für die die Eintragung des Eigentumswechsels rechtliche Bedeutung hat, 2. der Behörde, dem Beamten oder dem Notar, der den Rechtsvorgang oder den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs beurkundet hat, 3. dem Grundbuchamt erteilt werden.“

69

Die in dieser Regelung zum Ausdruck kommenden Überlegungen sind grundsätzlich auch heute noch maßgebend.7

70

Die bis zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung bestehende Grundbuchsperre richtet sich gegen den Erwerber des Grundstücks. Der Erwerber des Grundstücks ist in den meisten Fällen auch der Steuerschuldner (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist daher regelmäßig dem Erwerber zu erteilen.

71

In der Praxis wird der Erwerb eines Grundstücks meist von einem Notar beurkundet. Der Notar beantragt meist auch den Vollzug des Erwerbs im Grundbuch (s. § 53 BeurkG). Der Notar ist dann (ausdrücklich oder stillschweigend) bevollmächtigt, die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanz1 Die Finanzverwaltung hat die amtlichen Vordrucke für die steuerlichen Veräußerungsanzeigen seit 2018 mehrfach überarbeitet. Die aktuellen Vordrucke stehen auf den Internetseiten der Länderfinanzverwaltung zum Abruf bereit. Siehe auch www.steuerliches-info-center.de. 2 Böhringer, Rpfleger 2000, 99 (106); Wohltmann, UVR 2006, 154 (154). 3 So BGH v. 14.12.2016 – V ZB 88/16, NJW 2017, 1951 = DNotZ 2017, 463 mit Anm. Frohn = Rpfleger 2017, 439 mit Anm. Dressler (drucktechnisch erzeugtes Siegel eines Insolvenzgerichts genügt nicht den Anforderungen des § 29 Abs. 3 GBO). 4 Eingefügt durch Art. 8 des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuchund Schiffsregisterverfahren v. 28.4.2017, BGBl. I 2017, 969. 5 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 14; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 21; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 40. 6 RGBl. I 1940, 585 und 595. 7 Ähnlich auch Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 50.

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C. Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Abs. 2)

Rz. 79 § 22

amts entgegenzunehmen1 und (zusammen mit den anderen Eintragungsunterlagen) zur Eigentumsumschreibung an das Grundbuchamt vorzulegen. Die Finanzämter übersenden die Unbedenklichkeitsbescheinigung dementsprechend regelmäßig an den Notar, der den Vorgang angezeigt hat (§ 18 GrEStG) (und nicht etwa an den Erwerber oder das Grundbuchamt). 4. Vorlage an das Grundbuchamt Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist dem Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung im unterschriebenen und gesiegelten Original vorzulegen (§ 29 Abs. 3 GBO).

72

Nach den Formvorschriften des Grundbuchrechts ist allerdings auch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift ausreichend (z.B. wenn das Original verloren gegangen ist).2 Dem steht auch nicht entgegen, dass das Finanzamt im Falle der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs die Unbedenklichkeitsbescheinigung zurückverlangen „kann“ (s. § 133 AO und § 16 GrEStG).3

73

5. Eintragung des Erwerbers im Grundbuch Das Grundbuchamt hat das Vorliegen der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung vor der Eintragung von Amts wegen zu prüfen (§§ 20, 29 GBO). Hat das Grundbuchamt die Eintragung (versehentlich) vorgenommen, obwohl die Unbedenklichkeitsbescheinigung (noch) nicht vorlag, ist die Eintragung des Erwerbers gleichwohl wirksam. Die Eintragung muss auch nicht geändert oder rückgängig gemacht werden.4

74

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung kann (wie jeder Verwaltungsakt, § 118 AO) zurückgenommen 75 (§ 130 AO) oder widerrufen (§ 131 AO) werden. Erfährt das Grundbuchamt vor der Eintragung von der Rücknahme oder dem Widerruf, darf der Erwerber nicht im Grundbuch eingetragen werden.5 Ist die Eintragung des Erwerbers allerdings schon erfolgt, ist die Rücknahme bzw. der Widerruf wirkungslos. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Grundstückserwerbs ist nicht von der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung abhängig. Der Erwerb ist auch dann wirksam, wenn die Unbedenklichkeitsbescheinigung von Anfang an gefehlt hat, zu Unrecht erteilt worden ist oder später aufgehoben wird.

76

6. Wirkungen der Unbedenklichkeitsbescheinigung Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist lediglich eine förmliche Voraussetzung für die Eintragung des Erwerbers eines Grundstücks im Grundbuch.6

77

Die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält aber keine inhaltliche Entscheidung über die Steuerpflicht bzw. Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs. Dementsprechend schafft die Unbedenklichkeitsbescheinigung auch keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Änderung oder Erhebung der Grunderwerbsteuer entgegensteht.7

78

Das Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung hat keinen Einfluss auf die Frist von zwei Jahren 79 (nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG) in den Fällen eines Rückerwerbs.8

1 Ähnlich Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 22. 2 KG v. 29.11.2011 – 1 W 71/11, ZfIR 2012, 76; LG Berlin v. 9.4.2002 – 86 T 129/02, NotBZ 2002, 383. – Enger (beglaubigte Abschrift genügt nur dann, wenn der Notar bestätigt, dass ihm das Original vorgelegen hat) Demharter32, § 20 GBO Rz. 50; Schöner/Stöber16, GBO Rz. 151. 3 So Schöner/Stöber16, GBO Rz. 151, Fn. 17. 4 Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 48. 5 BayObLG v. 24.2.1975 – 2 Z 4/75, Rpfleger 1975, 227, sowie Demharter32, § 20 GBO Rz. 50; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 9. 6 Hofmann11, § 22 GrEStG Rz. 10; Pahlke6, § 22 GrEStG Rz. 11; Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 45 ff. 7 BFH v. 15.2.1984 – II R 142/81, BStBl. II 1984, 331; v. 14.3.1979 – II R 97/78, BStBl. II 1979, 526; 26.10.1962 – II 169/60 U, BStBl. III 1963, 219. 8 BFH v. 18.1.2006 – II B 105/05, BFH/NV 2006, 813. Zustimmend Loose in Boruttau19, § 22 GrEStG Rz. 47.

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Achter Abschnitt Durchführung (§ 22a)

§ 22a Ermächtigung 1Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung ein Verfahren zur elektronischen Übermittlung der Anzeige und der Abschrift der Urkunde im Sinne des § 18 näher zu bestimmen. 2Die Authentifizierung des Datenübermittlers sowie die Vertraulichkeit und Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sind sicherzustellen. 3Soweit von dieser Ermächtigung nicht Gebrauch gemacht wurde, ist die elektronische Übermittlung der Anzeige und der Abschrift der Urkunde im Sinne des § 18 ausgeschlossen.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . .

3 4 5

Literatur: Baum, Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Teil 4: Neuerungen bei der elektronischen Übermittlung steuerrelevanter Daten durch Dritte NWB 2016, 2852; Baum, Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Teil 3: Neuerungen bei der elektronischen Kommunikation im Besteuerungsverfahren NWB 2016, 2278.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 22a GrEStG stellt die Grundlage für den elektronischen Rechtsverkehr hinsichtlich der Anzeigen nach § 18 GrEStG von Notaren, Gerichten und Behörden und der Finanzverwaltung dar.

1

II. Bedeutung und Telos § 22a GrEStG bildet die Ermächtigungsgrundlage für die Exekutive zur Schaffung einer Durchfüh- 2 rungsverordnung zur Übermittlung der Veräußerungsanzeige in elektronischer Form. Laut der Gesetzesbegründung im Entwurf des Bundeskabinetts vom 2.2.2011 trägt § 22a GrEStG zum Bürokratieabbau bei.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift steht im Einklang mit der Schaffung des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungs- 3 postfachs (EGVP), dem elektronischen Rechtsverkehr zwischen den Notaren und den AG. Grundlage für die Übermittlung sind die neugeschaffenen Vorschriften im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Rahmen der AO. Speziell zu nennen ist der § 93c AO.

Drees

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§ 22a Rz. 4 Ermächtigung

IV. Rechtsentwicklung 4

Mit dem StVereinfG 2011 vom 1.11.2011 wurde § 22a GrEStG mit dem neuen Achten Abschnitt „Durchführung“ eingeführt.1 Damit kam man Bestrebungen der Bundesnotarkammer nach. Mit der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung2 wurde in Art. 196 der § 22a GrEStG dahingehend angepasst, dass der aktuell offizielle Name des BMI aufgenommen wurde. Er lautet „Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat“.

B. Inhalt der Vorschrift 5

Bereits 2011 war die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Thema. Im mit dem StModG am 1.1.2017 in Kraft getretenen § 93c AO sind Grundsätze für Übermittlungspflichtige enthalten, die auch für die zukünftig elektronischen Anzeigepflichtigen nach § 18 GrEStG gelten. Aufgrund der Zuständigkeit des BMI für die Notare hat die zukünftige Rechtsverordnung in Benehmen mit dem BMI zu ergehen. Benehmen bedeutet keine Zustimmung, sondern lediglich die Möglichkeit der Stellungnahme. Bis zum Ergehen einer Rechtsverordnung ist die Übermittlung der Veräußerungsanzeige in elektronischer Form ausgeschlossen, § 22a Satz 3 GrEStG. Vor der Einführung des § 22a GrEStG war der Ausschluss der Übermittlung der Veräußerungsanzeige in elektronischer Form in § 18 Abs. 1 Satz 3 GrEStG geregelt. Eine entsprechende Rechtsverordnung i.S.d. § 22a GrEStG ist bisher nicht ergangen, die Vorbereitungen für die Einführung einer elektronischen Veräußerungsanzeige sind bereits angelaufen. Vor 2023 ist mit einer Einführung jedoch nicht zu rechnen. Für Anzeigeverpflichtete nach § 19 GrEStG ist die elektronische Übermittlung zugelassen, § 19 Abs. 5 Satz 3 GrEStG.

1 StVereinfG 2011 v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, 2131. 2 Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 19.6.2020, BGBl. I 2020, 1328.

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Neunter Abschnitt Übergangs- und Schlussvorschriften (§§ 23–28)

§ 23 Anwendungsbereich (1) 1Dieses Gesetz ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1982 verwirklicht werden. 2Es ist auf Antrag auch auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1983, jedoch nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes, 22. Dezember 1982, verwirklicht werden. (2) 1Auf vor dem 1. Januar 1983 verwirklichte Erwerbsvorgänge sind vorbehaltlich des Absatzes 1 Satz 2 die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden. 2Dies gilt insbesondere, wenn für einen vor dem 1. Januar 1983 verwirklichten Erwerbsvorgang Steuerbefreiung in Anspruch genommen und nach dem 31. Dezember 1982 ein Nacherhebungstatbestand verwirklicht wurde. (3) § 1 Abs. 2a, § 9 Abs. 1 Nr. 8, § 13 Nr. 6, § 16 Abs. 5, § 17 Abs. 3 Nr. 2 und § 19 Abs. 1 Nr. 3a in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2049) sind erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2049) nach dem 31. Dezember 1996 erfüllen. (4) 1§ 8 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2049) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht werden. 2§ 10 ist letztmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1997 verwirklicht werden. (5) § 4 Nr. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1997 verwirklicht werden. (6) § 1 Abs. 6, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Tage der Verkündung des Gesetzes verwirklicht werden. § 1 Abs. 2a und 3, § 5 Abs. 3, § 13 Nr. 5 und 6, § 16 Abs. 4 und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis 7 und Abs. 2 Nr. 4 in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1999 verwirklicht werden. (7) 1§ 1 Abs. 2a Satz 3, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, § 16 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und § 19 Abs. 2 Nr. 4 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 verwirklicht werden. 2§ 1 Abs. 7 ist letztmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die bis zum 31. Dezember 2001 verwirklicht werden. 3§ 5 Absatz 3 Satz 2 und § 6 Absatz 3 Satz 3 in der Fassung des Artikels 33 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Januar 2020 verwirklicht werden. (8) 1Die §§ 6a und 19 Absatz 2 Nummer 4a in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 verwirklicht werden. 2§ 6a ist nicht anzuwenden, wenn ein im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird und deshalb nach § 16 Absatz 1 oder 2 die Steuer nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. (9) Soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, ist § 3 Nummer 3 bis 7 in der Fassung des Artikels 29 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Juli 2001 verwirklicht werden. (10) § 6a Satz 4 in der Fassung des Artikels 12 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1126) ist erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 verwirklicht werden.

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§ 23 Anwendungsbereich (11) § 1 Absatz 3a und 6 Satz 1, § 4 Nummer 4 und 5, § 6a Satz 1, § 8 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, § 13 Nummer 7, § 16 Absatz 5, § 17 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2, § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7a und Absatz 2 Nummer 5, § 20 Absatz 2 Nummer 3 in der Fassung des Artikels 26 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1809) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6. Juni 2013 verwirklicht werden. (12) § 6a Satz 1 bis 3 sowie § 16 Absatz 5 in der am 31. Juli 2014 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6. Juni 2013 verwirklicht werden. (13) § 1 Absatz 2a und § 21 in der am 6. November 2015 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 5. November 2015 verwirklicht werden. (14) 1§ 8 Absatz 2 und § 17 Absatz 3a in der am 6. November 2015 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden. 2Soweit Steuer- und Feststellungsbescheide, die vor dem 6. November 2015 für Erwerbsvorgänge nach dem 31. Dezember 2008 ergangen sind, wegen § 176 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung nicht geändert werden können, ist die festgesetzte Steuer vollstreckbar. (15) § 19 Absatz 3 Satz 2 in der am 23. Juli 2016 geltenden Fassung ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 22. Juli 2016 verwirklicht werden. (16) 1§ 1 Absatz 4 und § 18 Absatz 2 Satz 2 in der am 15. Dezember 2018 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 14. Dezember 2018 verwirklicht werden. 2Der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 20 in der am 15. Dezember 2018 geltenden Fassung wird durch die Rechtsverordnung im Sinne des § 22a Satz 1 bestimmt. (17) § 1 Absatz 1 Nummer 3 Satz 2 Buchstabe a und b und § 19 Absatz 6 in der Fassung des Artikels 32 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 28. Dezember 2020 verwirklicht werden. (18) § 1 Absatz 2a Satz 1 und 4, Absatz 2b, 3 und 3a Satz 1, § 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4, § 6a Satz 1, § 7 Absatz 3, § 8 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und 4 und Satz 2, § 13 Nummer 5 bis 8, § 17 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3a bis 9 und Absatz 6 in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden. (19) 1Bei Anwendung des § 1 Absatz 2a in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung bleiben Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt, die mit Ablauf des 30. Juni 2021 keine neuen Gesellschafter im Sinne des § 1 Absatz 2a in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung mehr sind. 2Bei der Anwendung des § 1 Absatz 2a in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung ist für die Ermittlung, inwieweit sich der Gesellschafterbestand geändert hat, § 1 Absatz 2a Satz 3 bis 5 in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung auch auf vor dem 1. Juli 2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden. (20) 1§ 1 Absatz 2a und § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3a in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung sind auf Änderungen des Gesellschafterbestandes bis zum 30. Juni 2026 weiter anzuwenden. 2Dies gilt nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Absatz 1, 2, 2a, 3 oder Absatz 3a in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung steuerbar ist oder ein vorausgegangener Rechtsvorgang nach § 1 Absatz 2a in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung steuerbar war. (21) 1§ 1 Absatz 3 Nummer 1 und 2 und § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 und 5 in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht werden, weiter anzuwenden, wenn am 30. Juni 2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 vom Hundert und mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt waren. 2Bei der Ermittlung der allein in einer Hand vereinigten Anteile der Gesellschaft im Sinne des Satzes 1 sind auch solche Anteile zu berücksichtigen, über die der Erwerber oder die herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder die abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen vor dem 1. Juli 2021 ein Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer dieser Anteile begründet. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Absatz 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Absatz 3a in der am 1. Juli 2021

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Anwendungsbereich

§ 23

geltenden Fassung steuerbar ist. 4Sinken die Anteile nach dem 30. Juni 2021 unter 90 vom Hundert, finden die Sätze 1 und 2 auf spätere Erwerbsvorgänge keine Anwendung. (22) 1§ 1 Absatz 3a und § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7a in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung sind auf Erwerbsvorgänge nach dem 30. Juni 2021 weiter anzuwenden, wenn der Rechtsträger am 30. Juni 2021 unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von weniger als 95 vom Hundert und mindestens 90 vom Hundert an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehatte. 2Dies gilt nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Absatz 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Absatz 3a in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung steuerbar ist. 3Sinkt nach dem 30. Juni 2021 die wirtschaftliche Beteiligung im Sinne des § 1 Absatz 3a unter 90 vom Hundert, findet Satz 1 auf spätere Erwerbsvorgänge keine Anwendung. (23) Bei der Anwendung des § 1 Absatz 2b bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1. Juli 2021 erfolgen, unberücksichtigt. (24) § 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 und § 7 Absatz 3 in der am 1. Juli 2021 geltenden Fassung sind nicht anzuwenden, wenn die in § 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 oder § 7 Absatz 3 in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung geregelte Frist vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen war. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . 2. Rechtsentwicklung im Überblick . 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen I. Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs . II. Zeitlicher Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 1) und Weitergeltung des alten Rechts (Abs. 2) 1. Zeitlicher Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 1) . . 2. Weitergeltung des alten Rechts (Abs. 2) III. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG und seiner Folgeregelungen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . IV. Zeitlicher Anwendungsbereich von § 8 Abs. 2 GrEStG und § 11 Abs. 1 GrEStG (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erstmalige Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 (Abs. 6) . . . . . . . . . . . VII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StÄndG 2001 (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zeitlicher Anwendungsbereich durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das JStG 2010 (Abs. 9) .

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X. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das OGAW-IV-UmsG (Abs. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das AmtshilfeRLUmsG (Abs. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Abs. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StÄndG 2015 (Abs. 13 und Abs. 14) . . . . . . . . . . . . XIV. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (Abs. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Abs. 16) . . . . . . . . . . . . . . XVI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das JStG 2020 (Abs. 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 18 bis Abs. 24) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Neuregelungen auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (Abs. 18) . . . . . . . . . . . . .

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§ 23 Rz. 1 Anwendungsbereich 3. Anwendbarkeit der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG auf alle noch offenen Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelung von § 1 Abs. 2a (Abs. 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zu § 1 Abs. 2a n.F. . . . . . . . . . . . . 6. Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG (Abs. 20) . . . 7. Subsidiäre Fortgeltung der Alt-Fassung von § 1 Abs. 3 GrEStG (Abs. 21) 8. Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG (Abs. 22) . . . 9. Veranschaulichung von § 23 Abs. 21 und Abs. 22 in den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 . . . . . 10. Zeitliche Anwendungsbereich der Neuregelung von § 1 Abs. 2b GrEStG (Abs. 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Berücksichtigung lediglich ab dem 1.7.2021 erfolgender Anteilsübergänge (§ 23 Abs. 23 GrEStG)

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a) Unmittelbarer Gesellschafterbestand . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbarer Gesellschafterbestand . 12. Regelungen zu § 23 Abs. 23 in den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Kein Vertrauensschutz bei Verpflichtung zur Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres vor dem 1.7.2021 und dinglichem Vollzug der Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres danach 14. Vertrauensschutzregelung in Bezug auf die Nachbehaltensfristen (Abs. 24) 15. Keine Verlängerung vor dem 1.7.2021 begonnener Nachbehaltensfristen . . . 16. Keine Verlängerung vor dem 1.7.2021 bereits abgelaufener Vorbehaltensfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Erstmalige Anwendung der Änderungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG . . . . . . . . . . . . . . . XIX. Erstmalige Anwendung der landesgesetzlich geregelten Grunderwerbsteuersätze

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Literatur: Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017; Behrens, Neue RETTBlocker-Vermeidungsvorschrift in § 1 Absatz 3a GrEStG durch AmtshilfeRLUmsG – Rechtliche Anteilsvereinigung aufgrund „Innehabens“ von (ggf. durchgerechnet) mindestens 95 % an grundbesitzender Gesellschaft, DStR 2013, 1405; Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG. DStR 2021, 1673; Behrens/Seemaier, Grunderwerbsteuerreform: Offene Fragen zu § 23 Abs. 24 GrEStG n.F., UVR 2021, 348; Broemel/Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelungen der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offene Fragen, DStR 2021, 2383; Wagner, KöMoG – Einschränkungen bei der Befreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG bei Ausübung der Körperschaftsteuer-Option nach § 1a KStG i.d.F. des KöMoG, DStZ 2021, 604; Wischott/Schönweiß, Wachstumsbeschleunigungsgesetz – Einführung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Umwandlungsvorgänge, DStR 2009, 2638.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1

§ 23 GrEStG bestimmt den zeitlichen Anwendungsbereich des GrEStG insgesamt sowie der nach seinem Inkrafttreten vorgenommenen Änderungen. Dabei regeln § 23 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG den zeitlichen Geltungsbereich des am 1.1.1983 in Kraft getretenen GrEStG (s. § 28 GrEStG) bzw. der Fortgeltung des davor geltenden Grunderwerbsteuerrechts nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 Satz 1 GrEStG. § 28 Abs. 3 bis Abs. 11 GrEStG regelt die erstmalige Anwendung der dort jeweils bezeichneten einzelnen Änderungen, die ab dem Jahr 1996 in Kraft getreten sind.

II. Bedeutung der Vorschrift 2

§ 23 GrEStG dient der Abgrenzung des zeitlichen Geltungsbereichs des GrEStG und seiner einzelnen Bestimmungen. Hiernach richtet sich, welche Vorschriften ab welchem Zeitpunkt auf einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang anzuwenden ist. Zentrales Tatbestandsmerkmal aller Regelungen in § 23 GrEStG ist dabei die „Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs“ (Rz. 8 ff.). Für die Abgrenzung des zeitlichen Anwendungsbereichs stellt das Gesetz mithin nicht auf die Entstehung der Steuer nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen (§ 38 AO) oder des § 14 GrEStG ab (s. im Einzelnen § 14 Rz. 12 ff. und Rz. 22 ff.). Die Verwendung der unterschiedlichen Termini in § 14 966

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 6 § 23

GrEStG und § 23 GrEStG indiziert, dass sie einen unterschiedlichen Inhalt haben. Während die Steuerentstehung nach § 38 AO von der Erfüllung des gesetzlichen Steuertatbestands abhängt und damit an die Rechtsfolge der Tatbestandserfüllung anknüpft, ist § 23 GrEStG an der Tatbestandserfüllung als solcher ausgerichtet. Grundsätzlich knüpft die Rechtsfolge (Steuerentstehung) unmittelbar die Tatbestandserfüllung an. Gerade die Regelung in § 14 GrEStG zeigt aber, dass die Erfüllung des Besteuerungstatbestands einerseits und die dadurch bewirkte Rechtsfolge andererseits zeitlich auseinanderfallen können. In diesen Fällen ist für die Zwecke des § 23 GrEStG die Tatbestandserfüllung maßgeblich, während für die steuerschuldrechtliche Betrachtung die Entstehung der Grunderwerbsteuer entscheidend ist (s. zu alledem auch § 14 Rz. 10). Zu den Einzelheiten s. unten Rz. 8 ff. Für die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung oder die Entstehung der Grunderwerbsteuer ist die bloße Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 GrEStG ohne Bedeutung, denn die Steuerentstehung gem. § 38 AO bzw. § 14 GrEStG setzt voraus, dass die in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3 GrEStG vollständig erfüllt wurden und dadurch die Leistungspflicht des oder der Grunderwerbsteuerschuldner (§ 13 GrEStG) begründet wurde. Dies ist die Voraussetzung für die Zurechnung des betroffenen Grundstücks, also z.B. die Annahme, dass ein gekauftes Grundstück i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen des Erwerbers gehört.1

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III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG betrifft grundsätzlich den gesamten Anwendungsbereich des GrEStG und grenzt diesen von der Anwendung des bis zum 31.12.1982 geltenden Grunderwerbsteuerrechts ab. Demgegenüber treffen die § 23 Abs. 3 bis Abs. 11 GrEStG Bestimmungen für die dort genannten Einzelregelungen.

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§ 23 GrEStG erfasst indessen nicht die Ansprüche aus § 16 GrEStG auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung, da die Norm sich lediglich auf „Erwerbsvorgänge“ i.S.v. § 1 GrEStG bezieht (Rz. 8).2 Bei diesen Ansprüchen handelt es sich um selbständige (gegenläufige) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lassen. Maßgeblich für ihre Entstehung ist – wie bei Steueransprüchen – das bei Verwirklichung des den Tatbestand erfüllenden Sachverhalts geltende Recht (§ 38 AO).

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2. Rechtsentwicklung im Überblick § 23 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG entsprechen der ursprünglichen am 1.1.1983 in Kraft getretenen Fassung des GrEStG. § 23 Abs. 3 und Abs. 4 GrEStG wurden durch das JStG 19973 neu eingefügt und regeln den zeitlichen Geltungsbereich der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Neuregelungen. Sie wurden durch Art. 15 Nr. 11 Buchst. a und b StEntlG 1999/2000/20024 ohne inhaltliche Änderungen neu gefasst. Durch dasselbe Gesetz wurden § 23 Abs. 5 und Abs. 6 GrEStG6 neu angefügt (Art. 15 Nr. 11 Buchst. c StEntlG 1999/2000/2002)5. § 23 Abs. 7 GrEStG betrifft die Änderungen durch das StÄndG 20016. § 23 Abs. 8 GrEStG regelt die Anwendung des § 6a GrEStG, der durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz7 eingeführt wurde. § 23 Abs. 9 GrEStG wurde neu gefasst durch das AmtshilfeRLUmsG8, mit dem die Anwendung des § 3 Nr. 3 bis Nr. 7 GrEStG auf Erwerbsvorgängen von Le1 2 3 4 5 6

BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 12. Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001 – StÄndG 2001) v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3794. 7 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 8 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809.

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§ 23 Rz. 6 Anwendungsbereich benspartnern i.S.v. § 1 LPartG erstreckt wurde. § 23 Abs. 10 GrEStG wurde angefügt durch das OGAW-IV-UmsG1. § 23 Abs. 11 GrEStG wurde ebenfalls angefügt durch das AmtshilfeRLUmsG2 und § 23 Abs. 12 GrEStG wurde angefügt durch das Gesetz v. 25.7.20143. § 23 Abs. 13 und Abs. 14 GrEStG enthalten die Änderung des § 23 GrEStG durch das StÄndG 20154 angefügt. § 23 Abs. 15 GrEStG schließlich geht auf das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens5 zurück. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften 7

§ 23 GrEStG enthält den Begriff „Erwerbsvorgang“ und verweist damit auf § 1 GrEStG, der diesen Terminus ebenfalls in der amtlichen Überschrift enthält. Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG ist mithin jeder Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 GrEStG (Rz. 8), so dass für die Anwendungsregelungen des § 23 GrEStG jeweils auf den im konkreten Einzelfall verwirklichten Erwerbsvorgang aus dem Katalog des § 1 GrEStG abzustellen ist.

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen I. Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs 8

Was „Erwerbsvorgänge“ sind, ergibt sich aus der amtlichen Überschrift von § 1 GrEStG. Erwerbsvorgänge im Sinne dieser Vorschrift sind die Rechtsvorgänge, die gem. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen.6 Vom Erwerbsvorgang zu unterscheiden ist der „Erwerb“, von dem die §§ 3 f. GrEStG sprechen, der auf Seiten des Erwerbers mit dem Erfolg des Erwerbsvorgangs entsteht.7 Verwirklicht ist ein Erwerbsvorgang nach ständiger Rechtsprechung des BFH, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind.8 Dies setzt rechtsgeschäftlich wirksame Willenserklärungen der Vertragschließenden voraus, durch die eine Bindung der Beteiligten an das vorgenommene Rechtsgeschäft eingetreten ist.9 Bei einem unbedingten bzw. keiner Genehmigung bedürftigen Rechtsgeschäft ist eine solche Bindung regelmäßig mit dem Vertragsschluss gegeben.10 Dies kann auch bereits für einen „Vorvertrag“ gelten, wenn dieser Vertrag den Vertragsparteien eine wechselseitige Bindung vermittelt, weil er einklagbare Ansprüche begründet und Rücktrittsrechte ausschließt.11

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Da die erforderliche Bindung der Beteiligten einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG betreffen muss, können rechtsgeschäftliche Erklärungen nur dann zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs führen, wenn sie unmittelbar die die Steuerbarkeit eines Rechtsvorgangs i.S.v. § 1 1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz – OGAW-IV-UmsG) v. 22.6.2011, BGBl. I 2011, 1126. 2 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.6.2014, BGBl. I 2014, 1266. 4 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 5 Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1679. 6 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 22. 7 Zur Unterscheidung zwischen Erwerbsvorgang und Erwerb: BFH v. 21.12.1961 – II 146/61 U, BStBl. III 1962, 162; v. 10.10.1962 – II 5/61 U, BStBl. III 1963, 16; v. 7.4.1965 – II 15/62, HFR 1965, 418; v. 18.5.1966 – II 144/64, BStBl. III 1966, 399; v. 18.5.1966 – II 56/63, BStBl. III 1966, 381; v. 5.5.1968 – II 165/64, BStBl. II 1968, 416; v. 20.6.1968 – II R 15/68, BStBl. II 1968, 783; v. 23.4.1975 – II R 195/72, BStBl. II 1975, 742. 8 S. z.B. BFH v. 17.9.1986 – II R 136/84, BStBl. II 1987, 35; v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; v. 28.3.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 24. 9 BFH v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318. 10 BFH v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318. 11 BFH v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137; FG Nds. v. 1.6.1999 – VII (III) 275/97, EFG 1999, 1304.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 11 § 23

Abs. 1 bis 3 GrEStG konstituierenden Merkmale erfüllen1, ungeachtet des Erwerbs auf Seiten des Erwerbers.2 Zu diesen Merkmalen gehört z.B. bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Erwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs. Durch Vereinbarungen, die dem Erwerber keinen solchen Anspruch verschaffen sollen, kann deshalb ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht verwirklicht werden. Bei den in § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG geregelten Rechtsvorgängen führt die rechtsgeschäftliche Bindung der Vertragsparteien und damit die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs in der Regel zur Erfüllung des Steuertatbestands und damit zur Steuerentstehung. Mitunter tritt damit auf Seiten des Erwerbers gleichzeitig auch der Erfolg in Form des Grundstückserwerbs ein. Dementsprechend ist bei einem Grundstückstauschvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 GrEStG) der Erwerbsvorgang mit dem Vertragsschluss verwirklicht.3 Maßgeblich für die Anwendung des § 23 GrESt ist dabei ausschließlich die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs und nicht, ob der Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst. Denn zur Verwirklichung gehört nicht der Eintritt der Steuerpflicht, also die Entstehung der Grunderwerbsteuer.4 Beim „Erwerb im Bauherrenmodell“ ist der Erwerbsvorgang mit Abschluss des Grundstückskaufvertrags verwirklicht.5 Dieses Gestaltungsmodell beruht im Wesentlichen darauf, dass derjenige, der ein noch zu bebauendes Grundstück oder eine noch herzustellende Eigentumswohnung erwerben will, Gesellschafter einer Personengesellschaft (Bauherrengemeinschaft) wird. In dem entsprechenden Gesellschaftsvertrag verpflichten sich alle Gesellschafter, die von ihnen aufzuwendenden Beträge zur Errichtung des Objektes zu beschaffen, die aus den Gesellschafterbeiträgen das Eigenkapital aufbringt. Gleichzeitig wird in einem Treuhandvertrag ein Treuhänder beauftragt, für die Bauherren den Grundstückskaufvertrag zu schließen und zu vollziehen sowie Bauverträge als Generalunternehmervertrag oder als Einzelvertrag zur vollständigen Erstellung des Bauvorhabens zu schließen.6

Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG weisen nicht den für § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eigentümlichen Unterschied zwischen dem Erwerbsvorgang und dem Erwerb als dessen Erfolg auf. Soweit bei Umwandlungen der Eintragung der Verschmelzung entsprechende Umwandlungsverträge und Zustimmungsbeschlüsse vorauszugehen haben (§§ 17, 125, 176 Abs. 1 UmwG), stellen diese Rechtsgeschäfte keinen vom Erwerb zu trennenden und ihm vorausgehenden Erwerbsvorgang dar, sondern gehen bereits dem Erwerbsvorgang voraus, der überdies mit dem Erwerb zwingend zusammenfällt.7 Das bedeutet, dass bei Umwandlungen kraft Gesetzes ein Eigentumsübergang an Grundstücken eintritt und einen Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG begründet, der mit der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister verwirklicht ist.8 Der Umwandlungsvertrag sowie die erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse ergeben weder einzeln noch zusammen einen früheren Zeitpunkt der Verwirklichung.9 Der gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Grundstückserwerb im Rahmen einer Umlegung (§§ 45 ff. BauGB) wird nicht mit der Veröffentlichung des Umlegungsbeschlusses (§ 50 Abs. 1 BauGB), sondern erst mit der öffentlichen Bekanntmachung des Zeitpunkts der Unanfechtbarkeit des Umlegungsbeschlusses verwirklicht.10

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Am deutlichsten wird die Unterscheidung zwischen Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 11 GrEStG und Entstehung der Steuer i.S.v. § 38 AO bei bedingten oder genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen. Bei diesen entsteht die Steuer gem. § 14 GrEStG zwar erst mit Eintritt der Bedingung oder der Genehmigung (§ 14 Rz. 22 ff.). Der Erwerbstatbestand ist regelmäßig jedoch bereits bei Abschluss des Rechtsgeschäfts verwirklicht (Rz. 8),11 denn für die Verwirklichung eines Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG kommt es entscheidend darauf an, dass die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (Rz. 8). Diese Voraussetzungen können auch bei einem Rechtsgeschäft vorliegen, dessen 1 BFH v. 22.9.2004 – II R 45/02, BFH/NV 2005, 1137. 2 FG Düsseldorf v. 29.7.2013 – 7 K 563/13 GE, EFG 2013, 1873 – rkr. nach Verwerfung Rev. BFH v. 3.2.2014 – II B 90/13, nv. 3 BVerwG v. 23.5.1986 – 8 C 42/84, NVwZ 1986, 917. 4 BFH v. 17.9.1986 – II R 136/84, BStBl. II 1987, 35; v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606. 5 BFH v. 20.12.1989 – II R 31/88, BStBl. II 1990, 234. 6 Vgl. z.B. BFH v. 20.12.1989 – II R 31/88, BStBl. II 1990, 234. 7 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; v. 8.9.2006 – II B 42/05, BFH/NV 2007, 77. 8 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; vgl. auch FG München v. 25.9.2002 – 4 K 4302/99, juris. 9 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. 10 Vgl. BFH v. 25.11.1992 – II R 67/89, BStBl. II 1993, 308. 11 Vgl. FG Münster v. 16.6.2016 – 8 K 2656/13 GrE, EFG 2016, 1282.

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§ 23 Rz. 11 Anwendungsbereich Rechtswirkungen von dem Eintritt einer Bedingung oder der Erteilung einer Genehmigung abhängen.1 Die Parteien eines solchen Rechtsgeschäfts sind im Regelfall durch den Vertragsabschluss gebunden und können die Vertragsbeziehung nicht mehr einseitig lösen.2 Zu beachten ist jedoch nachfolgend Rz. 12. Haben die Vertragsparteien z.B. in der Präambel zu einem Kaufvertrag vereinbart, dass die Beurkundung des Vertrages „vorbehaltlich der Kultivierungsgenehmigung des Landkreises erfolgt sei“, ist der Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht, da sich die Beteiligten im Innenverhältnis zueinander rechtsgeschäftlich in der Weise gebunden haben, dass ein einseitiges Lösen vom Vertrag ausgeschlossen ist.3

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Tritt hingegen aufgrund des Genehmigungsbedürfnisses keine Bindung ein, sondern besteht ein Schwebezustand, ist der Erwerbsvorgang erst mit Erteilung der Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) verwirklicht.4 Folglich wird in diesem Fall durch die notarielle Beurkundung eines zivilrechtlich genehmigungsbedürftigen Grundstückskaufvertrags kein Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht, solange während des Schwebezustands zumindest eine der Vertragsparteien sich vom Vertrag wieder frei lösen kann, so dass die erforderliche Bindung noch nicht besteht.5 Dies gilt insbesondere, wenn ein vollmachtloser Vertreter gehandelt hat: In diesem Fall hängt die Wirksamkeit des Vertrags gem. § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung des Vertretenen ab. Da das Rechtsgeschäft bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam ist, sind die Vertragsparteien während dieser Zeit nicht im Verhältnis zueinander gebunden. Daher ist der Erwerbsvorgang erst i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht, wenn die Genehmigung durch den Vertretenen erteilt wird.6 Entgegen § 184 Abs. 1 BGB, wonach die Genehmigung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt, gilt dies nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht im Grunderwerbsteuerrecht (vgl. § 14 Rz. 30).7 Dies gilt auch, wenn die Wirksamkeit des Vertrags von der Erteilung einer vormundschaftlichen Genehmigung (§ 1821 Abs. 1 BGB) abhängt.8 Durch den Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Nachlasspfleger über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück i.S.v. § 23 Abs. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang nicht verwirklicht, bis die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gem. § 1821 Abs. 1 BGB erteilt ist und der Nachlasspfleger dem anderen Vertragsteil hiervon gem. § 1829 BGB Mitteilung gemacht hat.9

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Demgegenüber sind bedingte Rechtsgeschäfte, also Erwerbsvorgänge, die nach dem Willen der daran Beteiligten von einer aufschiebenden Bedingung (§ 14 Rz. 25) abhängig gemacht werden, tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur die Rechtswirkungen – im vorliegenden Zusammenhang mithin die Entstehung der GrESt – sind bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe.10 Die Grunderwerbsteuer entsteht demnach mit Eintritt der Bedingung (§ 14 Rz. 27).11 Da es im Rahmen des § 23 GrEStG hingegen ausschließlich auf die Verwirklichung des Erwerbstatbestands ankommt, nicht aber auf den Erwerbserfolg, sind bedingte Rechtsgeschäfte i.S.v. § 23 GrEStG mit Abgabe der auf den bezogenen Erwerbsvorgang rechtsgeschäftliche Erklärungen verwirklicht (vgl. Rz. 8), und nicht erst mit Bedingungseintritt.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606. BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606. FG Nds. v. 9.6.1988 – III 461/84, juris. Vgl. BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 7.11.2000 – II R 51/99, BFH/NV 2001, 642; v. 12.1.2006 – II B 65/05, BFH/NV 2006, 813; v. 9.11.2007 – II B 23/07, UVR 2008, 41. Vgl. BFH v. 24.5.2000 – II B 120/99, BFH/NV 2000, 1499. BFH v. 24.5.2000 – II B 120/99, BFH/NV 2000, 1499; v. 7.11.2000 – II R 51/99, BFH/NV 2001, 642. Vgl. BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606; v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318; v. 7.11.2000 – II R 51/99, BFH/NV 2001, 642; v. 12.1.2006 – II B 65/05, BFH/NV 2006, 813; v. 9.11.2007 – II B 23/07, UVR 2008, 41. BFH v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318. BFH v. 18.5.1999 – II R 16/98, BStBl. II 1999, 606. BGH v. 21.9.1994 – VIII ZR 257/93, BGHZ 127, 129; Ellenberger in Grüneberg81, Einf. v. § 158 BGB Rz. 8. Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. Vgl. FG Rh.-Pf. v. 6.4.2000 – 4 K 2246/99, EFG 2000, 755; FG Düsseldorf v. 29.7.2013 – 7 K 563/13 GE, EFG 2013, 1873 (rkr. nach Verwerfung der NZB als unzulässig, BFH v. 3.2.2014 – II B 90/13, nv.; Heine in Wilms/ Jochum, § 23 GrEStG Rz. 44; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 29; Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 6.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 18 § 23

Wird die Gegenleistung nachträglich erhöht, kommt es für die Frage der Verwirklichung des Er- 14 werbstatbestands auf den Zeitpunkt an, in welchem die zusätzliche Gegenleistung verbindlich wird,1 denn hierdurch wird ein eigenständiger Steuertatbestand verwirklicht. Die Vereinbarung oder Gewährung ist kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, da es steuerlich nicht auf den ursprünglichen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang zurückwirkt, sondern es lässt diesen vielmehr unberührt.2 Vereinbaren demnach etwa die Partner eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Kaufvertrags über ein Grundstück nachträglich eine Erhöhung der Gegenleistung, ist der darin liegende Erwerbsvorgang in Form der zusätzlich gewährten Gegenleistung i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in dem Zeitpunkt gem. § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner hinsichtlich der zusätzlich gewährten Gegenleistung eingetreten ist.3 Bei Ausübung eines Vorkaufsrechts ist der Erwerbsvorgang mit der Ausübung des Vorkaufsrechts wird zwischen dem (Vorkaufs-)Berechtigten und dem (Vorkaufs-)Verpflichteten verwirklicht, da hierdurch ein selbständiger Kaufvertrag gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG neu begründet wird.4

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II. Zeitlicher Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 1) und Weitergeltung des alten Rechts (Abs. 2) 1. Zeitlicher Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 1) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist das GrEStG, wie es am 1.1.1983 in Kraft getreten ist, auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1982 verwirklicht werden. Diese Vorschrift hat wegen des Zeitablaufs keine praktische Bedeutung mehr.

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Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG war das GrEStG auf Antrag auch auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die vor dem 1.1.1983, jedoch nach dem 22.12.1982, dem Tag der Verkündung des Gesetzes, verwirklicht wurden. Der Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG auf Anwendung des neuen Rechts konnte auch nach Eintritt der Bestandskraft eines Grunderwerbsteuerbescheids, der sich auf das alte Recht stützte, noch wirksam gestellt werden.5 Der bestandskräftige Grunderwerbsteuerbescheid war nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben oder zu ändern, da der Antrag i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG nicht nur Verfahrenshandlung oder rein formelle Voraussetzung für die Berücksichtigung eines steuerlich relevanten Sachverhalts war, sondern selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands, der die Umgestaltung des Steuerrechtsverhältnisses zur Folge hatte.6 Auch diese Vorschrift hat wegen des Zeitablaufs keine praktische Bedeutung mehr.

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2. Weitergeltung des alten Rechts (Abs. 2) Nach § 23 Abs. 2 GrEStG 1983 sind auf vor dem 1.1.1983 verwirklichte Erwerbsvorgänge grundsätzlich die bis zum Inkrafttreten des GrEStG 1983 geltenden Vorschriften anzuwenden.7 Diese weiter anwendbaren grunderwerbsteuerrechtlichen Vorschriften gehörten überwiegend dem Landesrecht an. Die Revisibilität dieser landesrechtlichen Vorschriften des Grunderwerbsteuerrechts ergab sich bis zum 31.12.1982 aus § 160 Abs. 2 FGO in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung. Diese Vorschrift wurde jedoch durch Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes vom 21.12.19928 mit Wirkung vom 1.1.1993 aufgehoben. Mit Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO mit Wirkung vom 1.1.1983 entfiel die Revisibilität der die

1 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604 m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 27/2006. 2 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 13. 3 BFH v. 26.4.2006 – II R 3/05, BStBl. II 2006, 604; v. 28.3.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 27. 4 BFH v. 20.12.2000 – II R 13/99, BFH/NV 2001, 937. 5 BFH v. 12.1.1994 – II R 72/91, BStBl. II 1994, 302; v. 16.2.1994 – II R 18/92, BFH/NV 1994, 826. 6 BFH v. 12.1.1994 – II R 72/91, BStBl. II 1994, 302; v. 16.2.1994 – II R 18/92, BFH/NV 1994, 826; s. hierzu auch von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 79. 7 Siehe Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 17 ff. 8 BGBl. I 1992, 2109; BStBl. I 1993, 90.

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§ 23 Rz. 18 Anwendungsbereich Grunderwerbsteuer betreffenden landesrechtlichen Normen.1 Es sind wegen des Zeitablaufs keine Fälle mehr denkbar, in denen die Fortgeltung des Landesrechts noch eine Bedeutung hat. Daher hat die Vorschrift keine praktische Bedeutung mehr.

III. Zeitlicher Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG und seiner Folgeregelungen (Abs. 3) 19

§ 23 Abs. 3 GrEStG wurde durch Art. 7 JStG 19972 neu eingefügt und regelt den zeitlichen Geltungsbereich der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Neuregelungen des § 1 Abs. 2a GrEStG sowie der damit ebenfalls ergangenen Folgeregelungen. Diese betrafen insbesondere die Bemessung der Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG), die Steuerschuldnerschaft (§ 13 Nr. 6 GrEStG), die Rückgängigmachung (§ 16 Abs. 5 GrEStG), die einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) und die Anzeigepflichten (§ 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG).3 Die Neuregelungen waren anzuwenden auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.1996 verwirklicht wurden. Hinsichtlich der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG waren Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die vor dem 1.1.1997 vorgenommen worden sind, nicht zu berücksichtigen.4 Denn Rechtsgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG und damit auch des § 23 Abs. 3 GrEStG ist nicht die letzte, zur Vollständigkeit oder Wesentlichkeit führende Veränderung im Gesellschafterbestand, sondern die Summe aller Rechtsakte, die die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes bedeuten.5 Diese müssen allesamt nach dem 31.12.1996 verwirklicht worden sein (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.).

IV. Zeitlicher Anwendungsbereich von § 8 Abs. 2 GrEStG und § 11 Abs. 1 GrEStG (Abs. 4) 20

§ 23 Abs. 4 GrEStG betrifft die Änderungen von § 8 Abs. 2 GrEStG und § 11 Abs. 1 GrEStG durch das JStG 19976. Mit diesem Änderungsgesetz wurde aufgrund der Änderung des § 11 Abs. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuersatz von 2 % auf 3,5 % erhöht. Nachdem den Ländern mit Wirkung vom 1.9.20067 durch Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG die Befugnis eingeräumt wurde, hat § 11 Abs. 1 GrEStG als bundesgesetzliche Regelung nur insoweit Bedeutung, als die Länder nicht von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben (s. unten Rz. 38 und § 11 Rz. 2, Rz. 4).8 Daneben wurde § 8 Abs. 2 GrEStG dahingehend geändert, dass sich die Grunderwerbsteuer nicht mehr nach den Einheitswerten, sondern aufgrund einer Bedarfsbewertung bemisst, insbesondere wenn keine Gegenleistung vorhanden oder zu ermitteln ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG (s. zu den Einzelheiten § 8 Rz. 11 ff.). Diese Regelungen sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1996 verwirklicht werden.

V. Erstmalige Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG (Abs. 5) 21

Durch das StEntlG 1999/2000/20029 wurde § 4 Nr. 1 GrEStG geändert. Die Vorschrift ist – rückwirkend – gem. § 23 Abs. 5 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1996 1 Vgl. BFH v. 28.6.1995 – II R 36/94, BFH/NV 1996, 170; v. 17.1.1996 – II R 88/94, BFH/NV 1996, 506; v. 6.3.1996 – II R 102/93, BStBl. II 1996, 396. 2 Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 3 Vgl. Viskorf in Boruttau18, § 23 GrEStG Rz. 55. 4 BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 5 BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 6 Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 7 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) v. 28.8.2006, BGBl. I 2006, 2034. 8 Siehe die Überblicke bei Hofmann11, § 11 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 11 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 11 GrEStG Rz. 19. 9 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 25 § 23

verwirklicht wurden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.). Die Rückwirkung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da sie eine Begünstigung enthält.1

VI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 (Abs. 6) Gemäß § 23 Abs. 6 Satz 1 GrEStG sind § 1 Abs. 6, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Tage der Verkündung des Gesetzes im BGBl., also nach dem 31.3.1999, verwirklicht werden.

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Demgegenüber sind § 1 Abs. 2a und Abs. 3, § 5 Abs. 3, § 13 Nr. 5 und Nr. 6, § 16 Abs. 4 und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis Nr. 7 und Abs. 2 Nr. 4 GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2001 gem. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.). § 5 Abs. 2 GrEStG ist nach § 5 Abs. 3 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2001 insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert.2

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VII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StÄndG 2001 (Abs. 7) Durch das StÄndG 20013 wurden § 1 Abs. 2a Satz 3, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, § 16 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG geändert. Die Neuregelungen sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2001 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 7 Satz 1 GrEStG). Gemäß § 23 Abs. 7 Satz 2 GrEStG war der frühere § 1 Abs. 7 letztmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die bis zum 31.12.2001 verwirklicht wurden. Demgegenüber hat der gleichfalls durch das StÄndG 2001 eingefügte § 17 Abs. 3a GrEStG (Art. 13 Nr. 5 StÄndG 2001) als Verfahrensvorschrift keine besondere Regelung ihres zeitlichen Anwendungsbereichs erfahren hinsichtlich des Inhalts des Feststellungsbescheids. Die Vorschrift ist daher mangels einer besonderen Regelung mit dem Inkrafttreten des StÄndG 2001 am 31.12.2001 (Art. 39 Abs. 5 StÄndG 2001) für alle Erwerbsvorgänge, die danach verwirklicht wurden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.) bzw. am Tag des Inkrafttretens noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren.4

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VIII. Zeitlicher Anwendungsbereich durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (Abs. 8) Gemäß § 23 Abs. 8 Satz 1 GrEStG sind die §§ 6a und 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG i.d.F. des Art. 7 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes5 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.). Insbesondere die Einführung des § 6a GrEStG dient dem gesetzgeberischen Ziel, Unternehmen die flexible Reaktion auf Veränderungen der Marktverhältnisse zu ermöglichen. Dazu sollen Grundstücksübergänge im Rahmen von Umstrukturierungen bei Umwandlungsvorgängen grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt werden, wenn es sich um einen Rechtsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwG handelt.6 1 Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 23. 2 Vgl. FG Hamburg v. 21.6.2011 – 3 K 67/11, nv. 3 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001 – StÄndG 2001) v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3794. 4 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 17 GrEStG Rz. 1. 5 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 6 Vgl. die Begründung des Entwurfs des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, BT-Drucks. 17/15, 21; s. auch BRDrucks. 865/09; Hofmann11, § 23 GrEStG Rz. 16; Viskorf in Boruttau18, § 23 GrEStG Rz. 73.

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§ 23 Rz. 26 Anwendungsbereich 26

Um unerwünschte Mitnahmeeffekte zu vermeiden1, ordnet § 23 Abs. 8 Satz 2 GrEStG für den zeitlichen Anwendungsbereich des § 6a GrEStG eine Einschränkung an für den Fall, dass ein im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2009 verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird und deshalb nach § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG die Grunderwerbsteuer nicht zu erheben oder eine Grunderwerbsteuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Norm werden Erwerbsvorgänge, die vor dem 1.1.2008 oder nach dem 1.1.2010 verwirklicht wurden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.), nicht nach § 6a GrEStG begünstigt.

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Eine teleologische Reduktion des § 23 Abs. 8 Satz 2 GrEStG auf solche Fälle, die im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2009 verwirklicht und erst nach dem Bekanntwerden des Gesetzesentwurfs v. 9.11.20092, ist nicht geboten. Die Vorschrift erfasst typisierend die in dem genannten Zeitraum verwirklichten Erwerbsvorgänge, ohne dass es auf die Motive für die Rückgängigmachung ankäme.3 Denn der Gesetzesvollzug wäre erheblich erschwert, wenn neben dem zeitlichen Moment noch die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten, die zur Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs geführt haben, untersucht werden müssten, um festzustellen, ob eine „Mitnahmeabsicht“ bestand.

IX. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das JStG 2010 (Abs. 9) 28

Durch Art. 29 Nr. 1 Buchst. b JStG 20104 wurde § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. dergestalt geändert, dass der Grundstückserwerb durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen ist. Damit erfolgte die Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, der unterschiedliche Behandlung im Grunderwerbsteuerrecht als zu beseitigende Ungleichbehandlung empfunden wurde. Die Gesetzesänderung geht zurück auf die Entscheidung des BVerfG, wonach die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im ErbStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.5 In dieser Entscheidung wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.12.2010 eine Neuregelung für die vom ErbStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.2.1997 betroffenen Altfälle zu treffen, die diese Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des LPartG6 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24.12.20087 zu beseitigen. § 23 Abs. 9 GrEStG, der seine jetzige Fassung indessen erst durch Art. 26 Nr. 10 Buchst. a des AmtshilfeRLUmsG8 erhielt, bestimmt, dass § 3 Nr. 3 bis Nr. 7 GrEStG i.d.F. des JStG 2010 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 13.12.2010 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.).9

1 Vgl. BT-Drucks. 17/15, S. 21; siehe auch Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 32; Heine in Wilms/Jochum, § 23 GrEStG Rz. 48. 2 Siehe BT-Drucks. 17/15, S. 1. 3 Hofmann11, § 23 GrEStG Rz. 18; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 75; a.A. Heine in Wilms/Jochum, § 23 GrEStG Rz. 50; Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 33; Pahlke in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rz. 621; Wischott/ Schönweiß, DStR 2009, 2638 (2646). 4 Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1767. 5 BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400 = BGBl. I 2010, 1295. 6 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001, BGBl. I 2001, 266. 7 BGBl. I 2008, 3018. 8 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 9 Vgl. dazu FG Schl.-Holst. v. 28.6.2011 – 3 K 217/08, EFG 2011, 1915; FG Münster v. 24.3.2011 – 8 K 2430/09 GrE, EFG 2011, 1449; s. auch Hofmann11, § 23 GrEStG Rz. 19, Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 34; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 78.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 32 § 23

X. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das OGAW-IV-UmsG (Abs. 10) § 6a GrEStG, der durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz1 eingefügt wurde (s. Rz. 25), ist durch 29 das OGAW-IV-UmsG2 dahingehend geändert worden, dass in § 6a Satz 4 GrEStG die Worte „oder Gesellschaftsvermögen“ so eingefügt worden sind, dass die Formulierung „an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen … beteiligt ist“ lautet. Die Änderung ist gem. § 23 Abs. 10 GrEStG auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht worden sind (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.), und stellt klar, dass auch Personengesellschaften abhängige Unternehmen sein können (s. § 6a Rz. 11).3

XI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das AmtshilfeRLUmsG (Abs. 11) Gemäß § 23 Abs. 11 GrEStG sind § 1 Abs. 3a und Abs. 6 Satz 1, § 4 Nr. 4 und Nr. 5, § 6a Satz 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 13 Nr. 7, § 16 Abs. 5, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a und Abs. 2 Nr. 5, § 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG i.d.F. von Art. 26 AmtshilfeRLUmsG4 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden. Die wesentlichste Änderung ist dabei die Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG, die weiteren Änderungen stellen notwendige Folgeänderungen dar.5

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Der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG ist verwirklicht, wenn der Erwerber unmittelbar oder 31 mittelbar oder teils unmittelbar und teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung erstmals i.H.v. mindestens 95 % an einer Gesellschaft erhält, die in ihrem Vermögen ein Grundstück hat. Maßgeblich ist folglich die (dingliche) Rechtsposition, „aus der sich das Innehaben der unmittelbaren und/oder mittelbaren wirtschaftlichen Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft ergibt“.6 Die Verwirklichung des Erwerbstatbestands tritt mit Vornahme des Verfügungsgeschäfts ein, durch das der Erwerber den Anteil an einer Kapitalgesellschaft erwirbt oder Gesellschafter einer Personengesellschaft wird bzw. als Gesellschafter einer Personengesellschaft einen höheren Anteil am Gesamthandsvermögen erwirbt.7 Die Verwirklichung des Tatbestands fällt hier mit der Steuerentstehung zusammen.8 Rein schuldrechtliche Vereinbarungen, d.h. schuldrechtliche Begründungen eines Anspruchs auf Anteilsübertragung etc., haben für die Ermittlung der 95 %-Grenze und damit für die Frage, wann der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht wurde, keine Bedeutung.9 Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen (Rz. 31) ist § 1 Abs. 3a GrEStG in denjenigen Fällen 32 anzuwenden, in denen nach dem 6.6.2013 Anteile an Kapitalgesellschaften und/oder Beteiligungen an Personengesellschaften erworben werden, sei es, dass 95 % der Anteile erworben werden, sei es, dass sich die 95 %ige Beteiligung durch Hinzuerwerbe ergibt, die nach dem 6.6.2013 erfolgen. Maßgeblich für die Verwirklichung des § 1 Abs. 3a GrEStG ist, dass alle Teilakte, die zum Innehaben der 95 %-Beteiligung führen, die nach dem 6.6.2013 vorgenommen werden.10 Führt erst der Hinzuerwerb einer Beteiligung zum Überschreiten der 95 %-Grenze und findet nur dieser letzte Teilakt nach 1 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz – OGAW-IV-UmsG) v. 22.6.2011, BGBl. I 2011, 1126. 3 Vgl. dazu FG Berlin-Bdb. v. 15.4.2013 – 4 V 4250/12, EFG 2013, 1257. 4 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 5 Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 80. 6 Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 81. 7 Behrens, DStR 2013, 1405; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 191, Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 37; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 82. 8 Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 37. 9 Behrens, DStR 2013, 1405 (1406); Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 82. 10 Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 83.

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§ 23 Rz. 32 Anwendungsbereich dem 6.6.2013 statt, kommt § 1 Abs. 3a GrEStG nicht zur Anwendung, da die Norm i.V.m. § 23 Abs. 11 GrEStG zwar ihrem Wortlaut nach erfüllt ist. Maßgeblich ist nicht die letzte, zur Vollständigkeit oder Wesentlichkeit führende Veränderung im Gesellschafterbestand, sondern die Summe aller Rechtsakte, die die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes bedeuten (s. Rz. 19).1 33

Bestehende Beteiligungen bleiben vom Inkrafttreten des § 1 Abs. 3a GrEStG unberührt, da das bloße Innehaben keinen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang darstellt.2.

XII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Abs. 12) 34

Gemäß § 23 Abs. 12 GrEStG sind § 6a Satz 1 bis 3 sowie § 16 Abs. 5 in der am 31.7.2014 geltenden Fassung auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden. Das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.20143 hat lediglich eine sprachliche Anpassung des § 6a GrEStG herbeigeführt, ohne den Inhalt zu ändern. Daher stellt § 23 Abs. 12 GrEStG – anknüpfend an § 23 Abs. 11 GrEStG (Rz. 30) – in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise klar, dass der zeitliche Anwendungsbereich des § 6a GrEStG, wie § 23 Abs. 11 GrEStG ihn regelt, durch das Gesetz vom 25.7.2014 nicht verändert wird, § 6a GrEStG mithin für die Erwerbsvorgänge gilt, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden. S. dazu Rz. 31 ff.

XIII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das StÄndG 2015 (Abs. 13 und Abs. 14) 35

Durch das StÄndG 20154 wurden § 23 Abs. 13 und Abs. 14 GrEStG eingefügt. Nach § 23 Abs. 13 GrEStG sind die Neuregelungen des § 1 Abs. 2a und § 21 GrEStG auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 5.11.2015 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.).

36

Art. 8 Nr. 2 des StÄndG 2015 hat die Verweise in § 8 Abs. 2 GrEStG geändert und damit dem Beschluss des BVerfG über die Unvereinbarkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG5 Rechnung getragen. Nach der Rechtsfolgenanordnung in dem Beschluss war das bisherige Recht ist bis zum 31.12.2008 weiter anwendbar, jedoch hatte das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen. Hierauf beruht die Regelung in § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG, der die Anwendung des § 8 Abs. 2 und des § 17 Abs. 3a GrEStG für alle Erwerbsvorgänge bestimmt, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden und werden. Nach § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. ist die Ersatzbemessungsgrundlage nunmehr der Grundbesitzwert i.S.v. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG.6

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§ 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG betrifft weniger den zeitlichen Anwendungsbereich als den Vertrauensschutz und die Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Grunderwerbsteuerbescheide und Feststellungsbescheide i.S.v. § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 GrEStG, die vor Erlass des StÄndG 2015 am 6.11.2015 für Erwerbsvorgänge nach dem 31.12.2008 ergangen sind. Soweit diese wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht zu Ungunsten der betreffenden Steuerpflichtigen geändert werden können, ist die in den 1 Vgl. zur vergleichbaren Problematik bei § 1 Abs. 2a GrEStG BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; siehe i.Ü. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 40; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 86. 2 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1364; Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 38; Viskorf in Boruttau19, § 23 GrEStG Rz. 84. 3 BGBl. I 2014, 1266. 4 Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 5 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285. 6 BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl II 2019, 555; vgl. auch Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg v. 16.12.2015, 33-S 0338/15#01#07, FMNR564650015.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 40 § 23

Grunderwerbsteuerbescheiden festgesetzte Steuer, auch soweit sie auf einem von § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG erfassten Feststellungsbescheid i.S.v. § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 GrEStG beruht, vollstreckbar. Nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zu Ungunsten des Stpfl. berücksichtigt werden, dass das BVerfG die Unvereinbarkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt hat, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruhte. Für den Fall, dass eine Änderung eines entsprechenden Grunderwerbsteuerbescheids, der auf der verfassungswidrigen Norm beruht, in Betracht kommt, stellt § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO klar, dass aus der verfassungsgerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes, auf dessen Grundlage eine Steuerfestsetzung vorgenommen wurde, keine für den Stpfl. nachteiligen Folgerungen gezogen werden dürfen. Insbesondere darf sich hieraus keine Änderung der bisherigen Steuerfestsetzung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ergeben.1 Dies berücksichtigt § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG. Zugleich stellt die Norm klar, dass die Grunderwerbsteuer, soweit sie zugunsten des Steuerpflichtigen zu niedrig festgesetzt wurde, nach Maßgabe der §§ 249 ff. AO vollstreckbar ist.

XIV. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (Abs. 15) Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens2 wurde § 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG eingefügt, der die Frist für die Erfüllung der Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 GrEStG auf einen Monat für Steuerschuldner ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland bzw. ohne Geschäftsleitung, Sitz oder Ort der Geschäftsführung im Inland. Nach § 23 Abs. 15 GrEStG gilt die neue Regelung für Erwerbsvorgänge, die nach dem 22.7.2016 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.).

38

XV. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Abs. 16) Durch Art. 14 Nr. 4 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften3 wurde § 23 Abs. 16 GrEStG eingefügt. § 23 Abs. 16 Satz 1 GrEStG bestimmt, dass § 1 Abs. 4 und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG in der neuen, am 15.12.2018 geltenden Fassung auf Erwerbsvorgänge anzuwenden sind, die nach dem 14.12.2018 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.). Die Änderungen der genannten Normen dienten der Rechtsbereinigung durch Streichung des Begriffs der bergrechtlichen Gewerkschaften, da diese nach § 163 BBergG spätestens zum 1.1.1994 aufgelöst wurden.4 Für Erwerbsvorgänge, welche vor dem 14.12.2018 verwirklicht wurden, gelten die genannten Normen in der bisherigen Fassung.

39

Demgegenüber bezieht sich § 23 Abs. 16 Satz 2 GrEStG auf die Neufassung des § 20 GrEStG (Art. 14 40 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften). Darin wird der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der neugefassten Norm dem BMF als Verordnungsgeber überlassen, das diesen Zeitpunkt durch die Rechtsverordnung im Sinne des § 22a Satz 1 GrEStG (s. dazu § 22a Rz. 5) bestimmt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der geänderte § 20 GrEStG erst zu dem Zeitpunkt angewendet wird, zu dem das Verfahren zur elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen der Notare

1 Vgl. zum Vorstehenden z.B. Bartone in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 1569. 2 Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1679. 3 Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 4 BT-Drucks. 19/4455, S. 64.

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§ 23 Rz. 40 Anwendungsbereich eingeführt wird.1 Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass bis zur Einführung eines entsprechenden elektronischen Verfahrens auf den Papierformularen zusätzliche Daten übermittelt werden müssen.2

XVI. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das JStG 2020 (Abs. 17) 41

Durch das JStG 20203 wurde § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG (Art. 32 Nr. 1 JStG 2020) geändert, § 19 GrEStG wurde um einen Abs. 6 erweitert (Art. 32 Nr. 2 JStG 2020). Damit einher ging die Einfügung des § 23 Abs. 17 GrEStG (Art. 32 Nr. 3 JStG 2020), wonach die genannten Änderungen erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden sind, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht werden (zum Begriff der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs s. Rz. 8 ff.).

XVII. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelungen durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (Abs. 18 bis Abs. 24) 1. Grundsatz 42

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes4 wurden zahlreiche Änderungen vorgenommen. Gleichzeitig wurde § 23 Abs. 18 bis Abs. 24 GrEStG eingefügt (Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes). Die Änderungen gelten grundsätzlich – mit Ausnahme der sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG – ab dem 1.7.2021 (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes). Die Änderungen bezwecken in erster Linie „die Bekämpfung von missbräuchliche Gestaltungen“ im Bereich des Grunderwerbsteuerrechts durch so genannte Share Deals.5 Am 19.8.2021 wurden die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder mit Datum 29.6.2021 zu den Übergangsregelungen in § 23 Abs. 18 ff. GrEStG veröffentlicht. 2. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Neuregelungen auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (Abs. 18)

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Anwendbar ist die Neuregelung in § 1 Abs. 2b GrEStG und sind die Änderungen in § 1 Abs. 2a Satz 1 und 4, Abs. 3 und Abs. 3a Satz 1, § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 6a Satz 1, § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 und Satz 2, § 13 Nr. 5 bis 8, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis 9 und Abs. 6 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung erstmals auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Maßgebend ist mithin nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gemäß den allgemeinen Regelungen in § 38 AO oder § 14 GrEStG, sondern bei den an das Verpflichtungsgeschäft bzw. die Begründung von Übertragungsansprüchen anknüpfenden Tatbeständen der Zeitpunkt, ab dem die Parteien im Verhältnis zueinander gebunden sind, d.h. die eine Partei sich nicht gegen den Willen der anderen Partei vom Rechtsgeschäft lösen kann. Erwerbsvorgänge i.S.v. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sind in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auf neue Gesellschafter dinglich übergegangen sind. In Fällen sukzessiver Anteilserwerbe ist der Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG mithin in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem der Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft dinglich wirksam auf einen neuen Gesellschafter übergeht, durch den ggf. unter Einbeziehung der vorangegangenen Anteilsübergänge die 90 %-Grenze erreicht bzw. überschritten wird.6

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 19/4455, S. 65. BT-Drucks. 19/4455, S. 65. Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. S. BT-Drucks. 19/13437, S. 1 f. Vgl. gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Tz. 1.

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Bartone und Behrens

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 45 § 23

3. Anwendbarkeit der Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG auf alle noch offenen Fälle Die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG hat nicht nur für § 1 Abs. 2b, sondern auch für § 1 44 Abs. 2a GrEStG Bedeutung, und zwar in den Fällen, in denen die börsennotierte AG oder KGaA unmittelbar und/oder mittelbar an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist. Es fehlt an einer Regelung, wonach über qualifizierende Börsen bzw. dort notierte und über qualifizierende multilaterale Handelssysteme abgewickelten Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter nur dann nicht tatbestandmäßig sind, wenn diese Anteilsübergänge nach dem 30.6.2021 erfolgt sind. Trotz Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des GrEStG vom 12.5.2021, wonach dieses Änderungsgesetz am 1.7.2021 in Kraft trat, ist die sog. Börsenklausel in Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG deshalb zugunsten der potentiell Steuerpflichtigen rückwirkend anwendbar1, soweit ein offener Fall vorliegt. Offen sind z.B. diejenigen Fälle, die noch nicht veranlagt sind oder die noch unter wirksamem Vorbehalt der Nachprüfung i.S.v. § 164 AO stehen. Dies gilt aber nur in Fällen, in denen die rückwirkende Anwendung von § 1 Abs. 2c GrEStG die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen verhindert bzw. mindert. In Fällen, in denen sich die rückwirkende Anwendung von § 1 Abs. 2c GrEStG zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt, kommt die rückwirkende Anwendung wegen des Gebots zur Wahrung von Vertrauensschutz (d.h. wegen des Rückwirkungsverbots) nicht in Betracht. Nachteilig würde sich eine rückwirkende Anwendung von § 1 Abs. 2c GrEStG dann auswirken, wenn es für die grundbesitzende Personengesellschaft im Einzelfall günstiger ist, dass am 30.6./1.7.2021 die 90 %-Schwelle i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG n.F. auf Ebene der beteiligten börsennotierten Kapitalgesellschaft schon erreicht ist. Dadurch würde die Anwendung der spätestens Mitte 2026 auslaufenden Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG sichergestellt und die Aktienübergänge auf neue Gesellschafter, die zur vor dem 1.7.2021 eingetretenen Erreichung bzw. Überschreitung der 90 %-Grenze beigetragen haben, für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mitzählen. In diesen Fällen scheidet eine rückwirkende Anwendung der sog. Börsenklausel wegen des Rückwirkungsverbots aus. Dass dieser Fall praktisch relevant werden wird, ist mangels Nachverfolgbarkeit über die Börse abgewickelter Anteilsübergänge eher unwahrscheinlich. Soweit sich die Rückwirkung von § 1 Abs. 2c GrEStG im Einzelfall zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken würde, ist § 1 Abs. 2c GrEStG erst ab 1.7.2021 anzuwenden. 4. Zeitlicher Anwendungsbereich der Neuregelung von § 1 Abs. 2a (Abs. 19) Die Neufassung der Sätze 1 und 4 von § 1 Abs. 2a GrEStG ist gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG erstmals 45 auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Ein Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 2a Sätze 1 und 4 GrEStG ist in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft (ggf. durch oder unter Berücksichtigung des Übergangs von mindestens 90 % der Anteile an einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter) auf in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft (bzw. im Falle von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in Bezug auf die beteiligte Kapitalgesellschaft) neue Gesellschafter übergehen bzw. in dem Zeitpunkt, in dem der letzte (unmittelbare oder mittelbare) Anteilsübergang wirksam wird, der zur Erreichung bzw. Überschreitung der 90 %-Grenze bezogen auf die Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft führt. Die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist bei § 1 Abs. 2a GrEStG die Erfüllung des Tatbestands, die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst, d.h. das Erreichen des tatsächlichen oder fingierten Übergangs von mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter. Der mindestens 90 %ige Anteilsübergang auf neue Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft stellt nur dann die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S.v. § 23 Abs. 18 GrEStG dar, wenn die Kapitalgesellschaft mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft hält oder zuvor oder gleichzeitig schädliche Anteilsübergänge bei anderen Gesellschaftern der grundbesitzenden Personengesellschaft bzw. in anderen Beteiligungssträngen innerhalb desselben Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgt sind bzw. erfolgen, so dass zusammengefasst mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

1 So auch gleichlautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, Tz. 1.

Behrens

979

§ 23 Rz. 46 Anwendungsbereich 5. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zu § 1 Abs. 2a n.F. 46

§ 1 Abs. 2a GrEStG bestand auch schon vor dem 1.7.2021, allerdings mit 95 %iger Schwelle und fünfjährigem Beobachtungszeitraum. Die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG ist anwendbar, wenn die 90 %-Schwelle nach dem 30.6.2021 erreicht oder überschritten wird. Für § 1 Abs. 2a GrEStG in der neuen Fassung sind auch Rechtsvorgänge der Vergangenheit relevant.

47

In den Gesetzgebungsmaterialien wird zu § 23 Abs. 18 GrEStG ausgeführt, die allgemeine Übergangsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG hinsichtlich des § 1 Abs. 2a GrEStG bewirke, dass sowohl die Absenkung der Beteiligungsgrenze als auch die Verlängerung der Frist für künftige – d.h. nach dem 30.6.2021 wirksam werdende – Änderungen im Gesellschafterbestand maßgeblich seien. Die Absenkung der Beteiligungsgrenze und die Verlängerung der Frist hätten jedoch grundsätzlich auch Bedeutung für Rechtsvorgänge der Vergangenheit1. Ohne die Regelung in § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG müsste in Bezug auf bereits erfolgte Anteilsübergänge bis maximal zum 1.7.2011 zurückgeschaut werden.

48

Vor diesem Hintergrund schränkt § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG die Rückanknüpfung an vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge aus Gründen des Vertrauensschutzes ein, indem dort geregelt wird, dass bei der Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt bleiben, die mit Ablauf des 30.6.2021 keine neuen Gesellschafter im Sinne der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG mehr sind. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Übergänge von Anteilen auf Gesellschafter, die am 1.7.2021 0:00 Uhr noch neue Gesellschafter sind, berücksichtigt werden müssen, d.h. mit nach dem 30.6.2021 (und innerhalb von zehn Jahre ab dem ältesten vor dem 1.7.2021 erfolgten Anteilsübergang) erfolgenden Anteilsübergängen zusammenzurechnen sind.

49

Die gleichlautenden Ländererlasse vom 29.6.2021 veranschaulichen dies in den Beispielen 1 und 2, die beide § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG betreffen. Im Beispiel 1 überträgt der ursprünglich zu 90 % an der grundbesitzenden KG beteiligte A am 1.8.2011 89,9 % der Anteile an dieser KG auf den bisher nicht beteiligten C. Am 1.7.2021 überträgt A den restlichen 0,1 %-Anteil auf den bisher nicht beteiligten D.

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 1 (zu § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG): 01.07.2021:

01.08.2011: A

B

A

89,9 %

0,1 %

B

C

89,9 % 90 %

10 %

KG

0,1 %

KG

C wurde mit Ablauf des 31.07.2016 Altgesellschafter.

980

Behrens

D

B

C 89,9 %

10 %

1 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 vom 23.9.2019, S. 15 f.

A

0,1 %

10 %

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. (weil C gemäß § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG auch nach neuem Recht Altgesellschafter bleibt)

Rz. 51 § 23

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Vorbehaltlich § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG sind innerhalb von zehn Jahren 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden KG auf neue Gesellschafter übergegangen, und zwar am 1.8.2011 89,9 % auf C und 0,1 % am 1.7.2021 auf D. Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG bleibt jedoch der Übergang des 89,9 %igen Anteils auf C für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG in der neuen Fassung unberücksichtigt, weil C mit Ablauf des 31.7.2016 und damit vor dem 1.7.2021 Altgesellschafter geworden ist. Der am 1.8.2011 erfolgte Anteilsübergang auf C wird daher bei der Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht berücksichtigt. Im Beispiel 2 überträgt A 89,9 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden KG am 1.8.2016 auf den bisher nicht beteiligten C. Seinen restlichen 0,1 %-Anteil an der KG überträgt A am 1.8.2021 auf D.

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 2 (zu § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG): 01.08.2021:

01.08.2016: A

B

A

89,9 %

0,1 %

B

C

89,9 % 90 %

10 %

KG

0,1 %

D

B

C 89,9 %

10 %

KG

A

0,1 %

10 %

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. + „C war mit Ablauf des 30.06.2021 kein Altgesellschafter, da der Fünfjahreszeitraum zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.“

Weil der am 1.8.2016 in Gang gesetzte Fünf-Jahres-Zeitraum am 1.7.2021 0 Uhr noch nicht abgelaufen ist, ist C wegen der Verlängerung des Zeitraums von fünf auf zehn Jahren auch am 1.8.2021 (und zwar bis zum 31.7.2026) noch neuer Gesellschafter. § 1 Abs. 2a in der Neufassung ist erfüllt. Die Rechtsfolge von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG beschränkt sich dem Wortlaut nach auf das Unberücksichtigt-Bleiben von „Übergängen von Anteilen am Gesellschaftsvermögen“ für Zwecke der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG. Bei diesen Übergängen von Anteilen am Gesellschaftsvermögen kann es sich insbesondere um solche handeln, die nach dem 30.6.2021 erfolgen, denn auch insoweit handelt es sich um einen Anteilsübergang auf einen Altgesellschafter.

50

Unerheblich ist, ob der Gesellschafter nach der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 1.7.2016 51 einen Anteil am Gesellschaftsvermögen der KG unmittelbar erworben hatte oder ob im Falle einer beteiligten Kapitalgesellschaft aufgrund mindestens 95 %igen Gesellschafterwechsels in ihrem Gesellschafterkreis diese beteiligte Kapitalgesellschaft vor dem 1.7.2016 als neue Gesellschafterin und damit der von ihr gehaltene Anteil am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen galt. § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG gilt auch für mittelbare Anteilsübergänge, und zwar insoweit, als mittelbare Anteilsübergänge bei zwischengeschalteten

Behrens

981

§ 23 Rz. 51 Anwendungsbereich Kapitalgesellschaften vor dem 1.7.2016 zur Neugesellschafter-Fiktion i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 4 bzw. nach den Grundsätzen des BFH-Urteils II R 17/10 vom 24.4.20131 geführt hatten. 52

Die Gesellschafter, die mit ihren vor dem 1.7.2021 erfolgten Anteilserwerben dazu beigetragen haben, dass die 90 %-Schwelle, nicht aber die 95 %-Schwelle, vor dem 1.7.2021 erreicht oder überschritten war, sind für die Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG als sog. Altgesellschafter zu behandeln. Nach dem 30.6.2016 und vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter werden bei Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG mitgezählt. Dies führt dazu, dass diese neuen Gesellschafter im Falle des Erreichens der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 zu sog. Altgesellschaftern werden2. Für die Zwecke der bis maximal 30.6.2026 anwendbar bleibenden Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG bleiben sie hingegen sog. neue Gesellschafter, weil das Erreichen der 90 %-Schwelle nur nach der Neufassung, wäre sie schon vor dem 1.7.2021 gültig gewesen, Steuer ausgelöst hätte, jedoch nach der Altfassung keine Steuer ausgelöst hat.

53

Im Gegensatz zu § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG ordnet Satz 2 von § 23 Abs. 19 GrEStG an, dass bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. für die Ermittlung, inwieweit sich der Gesellschafterbestand geändert hat, § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG n.F. auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden ist. Diese Anwendungsregel soll nach der Gesetzesbegründung klarstellen, dass für Änderungen im Gesellschafterbestand der (un)mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft rückwirkend die abgesenkte Beteiligungsgrenze von 90 % gilt. Es solle sichergestellt werden, dass der Gesellschafterwechsel auf Ebene der Kapitalgesellschaft nach der abgesenkten Beteiligungsgrenze des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung zu beurteilen sei. Dadurch könne es zur Rechtsfolge kommen, dass eine (un)mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft rückwirkend betrachtet als neue Gesellschafterin einzustufen sei (Fiktion) und damit die von ihr gehaltene Beteiligung bei der Ermittlung der auf neue Gesellschafter übergegangenen Anteile mitzähle. Diese Rechtsfolge sei unbedenklich, da es stets einer Vermögensdisposition nach Ablauf des 30.6.2021 bedürfe, um den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung zu verwirklichen3.

53.1

Dass die rückwirkende Umklassifizierung beteiligter Kapitalgesellschaften von Alt- in Neugesellschafterinnen zum 1.7.2021 0 Uhr unbedenklich sei, beruht m.E. auf der in sehr vielen Fällen nicht zutreffenden Annahme, dass jeder Beteiligte von sämtlichen in allen Beteiligungssträngen erfolgten Anteilsübergängen Kenntnis hat und daher bei der nach Ablauf des 30.6.2021 erfolgenden Vermögensdisposition genau weiß, welche grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsfolge seine Vermögensdisposition auslöst. Bei grundbesitzenden Personengesellschaften mit weitverzweigten Beteiligungsketten und Gesellschafterstrukturen erscheint diese Annahme nicht richtig. Ein Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft hat grundsätzlich keine Auskunftsansprüche gegen die (mittelbaren) Gesellschafter seiner Mitgesellschafter, die selbst Gesellschaften sind. Das zeitliche Vorziehen der Absenkung der bisherigen 95 %-Schwelle auf 90 % in § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG für die Zwecke der Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass es für die Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. stets einer Vermögensdisposition nach Ablauf des 30.6.2021 bedarf.

54

In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.20214 wird § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht: Am Vermögen der grundbesitzenden KG ist X mit 90 % und die Komplementär-GmbH mit 10 % beteiligt. Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind zu 90 % X und zu 10 % Y. am 2.5.2019 über-

1 Vgl. BStBl. II 2013, 833. 2 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (3386 f.). Der Hinweis darauf, dass Gesellschafter einer beteiligten Kapitalgesellschaft, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 1 Abs. 2a Sätze 2 bis 5 GrEStG a.F. am 6.11.2015 zu mindestens 95 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren, nach den gleichlautenden Erlassen vom 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 15, durch diese Gesetzesänderung zu sog. Altgesellschaftern in Bezug auf die Kapitalgesellschaft wurden, ist dahin zu ergänzen, dass es darauf, dass der betreffende Gesellschafter allein 95 % der Anteile bei sich vereinigt, nicht ankam; vgl. Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105. 3 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 16. 4 Vgl. BStBl. I 2021, 1006.

982

Behrens

Rz. 54 § 23

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

trägt X seinen 90 %igen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf A. Im August 2021 überträgt X eine 80 %ige Kommanditbeteiligung an der grundbesitzenden KG auf B.

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 3 (zu § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG): August 2021:

02.05.2019: X

Y 90 %

X

90 %

Kompl.-GmbH 10 %

KG

Y

90 %

10 %

90 %

A

X

80 %

A 90 %

10 % 80 %

Kompl.-GmbH 90 %

B

10 %

KG

Die Kompl.-GmbH gilt ab 01.07.2021 gemäß § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG n.F. als Neugesellschafterin der KG, vgl. § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG.

10 %

Y 10 %

Kompl.-GmbH 10 %

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. +

Gemäß § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG n.F. gilt die Komplementär-GmbH zum 1.7.2021 0 Uhr gem. § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG als Neugesellschafterin der KG. Die von ihr gehaltene 10 %ige KomplementärBeteiligung an der KG gilt als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Dadurch, dass X eine 80 %ige Kommanditbeteiligung im August 2021 auf den bisher nicht beteiligten B überträgt, wird § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung verwirklicht. Denn für die Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gilt in Bezug auf den Gesellschafterwechsel auf Ebene der Komplementär-GmbH bereits die 90 %-Schwelle, obwohl die Übertragung des 90 %igen Geschäftsanteils an der KomplementärGmbH von X auf A bereits am 2.5.2019 stattfand. Ohne den Übergang der 80 %igen Kommanditbeteiligung von X auf B im August 2021 würde die Komplementär-GmbH bis zum Ablauf des 1.5.2029 als Neugesellschafterin der KG gelten. Hier die Komplementär-GmbH mit Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. im August 2021 zur Altgesellschafterin. In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 wird in den Lösungshinweisen zu diesem Beispiel darauf hingewiesen, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum bis zum 30.6.2021 noch nicht abgelaufen sei, so dass die GmbH noch nicht Alt-Gesellschafterin ist. Es wird hierzu auf § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG verwiesen. Dies bedeutet, dass die Finanzverwaltung das zeitliche Vorziehen der Absenkung der 95 %-Schwelle auf 90 % auf die fünf Jahre vor dem 1.7.2021 beschränkt. Dass der 90 %ige Gesellschafterwechsel auf Ebene der Komplementär-GmbH genügt, um die Komplementär-GmbH für die Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG als Neugesellschafterin anzusehen, betrifft nach Verwaltungsansicht mithin nur die Fälle, in denen die 90 %-Schwelle auf Ebene der Gesellschafter der Komplementär-GmbH nach dem 30.6.2016 erreicht bzw. überschritten worden ist. Auf Grundlage der in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.20181 vertretenen sog. Ewigkeitsklausel in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG bezieht die Finanzverwaltung im Falle sukzessiver Übergänge von Anteilen an der Komplementär-GmbH jedoch auch solche Anteilsübergänge ein, die vor mehr als fünf Jahren vor dem 1.7.2016 erfolgt waren. Im Beispiel 4 der gleichlautenden Ländererlasse vom 29.6.2021 verdeutlicht die Finanzverwaltung, dass das zeitliche Vorziehen der Absenkung der 95 %-Schwelle auf 90 % nicht nur dazu führt, dass der mindestens 90 %ige Gesellschafterwechsel bei den Gesellschaftern der Komplementär GmbH den fiktiven Übergang der von der Komplementär-GmbH im Zeitpunkt des Erreichens der 90 %-Schwelle auf Ebene der Komplementär-GmbH als auf eine neue Gesellschafterin 1 Vgl. BStBl. I 2018, 1314. Diese Ewigkeitsbetrachtung ist rechtswidrig, vgl. Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105.

Behrens

983

§ 23 Rz. 54 Anwendungsbereich übergegangen gilt, sondern dass auch zeitlich nachfolgende Hinzuerwerbe von Kommanditbeteiligungen an der grundbesitzenden KG als Anteilübergänge auf neue Gesellschafter gelten. An der grundbesitzenden KG sind X mit 90 % und die Komplementär-GmbH mit 10 % beteiligt. Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind X zu 90 % und Y zu 10 %. In 2019 überträgt X seinen 90 %igen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf den bisher nicht beteiligten A. Im August 2021 überträgt X eine jeweils 45 %ige Kommanditbeteiligung an der KG auf den bisher nicht an der KG beteiligten B und auf die Komplementär-GmbH.

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 4 (zu § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG): August 2021:

2019: X

Y 90 %

X

90 %

Kompl.-GmbH 10 %

KG

Y

90 %

10 %

90 %

A

10 %

Kompl.-GmbH 90 %

10 %

KG

Die Komp.-GmbH „gilt – rückwirkend betrachtet – nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin der KG“. „Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist zum 30.06.2021 noch nicht abgelaufen, so dass die GmbH noch nicht Altgesellschafterin ist (§ 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG)“.

A

X

Y

45 %

45 %

90 %

B

10 %

Kompl.-GmbH

45 %

KG

10 % + 45 % = 55 %

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. +

Im August 2021 wird mit dem Übergang der beiden 45 %igen Kommanditbeteiligungen an der KG auf B und auf die Komplementär-GmbH der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung verwirklicht. Im Beispiel 4 gelten 100 % der Anteile an der KG aus auf neue Gesellschafter übergegangen. Dasselbe Ergebnis wäre eingetreten, wenn X den 45 %igen KG-Anteil nicht erst im August 2021, sondern z.B. bereits im Jahr 2020 auf die Komplementär-GmbH übertragen hätte. Denn die Komplementär-GmbH gilt ab dem Übergang des 90 %igen Geschäftsanteils an ihr von X auf A als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden KG. 55

Keine Bedeutung hat § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG in den Fällen, in denen durch Anteilsübergänge, die nach dem 30.6.2021 erfolgen, der Tatbestand der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht durch das Mitzählen von vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge verwirklicht werden kann, weil vor dem 1.7.2021 bereits mindestens 90 %, aber weniger als 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft – tatsächlich oder in Anwendung von § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG alte oder neue Fassung – auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Unter Anknüpfung an vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge kann in diesem Fall nur noch die subsidiär fortgeltende Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht werden, für die die Absenkung auf 90 % nicht gilt. Dies soll anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden: An der grundbesitzenden G-KG sind die A-GmbH zu 90 % und B zu 10 % beteiligt. A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Im Jahr 2020 übertrug A einen 90 %igen Geschäftsanteil an der A-GmbH auf N 1. Am 1.7.2021 überträgt B einen 4 %igen, in der Abwandlung einen 6 %igen Anteil am Gesellschaftsvermögen der G-KG auf N 2.

984

Behrens

Rz. 56 § 23

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Ausgangsstruktur:

2020: A

A

N1

10 %

100 %

A-GmbH

B

90 %

10 %

01.07.2021: A

90 %

N1

10 %

A-GmbH

B

90 %

10 %

90 %

A-GmbH 90 %

B

N2

6 % (4 %) 4 % (6 %)

G-KG

G-KG

A überträgt 90 % der Anteile an AGmbH auf N1

G-KG

B überträgt 4 %, in der Abwandlung 6 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der G-KG auf N 2.

Im Falle der Anwendung von § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG wäre im Jahr 2020 der 90 %ige Anteil am Gesellschaftsvermögen der G-KG fiktiv von der A-GmbH auf eine fiktive neue A-GmbH übergegangen. Denn § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG verlangt, dass die Neufassung der Sätze 3 bis 5 von § 1 Abs. 2a GrEStG auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge angewandt wird. Jedoch gilt § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG nur für Zwecke der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Neufassung. Die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG kann durch die Berücksichtigung des in 2020 erfolgten Anteilsübergangs nach dem 30.6.2021 nicht mehr erfüllt, weil die 90 %-Grenze bereits durch den Übergang des 90 %igen Geschäftsanteils an der A-GmbH von A auf N 1 im Jahr 2020 und den dadurch fingierten Übergang des 90 %igen Anteils der A-GmbH an der G-KG auf eine fiktiv neue Gesellschafterin erreicht war. Der Übergang des 4 %igen Anteils am Gesellschafsvermögen der G-KG von B auf N 2 ist löst mithin keine Grunderwerbsteuer nach der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG aus, setzt jedoch den Anlauf eines Zeitjahreszeitraums in Gang, so dass § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung verwirklicht wird, wenn innerhalb der folgenden zehn Jahre weitere 86 % oder mehr der Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Würde B am 1.7.2021 nur 4 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der G-KG auf N 2 übertragen, würde keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a ausgelöst. Die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG wäre schon deshalb nicht erfüllt, weil nicht mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der G-KG innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Im Falle des Übergangs eines 6 %igen Anteils am Gesellschaftsvermögen der G-KG von B auf N 2 am 1.7.2021 wird auch § 1 Abs. 2a GrEStG in der Altfassung nicht erfüllt, weil es nach der Altfassung von § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG erforderlich gewesen wäre, dass mindestens 95 % der Geschäftsanteile an der A-GmbH auf (in Bezug auf die A-GmbH) neue Gesellschafter übertragen worden sind. Denn für die Zwecke der Altfassung von § 1 Abs. 2a sind die Sätze 3 bis 5 GrEStG a.F. anzuwenden. Gemäß § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG ist bei der Anwendung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG für die Ermittlung, inwieweit sich der Gesellschafterbestand geändert hat, § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG n.F. auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden. Im Grundsatz haben danach an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterkreis vor dem 1.7.2021 zu mindestens 90 % ausgetauscht wurde, als neue Gesellschafterinnen zu gelten1. Eine Ausnahme gilt jedoch in dem Fall, dass die Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafterkreis vor dem 1.7.2021 zu mindestens 90 % wechselte, ihrerseits zu mindestens 90 % am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt war. Denn in diesem Fall hätte der Übergang von mindestens 90 % der Anteile an der beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschaf1 Nach den gleichlautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006, gilt dies jedoch nur dann, wenn der 90 %ige Gesellschafterwechsel auf Ebene der beteiligten Kapitalgesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem 1.7.2021 erreicht wurde (d.h. der letzte Anteilsübergang, der zum Erreichen der 90 %-Grenze geführt hat, muss innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem 1.7.2021 erfolgt sein). Ob dies ein Abrücken von der sog. Einigkeitsbetrachtung darstellt, ist unklar.

Behrens

985

56

§ 23 Rz. 56 Anwendungsbereich ter zur Verwirklichung der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG geführt, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 1.7.2021 schon in Kraft gewesen wäre1. 6. Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG (Abs. 20) 57

Gemäß § 23 Abs. 20 GrEStG sind § 1 Abs. 2a und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG a.F. auf Änderungen des Gesellschafterbestands bis zum 30.6.2026 weiter anzuwenden2. Gemäß § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG gilt dies nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist3 oder ein voraus gegangener Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbar war4. Mit Änderungen des Gesellschafterbestandes sind m.E. ausschließlich Anteilsübergänge auf sog. neue Gesellschafter gemeint. Der Begriff des Rechtsvorgangs meint m.E. ausschließlich Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG die Weitergeltung des bisherigen Rechts für die Fälle anordne, die das neue Recht nicht erfasst. Die Fortgeltung des bisherigen Rechts dürfe aber nur subsidiär zur Anwendung kommen. Deshalb schränke § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG die Weitergeltungsanordnung für die dort geregelten Fälle ein. Ändere sich der Gesellschafterbestand innerhalb von fünf Jahren um mindestens 90 %, aber weniger als 95 %, löse dieser Vorgang – nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage – keinen Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus. Komme es nach dem 30.6.2021 zu einem weiteren Übergang von Anteilen an der Personengesellschaft, wäre dieser Vorgang nicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar. Denn die Steuer auslösende Grenze von 90 % (neue Rechtslage) sei bereits vor diesem Rechtsvorgang erreicht gewesen, so dass sie durch die Aufstockung „denklogisch“ nicht mehr überschritten werden könne. Demgegenüber wäre ein weiterer Übergang von Anteilen am Gesellschaftsvermögen nach der Neufassung steuerbar, wenn nach bisherigem Recht weniger als 90 % (z.B. 89,9 %) der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG in der Altfassung übergegangen wären und innerhalb des zehnjährigen Zeitraums eine Bestandsveränderung von mindestens 90 % eintreten würde. Die mit dem Ziel der Missbrauchsverhinderung umgesetzte Gesetzesänderung erfasse diejenige Fallkonstellation nicht, die nach bisheriger Rechtslage (noch) kein Erwerbstatbestand ausgelöst haben, weil zwar die 90 %-Grenze erreicht, die 95 %-Grenze aber noch nicht erreicht gewesen sei. Unter Gleichheitsgesichtspunkten müssten auch diejenigen Fälle erfasst werden, bei denen durch eine Anteilsänderung auch nach bisheriger Rechtslage ein Erwerbstatbestand ausgelöst worden wäre. Dieses Ziel werde erreicht, wenn die bisherige Rechtslage (95 %-Grenze, Betrachtungszeitraum von fünf Jahren) – wie in der Übergangsregel des § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG vorgesehen – für diejenigen Fälle weiter anzuwenden sei, bei denen es trotz der Veränderung im Gesellschafterbestand, ursächlich durch die gesetzliche Absenkung der Beteiligungsgrenze, nicht mehr zu einer Besteuerung kommen würde. Nach fünf Jahren, d.h. spätestens mit Ablauf des 30.6.2026, könne diese Übergangsregelung entfallen, denn dann erfasse der sachliche Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG in der ab 1.7.2021 gültigen Fassung alle Fälle.

58

In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 wird § 23 Abs. 20 GrEStG im Beispiel 5 wie folgt erläutert: An der grundbesitzenden KG sind zunächst X zu 94,9 % und Y zu 5,1 % beteiligt. Am 1.1.2020 überträgt X seine 94,9 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten C. Am 31.12.2021 überträgt Y seine 5,1 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten D.

1 Zum „Verbrauch“ des Übergangs von mindestens 90 %, jedoch weniger als 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft vor dem 1.7.2021, vgl. § 1 Rz. 388.1. 2 Die Weitergeltung der Altfassung bis zum 30.6.2026 kann nur in dem Fall relevant werden, dass bis zum 30.6.2021 Anteile in Höhe von insgesamt mindestens 90 %, aber weniger als 95 % auf einen neuen oder mehrere neue Gesellschafter übergegangen sind, am 30.6.2021 mithin ein zuvor begonnener Fünf-Jahres-Zeitraum im Sinne der Altfassung noch nicht ablief. 3 Dies betrifft insbesondere den Fall, dass die 90 %-Grenze erst nach dem 30.6.2021 erreicht wird. 4 Dies betrifft den Fall, dass § 1 Abs. 2a in der Neufassung durch einen vorherigen nach dem 1.7.2021 erfolgten Anteilsübergang verwirklicht worden ist.

986

Behrens

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 59 § 23

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 5 (zu § 23 Abs. 20 GrEStG): 01.01.2020: X

Y

X

94,9 %

C

31.12.2021: Y

C

Y

5,1 %

D

94,9 % 94,9 %

5,1 %

5,1 %

KG

KG

94,9 %

5,1 %

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. +

Weil die Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG am 1.1.2020 noch nicht in Kraft getreten war, löste der Übergang der 94,9 %igen Beteiligung von X auf C keine Steuer aus. Zusammen mit dem Übergang der 5,1 %igen Beteiligung von Y auf D am 31.12.2021 führt der Übergang der 94,9 %igen Beteiligung von X auf C am 1.1.2020 jedoch dazu, dass innerhalb von fünf Jahren 95 % (hier: 100 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Weil die Alt-Fassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG bis spätestens zum 30.6.2026 weiter anwendbar bleibt, wird am 31.12.2021 Steuer nach § 1 Abs. 2a a.F. ausgelöst (im Beispiel 5 für fünf Jahre ab dem am 1.1.2020 erfolgten Anteilsübergang auf den bisher nicht beteiligten C). Keine Steuer würde ausgelöst, wenn Y seine 5,1 %ige Beteiligung an der KG erst am 2.1.2025 (oder danach) auf D übertrüge. Denn dann läge zwischen den beiden Anteilsübergängen ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren, so dass die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht würde. Dass die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG grundsätzlich bis zum 30.6.2026 anwendbar bleibt, ändert nichts daran, dass im Einzelfall die Anteilsübergänge innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erfolgen müssen. Für den Übergangszeitraum von fünf Jahren regele § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG das Rangverhältnis 59 zwischen der Alt- und der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG1. § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG ordne – so die Gesetzesmaterialien in BT-Drucks. 19/13437 vom 23.9.2019, Seite 16 f. – den zeitlichen Anwendungsvorrang der neuen Rechtslage vor der bisherigen Rechtslage an. Die damit in § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG geregelte zeitliche Subsidiarität habe Vorrang vor der in § 1 Abs. 3 Einleitungssatz und § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG geregelten sachlichen Subsidiarität. Die Fortgeltung des bisherigen Rechts ist nach § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 1 GrEStG dann ausgeschlossen, wenn der nämliche Rechtsvorgang einen Erwerbstatbestand (§ 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG) in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung auslösen würde. Die gleichlautenden Ländererlasse vom 29.6.2021 veranschaulichen das in Beispiel 6 wie folgt: An der grundbesitzenden KG sind X zu 94,9 % und Y zu 5,1 % beteiligt. Am 1.1.2020 überträgt X eine 89,9 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten C. Am 31.12.2021 überträgt Y seine 5,1 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten D.

1 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019, S. 16 f.

Behrens

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§ 23 Rz. 59 Anwendungsbereich

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 6 (zu § 23 Abs. 20 GrEStG): 01.01.2020: X

Y

X

89,9 %

C

31.12.2021: Y

X

C

Y

5,1 %

D

89,9 % 94,9 %

5,1 %

89,9 %

5,1 %

5%

5,1 %

5%

KG

KG

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. + § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. tritt hinter der Neufassung von § 1 Abs. 2a zurück, vgl. § 23 Abs. 20 Satz 2 Var. 1 GrEStG.

Am 31.12.2021 wird § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. verwirklicht. Der Übergang der 89,9 %igen Beteiligung auf X auf C, der am 1.1.2020 erfolgte, zählt mit, weil C mit Ablauf des 30.6.2021 kein Alt-Gesellschafter geworden ist. Zwar wird durch den Übergang der 5,1 %igen Beteiligung von Yauf D am 31.12.2021 auch die 95 %-Schwelle von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. erreicht. Gemäß § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 1 GrEStG hat die Besteuerung nach der Neufassung von § 1 Abs. 2a GrEStG Vorrang, weil die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht über den 30.06.2021 hinaus fort gilt, „wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Absatz 1, 2, 2a, 3 oder Absatz 3a in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist“. Werden durch denselben Rechtsvorgang die Tatbestandsmerkmale beider Fassungen erfüllt, tritt § 1 Abs. 2a GrEStG in der Altfassung hinter der Neufassung zurück. Materielle Bedeutung hat dies nicht. Alle am 31.12.2021 nach Wirksamwerden des Übergangs der 5,1 %igen Beteiligung von Y auf D an der KG Beteiligte gelten ab der Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG für Zwecke beider Fassungen von § 1 Abs. 2a GrEStG als Alt-Gesellschafter. Die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG ist sowieso ab 31.12.2021 nicht mehr anwendbar. Gemäß § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 2 GrEStG gilt die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht fort, wenn ein vorausgegangener Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbar war. In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 wird dies in Beispiel 7 wie folgt veranschaulicht: An der grundbesitzende KG sind A zu 89 %, B zu 2 %, C zu 4 % und D zu 5 % beteiligt. Im Jahr 2020 überträgt A seine 89 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten E. Im August 2021 überträgt B seine 2 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten F. Im Jahr 2022 überträgt C seine 4 %ige Beteiligung auf den bisher nicht beteiligten G.

988

Behrens

Rz. 61 § 23

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 7 (zu § 23 Abs. 20 GrEStG): 2020: A B 2%

D

C 4%

89 %

89 %

E B 2%

5%

KG

A

August 2021: D

C 4%

89 %

5%

KG

E B

2%

F

C

2%

4%

89 %

2022: D

E

F C 2%

5%

G D

4%

89 %

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. +

4%

5%

KG

§ 1 Abs. 2a GrEStG n.F. -

(es sind 89 % und 2 % auf neue Gesellschafter übergegangen)

(E und F gelten als Altgesellschafter) § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. tritt hinter § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. zurück, vgl. § 23 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 GrEStG.

Im August 2021 wird mit dem Übergang der 2 %igen Beteiligung von B auf F der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung erfüllt, weil zu dem Zeitpunkt insgesamt 91 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG auf neue Gesellschafter übergangen sind. Dadurch, dass C im Jahr 2022 seine 4 %ige Beteiligung auf G überträgt, werden innerhalb von fünf Jahren 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG auf neue Gesellschafter übertragen. Zur Besteuerung auch nach der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG kommt es jedoch nicht. Denn der vorausgegangene Rechtsvorgang, d.h. die Übertragung der 2 %igen Beteiligung von B auf F im August 2021, war nach § 1 Abs. 2a GrEStG in der Neufassung steuerbar. Nach Wirksamwerden des Übergangs des 2 %igen Anteils von B auf F im August 2021 gelten alle Gesellschafter der KG als Altgesellschafter. Dadurch, dass C seine 4 %ige Beteiligung in 2022 auf G überträgt, wird, wenn der Übergang des 4 %-Anteils von C auf G mit den früheren Anteilsübergangen in keinem sachlichen Zusammenhang steht, der Lauf eines neuen Zehn-Jahres-Zeitraums für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. ausgelöst. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. ist nicht weiter relevant. Zum Übergang der restlichen bis zu 10 % nach Erreichen der 90 %-Grenze vgl. § 1 Rz. 408.

60

7. Subsidiäre Fortgeltung der Alt-Fassung von § 1 Abs. 3 GrEStG (Abs. 21) § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung sind gem. Abs. 21 Satz 1 auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden, ohne zeitliche Beschränkung weiter anzuwenden, wenn am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 %, aber mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt waren. § 1 Abs. 3 GrEStG ist (ebenso wie § 1 Abs. 3a GrEStG) nicht zeitraumbezogen. Die Fortgeltungsanordnung der Altfassung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG auf einen bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu beschränken, wäre gesetzessystematisch nicht zu rechtfertigen gewesen. Für die Praxis kann es problematisch sein, dass die 95 %-Schwelle auch in ferner Zukunft noch anwendbar sein kann. Der Anwendungsbereich der Anteilsvereinigung erschließt sich nicht nur aus § 1 Abs. 3 GrEStG; § 23 Abs. 21 GrEStG muss vielmehr stets mit beachtet werden.

Behrens

989

61

§ 23 Rz. 62 Anwendungsbereich 62

Gemäß Abs. 21 Satz 2 sind bei der Ermittlung der allein in einer Hand vereinigen Anteile der Gesellschaft im Sinne von § 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG auch solche Anteile zu berücksichtigen, über die der Erwerber oder die herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder die abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen vor dem 1.7.2021 ein Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, dass den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer dieser Anteile begründet. Der Abschluss eines solchen Rechtsgeschäft reicht aus, um die Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 GrEStG zu begründen. Ob das Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 14 Nr. 1 GrEStG oder unter einem Genehmigungsvorbehalt i.S.v. § 14 Nr. 2 GrEStG gestellt ist, ist unerheblich.

63

Gemäß § 23 Abs. 21 Satz 3 GrEStG gelten die Sätze 1 und 2 von § 23 Abs. 21 GrEStG nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist. Der Vorrang der Neufassung gilt unabhängig davon, ob der Rechtsträger, der nach dem betreffenden Tatbestand in der Neufassung die Steuer schuldet, mit dem für die Anteilsvereinigung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 GrEStG maßgeblichen Steuerschuldner identisch ist. Die Altfassung von § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG wird auch durch die Neufassung eines anderen Tatbestands als § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG verdrängt.

64

§ 23 Abs. 21 Sätze 1 und 2 GrEStG finden auf spätere Erwerbsvorgänge gem. Satz 4 von § 23 Abs. 21 GrEStG keine Anwendung, wenn die Anteile nach dem 30.6.2021 unter 90 % sinken. In diesem Fall wird durch das erneute Erreichen oder überschreiten der 90 %-Grenze Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG in der Neufassung ausgelöst. Das Erreichen bzw. Überschreiten der 95 %-Grenze ist dann nicht mehr tatbestandsmäßig. 8. Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG (Abs. 22)

65

Gemäß § 23 Abs. 22 Satz 1 GrEStG sind § 1 Abs. 3a und § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung auf Erwerbsvorgänge nach dem 30.6.2021 ohne zeitliche Beschränkung weiter anzuwenden, wenn der Rechtsträger am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von weniger als 95 % und mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehatte. Auch § 1 Abs. 3a GrEStG kennt (so wie § 1 Abs. 3) keinen Zeitraumbezug.

66

Gemäß § 23 Abs. 22 Satz 2 GrEStG gilt dies nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung steuerbar ist. Wie bei § 23 Abs. 21 Satz 3 GrEStG ist es auch im Anwendungsbereich von § 23 Abs. 22 Satz 2 GrEStG irrelevant, ob der Rechtsträger, der die gemäß dem betreffenden Tatbestand in der Neufassung ausgelöste Steuer schuldet, mit dem Steuerschuldner für die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG identisch ist.

67

Gemäß § 23 Abs. 22 Satz 3 GrEStG findet Satz 1 von § 23 Abs. 22 GrEStG auf spätere Erwerbsvorgänge keine Anwendung, wenn die wirtschaftliche Beteiligung i.S.v. § 1 Abs. 3a GrEStG nach dem 30.6.2021 unter 90 % sinkt. In diesem Fall ist das Wieder-Erreichen bzw. Überschreiten der 90 %-Grenze nach der Neufassung von § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar. Das Erreichen bzw. Überschreiten der 95 %-Grenze ist dann nicht mehr tatbestandsmäßig. 9. Veranschaulichung von § 23 Abs. 21 und Abs. 22 in den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021

68

Zur Veranschaulichung enthalten die gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 zu § 22 Abs. 21 GrEStG und Abs. 22 GrEStG die Beispiele 11 und 12. Im Beispiel 11 sind an der grundbesitzenden GmbH A und B hälftig beteiligt. Am 15.7.2021 überträgt B einen 40 %igen Geschäftsanteil an der grundbesitzenden GmbH auf A, der seine Beteiligung damit von 50 % auf 90 % aufstockt.

990

Behrens

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 68 § 23

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 11 (zu § 23 Abs. 21 und 22 GrEStG): 15.07.2021: A

B 50 %

50 %

GmbH

40 %

A 50 % + 40 % = 90 %

B 50 % ./. 40 % = 10 %

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG - , weil nach 30.06.2021 nur 40 % übertragen worden sind und weil A sog. Altgesellschafter ist. § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. + Weil keine Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter erfolgt sind, ist § 1 Abs. 2b GrEStG von vornherein nicht anwendbar. Jedoch ist § 1 Abs. 3 GrEStG in der Neufassung am 15.7.2021 erstmals erfüllt, weil A durch den Hinzuerwerb des 40 %igen Geschäftsanteils eine 90 %ige Beteiligung an der grundbesitzenden GmbH erwirbt. Die Fortgeltungsanordnung in § 23 Abs. 21 GrEStG ist ohne Bedeutung, weil A nicht bereits am 30.6.2021 24.00 Uhr/1.7.2021 0 Uhr 90 % der Anteile an der GmbH gehalten hat. Im Beispiel 12 der gleichlautenden Ländererlasse vom 29.6.2021 sind an der grundbesitzenden GmbH X mit 93 % und die GbR mit 7 % beteiligt. Gesellschafter der GbR sind X zu 40 % und Y zu 60 %. Am 1.6.2021 überträgt X seine 40 %ige GbR-Beteiligung auf den bisher weder an der GbR noch an der GmbH beteiligten A sowie einen 90 %igen Geschäftsanteil an der GmbH ebenfalls auf A. Durch die Anteilserwerbe am 1.6.2021 verwirklicht A keinen Tatbestand. Mangels mindestens 95 %iger Beteiligung am Vermögen der GbR ist A der 7 %ige Geschäftsanteil der GbR an der GmbH insgesamt nicht zuzurechnen, so dass A lediglich 90 % der Anteile an der GmbH in seiner Hand vereinigt. Auch § 1 Abs. 3a GrEStG in der Altfassung wurde am 1.6.2021 nicht verwirklicht, weil A lediglich 90 % sowie 40 % von 7 % (d. h. 2,8 %) teils unmittelbar, teils mittelbar, innehatte. Im Beispiel 13 der GLE vom 29.6.2021 überträgt X am 2.10.2042 seinen verbliebenen Geschäftsanteil in Höhe von 3 % an der GmbH auf A.

Behrens

991

§ 23 Rz. 68 Anwendungsbereich Erlasse vom 29.06.2021, Beispiele 12 und 13 (zu § 23 Abs. 21 und 22 GrEStG): 01.06.2021: X

Y

X

Y

A 40 %

40 %

02.10.2042:

40 %, 90 %

60 %

Y

A 40 %

GbR 90 %

GmbH

3%

60 %

60 %

GbR 93 %

X

7%

3%

7%

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG noch nicht in Kraft; § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. (A ist nicht min. zu 95 % am Vermögen der GbR beteiligt)

GbR 90 % + 3% = 93 %

7%

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG - , § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG n.F. § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. +

§ 1 Abs. 3a GrEStG a.F. (A hat nur 92,8 % inne, d. h. 90 % + 40 % von 7 %)

Weil nach dem 30.6.2021 keine Anteile auf einen neuen Gesellschafter übergehen, ist § 1 Abs. 2b GrEStG von vornherein nicht anwendbar. § 1 Abs. 3 GrEStG ist weder in der Neufassung noch in der Altfassung erfüllt, weil A der 7 %ige Geschäftsanteil der GbR an der GmbH auf Grundlage der sog. ProKopf-Betrachtung insgesamt nicht (d.h. auch nicht teilweise) zuzurechnen ist. Die Finanzverwaltung betont, dass sie an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG festhält, obwohl der BFH im Urteil II R 45/17 vom 27.5.20201 in Tz. 21 ausgeführt hat, dass viel dafür spreche, dass die sog. Pro-Kopf-Betrachtung auch für die Fälle der unmittelbaren Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft keine Gültigkeit mehr haben könne2. Allerdings verwirklicht A am 2.10.2042 den Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG in der Altfassung, weil er durch den Hinzuerwerb des 3 %igen Geschäftsanteils an der GmbH die 95 %-Schwelle überschreitet. Als einziger externer (mittelbarer) Gesellschafter ist Y über die GbR nur noch zu 4,2 % an der grundbesitzenden GmbH beteiligt, A hat die restlichen 95,8 % inne. 10. Zeitliche Anwendungsbereich der Neuregelung von § 1 Abs. 2b GrEStG (Abs. 23) 69

Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG findet der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG lediglich auf solche Erwerbsvorgänge Anwendung, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Der Grunderwerbsteuer unterliegen daher nicht solche Sachverhalte, in denen die 90 %-Schwelle bereits vor dem 1.7.2021 überschritten wurde.

1 Vgl. BStBl. II 2021, 315. 2 Im Urteil II R 45/17 v. 27.5.2020, BStBl. II 2021, 315, macht der BFH deutlich, dass er insoweit an den Ausführungen im BFH-Urteil II R 51/12 v. 12.3.2014, BStBl. II 2016, 356, möglicherweise nicht weiter festhalten werde. Ebenso Kugelmüller-Pugh, DStR 2020, 2677.

992

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 72 § 23

11. Berücksichtigung lediglich ab dem 1.7.2021 erfolgender Anteilsübergänge (§ 23 Abs. 23 GrEStG) a) Unmittelbarer Gesellschafterbestand Der Gesetzeswortlaut von § 23 Abs. 18 GrEStG schließt es nicht aus, vor dem 1.7.2021 erfolgte An- 70 teilsübergänge, die in Summe weniger als 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ausmachen, mit nach dem 30.6.2021 erfolgenden Anteilsübergängen zusammenzuzählen. Gemäß § 23 Abs. 23 GrEStG sind jedoch Übergänge von Anteilen auf neue Gesellschafter, die bereits vor dem 1.7.2021 dinglich vollzogen wurden, für die Anwendung von § 1 Abs. 2b GrEStG ohne Bedeutung, und zwar – was dem Gesetzeswortlaut entspricht – in jeglicher Hinsicht. Zum einen werden damit Anteilsübergänge, deren dinglicher Vollzug bereits vor dem 1.7.2021 stattfand, nicht bei der Ermittlung der 90 %-Quote des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG berücksichtigt. Zum anderen sind alle Gesellschafter, die bei Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, als Altgesellschafter dieser grundbesitzenden Kapitalgesellschaft anzusehen. Altgesellschafter sind daher auch solche Gesellschafter, die ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft nach dem 1.7.2011 und damit innerhalb von zehn Jahren vor dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 erworben haben. Folglich weisen bei Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG alle grundbesitzenden Kapitalgesellschaften eine Neugesellschafterquote von 0 % auf. Erwerben die Gesellschafter, die bereits vor dem 1.7.2021 an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, nach Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG am 1.7.2021 weitere Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, handelt es sich dabei um nicht tatbestandsmäßige Anteilsübergänge auf Altgesellschafter, die mithin keine sog. Zählerwerbe und bei der Ermittlung der 90 %-Quote des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung1. b) Mittelbarer Gesellschafterbestand Diese Anwendungsgrundsätze gelten nicht nur auf unmittelbarer Beteiligungsebene der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, sondern ebenfalls auf allen mittelbaren Beteiligungsebenen. Damit sind auch auf mittelbarer Beteiligungsebene Anteilsübergänge nicht zu berücksichtigen, die vor dem 1.7.2021 vollzogen wurden. Gleichermaßen sind daher auch die Gesellschafter auf mittelbarer Beteiligungsebene als Altgesellschafter der jeweiligen zwischengeschalteten Gesellschaft anzusehen. In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 wird insoweit lediglich bestätigt, dass für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG nur solche Anteilsübergänge zu berücksichtigen sind, die nach dem 30.6.2021 erfolgen. Dies stellt sich m.E. lediglich als Wiedergabe des Gesetzeswortlauts dar. Es kann daher nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die obersten Finanzbehörden der Länder bzw. ein Finanzamt auf mittelbarer Beteiligungsebene auch Anteilsübergänge, die vor dem 1.7.2021 erfolgt waren, berücksichtigen und vor dem 1.7.2021 mittelbar beteiligte Gesellschafter nicht als Altgesellschafter der betreffenden zwischengeschalteten Gesellschaft anerkennen wollen bzw. will. Vertreten würde möglicherweise, dass als „Anteil der Gesellschaft“ Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, nicht aber Anteile an zwischengeschalteten Gesellschaften zu verstehen seien. Hiernach wäre die Wirkung des § 23 Abs. 23 GrEStG auf die unmittelbare Beteiligungsebene beschränkt. Eine solche Auffassung von Seiten der Finanzverwaltung wäre weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch mit der Rechtsprechung der Finanzgerichte zu vereinbaren:

71

In der Begründung zu § 1 Abs. 2b GrEStG differenziert der Gesetzgeber nicht zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Beteiligungsebene. Die Erwägungen, auf die der Gesetzgeber den Regelungsgehalt des § 1 Abs. 2b GrEStG stützt, gelten vielmehr für die unmittelbare wie auch die mittelbare Beteiligungsebene. Der Gesetzgeber führt aus:

72

„Die Beteiligten mussten bei Anteilsübertragungen in der Vergangenheit grundsätzlich nicht damit rechnen, dass diese Transaktionen in einem künftigen Steuertatbestand berücksichtigt werden, der auf Änderungen im Gesellschafterbestand

1 Vgl. gleichlautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen vom 29.6.2021, Anm. 3: „Alle mit Ablauf des 30. Juni 2020 Beteiligten gelten als Altgesellschafter.“; vgl. insbesondere die Lösungshinweise zu Beispiel 10.

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993

§ 23 Rz. 72 Anwendungsbereich abstellt. Sie konnten von einem steuerlich unerheblichen Handeln ausgehen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sollen nur solche Änderungen im Gesellschafterbestand berücksichtigt werden, die nach dem 30. Juni 2021 erfolgen.“1

Es sind keine Gründe ersichtlich, warum sich diese Aussagen nicht auch auf die mittelbare Beteiligungsebene beziehen sollten. 73

Dieser Problematik vergleichbare Fragestellungen wurden von der Rechtsprechung bereits hinsichtlich der zeitlichen Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. bei dessen Einführungen bzw. der Änderungen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zum 1.1.2000 behandelt. Mit Urteil vom 8.11.2000 stellte der BFH fest, dass eine Rückbetrachtung dergestalt, dass ein Steuertatbestand zwar seine Rechtsfolgen erst nach seiner Verkündung entfaltet, er aber Sachverhalte berücksichtigt, die vor seiner Verkündung stattfanden, nur dann zulässig ist, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer solchen Rückbetrachtung das Vertrauen der Einzelnen auf den Fortbestand der geltenden Rechtslage überwiegt. Jedenfalls sei erforderlich, dass die entsprechende Anwendungsregelung die Rückbetrachtung ausdrücklich vorsieht. Der BFH führt im Einzelnen aus: „Für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung des Senats sprechen auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte. Die sich nach der Ansicht der Finanzverwaltung aus § 23 Abs. 3 GrEStG ergebende nachträgliche Verschlechterung von Rechtspositionen würde einen einschneidenden Eingriff in die Erwartung der betroffenen Gesellschaften und Gesellschafter ergeben, dass der getätigte Anteilserwerb steuerfrei bleibe. Bei diesem Eingriff handelt es sich nicht nur um die Beseitigung einer begünstigenden Besteuerungsregel, sondern um die Schaffung eines gänzlich neuen Steuertatbestandes. Ein solcher Eingriff in Rechtspositionen bedarf einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Anordnung, unabhängig davon, ob diese Regelung als echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) oder als unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG […] zu beurteilen wäre. Vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) bedarf es besonderer Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Auch soweit die Rechtsfolgen eines Gesetzes zwar erst nach Verkündung der Norm eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung des Gesetzes verwirklicht worden sind, ist der Eingriff in Grundrechte der Betroffenen nur zulässig, wenn die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwiegen. In beiden Fällen gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die in die Vertrauensschutzpositionen eingreifenden Vorschriften in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so klar zu formulieren, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann. Dies spricht dagegen, der unklaren und auslegungsbedürftigen Vorschrift des § 23 Abs. 3 GrEStG den Norminhalt beizumessen, dass vor dem Stichtag liegende Veränderungen des Gesellschafterbestandes tatbestandserfüllend sind.“2 [Hervorhebung durch Verfasser]

74

Entsprechende Erwägungen finden sich im Urteil des FG Niedersachsen vom 3.5.2006 in Bezug auf vor dem 1.1.2000 erfolgte Übergänge von Anteilen an einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft: „Dem Vorbringen des FA, es sei innerhalb der Fünfjahresfrist des § 1 Abs. 2a GrEStG i. V. m. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG auf den letzten Teilakt des Erwerbsvorgangs (hier Anwachsung im Jahre 2002) abzustellen, folgt der erk. Senat nicht. Denn in Anlehnung an das Urteil des BFH vom 8.11.2000 (II R 64/98, BFHE 194, 252, BStBl II 2001, 422, DStR 2001, 166), das zur zeitlichen Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG a. F. i. V. m. § 23 Abs. 3 GrEStG ergangen ist und insbesondere mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG eine für den Steuerbürger vorhersehbare Besteuerungsrechtslage verlangt, beginnt der Lauf der Fünfjahresfrist für „mittelbare“ Änderungen des Gesellschafterbestands erstmals nach dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift, nämlich am 1.1.2000. Die einfach- sowie verfassungsrechtlichen Ausführungen des BFH zu dem Auslegungsergebnis des § 23 Abs. 3 GrEStG sind nach Auffassung des Senats auch auf den hier einschlägigen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG i. V. m. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG übertragbar. Denn mit der Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG sind „mittelbare“ Anteilsübertragungen erstmals in den Gesetzestatbestand aufgenommen worden, die die Grunderwerbsbesteuerung verschärfen, damit die Rechtsposition des Steuerbürgers (nur künftig) verschlechtern […].“3 [Hervorhebung durch Verfasser]

12. Regelungen zu § 23 Abs. 23 in den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 75

In den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.2021 ist die Wirkungsweise von § 23 Abs. 23 GrEStG in den Beispielen 8 bis 10 wie folgt veranschaulicht. Ursprünglich sind an der grundbesitzenden GmbH X zu 85 % und Y zu 15 % beteiligt. Um Grundfall (Beispiel 8) übertragen jeweils am 1.7.2021 1 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 29. 2 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422. 3 Vgl. FG Nds. v. 3.5.2006 – 7 K 374/03, EFG 2007, 282.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 75 § 23

X seinen 85 %igen und Y seinen 15 %igen Geschäftsanteil an der GmbH auf neue Gesellschafter. In der im Beispiel 9 dargestellten Variante überträgt X seinen 85 %igen Geschäftsanteil auf den bisher nicht beteiligten C bereits am 6.12.2020, während Y seinen 15 %igen Geschäftsanteil am 1.8.2021 auf den bisher nicht beteiligten D überträgt. Erlasse vom 29.06.2021, Beispiele 8 und 9 (zu § 23 Abs. 23 GrEStG): 01.07.2021: X

Y

85 %

15 %

GmbH

X

85 %

C

85 %

15 %

Y

15 %

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG +

06.12.2020: D

X

85 %

C

85 %

Y 15 %

GmbH

01.08.2021: C

Y 85 %

15 %

D

15 %

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG - , „Der Anteilsübergang am 06.12.2020 auf C ist nicht zu berücksichtigen. C gilt mit Ablauf des 30.06.2021 als Altgesellschafter.“

Im Grundfall gehen alle Anteile an der grundbesitzenden GmbH am 1.7.2021 und damit nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 2b GrEStG auf neue Gesellschafter über, so dass am 1.7.2021 Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst wird. In der im Beispiel 9 dargestellten Variante wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt, weil der Übergang des 85 %igen Geschäftsanteils von X auf C am 6.12.2020 nicht mitzählt. Obwohl C am 30.6.2021 24 Uhr erst relativ kurze Zeit an der GmbH beteiligt ist, gilt er ab 1.7.2021 0 Uhr als Altgesellschafter der grundbesitzenden GmbH. Dadurch, dass Y am 1.8.2021 seinen 15 %igen Geschäftsanteil auf D überträgt, wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG nicht verwirklicht. Es beginnt allerdings ein Zehn-Jahres-Zeitraum, während dem beobachtet werden muss, ob C mindestens 75 % der Anteile an der GmbH auf neue Gesellschafter überträgt. Dass 89,9 %ige grunderwerbsteuerneutrale Anteilsübertragungspotenzial wird am 1.8.2021 in Höhe von 15 % verbraucht. Dass vor dem 1.7.2021 0 Uhr erfolgte Anteilsübergänge bei § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mitzählen und am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0 Uhr beteiligte Gesellschafter als Altgesellschafter für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG anzusehen sind, gilt auch dann, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Anteil erst kurz vor dem 1.7.2021 erworben hat. Im Beispiel 10 überträgt X einen 1 %igen Geschäftsanteil an der grundbesitzenden GmbH am 6.6.2021 auf den bisher nicht beteiligten C. am 1.7.2021 überträgt X den ihm verbliebenen 84 %igen Geschäftsanteil an der GmbH auf C. Am 21.10.2021 überträgt Y seinen 15 %igen Geschäftsanteil auf D.

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§ 23 Rz. 75 Anwendungsbereich

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiele 8 und 10 (zu § 23 Abs. 23 GrEStG): 01.07.2021: X

Y

X

85 %

C

Y

15 %

06.06.2021: D

X

1%

C

Y

1% 85 %

15 %

GmbH

85 %

15 %

GmbH

§ 1 Abs. 2b GrEStG +

84 %

15 %

01.07. und 21.10.2021: X

84 %

C

1% + 84 % = 85 %

Y

15 %

D

15 %

GmbH

GmbH

„Am 30.06.2021 war C bereits mit 1 % beteiligt und gilt seit diesem Zeitpunkt als Altgesellschafter.“

§ 1 Abs. 2b GrEStG - , „Der Anteilsübergang auf C i.H.v. 84 % ist nicht zu berücksichtigen, da C Altgesellschafter ist.“

Weil X für die Zwecke von § 1 Abs. 2b GrEStG als Altgesellschafter gilt, gehen nur 15 % der Anteile an der GmbH auf neue Gesellschafter über. § 1 Abs. 2b GrEStG wird am 21.10.2021 nicht verwirklicht. 13. Kein Vertrauensschutz bei Verpflichtung zur Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres vor dem 1.7.2021 und dinglichem Vollzug der Anteilsübertragung innerhalb eines Jahres danach 76

Die vom Bundesrat am 7.5.2021 gebilligte Fassung des Grunderwerbsteueränderungsgesetzes enthält keine Begünstigungsvorschrift für Anteilsgeschäfte, die zwar dinglich ab dem 1.7.2021 vollzogen werden, aber auf vor dem 1.7.2021 begründeten Verpflichtungsgeschäften beruhen. Daher sind im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG alle Anteilsübergänge zu berücksichtigen, deren dinglicher Vollzug (Closing) ab dem 1.7.2021 stattfindet, unabhängig davon, wann das jeweilige Signing erfolgte, d. h. der Anspruch auf die Anteilsübertragung begründet wurde. Eine Begünstigung von Anteilsübertragungen, deren Signing vor und Closing nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen stattfinden, sah hingegen noch der Entwurf des Grunderwerbsteueränderungsgesetzes vom 23.9.2019 vor1. An dieser Regelung hat der Gesetzgeber in der am 12.5.2021 verabschiedeten Fassung des Grunderwerbsteueränderungsgesetzes nicht mehr festgehalten. Zur Begründung führte er aus, dass diese Regelung „durch Zeitablauf überholt“ und daher zu streichen gewesen sei2. Zeitlich überholt hatte sich m.E. nur der ursprünglich in Betracht gezogene Stichtag 9.8.2019 als der Tag der Übermittlung des Regierungsentwurfs des GrESt-Änderungsgesetzes an den Bundesrat3, nicht jedoch das Bedürfnis für eine derartige Vertrauensschutzregelung insgesamt. Die vertrauensschutzwürdige Disposition des potentiell Steuerpflichtigen ist das Verpflichtungsgeschäft, nicht das Erfüllungs-

1 § 23 Abs. 23 GrEStG i.F.d. Entwurfs v. 23.9.2019 (BT-Drucks. 19/13437, S. 8.): „§ 1 Absatz 2b ist auf Übergänge von Anteilen der Gesellschaft nicht anzuwenden, die auf einem vor dem … [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäft beruhen. Satz 1 gilt nur, wenn das Verpflichtungsgeschäft innerhalb eines Jahres vor dem … [einsetzen: Datum der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] abgeschlossen wurde und innerhalb eines Jahres nach dem … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Tag der Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat] erfüllt wird.“ 2 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, S. 29. 3 Vgl. BR-Drucks. 355/19 v. 9.8.2019.

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B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 79 § 23

bzw. Verfügungsgeschäft, das bei § 1 Abs. 2b GrEStG und auch § 1 Abs. 2a GrEStG jedoch für den Tatbestand ausschlaggebend ist1. Signing des Anteilsgeschäfts vor dem 1.7.2021 und Closing nach dem 30.6.2021: Konkurrenz zwischen 77 § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. und § 1 Abs. 2b GrEStG: Nach dem Gesetzeswortlaut führt die Neuregelung zum zweifachen Anfall von Grunderwerbsteuer in Fällen, in denen ein Anteilsübertragungs-Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.7.2021 abgeschlossen worden war, die dingliche Erfüllung jedoch erst nach dem 30.6.2021 erfolgte, wenn das Verpflichtungsgeschäft mindestens 95 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft erfasste, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts, d.h. vor dem 1.7.2021, wurde Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. ausgelöst, weil nach der Altfassung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG dieser Anteilsvereinigungs-Tatbestand noch nicht gesperrt war, wenn die Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt. Dadurch, dass nach dem 30.6.2021 mindestens 90 % (hier: 95 % oder mehr) der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf den Erwerber übergehen, wird der neue Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht. Weil die beiden Vorgänge zwar unter verschiedene Absätze von § 1 fallen, § 1 Abs. 2b GrEStG in § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG jedoch nicht genannt wird und außerdem keine Identität des Erwerbers besteht (bei § 1 Abs. 3 GrEStG ist Erwerber der Anteilserwerber, bei § 1 Abs. 2b GrEStG ist Erwerber die fingierte neue Kapitalgesellschaft), schiede die Verrechnung der Bemessungsgrundlagen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG auch im Falle der Einbeziehung von Abs. 2b in diese Vorschrift von vornherein aus. M.E. stellt die Erhebung von zweimal Grunderwerbsteuer einen Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung dar. Dass in § 23 GrEStG keine Regelung eingefügt wurde, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anzuwenden ist, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG in der Altfassung zu erfolgen hat, beruht m.E. darauf, dass der Fall des Abschlusses des Anteilsübertragungs-Verpflichtungsgeschäfts über mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft vor dem 1.7.2021, das erst nach dem 30.6.2021 dinglich erfüllt wird, nicht hinreichend bedacht worden ist. Hier zweimal Grunderwerbsteuer zu erheben, entsprach m.E. nicht der Absicht des Gesetzgebers. In der hier betroffenen Fallkonstellation wird die 95 %-Grenze nicht unterschritten. Es liegt mithin kein Sachverhalt vor, dessen Besteuerung durch die Gesetzesänderungen verschärft werden sollte. M.E. hat im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 277 AO aufgrund Ermessungsreduzierung auf null die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu unterbleiben, wenn – bezogen auf das betreffende Grundstück – das Verpflichtungsgeschäft den Tatbestand von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG ausgelöst hat. Ob dies der Fall ist, ist in Bezug auf jedes inländische Grundstück der Kapitalgesellschaft zu prüfen. 14. Vertrauensschutzregelung in Bezug auf die Nachbehaltensfristen (Abs. 24) Gemäß § 23 Abs. 24 sind § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 und § 7 Abs. 3 GrEStG in der am 78 1.7.2021 geltenden Fassung nicht anzuwenden, wenn die in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 oder Abs. 4 oder § 7 Abs. 3 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung geregelte Frist vor dem 1.7.2021 abgelaufen war. Nach der Gesetzesbegründung2 soll die allgemeine Übergangsregelung in § 23 Abs. 18 GrEStG hinsichtlich der Missbrauchsverhinderungsvorschriften in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 3 GrEStG bewirken, dass grundsätzlich die verlängerten Fristen maßgeblich sind. Aus Gründen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes dürfe die Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn bzw. auf 15 Jahre aber nicht dazu führen, dass bereits abgelaufene Fristen erneut zu laufen beginnen und deshalb die sachlichen Begünstigungsvorschriften (§ 5 Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und § 7 Abs. 1 und 2 GrEStG) rückwirkend erneut unter dem Vorbehalt der Missbrauchsverhinderungsvorschriften stehen. Entsprechend ordne § 23 Abs. 24 GrEStG an, dass die Missbrauchsverhinderungsvorschriften nicht anzuwenden seien, wenn die Fristen nach bisherigem Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts bereits abgelaufen waren. Insoweit trete § 23 Abs. 24 GrEStG ergänzend neben die allgemeine Übergangsregelung in § 23 Abs. 18 GrEStG. M.E. hat Abs. 24 ausschließlich für die Vorbehaltensfrist in § 6 Abs. 4 GrEStG Bedeutung. Denn gemäß Abs. 18 sind die Neuregelungen sowieso nur anwendbar, wenn der Erwerbsvorgang nach dem 30.6.2021 verwirklicht wird. Dies ist nur bei § 6 Abs. 4 GrEStG denkbar. In allen Fällen, in denen eine 1 Vgl. Behrens, UVR 2017, 15. 2 BT-Drucks. 19/134337, S. 19.

Behrens

997

79

§ 23 Rz. 79 Anwendungsbereich Mindest-Nachbehalte-Frist i.S.v. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs. 3 GrEStG am 30.6.2021/ 1.7.2021 noch lief, war der maßgebende Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden. Der Begriff „Erwerbsvorgänge“ in § 23 Abs. 18 GrEStG meint die Tatbestände in § 1, nicht jedoch Vorgänge, die selbst nicht steuerbar sind und nur zur Verletzung einer Nachbehaltensfrist i.S.v. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 oder § 7 Abs. 3 GrEStG führen. In allen Fällen, in denen am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0 Uhr eine derartige Nachbehaltensfrist läuft, war der maßgebende Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden. Die Neuregelung von § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 oder § 7 Abs. 3 GrEStG ist daher gem. § 23 Abs. 18 GrEStG nicht anwendbar, so dass auch die in § 23 Abs. 24 GrEStG geregelte Rückausnahme nicht einschlägig sein kann. Vgl. Rz. 81. Dementsprechend ist in den gleichlautenden Ländererlassen vom 29.6.20211 auch nur ein Beispiel zu § 6 Abs. 4 GrEStG geregelt: An der grundbesitzenden KG sind A zu 100 % und eine GmbH zu 0 % beteiligt. Alleingesellschafterin der GmbH ist B. Im Jahr 2019 übertrug A einen 94,9 %igen Kommanditanteil auf B. Im Jahr 2025 überträgt A seinen restlichen 5,1 %igen Kommanditanteil auf B.

Erlasse vom 29.06.2021, Beispiel 14 (zu § 23 Abs. 24 GrEStG): 2019: A

B

A

94,9 %

GmbH 100 %

5,1 %

A

B

100 %

GmbH

100 % ./. 94,9 % = 5,1 % 0%

0%

KG

B

94,9 %

100 %

2025:

KG

„B vereinigte mit Ablauf des 30.06.2021 weniger als 90 % der Anteile an der KG in seiner Hand (zwei von drei Köpfen).“

100 % 94,9 % + 5,1 % = 100 %

GmbH 0%

5,1 %

KG

§ 1 Abs. 3 GrEStG n.F. + (wegen Pro-Kopf-Betrachtung) § 6 Abs. 2 GrEStG (wegen § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F.)

Nach Auffassung der Finanzverwaltung verwirklicht der Hinzuerwerb der restlichen 5,1 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der KG eine Anteilsvereinigung auf Ebene des B nach § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. Die Finanzverwaltung hält vorerst trotz des BFH-Urteils II R 45/17 vom 27.5.20202 an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung für auf grundbesitzende Personengesellschaften bezogene unmittelbare Anteilsvereinigungen i.S.v. § 1 Abs. 3 fest. § 6 Abs. 2 GrEStG sei nicht anwendbar, weil die in § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F. geregelte 15-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen sei. Dem ist zuzustimmen. § 6 Abs. 4 GrEStG ist in der Neufassung anwendbar, weil der maßgebende Erwerbsvorgang die Anteilsvereinigung auf Ebene des B darstellt. Der Hinzuerwerb der dieser Anteilsvereinigung auflösenden restlichen 5,1 % der Anteile am Gesellschaftsvermögens der KG erfolgt im Beispiel erst in 2025, mithin nach dem 1.7.2021. 80

Bei nach dem 30.6.2016 begonnenen gestreckten Anteilserwerben wirkt sich die Änderung von § 6 Abs. 4 GrEStG mit Wirkung ab 1.7.2021 nachteilig aus. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: 1 Vgl. BStBl. I 2021, 1006. 2 Vgl. BStBl. II 2021, 315.

998

Behrens

Rz. 80 § 23

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Ursprünglich war V zu 100 % am Vermögen der grundbesitzenden KG beteiligter Kommanditist und Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH. Am 1.7.2016 verkaufte und übertrug V einen 94,9 %igen Anteil am Vermögen der KG sowie den 100 %igen Geschäftsanteil an der KomplementärGmbH auf den bisher nicht beteiligten K. Zugleich vereinbarten V und K Put- und Call-Optionen in Bezug auf die zunächst bei V verbleibenden restlichen 5,1 % der Anteile an der KG. Die Call-Option sollte ab dem 2.7.2021, die Put-Option zeitversetzt ab dem 1.10.2021 ausübbar sein.

Ausgangsstruktur:

01.07.2016:

02.07.2036:

Put/-Call-Optionen betr. 5,1 %

V

V

K

100 %

Kompl.GmbH

100 %

Kompl.GmbH

KG

K

5,1 %

94,9 %

KG

100 %

Kompl.GmbH

0%

0%

V

100 %

0%

KG

94,9 % + 5,1 % = 100 %

Am 1.7.2016 wurde keine Grunderwerbsteuer ausgelöst. Es galt lediglich die Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG, die einen mindestens 95 %igen Anteilsübergang auf neue Gesellschafter voraussetzt. Die am 1.7.2016 begonnene Fünf-Jahres-Frist endet mit Ablauf des 1.7.2021. Dadurch, dass K am 2.7.2021 infolge Ausübung z. B. der Put-Option die restlichen 5,1 % hinzuerwirbt, wird § 1 Abs. 2a in der Altfassung nicht verwirklicht, weil der Fünf-Jahres-Zeitraum am 2.7.2021 bereits abgelaufen war. Die Neufassung von § 1 Abs. 2a wird nicht verwirklicht, weil vor dem 1.7.2021 bereits mindestens 90 % der Anteile an der KG auf neue Gesellschafter übergegangen waren. Durch den Hinzuerwerb der restlichen 5,1 % der Anteile an der KG kommt es auf Ebene des K jedoch zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG a.F. Dies löst die Fiktion des Übergangs des Grundstücks der KG von der KG auf K aus. Die Befreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG steht jedoch nicht zur Verfügung, weil die in § 6 Abs. 4 GrEStG vorgesehene Vorbehaltensfrist noch nicht abgelaufen ist. Durch das Inkrafttreten von § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG n.F. verlängerte sich die (früher fünfjährige) Vorbehaltensfrist im Beispiel auf 15 Jahre. Am 2.7.2021 fällt mithin Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG auf den vollen Grundbesitzwert des Grundstücks der KG auf Ebene des K an. In Betracht gekommen wäre, dass K vor Ausübbarwerden der Put-Option mehr als 10 % der Anteile an der KG auf einen Dritten überträgt. Im Zeitpunkt der Ausübung der Put-Option wäre K dann nur in Höhe von z. B. 84,8 % an der KG beteiligt. Der Hinzuerwerb der restlichen 5,1 % von V infolge Ausübung der Put-Option hätte zur Aufstockung der Beteiligung des K von 84,8 % auf 89,9 % geführt, was § 1 Abs. 3, Abs. 3a in der Neufassung nicht verwirklicht. Hätte K vor Ausübbarwerden der Put-Option nur 5,1 % (weniger als mehr 10 %) der Anteile an der KG auf einen Dritten übertragen, wäre durch den Erwerb der restlichen 5,1 % von V der Tatbestand von § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG n.F. verwirklicht worden.

Behrens

999

§ 23 Rz. 81 Anwendungsbereich 15. Keine Verlängerung vor dem 1.7.2021 begonnener Nachbehaltensfristen 81

Gemäß § 23 Abs. 18 GrEStG sind auch § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs. 3 GrEStG n.F. erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Erwerbsvorgänge meint die in § 1 GrEStG geregelten Tatbestände. Der Begriff „Erwerbsvorgänge“ ist die amtliche Überschrift zu § 1 GrEStG und damit legal definiert. Gemeint ist der „Rechtsvorgang, der einen Erwerb erzeugt oder darauf gerichtet ist, einen Erwerb zu erzeugen“1. Verwirklicht ist ein Erwerbsvorgang für die Zwecke von § 23 GrEStG dann, „wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser verwirklichte Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht auch von der Finanzverwaltung aufgenommen wurde“2. Der Begriff der Erwerbsvorgänge umfasst mithin keine Vorgänge, die selbst keinen Tatbestand von § 1 verwirklichen, auch wenn sie zur Nichtwahrung einer Nachbehaltensfrist im Sinne von § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 oder § 7 Abs. 3 GrEStG führen. Mithin tritt bei am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0 Uhr laufenden fünfjährigen Nachbehaltensfristen i.S.v. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs. 3 GrEStG keine Verlängerung auf zehn Jahre ein. § 23 Abs. 24 GrEStG, wonach auch § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs. 3 GrEStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung nicht anzuwenden sind, wenn die in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 oder § 7 Abs. 3 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung geregelte Frist vor dem 1.7.2021 abgelaufen war, hat mithin insoweit keinen Anwendungsbereich3. § 23 Abs. 24 GrEStG stellt eine Rückausnahme zu § 23 Abs. 18 GrEStG dar, ist daher nur dann einschlägig, wenn die Neufassung der betreffenden Vorschrift des GrEStG nach § 23 Abs. 18 GrEStG anwendbar ist. Dass die Minderung des Anteils am Vermögen der Gesamthand, wenn diese Minderung selbst keinen Tatbestand i.S.v. § 1 GrEStG auslöst, keinen Erwerbsvorgang darstellt, ergibt sich auch aus dem BFH-Urteil II R 36/04 vom 29.9.20054, wonach, wenn ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand übergeht und eine der bisherigen Miteigentümer aus der Gesamthand mit der Folge ausscheidet, dass die Übertragung seines Miteigentumsanteils auf die Gesamthand nicht nach § 5 Abs. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist, die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für diesen Erwerbsvorgang nicht in entsprechender Anwendung von § 16 GrEStG aufzuheben ist, wenn später die Rückgängigmachung dieses Ausscheidens vereinbart wird. Ob die Nicht-Verlängerung am 30.6./1.7.2021 noch laufender Nachbehaltensfristen auch verfassungsrechtlich geboten ist, hat angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts keine Bedeutung. Ohne Bedeutung ist es auch, dass die Gesetzesbegründung zu § 23 Abs. 24 GrEStG anzudeuten scheint, dass ihre Autoren davon ausgingen, dass (ursprünglich am 31.12.2019/1.1.2020) noch laufende Nachbehaltens-Fristen durch diese Änderung des GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert würden5. Entscheidend für den Regelungsgehalt von § 23 Abs. 18, Abs. 24 GrEStG ist der Gesetzeswortlaut, nicht der Wortlaut der Gesetzesbegründung, zumindest dann, wenn der Gesetzeswortlaut – wie hier – eindeutig ist6.

1 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau19, § 3 GrEStG Rz. 10; vgl. auch Loose in Boruttau19, § 16 GrEStG Rz. 32. 2 Vgl. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; OFD NW v. 8.1.2015; OFD NW v. 8.1.2015 – S 4539-2015/0001, FMNR 014380015; vgl. hierzu Halaczinsky, UVR 2015, 300. 3 Vgl. Behrens/Seemaier, UVR 2021, 348. So auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2385 f.). 4 Vgl. BStBl. II 2006, 43. 5 Vgl. BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019 betr. Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GrEStG), S. 18. Auch zu ursprünglich § 23 Abs. 17 GrEStG-E war in der Gesetzesbegründung ohne Differenzierung zwischen Nach- und Vorbehaltensfristen ausgeführt worden, dass „die Verlängerung von Fristen (§ 1 Abs. 2a Satz 1, § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und § 7 Abs. 3 GrEStG …) grundsätzlich auch Bedeutung für Rechtsvorgänge der Vergangenheit“ habe. 6 Vgl. BFH v. 30.9.2015 – II R 13/14, BFH/NV 2016, 53, Tz. 14f: „Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist … . Der Entstehungsgeschichte kommt zwar zur Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers erhebliches Gewicht zu … . Es genügt aber nicht, dass sich Voraussetzungen oder Rechtsfolgen allein der Gesetzesbegründung entnehmen lassen. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat … . Die Gesetzesmaterialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen … .“

1000

Behrens

B. Anwendungsbereich der einzelnen Änderungen

Rz. 83 § 23

16. Keine Verlängerung vor dem 1.7.2021 bereits abgelaufener Vorbehaltensfristen § 23 Abs. 24 GrEStG ist nur für Fälle der bisher fünfjährigen, ab 1.7.2021 zehn- und in einem Spezial- 82 fall 15-jährigen Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG relevant. Der Erwerbsvorgang, für den die Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG n.F. Bedeutung hat, wird erst nach dem 30.6.2021 verwirklicht. Bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch Übergang von mindestens 90 %, ggf. 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter durch sukzessive Anteilsübergänge, wobei einer oder mehrere der Anteilsübergänge bereits vor dem 1.7.2021 erfolgten, weitere zum Erreichen der 90 %igen bzw. 95 %igen Schwelle erforderliche Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter jedoch erst nach dem 30.6.2021 erfolgen, ist m. E. für den Fall, dass die Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG vom Zeitpunkt des ersten Anteilsübergangs zurückgerechnet wird, noch auf den Fünf-Jahres-Zeitraum i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. abzustellen. Für den Fall, dass nicht 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, kommt für das Quantum von Anteilen, die in der Hand von schon bisher beteiligten Gesellschaftern verbleiben, die Nicht-Erhebung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG in Betracht. Das Ausmaß der Vergünstigung ist dabei auf die Deckungsgleiche der ursprünglichen unmittelbaren oder über eine oder mehrere Gesamthandsgemeinschaften vermittelten1 mittelbaren Beteiligungen am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft sowie der unmittelbaren oder über eine oder mehrere Gesamthandsgemeinschaften vermittelten mittelbaren Beteiligungen am Vermögen der fiktiv neuen Personengesellschaft beschränkt. Bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG durch sukzessive Anteilsübergänge stellt die Finanzverwaltung für das Ausmaß der Vergünstigung auf den Gesellschafterbestand vor dem ersten und nach dem letzten Anteilsübergang ab2. Weil für die Rückberechnung der Vorbehaltens-Frist an den Zeitpunkt des dinglichen Wirksamwerdens des ersten Anteilsübergangs anzuknüpfen ist3, ist die Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG von diesem vor dem 1.7.2021 liegenden dinglichen Anteilsübergang bzw. dessen dinglichen Wirksamwerden aus zurück zu rechnen. Weil die Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG bereits vor dem 1.7.2021 abgelaufen war, ist m.E. gem. § 23 Abs. 24 GrEStG die fünfjährige Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. maßgebend. Dass für die Frage der Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in Bezug auf denselben Erwerbsvorgang i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG für die Mindest-Vorbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 4 GrEStG die alte fünfjährige, für die Mindest-Nachbehaltens-Frist i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG jedoch die neue zehnjährige Mindest-Nachbehaltens-Frist relevant ist, spricht nicht gegen dieses Ergebnis. Das GrEStG enthält keine Regelung, wonach in den Fällen von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG die Vorbehaltens- und die Nachbehaltens-Fristen gleich lang sein müssen. Dass zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Gesetzesänderung bereits abgelaufene Fristen nicht nachträglich durch Gesetzesänderung verlängert werden können, entspricht der Rechtsprechung des BVerfG4.

XVIII. Erstmalige Anwendung der Änderungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) und durch das Gesetz 83 zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG) sind die grunderwerbsteuerrechtlichen Nichterhebungsvorschriften in § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG mit Wirkung ab 1.7.2021 eingeschränkt worden5. Das KöMoG sieht in § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 sowie § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG nur partielle, jedoch erhebliche Beschränkungen für nach § 1a KStG zur Körperschaftsteuer optierende Personengesellschaften vor. Die im StAbwG enthaltenen Änderungen in § 5 Abs. 1 Satz 3 und § 5 Abs. 2 Satz 3 sowie § 6 Satz 5 GrEStG schließen eine Anwendung von § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 3 GrEStG auf Grundstückserwerbe gänzlich 1 2 3 4

Vgl. BFH v. 24.9.1985 – II R 65/83, BStBl. II 1985, 714. Vgl. gleichlautende Erlasse zu §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 4.1. Diese Frage hat der BFH im Urteil II R 61/03 v. 27.4.2005, BStBl. II 2005, 649, Tz. 17, offengelassen. Vgl. BVerfG-Beschluss v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76, betr. rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist bei Spekulationsgeschäften von zwei auf zehn Jahre gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung vom 24.3.1999. 5 Vgl. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Wagner, DStZ 2021, 604; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617.

Behrens

1001

§ 23 Rz. 83 Anwendungsbereich aus, wenn es sich beim Erwerber um eine Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG mit Sitz im Ausland handelt, die aufgrund eines inländischen Geschäftsleitungsorts gesellschaftsrechtlich als Personengesellschaft behandelt wird. Das KöMoG war am 21.5.2021, das StAbwG am 10.6.2021 im Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat stimmte dem KöMoG wie auch dem StAbwG am 25.6.2021 zu. Die Änderungen des GrEStG traten am 1.7.2021 in Kraft1.

XIX. Erstmalige Anwendung der landesgesetzlich geregelten Grunderwerbsteuersätze 84

§ 23 GrEStG enthält keine Anwendungsregelung hinsichtlich der landesrechtlichen Normen über die Grunderwerbsteuersätze. Die Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG hat der Bund den Ländern mit Wirkung vom 1.9.2006 (Art. 2 des Gesetzes v. 28.8.2006)2 übertragen, so dass diese seitdem von § 11 Abs. 1 GrEStG abweichende Grunderwerbsteuersätze bestimmen können. Den zeitlichen Anwendungsbereich regeln daher jeweils die entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen, soweit die Länder von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben (s. oben Rz. 20 und § 11 Rz. 2, Rz. 4).3

§§ 24 bis 27 (weggefallen)

1 Vgl. KöMoG vom 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 ff., Art. 12 Abs. 2, und StAbwG vom 25.6.2021, Art. 13, BGBl. I 2021, 2056 ff. 2 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) v. 28.8.2006, BGBl. I 2006, 2034. 3 Vgl. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 44; S. die Überblicke bei Hofmann11, § 11 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 11 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 11 GrEStG Rz. 19.

1002

Behrens

§ 23 Rz. 83 Anwendungsbereich aus, wenn es sich beim Erwerber um eine Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG mit Sitz im Ausland handelt, die aufgrund eines inländischen Geschäftsleitungsorts gesellschaftsrechtlich als Personengesellschaft behandelt wird. Das KöMoG war am 21.5.2021, das StAbwG am 10.6.2021 im Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat stimmte dem KöMoG wie auch dem StAbwG am 25.6.2021 zu. Die Änderungen des GrEStG traten am 1.7.2021 in Kraft1.

XIX. Erstmalige Anwendung der landesgesetzlich geregelten Grunderwerbsteuersätze 84

§ 23 GrEStG enthält keine Anwendungsregelung hinsichtlich der landesrechtlichen Normen über die Grunderwerbsteuersätze. Die Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG hat der Bund den Ländern mit Wirkung vom 1.9.2006 (Art. 2 des Gesetzes v. 28.8.2006)2 übertragen, so dass diese seitdem von § 11 Abs. 1 GrEStG abweichende Grunderwerbsteuersätze bestimmen können. Den zeitlichen Anwendungsbereich regeln daher jeweils die entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen, soweit die Länder von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben (s. oben Rz. 20 und § 11 Rz. 2, Rz. 4).3

§§ 24 bis 27 (weggefallen)

1 Vgl. KöMoG vom 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 ff., Art. 12 Abs. 2, und StAbwG vom 25.6.2021, Art. 13, BGBl. I 2021, 2056 ff. 2 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) v. 28.8.2006, BGBl. I 2006, 2034. 3 Vgl. Pahlke6, § 23 GrEStG Rz. 44; S. die Überblicke bei Hofmann11, § 11 GrEStG Rz. 1; Pahlke6, § 11 GrEStG Rz. 4; Viskorf in Boruttau19, § 11 GrEStG Rz. 19.

1002

Behrens

§ 28 (Inkrafttreten) § 28 GrEStG galt bis zum 31.12.1996 und bestimmte, dass das neue GrEStG v. 17.12.19821 erstmals am 1.1.1983 in Kraft trat. Der Gesetzestext lautete damals „Dieses Gesetz tritt am 1.1.1983 in Kraft.“ In der ab dem 1.1.1997 geltenden Fassung des GrEStG2 ist der Gesetzestext des § 28 GrEStG nicht mehr enthalten. Das GrEStG wurde vom Bund aufgrund der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG erlassen. Den Ländern verbleibt daher (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG) nur die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG hinsichtlich der Bestimmung des Grunderwerbsteuersatzes. Den zeitlichen Anwendungsbereich des GrEStG 1983 regeln § 23 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG. Das GrEStG erfuhr Änderungen durch Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 31 EinigungsVertr v. 31.8.1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes v. 23.9.19903 und gilt in den fünf neuen Bundesländern (Beitrittsgebiet, vgl. Art. 1 Abs. 1 EinigungsVertr) seit dem 1.1.1991.

1 BGBl. I 1982, 1777. 2 Neufassung des GrEStG durch Bekanntmachung v. 26.2.1997, BGBl. I 1997, 418, 1804, 1982. 3 BGBl. II 1990, 885 (998).

Bartone

1003

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Anhang Verfahrensrecht A. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Grunderwerbsteuer I. Gesetzgebungshoheit und verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . II. Ertragshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwaltungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besteuerungsverfahren I. Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO) 1. Steuerbescheid (§ 155 AO) . . . . . . . . 2. Aufhebung und Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden . . . . . . . . . 3. Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) II. Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) 1. Gegenstand des Erhebungsverfahrens . . 2. Erlass (§ 227 AO)

1 3 4

. .

5

. . . .

8 9

. . 12

a) Unbilligkeit der Einziehung der Grunderwerbsteuer im Einzelfall . . . . . . . . aa) Persönliche Billigkeitsgründe . . . . bb) Sachliche Billigkeitsgründe . . . . . b) Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff. AO) 1. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . . . . . 2. Grunderwerbsteuer in der Insolvenz des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbehelfs- und Klageverfahren 1. Einspruchsverfahren (§§ 347 ff. AO) . . . . 2. Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . .

14 16 19 25 26 28 29 36 37 38

Literatur: Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl. 2007; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021; Heine, Die grunderwerbsteuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2004, 230; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2011; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, 2004; Roth, Insolvenzsteuerrecht, 3. Aufl. 2020; Schaumburg/Hendricks, Steuerrechtsschutz, 4. Aufl. 2018; Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band II, 2. Aufl. 2003; Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020; Waza/Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 13. Aufl. 2021; Wohltmann, Der Grunderwerbsteuerbescheid im Korrektursystem der Abgabenordnung, UVR 2010, 108.

A. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Grunderwerbsteuer I. Gesetzgebungshoheit und verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die Grunderwerbsteuer ist eine durch das GrEStG bundesgesetzlich geregelte Steuer. Sie war bereits in Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG in der (Ur-)Fassung vom 23.5.19491 als Element der Finanzverfassung ausdrücklich aufgeführt.2 Die Gesetzgebungshoheit des Bundes ergibt sich hierfür als konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 72 Abs. 1 GG) aus Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG. Den Ländern verbleibt gem. Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG nur die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Bestimmung des Steuersatzes bei der GrESt.

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Bei der Grunderwerbsteuer handelt es sich um eine (Rechts-)Verkehrsteuer (Rz. 3) im Sinne einer Sonderumsatzsteuer,3 deren Belastungsgrund die Einkommens- bzw. Vermögensverwendung als Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit darstellt.4 Zu ihrem Wesen – wie zu demjenigen aller Verkehrssteuern – gehört, dass sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpft.5 Sie erfasst der Sache nach Grundstücksumsätze, d.h. die Lie-

2

1 2 3 4

BGBl. I 1949, 1 (14). Siehe BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152. Englisch in Tipke/Lang24, Rz. 18.3. Englisch in Tipke/Lang24, Rz. 18.4; Tipke, StRO II2, S. 1017; a.A. BFH v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526. 5 BVerfG v. 7.5.1963 – 2 BvL 8/61, 2 BvL 10/61, BVerfGE 16, 64 (73); v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152.

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Anhang Rz. 2 Verfahrensrecht ferung von Grundstücken und gleichgestellte Erwerbsgeschäfte,1 wie sie in § 1 GrEStG abschließend geregelt sind. Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist der Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts, der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruht; steuerbar ist mithin der Erfolg, der aufgrund eines auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt.2 Dementsprechend ist verfassungsrechtlich damit zu rechtfertigten, dass sie einen Aspekt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – das Vermögen, ein Grundstück entgeltlich zu erwerben – sachgerecht erfasst.3 Anders ausgedrückt ist es sachgerecht, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die ihren Ausdruck im entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks findet, mit der Grunderwerbsteuer zu belasten.

II. Ertragshoheit 3

Bei der Grunderwerbsteuer handelt es sich um eine (Rechts-)Verkehrsteuer i.S.v. Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG (Rz. 2),4 und damit nicht nur um eine Verkehrsteuer im rechtstechnischen, sondern auch im verfassungsrechtlichen Sinn. Die Ertragshoheit liegt, wie aus der Nennung der Verkehrssteuern in Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG folgt, bei den Ländern, da die genannte Norm die Ertragshoheit hinsichtlich der abschließend aufgezählten Steuern ausschließlich den Ländern zuweist.

III. Verwaltungshoheit 4

Gemäß Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG erfolgt die Verwaltung der Grunderwerbsteuer durch die Landesfinanzbehörden i.S.v. Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. § 2 Abs. 1 FVG, da es sich in Abgrenzung zu den in Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG um eine bundesgesetzlich geregelte (Rz. 1) „übrige“ Steuer handelt. Sachlich zuständige Landesfinanzbehörden sind die Finanzämter (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 17 Abs. 2 Satz 1 FVG, § 16 AO). Ihre örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 17 Abs. 1 GrEStG (s. § 17 Rz. 25 ff.).5 Hierbei besteht für die Länder die Befugnis, gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG einem Finanzamt die Zuständigkeit für die Grunderwerbsteuer für mehrere Finanzamts-Bezirke zu übertragen. Dieses Finanzamt mit der Sonderzuständigkeit ist damit sachlich und örtlich für die Grunderwerbsteuer zuständig.6 Von dieser Befugnis wurde z.B. im Saarland und in Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht.

B. Besteuerungsverfahren I. Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO) 1. Steuerbescheid (§ 155 AO) 5

Die Grunderwerbsteuer wird durch einen Steuerbescheid i.S.v. § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO festgesetzt. Inhaltsadressaten sind die Schuldner der GrESt (s. dazu § 13 Rz. 1 ff.). Gesamtschuldnern gegenüber wird die Grunderwerbsteuer jeweils gesondert, nicht notwendigerweise gleichzeitig festgesetzt. Die FinBeh. kann ihnen gegenüber nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO auch einen zusammengefassten Grunderwerbsteuerbescheid erlassen. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist schriftlich oder elektronisch zu erlassen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein Verstoß gegen dieses zwingende Formerfordernis führt gem. § 125 Abs. 1 AO zur Nichtigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids.7 1 Vgl. Tipke, StRO II2, S. 1017; s. dort auch zur Kritik an der unterschiedlichen Terminologie im UStG und im GrEStG. 2 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 (213) M = FR 1992, 270; v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152. 3 Vgl. Tipke, StRO II2, S. 1017. 4 BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152. 5 Vgl. Werth in Kühn/von Wedelstädt22, § 17 AO Rz. 2. 6 Vgl. BFH v. 26.3.1991 – XI R 39/88, BStBl. II 1991, 439; v. 19.4.2012 – III R 85/11, BFH/NV 2012, 1411; s. z.B. auch Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 17 FVG Rz. 6. 7 Vgl. z.B. BFH v. 5.5.1999 – II R 44/96, BFH/NV 2000, 8; von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt22, § 125 AO Rz. 18.

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B. Besteuerungsverfahren

Rz. 9 Anhang

Wirksam wird der Grunderwerbsteuerbescheid gem. § 124 Abs. 1 AO mit seiner (wirksamen) Be- 6 kanntgabe nach Maßgabe des § 122 AO. Bekannt zu geben ist der Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber den Steuerschuldnern, die als Inhaltsadressaten grundsätzlich auch Bekanntgabeadressaten sind. Ist der Steuerschuldner nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig, muss der Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber dem gesetzlichen Vertreter (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO) bekannt gegeben werden. Dies gilt auch für juristische Personen. Für nichtrechtsfähige Personenvereinigungen erfolgt die Bekanntgabe nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 AO i.V.m. den jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen Regelungen über die Vertretung, ggf. i.V.m. den jeweiligen vertraglich geregelten Abweichungen. Wie jeder andere (Steuer-)Verwaltungsakt (§ 118 AO) muss auch ein Grunderwerbsteuerbescheid 7 hinreichend bestimmt sein i.S.v. § 119 Abs. 1 AO. Dadurch soll sichergestellt werden, dass für den Betroffenen der besteuerte Sachverhalt, das Entstehen der Steuerschuld und ggf. das Eingreifen von Steuerbefreiungen und -vergünstigungen sowie der Verjährung (vgl. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO) ohne weiteres feststellbar sind.1 Außerdem hängt hiervon der Umfang der Bestandskraft ab.2 § 157 Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt hierzu ausdrücklich, dass Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art – als Grunderwerbsteuer – und Betrag bezeichnen und angeben müssen, wer die Steuer schuldet.3 Außerdem muss angeführt werden, welcher Sachverhalt (Erwerbsvorgang) mit der Angabe des betroffenen Grundstücks4 besteuert wird.5 Grundsätzlich ist für jeden Erwerbsvorgang ein gesonderter Grunderwerbsteuerbescheid zu erlassen.6 Bei einem Erwerb mehrerer Grundstücke zu einem einheitlichen Kaufpreis ist es nicht schlechthin ausgeschlossen, diese Mehrzahl von Erwerbsfällen in einem zusammengefassten Grunderwerbsteuerbescheid zu erfassen.7 Dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO ist in diesem Fall Genüge getan, wenn sich durch ausdrückliche Bezugnahme auf den Kaufvertrag, in dem der Erwerb mehrerer Grundstücke zu einem einheitlichen Kaufpreis beurkundet ist, ergibt, für welche Erwerbsvorgänge die aus dem Gesamtkaufpreis festgesetzte Steuer erhoben wird.8 2. Aufhebung und Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden Die Aufhebung und Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften, also §§ 129, 164 Abs. 2, 165 Abs. 2, 172 ff. AO. Allerdings enthält § 16 GrEStG eine spezielle Korrekturnorm für Grunderwerbsteuerbescheide, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Korrekturvorschriften verdrängt, welche ihrerseits i.Ü. aber neben § 16 GrEStG anwendbar sind.9 Bei § 16 GrEStG handelt es sich um eine Änderungsvorschrift i.S.v. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO.10 Zu den Einzelheiten s. § 16 Rz. 1.

8

3. Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) Die zeitliche Grenze für den Erlass (und die Änderung) von Grunderwerbsteuerbescheiden ist der Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist tritt Festsetzungsverjährung ein, welche zum Erlöschen des Grunderwerbsteueranspruchs führt (§ 47 AO). Zu weiteren Erlöschensgründen s. Rz. 13. Die regelmäßige Festsetzungsfrist beträgt gem. § 169 Abs. 2 1 BFH v. 30.1.1980 – II R 90/75, BStBl. II 1980, 316; v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; v. 21.5.2001 – II R 55/99, BFH/NV 1999, 1377; v. 2.7.2004 – II R 74/01, BFH/NV 2004, 1511; v. 22.9.2004 – II R 50/03, AOStB 2005, 168 = BFH/NV 2005, 993; Güroff in Gosch, § 119 AO Rz. 7. 2 BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851; Güroff in Gosch, § 119 AO Rz. 7. 3 BFH v. 22.8.2007 – II R 44/05, BStBl. II 2009, 754 = AO-StB 2008, 37. 4 BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719. 5 BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903; v. 22.8.2007 – II R 44/05, BStBl. II 2009, 754 = AO-StB 2008, 37. 6 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; v. 17.8.1995 – II B 44/95, BFH/NV 1996, 173; Pahlke6, Vorb. § 15 GrEStG Rz. 5. 7 BFH v. 12.10.1983 – II R 56/81, BStBl. II 1984, 140; v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; v. 17.8.1995 – II B 44/95, BFH/NV 1996, 173; v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 487. 8 BFH v. 13.12.2007 – II R 28/07, BStBl. II 2008, 487; v. 8.3.2017 – II R 38/14, DStR 2017, 1203. 9 BFH v. 17.4.2002 – II B 120/00, BFH/NV 2002, 1170; v. 7.4.2004 – II B 2/03, juris; Pahlke6, § 16 GrEStG Rz. 4, 86 f.; Wohltmann, UVR 2010, 108. 10 S. z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 172 AO Rz. 41.

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9

Anhang Rz. 9 Verfahrensrecht Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt nach § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Grunderwerbsteuer entstanden ist (s. dazu § 14 Rz. 12 ff.), soweit der Erwerbsvorgang lediglich der Anzeigepflicht von Gerichten, Behörden und Notaren aus § 18 GrEStG, also Dritter, unterliegt.1 Soweit § 19 GrEStG den am Erwerbsvorgang selbst Beteiligten Anzeigepflichten auferlegt, greift die sog. Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 AO.2 Soweit diese Anlaufhemmung eingreift, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Anzeige nach § 19 GrEStG vorgenommen wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Jahr der Steuerentstehung folgt. 1. Die Grunderwerbsteuer entsteht gem. § 38 AO im Jahr 01. Im Jahr 02 wird die Anzeige gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erstattet. Die Festsetzungsfrist beginnt deshalb gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 AO mit Ablauf des 31.12.2002 und endet – vorbehaltlich einer Ablaufhemmung i.S.v. § 171 AO – im Hinblick auf § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31.12.2006. 2. Wie Bsp. 1, allerdings wird die Anzeige pflichtwidrig nicht erstattet. Die Festsetzungsfrist beginnt in diesem Fall nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AO mit Ablauf des 31.12.2004 und endet mit Ablauf des 31.12.2008.

10

Die Festsetzungsfrist verlängert sich gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre im Falle einer Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 AO bzw. auf fünf Jahre im Fall einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S.v. § 378 AO. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verweist auf die Tatbestände der §§ 370, 378 AO,3 so dass sich die Festsetzungsfrist nur verlängert, wenn die Grunderwerbsteuer nach § 370 AO hinterzogen oder gem. § 378 AO leichtfertig verkürzt worden ist.4

11

Bei der Bestimmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ist u.U. eine Ablaufhemmung aufgrund eines der in § 171 AO geregelten Tatbestände zu beachten. Die Ablaufhemmung bewirkt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist um die gehemmte Zeit hinausgezögert wird, d.h. der planmäßige Eintritt der Festsetzungsverjährung wird hinausgeschoben.5

II. Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) 1. Gegenstand des Erhebungsverfahrens 12

Das Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) ist der Abschnitt des Besteuerungsverfahrens, der sich an das Festsetzungsverfahren (Rz. 5 ff.) und in dem es um die Verwirklichung des in einem Steuerbescheid festgesetzten Grunderwerbsteueranspruchs geht (vgl. § 218 Abs. 1 Satz 1 AO). Dazu gehört u.a. die Frage der Fälligkeit des Grunderwerbsteueranspruchs, die in § 15 GrEStG eine spezielle Regelung erfahren hat (s. dazu § 15 Rz. 1 ff.). Auch die im Zusammenhang damit stehende Frage der Stundung (§ 222 AO), welche das Hinausschieben der Fälligkeit bewirkt, ist Teil des Erhebungsverfahrens (s. dazu § 15 Rz. 23 ff.).

13

Den Kern des Erhebungsverfahrens bilden die Regelungen über die Verwirklichung des Grunderwerbsteueranspruchs bzw. über dessen Erlöschen. Der Grunderwerbsteueranspruch erlischt gem. § 47 AO insbesondere durch Zahlung (§§ 224 ff. AO), Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB), durch Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO; Rz. 9 f.) oder Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO; § 15 Rz. 7, 19) sowie durch den Erlass aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO; Rz. 14 ff.). 2. Erlass (§ 227 AO) a) Unbilligkeit der Einziehung der Grunderwerbsteuer im Einzelfall

14

Die festgesetzte Grunderwerbsteuer kann gem. § 227 AO ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden (§ 227 Halbs. 2 AO). Die Unbilligkeit kann sich aus persönlichen (Rz. 14) oder sachlichen Gründen (Rz. 15 ff.) ergeben. 1 2 3 4 5

Vgl. z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 170 AO Rz. 5. Vgl. z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 170 AO Rz. 5. BFH v. 2.4.2014 – VIII R 38/13, BStBl. II 2014, 698 = FR 2015, 240. Siehe zu weiteren Einzelheiten z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 169 AO Rz. 9. BFH v. 27.7.1994 – XI S 1/94, BStBl. II 1994, 787; v. 14.9.2007 – VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25.

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B. Besteuerungsverfahren

Rz. 18 Anhang

Aus den gleichen Gründen wie ein Erlass gem. § 227 AO kann auch eine abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer gem. § 163 AO vorgenommen werden. Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Grunderwerbsteuer niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Zur Frage der (Un-)Billigkeit s. nachfolgend Rz. 17 ff. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Billigkeitsmaßnahmen besteht darin, dass § 163 AO das Festsetzungsverfahren betrifft, während der Erlass nach § 227 AO im Erhebungsverfahren erfolgt.1

15

aa) Persönliche Billigkeitsgründe Der Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit vo- 16 raus. Nur die Erfüllung beider Voraussetzungen lässt die Einziehung der Steuer als unbillig erscheinen. Deshalb reicht für die Ablehnung eines Erlasses bereits die Verneinung einer dieser Voraussetzungen aus.2 Allerdings ist ein Erlass der Grunderwerbsteuer aus persönlichen Billigkeitsgründen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen,3 dürfte aber kaum in Betracht kommen.4 Denn die Grunderwerbsteuer stellt bei Grundstücksgeschäften einen Kostenfaktor unter vielen anderen dar,5 auf den sich der Steuerpflichtige einstellen muss. Diese hat die FinBeh. bei der Prüfung, ob die Erhebung der Steuer eine dem Besteuerungszweck fremde, vom Gesetzgeber nicht gewollte Härte wäre, zu beachten.6 Erlassbedürftigkeit ist gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde.7 Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann.8

17

Neben die Erlassbedürftigkeit (Rz. 15) tritt die Erlasswürdigkeit. Diese fehlt, wenn der Steuerpflichtige seine mangelnde Leistungsfähigkeit selbst herbeigeführt oder durch sein Verhalten in eindeutiger, mindestens grob fahrlässiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat.9 So kann eine grob fahrlässige Vernachlässigung von steuerlichen Verpflichtungen die Erlasswürdigkeit ausschließen, z.B. wenn der Steuerpflichtige sich überhaupt nicht um die steuerlichen Verpflichtungen, mit denen er nach seinem jeweiligen Bildungsgrad rechnen musste, gekümmert hat, indem er vorhandene Mittel anderweitig verwendet.10 Daher fehlt die Erlasswürdigkeit, wenn der bei der Grundstücksveräußerung erzielte, nicht unerheblichen Mehrerlös zur Begleichung von Lieferantenverbindlichkeiten und der Verbindlichkeiten bei der Bank verwendet werden, während die geschuldete Grunderwerbsteuer als letztrangige Kosten behandelt wird und deshalb letzten Endes nicht mehr gezahlt werden kann.11 Denkbar ist die Bejahung der Erlasswürdigkeit demnach bei unverschuldeter Existenzgefährdung oder unabwendbaren Ereignissen wie Unwetter, Hochwasser oder ähnlichen Katastrophen, insbesondere wenn diese nach Verwirklichung des Steuertatbestands eintreten,12 möglicherweise auch bei Insolvenz des Verkäufers vor vollständiger Erfüllung des Grundstückserwerbsgeschäfts.13

18

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Siehe z.B. von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt22, § 163 AO Rz. 1. BFH v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552. BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 49. BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649. BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649. BFH v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552. Siehe z.B. BFH v. 27.9.2001 – X R 134/98, BStBl. II 2002, 176 = AO-StB 2002, 108; v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552. Siehe z.B. BFH v. 29.4.1981 – IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726 = FR 1981, 575; v. 27.2.1985 – II R 83/83, BFH/ NV 1985, 6. Siehe z.B. BFH v. 29.4.1981 – IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726 = FR 1981, 575; v. 27.2.1985 – II R 83/83, BFH/ NV 1985, 6. BFH v. 27.2.1985 – II R 83/83, BFH/NV 1985, 6. Vgl. Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 49; Loose in T/K, § 227 AO Rz. 106. So angedeutet in BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649.

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Anhang Rz. 19 Verfahrensrecht bb) Sachliche Billigkeitsgründe 19

Ein Erlass kommt aus sachlichen Gründen in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar formal dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint.1 Das bedeutet, dass zwar ein gesetzlicher Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt wird, die hieraus resultierende Rechtsfolge, nämlich die Entstehung der Grunderwerbsteuer, im konkreten Einzelfall jedoch nicht dem Zweck und den Wertungen des GrEStG entspricht.

20

Der Umstand, dass sich eine bestandskräftige Grunderwerbsteuerfestsetzung nachträglich als rechtswidrig erweist, begründet für sich genommen noch nicht die sachliche Unbilligkeit, denn grundsätzlich kann eine bestandskräftige Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren nicht mehr sachlich überprüft werden. Die Rechtsordnung geht nämlich aufgrund einer Abwägung zwischen materieller Einzelfallgerechtigkeit und der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Rechtssicherheit, deren Ausdruck die Bestandskraft ist, von einem grundsätzlichen Vorrang der letzteren aus. Daher ist es hinzunehmen, dass auch materiell rechtswidrige Verwaltungsakte die Grundlage für die Erhebung von Steuern darstellen können. Dies kommt u.a. in § 124 Abs. 2 AO zum Ausdruck. Etwas anderes gilt nur, wenn die Festsetzung der Grunderwerbsteuer offensichtlich und eindeutig unrichtig und es dem Steuerpflichtigen unzumutbar war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit mit dem Einspruch (§§ 347 ff. AO) und gegebenenfalls mit einer Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO) zu wehren.2 Die Frage, ob eine Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist, ist aus einer „ex-ante-Betrachtung“ zu beurteilen und nicht zu einem späteren Zeitpunkt. Anderenfalls stünde es im Belieben des Steuerpflichtigen, über einen längeren Zeitraum bestandskräftige Steuerverwaltungsakte an etwaige Entwicklungen oder Änderungen der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung anzupassen, was mit dem Sinn und Zweck der Bestandskraft nicht in Einklang zu bringen wäre.3 Einem Steuerpflichtigen, der einen Grunderwerbsteuerbescheid bestandskräftig werden lässt, obwohl ihm die Einlegung eines Rechtsbehelfs zumutbar war, ist entgegenzuhalten, dass es kein schutzwürdiges Vertrauen darauf geben kann, dass Verwaltungsakte grundsätzlich rechtmäßig sind. Es ist daher nicht unbillig, dass ihn dann die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unanfechtbarkeit treffen.4

21

Auch der Umstand, dass eine bestandskräftig festgesetzte Steuer im Widerspruch zu einer später entwickelten, geänderten oder auch nur präzisierten Verwaltungsauffassung steht, begründet für sich nicht die sachliche Unbilligkeit von deren Einziehung und rechtfertigt demnach keinen Steuererlass nach § 227 AO.5

22

Ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers ist nicht erkennbar, wenn durch „ungeschickte“ steuerrechtliche Gestaltung hinsichtlich desselben Grundstücks nacheinander mehrere Erwerbsvorgänge verwirklicht werden, obwohl das wirtschaftliche Ergebnis auch durch einen einzigen Erwerbsvorgang hätte erreicht werden können. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, zwei dasselbe Grundstück betreffende aufeinanderfolgende Erwerbsvorgänge zwischen demselben Erwerber und verschiedenen Veräußerern jeweils gesondert zu besteuern, obgleich nur einer dieser Erwerbsvorgänge einen Rechtsträgerwechsel herbeigeführt hat. Soweit es somit zu einer Steuerschuld ohne Rechtsträgerwechsel kommt, entspricht dies der Sachgesetzlichkeit des GrEStG.6 Im Zuge einer mehrstufigen Konzernumbildung wird hinsichtlich desselben Grundstücks einer Tochter- bzw. Enkelgesellschaft hintereinander insgesamt dreimal der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG sowie auf der letzten Stufe derjenige des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Wäre der letzte Schritt zuerst vorgenommen worden,

1 BFH v. 5.6.2002 – I R 115/00, AO-StB 2002, 367 = BFH/NV 2002, 1549; v. 7.7.2004 – II R 3/02, BStBl. II 2004, 1006; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486. 2 BFH v. 6.10.2005 – V R 15/04, BFH/NV 2006, 836; v. 25.2.2008 – IV B 48/07, juris; v. 4.11.2009 – VI B 60/08, BFH/NV 2010, 468. 3 FG Berlin-Bdb. v. 29.6.2010 – 5 K 2292/06 B, EFG 2012, 206, rkr. nach Zurückweisung der NZB, BFH v. 1.4.2011 – XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372. 4 Vgl. BFH v. 31.3.1981 – VII R 1/79, BStBl. II 1981, 507. 5 FG Berlin-Bdb. v. 29.6.2010 – 5 K 2292/06 B, EFG 2012, 206, rkr. nach Zurückweisung der NZB, BFH v. 1.4.2011 – XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372. 6 BFH v. 18.11.2009 – II R 11/08, BStBl. II 2010, 498; v. 28.3.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486.

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B. Besteuerungsverfahren

Rz. 26 Anhang

wäre nur ein einziger Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt worden und nur einmal die Grunderwerbsteuer entstanden. In diesem Fall ist die Erhebung der Grunderwerbsteuer für alle vier Schritte die typische und vom Gesetzgeber gewollte Folge der Verwirklichung von vier grunderwerbsteuerrechtlich geregelten Erwerbstatbeständen, mögen diese auch sachlich und zeitlich miteinander verknüpft sein. Es handelt sich um einen Normalfall, wie er im Gesetz angelegt ist. Dabei besteht ein systemtragendes Element des GrEStG darin, dass jeder Erwerbsvorgang gesondert zu betrachten ist. Eine Zusammenfassung mehrerer Erwerbsvorgänge zu einem „wirtschaftlich betrachtet“ einzigen Erwerbsvorgang scheidet aus.1 Eine wirtschaftliche Gesamtschau der Konzernumbildung lässt sich damit nicht in Einklang bringen.

Die Einziehung von Grunderwerbsteuer ist nicht deshalb sachlich unbillig, weil sich die Erwartungen, die den Erwerber zum Erwerb des Grundstücks veranlassten, z.B. Wegfall der Mietpreisbindung oder die Erwartung positiver Mieterträge, nach Verwirklichung des steuerbaren Rechtsvorgangs nicht erfüllt haben.2

23

In der Rspr. des BFH wurde angedeutet, dass eine unbillige Härte i.S.d. § 227 AO auch dann vorliegen kann, wenn das erworbene Gebäude durch Feuer vernichtet wird.3

24

b) Ermessensentscheidung Nach der früheren Rechtsprechung des BFH sollte die Entscheidung über den Erlass auch in Bezug auf die „Unbilligkeit“ der Einziehung des betroffenen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis eine Ermessensentscheidung darstellen.4 Demnach erfolgte eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Rechtsfolgenseite, also der Frage, ob – bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 227 AO, insbesondere auch der Frage, ob die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis unbillig ist – die FinBeh. ihr Ermessen im Einklang mit § 5 AO ordnungsgemäß ausgeübt oder ermessensfehlerhaft gehandelt hat (§ 102 Satz 1 FGO). Maßgeblich sind dabei nur diejenigen für die Verwaltungsentscheidung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse, die der FinBeh. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.5 Diese zu Recht kritisierte Rechtsprechung hat der BFH insoweit aufgegeben, als er nunmehr zutreffend davon ausgeht, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der Billigkeit in § 227 AO (ebenso wie in § 163 AO) um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.6 Das in § 227 AO verwendete Modalverb „kann“ ist im Sinne einer Befugnis zu verstehen, die Steuerschuld unter Durchbrechung der Grundsätze der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zu erlassen. Nach hier vertretener Auffassung besteht demnach ein Anspruch auf Erlass des Grunderwerbsteueranspruchs, wenn dessen Einziehung im Einzelfall unbillig ist. Demgegenüber geht der BFH weiterhin davon aus, dass es sich bei der Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO oder § 227 AO um eine Ermessensentscheidung handelt.7

25

c) Verfahren Verfahrensrechtlich wird über den Erlass nach § 227 AO in einem gesonderten Verwaltungsverfahren entschieden. Eines Antrags bedarf es nicht, wenngleich in aller Regel ein Antrag des Schuldners das Erlassverfahren auslöst. Die Gewährung des Erlasses erfolgt durch einen Verwaltungsakt i.S.v. § 118 Satz 1 AO (Erlassverfügung), der mit seiner Bekanntgabe (§ 122 AO) wirksam wird (§ 124 Abs. 1 AO) und zum Erlöschen der erlassenen Grunderwerbsteuerschuld führt (§ 47 AO; s. Rz. 13). Vgl. BFH v. 14.5.2003 – II B 70/02, BFH/NV 2003, 1448; Pahlke6, Einl. GrEStG Rz. 33. BFH v. 15.6.1977 – II R 119/71, BStBl. II 1977, 807. BFH v. 10.5.1972 – II 57/64, BStBl. II 1972, 649. GemSenOGB v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603. St. Rspr, z.B. BFH v. 30.10.1990 – VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509; v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552. 6 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232; v. 11.7.2018 – XI R 33/16, BStBl. II 2019, 258; v. 22.7.2020 – II R 42/17, BFH/NV 2021, 633; Loose in T/K, § 227 AO Rz. 22. 7 Vgl. z.B. BFH v. 12.7.2017 – VI R 36/15, BStBl. II 2017, 979; v. 15.5.2018 – VII R 14/17, BFH/NV 2018, 1137; v. 27.2.2019 – VII R 34/17, BFH/NV 2019, 736; v. 22.7.2020 – II R 42/17, BFH/NV 2021, 633.

1 2 3 4 5

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Anhang Rz. 26 Verfahrensrecht Die Ablehnung des Erlasses kann mit dem Einspruch (§ 347 Abs. 1 AO) angefochten und ggf. mit einer Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 2 FGO) gerichtlich angegriffen werden. 27

Auch über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO, die ebenfalls keines Antrags bedarf, wird in einem gesonderten Verwaltungsverfahren entschieden. Sie ist sodann ein für die Festsetzung einer Steuer bindender Verwaltungsakt und damit Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung i.S.v. § 171 Abs. 10 Satz 1 AO, die folglich nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen ist (vgl. § 163 Abs. 2 Satz 4 AO).1 Die Billigkeitsmaßnahme unterliegt unmittelbar keinen gesetzlichen Fristen. Die Regeln über die Festsetzungsverjährung nach §§ 169 ff. AO sind nicht anwendbar, denn die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist trotz der insoweit missverständlichen Formulierung der Überschrift des § 163 AO sowie in § 163 Abs. 1 Satz 1 AO keine Steuerfestsetzung i.S.v. §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 1 Satz 1 AO, sondern um einen Grundlagenbescheid für diese.2 Erst der Folgebescheid setzt die Steuer fest.3 Zu beachten ist indessen, dass die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gem. § 171 Abs. 10 Satz 2 AO nur dann greift, wenn die Billigkeitsmaßnahme vor Eintritt der Bestandskraft des zu ändernden Grunderwerbsteuerbescheids beantragt wurde.

III. Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff. AO) 1. Einzelzwangsvollstreckung 28

Wird die festgesetzte Grunderwerbsteuerschuld bei Fälligkeit (s. § 15 Rz. 2 ff.) nicht beglichen, kommt es zur Vollstreckung (§§ 249 ff. AO) des Grunderwerbsteuerbescheids, also zur zwangsweisen Durchsetzung des Grunderwerbsteueranspruchs. Neben der Fälligkeit (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO; s. § 15 Rz. 5)4 bedarf es der Vollstreckbarkeit des Grunderwerbsteuerbescheids (§ 251 Abs. 1 AO), d.h. seine Vollziehung darf nicht ausgesetzt sein (§§ 361 Abs. 2, 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO). Weitere Voraussetzungen für die Vollstreckung sind grundsätzlich ein Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO), die Einhaltung der Wochenfrist des § 254 Abs. 1 Satz 1 AO, in der Regel eine Mahnung (§ 259 Satz 1 AO) sowie die Einräumung einer Zahlungsfrist von einer Woche (§ 259 Satz 1 AO). Die Auswahl des Vollstreckungsmittels steht im pflichtgemäßen Ermessen der Vollstreckungsbehörde (Auswahlermessen). In erster Linie sollen solche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, von denen nach den besonderen Umständen des Falles bei angemessener Berücksichtigung der Belange des Vollstreckungsschuldners am schnellsten und sichersten ein Erfolg zu erwarten ist.5 Dabei ist der – als im gesamten öffentlichen Recht allgemein geltende Schranke für staatliches, insbesondere behördliches Ermessen6 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der dem Ermessen eine Grenze setzt.7 Zur einstweiligen Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gem. § 258 AO s. § 15 Rz. 31. 2. Grunderwerbsteuer in der Insolvenz des Steuerpflichtigen

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Wird über das Vermögen des Grunderwerbsteuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, sind Grunderwerbsteuerforderungen abweichend vom regulären Besteuerungsverfahren (Festsetzungsverfahren, §§ 155 ff. AO), welche sich als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO; Rz. 30) darstellen, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des oder der Grunderwerbsteuerschuldner durch Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) geltend zu machen, unabhängig davon, ob die betreffende Grunderwerbsteuerforderung durch einen Steuerbescheid festgesetzt war oder nicht. Dies folgt aus § 251 1 St. Rspr, vgl. z.B. BFH v. 1.10.2015 – X R 32/13, BStBl. II 2016, 139 = AO-StB 2016, 7; v. 21.7.2016 – X R 11/14, BStBl. II 2017, 22 = AO-StB 2017, 8; s. z.B. auch Bartone in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 1308 m.w.N.; Paetsch in Gosch, § 171 AO Rz. 159.1. 2 BFH v. 1.10.2015 – X R 32/13, BStBl. II 2016, 139 = AO-StB 2016, 7; v. 21.7.2016 – X R 11/14, BStBl. II 2017, 22 = AO-StB 2017, 8. 3 BFH v. 1.10.2015 – X R 32/13, BStBl. II 2016, 139 = AO-StB 2016, 7; v. 21.7.2016 – X R 11/14, BStBl. II 2017, 22 = AO-StB 2017, 8. 4 Vgl. z.B. Jatzke in HHSp, § 254 AO Rz. 18. 5 Vgl. Abschn. 23 Abs. 2 Satz 2 VollstrA. 6 Siehe hierzu z.B. Bartone in Kühn/von Wedelstädt22, § 5 AO Rz. 22. 7 Vgl. Abschn. 23 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VollstrA.

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B. Besteuerungsverfahren

Rz. 31 Anhang

Abs. 2 Satz 1 AO, wonach die Vorschriften der InsO unberührt bleiben. Die Durchsetzung von Grunderwerbsteuerforderungen erfolgt daher ausschließlich nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften, so dass der Steuergläubiger seine bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Grunderwerbsteuerforderungen nur noch nach den Vorschriften der InsO geltend machen kann (§§ 87, 174 ff. InsO). Zwar ist § 251 Abs. 2 Satz 1 AO eine Vorschrift, die unmittelbar nur das Vollstreckungsverfahren und nicht das Festsetzungsverfahren betrifft. Aus dem Zusammenwirken der genannten Vorschriften folgt jedoch zwingend, dass der Erlass von Grunderwerbsteuerbescheiden, welche Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO betreffen, ausgeschlossen ist.1 Dies gilt auch für auf §§ 129, 164 Abs. 2, 165 Abs. 2, 172 ff. AO gestützte Änderungsbescheide.2 Eine Grunderwerbsteuerforderung stellt dann eine Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO (Rz. 29) dar, 30 wenn sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist. Hierfür sind allerdings nicht steuerrechtliche Gesichtspunkte maßgeblich (§ 14 Rz. 12 ff.), sondern es gelten die insolvenzrechtlichen Maßstäbe. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten (§§ 53 ff. InsO) richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung (§ 14 Rz. 12 ff.) und deren Fälligkeit (§ 15 Rz. 2 ff.) kommt es dagegen nicht an. Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde. Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen.3 Für die Begründung der Grunderwerbsteuer in diesem Sinn kommt es demzufolge auf die Verwirklichung des betreffenden Erwerbstatbestands an (s. dazu § 23 Rz. 8 ff.).4 Folglich ist eine Grunderwerbsteuerforderung auch dann Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO, wenn der Erwerbstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde, die Grunderwerbsteuer aber gem. § 14 GrEStG steuerrechtlich erst nach Verfahrenseröffnung entsteht.5 Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter von seinem Erfüllungswahlrecht aus § 103 Abs. 1 InsO Gebrauch macht.6 Wählt der Insolvenzverwalter hingegen nach § 103 Abs. 2 InsO die Nichterfüllung, muss die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner gezahlte Grunderwerbsteuer an die Insolvenzmasse erstattet werden.7 Dieser Erstattungsanspruch entsteht indessen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so dass einer Aufrechnung durch das Finanzamt (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegensteht.8 Macht ein Grundstücksverkäufer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von seinem vertraglichen Rücktrittsrecht Gebrauch, so stellt der diesbezügliche Grunderwerbsteuer-Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (vgl. § 16 Rz. 10) eine vor Eröffnung des Verfahrens i.S.v. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen welche die FinBeh. im Insolvenzverfahren ohne Beschränkung durch die §§ 94 ff. InsO gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB aufrechnen kann.9 Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht der Aufrechnung in diesem Fall nicht entgegen.10

1 Vgl. z.B. BFH v. 2.7.1997 – I R 11/97, BStBl. II 1998, 428 = FR 1998, 76; v. 18.12.2002 – I R 33/01, AO-StB 2003, 189 = BFH/NV 2003, 841; ferner Roth3, Rz. 3.187, 4.631. 2 BFH v. 7.3.1968 – IV R 278/66, BStBl. II 1968, 496; vgl. auch von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt2, Rz. 38. 3 Siehe z.B. BFH v. 27.10.2016 – IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320. 4 BFH v. 27.8.1975 – II R 93/70, BStBl. II 1976, 77; v. 14.10.1977 – III R 111/75, BStBl. II 1978, 204; v. 23.8.1978 – II R 16/76, BStBl. II 1979, 198; Boochs/Dauernheim3, Rz. 205; Pahlke6, Vorbem. § 15 GrEStG Rz. 25; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2413; Viskorf in Boruttau19, § 15 GrEStG Rz. 24. 5 Boochs/Dauernheim3, Rz. 205; Farr, Rz. 427; Kahlert/Rühland2, Rz. 2474; Roth3, Rz. 4.626; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2415. 6 FG Bdb. v. 11.4.2000 – 3 K 885/98 GE, EFG 2000, 1198; Farr, Rz. 428; Frotscher9, S. 280; Roth3, Rz. 4.627; Kahler/Rühland2, Rz. 2482; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2411. 7 Farr, Rz. 429; Roth3, Rz. 4.633; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2413. 8 BFH v. 15.1.2019 – VII R 23/17, BStBl. II 2019, 329 m. Anm. Loose, jurisPR-SteuerR 18/2019. 9 BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589. 10 BFH v. 17.4.2007 – VII R 27/06, BStBl. II 2009, 589.

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Anhang Rz. 32 Verfahrensrecht 32

Abweichend von § 15 GrEStG gilt die Grunderwerbsteuer, sofern sie eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO; Rz. 30) darstellt, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 41 Abs. 1 InsO als fällig.1

33

Sofern der Insolvenzverwalter ein zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) gehörendes Grundstück durch Veräußerung verwertet, stellt die Grunderwerbsteuer gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Masseverbindlichkeit dar, welche gegenüber dem Insolvenzverwalter durch einen Grunderwerbsteuerbescheid festzusetzen ist.2 Dies gilt auch für die Grunderwerbsteuer, die auf einer zwischen Erwerber und Insolvenzverwalter vereinbarten zusätzlichen Gegenleistung i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG beruht. Diese Grunderwerbsteuerforderung entsteht mit Abschluss der Vereinbarung und wirkt nicht auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang zurück,3 so dass der Nachforderungsbetrag ebenfalls eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellt.4

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Hat der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch ein Grundstück veräußert und ficht der Insolvenzverwalter das Grundstücksgeschäft nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO erfolgreich an, ist das durch die angefochtene Handlung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners veräußerte Grundstück gem. § 143 InsO zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Infolgedessen muss die bereits gezahlte Grunderwerbsteuer entsprechend § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG an die Insolvenzmasse gem. § 143 InsO erstattet werden.5

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Der Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus § 22 Abs. 2 Satz 1 GrEStG besteht auch dann, wenn die Grunderwerbsteuer zur Insolvenztabelle angemeldet worden ist und der Insolvenzverwalter sie gem. § 178 Abs. 1 InsO festgestellt hat.6 Ein solcher Anspruch besteht ebenfalls, wenn die FinBeh. die Grunderwerbsteuer nicht zeitnah zur Insolvenztabelle anmeldet, obwohl die Anmeldung ohne weiteres möglich wäre.7 Siehe i.Ü. § 22 Rz. 45 ff.

IV. Rechtsbehelfs- und Klageverfahren 1. Einspruchsverfahren (§§ 347 ff. AO) 36

Gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 AO) statthaft. Damit kann die Aufhebung oder die Änderung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung begehrt werden. Durch den Grunderwerbsteuerbescheid beschwert (§ 350 AO) sind die Grunderwerbsteuerschuldner i.S.v. § 13 GrEStG, denen gegenüber ein Steuerbescheid ergangen ist. Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die FinBeh, die nach § 367 Abs. 1 oder Abs. 3 AO über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen, sofern der Einspruch zulässig ist. Allerdings besteht die Befugnis der Einspruchsbehörde auf die Überprüfung des Falles nach § 367 Abs. 2 AO nur innerhalb der Grenzen des von dem ursprünglichen Verwaltungsakt erfassten Lebenssachverhalts.8 2. Klageverfahren

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Will sich der Steuerpflichtige nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. § 44 Abs. 1 FGO) gerichtlich gegen die GrESt.-Festsetzung wenden, ist die (Änderungs-)Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 1, § 100 Abs. 2 FGO) die statthafte Klageart. Die Klage ist grundsätzlich gegen die Ausgangsbehörde, d.h. die FinBeh., welche den ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid erlassen hat, zu richten (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Wird nach Klageerhebung aufgrund eines Organisationsaktes der FinVerw. (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG) die Zuständigkeit für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer auf eine 1 Roth3, Rz. 4.631. 2 Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2411. 3 BFH v. 13.4.1994 – II R 93/90, BStBl. II 1994, 817; Roth3, Rz. 4.630; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2411. 4 Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2411. 5 Vgl. BFH v. 6.2.1980 – II R 7/76, BStBl. II 1980, 363; Roth3, Rz. 4.622; Schmittmann in Waza/Uhländer/Schmittmann13, Rz. 2411. 6 Kahlert/Rühland2, Rz. 2489; Roth3, Rz. 4.632; eingehend Heine, ZInsO 2004, 230. 7 Roth3, Rz. 4.632. 8 BFH v. 19.1.1994 – II R 32/90, BFH/NV 1994, 758; v. 4.7.2013 – X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540; ferner Bartone in Gosch, § 367 AO Rz. 28.1; Schaumburg in Schaumburg/Hendricks4, Rz. 2.158.

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B. Besteuerungsverfahren

Rz. 38 Anhang

andere FinBeh. übertragen, tritt auf Beklagtenseite ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel (Klageänderung i.S.v. § 67 FGO) ein1, so dass die Klage gegen die nachträglich zuständig gewordene FinBeh. weitergeführt wird. 3. Einstweiliger Rechtsschutz Einspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 361 Abs. 1 AO, § 69 Abs. FGO), d.h. der 38 Grunderwerbsteuerbescheid kann trotz Einlegung der genannten Rechtsbehelfe vollzogen werden. Ficht der Steuerpflichtige den Grunderwerbsteuerbescheid an und will gleichzeitig erreichen, dass dieser nicht vollzogen wird, muss er – je nach Verfahrensstand bei der Einspruchsbehörde oder beim zuständige FG – einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO; s. dazu § 15 Rz. 29 f.).

1 Vgl. z.B. BFH v. 3.4.2008 – IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742 = FR 2008, 1011 m. Anm. Wendt.

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Stichwortverzeichnis Erstellt von Rechtsanwältin Anne Pohl, Düsseldorf. Fette Zahlen verweisen auf die Paragrafen, magere auf die Randzahlen.

Ablaufhemmung – Festsetzungsverjährung Anh. 11 – modifizierte 16 166 Abrundung – Steuersatz 11 6 Absaugvorrichtungen – Grundstücksbegriff 2 30 Abspaltung – steuerbarer Eigentumsübergang 1 91 – Steuervergünstigung gemäß § 6 GrEStG 6 37 Abstraktionsprinzip – Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs 16 129 Abtretung – Abgrenzung zu Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt 1 154 – der Rechte aus dem Meistgebot als Gegenleistung 9 208 ff. – der Rechte aus Kaufangebot 1 177 ff. – des Entgelts eines Kaufangebots als Gegenleistung 9 273 – eines Übereignungsanspruchs 1 151 – eines Übereignungsanspruchs als Gegenleistung 9 211 – eines Übereignungsanspruchs, Bemessungsgrundlage 1 160 – eines Übereignungsanspruchs, Steuerentstehung 1 161; 14 17 ff. – eines Übereignungsanspruchs, Steuerschuldnerschaft 13 21 ff. – grunderwerbsteuerlicher Begriff 1 177 – Kaufangebot, Bemessungsgrundlage 1 190 ff. – Stellvertretung 1 156 ff. – Übertragung von Kaufangeboten 1 166 ff. – Vertragsbeitritt 1 153 – Vertragsübernahme 1 152 Adoption – begünstigter Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte 3 237 Alleineigentümer – Übertragender i.S.v. § 5 GrEStG 5 16 f. Altgesellschafter – Anteilsübergang bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 379 ff. – Anteilsübergang bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG 1 592 ff. AmtshilfeRLUmsG – zeitlicher Anwendungsbereich 23 30 ff.

Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft siehe Gesellschafterwechsel bei grundbesitzender Personengesellschaft Änderungsanspruch – Abgrenzung zu allgemeinen Korrekturvorschriften der AO 16 4 – Anspruchsentstehung 16 9 f. – Anspruchsentstehung nach Festsetzung 16 20 f. – Anspruchsentstehung vor Festsetzung 16 18 f. – Antrag durch Insolvenzverwalter 16 14 – Antrag durch Sicherungsgeber 16 14 – Antragsberechtigung 16 12 f. – Antragsform 16 11 – Anwendungsbereich 16 6 – Anzeigepflicht 16 167 ff. – Beweislast 16 17 – Einspruchsverfahren 16 21.1 – Festsetzungsverjährung 16 26 – Gerichtskosten 16 25 – Herabsetzung der Gegenleistung 16 142 ff. – Mitwirkungspflicht 16 17 – modifizierte Ablaufhemmung 16 166 – örtliche Zuständigkeit 16 15 – Rechtsentwicklung des § 16 GrEStG 16 7 – Rückforderung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung 16 16 – spezialgesetzliche Korrektur 16 1 ff. – Statthafte Klageart 16 22 ff. Anfechtung – Irrtum 1 44 – steuerbares Rechtsgeschäft 1 43 ff. – Täuschung und Drohung 1 45 – Wirkung 1 43 Ankaufsrecht – Immobilien-Leasing 1 233 – Selbstbenennungsrecht des Zwischenhändlers 1 179 ff. – steuerbares Rechtsgeschäft 1 57 – Steuerbarkeit 1 170 ff. Anlaufhemmung – Festsetzungsverjährung Anh. 9 – Steuerentstehung 14 4 Anstalt öffentlichen Rechts – Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG 1 724 – Steuervergünstigungen 4 5 ff.

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Stichwortverzeichnis

Anteilserwerb – durch Gesellschafterwechsel, gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 17 74 ff. – von Todes wegen 1 302, 474 – von Todes wegen bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 460 ff. – von Todes wegen bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG 1 618 Anteilsschenkung unter Lebenden – Steuervergünstigungen 3 46 Anteilsübergang – bei Schenkung auf den Todesfall 3 113 ff. Anteilsübergang bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG – Altgesellschafter-Eigenschaft 1 388.1 – auf Altgesellschafter 1 379 ff. – auf neuen Gesellschafter 1 389 ff. – auf Treuhänder 1 340 – Beteiligungskette, Verkürzung der 1 342 ff. – Beteiligungskette, Verlängerung der 1 339.1 ff. – derivativer 1 345 ff. – mittelbarer 1 300, 342 ff., 352 ff. – originärer 1 345 ff. – unmittelbarer 1 339.1 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich 23 45 Anteilsübergang bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG – Altgesellschafter-Eigenschaft 1 594 ff. – auf Altgesellschafter 1 592 ff. – durch Übertragung von American Depositary Receipts 1 590 – Geschäftsanteile an GmbH 1 563 f. – mittelbarer 1 573 ff. – Übertragung von Aktien 1 568 ff. – unmittelbarer 1 561 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich 23 69 ff. Anteilsübergang im Rahmen des Börsenhandels gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG – Bewertung 1 630 ff. – Börsenklausel 1 619 ff. – Rechtsentwicklung 1 624 ff. – Rechtsfolge 1 638 ff. – Tatbestandsmerkmale 1 646 ff. Anteilsübertragung – Anzeigepflichten 18 152 ff. – Steuerentstehung 14 21 – Steuerschuldnerschaft 13 24 – Steuervergünstigungen 4 26 – Zwischengeschäft 1 150 Anteilsübertragung bereits vereinigter Anteile – durch Rechtsgeschäft 5 41 – ohne Rechtsgeschäft 5 41 1018

– Steuervergünstigungen gemäß § 5 GrEStG 5 41 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 28 f. – Übertragender ist Kapitalgesellschaft 5 41 – Übertragender ist natürliche Person 5 41 – Übertragender ist Personengesellschaft 5 41 Anteilsvereinigung – 90 %-Beteiligung 1 708 ff. – aller Anteile einer Grundstücks-KG 1 875 ff. – Änderungen im Grundstücksbestand 3 61 f. – Anteilsbegriff 1 731 ff. – anteilsbezogenes Zwischengeschäft 1 801 f. – Anteilserwerb durch Schenkung 1 773 ff. – Anteilserwerb von Todes wegen 1 773 ff. – Anwachsung 1 788 – Anzeigepflichten des Erwerbers 19 108 ff. – begünstigter Erwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner 3 201 ff. – Bemessungsgrundlage 8 30 ff. – Beteiligungskettenverkürzung 1 803 ff. – Charakter als Ergänzungstatbestand 1 680 ff., 846 – Einziehung von Anteilen 1 772 – erfasste Gesellschaften 1 722 ff. – erstmalig, durch Rechtsgeschäft 1 752 ff. – erstmalig, ohne Rechtsgeschäft 1 767 ff. – Erwerb eigener Anteile 1 771 – formwechselnde Umwandlung 1 780 ff. – gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 17 74 ff. – Grundstücksbegriff 1 721 – Grundstücksbezogenheit 1 768 – Kapitalgesellschaft, Anwendbarkeit der allgemeinen Steuervergünstigungen 3 9 f. – Nachrangigkeit gegenüber Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG 1 716 ff. – Nachversteuerung 1 880 ff. – Nicht-Erhebung der Steuer 1 875 ff. – Organkreis 1 790, 830 ff. – Personengesellschaft, Anwendbarkeit der allgemeinen Steuervergünstigungen 3 11 – Rechtsentwicklung des § 1 GrEStG 1 696 ff. – Steuerentstehung 1 883 ff.; 14 21 – Steuergegenstand 1 691 ff. – Steuerschuldnerschaft 13 24, 30 – Steuervergünstigungen bei Anteilserwerb von Todes wegen 3 51 ff. – Steuervergünstigungen bei Erwerb von Todes wegen 3 117 f. – Steuervergünstigungen bei gemischter Schenkung 3 60 – Steuervergünstigungen bei schenkweise erworbenen Anteilen 3 51 ff.

Stichwortverzeichnis

– Steuervergünstigungen für grundbesitzhaltende Kapitalgesellschaft 5 40 – Steuervergünstigungen für grundbesitzhaltende Personengesellschaft 5 40 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 25 ff. – über Treuhänder 1 821 – Übertragung bereits vereinigter Anteile durch Rechtsgeschäft 1 789 ff. – Übertragung bereits vereinigter Anteile ohne Rechtsgeschäft 1 797 ff. – Umfang der Unentgeltlichkeit 3 57 ff. – Vermögensbegriff 1 725 ff. – Werterhöhung der Grundstücke 3 63 ff. – wirtschaftliche siehe Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung Anti-RETT-Blocker-Regelung – Anteilsvereinigung durch wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG 1 888 ff.; siehe auch Innehabung einer wirtschaftlichen Beteiligung Anwachsung – allgemeine Steuervergünstigungen 3 42 – Anzeigepflichten 19 134 – Bemessungsgrundlage 8 26 ff. – Erbanfall bei zweigliedriger Personengesellschaft 3 90 f. – steuerbare Auflassung 1 81 – steuerbarer Eigentumsübergang 1 97 f. – Steuerentstehung 14 15 – Steuerschuldnerschaft 13 26 – Steuervergünstigungen 6 36.2 – Steuervergünstigungen gemäß §§ 5, 6 GrEStG 6 61 Anwartschaftsrecht – Steuerentstehung 14 14 Anwendungsbereich, sachlicher 23 4 f. Anwendungsbereich, zeitlicher – auf Antrag 23 17 – Begriff des Erwerbsvorgangs 23 7 f. – Erstmalige Anwendung der Änderungen in §§ 5 und 6 GrEStG durch KöMoG und StAbwG 23 83 – Erstmalige Anwendung der landesrechtlichen Normen über die Grunderwerbsteuersätze 23 84 – erstmalige Anwendung von § 4 Nr. 1 GrEStG 23 21 – Grunderwerbsteuergesetz 1983 23 16 – Neuregelung durch AmtshilfeRLUmsG 23 30 ff. – Neuregelung durch Gesetz zur Anpassung des nationales Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU 23 34

– Neuregelung durch Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens 23 38 – Neuregelung durch JStG 2010 23 28 – Neuregelung durch JStG 2020 23 41 – Neuregelung durch OGAW-IV-UmsG 23 29 – Neuregelung durch StÄndG 2001 23 24 – Neuregelung durch StÄndG 2015 23 35 ff. – Neuregelung durch StEntlG 1999/2000/2002 23 22 f. – Neuregelungen durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes 23 42 ff. – Neuregelungen durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften 23 39 f. – Rechtsentwicklung des § 23 GrEStG 23 6 – Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 2a GrEStG 23 57 ff. – Subsidiäre Fortgeltung der Alt-Fassung von § 1 Abs. 3 GrEStG 23 61 ff. – Subsidiäre Fortgeltung der Altfassung von § 1 Abs. 3a GrEStG 23 65 ff. – Unterschied von Erwerbsvorgang und Steuerentstehung 23 8 ff. – Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zu § 1 Abs. 2a n.F. 23 46 ff. – Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs 23 2 f. – von § 1 Abs. 2a GrEStG und seinen Folgeregelungen 23 19 – von § 8 Abs. 2 GrEStG 23 20 – von § 11 Abs. 1 GrEStG 23 20 – Wachstumsbeschleunigungsgesetz 23 25 ff. – Weitergeltung alten Rechts 23 18 Anzeige – als Steuererklärung 19 28 – durch Dritte 19 265 ff. – Finanzamt als Empfänger 18 217 ff. – Inhalt 18 177 ff.; 19 203 ff.; 20 1 ff. – keine Steuererklärung 18 200 – Rechtsfolgen nicht ordnungsgemäßer Anzeige 18 237 ff.; 19 255 ff. – Rechtsfolgen ordnungsgemäßer Anzeige 18 232 ff.; 19 231 ff. Anzeige, Inhalt – abschließende Regelung 20 5 – Anschrift 20 38 – anzeigepflichtiger Vorgang 20 71 – Bebauung 20 66 ff. – begünstigte Person 20 43 – bei Erwerb von Gesellschaftsanteilen 20 93 ff. – Beteiligungsübersicht 20 108 ff.

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Stichwortverzeichnis

– elektronische Übermittlung 20 44 ff., 62 ff., 72, 74, 81, 92, 101 – Firma 20 98 – Geburtsdatum 20 37 – genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte 20 75 ff. – Grundstück 20 40 ff. – Grundstücksteilflächen 20 58 – Information des Finanzamts 20 5 – Jahressteuergesetz 2018 20 27 f. – Kapitalanlagegesetzbuch 20 19 – Kaufpreis oder sonstige Gegenleistung 20 82 ff. – Mindestinhalt 20 29 ff. – Rechtsentwicklung des § 20 GrEStG 20 20 ff. – steuerliche Identifikationsnummer 20 39 – Tag der Beurkundung 20 73 – Urkundsperson 20 88 ff. – Veräußerer und Erwerber 20 33 ff. – Verhältnis zu §§ 18 und 19 GrEStG 20 15 ff. – Wirtschafts-Identifikationsnummer 20 100 Anzeige, Rechtsfolgen – Festsetzungsfrist 18 234, 243 ff.; 19 252, 260 ff. – für Beteiligte 18 242 – für Gerichte, Behörden und Notare 18 237 ff. – nicht ordnungsgemäßer Anzeige 18 237 ff.; 19 255 ff. – nicht ordnungsgemäßer Anzeige durch Dritte 19 265 ff. – ordnungsgemäßer Anzeige 18 232 ff. – Steuerbefreiung bei Immobilien-Sondervermögen 18 236, 254 ff.; 19 254, 271 ff. – steuerfreie Rückabwicklung 18 235, 251 ff.; 19 253, 268 ff. – Steuerstrafrecht 18 239; 19 259 – Urkundenaushändigung 18 233, 242 – Verspätungszuschlag 19 231 ff., 256 Anzeigeempfänger – Ausnahmen 19 241 ff. – Mitwirkung der Finanzverwaltung 18 229; 19 248 – Weiterleitung der Anzeigen 18 231 – zuständiges Finanzamt 18 217 ff.; 19 237 ff. Anzeigeform – Abschrift an Finanzamt 18 195 ff.; 19 213 – Abschrift von Urkunde, Beschluss oder Entscheidung 18 193 ff.; 19 211 ff. – Absendevermerk 18 204 – Absendung der Anzeige 18 201 ff., 216 – amtlicher Vordruck 18 185 ff.; 19 210 – elektronisch 18 181 ff.; 19 208 – Fremdsprache 18 199; 19 216 – Gerichte, Behörden und Notare 18 180 ff. 1020

– Kurzmitteilung des Notars 18 190 – schriftlich 18 180; 19 207 – Unterschrift 18 184; 19 209 – Veräußerungsanzeige 18 186 Anzeigefrist – Anzeigepflicht gemäß § 18 GrEStG 18 205 ff. – Beginn 18 207 ff. – Praxis 18 213 – Steuerausländer 19 225 ff. – Steuerinländer 19 217 ff. – Verlängerung 18 212 – Verspätungszuschlag 19 220, 232 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 18 214; 19 224 – Zwei-Wochen-Frist 18 205 ff. Anzeigepflichten – Ausnahmen 18 170 ff.; 19 195 ff. – Bagatellfälle 18 172; 19 197 – Befreiung durch das Finanzamt 18 50; 19 59 – bei der Verwahrung von Urkunden 18 73 – bei nachträglich vereinbarten Leistungen 9 264 – der Behörden 18 74 ff. – der Beteiligten bei Änderungen der maßgeblichen Umstände 19 139 ff. – der Gerichte 18 65 ff. – der Notare 18 78 ff. – der Registergerichte 18 72 – des Amtsgerichts bei Verwahrung von Urkunden 18 73 – Eintragungen ins Gesellschaftsregister 18 70 – Eintragungen ins Stiftungsregister 18 71 – ergänzende Regelungen für Registergerichte 18 72 – Erwerb geringwertiger Grundstücke 3 25 – Information der Finanzbehörden 18 10 ff.; 19 11 ff. – Inhalt der Anzeige 18 177 ff. – kein Verzicht 18 48 f., 63 – keine steuerliche Prüfung 18 64 – mehrere kumulativ 18 17 f., 175 f.; 19 201 – Nichtfestsetzungsanspruch 16 167 ff. – Rechtsentwicklung des § 18 GrEStG 18 52 ff. – Rechtsentwicklung des § 19 GrEStG 19 34 ff. – Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs 16 167 ff. – Spannungsverhältnis zu Verschwiegenheitspflichten 18 13 f. – Übersicht 18 4 ff.; 19 4 ff. – Unbedenklichkeitsbescheinigung 22 39 – Urkundenaushändigung 21 6 ff. – Vereinbarungen 19 57 – Verhältnis untereinander 18 15 ff.; 19 22 ff. – Verhältnis zu denen der Abgabenordnung 18 24 ff.; 19 26 ff.

Stichwortverzeichnis

– Verhältnis zu denen von Steuerintermediären bei grenzüberschreitenden Gestaltungen 19 29 ff. – Wiedereinsetzung in vorigen Stand 16 169, 172 – Zweck 18 2 f.; 19 2 – zwingendes Recht 18 48 ff., 174; 19 54 ff. Anzeigepflichtige Vorgänge – Änderung des Gesellschafterbestands einer Kapitalgesellschaft 19 104 ff. – Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft 19 95 ff. – Änderung von Beherrschungsverhältnisses 19 180 ff. – Änderungen bei Öffentlich Privaten Partnerschaften 19 193 f. – Änderungen der maßgeblichen Umstände 19 139 ff. – Änderungen und Berichtigungen 18 141 ff. – Angebot und Annahme 18 111 – Anspruch auf Übertragung von 90 % der Anteile 19 116 ff. – Anspruch auf Vereinigung von 90 % der Anteile 19 108 ff. – Anwachsung 19 134 – Auffangregelung 19 132 ff. – Auflassung 18 110 – ausländischer Notar 19 135 – Beglaubigungen 18 104 ff. – Beglaubigungen mit Entwurf 18 105 – Beglaubigungen ohne Entwurf 18 106 – Belastungen von Grundstücken 18 113 f. – Beschlüsse und Entscheidungen 18 131 ff. – Beurkundungen 18 101 ff. – Enteignungsbeschlüsse 18 137 – Enumeration 18 86 ff.; 19 71 ff. – Erbbaurechte 18 148 ff. – Erhöhung der Gegenleistung 19 143 ff. – Erwerb aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Entscheidung 19 128 ff. – Erwerb im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungen 19 131 – Erwerb von Gebäuden auf fremdem Grund 19 91 ff. – formungültige Verträge über ein Grundstück 19 85 ff. – Formwechsel 18 118 – Gebäude auf fremdem Grund 18 148 ff. – Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO 19 136 – Grundbuchberichtigungsantrag 18 126 ff. – im Flurbereinigungsverfahren 18 138 – im Grenzregelungsverfahren 18 138 – im Umlegungsverfahren 18 138 – Kaufverträge 18 109

– keine Identität bei § 18 GrEStG und § 19 GrEStG 18 92; 19 72 – Leistungen des Erwerbers an Dritte 19 151 ff. – Leistungen von Dritten an den Veräußerer 19 156 ff. – Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit Grundstücken 18 108 – Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten 18 109 ff. – Übergang eines Grundstücks auf eine Gesamthand 19 160 ff. – Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand 19 174 ff. – Übertragung von 90 % der Anteile 19 119 ff. – Übertragung von Gesellschaftsanteilen 18 152 ff. – Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen 18 154 – Übertragung von Personengesellschaftsanteilen 18 155 – Umstrukturierungen im Konzern 19 180 ff. – Umwandlungen 18 116 ff. – Urkundenaushändigung 21 22 f. – Vereinigung von 90 % der Anteile 19 113 ff. – Verfügungen von Todes wegen 18 115 – Verschaffung einer Verwertungsbefugnis über ein Grundstück 19 83 f. – Vollmachten 18 120 ff. – wirtschaftliche Beteiligung von 90 % der Anteile 19 122 ff. – Zuschlagsbeschlüsse 18 136 Anzeigepflichtiger – andere Personen 19 66 – Anteilserwerber 19 108 ff. – Behörden 18 74 ff. – Behörden in Baden-Württemberg in Grundbuchsachen 18 77 – Beteiligte 19 61 ff. – Gerichte 18 65 ff. – gesetzlicher Vertreter 19 67 – Kapitalgesellschaft 19 104 ff. – Notare 18 78 ff. – öffentliche Stellen 18 59 ff. – Personengesellschaft 19 95 ff. – Rechtsträger 19 122 ff. – Reihenfolge 18 60 ff. – Steuerschuldner 19 61 ff. – Steuerschuldner, ausländischer 19 68 ff. – Steuerschuldner, Begriff 19 62 f. – Steuerschuldner, potentieller 19 64 – Steuerschuldner, tatsächlicher 19 64 – Verfügungsberechtigter 19 67 – Vermögensverwalter 19 67 Arbeitsbühnen – Grundstücksbegriff 2 22 1021

Stichwortverzeichnis

Aufeinanderfolge von Tatbeständen – Anteilsvereinigung folgt Anwachsung 1 1033 ff. – Anteilsvereinigung nach Verwertungsbefugnis 1 1036 – Bemessungsgrundlage 1 1048 – Folge von Anteilsvereinigungen gemäß Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG 1 1037 ff. – Gesellschafterwechsel gemäß Abs. 2a GrEStG 1 1044 ff. – mehrere im selben Absatz geregelte Erwerbe 1 1043 – Rechtsentwicklung des § 1 GrEStG 1 1030 – Regelungsinhalt 1 1029 – Steuer vom Unterschiedsbetrag 1 1048 ff. – zeitliche Aufeinanderfolge verschiedener Erwerbe 1 1032 ff. Aufhebungsanspruch – Abgrenzung zu allgemeinen Korrekturvorschriften der AO 16 4 – Anspruchsentstehung 16 9 f. – Anspruchsentstehung nach Festsetzung 16 20 f. – Anspruchsentstehung vor Festsetzung 16 18 f. – Antrag durch Insolvenzverwalter 16 14 – Antrag durch Sicherungsgeber 16 14 – Antragsberechtigung 16 12 f. – Antragsform 16 11 – Anwendungsbereich 16 6 – Anzeigepflicht 16 167 ff. – Beweislast 16 17 – Einspruchsverfahren 16 21.1 – Festsetzungsverjährung 16 26 – Gerichtskosten 16 25 – Herabsetzung der Gegenleistung 16 142 ff. – Mitwirkungspflicht 16 17 – modifizierte Ablaufhemmung 16 166 – örtliche Zuständigkeit 16 15 – Rechtsentwicklung des § 16 GrEStG 16 7 – Rückforderung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung 16 16 – spezialgesetzliche Korrektur 16 1 ff. – Statthafte Klageart 16 22 ff. Auflage – Steuerentstehung 14 25 Auflassung – Abgrenzung zu Rechtsgeschäft i.S.d. Nr. 1 1 74 – als Gegenleistung 9 250 – Anwachsung 1 81 – Anzeigepflichten 18 110 – Aufhebung eines Erbbaurechts 1 77 – Begriff 1 75 – Grundstücksvermächtnis 1 79 1022

– Hausverlosung 1 80 – Heimfall eines Erbbaurechts 1 77 – Steuerentstehung 14 14 – Steuerschuldnerschaft 13 20 – Übertragung an Auftraggeber 1 78 – Übertragung an Treuhänder 1 78 – vorausgegangenes Rechtsgeschäft 1 76 Aufrechnung – Fälligkeit des Steueranspruchs 15 4 – Steuerentstehung 14 5 Aufspaltung – steuerbarer Eigentumsübergang 1 90 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 37 Auftragserwerb – Bemessungsgrundlage für Gegenleistung 9 244 f. – in der Zwangsversteigerung, Gegenleistung 9 244 f. – steuerbares Rechtsgeschäft 1 66 – Verwertungsbefugnis 1 254 ff. Auftragskette – Verwertungsbefugnis 1 258 f. Ausgleichsleistungsgesetz – Flächenerwerb als steuerbegründendes Rechtsgeschäft 1 72 Ausgliederung – steuerbarer Eigentumsübergang 1 92 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 37 Ausland – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 313 f. – Umwandlungsvorgänge als steuerbarer Eigentumsübergang 1 95 f. Ausschlagung – Erbanfall 3 87 – Erbschaft 3 119 f. – Erwerb von Todes wegen 3 107 – Vermächtnis 3 119 f. Aussetzung der Vollziehung – aufschiebende Wirkung 15 29 – Aussetzungszinsen 15 29 – Fälligkeit des Steueranspruchs 15 29 f. – Hinausschieben der Fälligkeit 15 30 – Säumniszuschläge 15 29 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 15 29 Aussetzungszinsen 15 29 Autoaufzüge in Parkhäusern – Grundstücksbegriff 2 24 Autowaschanlagen – Grundstücksbegriff 2 28

Bäder – Grundstücksbegriff 2 27

Stichwortverzeichnis

Bagatellerwerb – Steuervergünstigungen 3 23 ff. Baubetreuer – einheitlicher Erwerbsgegenstand 9 70 Baugesetzbuch – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 37 Bauherrenmodell – Gegenleistung 9 112 ff. – Herabsetzung der Gegenleistung 16 159 – Steuerschuldner 13 16 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 63 – Unterschied von Erwerbsvorgang und Steuerentstehung 23 9 Baukosten – Zuschüsse als Gegenleistung 9 270 Baulandumlegung – Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum 7 40 ff. Bauleistungen – für Grundstückseigentümer als Gegenleistung 9 224 Baulichkeiteneigentum – Grundstücksbegriff 2 15 Bedienungsbühnen – Grundstücksbegriff 2 22 Bedingte Rechtsgeschäfte siehe Rechtsgeschäft, bedingtes Bedingung siehe auch Rechtsgeschäft, bedingtes – Auflage 14 25 – auflösende, Steuerentstehung 14 23 – aufschiebende Befristung 14 26 – aufschiebende, Steuerentstehung 14 22 – Fälligkeitsregelung 14 25 – Potestativbedingung 14 22 – Rechtsbedingung 14 25 – Vertragsbedingung 14 25 Befriedigungsfiktion – Auftragserwerb, Bemessung der Gegenleistung 9 244 f. – zusätzliche Leistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 9 196 ff. Befristung – aufschiebende, Steuerentstehung 14 25 Beglaubigung – Anzeigepflichten 18 104 ff. – mit Entwurf, Anzeigepflichten 18 105 – ohne Entwurf, Anzeigepflichten 18 106 Behörde – als Anzeigepflichtiger 18 74 ff. – Anzeigepflicht bei Änderungen und Berichtigungen 18 141 ff.

– Anzeigepflicht bei Anteilsübertragungen 18 152 ff. – Anzeigepflicht bei Erbbaurechten 18 148 ff. – Anzeigepflicht bei Gebäuden auf fremdem Grund 18 148 ff. – Anzeigepflicht bei Grundbuchsberichtigungsanträgen 18 126 ff. – Anzeigepflicht von Beschlüssen und Entscheidungen 18 131 ff. – Anzeigepflicht, Abschrift 18 193 ff. – Anzeigepflicht, Absendung der Anzeige 18 201 ff. – Anzeigepflicht, Form der Anzeige 18 180 ff. – Anzeigepflicht, Inhalt der Anzeige 18 177 ff. – Eintragungen ins Stiftungsregister 18 71 – örtlich zuständiges Finanzamt 17 28 – Rechtsfolgen nicht ordnungsgemäßer Anzeige 18 237 ff., 248 ff. – Sanktionen bei Urkundenaushändigung 21 53 ff. – Urkundenaushändigung 21 15 – Urkundsbegriff 21 20 Bekanntgabe – Fälligkeit des Steueranspruchs 15 14 Belegenheitsprinzip – örtlich zuständiges Finanzamt 17 32 ff. Beleuchtungsanlagen – Grundstücksbegriff 2 25, 36 – spezielle, Grundstücksbegriff 2 25 Bemessungsgrundlage – Abtretung eines Übereignungsanspruchs 1 160 – Anwachsungen 8 26 ff. – Aufeinanderfolge von Tatbeständen 1 1048 ff. – Auflösung eines Vereins 8 18 – bei an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern 8 32 – bei wirtschaftlicher Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG 8 30 ff. – Besteuerungsstichtag 8 36 – Bewertungsstichtag 8 33 ff. – Bewertungsstichtag, abweichender 8 37 ff. – Bewertungsstichtag, unzutreffender 8 35 – Einbringungen 8 22 – Erwerb von Todes wegen 8 12 – für die Gegenleistung bei Auflassung 9 250 – für die Gegenleistung bei Auftragserwerb 9 244 f. – für die Gegenleistung bei erbbaurechtsbelasteten Grundstücken 9 232 ff. – für die Gegenleistung bei Erbbaurechtsvorgängen 9 222 ff. – für die Gegenleistung bei Erwerb der Verwertungsbefugnis 9 253 ff. 1023

Stichwortverzeichnis

– für die Gegenleistung bei Gebäuden auf fremdem Boden 9 234 ff. – für die Gegenleistung bei gemischter Schenkung 9 247 – für die Gegenleistung bei Schenkung unter Auflage 9 218 – für die Gegenleistung bei Treuhandgeschäften 9 240 ff. – für die Gegenleistung bei Übergang des Eigentums 9 251 f. – für die Gegenleistung bei Vergleich 9 249 – Gegenleistung nicht vorhanden 8 12 ff. – Gegenleistung nicht zu ermitteln 8 19 f. – Gegenleistung zu schätzen 8 20 – Gegenleistungsbegriff 8 4 – gemeiner Wert 8 5 f. – Gesellschafterwechsel bei grundbesitzender Kapitalgesellschaft 8 30 ff. – Gesellschafterwechsel bei grundbesitzender Personengesellschaft 8 30 ff. – gesellschaftsvertragliche Erwerbsvorgänge 8 23 ff. – Grundbesitzwerte 1 190 ff.; 8 3 – Grundstücksbegriff 2 2 – im umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum 8 32 – Liquidationen 8 26 ff. – Lotteriegewinn 8 18 – Rechtsentwicklung des § 8 GrEStG 8 7 ff. – Schenkung 8 13 – Sicherungsübereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden 8 18 – Steuer vom Unterschiedsbetrag 1 1048 ff. – Steuersatz 11 5 – symbolischer Kaufpreis 8 15 ff. – Übertragung von Kaufangeboten 1 190 ff. – Umwandlungen 8 21 – unentgeltliche Übertragung mit Erschließungsanlagen bebauter Grundstücke 8 14 – Zwischengeschäft 1 160 Benennungsrecht siehe Selbstbenennungsrecht Bergfreie Bodenschätze – Grundstücksbegriff 2 43 Bergrechtliche Gewerkschaften – Legaldefinition in § 1 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG a.F. 1 993 Besteuerung – Anzeigepflichten 18 10 ff.; 19 11 – Einspruchsverfahren Anh. 36 – einstweiliger Rechtsschutz Anh. 38 – Einzelzwangsvollstreckung Anh. 28 – Erhebung Anh. 12 ff. – Erlass Anh. 14 ff. – Festsetzung Anh. 5 ff.

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– Festsetzungsverjährung Anh. 9 ff. – Gegenstand des Erhebungsverfahrens Anh. 12 f. – Insolvenz des Steuerpflichtigen Anh. 29 ff. – Klageverfahren Anh. 37 – Steuerbescheid Anh. 5 ff. – Steuerbescheid, Änderung Anh. 8 – Steuerbescheid, Aufhebung Anh. 8 Besteuerungsgrundlagen, Feststellung – Abgrenzung der Ertrags- und Verwaltungshoheit 17 15 – Ausnahmefälle 17 52 ff. – Folgebescheid 17 59 – gesonderte Feststellung 17 17, 52 ff. – Grundlagenbescheid 17 59 – Rechtsentwicklung des § 17 GrEStG 17 18 ff. – Regelfall 17 51 – Vereinfachung und Vereinheitlichung 17 14 – Zeitpunkt der Steuerentstehung 17 53 Besteuerungsgrundlagen, gesonderte Feststellung 17 52 ff. – Ausnahme bei niedriger Bemessungsgrundlage 17 119 – Ausnahmen bei steuerfreiem Erwerb 17 118 – Bescheid über die Feststellung der Grundbesitzwerte 17 104 – Bescheid über die gesonderte Feststellung 17 102 f. – einheitliche Feststellung 17 95 f. – Erwerb von Anteilen an Gesellschaften mit Grundbesitz 17 74 ff. – Erwerb von Grundstücken durch Umwandlung 17 66 ff. – Erwerb von Grundstücken in verschiedenen Bundesländern 17 60 ff. – Erwerb von Grundstücken in verschiedenen Finanzamtsbezirken 17 64 f. – Feststellungsbescheid, Umfang 17 86 ff. – Inhalt 17 58 – Konkurrenzverhältnis 17 79 ff. – mehrstufiges Verfahren 17 97 – Notwendigkeit 17 60 ff. – Verhältnis der Steuerbescheide 17 97 ff. – Zusammentreffen von § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG 17 81 – Zusammentreffen von § 17 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG 17 82 ff. Beteiligungskettenverkürzung – steuerbare Anteilsvereinigung 1 803 ff. – steuerbare Anteilsvereinigung bei wirtschaftlicher Beteiligung von 90 % 1 962 Beteiligungsquote – Steuervergünstigungen gemäß §§ 5, 6 GrEStG 5 50 ff.

Stichwortverzeichnis

Betreuer – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 35 Betrieb gewerblicher Art – Begriff 4 17 ff. – Eigenbetrieb 4 20 – Einrichtung i.S.d. § 4 KStG 4 17 ff. – Kindergärten 4 25 – land- und forstwirtschaftliche Nutzung 4 24 – Steuervergünstigungen 4 16 ff., 61 – Umsatzgrenze 4 23 – Vermögensverwaltung 4 24 Betriebsverlegung – als Gegenleistung 9 169 Betriebsvorrichtungen – gleich lautende Ländererlasse zur Abgrenzung vom Grundvermögen 2 21 – Grundstücksbegriff 2 19 f. – Meistgebot als steuerbarer Erwerb 1 141 – Windkraftanlagen 2 34 Beurkundung – Anzeigepflichten 18 101 ff. – Beurkundungsverbote für Notare 18 39 ff. Beweiserleichterungen – bei Feststellung des einheitlichen Erwerbsgegenstandes 9 101 Bewertung – Bindungswirkung 3 44 – nichtdauernde Lasten 9 271 Bewertungsstichtag – abweichender 8 25 ff. – Bemessungsgrundlage 8 33 ff. – Besteuerungsstichtag 8 36 – einheitliches Vertragswerk 8 37 – Sonderregelung 8 40 ff. Bewetterungsanlagen – Grundstücksbegriff 2 30 Bezifferung – der Gegenleistung 9 21 Bodenbefestigungen – der Tankstellenbetriebe, Grundstücksbegriff 2 35 – Grundstücksbegriff 2 35 Börsenklausel – Bewertung 1 630 ff. – Rechtsfolge 1 638 ff. – Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 2c GrEStG 1 646 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich 23 44 – Zweck 1 619 ff. Boruttau’sche Formel – Gegenleistung 9 30 BREXIT – Gesellschafterwechsel 4 68 ff.

– Rechtsfolgen für Steuervergünstigungen i.S.d. § 5 GrEStG 5 121.1 – Rechtsfolgen für Steuervergünstigungen i.S.d. § 6 GrEStG 6 95.1 – Scheinauslandsgesellschaften 1 25.1 – Sitztheorie 1 25.1 – steuerbare Erwerbsvorgänge 4 66 ff. – Steuervergünstigungen 4 67 f. – Steuervergünstigungen i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG 5 12, 74 Briefkastengesellschaft – Rechtsträgereigenschaft 1 32 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 22 44 Bruchteilsgemeinschaft – nicht begünstigte Gesamthand i.S.v. § 5 GrEStG 5 28 – Rechtsträgereigenschaft 1 10 – Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs 16 59 – Steuervergünstigungen 3 27 ff. – Umwandlung von Miteigentum in Flächeneigentum 7 9, 17 Brücken – Grundstücksbegriff 2 38 Buchersitzung – steuerbarer Erwerbsvorgang 1 4 Bundesversorgungsgesetz – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 38 Bürgschaft – Übernahme, Gegenleistung 9 126

Call Option – Anteilsübergang bei Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 362 Closing Conditions – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 398

Darlehen – als Gegenleistung 9 151, 155 Darlehen, partiarisches – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 327 Dauernutzungsrecht – als Gegenleistung 9 267 – Steuerbarkeit 1 239; 2 80 Dauerwohnrecht – als Gegenleistung 9 267 – Steuerbarkeit 1 239; 2 80 Deckungsgleichheit – der Anteile, Steuervergünstigungen gemäß § 5 GrEStG 5 13 Dienstbarkeiten – als Gegenleistung 9 270 1025

Stichwortverzeichnis

Domizilgesellschaft – Anteilserwerb als steuerbares Rechtsgeschäft 1 73 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 22 44 Doppelbelastung – Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer 9 9 Doppelbesteuerung – Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer 3 41 Doppelhaus – einheitlicher Erwerbsgegenstand 9 77 Doppelstöckige Personengesellschaft – Beteiligung am Vermögen i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG 5 55 Drainageanlagen – Grundstücksbegriff 2 40 Duldungspflichten – als Gegenleistung 9 267 Durchsetzbarkeit – der Steuerforderung, Fälligkeit des Steueranspruchs 15 4 – des Anspruchs, steuerbares Rechtsgeschäft 1 53

Ehegatten – als Steuerschuldner beim gemeinsamen Erwerb 13 18 – Aufhebung 3 221 – begünstigter Erwerb 3 194 ff., 207 ff. – begünstigter Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft 3 252 f. – begünstigter Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte 3 247 – begünstigter Erwerb eines Nachlassgrundstücks 3 178 ff. – Ehescheidung 3 220 – Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs 16 59 – Steuerschuldner 13 9 – Steuervergünstigungen 3 30 ff. Eigenbetrieb – Betrieb gewerblicher Art 4 20 – Einrichtung i.S.d. § 4 KStG 4 20 – Steuervergünstigungen 4 20 Eigentumsänderung – steuerbarer Eigentumsübergang 1 84 f. Eigentumsübergang, steuerbarer – Abgrenzung zu Rechtsgeschäft und Auflassung 1 82 – Abspaltung 1 91 – Anwachsung 1 97 f. – Aufspaltung 1 90 – Ausgliederung 1 92 – ausländische Umwandlungsvorgänge 1 95 f. – Enteignung 1 103 1026

– – – – – – – –

Erbfall 1 86 f. Flurbereinigungsverfahren 1 104 ff., 116 ff. Formwechsel, heterogener 1 93 Formwechsel, homogener 1 93 gescheiterte Ein-Mann-GmbH 1 102 Gütergemeinschaft 1 99 ff. kraft Gesetz, Behörde oder Gericht 1 83 Steuerbefreiungen bei Umwandlungsvorgängen 1 113 f. – Übertragung von Erbteilen 1 88 – Umlegungsverfahren 1 108 ff., 123 ff. – Vermögensübertragung 1 94 – Verschmelzung 1 89 – zivilrechtliche Eigentumsänderung 1 84 f. – Zwangsversteigerungsverfahren 1 133 Eigentumswohnung – Grundstücksbegriff i.S.d. § 2 GrEStG 7 14, 47 Einbauten durch Mieter/Pächter – Grundstücksbegriff 2 12 Einbringung – Bemessungsgrundlage 8 22 – eines Gesellschafters, steuerbares Rechtsgeschäft 1 68 – eines Grundstücks, Steuerentstehung 14 13 – Steuerschuldner 13 14 Einfriedungen – Grundstücksbegriff 2 35 Einheitliches Vertragswerk – Bewertungsstichtag 8 37 – Verwertungsbefugnis 1 298 Einheitswert – Gegenleistung 9 10 Einmalzahlung – als Gegenleistung 9 226 Einmann-GmbH & Co. KG – Steuervergünstigungen gemäß §§ 5, 6 GrEStG 6 62 Ein-Mann-GmbH, „gescheiterte“ – steuerbarer Eigentumsübergang 1 102 Einrichtung i.S.d. § 4 KStG – Betrieb gewerblicher Art 4 17 ff. – körperschaftsteuerlicher Begriff 4 17 ff. – tätigkeitsbezogene Betrachtung 4 21 Einspruch – gegen Ablehnung der Fälligkeitsbestimmung 15 22 Einspruchsverfahren 16 21.1; Anh. 36 Einstweiliger Rechtsschutz Anh. 38 Einverständniserklärung – genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte 14 30 ff. Einzelpreise – Gegenleistung 9 32

Stichwortverzeichnis

Elektronische Übermittlung – von Anzeigen 18 181 ff.; 19 208 Eltern – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 35 Energiewirtschaftsgesetz – Steuervergünstigungen 4 2 Enteignung – Begriff der Entschädigung 9 214 – Beschluss, Anzeigepflichten 18 137 – Entgelte für Baumaßnahmen 9 218 – Entgelte für Zubehör 9 218 – Entschädigung als Gegenleistung 9 212 ff. – Entschädigung für Schäden am Grundstück 9 218 – Entschädigung für Wertminderung von nicht enteigneten Grundstücken 9 217 – Entschädigungen für Betriebseinschränkungen 9 215 – Entschädigungen für Wertminderungen 9 218 – Entschädigungsleistungen für Mieter und Pächter 9 218 – freiwillige Veräußerung zur Abwendung 9 219 – steuerbarer Eigentumsübergang 1 103 – Verfahren, Steuerschuldnerschaft 13 28 Entnahme – Steuerschuldner 13 14 Entschädigung – Entgelte für Baumaßnahmen 9 218 – Entgelte für Zubehör 9 218 – für Betriebseinschränkungen 9 215 – für Mieter und Pächter 9 218 – für Schäden am Grundstück 9 218 – für vorzeitige Nutzungsüberlassungen 9 225 – für Wertminderung von nicht enteignetem Grundstück 9 218 – für Wertminderungen 9 218 – wegen Enteignung 9 218 Entstaubungsanlagen – Grundstücksbegriff 2 30 Enumeration – der anzeigepflichtigen Vorgänge 18 86 ff.; 19 71 ff. Erbanteil – als Gegenleistung 9 251 Erbauseinandersetzung – begünstigter Erwerb eines Nachlassgrundstücks 3 190 ff. – gemischte freigebige Zuwendung 3 145 – Grundstücksschenkung unter Lebenden 3 145 Erbbaurecht – Anzeigepflichten 18 148 ff.

– Aufhebung 2 56 ff.; 9 229 – Aufhebung als steuerbare Auflassung 1 77 – Bauleistungen für Grundstückseigentümer 9 224 – Begriff 2 46 – Bestellung 9 222 ff. – Bestellung des Gesamterbbaurechts 2 50 – Bewertung der gesamten Laufzeit 9 225 – eigennützige Erwerberleistung 9 223 – Einmalzahlungen 9 226 – Entschädigungen für vorzeitige Nutzungsüberlassungen 9 225 – Erbbauzins keine dauernde Last 9 272 – Erlöschen 2 59 ff.; 9 229 – Erneuerung 9 222 ff. – Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks 9 232 f. – Gebäudeunterhaltungspflicht 9 223 – Heimfall 2 53 ff. – Heimfall als steuerbare Auflassung 1 77 – Heimfallvergütung 9 231 – Herstellungs- oder Sanierungspflicht 9 223 – Kapitalwert 9 222 – steuerbare Bestellung 2 48 – steuerbare Übertragung 2 48 – steuerbare Vorgänge 2 48 ff. – steuerbares Rechtsgeschäft 1 60 – Steuerentstehung 14 13 – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 36 – Steuerentstehung bei rechtsgeschäftlicher Aufhebung 14 13 – Steuerschuldnerschaft 13 20 – Steuervergünstigungen bei juristischen Personen 4 57 – Übertragung 9 222 ff. – Übertragung in der Zwangsvollstreckung 2 61 f. – Übertragung kraft Gesetzes 2 61 f. – Verlängerung 2 51 f.; 9 228 – Zwischengeschäft 2 49 Erbbaurechtsgesetz 2 45 Erbbauzins – Grundstücksbegriff 2 45 Erbengemeinschaft – als Steuerschuldner 13 5 – Auseinandersetzung mit Hilfe des § 3 Nr. 3 GrEStG 3 160 ff. – Gesamthandsgemeinschaft i.S.v. §§ 5, 6 GrEStG 6 15 – Gesamthandsgesellschaft i.S.v. § 5 GrEStG 5 22 – Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG 1 724 – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 317 1027

Stichwortverzeichnis

– Mitglieder als Haftungsschuldner 13 47 – Rechtsträgereigenschaft 1 15 – Steuervergünstigungen i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG 6 70 – Umfang der Steuervergünstigungen i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG 5 61 Erbschaftsteuerbescheid – Bindungswirkung 3 43 Erbschein – Richtigkeit 3 73 Erbteilserwerb – begünstigter Erwerb eines Nachlassgrundstücks 3 176, 189 Erbvergleich – Erbanfall 3 89 Erbvertrag – Anzeigepflichten 18 115 Erbverzicht – Schenkung unter Lebenden 3 124 Erhaltungsrücklage nach WEG – Gegenleistung 9 127 – Grundstücksbegriff 2 11 Erhebungsverfahren – Erlöschen Anh. 13 – Fälligkeit Anh. 12 – Stundung Anh. 12 Erlass – abweichende Festsetzung Anh. 15 – Antrag Anh. 26 – Bedürftigkeit Anh. 16 f. – Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO Anh. 27 – Ermessen Anh. 25 – Erwartungen nicht erfüllt Anh. 23 – Gesamtschuldner 13 44 – gesondertes Verwaltungsverfahren Anh. 26 – Grundlagenbescheid Anh. 27 – nachträglich rechtswidrige Festsetzung Anh. 20 – offensichtlich und eindeutig unrichtige Festsetzung Anh. 20 – persönliche Billigkeitsgründe Anh. 16 ff. – Rechtsfolge Anh. 19 – sachliche Billigkeitsgründe Anh. 19 ff. – unbillige Härte bei Vernichtung Anh. 24 – Unbilligkeit der Einziehung Anh. 14 ff. – Vollstreckungsmaßnahmen 15 32 – Würdigkeit Anh. 18 Ermessen – des Finanzamts bei der Fälligkeitsbestimmung 15 20 f. – Stundung 15 28 Ersatzbemessungsgrundlage – Grundbesitzbewertung 17 106 ff. 1028

Erschließungsbeiträge – als Gegenleistung 9 158 ff. – Kauf eines Grundstücks von der Gemeinde 9 164 f. – Kommunalabgaben 9 168 Erwerb – derivativer 1 4 – originärer 1 4 – Unterscheidung von Erwerbsvorgängen 1 3 Erwerb als Abfindung – Abgrenzung von Leistung an Erfüllungs statt 3 123 – Ausschlagung einer Erbschaft 3 119 f. – Ausschlagung eines Vermächtnisses 3 119 f. – Erbverzicht 3 124 – Pflichtteilsverzicht 3 121 ff. – Vermeidung der Doppelbelastung 3 123.1 Erwerb aufgrund Pflichtteilsanspruchs – Erwerb von Todes wegen 3 108 f. Erwerb der Verwertungsbefugnis – Steuerentstehung 14 20 Erwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner – Anteilsvereinigung 3 201 ff. – begünstigte Vorgänge 3 196 ff. – bestehende Ehe 3 207 ff. – Eheauflösung 3 209 – Eheschließung 3 208 – Gesellschafterwechsel i.S.d. § 2a GrEStG 3 200 – Getrenntleben 3 209 – Gütergemeinschaft 3 199 – Interpolation 3 213 ff. – Kapitalgesellschaft 3 202 – Lebenspartnerschaftsgesetz 3 210 ff. – Nichtehe 3 209 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 3 207 – Personengesellschaft 3 203 – Rechtsentwicklung des § 3 GrEStG 3 194 ff. – Verfahren 3 217 – Verlobte 3 207 – Vertragsübernahme 3 197 Erwerb durch Erbanfall – Abfindungsanspruch weichender Miterben 3 81 – Anwachsung bei zweigliedriger Personengesellschaft 3 90 f. – Ausschlagung der Erbschaft 3 87 – erbrechtliche Nachfolgeklauseln 3 78 – Erbvergleich 3 89 – Gütergemeinschaft 3 94 f. – Höfeordnung 3 79 ff. – Lebenspartnerschaft 3 93 – mehrere Erben 3 76 – Sondererbfolge 3 78 ff. – Teilungsanordnung 3 77, 80

Stichwortverzeichnis

– Universalzukzession 3 75 – Verfügung von Todes wegen, unwirksame 3 88 – Vor- und Nacherbschaft 3 84 ff. – Zugewinngemeinschaft 3 92 f. Erwerb durch Grundstücksschenkung unter Lebenden – Enumeration in § 7 ErbStG 3 125 – Erbauseinandersetzung 3 145 – fingierte Erwerbe 3 127 – freigebige Zuwendung 3 128 ff. – gemischte freigebige Zuwendung 3 142 ff. – gemischte Schenkung 3 142 ff. – Kettenschenkung 3 140 – mittelbare Grundstücksschenkung 3 136 – Schenkung unter Auflage 3 146 ff. – schenkweise Übertragung eines Übereignungsanspruchs 3 137 ff. – Tatbestände nach § 7 ErbStG 3 152 ff. – unbenannte Zuwendung 3 131 – unentgeltliche Übertragungen von juristischen Personen öffentlichen Rechts 3 134 ff. – unterschiedliche Steuerentstehung bei GrESt und ErbSt 3 126 – Vor- und Nacherbschaft 3 153 – vorweggenommene Erbfolge 3 133 Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall – teilweise unentgeltlich 3 112 – voll unentgeltlich 3 111 Erwerb durch Teilnehmer einer fortgesetzten Gütergemeinschaft – Anwendungsbereich 3 254 – begünstigte Personen 3 257 – Interpolation 3 262 – Rechtsentwicklung des § 3 GrEStG 3 252 f. – Teilung des Gesamtguts 3 260 f. – zum Gesamtgut gehörendes Grundstück 3 258 f. Erwerb durch Vermächtnis – Ausschlagung 3 107 – belastetes Grundstück 3 98 – beschwerter Vermächtnisnehmer 3 98 – Geldvermächtnis 3 106 – Kaufrechtsvermächtnis 3 101 ff. – Vermächtnisbegriff 3 96 – Verschaffungsvermächtnis 3 100 – Vorkaufsvermächtnis 3 105 – Wahlvermächtnis 3 99 Erwerb durch Vermögensauseinandersetzung – Abschluss 3 227 – Anwendungsbereich 3 218 f. – Aufhebung der Ehe 3 221 – Ehescheidung 3 220 – Gütergemeinschaft 3 224 – Gütertrennung 3 224

– Interpolation 3 228 – Lebenspartnerschaft 3 229 f. – Regelung sämtlicher vermögensrechtlicher Beziehungen 3 224 – Zeitraum 3 226 – Zugewinngemeinschaft 3 224 Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung – Anteilsvereinigung durch wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG 1 924 ff. – Bemessungsgrundlage 8 30 ff. – erstmaliges Innehaben 1 976 – Legaldefinition in § 1 Abs. 3a Satz 2 und 3 GrEStG 1 924, 963 ff. – Pro-Kopf-Betrachtung 6 30 – Steuerschuldnerschaft 13 36 ff. – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 30 Erwerb eines Grundstücks durch Verwandte – Anwendungsbereich 3 234 f. – bei Adoption 3 237 – bei Ehegatten oder Lebenspartnern einer begünstigen Person 3 247 f. – bei Geschwistern 3 238 – bei Stiefkindern 3 241 ff. – bei Verwandten gerader Linie 3 236 ff. – Interpolation 3 238, 249 f. – Kinder eines Lebenspartners 3 246 – Pflegekinder 3 243 – Rechtsentwicklung des § 3 GrEStG 3 231 ff. – Stiefenkel 3 245 – Verfahren 3 251 – Verwandtschaft durch Annahme als Kind erloschen 3 239 f. Erwerb eines Nachlassgrundstücks – Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft 3 160 ff. – begünstigte Personen 3 171 ff. – begünstigte Vorgänge 3 163 ff. – durch Ehegatten oder Lebenspartner eines Miterben 3 182 f. – durch Miterben 3 172 ff. – durch überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner 3 178 ff. – Erbauseinandersetzung 3 190 ff. – Erbteilserwerb 3 176, 189 – gesamthänderische Verbundenheit 3 184 ff. – Höfeordnung 3 188 – Interpolation 3 193 – Nachfolgeklausel 3 168 – Surrogationserwerb 3 185 – Treuhänder 3 186 – zur Teilung des Grundstücks 3 190 ff. Erwerb geringwertiger Grundstücke – Anzeigepflicht 3 25 – Bagatellerwerbe 3 23 ff. 1029

Stichwortverzeichnis

– Erwerb von Bruchteilseigentum 3 27 ff. – Freigrenze 3 23 ff. – freiwillige Versteigerung 3 26 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 3 25 – Zwangsversteigerung 3 26 Erwerb kraft gesellschaftsrechtlichen Anteilsübergangs – Schenkung auf den Todesfall 3 113 ff. Erwerb nach Auflösung eines Treuhandverhältnisses siehe Rückerwerb bei Aufhebung des Treuhandverhältnisses Erwerb von Anteilen von Todes wegen – Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG 1 773 ff. – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 302 – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG 1 474 Erwerb von Bruchteilseigentum – Veräußerung an einen Erwerber 3 28 – Veräußerung an mehrere Erwerber 3 29 Erwerb von oder durch Ehegatten – Gütergemeinschaft 3 33 ff. – Steuervergünstigungen 3 30 ff. – Zugewinngemeinschaft 3 30 ff. Erwerb von Todes wegen – Änderungen im Grundstücksbestand 3 61 f. – Anteilsvereinigung 3 117 f. – Doppelbesteuerung mit ErbSt 3 41 – Erbanfall 3 75 ff. – Erbschaftsteuerbescheid 3 43 – Erbschein 3 73 – Ermittlungspflicht 3 73 – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 3 116 – Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung 3 72 – steuerrechtliche Bewertung 3 44 – Steuervergünstigungen 3 37 ff. – Umfang der Unentgeltlichkeit 3 57 ff. – Unbedenklichkeitsbescheinigung 3 74 – Werterhöhung der Grundstücke 3 63 ff. Erwerbermodell – Gegenleistung 9 118 Erwerbsgegenstand, einheitlicher – Baubetreuer 9 70 – Bauherrenmodell 9 112 ff. – bauplanungsrechtliche Verpflichtungen 9 80 – bauplanungsrechtliche Vorgaben 9 53 – Baureife 9 83 ff. – bautechnische Trennbarkeit von Reihenoder Doppelhaus 9 77 – Beweiserleichterungen 9 101 – Eigenleistungen des Erwerbers 9 108 – eigennützige Erwerberleistung 9 97 1030

– – – –

Eigentumswohnung 9 77 einheitliches Angebot 9 71 ff., 90 Einheitswille 9 54 ff. einvernehmliches Zusammenwirken mehrerer Veräußerer 9 88 ff., 92 – Entscheidungsfreiheit über Bebauung 9 64 ff. – Erwerbermodell 9 118 – faktische Zwänge 9 76 ff. – Festpreisabrede 9 110 – Formnichtigkeit 9 52 – für das Grundstück erbrachte Leistungen 9 104 – Gebäudeherstellungsverpflichtung des Veräußerers 9 94 ff. – Gegenleistung 9 111 – Grundstückskauf- und Bebauungsvertrag mit derselben Person 9 65 ff. – Korrektur bestandskräftiger Bescheide 9 102 – Leistungen aufgrund von Verträgen mit Dritten 9 106 f. – Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt 9 51 – Maßgeblichkeit des künftigen Grundstückszustandes 9 48 ff. – Mehrheit von Erwerbern 9 93 – Mehrheit von Veräußerern 9 86 ff. – nachbarrechtliche Verpflichtungen 9 80 – nennenswerte wirtschaftliche Nachteile 9 78 – notarielle Beurkundung des Gesamtvertrags 9 61 – objektiv enger Zusammenhang zwischen Erwerb und Bauleistung 9 48 ff., 64 ff. – Projektanbieter 9 99 – rechtlicher Zusammenhang zwischen Erwerb und Bauleistung 9 48 ff., 54 ff. – Reihen- oder Doppelhaus 9 77 – Sanierungsverpflichtungen 9 80 – Treuhänder 9 99 – Veränderungen und Erweiterungen des Leistungsumfangs 9 109 – Vergleichsangebot 9 75 – Verträge am gleichen Tag vor demselben Notar 9 69 – vertragliches Rücktrittsrecht 9 62 – Vertragsauslegung des Gesamtvertrags 9 59 – vorbereiteter Geschehensablauf 9 83 ff. – zeitliche Abfolge der Verträge 9 66 ff. Erwerbstatbestand – Steuerentstehung 14 4, 10 Erwerbsvorgang siehe auch Rechtsgeschäft, steuerbares; Verwertungsbefugnis – aufgrund des BREXIT 4 66 ff. – aufgrund Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder Grenzänderungen 4 4 ff.

Stichwortverzeichnis

– aus Anlass einer kommunalen Gebietsreform 4 44 ff. – Bauherrenmodell 23 9 – Begriff 1 5; 23 7 f. – Buchersitzung 1 4 – durch ausländischen Staat für diplomatische und konsularische Zwecke 4 31 ff. – durch ausländischen Staat für kulturelle Zwecke 4 37 ff. – einer Öffentlich Privaten Partnerschaft 4 53 ff. – herrenloses Grundstück 1 4 – mehrere Grundstücke 2 83 – öffentlich-rechtlicher 1 1 f. – Rechtsentwicklung des § 1 GrEStG 1 6 – Steuervergünstigungen gemäß § 6 GrEStG 6 22 ff. – Tatbestandsverwirklichung gemäß § 38 AO 17 – Umlegung 23 10 – Umsatzsteuer 1 5 – Umwandlung 23 10 – Verwirklichung 1 5, 7 – Verwirklichung kein Anknüpfungspunkt für die Steuerentstehung 23 2 f. – zivilrechtlicher 1 1 f. Europa- und Völkerrecht – Anzeigepflichten ausländischer Steuerschuldner 19 70 EWIV – Gesamthandsgesellschaft i.S.v. § 5 GrEStG 5 22 – Rechtsträgereigenschaft 1 11, 27

Fahrstuhlschächte – Grundstücksbegriff 2 24 Fälligkeit des Steueranspruchs – § 15 GrEStG als lex specialis zu § 220 Abs. 1 AO 15 2, 10 – Anwendungsbereich des § 15 GrEStG 15 9 ff. – Aufrechnung 15 4 – Aussetzung der Vollziehung 15 29 f. – Begriff 15 2 – Bestimmung durch Finanzamt 15 16 – Durchsetzbarkeit der Steuerforderung 15 4 – Fälligkeitsregelung gemäß § 41 Abs. 1 InsO 15 12 – Folgen 15 3 ff. – Grundregel des § 220 Abs. 1 AO 15 2 – Haftung gemäß § 69 AO 15 8 – Hinausschieben 15 23 ff. – Monatsfrist 15 15 – Rechtsentwicklung des § 15 GrEStG 15 13 – Rechtsschutz bei Ablehnung der Fälligkeitsbestimmung durch Finanzamt 15 22

– regelmäßige 15 14 f. – Säumniszuschläge bei Nichtleistung 15 3 – Stundung gemäß § 222 AO 15 6, 23 ff. – Vollstreckung 15 5 – Vollstreckungsaufschub 15 31 f. – wirksame Bekanntgabe 15 14 – Zahlungsverjährung 15 7 Fälligkeitsbestimmung durch Finanzamt – Ablauf der Schonfrist 15 19 – Ermessensentscheidung 15 20 f. – nachträgliche 15 19 – Rechtsschutz 15 22 – Säumniszuschläge 15 19 – späterer Zeitpunkt 15 16 – Stundung 15 18, 24 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 15 18, 24 – Wirkung 15 18, 24 – Zahlungsverjährung 15 19 Fälligkeitsregelung – für das Insolvenzverfahren gemäß § 41 Abs. 1 InsO 15 12 – Steuerentstehung 14 25 Familienrechtliche Regelungen – Steuerentstehung bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften 14 35 Fertighaus – Gebäude auf fremdem Boden 2 67 Festkapitalkonto – Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG 1 320 Festpreisabrede – Gegenleistung 9 110 Festsetzungsfrist – Anzeigepflicht der Beteiligten 18 249 f.; 19 260 ff. – Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare 18 248, 250 – Beginn 18 244; 19 262 – Dauer 18 243 – nicht ordnungsgemäße Anzeige 18 243 ff.; 19 260 ff. – ordnungsgemäße Anzeige 18 234; 19 252 Festsetzungsverjährung – Ablaufhemmung Anh. 11 – Anlaufhemmung Anh. 9 – bei nachträglich vereinbarten Leistungen 9 264 – Fristverlängerung Anh. 10 – Gesamtschuldner 13 42 f. – modifizierte Ablaufhemmung 16 166 – Steuerentstehung 14 4 Feststellung der Besteuerungsgrundlagen siehe Besteuerungsgrundlagen, Feststellung 1031

Stichwortverzeichnis

Feststellungsbescheid – Umfang der gesonderten Feststellung 17 86 ff. Finanzamt – Fälligkeitsbestimmung 15 16 – Information durch Anzeigepflichten 18 10 ff. – Information vor Urkundenaushändigung 21 4 – Mitwirkungspflichten bei Anzeige 18 229; 19 248 – örtliche Zuständigkeit 21 46 – Weiterleitung der Anzeigen 18 231 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz – Steuervergünstigungen 4 2 Fi