AGB-Arbeitsrecht: Kommentar 9783504380311

Das Werk enthält eine speziell auf die AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen zugeschnittene Kommentierung der §§ 305-310 BG

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AGB-Arbeitsrecht: Kommentar
 9783504380311

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Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht Kommentar

AGB-Arbeitsrecht Kommentar zu den §§ 305-310 BGB herausgegeben von

Dr. Susanne Clemenz Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Gütersloh

Burghard Kreft Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt

Prof. Dr. Rüdiger Krause Georg-August-Universität Göttingen bearbeitet von

Dr. Gernot Brühler

Prof. Dr. Steffen Klumpp

Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Dr. Susanne Clemenz

Prof. Dr. Rüdiger Krause

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Gütersloh

Georg-August-Universität Göttingen

Burghard Kreft Dr. Christian Hoefs Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt

Dr. Anja Schlewing Richterin am Bundesarbeitsgericht, Erfurt

2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veiZeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 581 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38--01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42061-1

©2.013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

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Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Hubert &. Co., Göttingen Printed in Gerrnany

Vorwort Die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 eingeführte AGB-Kontrolle von vorformulierten Arbeitsbedingungen hat sich zu einer der folgenwirksamsten Rechtsänderungen im Arbeitsrecht in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Die Klauselkontrolle gehört dementsprechend seit rund zehn Jahren zu einem der für die Praxis wichtigsten Bereiche dieses Rechtsgebiets. Dabei hat nicht nur die Anzahl der einschlägigen Gerichtsentscheidungen im Vergleich zu früher erheblich zugenommen. So listet etwa Juris zu den kombinierten Stichworten „BAG“ und „AGB“ für die Zeit ab 2002 rund 500 Eintragungen auf. Vielmehr haben sich auch die rechtlichen Maßstäbe zunehmend verfeinert. Auch wenn mittlerweile zahlreiche Entscheidungen des BAG zu typischen vorformulierten Arbeitsvertragsklauseln vorliegen, so sind doch viele Einzelfragen nach wie vor offen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die arbeitsrechtliche Praxis ständig neue Klauseltypen hervorbringt, die ähnlich wie im allgemeinen Zivilrecht eine permanente Weiterentwicklung der rechtlichen Prüfungsmaßstäbe erfordern. Um in der sich ununterbrochen ausdifferenzierenden Judikatur den Überblick zu behalten, bedarf es der systematischen Aufarbeitung. Darüber hinaus kann eine überzeugende Maßstabbildung für die arbeitsrechtliche Klauselkontrolle nur gelingen, wenn sich der Rechtsanwender immer wieder auf die Grundlagen und Leitgedanken der Überprüfung vorformulierter Vertragsbedingungen besinnt, zumal nur durch eine Herausbildung von übergreifenden Grundsätzen dem vom BVerfG immer wieder betonten rechtsstaatlichen Gebot der Berechenbarkeit des Rechts im Sinne von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entsprochen wird. Hierzu will der neue Kommentar einen fundierten Beitrag leisten. Er richtet sich an die forensische Praxis ebenso wie an die Wissenschaft und die Kautelarjurisprudenz. Die Darstellung folgt im Grundsatz der Systematik des Gesetzes. Durch ein Klausel-ABC im Rahmen der Kommentierung von § 307 BGB und einen Anhang zu besonders komplexen Regelwerken soll dem Nutzer der schnelle Zugriff auf einzelne Problembereiche erleichtert werden. Der Kommentar befindet sich auf dem Stand vom 1. Oktober 2012. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen. Gütersloh, Erfurt und Göttingen, im Oktober 2012

Susanne Clemenz Burghard Kreft Rüdiger Krause V

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Bürgerliches Gesetzbuch (Auszug) Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse Abschnitt 2 Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen § 305

Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

§ 305a Einbeziehung in besonderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 § 305b Vorrang der Individualabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln . . . . . . . . . . . . . 147 § 306

Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit . 180

§ 306a Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Vor § 307. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 307

Inhaltskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . 381

§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . 434

§ 310

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503

VII

Inhaltsübersicht

Anhang Besondere Regelwerke Seite

Besondere Vergütungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

VIII

Abkürzungsverzeichnis a.A. abl. Abs. AGB AGBG

AP AuR

anderer Ansicht ablehnend Absatz Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anmerkung Anwaltskommentar (siehe Literaturverzeichnis Hümmerich u.a.) Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des BAG Arbeit und Recht (Zeitschrift)

BAG BB BEEG BGB BGH

Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof

DB DBD Diss.

Der Betrieb (Zeitschrift) Däubler/Bonin/Deinert (siehe Literaturverzeichnis) Dissertation

ErfK EzA

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (siehe Literaturverzeichnis Müller-Glöge u.a.) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FS

Festschrift

GewO GG GS GWR

Gewerbeordnung Grundgesetz Gedächtnisschrift Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Hk-BGB

Handkommentar zum BGB (siehe Literaturverzeichnis Schulze u.a.) Henssler/Willemsen/Kalb (siehe Literaturverzeichnis)

Anm. AnwK

HWK

IX

Abkürzungsverzeichnis

i.d.R. i.S.d./i.S.v. i.V.m.

in der Regel im Sinne des/im Sinne von in Verbindung mit

jurisPK-BGB

juris Praxiskommentar (siehe Literaturverzeichnis Herberger u.a.)

KR KSchG

Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz (siehe Literaturverzeichnis Etzel u.a.) Kündigungsschutzgesetz

LPK-SGB VII

siehe Literaturverzeichnis Franke u.a.

MünchKomm Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch BGB (siehe Literaturverzeichnis Säcker u.a.) NJW NZA NZA-RR

Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report

PersV PflegeZG PWW

Die Personalvertretung (Zeitschrift) Pflegezeitgesetz Prütting/Wegen/Weinreich (siehe Literaturverzeichnis)

RdA Rspr. Rz.

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Rechtsprechung Randzeichen

S. SGB sog.

Seite Sozialgesetzbuch so genannte(r)

TzBfG

Teilzeit- und Befristungsgesetz

vgl.

vergleiche

WLP

Wolf/Lindacher/Pfeiffer (siehe Literaturverzeichnis)

ZfA ZIP ZTR zust. zutr.

Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend zutreffend

X

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XLI

Einführung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionen von AGB . . . . . . . II. Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zeit bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zeit seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen der AGBKontrolle im Arbeitsrecht . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normentheoretische Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsverhältnisbezogene Konzeptionen. . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsverhältnisüberschreitende Konzeptionen . . . . . . . . 5. Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht . . . . . 6. Bedeutung für die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht . . . . . . . 7. Bedeutung des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten der AGBKontrolle im Arbeitsrecht . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leitgedanken der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anpassungsnotwendigkeit und Bestandsschutz . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . bb) Tätigkeitsebene . . . . . . cc) Entgeltbereich . . . . . . . b) Grundrechtliche Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 7

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14 18

20

25 25 28 30 37 41 44 57 62 62 69 70 70 76 79

c) Kompensation von Nachteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Vorhandenseins eines gesetzlichen Schutzsystems . . . bb) Freiwillige Begünstigungen . . . . . . . . . . . . . d) Differenzierung nach Verkehrskreisen . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitnehmerseite . . . . bb) Arbeitgeberseite . . . . . . e) Rationalisierung/Gleichbehandlung. . . . . . . . . . . . . . f) Sanktionierung von Pflichtverletzungen. . . . . . . g) Rechtsverfehlungsrisiko (Prognoserisiko) . . . . . . . . . . h) Kollektivrechtliche Wertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Koalitionsvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . bb) Betriebliche Mitbestimmung . . . . . . . . . . . i) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit . . . . . . . . . . .

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V. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 103 1. Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . 103 2. Sonstige Verträge . . . . . . . . . . . 113 VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen . . . . . . . . . . . . . . . 115 VII. Internationaler Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 VIII. Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge. . . . . . . . . 126 IX. Durchsetzung des AGBRechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

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Einführung

I. Allgemeines 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage 1 Die Arbeitsvertragspraxis wird schon seit langem durch vorformulierte Arbeitsbedingungen geprägt.1 Empirisch gestützte Schätzungen gehen dahin, dass weit mehr als 90 % aller Arbeitsverhältnisse in Deutschland formularmäßig ausgestaltet sind.2 Der ausschließlich aus individuell ausgehandelten Arbeitsbedingungen bestehende Arbeitsvertrag stellt nur eine verschwindend geringe Restgröße dar. Formulararbeitsverträge werden in praktisch allen Bereichen des Arbeitslebens ohne Rücksicht auf die Unternehmensgröße verwendet. Auch wenn vorformulierte Arbeitsverträge zuerst in Großunternehmen eingesetzt wurden, sind sie auch in mittleren und kleinen Unternehmen seit geraumer Zeit verbreitet.3 Gewisse Einschränkungen finden sich im Baugewerbe, das über einen allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag verfügt, dessen Regelungsdichte offenbar den Erfordernissen der Bauwirtschaft genügt und damit den Wunsch nach einer detaillierten Ausgestaltung der Einzelarbeitsverträge offenbar verringert, so dass es die Arbeitsvertragsparteien regelmäßig bei einem bloßen Einstellungsbogen4 bewenden lassen. Vergleichbares gilt für den öffentlichen Dienst, der vor dem Hintergrund flächendeckender Tarifwerke ebenfalls einen relativ kurz gehaltenen Musterarbeitsvertrag kennt.5 Ein funktionsfähiges und regelungsintensives Tarifvertragssystem vermindert somit das Bedürfnis nach einer umfassenden Festschreibung von Arbeitsbedingungen in Formulararbeitsverträgen,6 während ein Rückgang der tarifvertraglichen Regulierung von Arbeitsverhältnissen nicht zu individuell ausgehandelten Konditionen, sondern zu vorformulierten Arbeitsbedingungen führt. 2 In personeller Hinsicht kommen vorformulierte Arbeitsverträge nicht nur bei einfachen Arbeitnehmern, sondern seit Jahrzehnten7 auch bei Führungskräften zum Einsatz.8 Dabei werden für verschiedene Arbeitnehmergruppen (insbesondere gewerbliche Arbeitnehmer, Tarifangestellte, außertarifliche Angestellte) zumeist unterschiedliche Vertragsmuster benutzt. Neben dem gedruckten Formulararbeitsvertrag wird in 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Gumpert, BB 1974, 139. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 7. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 3. Vgl. § 2 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV). Abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de. Ebenso die Einschätzung von Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 80. Vgl. Rüthers, BB 1972, 1105 (1108). Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 5.

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Allgemeines

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zunehmendem Maße auf Textbausteine zurückgegriffen, die eine flexible Anpassung an die jeweiligen Anforderungen bei der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags ermöglichen.1 Zudem existieren in den Unternehmen nicht selten verschiedene „Generationen“ von Arbeitsvertragsmustern, was auf einer Weiterentwicklung von ursprünglich verwendeten Klauseln nicht zuletzt im Hinblick auf sich verändernde Vorgaben der Rechtsprechung, zuweilen aber auch schlicht auf einem Wechsel des für das Entwerfen von Formulararbeitsverträgen zuständigen Mitarbeiters oder externen Arbeitsrechtsberaters beruhen kann. Inhaltlich weisen vorformulierte Arbeitsbedingungen eine unterschied- 3 lich hohe Regelungsdichte auf. Manche Formulararbeitsverträge beschränken sich auf wenige Bestimmungen und dokumentieren im Wesentlichen nur, dass der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde und welche Tätigkeit der Arbeitnehmer auszuüben hat. In der Tendenz nimmt der Regelungsumfang aber zu. So finden sich in zahlreichen Arbeitsverträgen vorformulierte Klauseln über die Leistung und Vergütung von Über- und Mehrarbeit, Sonderleistungen, die Anzeige und den Nachweis einer Arbeitsverhinderung, Verschwiegenheitspflichten, Nebentätigkeiten, Wettbewerbsverbote, Vertragsstrafen, Ausschlussfristen, das Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen und vieles andere mehr.2 Zudem enthalten Formularverträge regelmäßig Verweisungen auf Tarifverträge, betriebliche Regelungen sowie sonstige allgemeine Arbeitsbedingungen.3 Daneben sind oftmals deklaratorisch die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere zum Urlaub, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie zu Kündigungsfristen aufgenommen. Bei leitenden Angestellten trifft man zudem häufig auf Regelungen über einen Auslandseinsatz und die anschließende Rückkehr nach Deutschland, wobei über solche Angelegenheiten zumeist vom eigentlichen Arbeitsvertrag getrennte formularmäßige Vereinbarungen getroffen werden. Entsprechendes gilt für Dienstwagenregelungen. Soweit ersichtlich werden vorformulierte Arbeitsbedingungen ausschließlich von der Arbeitgeberseite in den Arbeitsvertrag eingeführt. Diese Arbeitsbedingungen werden in größeren Unternehmen regelmäßig selbst entwickelt oder doch zumindest in Auftrag gegeben. Bei kleinen und mittleren Unternehmen werden die Bedingungen dagegen

1 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 15. 2 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 13, 17 ff., siehe ferner bereits Zöllner, RdA 1989, 152 (155). 3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 22 ff.

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4

Einführung

vielfach von den Arbeitgeberverbänden zur Verfügung gestellt oder allgemein zugänglichen Musterhandbüchern sowie vermehrt auch dem Internet entnommen.1 Soweit es um Führungskräfte geht, greift man aber auch in der mittelständischen Wirtschaft in zunehmendem Maße auf anwaltliche Beratung zurück. 5 Von Arbeitnehmern umfassend vorformulierte Klauselwerke sind bislang nicht bekannt geworden. Allerdings findet der Abschluss von Arbeitsverträgen vor allem im Bereich höher qualifizierter Tätigkeiten nicht selten in der Weise statt, dass dem Arbeitnehmer das Vertragsformular vor dem eigentlichen Vertragsschluss einige Zeit zur Verfügung gestellt wird, wobei hiermit unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Teilweise geht es nur darum, dass der Arbeitnehmer die Gelegenheit erhalten soll, sich mit den unter Umständen recht umfangreichen Arbeitsbedingungen vertraut zu machen und gegebenenfalls sogar sachkundigen Rat einzuholen, ohne dass damit zugleich Verhandlungsbereitschaft signalisiert werden soll. Dies spielt vor allem bei Mitarbeitern im Vertrieb sowie bei komplexen Vergütungssystemen eine wachsende Rolle. Teilweise werden verschiedene in Betracht kommende Optionen offeriert, deren Vor- und Nachteile der Arbeitnehmer vor der Vertragsabschlussentscheidung erwägen soll. Teilweise stellen sich der vorformulierte Arbeitsvertrag oder zumindest einzelne Bestandteile noch weitergehend nur als Verhandlungsgrundlage dar. Vereinzelt soll es sogar dazu kommen, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Einzelfragen die genaue Klauselgestaltung dem Arbeitnehmer überlässt. Im Allgemeinen spielen einzeln ausgehandelte Vereinbarungen in der Arbeitsvertragspraxis aber selbst bei Führungskräften nur eine geringe Rolle.2 Am ehesten scheinen sie noch in den Fällen vorzukommen, in denen ein gesuchter Mitarbeiter angeworben werden soll und es darum geht, einer besonderen Belastung dieses Mitarbeiters Rechnung zu tragen (z.B. Übernahme von Umzugskosten oder der Ausgleich von sonstigen mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes verbundenen Nachteilen).3 6 Die Gewerkschaften bieten keine Musterarbeitsverträge an, um ihren eigenen Tarifverträgen keine Konkurrenz zu machen.4 Allerdings kommt es zuweilen zu schuldrechtlichen Absprachen auf der Ebene der Tarifvertragsparteien, die sodann einvernehmlich in einheitsarbeitsver-

1 2 3 4

Vgl. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 2, 15, 87 ff. Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (372). Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 9. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 82.

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tragliche Regelungen umgesetzt werden.1 Darüber hinaus werden auch auf der betrieblichen Ebene teilweise Vereinbarungen mit einem Musterinhalt getroffen, die der Arbeitgeber dann in klauselartige Einzelverträge transformiert.2 2. Funktionen von AGB Die Verwendung vorformulierter Arbeitsbedingungen soll bestimmten Funktionen dienen, die sich zu einem erheblichen Teil mit den Zwecken decken, die mit der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen generell verfolgt werden. An erster Stelle steht die Rationalisierungsfunktion (Entlastungsfunktion). Nicht anders als im allgemeinen Geschäftsverkehr3 ist der Rationalisierungseffekt auch im Arbeitsrecht als legitimer Zweck der Vorformulierung von Arbeitsbedingungen anzuerkennen.4 Gleichlautende Konditionen, die im Verhältnis zu allen oder doch zu größeren Gruppen von Arbeitnehmern verwendet werden, erleichtern das Personalmanagement. Ohne den flächendeckenden Einsatz von Formulararbeitsverträgen kann der arbeitsrechtliche Umgang mit der Belegschaft in Unternehmen mit hunderten oder sogar tausenden von Mitarbeitern praktisch nicht mehr bewältigt werden.

7

Der Rationalisierungsaspekt gilt zunächst für das Vertragsabschlusssta- 8 dium.5 Vorformulierte Arbeitsbedingungen tragen dazu bei, die beim Einstellungsvorgang anfallenden Transaktionskosten erheblich zu verringern. Der Rückgriff auf eine bereits vorhandene Arbeitsvertragsregelung erspart sowohl der Arbeitgeberseite als auch der Arbeitnehmerseite ein zeit- und kostenaufwändiges Aushandeln von Nebenbedingungen, die im Interesse einer vorsorgenden Vertragsgestaltung eine Regelung als sinnvoll erscheinen lassen, im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses aber möglicherweise ohne jede praktische Relevanz bleiben. Schon dies al1 Vgl. BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194; BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – AP BGB § 307 Nr. 52. 2 Vgl. BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Os. (Rz. 35); BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 (Rz. 20). 3 BT-Drucks. 7/3919, S. 1, 9; MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 2; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 23 ff.; WLP/Pfeiffer, Einl Rz. 1; Staudinger/Schlosser, Vorbem zu §§ 305 ff. Rz. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 67; UBH/ Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 4; ferner bereits Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1935), S. 19 ff.; siehe auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. (2005), S. 426. 4 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 109. 5 Vgl. UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 4.

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lein ist für beide Arbeitsvertragsparteien unmittelbar von Vorteil, ohne dass es auf die freilich ohnehin zweifelhafte zusätzliche Überlegung ankommt, der Arbeitgeber würde die eingesparten Transaktionskosten im Wege eines höheren Entgelts an die Arbeitnehmer weiterleiten.1 9 Die Rationalisierungswirkung betrifft weiter das Vertragsdurchführungsstadium.2 Insoweit geht es zum einen um das grundsätzlich berechtigte Interesse des Arbeitgebers daran, die Abwicklung von Arbeitsverträgen zu vereinheitlichen und dadurch zu vereinfachen.3 Zum anderen können vorformulierte Arbeitsbedingungen, welche die Rechte und Pflichten beider Seiten präzise festlegen, dazu beitragen, bei der Vertragsdurchführung spätere ihrerseits wieder kostenträchtige Meinungsverschiedenheiten über den genauen Inhalt der Rechtsbeziehungen zu vermeiden.4 Gleichförmige Konditionen bewirken, dass in den Personalabteilungen Erfahrungswissen generiert wird, auf das in den zahlreichen Zweifelsfragen des arbeitsrechtlichen Alltags zurückgegriffen werden kann, um Konflikte in einer die Ressourcen schonenden Weise zu lösen. Kurz gesagt müssen Streitfragen, die bei jeder Auslegung und Anwendung von Vertragstexten letztlich unvermeidbar sind, nur einmal geklärt und nicht jedes Mal aufgrund abweichender Formulierungen neu durchdacht und entschieden werden.5 Zudem können Probleme bei der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses zum Anlass genommen werden, die Arbeitsbedingungen zumindest für alle künftig abzuschließenden Arbeitsverträge einheitlich abzuändern und hierdurch in der Zukunft Schwierigkeiten bei der Vertragsdurchführung von vornherein zu verhindern. 10 Die genaue Fixierung des Vertragsinhalts leitet zur zweiten Funktion über, die darin besteht, es nicht beim vorhandenen Gesetzesrecht bewenden zu lassen, sondern den Arbeitsverhältnissen einen den praktischen Bedürfnissen entsprechenden vertraglichen Rahmen zu verschaffen.6 Da die arbeitsrechtlichen Gesetze anders als die meisten Normen des allgemeinen Zivilrechts außerhalb des Verbraucherschutzrechts re1 Zum Argument, dass die Verwendung von AGB zu niedrigeren Preisen für die Kunden führt, siehe Becker, JZ 2010, 1098 (1103 Fn. 95); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 70; insoweit krit. bereits E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931). 2 Vgl. UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 4. 3 Zum allgemeinen AGB-Recht ebenso BGH 10.1.1996 – XII ZR 271/94 – NJW 1996, 988 (989). 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 67; plastisch schon Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1935), S. 20: „Inbegriff ersparter Prozesse“. 5 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 108. 6 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 71.

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Allgemeines

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gelmäßig zwingenden Charakter haben, geht es insoweit allerdings weniger darum, dass dispositive Einzelregelungen abgeändert werden sollen. Vielmehr steht im Arbeitsverhältnis die Substitution von fehlendem Recht, also die Lückenausfüllungsfunktion,1 im Vordergrund. Ursache hierfür ist in erster Linie, dass es nach wie vor an einem Arbeitsvertragsgesetz fehlt. Daher sind zahlreiche Fragen nicht gesetzlich geklärt, die von der Praxis häufig als regelungsbedürftig angesehen werden. Hierzu gehören etwa die Befugnis des Arbeitgebers, Überstunden anzuordnen oder den Arbeitnehmer freizustellen, wie auch die schnelle Herbeiführung klarer Verhältnisse durch Ausschlussfristen. Hinzu kommt, dass Manteltarifverträge, die zumindest teilweise in diese Bresche springen, infolge der zurückgehenden Tarifbindung immer weniger Arbeitsverhältnisse regulieren. Beide Faktoren haben zur Folge, dass ein erhebliches Bedürfnis nach einer vorformulierten Gestaltung von Nebenbedingungen auf der arbeitsvertraglichen Ebene besteht. Eine arbeitsrechtspezifische Funktion, die im allgemeinen AGB-Recht 11 keine Parallele findet, liegt darin, dass betriebsorganisatorische Notwendigkeiten vielfach eine einheitliche Ausgestaltung der Arbeitsverträge gebieten oder zumindest nahelegen. Dies betrifft diejenigen Arbeitsbedingungen, die sich unmittelbar auf die Einbringung der Arbeitsleistung in den betrieblichen Prozess beziehen, weil es insoweit regelmäßig einer Koordination der Einzelleistungen bedarf, um eine Gesamtleistung hervorzubringen. So können Kurzarbeits- oder Überstundenregelungen (Umfang, Ankündigungsfrist etc.) sinnvollerweise nur einheitlich ausgestaltet werden, damit das mit der betriebsorganisatorischen Maßnahme verfolgte Ziel erreicht werden kann. Darüber hinaus tragen vorformulierte Arbeitsverträge zu einer Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei.2 In zahlreichen Fällen wird dies zugleich durch den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtlich geboten sein, weil sich der Vorrang der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur auf individuell vereinbarte Abreden, nicht aber auf die pauschale Unterwerfung der Arbeitnehmer unter vorformulierte Vertragsbedingungen bezieht.3 Daneben ist eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter aber auch personalpolitisch (betriebspsychologisch) vielfach unabweisbar, was insbesondere 1 So die Begriffsbildung von Locher, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 3. Aufl. (1997), S. 7; ihm folgend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 71. 2 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 107; siehe dazu auch Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (372). 3 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 575; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 187; einschränkend aber Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 611 Rz. 507.

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für die Gleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern gilt. 12 Zu nennen ist weiter schließlich die aus dem allgemeinen AGB-Recht ebenfalls bekannte1 Risikoverlagerungsfunktion. Soweit das Arbeitsvertragsrecht keine zwingenden Vorgaben enthält, sondern Regelungsspielräume eröffnet, können AGB dazu dienen, bestimmte Risiken, die das dispositive Recht an sich dem Arbeitgeber zuweist, etwa die Entgeltzahlungspflicht bei einer vorübergehenden Verhinderung an der Arbeitsleistung infolge persönlicher Gründe gemäß § 616 BGB, auf den Arbeitnehmer zu verlagern. Die Ausnutzung solcher Spielräume ist nicht schon im Ansatz illegitim, weil der Gesetzgeber mit der Disposivität einer Norm gerade zu verstehen gegeben hat, dass er insoweit keine zwingende Regelung für erforderlich hält, sondern eine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben als grundsätzlich zulässig ansieht. Zu einem AGBrechtlichen Problem wird eine solche Risikoverlagerung aber dann, wenn es sich dabei nicht um eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingung, sondern um eine vom Arbeitgeber vorformulierte und vom Arbeitnehmer pauschal akzeptierte Bedingung handelt (näher dazu unten Rz. 25 ff.). Auch in diesem Fall ist freilich nicht jede Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer per se anstößig, sondern kann durch hinreichend gewichtige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, mag es auch zu kurz greifen, eine Risikoabwälzung als notwendige Begleiterscheinung jeder Rationalisierung anzusehen.2 13 Soweit im AGB-rechtlichen Schrifttum schließlich zuweilen die Verheimlichungsfunktion angesprochen wird,3 handelt es sich von vornherein um keinen legitimen Zweck. Keine Rechtsordnung kann die Hand zu einer Vertragsgestaltung reichen, die geradezu das Ziel verfolgt, die andere Vertragspartei „hinters Licht“ zu führen. Das Problem besteht insoweit freilich nicht in diesem unbestreitbaren Grundsatz, sondern darin, wie weit die Rechtsordnung den Schutz vor Klauseln im Hinblick auf ihren überraschenden Charakter vorantreiben sollte. 1 BT-Drucks. 7/3919, S. 9; MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 3; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 26 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 73; UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 5; ähnlich bereits Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1935), S. 22: AGB als „Werkzeuge wirtschaftlicher Machterhaltung und -verstärkung“. 2 So generell bereits Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 26; E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931). 3 Kliege, Rechtsprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in wirtschaftswissenschaftlicher Analyse, 1966, S. 19 ff.; Staudinger/Schlosser, § 305c Rz. 2.

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Entwicklung der Inhaltskontrolle

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II. Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht 1. Die Zeit bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nimmt schon seit Jahrzehnten 14 die Befugnis für sich in Anspruch, arbeitsvertragliche Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, die über eine reine Rechtskontrolle hinausgeht und sich auf die Angemessenheit der vertraglichen Regelungen erstreckt.1 Als Geltungsgrund der Inhaltskontrolle wurde regelmäßig die Störung der Vertragsparität herausgestellt, die bei einer einseitigen Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber anzunehmen sei, wobei das BAG allerdings vielfach keine klare Unterscheidung zwischen der (situativen) Unterlegenheit des Arbeitnehmers kraft Vorformulierung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber und der (strukturellen) Unterlegenheit des Arbeitnehmers kraft geringerer Verhandlungsmacht als Folge unterschiedlicher Angewiesenheit auf den Abschluss des Arbeitsvertrags2 traf.3 Zuweilen wurde aber auch damals schon die arbeitsvertragliche Einheitsregelung als Aufgreifkriterium betont.4 Wenn in der älteren Judikatur überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Inhaltskontrolle genannt5 bzw. nicht einfach nur auf Richterrecht verwiesen6 wurde, tauchte § 315 BGB,7 daneben aber auch

1 Umfassender Überblick über die Entwicklung bei Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 159 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht (1993), S. 147 ff.; siehe dazu auch Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit (2000), S. 545 ff. 2 Für eine solche Schlussfolgerung bedarf es keiner Stellungnahme zur umstrittenen Theorie von der inversen Reaktion des Arbeitsmarkts; siehe dazu nur Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179 f.); Rödl, in: Bieder/Hartmann (Hrsg.), Individuelle Freiheit und kollektive Interessenwahrnehmung im deutschen und europäischen Arbeitsrecht (2012), S. 81 (94 ff.). 3 Vgl. BAG 31.10.1969 – 3 AZR 119/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1; BAG 19.6.1970 – 3 AZR 402/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 144; BAG 4.7.1972 – 3 AZR 477/71 – AP HGB § 65 Nr. 6. 4 BAG 21.12.1970 – 3 AZR 510/69 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG 22.12.1970 – 3 AZR 52/70 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2. 5 So etwa nicht in BAG 19.6.1970 – 3 AZR 402/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 144; BAG 10.5.1971 – 3 AZR 322/70 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 152; BAG 4.7.1972 – 3 AZR 477/71 – AP HGB § 65 Nr. 6. 6 So BAG 21.12.1970 – 3 AZR 510/69 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG 22.12.1970 – 3 AZR 52/70 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2. 7 BAG 31.10.1969 – 3 AZR 119/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter gleichzeitiger Nennung von § 242 BGB).

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§ 138 BGB1 und § 242 BGB2 auf. Ferner wurde zuweilen das aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitende Arbeitnehmerschutzprinzip genannt.3 Im Übrigen gehören auch der extensive Einsatz des Instruments der objektiven Gesetzesumgehung,4 die Einordnung von Grundrechten als Verbotsgesetze (§ 134 BGB)5 sowie die Heranziehung der Fürsorgepflicht6 als Grenzen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht letztlich in diesen Zusammenhang. Insgesamt drängt sich das Bild einer ursprünglich fast wahllosen Heranziehung heterogener rechtlicher Aspekte auf, um zu einer Angemessenheitskontrolle arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zu gelangen. 15 Die Kodifizierung des AGB-Rechts durch das AGBG von 1976, die eine jahrzehntelange Rechtsentwicklung hin zu einer immer stärkeren Kontrolle von AGB durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung7 in der Sache bestätigte und auf eine neue Rechtsgrundlage stellte, hatte das Arbeitsrecht bewusst ausgespart.8 Die Bereichsausnahme wurde seinerzeit damit begründet, dass ein Schutz des schwächeren Vertragspartners vor unangemessenen Vertragsbedingungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts schon durch ein dichtes Netz von zwingenden Vorschriften und durch das besondere System der kollektivrechtlichen Vereinbarungen verwirklicht werde, so dass ein zusätzlicher Schutz durch das AGBRecht nicht erforderlich sei. Falls eine weitere Verbesserung des Schutzes der Arbeitnehmer vor unangemessenen Bedingungen erforderlich erscheine, solle dies durch besondere gesetzgeberische Maßnahmen erfolgen.9 Der damalige Gesetzgeber brachte damit dreierlei zum Ausdruck: Erstens sah er den Grund für Schutzvorschriften zu Gunsten des Arbeitnehmers im allgemeinen Aspekt der persönlichen Unterlegen1 BAG 22.11.1973 – 2 AZR 580/72 – AP BGB § 626 Nr. 67. 2 BAG 31.10.1969 – 3 AZR 119/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter gleichzeitiger Nennung von § 315 BGB). 3 So BAG 26.10.1973 – 3 AZR 377/72 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 161; BAG 18.12.1975 – 3 AZR 58/75 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 170. 4 Z.B. BAG 12.10.1960 – GS 1/59 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16; BAG 11.3.1971 – 5 AZR 349/70 – AP BGB § 622 Nr. 9; BAG 9.3.1972 – 5 AZR 246/71 – AP BGB § 622 Nr. 12; im Ansatz auch BAG 16.10.1965 – 5 AZR 55/65 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 20. 5 Z.B. BAG 29.6.1962 – 1 AZR 343/61 – AP GG Art. 12 Nr. 25. 6 Z.B. BAG 5.3.1959 – 2 AZR 268/56 – AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 26; BAG 10.5.1962 – 5 AZR 452/61 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 22. 7 Siehe dazu nur Stoffels, AGB-Recht, Rz. 20 ff.; UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 10 ff. 8 § 23 Abs. 1 AGBG (im RegE noch § 11 Abs. 1 AGBG). 9 BT-Drucks. 7/3919, S. 41.

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Entwicklung der Inhaltskontrolle

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heit. Zweitens hielt er diesen Schutz durch die bereits vorhandenen Instrumente auf der gesetzlichen und auf der kollektivvertraglichen Ebene für hinreichend gewährleistet. Drittens sollten etwaige Schutzlücken durch spezielle zwingende Bestimmungen geschlossen werden. Die vom BAG bereits einige Jahre zuvor letztlich kraft Richterrechts entwickelte Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden blieb dagegen unerwähnt. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat sich über die hinter der Be- 16 reichsausnahme stehende Vorstellung des Gesetzgebers einer exklusiven Zweigleisigkeit des Arbeitnehmerschutzes vor unangemessenen Arbeitsbedingungen durch zwingendes Gesetzesrecht auf der einen Seite und Kollektivverträgen auf der anderen Seite von Anfang an souverän hinweggesetzt1 und sich eine auf allgemeine Erwägungen gestützte Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglichen Regelungen nicht aus der Hand nehmen lassen.2 Spätestens seit der Bürgschaftsentscheidung des BVerfG mit ihrer Entwicklung einer verfassungsrechtlich geforderten Kontrolle rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zur Verhinderung von Fremdbestimmung im Gewande eines Vertrages (dazu noch näher unten Rz. 51 ff.)3 hätten sich die Überlegungen des Gesetzgebers, sofern ihnen überhaupt eine geschlossene Konzeption zu Grunde lag, ohnehin nicht mehr halten lassen. Für die innere Legitimation der Inhaltskontrolle führte das BAG in Fortführung seiner älteren Judikatur wiederum zumeist den Aspekt der gestörten Vertragsparität ins Feld, die in den neueren Entscheidungen unter Anlehnung an die Judikatur des BVerfG vielfach ausdrücklich auf die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers bzw. die damit korrespondierende stärkere Verhandlungsmacht des Arbeitgebers gestützt wurde.4 Vereinzelt war zudem von der Unerfahrenheit des Arbeitnehmers und damit der Sache nach von der intel-

1 Nicht näher begründete Behauptung der Notwendigkeit einer Interessenabwägung etwa in BAG 13.8.1980 – 5 AZR 296/78 – AP BUrlG § 1 Unbezahlter Urlaub Nr. 1 unter Berufung auf BAG 30.6.1976 – 5 AZR 246/75 – AP BUrlG § 7 Betriebsferien Nr. 3 (zu einem Fall vor Inkrafttreten des AGBG); ferner BAG 23.5.1984 – 4 AZR 129/82 – AP BGB § 339 Nr. 9 = NZA 1984, 255. 2 So ausdrücklich etwa BAG 24.11.1993 – 5 AZR 153/93 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759: „Bereichsausnahme … lässt die arbeitsrechtliche Inhaltskontrolle unberührt“. 3 BVerfG 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (231 ff.). 4 BAG 24.11.1993 – 5 AZR 153/93 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759; BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG 21.11.2001 – 5 AZR 158/00 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484.

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lektuellen Unterlegenheit die Rede.1 Darüber hinaus wurde die Angemessenheitskontrolle zuweilen aber auch explizit mit dem Vorhandensein einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung2 bzw. mit der Vorformulierung des Vertragsinhalts durch den Arbeitgeber gerechtfertigt.3 Die normativen Anknüpfungspunkte für die konkrete Verankerung der Kontrolle blieben im Vergleich zur Zeit vor Inkrafttreten des AGBG weitgehend unverändert: Zu nennen sind die objektive Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften wie insbesondere das KSchG,4 der allgemeine Rekurs auf § 138 BGB5 oder auf § 315 BGB,6 die zunehmende Heranziehung von § 242 BGB7 sowie verschiedene Kombinationen von Generalklauseln.8 1 BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723. 2 So BAG 5.2.1986 – 5 AZR 564/84 – AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782. 3 So BAG 24.11.1993 – 5 AZR 153/93 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759 (bei gleichzeitiger Rückführung auf die stärkere Verhandlungsmacht des Arbeitgebers). 4 BAG 7.10.1982 – 2 AZR 455/80 – AP BGB § 620 Teilkündigung Nr. 5; BAG 12.12.1984 – 7 AZR 509/83 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 6 = NZA 1985, 321; BAG 13.6.1986 – 7 AZR 650/84 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 19 = NZA 1987, 241; BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95; BAG 21.4.1993 – 7 AZR 297/92 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 34 = NZA 1994, 476; BAG 15.11.1995 – 2 AZR 521/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 20 = NZA 1996, 603; BAG 28.5.1997 – 5 AZR 125/96 – AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 36 = NZA 1997, 1160. 5 BAG 7.11.1984 – 5 AZR 278/83 – n.v.; BAG 10.10.1990 – 5 AZR 404/89 – AP BGB § 138 Nr. 47 = NZA 1991, 264; so auch der Ansatz in BAG 25.7.1984 – 5 AZR 219/82 – juris; BAG 24.3.1988 – 2 AZR 630/87 – AP BGB § 241 Nr. 1 = NZA 1989, 101; BAG 27.2.2002 – 9 AZR 543/00 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 (insoweit Sittenwidrigkeit allerdings jeweils verneint). 6 BAG 19.11.1992 – 10 AZR 264/91 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 147 = NZA 1993, 353. 7 BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG 6.9.1995 – 5 AZR 241/94 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 314; BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG 6.5.1998 – 5 AZR 535/97 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 28 = NZA 1999, 79 (unter zusätzlicher Nennung von § 138 BGB); BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542; grds. auch BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702. 8 Vgl. BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99 – juris: §§ 138 und 242 BGB; BAG 21.11.2001 – 5 AZR 158/00 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551: §§ 138, 242 und 315 BGB; ebenso (bei gleichzeitiger Hervorhebung von Treu und Glauben) BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484; für einen Altfall ferner BAG 16.5.2007 –

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Entwicklung der Inhaltskontrolle

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Soweit es um die Bereichsausnahme als solche ging, hat die Rechtspre- 17 chung sie zumindest im Ausgangspunkt als solche akzeptiert und davon abgesehen, den gesetzgeberischen Willen durch eine breitflächige Analogie zum AGBG zu überspielen.1 Zwar wurden verschiedene generelle Regeln des AGB-Rechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken in die arbeitsgerichtliche Judikatur übernommen. Dies betraf die Ausklammerung überraschender Klauseln aus dem Vertrag2 sowie den Grundsatz, Unklarheiten zulasten des Verwenders ausschlagen zu lassen.3 Vereinzelt griff das BAG sogar auf spezielle Klauselverbote zurück, um die Unwirksamkeit entsprechender arbeitsvertraglicher Abreden zu begründen.4 Noch unmittelbar vor der Schuldrechtsreform hieß es aber unmissverständlich, dass es die eindeutige gesetzliche Regelung verbiete, die Frage der Wirksamkeit einer Vertragsklausel in formularmäßigen Arbeitsverträgen mittels einer entsprechenden Anwendung des AGBG zu überprüfen.5 Damit war jedenfalls der offene Zugriff auf die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle als Kern des Schutzinstrumentariums gegen vorformulierte Klauseln verbaut. 2. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Die zuletzt erwähnte Entscheidung des BAG, in der eine vergleichswei- 18 se kurze zweistufige Ausschlussklausel gebilligt wurde, ist deshalb bemerkenswert, weil sie wesentlich zur partiellen Streichung der Bereichsausnahme und damit zur bedeutendsten Entwicklung auf dem Gebiet des Arbeitsvertragsrechts der letzten Jahrzehnte beitrug. Dabei

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8 AZR 709/06 – AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = NZA 2007, 1154 (Rz. 39): §§ 138, 134 und 242 BGB. Vgl. BAG 23.5.1984 – 4 AZR 129/82 – AP BGB § 339 Nr. 9 = NZA 1984, 255; BAG 5.2.1986 – 5 AZR 564/84 – AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782; BAG 27.5.1992 – 5 AZR 324/91 – EzA BGB § 339 Nr. 8; BAG 24.11.1993 – 5 AZR 153/93 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759; offengelassen aber in BAG 17.6.1997 – 9 AZR 801/95 – AP HGB § 74b Nr. 2 = NZA 1998, 258; für eine Anwendung von § 9 Abs. 1 AGBG in einem obiter dictum sogar BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 1994, 852. BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – AP AGB-Gesetz § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99; BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG 23.9.2003 – 3 AZR 551/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93. BAG 12.2.1985 – 3 AZR 183/83 – AP BetrAVG § 1 Nr. 12 = NZA 1986, 64; BAG 16.10.1991 – 5 AZR 35/91 – AP BErzGG § 19 Nr. 1 = NZA 1992, 793. BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937 (§ 11 Nr. 15 lit. b AGBG = § 309 Nr. 12 lit. b BGB). BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723.

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hatten zunächst weder der Diskussionsentwurf (August 2000) noch der Regierungsentwurf (Mai 2001) für ein Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts das Arbeitsrecht thematisiert. Vielmehr sollte die Bereichsausnahme bei der geplanten Integration des AGBG in das BGB ursprünglich unverändert bleiben.1 Hiergegen wandte sich der Bundesrat und bat um Prüfung, ob die Herausnahme des Arbeitsrechts aus dem Anwendungsbereich der AGB-rechtlichen Vorschriften sachlich noch gerechtfertigt sei, weil das BAG bei der Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsbedingungen wie der BGH vor Schaffung des AGBG vorgehe und deshalb auf der Grundlage der §§ 242 und 315 BGB so vorgehe, als ob es § 9 AGBG (= § 307 BGB) auf Arbeitsverträge anwende.2 Die Bundesregierung griff diese Anregung auf und schlug eine Neufassung der Bereichsausnahme vor, aufgrund derer lediglich Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, nicht aber mehr Arbeitsverträge aus dem AGBRecht von vornherein ausgeklammert werden sollten (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).3 Die für diesen Kurswechsel gegebene Begründung beruht im Wesentlichen auf drei Überlegungen: Erstens sei im Gegensatz zur Einschätzung von 1975 nunmehr davon auszugehen, dass zwingende Gesetzesvorschriften und Kollektivverträge nicht ausreichten, um einen angemessenen Schutz gegenüber einseitig vom Arbeitgeber festgesetzten Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Offenbar zur Bekräftigung dieses Schutzbedürfnisses verweist die Bundesregierung auf das existenzielle Angewiesensein des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz. Zweitens wird die nicht zu bestreitende Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung im Hinblick auf die Strenge der von ihr durchgeführten Angemessenheitskontrolle von Arbeitsvertragsbedingungen angeführt, wobei neben einer Entscheidung des BAG von 19954 namentlich das genannte Urteil aus dem Jahr 20005 genannt wird. Durch die (partielle) Streichung der Bereichsausnahme solle die durch diese Judikatur entstehende Rechtsunsicherheit beseitigt werden. Drittens schließlich sei dafür zu sorgen, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibe. 19 Der Rechtsausschuss übernahm sowohl die grundsätzliche Konzeption als auch die Begründung der Bundesregierung.6 Zu einer Änderung kam

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BT-Drucks. 14/6040, S. 12, 160. BT-Drucks. 14/6857, S. 17. BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f. BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – AP AGB-Gesetz § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702. BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723. BT-Drucks. 14/7052, S. 24, 189.

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Entwicklung der Inhaltskontrolle

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es nur bei der Formulierung der Besonderheitenklausel (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Während die Bundesregierung noch davon gesprochen hatte, dass die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten „bei Arbeitsverträgen“ angemessen zu berücksichtigen seien, stellte der Rechtsausschuss klar, dass der Bezugspunkt insoweit nicht die Ausgestaltung der Arbeitsverträge, sondern die Anwendung der AGB-rechtlichen Vorschriften auf Arbeitsverträge sei. Mit dieser Modifikation (sowie einer weiteren Änderung im Unterlassungsklagengesetz) trat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz am 1.1.2002 in Kraft (zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung Rz. 115 ff.). 3. Die Zeit seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Das BAG hat die durch die Neuregelung geschaffene Möglichkeit zur An- 20 wendung des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf vorformulierte Arbeitsverträge sofort beherzt aufgegriffen und in den letzten zehn Jahren zahlreiche Grundsatzentscheidungen zu dieser Thematik gefällt. Dabei besteht eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Besonderheit der Klauselkontrolle von vornherein darin, das für AGB-rechtliche Fragen im Gegensatz zu zahlreichen anderen Bereichen des Arbeitsrechts nicht nur ein Senat zuständig ist, sondern einschlägige Probleme in verschiedenartigen Zusammenhängen zumindest als Vorfrage auftreten können. Dementsprechend haben sich zum AGB-Recht alle Senate des BAG schon einmal geäußert, was zuweilen zu Friktionen führt.1 Blickt man zunächst auf die Bedeutung der Rechtsprechung des BGH 21 für die Ausformung der arbeitsrechtlichen Klauselkontrolle, zeigt sich folgendes nicht ganz überraschendes Bild: In der ersten Zeit nach Inkrafttreten der Neuregelung orientierte sich das BAG insbesondere bei der Klärung von grundsätzlichen Fragen der AGB-Kontrolle vielfach an der Judikatur des BGH. Am deutlichsten kam diese Vorgehensweise beim Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zum Ausdruck, das vom BAG ausdrücklich in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BGH2 übernommen wurde,3 während das BAG in früheren Entscheidungen bei zu weit gefassten vorformulierten Klauseln insbesondere im 1 So etwa bei der Beurteilung von Freiwilligkeitsvorbehalten; näher dazu Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (579 ff.). 2 BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309; BGH 23.1.2003 – VII ZR 210/01 – BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805. 3 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B III 2c); BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 8a).

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Zusammenhang mit der Rückzahlung von Ausbildungskosten eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen hatte.1 Weitere Beispiele sind die „Zumutbarkeit“ i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB,2 der Begriff des „Aushandelns“ i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB,3 die Maßstäbe der Auslegung von AGB4 sowie allgemeine Grundsätze der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB5 und der Bestimmung der Reichweite der Unwirksamkeit von Klauseln.6 In seiner jüngeren Rechtsprechung nimmt das BAG soweit ersichtlich dagegen in einem immer geringeren Maße auf Entscheidungen des BGH Bezug,7 sofern es nicht um die Bewältigung neuer Fragestellungen geht.8 Diese Entwicklung zeigt, dass das BAG vor allem bei grundsätzlichen Aspekten der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht davon abgesehen hat, das AGB-Recht eigenständig zu interpretieren und eigene Begrifflichkeiten herauszubilden. Vielmehr besteht insoweit offenbar das Bedürfnis nach einer rechtsgebietsübergreifenden Harmonisierung der Maßstäbe. Da zahlreiche dieser Grundsatzfragen mittlerweile geklärt sind, verringert sich freilich im Laufe der Zeit die Notwendigkeit, fortwährend Parallelen zur zivilgerichtlichen Judikatur 1 Siehe nur BAG 6.9.1995 – 5 AZR 241/94 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 321 (unter 6). 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4c) unter Verweis auf BGH 19.10.1999 – XI ZR 8/99 – NJW 2000, 651. 3 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1 bb (2)) unter Verweis u.a. auf BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98 – BGHZ 143, 104 = NJW 2000, 1110. 4 BAG 9.11.2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = NZA 2006, 202 (Rz. 15) unter Verweis auf BGH 21.9.2005 – VIII ZR 284/04 – NJW 2005, 3567. 5 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 (Rz. 33) unter Verweis u.a. auf BGH 5.6.1997 – VII ZR 324/95 – BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598. 6 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 (Rz. 38) unter Verweise auf BGH 28.10.1981 – VIII ZR 302/80 – BGHZ 82, 121. 7 Eher beiläufig die Hinweise etwa in BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = NZA 2007, 748 (Rz. 15) auf BGH 3.4.1998 – V ZR 6/97 – NJW 1998, 2600, in BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154 (Rz. 30) auf BGH 23.11.1994 – IV ZR 124/92 – BGHZ 128, 54 = NJW 1995, 589, in BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 (Rz. 22) auf BGH 14.6.2006 – IV ZR 54/05 – VersR 2006, 1246 und in BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738 (Rz. 39) auf BGH 28.10.1981 – VIII ZR 302/80 – BGHZ 82, 121 = NJW 1982, 870. 8 Vgl. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – AP BGB § 310 Nr. 13 = NZA 2010, 939 (Rz. 26): Interpretation des Wortes „soweit“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Verweis u.a. auf BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309.

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zu ziehen. Hinzu kommt, dass mit der fortschreitenden Ausformung einer arbeitsgerichtlichen Entscheidungstradition im AGB-Recht ein immer größer werdendes Reservoir an „eigenen“ Präjudizien zur Verfügung steht, aus denen geschöpft werden kann, ohne auf zivilgerichtliche Urteile angewiesen zu sein. Auch wenn eine solche Entwicklung praktisch unumgänglich ist und die vom Gesetzgeber geforderte angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) das Entstehen eigenständiger dogmatischer Strukturen geradezu herausfordert, spricht der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung doch dafür, die Weiterentwicklung der AGB-Kontrolle im allgemeinen Zivilrecht stets im Blick zu behalten. Immerhin zählt das AGB-Recht zu den wenigen Rechtsgebieten, in denen hinsichtlich der Interpretation desselben Normenkomplexes eine praktisch bedeutsame echte Doppelzuständigkeit von arbeitsgerichtlicher und zivilgerichtlicher Rechtsprechung besteht.1 Grundforderung ist deshalb, dass bei den eher begrifflich-technischen Fragen des AGB-Rechts ein Gleichklang hergestellt wird, wobei der Arbeitsgerichtsbarkeit aufgrund des rund 25-jährigen Vorsprungs der Zivilgerichtsbarkeit bei der Interpretation dieses Bereiches in erster Line die Rolle eines Importeurs und nicht eines Exporteurs zukommt. Deshalb kann es nicht befriedigen, wenn beispielsweise bei der Kontrolle von Ausschlussfristen nach wie vor Diskrepanzen zwischen der Judikatur des BGH2 und des BAG3 im Hinblick auf die Bedeutung von § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB bestehen, die vom BAG nicht einmal thematisiert werden.4 In inhaltlicher Hinsicht hat das BAG in vergleichsweise kurzer Zeit für zahlreiche verbreitet verwendete Klauseltypen Rechtssicherheit geschaffen oder doch zumindest die Richtung vorgegeben, in die sich die künftige Entwicklung bewegen wird. Insoweit ragen insbesondere die Entscheidungen zu Vertragsstrafen,5 zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten6 sowie zu Ausschlussfristen7 hervor. In anderen Bereichen 1 Die Doppelzuständigkeit hinsichtlich der übrigen Teile des BGB hat bislang soweit ersichtlich keine relevanten Friktionen hervorgebracht. 2 Vgl. BGH 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 – NJW 2007, 674 (675). 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III 6). 4 Krit. auch Matthiessen, NZA 2007, 361 (362 ff.). 5 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727. 6 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853. 7 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111.

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ist die Entwicklung deutlich behutsamer verlaufen. Namentlich hervorzuheben ist insoweit vor allem die Judikatur zur Rückzahlung von Ausbildungskosten, bei der das BAG im Hinblick auf die materiellen Kriterien der Angemessenheitskontrolle weitgehend organisch an seine weit zurückreichenden Grundsätze1 angeknüpft hat.2 Insgesamt stellt sich die als „wohl nachhaltigste Rechtsänderung im Individualarbeitsrecht nach der Verabschiedung des Kündigungsschutzgesetzes im Jahre 1951“3 apostrophierte Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge hinsichtlich der konkreten Ergebnisse eher als Evolution denn als Revolution dar.4 Immerhin belegt der bislang nicht wesentlich verminderte Strom neuer Entscheidungen, dass es sich bei der Klauselkontrolle nicht um einen nach wenigen Jahren endgültig befriedeten Rechtsbereich handelt, was man je nach Standpunkt als Zeichen andauernder Missstände im Arbeitsleben oder umgekehrt als richterliche „Kontrollhektik“5 begreifen kann. Nicht zu bestreiten ist jedenfalls, dass auf dem Gebiet der Arbeitsvertragsgestaltung die Rolle des „Gegenübers“ faktisch nicht von der Arbeitnehmerseite, sondern von der Rechtsprechung eingenommen wird.6 Angesichts des hohen Verbreitungsgrades von Formulararbeitsverträgen hat die Judikatur der letzten Jahre im Ergebnis die Funktion, zur verbindlichen Festschreibung der rechtlichen Rahmenbedingungen beizutragen, unter denen abhängige Arbeit geleistet werden soll. Die Rechtsprechung schließt damit eine Lücke, die sich dadurch auftut, dass es auf der einen Seite nach wie vor an einem Arbeitsvertragsgesetz fehlt, das die Grenzen des arbeitsvertraglich Regelbaren eindeutig aufzeigt, während auf der anderen Seite der Verbreitungsgrad tarifvertraglicher Regelungen und damit auch der Tarifschutz nachlässt. 23 Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer Ausdehnung gerade des AGBrechtlichen Kontrollregimes auf Arbeitsverträge ist im Schrifttum aus einer Reihe von Gründen von Anfang an umstritten gewesen. Dabei geht es zunächst um die bereits lange vor der Schuldrechtsreform dis1 BAG 29.6.1962 – 1 AZR 343/61 – AP GG Art. 12 Nr. 25; zuletzt BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542. 2 Vgl. insbesondere BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 (Rz. 16): „Die auf dieser Grundlage entwickelten Kriterien sind auch im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB heranzuziehen.“ 3 So Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (44). 4 So Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 u. 71. 5 In Anlehnung an Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (246). 6 Prägnant Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B 85.

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kutierte Grundsatzfrage, ob mit dem Umstand der Vorformulierung einer Klausel durch den Arbeitgeber als Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB überhaupt der zutreffende Anknüpfungspunkt für eine verschärfte Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen gewählt wird.1 Sodann wird die vom Gesetzgeber aufgestellte These, dass im Arbeitsvertragsrecht gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht ein Schutzdefizit bestanden habe, das durch die AGB-rechtliche Kontrolle auszugleichen sei, einerseits zwar geteilt,2 andererseits aber auch vehement bestritten.3 Schließlich wird die von manchen als besonderer Vorzug herausgestellte Geeignetheit gerade der spezifisch AGB-rechtlichen Maßstäbe und Rechtsfolgen der Klauselkontrolle4 teilweise dezidiert in Abrede gestellt,5 wobei nicht zuletzt bemängelt wird, dass es der Gesetzgeber verabsäumt hat, sich im Vorfeld der Reform anders als etwa bei der ursprünglichen Schaffung des AGBG im Jahr 1976 intensiv mit den von den Gerichten für Arbeitssachen in jahrzehntelanger Rechtsprechung erzielten Ergebnissen auseinanderzusetzen und auf das Arbeitsvertragsrecht gemünzte Klauselkataloge aufzustellen.6 In der Tat lässt sich nicht leugnen, dass die partielle Streichung der Bereichsausnahme und die dadurch bewirkte Erstreckung der AGBKontrolle auf Arbeitsverträge überraschend und ohne eine durch eine entsprechende Ankündigung des Gesetzgebungsapparats angestoßene 1 Dafür grdl. Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht (1993), S. 255 ff.; ebenso etwa Fenn, FS Söllner (2000), S. 333 (347); Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (451); für eine Parallelisierung bereits Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht (1971), S. 201 ff.; insoweit zust. Canaris, RdA 1974, 18, 21; abl. Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (244 f.); Zöllner, RdA 1989, 152 (156 ff.); ebenso wieder Zöllner, ZfA 2010, 637 (644); skeptisch ferner Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (256). 2 Reinecke, DB 2002, 583; so bereits Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (492); ähnl. Preis, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (135) („überfälliger Schritt“); ebenso Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 18; ferner jüngst Däubler, ZTR 2012, 543 (544). 3 Benedict, JZ 2012, 172 (179) („dogmatischer faux pas“); Joost, FS Ulmer (2003), S. 1199 (1200) („missglückte Gesetzgebung“, „Fehlschuss“); Joost, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 49 (50 ff.); Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (178); Zöllner, ZfA 2010, 637 (641) („plakative Evokation von Gefühlsbewertung durch Laien“); eher skeptisch ferner Oetker, AcP 212 (2012), 202 (223); Richardi, NZA 2002, 1057 (1060). 4 Vgl. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (45) („ein Stück Rechtskultur im Arbeitsvertragsrecht“); Stoffels, ZfA 2009, 861 (863 f.); grds. positiv auch Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 ff.; dafür bereits Fenn, FS Söllner (2000), S. 333 (336 ff.). 5 Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.); Zöllner, ZfA 2010, 637 (639, 643 ff.); eher kritisch auch Löwisch, FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1403 (1419). 6 Lieb, FS Konzen (2006), S. 501 (508).

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Debatte vorgenommen wurde.1 Allerdings hatte es wie erwähnt schon seit längerem eine – wenn auch kontroverse – Auseinandersetzung im Schrifttum über die Bedeutung der allgemeinen zivilrechtlichen AGBKontrolle für das Arbeitsrecht gegeben. Im Übrigen sind die §§ 305 ff. BGB unabhängig von der Bewertung der Motive und des Verfahrens des Gesetzgebers als geltendes Recht zugrunde zu legen und sachgerecht anzuwenden,2 zumal eine in der Literatur teilweise geforderte vollständige oder doch zumindest teilweise Rückkehr zum alten Rechtszustand3 realitätsfern ist. III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 1. Allgemeines 25 Die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen versteht sich in einer dem Grundsatz der Privatautonomie verpflichteten Rechtsordnung nicht von selbst, sondern ist auf den ersten Blick als staatliche Intervention sogar geradezu ein Fremdkörper. Immerhin gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG als Teilaspekt der allgemeinen Handlungsfreiheit des Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Rechtsleben.4 Damit ist im Prinzip auch die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich abgesichert,5 wobei es nur eine untergeordnete Rolle spielt, dass Art. 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf die grundsätzliche Befugnis zum Abschluss von Arbeitsverträgen sowie zur Gestaltung ihres Inhalts durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt wird.6 Darüber hinaus ist die Vertragsfreiheit inte-

1 Siehe nur Joost, FS Ulmer (2003), S. 1199 (1200); Lieb, FS Ulmer (2003), S. 1231 (1244) (jeweils „Schnellschuss“). 2 In diesem Sinne auch Konzen, FS Hadding (2004), S. 145 (146). 3 So Bauer, NZA 2005, 1046 (1047); Löwisch, ZfA 2007, 1 (7). 4 BVerfG 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84 – BVerfGE 72, 155 (170); BVerfG 26.7.2005 – 1 BvR 80/95 – BVerfGE 114, 73 (89); BVerfG 15.2.2006 – 1 BvR 1317/96 – NJW 2006, 1783 (1784). Klassisch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. (1992), § 1, 1, S. 1. 5 Siehe nur BVerfG 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 – BVerfGE 8, 274 (328); BVerfG 19.10.1983 – 2 BvR 298/81 – BVerfG 65, 196 (210); BVerfG 14.1.1987 – 1 BvR 1052/79 – BVerfGE 74, 129 (151 f.). 6 So BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85; siehe auch BVerfG 29.12.2004 – 1 BvR 2582/03, 1 BvR 2283/03 – NZA 2005, 153 (155); zur generellen Stellung der Vertragsfreiheit im Bereich der beruflichen Betätigung ebenso BVerfG 12.12.2006 – 1 BvR 2756/04 – BVerfGE 117, 163 (181); BVerfG 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 – NJW 2011, 1339

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graler Bestandteil eines marktwirtschaftlichen Systems,1 das sich zumindest im Grundsatz als effizienteste Form der Koordinierung wirtschaftlich relevanten Handelns erwiesen hat. Will man nicht bei einem positivistischen Verweis auf die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge stehen bleiben, bedarf es einer möglichst exakten Herausarbeitung der Gründe, die eine Kontrolle nach AGB-rechtlichen Grundsätzen legitimieren, zumal sich viele Zweifelsfragen nicht anders als im allgemeinen AGB-Recht2 nur durch einen Rückgriff auf diese Gründe und damit auf den Schutzzweck der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht überzeugend lösen lassen.3 Außerdem kann nur auf diesem Wege eine Dogmatik entwickelt werden, die der richterlichen Spruchpraxis Leitlinien an die Hand gibt und sich nicht darin erschöpft, lediglich die Judikatur nachzuzeichnen bzw. systematisch zu ordnen. Mit der Integration der Arbeitsvertragskontrolle in das allgemeine AGB- 26 Recht hat der Gesetzgeber nicht nur die Maßstäbe und Methoden, die sich in rund 25 Jahren unter der Herrschaft des AGB-Gesetzes entwickelt haben, in das Arbeitsrecht überführen wollen. Vielmehr hat er damit zugleich die generelle Konzeption, die dem allgemeinen AGBRecht zu Grunde liegt, zumindest im Ausgangspunkt in das Arbeitsvertragsrecht transferiert. Der Schutzzweck der AGB-Kontrolle gerade im Arbeitsrecht kann daher nur vor dem Hintergrund der Diskussion über den Geltungsgrund der allgemeinen AGB-Kontrolle ermittelt werden.4 Allerdings müssen schon auf dieser Ebene die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (dazu näher Rz. 56 ff.) angemessen berücksichtigt werden. Das in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB an den Rechtsanwender adressierte Gebot betrifft nicht nur die schlichte Interpretation der §§ 305 ff. BGB, sondern zugleich die tiefer gehende Frage, auf welchen

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(1340). Zur grundrechtlichen Verortung eingehend Höfling, Vertragsfreiheit (1991), S. 6 ff. Einfachrechtlich ist zudem § 105 Satz 1 GewO zu nennen. Zum Zusammenhang zwischen Vertragsfreiheit und Marktwirtschaft siehe etwa Rittner, FS Sölter (1982), S. 27 ff.; Rittner, AcP 188 (1988), 101 ff. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 89; Wackerbarth, AcP 200 (2000), S. 45 (46). Zum Rekurs auf den Schutzzweck der AGB-Kontrolle in der Judikatur des BGH vgl. BGH 4.3.1997 – X ZR 141/95 – NJW 1997, 2043 (2044) (antizipierte Aufnahme üblicher AGB des Gegners in Angebot). Vgl. die Argumentation in BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257 (unter II 1a); BAG 28.6.2006 – 10 AZR 407/05 – AP HGB § 74 Nr. 80 = NZA 2006, 1157 (Rz. 15); BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 29 = NZA 2007, 875 (Rz. 24). Im Ansatz ebenso Reichold, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153 (158 f., 173); zust. DBD/Deinert, § 307 Rz. 22 ff.

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grundlegenden Wertungen das Arbeitsrecht aufbaut und wie diese Wertungen in die AGB-Kontrolle integriert werden können. 27 Zur Rechtfertigung der AGB-Kontrolle sind im Laufe der Zeit zahlreiche Begründungen entwickelt worden.1 Die heutzutage vertretenen Konzeptionen lassen sich im Grundsatz danach einteilen, ob sie an das einzelne Rechtsverhältnis anknüpfen („rechtsverhältnisinterner Ansatz“)2 und einen individuellen Schutzzweck anstreben oder ob sie das einzelne Rechtsverhältnis überschreiten („rechtsverhältnisexterner Ansatz“)3 und überindividuelle Schutzzwecke verfolgen, wobei beide Ansätze allerdings häufig miteinander verknüpft werden.4 Daneben sind gerade im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht auch noch solche Überlegungen zu erwähnen, die an den rechtlichen Charakter von AGB anknüpfen, obgleich sie die aktuelle Diskussion im AGB-Recht nicht mehr prägen. 2. Normentheoretische Modelle 28 Die These, AGB seien nicht als Vertragsbedingungen, sondern als vom Verwender geschaffene privatrechtliche Normen zu begreifen („private ordering“), ist nicht nur vor dem Inkrafttreten des AGBG,5 sondern auch noch danach bis in die jüngere Vergangenheit hinein immer wieder vertreten worden.6 Von dieser Normentheorie aus führt ein vergleichsweise 1 Frey, ZIP 1993, 572 (573 Fn. 10) listet mehr als 10 verschiedene Ansätze auf, die teilweise freilich nur in Nuancen voneinander abweichen. Umfassend nunmehr Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 554 ff., der immerhin neun Begründungsversuche unterscheidet. Zur Diskussion im Ausland ansatzweise Jansen, ZEuP 2010, 69 (83). 2 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495). 3 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494). 4 Siehe nur Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 2 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 79 ff.; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 29; Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 81 ff., 85 ff., 88 ff.; strikte Unterscheidung zwischen individuellen und überindividuellen Schutzkonzepten dagegen bei Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 563 ff. 5 Insbesondere Meyer-Cording, Die Rechtsnormen (1971), S. 84 ff. (92 ff., 97 ff.) (AGB als „Wahlnormen“). 6 Mertens, AG 1982, 29 (39); Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1986), S. 247 ff.; Pflug, AG 1992, 1 (4); E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931); E. Schmidt, ZIP 1987, 1505 f.; ansatzweise auch Kramer, AcP 188 (1988), 423 (426) (vertraglich vereinbarte Normen). Die Unterscheidung relativierend aber Bachmann, Private Ordnung (2006), S. 120 ff.

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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kurzer Weg zur Inhaltskontrolle, weil die Normsetzung keine vertragliche Form der Gestaltung von Rechtsbeziehungen darstellt und somit auch nicht der Vertragsfreiheit unterfällt.1 Allerdings würde die Inhaltskontrolle von diesem Ansatz aus tendenziell einen eher objektiveren Charakter haben und nicht auf einen Schutz des Klauselgegners abzielen. Die sowohl im allgemeinen AGB-Recht2 als auch in der Judikatur des BAG3 durchgängig vertretene Sichtweise, dass sich der Verwender nicht selbst auf die Unwirksamkeit einer von ihm in den Vertrag eingefügten Klausel berufen kann, wäre mit einem normenrechtlichen Verständnis von AGB daher kaum kompatibel. Trotz mancher Unterschiede zeichnen sich die normentheoretischen Konzeptionen dadurch aus, dass sie aus dem tatsächlichen Erscheinungsbild der einseitigen Festlegung von abstrakten Regelungen („selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft“)4 letztlich auf den Normencharakter von AGB schließen. Die Einordnung von AGB als Normen hätte im vorliegenden Zusammenhang freilich nur dogmengeschichtliche Bedeutung, wenn sie nicht auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum Widerhall gefunden hätte. Neben einem frühen Vorstoß von Säcker5 ist insoweit namentlich Reuter zu erwähnen, der sich dafür ausgesprochen hat, den Betrieb als einen Verband anzusehen, bei dem die Arbeitsverhältnisse durch betriebseinheitliche Regelungen koordiniert würden. Ob die betriebliche Ordnung durch eine Betriebsvereinbarung oder durch eine faktisch einseitig vom Arbeitgeber erlassene arbeitsvertragliche Einheitsordnung hergestellt werde, spiele im Ergebnis keine Rolle. Vielmehr handele es sich in beiden Fällen um eine Form privatrechtlicher Normsetzung, die bestimmten inhaltlichen Anforderungen unterliege.6 Allgemeine Arbeitsbedingungen seien zumindest „Normenwerke sozialorganisatorischer Art“.7 Alle diese Ansätze vermögen angesichts des Wortlauts der §§ 305 ff. 29 BGB, in denen ausdrücklich von Vertragsbedingungen die Rede ist, indes 1 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 29. 2 BT-Drucks. 7/5422, S. 6; BGH 4.12.1986 – VII ZR 354/85 – BGHZ 99, 160 (161) = NJW 1987, 837 (838); BGH 30.10.1990 – IX ZR 9/90 – NJW 1991, 353 (354). 3 BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257. 4 So die bekannte Formulierung von Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht (1933). 5 Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht (1971), S. 493 ff. 6 Reuter, Anm. zu BAG, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 78; Reuter, SAE 1983, 201 (202). 7 So Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (184); Reuter, FS Säcker (2011), S. 267 (270).

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nicht zu überzeugen. Inhaltlich kranken sie daran, dass sie aus einem soziologischen Phänomen auf eine bestimmte rechtliche Einordnung schließen. Für eine Qualifikation von AGB als Rechtsnormen fehlt es schlicht an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Dies gilt insbesondere auch für das Arbeitsrecht. Aus der den Betriebsparteien durch das BetrVG verliehenen Normsetzungskompetenz1 lässt sich keine Normsetzungsbefugnis des einzelnen Arbeitgebers ableiten. Vielmehr finden vorformulierte Arbeitsbedingungen nicht anders als sonstige AGB nur auf vertraglichem Wege Eingang in die Arbeitsverhältnisse. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer von Rechts wegen befugt, deren Geltung abzulehnen, auch wenn eine solche Option aus faktischen Gründen regelmäßig ausscheiden wird. Mit einer Einordnung von allgemeinen Arbeitsbedingungen als Rechtsnormen ist diese unstreitig bestehende rechtliche Befugnis nicht vereinbar. Ebenso wie im allgemeinen AGB-Recht gibt es deshalb auch im Arbeitsrecht keinen hinreichenden Grund, an einer vertragsrechtlichen Qualifikation von AGB zu zweifeln. In diesem Sinne legen sowohl die Rechtsprechung als auch das Schrifttum praktisch einhellig mit Recht die Vertragstheorie zugrunde und klassifizieren arbeitsrechtliche Einheitsregelungen dementsprechend schon seit langem als vertragliche Arbeitsbedingungen.2 Damit ist freilich zugleich die Möglichkeit verbaut, von einem normentheoretischen Ansatz aus eine Inhaltskontrolle zu legitimieren. 3. Rechtsverhältnisbezogene Konzeptionen 30 Die überwiegende Ansicht im allgemeinen AGB-Recht wählt für die Rechtfertigung der Inhaltskontrolle einen auf das einzelne Rechtsverhältnis bezogenen Ansatz und hält deshalb den individuellen Schutz des Klauselgegners für maßgebend. Unstreitiger rechtstatsächlicher Ausgangspunkt ist insoweit, dass AGB im Allgemeinen nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht, also nicht von beiden Vertragsparteien gestaltet werden, sondern vom Verwender eingebracht und vom Klauselgegner pauschal akzeptiert werden.

1 Dazu BAG 12.12.2006 – 1 AZR 96/06 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = NZA 2007, 453. 2 Siehe nur (im Zusammenhang mit der in den 1980er Jahren geführten Debatte um die Zulässigkeit ablösender Betriebsvereinbarungen) BAG (GS) 16.9.1986 – GS 1/82 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 17 = NZA 1987, 168 (unter C II 1a); ferner etwa MünchArbR/Richardi, § 7 Rz. 43.

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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Nach einer in Rechtsprechung1 und Schrifttum2 verbreiteten Sichtweise 31 geht es bei der AGB-Kontrolle um einen Ausgleich der Gefahren, die durch die einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit mittels vorformulierter Vertragsbedingungen entstehen. Hinter diesem Ansatz steht der vertragstheoretische Gedanke, dass sich der Einsatz von AGB trotz ihres vertraglichen Charakters der Sache nach als eine Fremdbestimmung des Klauselgegners auswirkt.3 Damit wird auf die aus dem Prinzip der Privatautonomie abzuleitende Grundidee des Vertrages rekurriert, dass beide Parteien in freier Selbstbestimmung das vertraglich Vereinbarte als für ihre Rechtsbeziehungen verbindlich anerkennen.4 Fehlt es auf einer der beiden Seiten an einer solchen Selbstbestimmung, liegt trotz des äußerlichen Gebrauchs der Vertragsform der Sache nach eine Fremdbestimmung vor, die eine staatliche Intervention zum Schutz der unterlegenen Partei legitimiert. Insoweit kommt in der AGB-Kontrolle der das moderne Rechtsdenken kennzeichnende Vorrang der materiellen Vertragsfreiheit vor der formalen Vertragsfreiheit zum Ausdruck.5 Damit kristallisiert sich als entscheidende Frage heraus, worin bei der Verwendung von AGB die spezifische Unterlegenheit des Klauselgegners liegt. Konzentriert man sich unter Ausblendung des erst später in das AGB- 32 Recht integrierten Verbraucherschutzes zunächst auf die ursprüngliche Konzeption der Klauselkontrolle, zeigt sich folgendes Bild: Eine anfänglich verbreitet vertretene Sichtweise favorisierte einen personenbezoge1 BGH 30.6.1994 – VII ZR 116/93 – BGHZ 126, 326 (332) = NJW 1994, 2825 (2826); BGH 24.5.1995 – XII ZR 172/94 – BGHZ 130, 50 (57) = NJW 1995, 2034 (2035); BGH 17.2.2010 – VIII ZR 67/09 – NJW 2010, 1131 f.; BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257 (Rz. 16); BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 29 = NZA 2007, 875 (Rz. 24). 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 2; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 26; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 89; ähnl. WLP/Pfeiffer, Einl. Rz. 16. 3 Andere Akzentsetzung bei Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 88 f., der hinter der zitierten Formulierung als Schutzobjekt die objektive Rechtsordnung sieht. 4 Siehe nur Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. (1992), § 1, 6a, S. 7. 5 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277 f., 321) (siehe aber auch die weiteren Ausführungen auf S. 325 f.: Verwendung von AGB als Beeinträchtigung der formalen Vertragsgerechtigkeit); ferner Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. (1992), § 37, 2, S. 670, nach dem sich die Schranken für den Inhalt von AGB gerade aus dem Prinzip der Privatautonomie ergeben.

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nen Ansatz. Die persönliche („strukturelle“) Unterlegenheit sei auf eine wirtschaftliche bzw. soziale oder auch intellektuelle Unterlegenheit des Klauselgegners zurückzuführen.1 Entscheidend war somit letztlich ein allgemeines Machtungleichgewicht zwischen den Parteien bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen. Die AGB-Kontrolle war demnach nur ein Sonderfall der allgemeinen Vertragskontrolle bei struktureller Unterlegenheit. Der BGH2 und die neuere Literatur3 haben sich vom Gedanken der dem eigentlichen Vertragsschluss vorgelagerten überlegenen Marktmacht des Verwenders als innere Rechtfertigung der AGBKontrolle indes weitgehend gelöst, auch wenn dieser Aspekt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zurückdrängung des AGB-Rechts im unternehmerischen Verkehr wieder eine gewisse Bedeutung gewonnen hat.4 Tatsächlich lässt schon der Normtext der §§ 305 ff. BGB nicht erkennen, dass es auf eine von der Vertragsabschlusssituation abstrahierte Unterlegenheit des Klauselgegners als Anwendungsvoraussetzung ankommen soll. Vielmehr greifen die AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen ohne Rücksicht auf eine wie auch immer messbare Differenz in der ökonomischen Stärke, Finanzkraft oder Geschäftserfahrenheit von Klauselverwender einerseits und Klauselgegner andererseits ein. Selbst eine wirtschaftliche Unterlegenheit des Verwenders gegenüber der anderen Vertragspartei, die insbesondere im unternehmerischen Verkehr durchaus vorliegen kann, steht einer Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sich die AGB-Kontrolle ausweislich der Regelung in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht auf die Überprüfung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern nur auf Nebenbedingungen erstreckt. Eine richterliche Inhaltskontrolle, die darauf abzielt, die strukturelle Unterlegen1 Siehe etwa BGH 28.2.2973 – IV ZR 34/71 – BGHZ 60, 243 (245) = NJW 1973, 990; ferner Damm, JZ 1978, 173 (178); in diese Richtung auch WLP/Pfeiffer, Einl Rz. 3 f. 2 BGH 17.2.2010 – VIII ZR 67/09 – BGHZ 184, 259 (264) = NJW 2010, 1131 (1132); so bereits BGH 7.7.1976 – IV ZR 229/74 – NJW 1976, 2345 (2346). 3 MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 4; Becker, JZ 2010, 1098 (1100); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 3; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 81 ff.; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 27, 31; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität (1982), S. 149 ff.; Erman/Roloff, Vor §§ 305–310 Rz. 2; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 88; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (51 ff.); siehe aber auch Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 567 ff., der am Ungleichgewicht immerhin als Schutzgrund festhalten will. 4 Vgl. Leuschner, JZ 2010, 875 (878).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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heit einer Vertragspartei auszugleichen, müsste sich aber gerade auf die Hauptleistungspflichten beziehen, weil sich in ihrer Dimensionierung ein Verhandlungsungleichgewicht am ehesten manifestiert.1 Als Haupterklärungsmuster für die Legitimation der AGB-Kontrolle hat 33 sich demgegenüber die situative Unterlegenheit des Klauselgegners herauskristallisiert.2 Dieser Begründungsansatz knüpft an die Eigenheiten der Vertragsabschlusssituation unter Einsatz vorformulierter Vertragsbedingungen an, stellt also nicht auf ein allgemeines Machtungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien oder auf die persönliche Qualitäten der Beteiligten ab. Die situationsbezogene Überlegenheit des Klauselverwenders beruht zunächst darauf, dass dieser die Vertragsbedingungen im Vornherein ohne Zeitnot und vielfach unter Inanspruchnahme sachkundiger Beratung in seinem Sinne ausarbeiten kann. Demgegenüber ist der Klauselgegner typischerweise außer Stande, den Bedeutungsgehalt der Vertragsformulierungen ad hoc zu erfassen und über die Nebenbedingungen sinnvolle Vertragsverhandlungen zu führen, weil der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer nur über beschränkte Kapazitäten zur Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung verfügt.3 Daher besteht insoweit eine Informationsasymmetrie. Zwar wäre es theoretisch denkbar, sich die erforderlichen Kenntnisse über die Bedeutung der jeweiligen Klausel und die mit ihnen verbundenen Risiken anzueignen und anschließend über die einzelnen Konditionen zu verhandeln. Ein Klauselgegner handelt indes rational, wenn er davon absieht. Der hierfür erforderliche zeitliche und finanzielle Aufwand stünde nämlich regelmäßig völlig außer Verhältnis zum Nutzen, der für den Klauselgegner damit verbunden wäre. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit, dass es auf eine Klausel im Rahmen der Vertragsdurchführung überhaupt ankommen wird, vielfach nur gering sein wird. Während der Klauselverwender sich jedenfalls bei einem Ein1 Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (493); Leuschner, JZ 2010, 875 (878). 2 Zum Folgenden MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 5; Becker, JZ 2010, 1098, 1101; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996), S. 756 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 3; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 332 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 91; Frey, ZIP 1993, 572 ff.; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 33 ff.; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555 (559 ff.); Jansen, ZEuP 2010, 69 (84 ff.); Kötz, JuS 2003, 209 (211 ff.); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495 f.); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (202); Roth, ÖZW 1977, 33 (36 f.); Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (77 ff.). 3 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216 (218); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495 f.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. (2005), S. 65 ff.

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satz derselben AGB in einer Vielzahl von Verträgen Skalenerträge zunutze machen kann, so dass sich eine Investition in die Ausgestaltung der jeweiligen Nebenkonditionen lohnt, zahlt sich eine entsprechende Investition des Klauselgegners regelmäßig nicht aus. Die Informationsasymmetrie führt daher zu einer Transaktionskostenasymmetrie. Insoweit liegt beim Einsatz von AGB also ein Informations- und Motivationsgefälle zwischen dem Verwender und dem Kunden vor.1 34 Allerdings handelt es sich hierbei letztlich nur um eine modelltheoretische Betrachtung. In den meisten Fällen wird der Klauselgegner keine umfassende rationale Analyse der Kosten und des Nutzens einer näheren Befassung mit den AGB vornehmen. Vielmehr wird sich der Klauselgegner aus Unwissenheit, Resignation oder Gleichgültigkeit in sein Schicksal ergeben und den vorgegebenen Inhalt der Nebenkonditionen akzeptieren, zumal er vom Verwender regelmäßig von vornherein erkennbar mit einer „take it or leave it“-Situation konfrontiert wird,2 mag man die mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Verwenders auch ihrerseits wieder ökonomisch als unüberwindlichen Entscheidungsaufwand des Klauselgegners deuten.3 Dies gilt auch für vergleichsweise einfach gehaltene Vertragsbestimmungen, weil es dem Klauselgegner vielfach an Verhandlungserfahrung oder einfach an einem geeigneten Ansprechpartner auf der Verwenderseite fehlt, um die Bestimmung wegzuverhandeln.4 Hinzu kommt das Vertrauen, trotz fehlender Kenntnis der AGB vom Vertragspartner nicht übervorteilt zu werden.5 Auch ohne eine regelrechte informatorische Unterlegenheit werden sich Klauselgegner dem Verlangen des Verwenders nach Einbeziehung seiner AGB daher im Allgemeinen beugen, ohne dass man dieses Verhalten als „Nachlässigkeit“ bezeichnen könnte.6 Dementsprechend hat der BGH das Vorbringen, der Partner des AGB-Verwenders sei sich über den Vertragsinhalt vollständig im Klaren gewesen, nicht als beachtlichen Ein1 MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 5. 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 179 (u.a. mit dem treffenden Hinweis auf die „Scheinautorität des Gedruckten“); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 335 (338 ff.); Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 559; siehe auch Wiedemann, FS Kummer (1980), S. 176 mit S. 180 („Sog des vorformulierten Gedankens“). 3 So Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts (1986), S. 172. 4 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (322); Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung (2010), S. 68. 5 Bachmann, Private Ordnung (2006), S. 121. 6 Becker, JZ 2010, 1098 (1103); so aber Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (83).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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wand gegen eine AGB-Kontrolle angesehen.1 Fasst man insbesondere die verhaltenstheoretischen Überlegungen zusammen, lässt sich davon sprechen, dass der Verwender von AGB durch die Struktur des Vertragsabschlusses von vornherein eine größere Chance der Durchsetzung der eigenen Vorstellungen vom Vertragsinhalt hat als der Klauselgegner, kurz gesagt also beide Seiten über eine situativ unterschiedliche Verhandlungsmacht verfügen.2 Die fehlende Einflussnahme auf den konkreten Vertragsinhalt kann für 35 sich genommen die AGB-Kontrolle allerdings noch nicht vollständig erklären, weil auch die Hauptleistungspflichten sowie insbesondere der Preis bei standardisierten Verträgen regelmäßig nicht zum Inhalt der Vertragsverhandlungen gemacht werden. Vielmehr kommt entscheidend hinzu, dass AGB nicht am Mechanismus von Markt und Wettbewerb teilnehmen und es dadurch an einem Korrektiv für inhaltlich unangemessene AGB fehlt.3 Mit dem Verweis auf den gestörten Marktmechanismus kommen somit schon bei den rechtsverhältnisbezogenen Konzeptionen überindividuelle Aspekte ins Spiel, die freilich nicht den eigentlichen Schutzzweck ausmachen, sondern nur verdeutlichen, warum innerhalb der individuellen Rechtsbeziehung eine situative Unterlegenheit des Klauselgegners besteht. Diese Unterlegenheit beruht darauf, dass sich die Aufmerksamkeit des Klauselgegners jedenfalls beim gewöhnlichen Konsumentengeschäft auf die vertraglichen Hauptleistungen konzentriert, während den Nebenkonditionen regelmäßig keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zwar kann man darin ein Rationalitätsdefizit erkennen, weil der Klauselgegner durch den Vertragsabschluss unter Einbeziehung von AGB bei formaler Betrachtung Risiken 1 BGH 27.4.1988 – VIII ZR 84/87 – BGHZ 104, 232 (236) = NJW 1988, 2465 (2466). 2 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität (1982), S. 93 f. (150). Zur Bedeutung verhaltenstheoretischer Erkenntnisse auch Rehbinder, AcP 174 (1974), 265 (296 f.). 3 MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 6; Baudenbacher, Wirtschafts-, schuld- und verfahrensrechtliche Grundprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1983), S. 206 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 329 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 86; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 32; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 34 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag (2012), S. 256 ff. Insoweit auch Adams, BB 1989, 781 (783 ff.), der seine Überlegungen freilich nicht in den Kontext des eines angemessenen Interessenausgleichs im Einzelrechtsverhältnis stellt. Gegen eine Rückführung gerade der Inhaltskontrolle auf einen mangelnden Konditionenwettbewerb aber Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (69 ff.).

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auf sich nimmt, die er nicht vollständig überblickt und einkalkuliert hat.1 Dennoch ist die Rechtsordnung gut beraten, wenn sie die typischerweise fehlende Rücksichtnahme des Klauselgegners auf den konkreten Inhalt von AGB bei der Entscheidung über den Abschluss eines Vertrages in Rechnung stellt, weil alle anderen theoretisch denkbaren Handlungsalternativen wie der umfassende Vergleich der AGB sämtlicher Anbieter oder der Verzicht auf den Vertragsschluss eine Überforderung oder doch jedenfalls keine sinnvollen Optionen darstellen.2 36 Man kann dies zum einen in willenstheoretische Kategorien fassen und davon sprechen, dass es im Hinblick auf die vertraglichen Nebenbedingungen an einer reflektierten rechtsgeschäftlichen Entscheidung des Klauselgegners fehlt3 und dessen Zustimmung daher nicht als bewusste Inkaufnahme der durch sie übertragenen vertraglichen Risiken interpretiert werden kann. In diesem Sinne hat der BGH in seiner älteren Judikatur von der pauschalen Unterwerfung des Klauselgegners unter den vom Klauselverwender aufgestellten Vertrag gesprochen und daraus den Schluss gezogen, dass sich das Einverständnis erkennbar nur auf solche Bedingungen beziehe, mit denen er billigerweise rechnen müsse.4 Wichtiger ist im vorliegenden Zusammenhang indes der Aspekt, dass sich AGB keinem Qualitätswettbewerb stellen müssen und vom Markt deshalb keine Sanierung unangemessener AGB zu erwarten ist.5 Diese Sichtweise fügt sich nahtlos in die durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelte Kontrollfreiheit von Hauptabreden, die damit begründet werden kann, dass sie – bei hinreichender Transparenz – von der bewussten Abschlussentscheidung erfasst werden und deshalb am Mechanismus von 1 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (501); der Sache nach auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (323 f.); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 3; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 85 ff. 2 Ebenso Canaris, AcP 200 (2000), 273 (323 f.); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (202); prägnant Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 86 ff. („Überforderung der Selbstvorsorge“); eingehend Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung (2010), S. 63 ff. („legitime Ignoranz“). 3 Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (79); Wiedemann, FS Kummer (1980), S. 175 (180); in diesem Sinne auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321) („Einverständnis … sehr schwach fundiert“); Kramer, FS Canaris, Bd. I (2007), S. 665 (670) („‚verdünnter‘ Konsens“); Möslein, Dispositives Recht (2011), S. 169. 4 BGH 8.3.1955 – I ZR 109/53 – BGHZ 17, 1 (3) = NJW 1955, 1145; BGH 29.10.1960 – II ZR 25/59 – BGHZ 33, 216 (219) = NJW 1961, 212 (213); BGH 29.10.1962 – II ZR 31/61 – BGHZ 38, 183 (185) = NJW 1963, 99 (100); gleichsinnig BGH 17.2.1964 – II ZR 98/62 – BGHZ 41, 151 (154) = NJW 1964, 1123. 5 So Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 35; ebenso MünchKommBGB/Basedow, Vor § 305 Rz. 6.

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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Markt und Wettbewerb teilnehmen.1 Damit wird zugleich deutlich, dass es bei alledem nicht einfach um die schlichte Feststellung psychologischer Phänomene geht, sondern letztlich um die normative Entscheidung, welche Anstrengungen von den Teilnehmern am Rechtsverkehr bei der vertraglichen Regulierung ihrer eigenen Angelegenheiten erwartet werden.2 Mit dem AGB-rechtlichen Kontrollregime hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er bei den vertraglichen Nebenbedingungen ein geringeres Maß an Selbstvorsorge akzeptiert als bei den Hauptleistungspflichten. 4. Rechtsverhältnisüberschreitende Konzeptionen Eine Reihe von Autoren gründet die Legitimation der AGB-Kontrolle 37 von vornherein ausschließlich oder zumindest auch auf Aspekte, die bereits im Ansatz das einzelne Rechtsverhältnis überschreiten. Hierzu zählen zunächst alle Konzeptionen, die den Schutz der Rechts- bzw. Vertragsordnung als solche als einen Zweck des AGB-Rechts bezeichnen.3 In diesem Sinne sieht namentlich Zöllner im massenhaften Abweichen vom dispositiven Recht und damit im Unterlaufen der Gerechtigkeitsvorstellungen des Gesetzgebers die entscheidende Legitimation für eine Inhaltskontrolle.4 In einem gewissen Sinne mag man auch die vor allem in der Rechtsprechung vielfach verwendete Formel vom Ausgleich eines Missbrauchs der einseitig in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsfreiheit5 in diesen Zusammenhang stellen.6 Dass es bei der AGBKontrolle um die Bereinigung des Rechtsverkehrs geht, wird im Übrigen schon am Instrument der Verbandsklage nach dem UKlaG deutlich, bei dem es an einem zu schützenden individuellen Vertragsteil fehlt. Vor allem aber hat sich die rechtsökonomisch inspirierte Vorstellung vom Schutz des Marktes als solchem immer stärker in den Vordergrund

1 Überzeugend Stoffels, JZ 2001, 843 (847 f.); ebenso Staudinger/Coester, § 307 Rz. 320, 324. 2 In diesem Sinne auch Enderlein, Rechtspaternalismus im Vertragsrecht (1996), S. 255 f. 3 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 4; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 88 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität (1982), S. 150; WLP/Pfeiffer, Einl Rz. 16. 4 Zöllner, JuS 1988, 329, 333; Zöllner, RdA 1989, 152 (157); Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat (1996), S. 45; dagegen aber Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (23 f.). 5 Dazu oben Rz. 31. 6 So Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 88 f.

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geschoben.1 Danach wird die AGB-Kontrolle als ein Instrument zur Verhinderung von Marktversagen qualifiziert. Im Zentrum der Überlegungen steht erneut die soeben skizzierte Informationsasymmetrie. Ausgangspunkt ist insoweit, dass der Einsatz von AGB volkswirtschaftlich grundsätzlich sinnvoll ist, weil er durch den mit ihm verbundenen Verzicht auf eine Aushandlung der einzelnen Vertragsbedingungen zu einer Minderung von vertraglichen Transaktionskosten führt. Die einseitige Aufstellung der AGB durch den Verwender und die mit einem auf Nutzenmaximierung gerichteten Verhalten verbundene Gefahr ihrer Nachteiligkeit für den Klauselgegner2 wären bei vollständiger Markttransparenz und vollkommenem Wettbewerb kein Problem, weil die AGB dann ebenso wie der Preis und die Qualität eines Produkts bzw. einer Dienstleistung in vollem Umfang von den Präferenzentscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer umfasst würden. Durch den Wettbewerbsmechanismus würde sich für jede Qualität von AGB im Laufe der Zeit eine Marktbewertung herausbilden. „Schlechte“ AGB würden vom Markt verschwinden oder müssten vom Verwender mit Zugeständnissen an anderer Stelle, insbesondere mit Preisabschlägen, erkauft werden, weil jedem Klauselrisiko ein bestimmter Erwartungswert zugeordnet würde, der in die Bemessung von Leistung und Gegenleistung einfließen würde. Eine Inhaltskontrolle wäre überflüssig.3 39 Die Vertragsabschlusssituation unter Verwendung von AGB führt nun allerdings zu der bereits beschriebenen (Rz. 33) Informationsasymmetrie bzw. Transaktionskostenasymmetrie zwischen Klauselverwender und Klauselgegner. Die Asymmetrie wiederum hat zur Folge, dass der Vertragspartner die „Qualität“ der ihm angebotenen AGB nicht beurteilen, sie also auch nicht in die Risikobewertung und Preisgestaltung integrieren kann. Wenn ein Verwender die mit „besseren“ AGB verbundenen Vorteile somit nicht vermitteln kann, ist er außerstande, die mit ihnen verbundenen Kosten als Preis am Markt durchzusetzen. Stattdessen 1 Zum Folgenden Adams, BB 1989, 781 (783 ff.); Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts (1986), S. 170 ff.; Frey, ZIP 1993, 572 (573 f.); UBH/ Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 29, 31 ff.; Köndgen, NJW 1989, 943 (946 ff.); Kötz, JuS 2003, 209 (211 ff.); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494 ff.), 502 ff.; Leuschner, JZ 2010, 875 (879 f.); Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (779 ff.); Schäfer, FS Ott (2002), S. 279 (282 ff.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. (2005), S. 513 ff.; von Wangenheim/Rückebeil, in: Eger/ Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung (2007), S. 480 (485 ff.). 2 Vgl. Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (778). 3 So folgerichtig Grunsky, BB 1971, 1113 (1115 ff.).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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wird derjenige Verwender zum Zuge kommen, der Kostenvorteile durch „schlechte“ AGB kompensiert. Über kurz oder lang würde damit ein „race to the bottom“ einsetzen. Da der Klauselgegner infolgedessen damit rechnen müsste, nur noch „schlechte“ AGB angeboten zu bekommen, würde er diese letztlich ganz meiden wollen, so dass der Markt zusammenbräche. Vor diesem Hintergrund dient das AGB-Recht modelltheoretisch der 40 Kompensation von Marktversagen und erweist sich als Instrumentarium zur Lösung des Akzeptanzproblems. Da die Kunden aufgrund der §§ 305 ff. BGB davon ausgehen können, dass die ihnen angebotenen AGB eine bestimmte „Qualität“ aufweisen, können sie auf die kostenintensive Prüfung der Konditionen verzichten, ohne hierdurch Nachteile zu erleiden. Auf diese Weise wird das für den Rechtsverkehr unabdingbare Vertrauen geschützt, auch bei einer Unterwerfung unter die AGB des Vertragspartners nicht übervorteilt zu werden.1 Die volkswirtschaftlich erwünschten Rationalisierungseffekte bleiben somit erhalten. Gegenüber dieser modelltheoretischen Konzeption liegt zwar der Einwand nahe, dass auch „schlechte“ AGB kaum einen Kunden davon abhalten werden, einen Vertrag abzuschließen. Immerhin lässt sich dem entgegenhalten, dass eine nicht von beiden Seiten auf der Grundlage umfassender Informationen vorgenommene Verteilung der vertraglichen Risiken aus rechtsökonomischer Perspektive ineffizient ist und deshalb das für Markttransaktionen zur Verfügung stehende Volumen verringert wird.2 5. Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht Mit der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche 41 Klauseln in Verbraucherverträgen durch die AGBG-Novelle von 1996 ist der Verbraucherschutzgedanke ausdrücklich in das AGB-Recht hineingetragen worden.3 Ein Teil des Schrifttums will aus dieser Entwicklung offenbar den Schluss ziehen, dass dem ursprünglichen situationsbezogenen Schutz ein neues eher personenbezogenes Schutzkonzept zur Seite gestellt worden ist.4 Ein solcher Wandel wäre für die AGB-Kontrolle im

1 Bachmann, Private Ordnung (2006), S. 121. 2 So Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (784). 3 Siehe nur Erman/Roloff, Vor §§ 305–310 Rz. 7; Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 24; UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 54. 4 Vgl. Damm, JZ 1994, 161 (167).

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Arbeitsrecht angesichts der vom BAG1 befürworteten Qualifikation des Arbeitnehmers als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB (dazu eingehend § 310 Rz. 14 ff.) von erheblicher Bedeutung. Zwar erfasst die Klausel-Richtlinie als solche ausweislich ihres Erwägungsgrundes 10 keine Arbeitsverträge, weil sie alle Verträge ausklammert, die der beruflichen Tätigkeit des Klauselgegners zugerechnet werden können, ohne dass es – anders als in § 13 BGB – darauf ankommt, ob es sich um eine selbständige oder um eine unselbständige Tätigkeit handelt (vgl. Art. 2 lit. b RL 93/13/EWG). Ferner hat sich der EuGH zur Bedeutung und Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG bislang nur vereinzelt geäußert2 und dabei insbesondere klargestellt, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel Sache des nationalen Gerichts ist.3 Daher spielt die Frage, wie bei überschießender Richtlinienumsetzung zu verfahren ist,4 bei der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht nur eine untergeordnete Rolle. Wenn aber der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber mit der Ausdehnung der AGBKontrolle auf Arbeitsverträge zumindest im Grundsatz an das AGBRecht in seiner aktuell vorhandenen Gestalt anknüpfen wollte und das BAG den Arbeitnehmer als Verbraucher einstuft, ergibt sich daraus zwanglos, dass damit auch eine etwaige Erweiterung des AGB-rechtlichen Schutzkonzepts für das Arbeitsrecht bedeutsam wäre. 42 Die Vorstellung einer grundlegend anderen Schutzkonzeption der verbraucherschutzrechtlichen Elemente des AGB-Rechts erscheint allerdings überzogen. Tatsächlich knüpft der seinerzeit eingeführte § 24a BGB (nunmehr § 310 Abs. 3 BGB) den AGB-rechtlichen Schutz nicht an die Verbrauchereigenschaft als eine feststehende persönliche Eigenschaft. Vielmehr geht es um einen Schutz, der seine Rechtfertigung daraus bezieht, dass der Einzelne beim Abschluss eines Vertrags eine bestimmte Rolle einnimmt.5 Insoweit kann man deshalb von einem

1 Grdl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 2 Vgl. EuGH 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98 – Slg. 2000, I-4941; EuGH 10.5.2001 – C-144/99 – Slg. 2001, I-3541; EuGH 7.5.2002 – C-478/99; EuGH 21.11.2002 – C-473/00 – Slg. 2002, I-10875; EuGH 1.4.2004 – C-237/02; EuGH 26.10.2006 – C-168/05 – Slg. 2006, I-10421; EuGH 4.6.2009 – C-243/08 – Slg. 2009, I-4713; EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – NJW 2012, 1781; EuGH 26.4.2012 – C-472/10 – ZIP 2012, 2020; EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – NJW 2012, 2257. 3 EuGH 1.4.2004 – C-237/02 – Slg. 2004, I-3403; EuGH 26.10.2006 – C-168/05 – Slg. 2006, I-10421; EuGH 4.6.2009 – C-243/08 – Slg. 2009, I-4713. 4 Dazu Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1 (28 ff.) m.w.N. 5 Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (505).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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„rollenspezifischen Unterlegenheitsschutz“ sprechen.1 Die Ähnlichkeit des AGB-bezogenen Verbraucherschutzgedankens mit dem ursprünglichen Schutzkonzept zeigt sich zum einen daran, dass es nach wie vor der Vorformulierung von Vertragsbedingungen bedarf, um das AGBrechtliche Schutzinstrumentarium zu aktivieren. Zum anderen lassen sich die verbraucherschutzrechtlichen Sonderregeln des § 310 Abs. 3 BGB zu einem erheblichen Teil nahtlos in das Modell eines Schutzes bei situationsbezogener Unterlegenheit infolge einer Informationsasymmetrie integrieren. Zunächst besteht auch bei den von § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB thematisierten Drittbedingungen regelmäßig ein Informationsvorsprung des Verwenders. Weiter ändert auch der Umstand, dass vorformulierte Vertragsbedingungen lediglich zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nichts daran, dass ein Unternehmer aufgrund seines allgemeinen Erfahrungswissens üblicherweise mit einem erheblich geringeren Aufwand als der Verbraucher ein Klauselwerk gedanklich durchdringen kann. Zwar stellt diese Regelung zusätzlich auf die fehlende Einflussnahme des Verbrauchers auf den Inhalt der vorformulierten Vertragsbedingungen ab. Dies besagt aber nicht, dass es im Rahmen des Verbraucherschutzes auf ein allgemeines Machtungleichgewicht ankommt. Vielmehr kann die Vorschrift ohne Schwierigkeiten dahin verstanden werden, dass die Vorformulierung den Verbraucher deshalb davon abgehalten hat, auf eine Änderung der Konditionen zu dringen, weil der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zum Ertrag zu zeit- und kostenintensiv gewesen wäre. Schließlich legt es die durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB angeordnete Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände nahe, insoweit auf etwaige Erläuterungen abzustellen, durch die dem Klauselgegner eine bei abstrakt-genereller Betrachtung intransparente Regelung verdeutlicht worden ist. In diesem Sinne hat jedenfalls das BAG die Bestimmung angewendet2 und damit der Sache nach das Schutzkonzept des Ausgleichs von Informationsasymmetrien zugrunde gelegt. In dieselbe Richtung lassen sich auch die Ausführungen des EuGH deuten, wenn er im Hinblick auf das Schutzsystem der Richtlinie 93/13/EWG von einem

1 Hommelhoff/Wiedenmann, ZIP 1993, 562 (565); zust. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 90; näher zur Konzeption eines situationsbezogenen Verbraucherschutzrechts Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 284 ff. 2 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – AP ArbZG § 6 Nr. 8 = NZA 2006, 324 (Rz. 49); ferner BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 (Rz. 37).

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geringeren Informationsstand des Verbrauchers spricht.1 Dies korrespondiert mit dem europäischen Verbraucherrechtsmodell, das generell auf umfassende Unterrichtungspflichten setzt, um eine möglichst informierte Entscheidung zu ermöglichen.2 43 Allerdings spielt der Gedanke des Ausgleichs eines Machtungleichgewichts zwischen Verbraucher und Unternehmer durchaus eine Rolle. Zu den gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB berücksichtigungsfähigen Begleitumständen zählt der Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 93/13/EWG nämlich auch das Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien. Dazu passt es, dass der EuGH neben dem geringeren Informationsstand zusätzlich die schwächere Verhandlungsposition des Verbrauchers als Schutzgrund nennt.3 Dementsprechend rechnet auch das BAG persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, zu den zu berücksichtigenden Aspekten.4 So ist bei einem Änderungsvertrag die stärkere Stellung des Arbeitnehmers gegenüber einem von außen kommenden Bewerber zugunsten der Wirksamkeit einer Klausel berücksichtigt worden.5 Weiter hat das BAG zumindest erwogen, den Umstand in Rechnung zu stellen, dass eine Abrede über die Rückzahlung von Ausbildungskosten erst nach dem Abschluss der Schulungsmaßnahme getroffen wurde und der Arbeitnehmer deshalb nicht mehr unter dem Druck einer Verknüpfung von Teilnahme an der Fortbildung und Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung stand.6 Entscheidungen, nach denen ein- und derselbe Klauselinhalt je nach der bestehenden Verhand1 EuGH 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98 – Slg. 2000, I-4941; EuGH 26.10.2006 – C-168/05 – Slg. 2006, I-10421; EuGH 4.6.2009 – C-243/08 – Slg. 2009, I-4713; EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – NJW 2012, 2257. 2 Zum Verbraucherleitbild im europäischen Recht Dreher, JZ 1997, 167 (170 ff.). Erhellend auch Micklitz, Gutachten zum 69. DJT, Bd. I (2012), S. A 13 ff. mit der Gegenüberstellung von materialisiertem Verbraucherschutzrecht und (europäischem) reformalisiertem Verbraucherrecht europarechtlicher Provenienz. 3 EuGH 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98 – Slg. 2000, I-4941; EuGH 26.10.2006 – C-168/05 – Slg. 2006, I-10421; EuGH 4.6.2009 – C-243/08 – Slg. 2009, I-4713; EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – NJW 2012, 2257. 4 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – AP ArbZG § 6 Nr. 8 = NZA 2006, 324 (Rz. 46); BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – AP BGB § 309 Nr. 4 (Rz. 49); BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 (Rz. 14). 5 BAG 28.5.2009 – 8 AZR 296/07 – AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 (Rz. 49). 6 BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = NZA 2010, 342 (Rz. 44); siehe auch BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 (Rz. 32).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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lungsmacht in einem konkreten Fall als wirksam und im anderen konkreten Fall als unwirksam qualifiziert wurde, sind indes nicht ersichtlich. Der Verbraucherschutzgedanke hat nach alledem zwar neue Aspekte in die AGB-rechtliche Kontrolle eingeführt. Von einem grundlegenden Konzeptionswandel kann indes keine Rede sein. Vielmehr bleibt es bei eher moderaten Annäherungen an das traditionelle Modell des Arbeitnehmerschutzes, das auf der Vorstellung einer strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beruht, der mit schlichten Informationspflichten über die mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Risiken nicht beizukommen ist. Darüber hinaus ist an die geschilderte Bandbreite der Vertragsabschlusssituationen bei Arbeitsverhältnissen (Rz. 5) zu erinnern, die über die nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden Begleitumstände in die AGB-Kontrolle einfließen. An alledem hat sich durch die europäische Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, die nur zu einer geringfügigen Modifikation der Klauselrichtlinie 93/13/EWG geführt hat, nichts geändert. 6. Bedeutung für die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Ob sich die im allgemeinen AGB-Recht entwickelten Konzeptionen zur 44 Rechtfertigung der Inhaltskontrolle harmonisch in das Arbeitsrecht einfügen1 oder eher ein Fremdkörper sind,2 ist umstritten. Kaum leugnen lässt sich jedenfalls, dass sich die neueren Ansätze in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht befinden, die traditionellerweise unabhängig vom konkreten Prozedere des Vertragsschlusses auf eine persönliche (strukturelle) Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beim Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen gestützt wird.3 Dies gilt allerdings von vornherein nur für diejenigen Konzeptionen, bei denen die Gesichtspunkte der Informationsasymmetrie bzw. der Transaktionskostenasymmetrie im Vor1 In diesem Sinne Reichold, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153, 159 (173); ferner – wenngleich von einem anderen Ausgangspunkt („gleichartige Unterlegenheitsstruktur“) aus – auch Derleder, AuR 2004, 361 (367). 2 In diesem Sinne Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179); Zöllner, ZfA 2010, 637 (644). 3 Siehe nur BAG 31.10.1969 – 3 AZR 119/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt – Unterstützungskassen Nr. 1 („gestörte Vertragsparität“); eingehend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 184 ff.; ferner gerade im Hinblick auf allgemeine Arbeitsbedingungen Säcker, Allgemeine Arbeitsbedingungen im Schnittpunkt von Privat- und Kollektivautonomie (1970), S. 68 ff., dessen Darlegungen aber durchaus Berührungspunkte mit dem Modell einer (bloß) situativen Unterlegenheit aufweisen.

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dergrund stehen. Dagegen trifft der Aspekt, im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten AGB hinzuwirken, auch auf das Arbeitsleben zu,1 wobei freilich nicht übersehen ist, dass es im Arbeitsrecht an der hierfür in erster Linie geeigneten Verbandsklage gerade fehlt und die im Individualprozess ergehende Entscheidung nicht automatisch dazu führt, dass eine unzulässige Klausel aus dem Rechtsverkehr entfernt wird (dazu noch Rz. 131 ff.). 45 Gegen eine Übertragung des informationsbezogenen Ansatzes werden im Wesentlichen zwei Einwände vorgebracht: Zum einen wird angezweifelt, dass es beim Abschluss von Arbeitsverträgen überhaupt eine der Situation beim allgemeinen Verbrauchergeschäft vergleichbare Informationsasymmetrie gibt.2 Zum anderen stellt man infrage, ob die für die AGB-Kontrolle sprechenden Gründe überhaupt mit den Gründen identisch sind, die eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglichen Regelungen legitimieren.3 Beide Einwände laufen darauf hinaus, dass die spezifisch AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen im Hinblick auf eine Kontrolle von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen dysfunktional seien, man also „Äpfel mit Birnen“ vergleiche. 46 Soweit es um das grundsätzliche Vorhandensein einer Informationsasymmetrie beim Abschluss von Arbeitsverträgen geht, lässt sich in der Tat nicht bestreiten, dass das informatorische Ungleichgewicht in vielen Fällen deutlich geringer ausfällt als bei einem Vertragsschluss im allgemeinen Geschäftsverkehr. Zunächst sind zahlreiche vorformulierte Arbeitsverträge vergleichsweise kurz gehalten und lassen auf den ersten Blick erkennen, „was auf den Arbeitnehmer zukommt“, wenn er sich auf den Vertragsschluss einlässt. So kann etwa bei einer hinreichend klar formulierten Ausschlussfrist von einem Monat nicht zweifelhaft sein, dass der Arbeitnehmer alle Ansprüche eben in einem Monat geltend machen muss. Das Problem liegt in diesem Fall nicht in der mangelnden Information über den Klauselinhalt, sondern im Klauselinhalt selbst. Sodann ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags für einen Arbeitnehmer regelmäßig von herausragender Bedeutung, so dass er häufig auch den Nebenbestimmungen größere Aufmerksamkeit zuwendet als etwa den AGB beim Kauf eines beliebigen Artikels in einem Elektromarkt. Weiter werden vorformulierte Arbeitsverträge den Arbeitnehmer 1 Ebenso BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/08 – AP BGB 3 307 Rz. 48 = NZA 2011, 89 (Rz. 37). 2 So bereits Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (256). 3 Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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nicht selten vor dem eigentlichen Vertragsschluss überlassen, um dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sich mit den einzelnen Konditionen vertraut zu machen, was nicht zuletzt auch im Arbeitgeberinteresse liegen kann (z.B. im Hinblick auf Verschwiegenheitspflichten). Zudem lassen insbesondere leitende Angestellte mittlerweile nicht selten eine Vorabkontrolle durch selbst beauftragte Rechtsanwälte durchführen. Da Arbeitnehmer im Allgemeinen an einer längerfristigen Kooperation interessiert sind, kann das Vertragsvolumen, auf das in der neueren Diskussion über die Berechtigung einer AGB-Kontrolle vermehrt abgestellt wird,1 in Gestalt mehrerer Jahresgehälter eine beträchtliche Höhe erreichen, so dass die Transaktionskosten-Vertragswert-Relation häufig keineswegs so ungünstig ist wie beim einfachen Umsatzgeschäft. Darüber hinaus richtet sich die Aufmerksamkeit von Arbeitnehmern in der Abschlussphase nicht selten auf einzelne Klauseln wie etwa die Befristung einer Zulage, ohne dass diese sogleich zum Gegenstand echter Verhandlungen gemacht werden. Kurz gesagt ist die Vertragsabschlusssituation bei Arbeitsverhältnissen durch eine außerordentliche Vielgestaltigkeit gekennzeichnet, die keineswegs stets zu einer informationellen Unterlegenheit führt, wodurch sie sich von der standardisierten Vertragsabschlusssituation im rechtsgeschäftlichen Massenverkehr nicht unerheblich unterscheidet. Dieser Befund schließt es selbstverständlich nicht aus, dass auch beim 47 Abschluss von Arbeitsverträgen vielfach eine Informationsasymmetrie auftreten und eine umfassende Analyse der einzelnen Klauseln den Arbeitnehmer überfordern kann. So unterzeichnen einfache Arbeitnehmer das vorgelegte Klauselwerk nicht selten nach flüchtigem Durchlesen, ohne den Bedeutungsgehalt der Vereinbarungen wirklich erfasst zu haben. Hiervon ist auch bei höher qualifizierten Arbeitnehmern auszugehen, wenn es sich etwa um komplizierte Entgeltsysteme oder um Regelungen über die betriebliche Altersversorgung handelt. Da Formulararbeitsverträge jedenfalls in großen Unternehmen immer wieder Änderungen unterzogen werden, deren Anlass im Laufe der Zeit insbesondere bei einem Wechsel in der Personalabteilung in Vergessenheit geraten kann, kann die Komplexität im Übrigen bisweilen sogar so weit gehen, dass selbst die Vertreter der Arbeitgeberseite die Bedeutung bestimmter Klauseln nicht auf Anhieb erläutern können. Dies ändert zwar nichts an der dem Arbeitgeber als Verwender zuzurechnenden normativen Kenntnis über den Klauselinhalt, belegt aber, dass eine Informati1 Becker, JZ 2010, 1098 (1104 ff.); Leuschner, JZ 2010, 875 (884); Leyens/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (793 ff.); Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658 (2662).

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onsasymmetrie beim Abschluss von Arbeitsverträgen nicht deshalb ausscheidet, weil der Regelungsgehalt arbeitsvertraglicher Vereinbarungen von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer stets auf einen Blick problemlos erfasst werden kann. 48 Selbst wenn es also zumindest in einzelnen Fällen ein informatorisches Ungleichgewicht über den Bedeutungsgehalt der AGB gibt, ist damit allerdings noch nicht die Geeignetheit gerade des AGB-rechtlichen Schutzinstrumentariums dargetan. Die Zweifel werden dadurch genährt, dass die AGB-Kontrolle zumindest zu großen Teilen auf ein Marktversagen als Folge einer Informationsasymmetrie reagieren will (Rz. 33), während der fehlende Einfluss des Arbeitnehmers auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen offenbar eher in anderen Umständen zu suchen ist (dazu näher noch Rz. 52). Ausgangspunkt ist insoweit die Überlegung,1 dass kein Anlass für eine staatliche Intervention in vertragliche Vereinbarungen besteht, wenn die von einer Verhandlungspartei angebotenen Konditionen von der anderen Verhandlungspartei umfassend analysiert werden können und die damit verbundenen Risiken entweder bewusst akzeptiert werden oder bei fehlender Akzeptanz die Möglichkeit besteht, problemlos auf einen anderen Anbieter von vertraglichen Konditionen auszuweichen. Geht man vom Idealbild eines uneingeschränkten Konditionenwettbewerbs aus, werden somit auch die Nebenbedingungen zum Gegenstand der Marktentscheidung des Klauselgegners durch Vertragsverhandlungen („voice“) oder Abwanderung („exit“). Im Zentrum dieses Modells steht demnach der souverän entscheidende Klauselgegner, der durch seine Präferenzentscheidung die Qualität der angebotenen AGB beeinflusst. 49 Unter dieser Prämisse ist kein Raum für eine Angemessenheitskontrolle, weil die Parteien bei einer in jeder Hinsicht fehlerfreien Entscheidung bis zur Grenze des zwingenden Rechts bzw. der Sittenwidrigkeit grundsätzlich jeden beliebigen Vertragsinhalt vereinbaren können, auch wenn er sich bei der Vertragsabwicklung erheblich zum Nachteil einer Vertragspartei auswirkt. Aufgabe des AGB-Rechts ist es vor diesem Hintergrund zum einen, auf Nebenbedingungen hinzuwirken, die eine informierte Marktentscheidung gewährleisten, was insbesondere am Transparenzgebot deutlich wird, indem dieses Gebot auf eine Klauselfassung dringt, die eine bewusste Auswahlentscheidung des Klauselgegners ermöglicht. Zum anderen substituiert das AGB-Recht den Umstand, dass es aufgrund der besonderen Vertragsabschlusssituation zu 1 Dazu vor allem Köndgen, NW 1989, 943 (946 ff.).

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keiner umfassenden Analyse der Nebenbedingungen und damit zu keiner bewussten Aufnahme aller Detailregelungen in den rechtsgeschäftlichen Willen des Klauselgegners kommt, indem es eine Kontrolle der Klauseln auf inhaltliche Angemessenheit vorschreibt. Nach dieser Konzeption dient das AGB-rechtliche Kontrollregime mit seiner Kombination aus primärer Unterstützung einer Selbsthilfe und sekundärer Intervention in materiell unangemessene Vertragsinhalte1 allein der Bewältigung eines Marktversagens, das aus der Intransparenz der Nebenbestimmungen erwächst. Bei vollständiger Transparenz und vollständigem Wettbewerb wäre sie entbehrlich. Nun lässt sich auf den ersten Blick argumentieren, dass ein Arbeitneh- 50 mer die Wahl des Arbeitsplatzes kaum jemals von der „Qualität“ der Nebenbedingungen, also beispielsweise von der Transparenz einer Ausschlussfrist, abhängig machen wird.2 Selbst bei einer modellhaft unterstellten umfassenden Informiertheit würde sich der Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung über den Abschluss des Arbeitsvertrags praktisch ausschließlich an den Hauptkonditionen, nämlich an der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes mitsamt seiner Lokalisation sowie dem dafür gezahlten Entgelt, orientieren. Eine Konkurrenz zwischen den arbeitsvertraglichen Nebenbedingungen verschiedener Arbeitgeber würde somit auch im Idealbild eines vollinformierten Arbeitnehmers als Klauselgegner nicht stattfinden. Wenn die AGB-Kontrolle ausschließlich den Umstand kompensieren soll, dass es infolge einer Informationsasymmetrie zu keinem Wettbewerb um Nebenkonditionen kommt, ein solcher Wettbewerb aber ohnehin illusorisch ist, könnte man daraus prima facie den Schluss ziehen, dass eine spezifisch AGB-rechtliche Kontrolle bei arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mangels einer Kausalität zwischen informationeller Unterlegenheit und Abschlussentscheidung funktionswidrig ist. Diese Überlegung kann man anders als im allgemeinen AGBRecht3 nicht schon damit kontern, dass die Marktentscheidung eben doch an der konkreten Ausgestaltung der Nebenbedingungen orientiert sei, so dass etwa die Intransparenz einer Ausschlussfrist die Entschließungs- und Auswahlfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt.4 Vielmehr scheint die These von der Dysfunktionalität des AGB-Rechts noch

1 2 3 4

Zu den verschiedenen Regulierungsmechanismen Hart, AG 1984, 66 (74 f.). Zu diesem Aspekt ansatzweise auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (878). Dazu Staudinger/Coester, § 307 Rz. 176. Zur Bedeutung transparenter Nebenbedingungen für die Entschließungs- und Auswahlfreiheit eindringlich BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559 (3565).

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dadurch verstärkt zu werden, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB, die ein wichtiges Element für die Gewährleistung von Abschlusstransparenz darstellt,1 für den Bereich des Arbeitsrechts durch § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB gerade ausgeschaltet hat und diese legislative Entscheidung auch nicht durch eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2 BGB korrigiert werden kann.2 Allerdings darf man diesen Aspekt nicht zu hoch gewichten, weil der zur Begründung der Unanwendbarkeit gegebene Hinweis auf das NachwG3 offenbar auf Fehlvorstellungen über die Voraussetzungen und die Wirkungsweise des NachwG beruht (näher dazu § 310 Rz. 63 ff.). 51 Vor allem aber ist dem Einwand fehlender Kausalität entgegenzuhalten, dass er gedanklich auf dem Bestehen einer strukturellen Unterlegenheit aufbaut, die den Arbeitnehmer dazu bringt, auch solche Konditionen zu akzeptieren, mit denen er eigentlich nicht einverstanden ist. Demgegenüber baut das Modell des Konditionenwettbewerbs konzeptionell gerade auf der Annahme gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer und damit auf der Möglichkeit souveräner Entscheidungen der Klauselgegner auf, so dass die Vornahme oder das Unterlassen einer Transaktion ausschließlich auf einer subjektiven Präferenzentscheidung, nicht aber auf Umständen beruht, die eine gegen die eigenen Interessen gerichtete Entscheidung erzwingen oder doch zumindest nahelegen, weil die Verweigerung des Vertragsabschlusses keine sinnvolle Option ist. Ein vollinformierter und auf einen bestimmten Arbeitsplatz angesichts zahlreicher anderer identischer Arbeitsplätze nicht angewiesener Arbeitnehmer würde nur angemessene Nebenkonditionen akzeptieren bzw. sich auf unangemessene Nebenkonditionen indes nicht einlassen. Selbst wenn die AGB-Kontrolle also nur eine Informationsasymmetrie kompensieren sollte, kann sie bei Arbeitsverhältnissen nicht allein deshalb entfallen, weil zu einer im Einzelfall bestehenden informationellen Unterlegenheit in der Realität noch eine strukturelle Unterlegenheit hinzukommt. 52 Nun greift es ohnehin zu kurz, das Fehlen eines Einflusses des Arbeitnehmers auf die Gestaltung der Nebenkonditionen ausschließlich auf eine Informationsasymmetrie und eine daraus resultierende Transakti-

1 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 176. 2 BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 21); BAG 15.4.2008 – 9 AZR 159/07 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 (Rz. 68). 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 54.

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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onskostenasymmetrie zurückführen.1 Vielmehr wird man die Akzeptanz auch eindeutig nachteiliger Klauseln zusätzlich einer Reihe von anderen Gründen zuzuschreiben haben, ohne dass man in jedem Fall auf die Theorie von der inversen Reaktion des Arbeitsmarkts2 zurückgreifen muss. So wird der Arbeitnehmer, dem im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens an einer positiven Auswahlentscheidung gelegen ist, nicht durch ein allzu offensives Verlangen nach einer Änderung von Nebenbedingungen das Missfallen des Arbeitgebers erregen wollen. Da zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig beide Seiten am Aufbau einer Vertrauensbeziehung interessiert sind, wird es vielfach fernliegen, diese Phase durch langwierige Vertragsverhandlungen zu belasten. Ferner wird ein Arbeitnehmer solche Klauseln nicht thematisieren, die nur für den Fall gescheiterter oder beendeter Vertragsbeziehungen zum Tragen kommen sollen.3 Wie das BVerfG mit Recht hervorgehoben hat, würde ein an diesem Punkt hartnäckig verhandelnder Arbeitnehmer nämlich Zweifel an seinem ernsthaften Willen zur Begründung eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses hervorrufen und damit die Chancen auf eine Einstellung erheblich verringern.4 Dies gilt etwa für eine aus der Sicht des Arbeitnehmers zu stark belastende Vertragsstrafenregelung, weil er einerseits regelmäßig nicht damit rechnet, dass sie jemals aktuell werden wird, und er andererseits nicht von vornherein den Eindruck erwecken will, mit dem Gedanken an einen Vertragsbruch zu spielen. Vergleichbares gilt für Verschwiegenheitspflichten. Zuweilen wird auch die Einbettung bestimmter Klauseln in den betrieblichen Zusammenhang einem näheren Aushandeln entgegenstehen. Dies gilt grundsätzlich für alle „systemischen“ Regelungen, die Fragen betreffen, die nicht nur das bipolare Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien betreffen, sondern betriebs- bzw. unternehmensweite Bedeutung haben, wie etwa Kurzarbeitsklauseln oder Ruhegeldordnungen. Kurz gesagt beruht der fehlende Einfluss des Arbeitnehmers auf den Inhalt der Arbeitsbedingungen zu großen Teilen auf Umständen, die mit einer Informationsasymmetrie nichts zu tun haben und die sich darüber hinaus nicht unerheblich von der Situation beim Abschluss eines Konsumentengeschäfts unterscheiden, das dem AGB-Recht vorschwebt. 1 So aber Reichold, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153, 159 (173); gegen eine monistische Reduktion auf den Gesichtspunkt der informationellen Unterlegenheit gerade im Arbeitsrecht indes schon Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen (1995), S. 28 ff. 2 Siehe dazu bereits die Nachweise in Rz. 14 Fn. 2. 3 So bereits Dieterich, RdA 1995, 129 (135). 4 BVerfG 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – BVerfGE 98, 265 (396).

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53 Die entscheidende Frage ist daher, ob es gleichwohl gerechtfertigt ist, im Arbeitsrecht gerade an den Umstand des Stellens einer vorformulierten Vertragsklausel für das Eingreifen des AGB-rechtlichen Kontrollregimes anzuknüpfen. Nun gibt es schon im allgemeinen AGB-Recht keinen zwingenden Grund, die AGB-Kontrolle monokausal auf den Gesichtspunkt einer Informationsasymmetrie zu stützen,1 auch wenn dieser Aspekt aus gutem Grund eine prominente Rolle einnimmt. Vielmehr ist schon für das allgemeine Zivilrecht zutreffend herausgearbeitet worden, das sich eine AGB-Kontrolle auch dann rechtfertigen lässt, wenn zwar kein Informationsdefizit besteht, sowohl die Entscheidungsalternativen eines Verhandelns als auch eines Absehens vom Vertragsschluss aber aus anderen Gründen als unzumutbar zu qualifizieren sind.2 Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und als Legitimation der Inhaltskontrolle nicht die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags als solche ansehen, sondern die Vertragsabschlusssituation nur als Aufgreifkriterium einstufen, das eine rechtlich ansonsten nur schwer fassbare Unterlegenheit des Klauselgegners kennzeichnet und an klare Voraussetzungen bindet.3 So macht das Stellen von Nebenkonditionen anstatt eines Aushandelns der einzelnen Vertragsbedingungen nur dann einen Sinn, wenn der Arbeitgeber nicht zuletzt aufgrund von Erfahrungswerten davon ausgehen kann, sie gegenüber den Arbeitnehmern gleichförmig durchsetzen zu können, was eine überlegene Verhandlungsmacht indiziert. 54 Dass auch außerhalb der Verwendung von AGB von einer typischerweise bestehenden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers aus-

1 In diesem Sinne auch Oetker, AcP 212 (2012), 201 (219 f.); Preis, FS Richardi (2007), S. 339 (341). 2 Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996), S. 759 f.; Staudinger/ Coester, § 307 Rz. 179; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 339 ff.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 567 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität (1982), S. 150. 3 So Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers (1998), S. 344 ff.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre (2010), S. 567 ff.; in diesem Sinne auch Preis, FS Richardi (2007), S. 339 (341); ähnl. Enderlein, Rechtspaternalismus im Vertragsrecht (1996), S. 255; ferner Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag (2012), S. 263: Vorformulierung als Indiz für fehlenden vertragsgestaltenden Einfluss des Klauselgegners bei gleichzeitigem Fehlen eines wirkungsvollen Konditionenwettbewerbs.

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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zugehen ist, liefert entgegen einer zuweilen vertretenen Ansicht1 kein hinreichendes Gegenargument. Betrachtet man die Vertragsabschlusssituation näher, kann nämlich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Konfrontation mit bereits ausformulierten Vertragskonditionen die schon vorhandene Unterlegenheit noch vertieft, indem sie beim Arbeitnehmer regelmäßig den Eindruck erweckt, als handele es sich um die betriebsübliche Regelung, die bei einer Tätigkeit in diesem Betrieb als vorgegebene Ordnung eben zu akzeptieren sei. Insoweit gelten dieselben verhaltenstheoretischen Überlegungen wie im allgemeinen AGB-Recht (Rz. 34). Die Anwendung AGB-rechtlicher Kontrollmechanismen ist indes nicht nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterlegenheitssituation im Wesentlichen erst durch die spezifische Form des Vertragsschlusses zum Ausdruck kommt, sondern auch dann, wenn sie davon losgelöst bereits besteht und durch die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags nur verstärkt wird. Das AGB-Recht ist somit flexibel genug, auch diejenigen Ursachen zu integrieren, aufgrund derer es gerade im Arbeitsverhältnis dazu kommt, dass der Arbeitgeber seine Vertragsgestaltungsmacht einseitig ausüben kann. Dennoch ist nicht übersehen, dass die im allgemeinen AGB-Recht inzwischen dominierende Konzeption der Informationsasymmetrie bzw. Transaktionskostenasymmetrie im Arbeitsrecht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die namentlich von Zöllner2 und Reuter3 vorgebrachten grundsätzli- 55 chen Einwände gegen die Übertragung gerade des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf Arbeitsverträge vermögen an den vorstehenden Überlegungen nichts zu ändern. Dies gilt zunächst für das Argument, dass der Einfluss der Arbeitnehmerseite auf den Inhalt der Arbeitsbedingungen gerade bei Einheitskonditionen stärker als bei individuell ausgehandelten Vereinbarungen sei, so dass eine verstärkte Kontrolle von Formulararbeitsverträgen nicht nur entbehrlich, sondern geradezu kontraindiziert sei. Soweit es um den institutionalisierten Einfluss durch Gewerkschaften und Betriebsräte geht, ist empirisch nicht belegt, dass sie innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs wirksam für einen angemessenen Inhalt von einheitlichen Arbeitsvertragsbedingungen sorgen und aus diesem Grund im betrieblichen Alltag im Wesentlichen nur noch inhaltlich unbedenkliche Nebenkonditionen verwendet werden. Zudem befinden sich zahlreiche Arbeitsverhältnisse von vornherein au1 Fastrich, RdA 1997, 65 (77 f.); Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (256); Zöllner, RdA 1989, 153 (156); Zöllner, ZfA 2010, 637 (644). 2 Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (244 f.); Zöllner, RdA 1989, 152 (156 f.). 3 Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.).

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ßerhalb der Einflussmöglichkeiten von Gewerkschaften und Betriebsräten. Ferner belegt gerade die zurückgehende Tarifbindung, dass auf den Mechanismus einer Transformation von Arbeitsbedingungen, die von der Arbeitnehmerseite als unangemessen empfunden werden, in angemessene Tarifbedingungen nicht vertraut werden kann. Vergleichbares gilt für den im allgemeinen AGB-Recht entwickelten Gedanken, nach der das Eigeninteresse der Klauselverwender an einer Vermeidung von Reputationsverlusten unter bestimmten Voraussetzungen durch das schlichte Wirken von Marktkräften automatisch zu angemessenen Nebenbedingungen führt.1 So belegt das arbeitsgerichtliche Fallmaterial der letzten Jahre zur Genüge, dass unangemessene Formulararbeitsverträge nicht deshalb gleichsam von selbst aus dem Arbeitsleben verschwinden, weil die Arbeitgeberseite an stabilen Kooperationsbeziehungen interessiert ist und ihren Kredit bei der Arbeitnehmerseite nicht verspielen will. Der Arbeitsmarkt ist nicht so strukturiert, dass die durch einen Ansehensverlust beim Arbeitgeber entstehenden Nachteile, zu denen es durch den Einsatz unangemessener AGB mittelbar kommen kann, größer als die Vorteile sind, die sich für den Arbeitgeber aus der Verwendung eben jener AGB unmittelbar ergeben. Schließlich können auch die Personengebundenheit des Arbeitsverhältnisses sowie die regelmäßige Einbettung in einen betrieblichen Zusammenhang die grundsätzliche Geeignetheit einer AGB-rechtlichen Kontrolle von allgemeinen Arbeitsbedingungen nicht infrage stellen, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich die Arbeitnehmer insoweit in einer grundsätzlich anderen Situation befinden als die einzelnen Kunden beim Konsumentengeschäft. Aus diesen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses lässt sich daher nicht ableiten, dass unangemessene Arbeitsbedingungen keiner Korrektur bedürfen. Der richtige Weg besteht vielmehr darin, diese Besonderheiten in die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle zu integrieren und etwa den Aspekt der Gleichbehandlung als ein legitimes Interesse für Klauseln anzusehen, die der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen dienen (dazu noch Rz. 93). 56 Nach alledem zeigt sich, dass die AGB-Kontrolle im allgemeinen Zivilrecht und die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht jeweils an die Vertragsabschlusssituation anknüpfen, es insoweit also um eine Reaktion auf eine situative Unterlegenheit geht, wobei die hierfür maßgeblichen Gründe aber nur teilweise identisch sind, während sie teilweise auch di-

1 Adams, BB 1989, 781 (785 f.); Becker, JZ 2010, 1098 (1102 f.); einschränkend aber Schäfer, FS Ott (2002), S. 279 (303).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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vergieren. Dies bedeutet indes nicht, dass der Gesetzgeber mit der Ausdehnung des AGB-Kontrollregimes auf das Arbeitsrecht einen im allgemeinen Zivilrecht bereits fest etablierten Mechanismus zweckwidrig auf das Arbeitsrecht übertragen hat. Vielmehr finden sich bereits im allgemeinen AGB-Recht Argumentationslinien, an die man im Arbeitsrecht anknüpfen kann, die dort allerdings entsprechend den Besonderheiten des Arbeitslebens ein besonderes Gewicht haben. Daraus folgt, dass bei der Anwendung der AGB-rechtlichen Regelungen die jedenfalls im Grundansatz als Reaktion auf eine Informationsasymmetrie zu verstehenden allgemeinen zivilrechtlichen Begründungsmuster nicht unkritisch auf das Arbeitsrecht übertragen werden können. Vielmehr sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB nicht erst auf der operativen Ebene, sondern bereits auf der konzeptionellen Ebene zu berücksichtigen. Dies kann etwa bedeuten, dass dem Transparenzaspekt in seiner Ausprägung als Abschlusstransparenz1 im Arbeitsrecht eine geringere Bedeutung als im allgemeinen Zivilrecht zukommt, weil die Förderung des Konditionenwettbewerbs als Zweck der Abschlusstransparenz im Arbeitsrecht ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielt, während bei den Klauseln, die sich unmittelbar auf die persönliche Rechtsstellung des Arbeitnehmers auswirken, eher ein strengerer Maßstab als im allgemeinen Zivilrecht anzulegen ist. Allgemeiner gesagt sind diejenigen Elemente der AGB-Kontrolle, die in besonderem Maße der Behebung einer Informationsasymmetrie geschuldet sind, im Arbeitsrecht weniger stark zu gewichten,2 während die Elemente, durch die im engeren Sinne einer inhaltlichen Unangemessenheit entgegengewirkt werden soll, der sich auch ein vollinformierter Arbeitnehmer nicht erwehren kann, eine stärkere Betonung verdienen. Im Übrigen ist in Rechnung zu stellen, dass die Vertragsabschlusssituation bei Arbeitsverhältnissen eine erhebliche Bandbreite aufweist, die einer pauschalen Übertragung des Wertungsaspekts des Ausgleichs einer Informationsasymmetrie entgegensteht. 7. Bedeutung des Verfassungsrechts Das BVerfG hat mehrfach zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Inhaltskontrolle von Verträgen Stellung genommen und dabei auch

1 Zur Unterscheidung zwischen Abschluss- und Abwicklungstransparenz Staudinger/Coester, § 307 Rz. 175 ff. 2 In diesem Sinne für die Abschlusstransparenz auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (879).

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die AGB-Kontrolle gestreift.1 Die ersten grundlegenden Ausführungen finden sich in der Handelsvertreter-Entscheidung.2 Danach hat der Staat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen vertraglichen Regelungen als Ausdruck der eigenverantwortlichen Gestaltung der Rechtsbeziehungen grundsätzlich zu respektieren. Wenn einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht habe, dass er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen könne, beruhe die Vereinbarung aber nicht mehr auf dem hinter dem Grundsatz der Privatautonomie stehenden Prinzip der Selbstbestimmung, sondern bewirke für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. In einer solchen Situation muss die staatliche Rechtsordnung ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern und damit zugleich das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) zu verwirklichen. 58 In der Bürgschafts-Entscheidung hat das BVerfG diese Konzeption aufgegriffen und die Kriterien konkretisiert, die vorliegen müssen, damit eine staatliche Intervention zum Schutz der Selbstbestimmung im rechtsgeschäftlichen Bereich gleichermaßen zulässig wie geboten ist.3 Danach darf ein Vertrag aus Gründen der Rechtssicherheit zwar nicht schon bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich infrage gestellt oder korrigiert werden. Wenn aber ein typisierbarer Fall einer strukturellen Unterlegenheit des einen Vertragsteils vorliegt und die Folgen des Vertrags für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind, muss die Zivilrechtsordnung intervenieren. Konkret bedeutet dies, dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 BGB und § 242 BGB durch eine Inhaltskontrolle gewährleisten müssen, dass Verträge nicht als Instrument der Fremdbestimmung dienen. Mit seiner Ehevertrags-Entscheidung hat das BVerfG diesen Ansatz abermals bestätigt4 und eigens auf die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte rekurriert.5 Die Unterlegenheit des einen Vertragspartners wird ausdrücklich auf das Vorhandensein einer ungleichen Ver1 Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine materiell verstandene Privatautonomie eingehend Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 326 ff. 2 BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242 (253 ff.). 3 BVerfG 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (231 ff.); bestätigend BVerfG 5.8.1994 – 1 BvR 1402/89 – NJW 1994, 2749 (2750). 4 Ebenso BVerfG 26.7.2005 – 1 BvR 782/94, 957/96 – BVerfGE 114, 1 (34); BVerfG 29.5.2006 – 1 BvR 240/98 – VersR 2006, 961 (962); BVerfG 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 – NJW 2011, 1339 (1340); ferner bereits BVerfG 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94 – BVerfGE 98, 265 (395). 5 BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (100).

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Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen

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handlungsposition bzw. einer gestörten Vertragsparität1 zurückgeführt. Im Zentrum der verfassungsrechtlich gebotenen Inhaltskontrolle von Verträgen steht damit der Ausgleich einer Fremdbestimmung, die auf einer tendenziell an persönliche Umstände anknüpfenden Unterlegenheit beruht, auch wenn diese grundsätzlich nicht einzelfallbezogen zu ermitteln ist, sondern sich aus typisierbaren Umständen ergeben muss. Eine teilweise andere Akzentsetzung kommt in denjenigen Entschei- 59 dungen des BVerfG zum Ausdruck, die sich mit der AGB-rechtlichen Kontrolle beschäftigen. So ist im ersten einschlägigen Beschluss zwar davon die Rede, dass die Kontrolle von Formularverträgen den Mangel an Verhandlungsmacht kompensiere. Dieser Mangel wird indes gerade auf den Einsatz von AGB durch den Verwender zurückgeführt, der es der anderen Vertragspartei regelmäßig verwehre, eine abweichende Individualvereinbarung zu treffen.2 In derselben Weise hat sich das BVerfG in einer neueren Entscheidung geäußert.3 Die ungleiche Verhandlungsmacht wird in diesen Fällen also offenbar als Folge der Verwendung von AGB und nicht als ein außerhalb der konkreten Vertragsabschlusssituation bestehendes Phänomen aufgefasst.4 In seinem Urteil zur Überschussbeteiligung bei Lebensversicherungen geht das BVerfG noch einen Schritt weiter.5 Die Entscheidung nimmt ihren Ausgangspunkt zwar auch bei der Überlegung, die Zivilrechtsordnung müsse verhindern, dass vertragliche Selbstbestimmung in Fremdbestimmung umschlage. Das Urteil spricht dann aber nicht allgemein von einem Mangel an Verhandlungsmacht, sondern identifiziert als Ursache der Fremdbestimmung ausdrücklich die fehlende Transparenz der Versicherungsbedingungen, die dazu führt, dass der einzelne Versicherungsnehmer auf die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses kaum einen Einfluss hat. Der damit angesprochene Aspekt der Informationsasymmetrie kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass das BVerfG den eingeschränkten Wettbewerb um das Produkt „Lebensversicherung“ hervorhebt und als mögliches Abhilfeinstrument eine Verbesserung der Informationslage des Kunden ins Gespräch bringt.6 Der grundgesetzlich gebotenen Inhaltskontrolle von Verträgen aufgrund struktureller Unterlegenheit wird damit eine Inhaltskontrolle infolge situativer Unterlegenheit an die Seite gestellt. 1 2 3 4 5

BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (101). BVerfG 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02 – NJW 2005, 1036 (1037). BVerfG 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 – NJW 2011, 1339 (1341). So auch die Deutung von Oetker, AcP 212 (2012), 202 (216). BVerfG 26.7.2005 – 1 BvR 80/95 – BVerfGE 114, 73 (89 ff.); bestätigt durch BVerfG 15.2.2006 – 1 BvR 1317/96 – NJW 2006, 1783 (1784 f.). 6 BVerfG 26.7.2005 – 1 BvR 80/95 – BVerfGE 114, 73 (104).

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60 Unmittelbar mit der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht beschäftigt sich ein Beschluss des BVerfG, in dem das Urteil des BAG, eine arbeitsvertraglich vorformulierte Abrufarbeit bei einem über 25 % hinausgehenden Anteil abrufbarer Arbeitsleistung gemäß § 307 BGB als unwirksam zu qualifizieren,1 verfassungsrechtlich gebilligt wurde.2 Dabei stellt das BVerfG die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen und bezeichnet als gemeinsamen Nenner das strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern. Die Unterlegenheit des Arbeitnehmers wird also weniger auf den Einsatz gerade von AGB, sondern auf unabhängig davon bestehende Umstände gestützt.3 Auch wenn das BVerfG bei seinen Ausführungen zum AGB-Recht in erster Linie auf die Verbraucherverträge abstellt, kann dieser Versuch einer weitgehenden Parallelisierung der Schutzzwecke unter vollständiger Ausblendung der im allgemeinen AGB-Recht vertretenen Konzeptionen nicht ganz befriedigen. Zutreffend ist freilich die nochmalige Bekräftigung des Vorhandenseins eines ungleichen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien, die auf das rechtstatsächliche Phänomen zurückzuführen ist, dass der einzelne Arbeitnehmer typischerweise ungleich stärker auf sein Arbeitsverhältnis angewiesen ist als der Arbeitgeber auf den einzelnen Arbeitnehmer.4 61 Das Verfassungsrecht liefert danach also durchaus das Fundament für eine AGB-Kontrolle, mit der auf die situative Unterlegenheit des Vertragspartners und die daraus resultierende faktisch einseitige Vertragsgestaltung durch den Klauselverwender bzw. korrespondierend die Fremdbestimmung des Klauselgegners reagiert werden soll. Dieses Schutzkonzept ist deutlich von der Inhaltskontrolle vertraglicher Vereinbarungen zu unterscheiden, die durch eine strukturelle Unterlegenheit im Sinne eines typisierbaren Kräfteungleichgewichts ausgelöst wird, wenn sich diese Verhandlungsimparität in ungewöhnlich stark belastenden vertraglichen Regelungen niederschlägt. Die Differenzierung dieser beiden Schutzzwecke der Inhaltskontrolle schließt es indes nicht aus, dass bei vorformulierten Arbeitsverträgen beide Defizite der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung zusammentreffen. Da die Kontrolle aufgrund struktureller Unterlegenheit aber nur ein äußerstes Auffangnetz für Fälle offensichtlicher Unangemessenheit darstellt (dazu näher 1 2 3 4

BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85. Ebenso die Deutung von Oetker, AcP 212 (2012), 202 (216). Siehe dazu bereits Rz. 14 mit Fn. 2.

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Besonderheiten im Arbeitsrecht

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Vor § 307 Rz. 27 ff.), kann sie als solche nicht dazu herangezogen werden, die erheblich feinere AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle noch weiter zu verschärfen, soweit diese nicht ihrerseits Elemente des Machtungleichgewichts in sich aufnimmt (dazu bereits Rz. 56). IV. Besonderheiten der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 1. Grundlagen § 310 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB schreibt vor, dass bei der Anwendung 62 der AGB-rechtlichen Vorschriften auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Um das Verständnis dieser Vorschrift ist vor allem in der ersten Zeit nach der Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge eine lebhafte Diskussion entbrannt,1 die sich mittlerweile allerdings wieder beruhigt hat.2 Soweit es um den Anwendungsbereich von § 310 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 63 BGB geht, kann als geklärt angesehen werden, dass die arbeitsrechtlichen Besonderheiten grundsätzlich auf allen Stufen des AGB-rechtlichen Prüfungsprogramms eine Rolle spielen können, also sowohl für die Einbeziehungskontrolle3 als auch für die verschiedenen Anknüpfungspunkte der Inhaltskontrolle (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit,4 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit,5 Generalklausel6) sowie für die Bestimmung der Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln.7

1 Umfassende Schilderung in BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727. 2 Vgl. dazu die Analyse von Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (378 ff.); siehe aber auch Hanau, FS Konzen (2006), S. 249 ff. 3 Insoweit zwar nicht für die Anwendung von § 305c Abs. 1 BGB als solche, wohl aber für die Einstufung einer Klausel als nicht überraschend, weil im Arbeitsleben üblich; vgl. für Ausschlussfristen BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 3); für Bezugnahmeklauseln BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – AB BGB § 307 Nr. 44 (Rz. 22). 4 Vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (zu § 309 Nr. 6 BGB); BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (zu § 309 Nr. 13 BGB). 5 Vgl. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (zu § 308 Nr. 4 BGB). 6 Vgl. BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 (zum Transparenzgebot). 7 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 (zur ergänzenden Vertragsauslegung).

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64 Eine weitere grundsätzliche Frage geht dahin, ob von dieser Formulierung nur rechtliche und damit normative oder auch tatsächliche Besonderheiten erfasst sind. Das BAG hat dies zunächst ausdrücklich offen gelassen.1 In späteren Entscheidungen wurden dann ohne jegliche Begründung auch die tatsächlichen Besonderheiten des Arbeitslebens einbezogen und damit die Zulässigkeit von zweistufigen Ausschlussfristen,2 von Anrechnungsvorbehalten3 sowie von Versetzungsklauseln4 begründet.5 Das Schrifttum ist gespalten: Neben zahlreichen Vertretern einer Berücksichtigung auch tatsächlicher Besonderheiten6 finden sich nach wie vor auch Stimmen, die für eine Beschränkung auf rechtliche Besonderheiten plädieren.7 65 Für eine solche Begrenzung spricht zunächst der Wortlaut von § 310 Abs. 3 Satz 2 BGB. Danach geht es um die im Arbeitsrecht und nicht im Arbeitsleben geltenden Besonderheiten. Weiter ist von geltenden Besonderheiten die Rede. Dies deutet auf das Erfordernis normativer Besonderheiten hin, weil nur Normen gelten oder nicht gelten können, während Tatsachen entweder wahr oder nicht wahr sind.8 Allerdings nimmt es der Gesetzgeber mit seiner Wortwahl nicht sonderlich genau, indem er in § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB davon spricht, dass bei der Inhaltskontrolle unter Kaufleuten auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, also auf tatsächliche Gegebenheiten angemessen Rücksicht zu nehmen ist. Immerhin erlaubt diese Regelung den systematischen Umkehrschluss, dass es auf die im Arbeitsleben bestehenden tatsächlichen Usancen nicht ankommen soll. Damit bleibt zunächst 1 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2b). 2 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III 6c). 3 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 (Rz. 32). 4 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 (Rz. 34). 5 Die Berücksichtigung der tatsächlichen Besonderheiten des Arbeitslebens bei der Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung grds. bejahend auch BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 (Rz. 28). 6 Z.B. Birnbaum, NZA 2003, 944 (946); Hanau, FS Konzen (2006), S. 249; Joost, FS Ulmer (2003), S. 1199 (1203); Singer, RdA 2003, 194 (199); WLP/Stoffels, ArbR Rz. 18. 7 Z.B. DBD/Deinert, § 310 Rz. 64 ff.; Hönn, ZfA 2003, 325 (331); Thüsing, AGBKontrolle, Rz. 109. 8 Zutr. DBD/Deinert, § 310 Rz. 64.

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Besonderheiten im Arbeitsrecht

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festzuhalten, dass schlichte Gepflogenheiten der arbeitsvertraglichen Klauselpraxis für sich genommen keinen Grund darstellen, von den in den §§ 305 ff. BGB enthaltenen Vorgaben abzuweichen.1 Hierdurch wird die Problematik aber noch nicht völlig ausgeschöpft. 66 Zum Bereich des Normativen sind über das Gesetzesrecht hinaus nämlich auch Rechtsprinzipien sowie allgemeine Rechtsgrundsätze zu zählen.2 Hierzu zählt etwa der Grundsatz, dass legitime Bedürfnisse eines Vertragspartners bei der Klauselkontrolle nicht übergangen werden dürfen. Tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens können daher durchaus Relevanz erlangen, wenn sie zu allgemein gültigen normativen Aussagen verdichtet werden können.3 Außerdem können jahrelange Erscheinungen des Arbeitslebens den Erfahrungshorizont des durchschnittlichen Arbeitnehmers prägen, der insbesondere für die Anwendung des Transparenzgebots bedeutsam sein kann.4 Diesen tatsächlichen Hintergrund begriffsjuristisch auszublenden würde den Sinn der Transparenzkontrolle verfehlen. Mit der Beschränkung auf rechtliche Besonderheiten soll letztlich nur verhindert werden, dass bloße Gewohnheiten der Arbeitsvertragsgestaltung die AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen überlagern. Die Berücksichtigung tatsächlicher Bedürfnisse der Arbeitsvertragsparteien wird hierdurch nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr geht es lediglich darum, tatsächliche Besonderheiten zunächst auf ihre normative Relevanz abzuklopfen, bevor sie dann als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten bei der Klauselkontrolle berücksichtigt werden können und müssen. Mit dieser Sichtweise wird man auch der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Wendung gerecht, wonach die „besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses“ berücksichtigt werden sollen.5 Die etwas kryptische Formulierung lässt sich ohne Schwierigkeiten mit der vorstehend erarbeiteten Konzeption in Einklang bringen, dass tatsächliche Umstände zunächst einen normativen Filter durchlaufen müssen, bevor sie als legitime Bedürfnisse im Rahmen der Klauselkontrolle in Rechnung zu stellen sind.

1 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – AP BGB § 307 Nr. 53 = NZA 2011, 1338 (Rz. 53); WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 17. 2 DBD/Deinert, § 310 Rz. 65. 3 Ebenso Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (57 f.); in diesem Sinne auch Dorndorf, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 19 (21). 4 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 (Rz. 32). 5 BT-Drucks. 14/6857, S. 54.

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67 Die sich an diese Grundsätze anschließende Frage geht dahin, wie der Kreis der rechtlichen Besonderheiten genau abzustecken ist. Insoweit besteht zunächst weithin Einigkeit darüber, dass es nicht nur um die Besonderheiten geht, die für bestimmte Arten von Arbeitsverhältnissen gelten. Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Bereich1 hat nur beispielhaften Charakter, ist aber nicht dahin zu verstehen, dass nur die Eigenheiten von Sonderarbeitsrechten eine Modifikation der §§ 305 ff. BGB rechtfertigen würden. Vielmehr sind die arbeitsrechtlichen Besonderheiten in jedem Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen.2 Weiter ist geklärt, dass es sich nicht um normative Besonderheiten handeln muss, die ausschließlich im Arbeitsrecht gelten. Stattdessen reicht es aus, dass es sich um rechtliche Besonderheiten handelt, die sich auf Arbeitsverhältnisse in besonderem Maße auswirken.3 68 Ein letzter Punkt betrifft die Frage, ob die arbeitsgerichtliche Judikatur zur Inhaltskontrolle aus der Zeit vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz als eine rechtliche Besonderheit anzusehen ist, mag dieser Aspekt im Verlaufe der Zeit auch zunehmend an Bedeutung verloren haben. Tatsächlich ist eine normative Relevanz der überkommenen rechtlichen Regeln als solche abzulehnen.4 Mit der Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge wollte der Gesetzgeber gerade eine Vereinheitlichung der Prüfungsmaßstäbe herbeiführen.5 Diesem Ziel würde eine unreflektierte Fortschreibung früherer Argumentationslinien zuwiderlaufen. Es besteht gerade kein Kontinuitätsgebot.6 Daher kann man auch nicht etwa das Vertrauen in eine gefestigte Rechtsprechung als eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit qualifizieren.7 Dies schließt selbstverständlich nicht aus, auf Wertungen aus früheren Entscheidun-

1 BT-Drucks. 14/7052, S. 189. 2 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2b bb (2)). 3 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2b cc (2)). 4 Staudinger/Coester, § 310 Rz. 104; Oetker, AcP 212 (2012), 201 (243); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (58 f.); WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 17; in diesem Sinne auch BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 7d); BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1d bb). 5 Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 6 Treffend WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 17. 7 BAG 24.2.2010 – 4 AZR 691/08 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 (Rz. 36).

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gen zurückzugreifen, soweit diese im Lichte der neuen Kontrollmaßstäbe weiter tragfähig sind.1 2. Leitgedanken der AGB-Kontrolle Die vorgeschriebene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden 69 Besonderheiten zwingt dazu, über gewisse Eigenheiten des Arbeitsrechts Rechenschaft abzulegen, um der Klauselkontrolle nach Möglichkeit gewisse Leitlinien an die Hand zu geben. Darüber hinaus sind einige übergreifende Wertungsgesichtspunkte herauszuarbeiten, die insbesondere bei der allgemeinen Angemessenheitskontrolle mit ihrem Erfordernis der wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner (näher dazu § 307 Rz. 41 ff.) von maßgeblicher Bedeutung sind. Wie das BVerfG – wenn auch in anderem Kontext – zutreffend betont hat, ist es mit einer einzelfallbezogen Güter- und Interessenabwägung nicht getan, auch wenn diese in besonderem Maße Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen mag. Vielmehr muss das Richterrecht Grundsätze entwickeln, welche die Rechtsfindung normativ zu leiten in der Lage sind, um hierdurch den rechtsstaatlichen Geboten der Berechenbarkeit des Rechts, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinreichend Rechnung zu tragen.2 Auch sollte das Instrumentarium der arbeitsrechtlichen AGB-Kontrolle mit Augenmaß gehandhabt werden, um das in der Grundtendenz unausweichliche Wachstum des Richterrechts in angemessenen Grenzen zu halten. Dabei steht die Rechtsprechung konzeptionell vor der Aufgabe, ein Leitbild des Arbeitsvertrags zu entwickeln, das in rechtstechnischer Hinsicht zwar dispositiv ist und deshalb an sich nur als Maßstab für die Kontrolle gerade von AGB dient,3 das vor dem Hintergrund der umfassenden Verbreitung vorformulierter Arbeitsverträge (vgl. Rz. 1) aber letztlich die in der Praxis wirksamen Schranken arbeitsvertraglicher Gestaltung markiert. In rechtstechnischer Hinsicht geht es damit sowohl um die Konkretisierung der wesentlichen Grundgedanken der für Arbeitsverhältnisse geltenden dispositiven gesetzlichen Regelungen i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als auch um die Ermittlung der für die Erreichung des Ver1 Dorndorf, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 19 (22). Wohl am deutlichsten kommt dieser Aspekt bei Klauseln über die Rückzahlung von Ausbildungskosten zum Ausdruck; vgl. BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11 = NZA 2009, 666. 2 BVerfG 25.1.1984 – 1 BvR 272/81 – BVerfGE 66, 116 (138). 3 Zu Kontrollfunktion von dispositivem Recht siehe nur Möslein, Dispositives Recht (2011), S. 35 ff. mit zahlreichen Nachweisen.

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tragszwecks erforderlichen wesentlichen Rechte und Pflichten i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. a) Anpassungsnotwendigkeit und Bestandsschutz aa) Allgemeines 70 Der erste grundsätzliche Wertungsgesichtspunkt ergibt sich aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis. Anders als bei einem Vertrag, der auf einen einmaligen Leistungsaustausch abzielt, handelt es sich beim Arbeitsverhältnis regelmäßig um eine auf längere Zeit angelegte Austauschbeziehung. Diese Zukunftsgerichtetheit1 macht das Arbeitsverhältnis anfällig für Veränderungen des vertraglichen Umfelds. Dabei ändern sich die wirtschaftlichen, sozialen und technischen Verhältnisse, in die der Arbeitsvertrag eingebettet ist, heutzutage in einem erheblich schnelleren Maße als bei zahlreichen anderen Dauerschuldverhältnissen (z.B. Wohnraummietvertrag). Eine arbeitsvertragliche Regelung, die sämtliche Eventualitäten der nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte vorwegnimmt und hierfür jeweils inhaltlich fest fixierte Lösungen vorsieht, ist weder praktikabel noch auch nur möglich.2 Vertragsparteien können generell weder alle potentiell möglichen künftigen Entwicklungen vorhersehen, noch sind sie in der Lage, für alle vorhersehbaren Entwicklungen vorsorgliche Regelungen zu treffen.3 Die „many futures of the contract of employment“4 sind einer abschließenden vertraglichen Steuerung nicht zugänglich. Der „vollständige Vertrag“ ist ein nützliches Konstrukt in der ökonomischen Erfassung des Vertragsrechts.5 In der Realität ist er indes nicht erzielbar. Zugleich existiert mit dem Kündigungsschutz eine arbeitsrechtliche Besonderheit, die es dem Arbeitgeber verwehrt, sich ohne weiteres vom Arbeitnehmer zu lösen und ihm eine Weiterbeschäftigung nur noch zu geänderten Konditionen anzubieten. Die für diese Fälle grundsätzlich

1 So prägnant BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 29); BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154 (Rz. 31). 2 Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (266 f.). 3 Zur Unterscheidung beider Aspekte Möslein, Dispositives Recht (2011), S. 33. 4 So Deakin, ESRC Centre for Business Research – Working Papers No.191 (2000); grdl. MacNeil, Southern California Law Review 47 (1974), 691 ff. 5 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. (2005), S. 401 ff.; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37 (44 ff.); vertiefend Ayres/Gertner, Yale Law Journal 99 (1989), 87 ff.

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zur Verfügung stehende Änderungskündigung stellt mit ihren hohen Anforderungen vielfach keine brauchbare Alternative dar. Aus diesem Grunde hat das BAG zutreffend mehrfach das Interesse des 71 Arbeitgebers an sonstigen Änderungsinstrumenten als berechtigt anerkannt, die es ihm ermöglichen sollen, die arbeitsvertraglichen Konditionen den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.1 Dies gilt in erster Linie hinsichtlich der Ungewissheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, die angesichts volatiler werdender Märkte für den Arbeitgeber immer schwerer prognostizierbar ist. Die Anpassungsleistung, die das Arbeitsverhältnis zu erbringen hat, ergibt sich aber nicht nur aus allgemeinen ökonomischen Veränderungen, sondern kann auch auf Änderungen der betrieblichen Strukturen beruhen, in die das Arbeitsverhältnis eingebettet ist. Darüber hinaus können auch neue normative Rahmenbedingungen, deren Einhaltung vom Arbeitgeber verlangt wird (compliance), eine Anpassung von arbeitsvertraglichen Regelungen erfordern. Schließlich ist auch das Interesse des Arbeitgebers beachtlich, die verwendeten AGB einseitig nachbessern zu können, soweit die Unwirksamkeit einer Klausel nur darauf beruht, dass die Rechtsprechung neue Maßstäbe entwickelt. Allerdings hat der Arbeitnehmer ein gegenläufiges und ebenfalls schutzwürdiges Interesse an der Stabilität seiner Arbeitsbedingungen. Im Grundsatz geht es im Hinblick auf den Flexibilisierungsaspekt also darum, welche Risiken und Unwägbarkeiten vorbehaltlich einer Kündigung bzw. Änderungskündigung der Arbeitgeber zu tragen hat und in welchem Maße ihre Verlagerung auf den Arbeitnehmer noch als angemessener Interessenausgleich gesehen werden kann. Eine erste grundlegende Grenze stellt der „Kernbereich“ des Arbeitsvertrags dar.2 Dieser Kernbereich steht einem einseitigen Zugriff des Arbeitgebers aus mehreren Gründen nicht offen: Erstens gebietet es das Äquivalenzprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB,3 dass sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht von seinen ei1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4c bb); BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (unter B II 7d); BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 (Rz. 36); BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64 (Rz. 31). 2 Hierzu umfassend Schwarze, demnächst in RdA 2012. 3 Dazu BGH 12.6.2001 – XI ZR 274/00 – BGHZ 148, 74 = NJW 2001, 2635; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 235; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 214 f.; Stoffels, AGBRecht, Rz. 513.

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genen Leistungspflichten lösen, den Arbeitnehmer aber an seiner unveränderten Gegenleistungspflicht festhalten kann. Zweitens lässt sich aus § 615 BGB die gesetzliche Wertung ableiten, dass das Wirtschafts- und Betriebsrisiko grundsätzlich vom Arbeitgeber getragen werden soll.1 Auch diese zum dispositiven Recht gehörende Regelung ist Teil des gesetzlichen Leitbildes, das bei der Inhaltskontrolle als Maßstab dient. Damit zusammenhängend dürfen drittens die für einen Arbeitsvertrag typischen Pflichten, also die Arbeitspflicht und die Entgeltzahlungspflicht, nicht so weit ausgehöhlt werden, dass der Vertragszweck, der aus der Perspektive des Arbeitnehmers darin besteht, ihm nach Maßgabe der vereinbarten Arbeitszeit Beschäftigung und Einkommen zu verschaffen, gestört wird. Die Reichweite dieses Kernbereichs ergibt sich damit in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag, also aus dem auf die Hauptpflichten gerichteten Leistungsversprechen des Arbeitgebers. Für die Konkretisierung kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die von der Rechtsprechung zum Vertragsinhaltsschutz gemäß § 2 KSchG entwickelt worden sind.2 Allerdings kommt es nicht auf eine konkrete Umgehung des Schutzes vor Änderungskündigungen an, so dass die Anwendbarkeit des KSchG keine Rolle spielt.3 Der Kernbereich umschreibt somit zugleich den Teil des Arbeitsverhältnisses, in den nur mit dem Instrument der Änderungskündigung eingegriffen werden darf. Soweit das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer Anpassung der Arbeitsbedingungen ein solches Ausmaß erreicht, das es den Kernbereich betrifft, muss sich der Arbeitgeber des gesetzlich vorgesehenen Mittels der Änderungskündigung unter Beachtung ihrer hohen Wirksamkeitsanforderungen bedienen. Mit vorformulierten Änderungsvorbehalten kann der Arbeitgeber hingegen nur ein mittleres Flexibilisierungspotenzial schaffen. 73 Außerhalb der Grenzen dieses Kernbereichs (zur Konkretisierung Rz. 77, 80) lässt sich als allgemeiner Wertungsgesichtspunkt zunächst herausschälen, dass der Flexibilisierungsgedanke nur solche Klauseln legitimiert, deren Zweck darin besteht, betriebswirtschaftliche Erfordernisse bzw. Entscheidungen in das Arbeitsverhältnis zu transferieren. Dabei geht es zum einen um Außenwelteinflüsse, die dem Arbeitgeber selbst 1 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (unter B II 5a). 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4b bb); BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145 (Rz. 21). 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4b bb).

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durch die Marktverhältnisse unmittelbar vorgegeben werden, daneben aber auch um sonstige Maßnahmen, mit denen die Adaption des Arbeitsverhältnisses an das betriebliche Umfeld nachvollzogen oder vorweggenommen werden soll. Hieraus ist zum einen zu schließen, dass insoweit nur „marktrelevante“ Arbeitsbedingungen Gegenstand entsprechender Klauseln sein können, also nur solche Konditionen, die sich auf die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit oder auf das Entgelt als Gegenleistung des Arbeitgebers beziehen. Der Vorbehalt von Entscheidungsspielräumen im Hinblick auf andere Arbeitsbedingungen, etwa die Höhe einer Vertragsstrafe, lässt sich unter dem Flexibilisierungsaspekt nicht rechtfertigen, wodurch andere Sachgründe freilich nicht ausgeschlossen werden. Zum anderen deckt dieser Gesichtspunkt nur Reaktionen des Arbeitgebers auf Marktgegebenheiten einschließlich deren Vorwegnahme. Änderungsinstrumente, die zumindest ihrer objektiven Wirkung nach eine Steuerung des Arbeitnehmerverhaltens ohne Rücksicht auf betriebswirtschaftliche Erfordernisse ermöglichen (etwa der Widerruf einer Zulage wegen „unbotmäßigen Verhaltens“), lassen sich nicht mit dem Bedürfnis einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen begründen. Für diese Unterscheidung spricht zusätzlich die Überlegung, auf welche vertragliche Regelung sich die Parteien modellhaft geeinigt hätten, wenn sie für alle möglichen Geschehensabläufe eine antizipierte Lösung hätten fixieren wollen. In diesem Falle hätten sich die Arbeitnehmer zwar auf eine vorweggenommene Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Marktbedingungen eingelassen, um nicht durch ein starres Festhalten an den Ausgangskonditionen den Bestand des Unternehmens und damit auch ihrer Arbeitsverhältnisse zu gefährden. Einer Unterwerfung unter ein willkürliches Verhalten des Arbeitgebers hätten sie dagegen nicht zugestimmt. Daher ist ein völlig konturenloser Änderungsvorbehalt, der sich auf nahezu alle Arbeitsbedingungen bezieht, unwirksam, weil er keinem berechtigten Interesse des Arbeitgebers mehr dient und dem Arbeitnehmer jegliche Planungssicherheit nimmt.1 Der Zeithorizont des Arbeitsverhältnisses legt noch einen weiteren 74 Wertungsgesichtspunkt nahe. Sofern das Arbeitsverhältnis auf einen vergleichsweise kurzen Zeitraum befristet ist, besteht ein erhöhtes schutzwürdiges Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung der Konditionen für die Dauer der Tätigkeit, während umgekehrt der Arbeitgeber bei einer Befristung den Zeitraum seiner Bindung grundsätz1 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; ferner BAG 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57.

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lich übersehen und mögliche Risiken einkalkulieren kann. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke in der Regelung des § 15 Abs. 3 TzBfG, nach der ein befristetes Arbeitsverhältnis der ordentlichen Kündigung nur dann unterliegt, wenn dies einzelvertraglich oder in einem anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Hinter dieser Vorschrift steht die Wertung, dass der mit der Befristungsabrede am Ende des Arbeitsverhältnisses eingebüßte Bestandsschutz regelmäßig durch einen erhöhten Bestandsschutz während der Befristungsdauer kompensiert werden soll. Diese Wertung lässt sich auch auf den Bereich der Nebenbedingungen übertragen. 75 Für die Wirksamkeit einer Klausel spricht es schließlich, wenn die Dynamisierung in der Weise bewerkstelligt wird, dass auf andere Regelungswerke verwiesen wird, die ihrerseits eine Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Parteien des Arbeitsverhältnisses bieten.1 Eine Änderungsklausel ist aber nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber davon abgesehen hat, die Arbeitsbedingungen an das Schicksal eines einschlägigen fremden Regelwerks zu binden. bb) Tätigkeitsebene 76 Das größte Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis besteht im Hinblick auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers. Ein entsprechendes Potenzial ist dem Arbeitsvertrag von vornherein immanent, weil der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts befugt ist, den Inhalt, den Ort und die zeitliche Lage der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Mit § 106 GewO hat der Gesetzgeber zu verstehen gegeben, dass er eine Anpassung der Arbeitsleistung an die betrieblichen Bedürfnisse für grundsätzlich unausweichlich hält. Dagegen unterliegen weder die Dauer der Arbeitszeit noch gar das Entgelt ursprünglich einem einseitigen Bestimmungsrecht des Arbeitgebers. Hieraus folgt zunächst, dass eine Klausel vorbehaltlich einer Transparenzkontrolle unbedenklich ist, die im Hinblick auf tätigkeitsbezogene Veränderungen das aus dem Arbeitsvertrag folgende allgemeine Weisungsrecht lediglich nachbildet.2 Dies korrespondiert mit der großen Zurückhaltung der Rechtsprechung, eine Konkretisie1 BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 29); BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154. 2 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149; BAG 13.6.2007 – 5 AZR 564/06 – AP BGB § 611 Film Nr. 11 = NZA 2007, 974; BAG 3.12.2008 – 5 AZR 62/08 – AP BGB § 307 Nr. 42.

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rung der Arbeitspflicht zu bejahen, um dem Arbeitgeber eine Anpassung der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Tätigkeit nicht voreilig zu verbauen.1 Dasselbe gilt für solche unechten Direktionsrechtserweiterungen, die im Hinblick auf die Komponenten Tätigkeit, Ort oder zeitliche Lage umfangreichere Änderungen zulassen, sich mangels konkreter vertraglicher Festlegungen dabei aber letztlich noch im Rahmen des Arbeitsvertrags halten.2 Will der Arbeitgeber durch eine echte Direktionsrechtserweiterung den arbeitsvertraglichen Rahmen transzendieren, steigen zwar die Rechtmäßigkeitsanforderungen, weil in einem solchen Fall nicht nur eine Transparenzkontrolle, sondern auch eine Angemessenheitskontrolle durchzuführen ist.3 Wenn die Klausel entsprechende Veränderungen aber zum einen an betriebliche Notwendigkeiten bindet und zum anderen inhaltlich nicht unbeschränkt zulässt, spricht dies stark für ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus sind auch Klauseln, die den Umfang der Arbeitszeit betreffen, nicht von vornherein unstatthaft, auch wenn dieser Aspekt vom allgemeinen Weisungsrecht grundsätzlich nicht erfasst wird.4 Dies gilt sowohl für eine vorübergehende wie auch für eine dauerhafte Absenkung oder Aufstockung der regelmäßigen Arbeitszeit.5 Eine Grenze wird durch den erwähnten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses gezogen. Insoweit hat die Rechtsprechung zwei Eckpunkte markiert: Zum einen ist keine Direktionsrechtserweiterung statthaft, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Tätigkeit zuzuweisen.6 Dabei soll es offenbar keine Rolle spielen, ob der Arbeitnehmer sein bisheriges Entgelt behält.7 Insoweit überzeugt es frei1 Vgl. HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 60 ff. 2 BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355; BAG 19.1.2011 – 10 AZR 738/09 – AP BGB § 307 Nr. 50 = NZA 2011, 631. 3 Vgl. BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355. 4 Insoweit missverständlich BAG 14.7.2008 – 9 AZR 58/07 – AP GewO § 106 Nr. 1 (Rz. 22). 5 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 6 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145; anders offenbar früher BAG 11.6.1958 – 4 AZR 514/55 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 2. 7 So jedenfalls die (im Erg. freilich zurückgewiesene) Auslegung der Entscheidung von DBD/Deinert, § 307 Rz. 187; andere Interpretation aber bei Dzida/ Schramm, BB 2007, 1221 (1224), nach denen sich das Urteil nur auf solche Klauseln bezieht, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit bei gleichzeitiger Entgeltminderung ermöglichen sollen.

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lich mehr, Klauseln noch zu billigen, die aus gewichtigen betrieblichen Gründen die Zuweisung einer um bis zu zwei Vergütungsgruppen niedrigeren Tätigkeit zulassen, sofern damit keine Entgeltabsenkung verbunden ist.1 Zum anderen darf das flexibel gestellte Arbeitszeitvolumen bei einer Abrede über die dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit, bei einer Abrede über die Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht mehr als 20 % der vereinbarten wöchentlichen Höchstarbeitszeit betragen (zur Frage einer Erweiterung dieses Umfangs aufgrund kollektivvertraglicher Wertungen siehe aber auch noch Rz. 100).2 Bei einer lediglich vorübergehenden Verringerung (Kurzarbeit) bzw. Verlängerung (Überstunden) der Arbeitszeit sind dagegen großzügigere Grenzen zuzulassen, weil der Kernbereich des Arbeitsvertrags in diesen Fällen nicht berührt wird. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Mindereinnahmen bzw. die Mehrbelastung finanziell angemessen kompensiert werden (näher dazu § 307 Rz. 105 ff.). Diese Grundsätze lassen sich dahin verallgemeinern, dass dem Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung seiner Stellung in der betrieblichen Hierarchie ein vergleichsweise großes Gewicht zukommt, während das Veränderungsinteresse des Arbeitgebers insoweit ein geringeres Gewicht hat. Demgegenüber genießt das Interesse des Arbeitgebers an einer Änderung des in das Unternehmen eingebrachten Arbeitsvolumens, um hierdurch auf Marktanforderungen unmittelbar reagieren zu können, einen größeren Stellenwert. Die Marktnähe des Flexibilisierungsbedürfnisses erweist sich damit auch insoweit als Wertungsgesichtspunkt. 78 Ein weiterer Wertungsaspekt besteht in den rechtlichen Folgewirkungen, die durch die Zulassung einer bestimmten Klausel ausgelöst werden. Die Eigenheit dieses Phänomens besteht darin, dass es Gestaltungen gibt, in denen die Arbeitsrechtsordnung an das Vorhandensein einer Klausel, die den Arbeitnehmer in einer bestimmten Hinsicht schlechter stellt, in einer anderen Hinsicht vorteilhafte Folgen knüpft, so dass man es insoweit unzweifelhaft mit Besonderheiten des Arbeitsrechts zu tun hat. Dieser Gedanke findet sich in der Judikatur des BAG zu Versetzungsklauseln. Danach erweitern Versetzungsklauseln einerseits zwar die einseitigen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Andererseits verstärkt eine vergleichsweise weite Versetzungsklausel die Sicherheit 1 So DBD/Deinert, § 307 Rz. 188 f.; strenger Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 152: eine Vergütungsgruppe; großzügiger Bonin, Anm. zu BAG, AP GewO § 106 Nr. 11: Absenkung um bis zu 20 %. 2 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423.

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des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung. Zum einen erweitert sie die Obliegenheit des Arbeitgebers, vor dem Ausspruch einer solchen Kündigung zu prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Zum anderen soll sie zu einer Ausdehnung des Kreises der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer führen.1 Zwar können diese Überlegungen nur im Hinblick auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, nicht aber hinsichtlich der Sozialauswahl überzeugen, weil im Kündigungsrecht ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht nach Ansicht des zuständigen Senats gerade keine Erweiterung der Sozialauswahl zur Folge hat.2 Gleichwohl ist der Grundgedanke zutreffend, dass jedenfalls solche Verbesserungen, die durch die Struktur der Arbeitsrechtsordnung unmittelbar mit einer bestimmten Klausel verknüpft sind, für deren Zulässigkeit sprechen. cc) Entgeltbereich Für den Entgeltbereich gelten im Ausgangspunkt ähnliche Grundsätze, 79 wobei vorab klarzustellen ist, dass vorformulierte Regelungen, die sich unmittelbar auf das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung beziehen, keiner inhaltlichen Angemessenheitskontrolle, sondern nur einer Transparenzkontrolle unterliegen.3 Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Kontrolle anhand zwingenden Gesetzesrechts bzw. zwingenden Tarifrechts. Ferner lässt sich aus dem allgemeinen Schutzzweck der AGB-Kontrolle, den Klauselgegner vor einer einseitigen Ausnutzung von Vertragsgestaltungsmacht zu bewahren, der Umkehrschluss ziehen, dass die formularmäßig vorgesehene Möglichkeit, Zusatzleistungen zu gewähren, für sich genommen kontrollfrei bleibt.4 1 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 (Rz. 37); BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26 (Rz. 42); ebenso Lingemann, NZA 2002, 181 (191); Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2125); so bereits Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (270); Zöllner, RdA 1989, 152 (160). 2 BAG 2.6.2005 – 2 AZR 158/05 – AP KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 73 = NZA 2005, 1175; BAG 2.6.2005 – 6 AZR 199/05 – AP KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 76 = NZA 2006, 590; BAG 18.10.2006 – 2 AZR 676/05 – AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 = NZA 2007, 798 (Rz. 27); zust. Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289 (291). 3 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 (Rz. 30); BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – AP BGB § 307 Nr. 36 = NZA 2009, 49 (Rz. 22). 4 BAG 9.11.2005 – 5 AZR 351/05 – AP BGB § 305c Nr. 5 (unter II 4).

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80 Weiter ist das Flexibilitätsbedürfnis auf Seiten des Arbeitgebers aus den genannten Gründen auf der einen Seite wiederum prinzipiell anzuerkennen. Hinzu kommt der in der Rechtsprechung bislang offenbar nicht aufgenommene Gedanke, dass die aus dem Unternehmen zu ziehenden Erträge dessen Leistungsfähigkeit voraussetzen und deshalb ein gemeinsames Interesse daran besteht, den Fortbestand dieses Substrats durch zu hohe Ausschüttungen nicht zu gefährden.1 Auf der anderen Seite bildet der Kernbereich des Arbeitsvertrags erneut die Grenze für den Vorbehalt einseitiger Eingriffsbefugnisse. Diesen Kernbereich hat das BAG dahin konkretisiert, dass der widerrufliche Anteil bei im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Entgeltbestandteilen (Entgelt im engeren Sinne) unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen muss, während er bei nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltbestandteilen (Entgelt im weiteren Sinne) bis auf unter 30 % der Gesamtvergütung ansteigen darf.2 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber durch arbeitsvertragliche oder den tatsächlichen Zahlungen beigefügte Erklärungen das Entstehen eines rechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers auf eine bestimmte finanzielle Leistung von vornherein verhindern kann, um sich auf diese Weise ein höchstmögliches Flexibilisierungspotential zu verschaffen (Freiwilligkeitsvorbehalte).3 Das BAG hat für laufende Leistungen (Entgelt im engeren Sinne) unter Berufung auf den Grundsatz der Vertragsbindung (pacta sunt servanda) die Zulässigkeit kategorisch ausgeschlossen,4 während es für Sonderzahlungen (Entgelt im weiteren Sinne) eine solche Befugnis des Arbeitgebers grundsätzlich anerkennt.5 Die entscheidende Weichenstellung in dieser höchst umstrittenen Thematik ist darin zu sehen, ob die vertraglichen Erklärungen sowie das Gesamtverhalten des Arbeitgebers unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Freiwilligkeitsvorbehalts den Schluss auf eine grundsätzlich erteilte rechtsgeschäftliche Zusage bzw. auf das Vorhandensein einer betrieblichen Übung erlauben. Insoweit fungiert der Freiwilligkeitsvorbehalt lediglich als Material bei der Interpretation der Erklärungen bzw. des Ver1 Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 2 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87 im Anschluss an BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465. 3 Dazu eingehend Krause, FS Bauer (2010), S. 577 ff.; ferner Bayreuther, ZfA 2011, 45 ff.; Hromadka, DB 2012, 1037 ff.; Preis/Sagan, NZA 2012, 697 ff. 4 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853. 5 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173; siehe jetzt aber auch BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – AP BGB § 307 Nr. 56 = NZA 2012, 81 (Rz. 37).

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haltens des Arbeitgebers. Sofern diese Schwelle überwunden ist, geht es um die weitere Frage, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt in seiner (kumulativen) Eigenschaft als Vertragsabschlussklausel die Kraft hat, eine nach allgemeinen Grundsätzen an sich eintretende Bindung des Arbeitgebers zu verhindern. Dies ist indes eindeutig zu verneinen, weil auf diese Weise das Äquivalenzprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zumindest aber das Verbot der Aushöhlung vertragstypischer Rechte und Pflichten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) missachtet würde.1 b) Grundrechtliche Aufladung Eine weitere Eigenheit arbeitsvertraglicher AGB besteht darin, dass sie 81 sehr viel häufiger als allgemeine AGB grundrechtlich geschützte Interessen in besonders intensiver Weise berühren, die Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer also nicht nur in ihrer schlichten Eigenschaft als Arbeitsvertragsparteien betreffen.2 Gemeint sind damit alle Nebenbestimmungen, die das personenbezogene Element des Arbeitsverhältnisses tangieren und den Arbeitnehmer von der Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten unmittelbar oder mittelbar abhalten wollen. Im Vordergrund stehen insoweit die schon seit langem geläufigen Rückzahlungsklauseln (Sonderleistungen, Ausbildungskosten). Daneben ist aber auch an diejenigen Regelungen zu denken, die sich auf Nebenbeschäftigungen und wettbewerbliches Verhalten beziehen. In diesen Gestaltungen ist die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG spezifisch betroffen.3 Darüber hinaus kommen aber auch Abreden in Betracht, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken, wie etwa vorformulierte Erklärungen über die Einwilligung gemäß § 4a BDSG in Überwachungsmaßnahmen und sonstige datenschutzbezogene Handlungen des Arbeitgebers.4 Die Berücksichtigung der grundrechtlichen Wertungen erfolgt regelmäßig im Rahmen der Angemessenheitskontrolle. Diese Kontrolle muss aus verfassungsrechtlicher Sicht mindestens den Schutz gewährleisten, der sich aus der Schutzgebotsfunktion der 1 Näher dazu Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.). 2 Dazu BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB § 307 Nr. 22. 3 Vgl. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 (Rz. 25); BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = NZA 2007, 687 (Rz. 25); BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV = NZA 2007, 875 (Rz. 25); BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – AP BGB § 307 Nr. 32 = NZA 2008, 40 (Rz. 24); BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (Rz. 13). 4 Zur Einordnung der datenschutzrechtlichen Einwilligung als AGB siehe BGH 16.7.2008 – VIII ZR 348/06 – BGHZ 177, 253 (259) = NJW 2008, 2055 f.

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Grundrechte ergibt. Ein Optimum an Grundrechtsverwirklichung ist dagegen nicht erforderlich. Allerdings bietet § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf der einfachrechtlichen Ebene einen nicht unerheblichen Spielraum für eine verfassungsorientierte Auslegung. Wenn die geregelte Angelegenheit auf eine Initiative des Arbeitnehmers zurückgeht, kann aus dessen Berufsfreiheit zudem auch einmal ein Argument für die Wirksamkeit einer Klausel generiert werden.1 c) Kompensation von Nachteilen aa) Bedeutung des Vorhandenseins eines gesetzlichen Schutzsystems 82 Das Arbeitsverhältnis ist in vielfältiger Weise durch zwingende gesetzliche Schutznormen reguliert. Neben dem schon erwähnten kündigungsrechtlichen Bestandsschutz seien insbesondere das Urlaubsrecht, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Bereich des technischen und sozialen Arbeitsschutzes genannt. Während die allgemeine AGB-Kontrolle vor dem Hintergrund einer grundsätzlich dispositiven normativen Ordnung vorzunehmen ist, entfaltet sich die Kontrolle von vorformulierten Arbeitsbedingungen somit innerhalb eines zwingenden gesetzlichen Rahmens. Ein Teil des Schrifttums zieht aus diesem Umstand den Schluss, dass der gesetzliche Schutz als eine Art vorweggenommene Kompensation in die Angemessenheitskontrolle einzubeziehen ist.2 Da es bei der Angemessenheitskontrolle anerkanntermaßen eine Rolle spielt, ob der Verwender für ihn günstige Abweichungen vom dispositiven Recht durch Vorteile für den Klauselgegner kompensiert,3 würde die generelle Berücksichtigung des bereits vorhandenen zwingenden Schutzniveaus das Tor für vertragliche Gestaltungen, die zum Nachteil des Arbeitnehmers vom dispositiven Recht abweichen, weit öffnen. 83 Gegen diese Sichtweise spricht indes zunächst, dass sich vorformulierte Arbeitsbedingungen thematisch vielfach auf Bereiche beziehen, in denen es von vornherein kein zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht gibt. Zu nennen sind Vertragsstrafen, Ausschlussfristen und Schriftformklauseln. Insoweit besteht daher kein struktureller Unterschied zwischen der allgemeinen und der arbeitsrechtlichen AGB-Kontrolle. Darüber hinaus ist es vielfach kaum möglich, einen inneren Zusammenhang zwischen den 1 Vgl. BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 (Rz. 44). 2 So Zöllner, RdA 1989, 152 (160). 3 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 125 ff.; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 144 (151 ff.); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 487.

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Arbeitnehmer benachteiligenden arbeitsvertraglichen Klauseln auf der einen Seite und bestimmten gesetzlichen Schutzvorschriften auf der anderen Seite herzustellen. Schließlich besteht der Zweck von zwingenden Schutzgesetzen darin, dem Arbeitnehmer ein unabdingbares Mindestniveau zu verschaffen, also gleichsam die „Null-Linie“ zu Gunsten des Beschäftigten zu verschieben. Dagegen zielen diese Bestimmungen nicht darauf ab, dem Arbeitgeber Handlungsspielräume für vorformulierte vertragliche Regelungen zu verschaffen, die er ohne die gesetzlichen Vorgaben möglicherweise nicht hätte. Daher kann der zwingende Arbeitnehmerschutz als solcher nicht als eine antizipierte Kompensation arbeitsvertraglicher Benachteiligungen des Arbeitnehmers qualifiziert werden. Hiervon unberührt bleibt die bereits erwähnte Möglichkeit, dass sich aus der Struktur der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften als Folge einer bestimmten Klauselgestaltung ein zusätzlicher Schutz ergibt (Rz. 78). Eine solche Kompensation ist bei der Angemessenheitskontrolle in Rechnung zu stellen. bb) Freiwillige Begünstigungen In den Entscheidungen des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten1 ist die 84 Frage aufgeworfen worden, ob die Zulässigkeit einer in rechtlicher Hinsicht den Arbeitnehmer benachteiligenden Klausel zumindest auch damit gerechtfertigt werden kann, dass der Arbeitgeber ohne diese Klausel von einer den Arbeitnehmer in tatsächlicher Hinsicht begünstigenden Maßnahme abgesehen hätte oder absehen würde. Im Hinblick auf laufende Leistungen hat das BAG diesen Gedanken verworfen,2 während er bei den Sonderzahlungen eine durchaus gewichtige Rolle spielt.3 In der Tat spricht prima facie einiges dafür, die Klauselkontrolle nicht so zu handhaben, dass sie sich faktisch letztlich zum Nachteil der Arbeitnehmer auswirkt. Allerdings erscheint es nur schwer möglich, diesen Aspekt in operable Formen zu fassen. Von vornherein nicht tragfähig ist jedenfalls die Überlegung, dass der Arbeitgeber ohne die Vereinbarung bestimmter Klauseln vom Abschluss des Arbeitsvertrags abgesehen hätte oder auf lange Sicht weniger Arbeitnehmer beschäftigen wird. Darüber hinaus kann es generell nicht überzeugen, eine rechtliche Benachteiligung durch eine faktische Begünstigung zu legitimieren. Dem1 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173. 2 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853 (Rz. 22). 3 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 (Rz. 35).

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entsprechend wird im allgemeinen AGB-Recht einhellig die Ansicht vertreten, dass eine unangemessene Benachteiligung nicht durch einen günstigeren Preis gerechtfertigt werden kann.1 Ursache für diese Wertung ist nicht zuletzt der Umstand, dass das Gericht regelmäßig außer Stande sein wird, das Arbeitgeberverhalten zu simulieren, zu dem es ohne die fragliche Klausel gekommen wäre bzw. künftig kommen würde. 85 Letztlich taucht an dieser Stelle die schon vor Jahrzehnten diskutierte Grundsatzfrage wieder auf, ob eine Inhaltskontrolle bei freiwilligen und ausschließlich begünstigenden Zusatzleistungen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Für eine solche Kontrolle wurde schon frühzeitig überzeugend ins Feld geführt, dass finanzielle Zusatzleistungen nicht als altruistische Schenkungen qualifiziert werden können, sondern mit jedem zusätzlichen Entgelt die Erwartung einer zusätzlichen Leistung des Arbeitnehmers einhergeht.2 Dieser Aspekt steht jedenfalls solchen Klauseln entgegen, die den Arbeitgeber in die Lage versetzen sollen, sich den in Aussicht gestellten Vergünstigungen trotz entsprechender Dispositionen der Arbeitnehmer wieder zu entziehen. Zudem streitet der Persönlichkeitsschutz gegen Abreden, die eine übermäßig disziplinierende und damit die Abhängigkeit des Arbeitnehmers steigernde Wirkung entfalten.3 Die Lösung liegt daher nicht in einer weitgehenden Freistellung der Kontrolle generell begünstigender Regelungen auf damit verbundene rechtlich nachteilhafte Bedingungen, sondern darin, im Einzelnen zu untersuchen, wie intensiv das Verhalten des Arbeitnehmers durch die jeweilige Klausel gesteuert wird. Dagegen kann dem Arbeitgeber bei Bedingungen, die lediglich den Rahmen präzisieren sollen, der für zusätzliche Leistungen zur Verfügung steht, ein größerer Spielraum zugebilligt werden. Im Übrigen kann der Arbeitgeber wie erläutert (Rz. 80) durch sein Erklärungsverhalten das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine Zusatzleistung nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre einschließlich der Regeln über die betriebliche Übung von vornherein verhindern, muss dafür aber mit der Unsicherheit „bezahlen“, die er bei den Arbeitnehmern hierdurch hervorruft und die wiederum ihr Arbeitsverhalten beeinflusst. 86 Von der soeben formulierten Grundregel ist eine Ausnahme für die Fälle zu machen, in denen der Arbeitgeber mit einer Begünstigung uneigen1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 129 ff.; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 145; Stoffels, AGBRecht, Rz. 493. 2 Wiedemann, RdA 1969, 244 (247); ebenso Hildebrandt, Disparität und Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht (1987), S. 66 f. 3 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 189.

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nützige Ziele verfolgt. Seinen gesetzlichen Ausdruck findet dieser Gedanke in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Danach kann die Befristung eines Arbeitsverhältnisses wirksam sein, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zu einer Besserstellung in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrages gekommen wäre.1 Diese Wertung lässt sich zunächst auf die AGB-Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen übertragen, auch wenn diese Kontrolle nicht gemäß § 14 TzBfG analog erfolgt, sondern anhand der §§ 305 ff. BGB vorzunehmen ist.2 Man wird indes noch einen Schritt weiter gehen können und insbesondere Freiwilligkeitsvorbehalte für zulässig zu halten haben, wenn ein Arbeitgeber beispielsweise einem Arbeitnehmer aus sozialen Gründen über akute wirtschaftliche Schwierigkeiten hinweghelfen möchte, sich aber nicht auf Dauer rechtlich binden, sondern die Möglichkeit offenhalten will, die Leistungen nach Überwindung der persönlichen Krise ohne eine gerichtliche Überprüfung umgehend wieder einzustellen. Allgemeiner formuliert halten rechtliche Nachteile dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn sie die Kehrseite einer Begünstigung sind, die allein oder zumindest im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers liegt, und wenn sie keine unverhältnismäßige Verhaltenslenkung entfalten sollen. d) Differenzierung nach Verkehrskreisen aa) Arbeitnehmerseite Eine weitere Eigenart des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass es 87 nicht „den“ Arbeitnehmer gibt, sondern dass die Beschäftigten, mit denen vorformulierte Arbeitsverträge abgeschlossen werden, mit höchst unterschiedlichen Verständnishorizonten in die Vertragsverhandlungen hineingehen und innerhalb des Unternehmens auf verschiedenen Ebenen der betrieblichen Hierarchie ihren Platz einnehmen. Wie das BAG im Zusammenhang mit einer Vertragsstrafenregelung ausgeführt hat, ist diesem Phänomen dadurch Rechnung zu tragen, dass auf die jeweilige Arbeitnehmergruppe abzustellen ist, die von der Verwendung gerade dieser Klausel betroffen ist.3 Damit knüpft das BAG an ältere Entscheidungen an, in denen – wenn auch noch recht allgemein – von der Mög1 BAG 21.1.2009 – 7 AZR 630/07 – AP TzBfG § 14 Nr. 57 = NZA 2009, 727. 2 Vgl. BAG 8.8.2007 – 7 AZR 855/06 – AP TzBfG § 14 Nr. 41 = NZA 2008, 229; BAG 18.6.2008 – 7 AZR 245/07 – AP TzBfG § 14 Nr. 52; BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 673. 3 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – AP BGB § 307 Nr. 38 = NZA 2009, 370 (Rz. 59).

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lichkeit gruppentypisch unterschiedlicher Ergebnisse die Rede ist.1 Dieser Ansatz einer unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit („Verletzbarkeit“) ist weiterzuführen, wobei aus Gründen der Rechtssicherheit in erster Linie eine Aufteilung in typisierbare Gruppen vorzunehmen ist. 88 Eine Grundeinteilung betrifft die Unterscheidung zwischen tariflichen Arbeitnehmern und außertariflichen Angestellten.2 Darüber hinaus wird man der im Schrifttum befürworteten weiteren Unterteilung ab der Prokuraebene beipflichten können.3 Die Bedeutung dieser Unterscheidungen betrifft in erster Linie die Flexibilisierungsinstrumente, die den jeweiligen Arbeitnehmergruppen zugemutet werden können. Ferner können die Verständnismöglichkeiten der jeweiligen Personenkreise vor allem im Zusammenhang mit der Frage des Charakters einer Klausel als überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB)4 oder dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) relevant werden. Gerade insoweit kann neben hierarchiebezogenen Gliederungen auch der konkrete Verkehrskreis, dem der Arbeitnehmer entstammt, eine erhebliche Rolle spielen. So kann es sein, dass eine bestimmte Kündigungsregelung für eine Lehrkraft an einer allgemeinbildenden Schule aufgrund ihrer Üblichkeit weder ungewöhnlich noch überraschend ist,5 während dieselbe Klausel einen Arbeitnehmer der Metallindustrie „überrumpeln“ würde. Eine pauschale Besserstellung von Beschäftigten im Niedriglohnsektor etwa durch das Aufstellen besonderer Anforderungen an die Wirksamkeit einer Vertragsstrafe ist jedoch nicht gerechtfertigt.6 89 Ein Sonderproblem besteht insoweit darin, wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass Arbeitnehmer im Laufe der Zeit in der betrieblichen Hierarchie aufsteigen können. Im Ausgangspunkt ist entsprechend allgemeinen Grundsätzen7 daran festzuhalten, dass es auf die Verhältnisse 1 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727; BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40. 2 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 176; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528); siehe auch Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht (1993), S. 316 ff.: mildere Maßstäbe für Führungskräfte. 3 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 176; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 4 Vgl. BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – AP BGB § 307 Nr. 27 = NZA 2007, 1069 (Rz. 17): Bezugnahme auf einschlägigen TV im öffentlichen Dienst nicht überraschend. 5 So BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370 (Rz. 25). 6 BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 (Rz. 47). 7 BGH 3.11.1999 – VIII 269/98 – BGHZ 143, 103 (117) = NJW 2000, 1110 (1113); BGH 30.3.2010 – XI ZR 200/09 – NJW 2010, 2041 (2043); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 100; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 117; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 472.

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zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags ankommt. Dies ergibt sich auch aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Nicht ausgeschlossen ist freilich, dass es dem Arbeitnehmer in extremen Ausnahmefällen verwehrt ist, sich auf die Unwirksamkeit einer Klausel zu berufen, wenn diese viele Jahre später angesichts der inzwischen eingetretenen Veränderungen evident wirksam wäre. In praktischer Hinsicht dürften sich die meisten Probleme aber dadurch erledigen, dass Arbeitnehmer bei einem Statusaufstieg zumeist einen neuen Vertrag erhalten und damit der Zeitpunkt der Klauselkontrolle mit der Karriere des Arbeitnehmers mitwandert. Im Übrigen kann die vom Arbeitnehmer vertraglich auszuübende Tätigkeit in bestimmten Fällen einen Wertungsaspekt darstellen, indem etwa bei Führungskräften Verschwiegenheitspflichten und Wettbewerbsverbote eine größere Rolle als bei anderen Arbeitnehmern spielen.1 bb) Arbeitgeberseite Auf der Arbeitgeberseite hat sich die Rechtsprechung soweit ersichtlich 90 noch nicht ausdrücklich zu Differenzierungen bekannt. Auch insoweit ist indes an branchenspezifische Differenzierungen zu denken. So ist der Geheimnisschutz durch formularmäßig ausgeformte Verschwiegenheitspflichten in Hightech-Unternehmen von größerem Interesse als in einer Bäckerei.2 Weiter spricht vieles dafür, die geringere Leistungsfähigkeit von Kleinunternehmen angemessen zu berücksichtigen.3 Dieser Aspekt kann allerdings im Wesentlichen nur die formalen Anforderungen an die Klauselgestaltung betreffen, die den „kleinen“ Arbeitgeber als Klauselverwender nicht überfordern sollten. Außerdem ist dieser Gedanke lediglich in den Fällen tragfähig, in denen ein solcher Arbeitgeber die Klausel selbst gestaltet. Sofern er sich der Expertise etwa eines Verbandes oder eines Rechtsanwalts bedient, gibt es keinen hinreichenden Grund, ihm das insoweit vorhandene Fachwissen nicht zuzurechnen, zumal bei fehlerhaft erstellten Arbeitsbedingungen ein Regress gegen den Dritten nicht ausgeschlossen ist. Der materielle Schutz ist dagegen nicht zu relativieren. Hiergegen spricht einmal das Fehlen eines Schwellenwertes für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB. Außerdem steht dem Kleinunternehmer, der nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fällt, mit dem weitgehend ungebundenen Kündigungsrecht eine hinreichende Möglichkeit zur Seite, insbesondere Anpassungen des Ar1 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 176; Thüsing, BB 2002, 2666 (2671). 2 So das plastische Beispiel von Thüsing, BB 2002, 2666 (2671). 3 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 176; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528).

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beitsvertrags an geänderte Rahmenbedingungen vorzunehmen. Auch eine Verringerung des Schutzniveaus der Klauselkontrolle zu Gunsten von „Jungunternehmern“ kann nicht überzeugen. Die beiden insoweit einschlägigen Vorschriften (§ 14 Abs. 2a TzBfG und § 112a Abs. 2 BetrVG) haben einen zu singulären Charakter, als dass sich daraus die generelle Wertung entwickeln ließe, die AGB-Kontrolle in den ersten Jahren nach der Unternehmensgründung grobmaschiger durchzuführen. Zudem würde eine solche Sichtweise zu dem wenig einleuchtenden Ergebnis führen, dass ein- und dieselbe Klauselformulierung im Verhältnis zu einem bereits von Beginn an beschäftigten Arbeitnehmer eventuell wirksam wäre, im Verhältnis zu einem später eingestellten Mitarbeiter aber unwirksam. e) Rationalisierung/Gleichbehandlung 91 Der Rationalisierungseffekt gehört anerkanntermaßen zu den Faktoren, die den Einsatz und die konkrete Ausgestaltung von vorformulierten Vertragsbedingungen rechtfertigen können.1 Die Standardisierung vereinfacht die Vertragsanbahnung und -abwicklung, indem sie Zeit und Kosten erspart. Darüber hinaus wird die Kalkulation sowie letztlich die gesamte Organisation des Unternehmens erleichtert. Unter diesem Blickwinkel kann man Ausschlussfristen als Instrument ansehen, durch das nicht nur in einem eher allgemeinen Sinn Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeigeführt werden,2 sondern gerade die Personalabteilungen davon bewahrt werden sollen, sich mit lange zurückliegenden Forderungen auseinandersetzen zu müssen. 92 Im Arbeitsrecht kommt der besondere Wertungsaspekt der betrieblichen Verbundenheit der Arbeitnehmer hinzu. Auch ohne auf die vereinzelt vertretene Vorstellung von der betriebsverbandlichen Struktur der Belegschaft3 zurückzugreifen, ist nicht daran vorbei zu kommen, dass vorformulierte Arbeitsbedingungen vielfach nicht ausschließlich die bilaterale Austauschbeziehung zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer regeln, sondern zusätzlich das multilaterale Zusammenle-

1 BGH 24.9.1980 – VIII ZR 273/79 – NJW 1981, 117 (118); BGH 10.1.1996 – XII ZR 271/94 – NJW 1996, 988 (989); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 156; UBH/ Fuchs, § 307 Rz. 121; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 489; so bereits Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht (1993), S. 301. 2 Diesen Aspekt hervorhebend BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149 (unter II 5d). 3 So namentlich Reuter, ZfA 1993, 221 (226 ff.).

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ben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen.1 Dieser Aspekt kann zwar nicht die grundsätzliche Geeignetheit einer AGBKontrolle infrage stellen.2 Auch geht es zu weit, die Beschneidung von Arbeitnehmeransprüchen durch Ausschlussfristen und Ausgleichsquittungen auf die Überlegung zu stützen, dass die übrige Belegschaft ein Interesse an einem möglichst ungeschmälerten Betriebsvermögen hat,3 weil sich mit dem Rekurs auf mögliche wirtschaftliche Folgewirkungen von Arbeitnehmerrechten letztlich jede Form des Arbeitnehmerschutzes infrage stellen ließe.4 Jedoch kann im Zusammenhang mit finanziellen Zusatzleistungen wie auch mit Sanktionsregelungen in Form von Vertragsstrafen der Gedanke durchaus fruchtbar gemacht werden, dass das einzelne Arbeitsverhältnis in eine betriebliche Organisation eingebettet ist.5 So lassen sich vorformulierte Klauseln, die einen Umbau der Vergütungsstruktur ermöglichen sollen, grundsätzlich damit legitimieren, dass der Arbeitgeber hierdurch in die Lage versetzt wird, neue Formen von Leistungsanreizen zu etablieren und gegebenenfalls auch eine Schieflage der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zu beseitigen. Soweit es um Vertragsstrafen als Instrument zur Sicherung der Arbeitspflicht geht, besteht ein für die grundsätzliche Zulässigkeit sprechender Aspekt darin, dass sich die Folgen des Ausfalls eines einzelnen Arbeitnehmers aufgrund der Einfügung seiner Arbeitsleistung in die Betriebsorganisation nicht hinreichend isolieren lassen und die Präventionswirkung der Schadensersatzandrohung damit weitgehend leer läuft. Hinzu tritt die Wirkung der Vertragsstrafe als Mittel zur Gewährleistung eines kollegialen Verhaltens, indem sie den Arbeitnehmer daran hindern soll, von heute auf morgen seinen Arbeitsplatz zu verlassen und die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben damit faktisch den anderen Mitarbeitern aufzubürden.6 Allgemeiner gesagt lässt sich aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Verbundenheit der Arbeitnehmer ableiten, dass eine Klausel um so eher der Inhaltskontrolle standhält, je stärker sie dazu dient, die Funktionsfähigkeit des betrieblichen Systems aufrechtzuerhalten sowie insbesondere zur Bewältigung struktureller Anpassungspobleme bei1 Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (637 f.). 2 So aber Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.); ähnl. bereits Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (245). 3 So Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (188 ff.). 4 Hiervon ist der bereits erwähnte Aspekt (Rz. 73) zu unterscheiden, dass Zusatzleistungen gegebenenfalls deshalb gekürzt werden müssen, um das weitere Fortbestehen des Unternehmens im Interesse des Arbeitgebers und der Gesamtheit der Arbeitnehmer zu sichern. 5 Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (190 ff.). 6 Näher dazu Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (630 f.).

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zutragen. Insoweit fordert und fördert eine richtig kalibrierte Inhaltskontrolle die Rationalität innerbetrieblicher Verfahrensabläufe.1 93 Ein weiterer Gesichtspunkt wird mit dem Gleichbehandlungsgedanken angesprochen. Auch wenn das Interesse des Arbeitgebers an einer Vereinheitlichung der Arbeitsvertragsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung des BAG für sich genommen keine Änderungskündigung rechtfertigt,2 besteht gleichwohl ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers an einheitlichen Vertragswerken bzw. an Vertragsklauseln, die eine Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen ermöglichen sollen.3 Einen gewissen Ausdruck findet der Gleichbehandlungsaspekt auch in der Judikatur des BAG, nach der ein im Arbeitsvertrag mit einem tarifgebundenen Arbeitgeber in Bezug genommener einschlägiger Tarifvertrag auch bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer keiner Transparenzkontrolle unterliegt.4 Neben dem gleichsam mittelbaren Schutz des Tarifvertrags vor dem möglichen Verdikt der Intransparenz geht es insoweit auch darum, zu verhindern, dass dieselben Vorschriften im Verhältnis des Arbeitgebers zu einem tarifgebundenen Arbeitnehmer wirksam, im Verhältnis zu einem nicht organisierten Arbeitnehmer aber unwirksam sind, wodurch eine Spaltung in die Belegschaft hineingetragen würde. f) Sanktionierung von Pflichtverletzungen 94 Eine das gesamte Dienstvertragsrecht und damit vor allem das Arbeitsrecht auszeichnende Besonderheit ist weiter das Fehlen eines eigenständigen Gewährleistungsrechts. Dies hat in Verbindung mit der eingeschränkten Wirkung des Schadensersatzrechts bei (schuldhaften) Minderleistungen und sonstigen Pflichtverletzungen zur Folge, dass ein Interesse des Arbeitgebers an anderen Reaktionsinstrumenten nicht von der Hand zu weisen ist. Will man nicht der Kündigung als vergleichs1 Ansatzweise auch Derleder, AuR 2004, 361 (368). 2 BAG 28.4.1982 – 7 AZR 1139/79 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 3; BAG 1.7.1999 – 2 AZR 826/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = NZA 1999, 1336; BAG 20.1.2000 – 2 ABR 40/99 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40 = NZA 2000, 592; BAG 16.5.2002 – 2 AZR 292/01 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 69 = NZA 2003, 147; BAG 12.1.2006 – 2 AZR 126/05 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = NZA 2006, 587; BAG 8.10.2009 – 2 AZR 235/08 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = NZA 2010, 465; einschränkend ErfK/Oetker, § 2 KSchG Rz. 65. 3 Im Grundsatz bereits Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht (1993), S. 301. 4 BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – AP BGB § 307 Nr. 27 = NZA 2007, 1069 (Rz. 25).

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weise scharfes Mittel das Wort reden, kommen (bei schuldhaftem Handeln) wiederum Vertragsstrafen, daneben aber auch ganz allgemein Änderungsvorbehalte in Betracht, um das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung der konkreten Entwicklung anzupassen.1 Allerdings dürfen derartige Regelungen die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung2 nicht aushöhlen. g) Rechtsverfehlungsrisiko (Prognoserisiko) Das aus dem allgemeinen AGB-Recht übernommene grundsätzliche 95 Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) wirft dann Schwierigkeiten auf, wenn es um Gestaltungen geht, in denen die Rechtsprechung das konkrete Ausmaß des rechtlich Erlaubten trotz der bei der Inhaltskontrolle an sich gebotenen typisierten Betrachtungsweise aufgrund der Eigenheiten der betroffenen arbeitsrechtlichen Materie erst anlässlich des jeweils zu beurteilenden Falls feststellt. In diesen Konstellationen kann es dazu kommen, dass der Arbeitgeber den Umfang des rechtlich Zulässigen nur deshalb überschreitet, weil die rechtlichen Grenzen diffus sind und von der Gewichtung verschiedener Variablen abhängen. Da das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion seine Rechtfertigung in erster Linie darin findet, dass der Verwender davon abgehalten werden soll, bei der Klauselaufstellung unbedenklich über die Grenzen des rechtlich Zulässigen hinauszugehen und nur ein gerichtliches Zurückstutzen auf das gerade noch wirksame Maß befürchten zu müssen,3 schießt es über diesen Präventionszweck hinaus, auch denjenigen Verwender mit einem ersatzlosen Wegfall der Klausel zu sanktionieren, der lediglich die von der Judikatur erst im Nachhinein konkret fixierten Grenzen verfehlt. Zur Lösung dieser Problematik hat das BAG vor einiger Zeit den Weg zur 96 ergänzenden Vertragsauslegung verbreitert und ein solches Vorgehen nicht mehr nur dann für statthaft erklärt, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3 BGB darstellen (hierzu § 306 Rz. 58 ff.) oder wenn die uneingeschränkte Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf Altverträge auf eine unzulässige Rückwirkung hinauslaufen würde (dazu noch Rz. 120 ff.), sondern auch dann, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die exakte Reichwei1 Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 2 HWK/Krause, § 619a BGB Rz. 11 ff. 3 Siehe nur BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309; ferner etwa Erman/Roloff, § 306 Rz. 8; Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 22 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 593.

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te des rechtlich Zulässigen vorab zu ermitteln.1 Auch wenn das BAG in diesem Zusammenhang von „Prognoserisiko“ spricht, geht es der Sache nach nicht um eine Prognose im Hinblick auf einen tatsächlichen künftigen Geschehensablauf, sondern um die Verfehlung des rechtlich Zulässigen. Der Terminus „Prognoserisiko“ führt sogar eher in die Irre, weil er den Eindruck erweckt, als ziele die Gestaltung vorformulierter Arbeitsbedingungen ausschließlich darauf ab, die richterliche Spruchpraxis vorherzusagen. Auch wenn dies rechtsrealistisch zutreffen mag („prediction theory“),2 muss es auf der Grundlage des geltenden Rechts im Ausgangspunkt doch dabei bleiben, dass sich die Frage, ob AGB wirksam sind, nach den normativen Vorgaben der §§ 307 ff. BGB richtet, die von der Rechtsprechung lediglich konkretisiert, nicht aber losgelöst vom Gesetz willkürlich festgesetzt werden. Inhaltlich handelt es sich damit um die Frage, wie mit dem rechtlichen Irrtum des Arbeitgebers über das bestehende (und nicht erst das zu schaffende) Recht angesichts seiner Unbestimmtheit angemessen zu verfahren ist. Diese Problematik stellt sich grundsätzlich auch im allgemeinen AGB-Recht und wird dort in der Literatur in zunehmendem Maße dadurch bewältigt, dass man die Totalnichtigkeit einer überschießenden Klausel zu Gunsten des „gutgläubigen Verwenders“3 durch eine Reduktion auf ein angemessenes Maß substituiert.4 Auch wenn das Grundanliegen zu teilen ist, sollte man um der methodischen Klarheit willen nicht das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion relativieren, sondern stattdessen dem Institut der ergänzenden Vertragsauslegung aufgeschlossen gegenübertreten.5 Diese Aufgeschlossenheit rechtfertigt sich durch das auch dem allgemeinen Zivilrecht zwar nicht unbekannte, im Arbeitsrecht aber doch besonders stark ausgeprägte Phänomen, dass sich das Urteil über die inhaltliche Angemessenheit häufig erst aus einer feinsinnigen Abwägung zwischen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerinteressen ergibt. 97 Eine ergänzende Vertragsauslegung, die einen Teil des Unwirksamkeitsrisikos vom Verwender auf den Gegner wieder zurückverlagert, ist freilich nur in den Fällen angezeigt, in denen sich die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel gleichsam aufspalten 1 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666. 2 Grdl. Holmes, Harvard Law Review 10 (1897), 457 ff. 3 So treffend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 595. 4 MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 13 f.; Canaris, FS Steindorff (1990), S. 519 (547 ff.); Roth, JZ 1989, 411 (418 f.); Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 24 f. 5 In diese Richtung auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 596.

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lassen in gefestigte Grundsätze einerseits und die in hohem Maße unbestimmte konkrete Reichweite des zulässigen Vereinbarungsinhalts andererseits. Wenn der Arbeitgeber in einer solchen Konstellation eine Klauselgestaltung wählt, die sich bei objektiver Betrachtung offenkundig von den gefestigten Grundsätzen leiten lässt und lediglich die konkreten Grenzen geringfügig überschreitet, spricht dies für eine ergänzende Vertragsauslegung anstelle einer ersatzlosen Totalnichtigkeit der Klausel. Hinzu kommt, dass hierdurch das bereits angesprochene Gleichbehandlungsproblem (Rz. 93) angegangen werden kann. Ohne eine in diesen Konstellationen vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung könnte eine noch so minimale Überschreitung des rechtlich Zulässigen insbesondere bei Bindungsklauseln nämlich dazu führen, dass der davon betroffene Arbeitnehmer von vornherein völlig ungebunden wäre, während ein Arbeitskollege mit einer fast oder sogar vollständig identischen Klausel aufgrund eines leicht abweichenden Sachverhalts oder auch nur einer anderen Einschätzung des erkennenden Gerichts nach Maßgabe des Klauselinhalts gebunden wäre.1 h) Kollektivrechtliche Wertungen Eine das gesamte Arbeitsrecht prägende Besonderheit ohne Parallele im allgemeinen AGB-Recht ist schließlich die Existenz des kollektiven Arbeitsrechts. Dabei geht es zum einen um die Auswirkungen koalitionsvertraglicher Regelungen im weitesten Sinne, zum anderen um den Bereich der betrieblichen Mitbestimmung.

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aa) Koalitionsvertragliche Regelungen Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen unter gewerkschaftlicher Mit- 99 wirkung (Koalitionsverträge), die als solche gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keiner AGB-Kontrolle unterliegen, können sich in unterschiedlicher Weise auf die Klauselkontrolle auswirken. Dabei ist unbestrittener Ausgangspunkt, dass der AGB-Charakter von Vertragsbedingungen nicht dadurch entfällt, dass diese vor der Verwendung kollektiv ausgehandelt worden sind.2 Soweit es in diesem Zusammenhang um den Verständnishorizont des Arbeitnehmers geht, der bei der Überraschungskontrolle so1 Siehe dazu auch Reuter, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (192). 2 Vgl. BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194; ebenso zu betrieblichen Regelungen BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 (Rz. 35); BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 (Rz. 20); BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – AP BGB § 307 Nr. 52 (Rz. 33).

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wie bei der Transparenzkontrolle eine maßgebliche Rolle spielt, ist die allgemeine Verbreitung einer Tarifklausel ein zu berücksichtigender Wertungsgesichtspunkt. Darüber hinaus kann die Üblichkeit einer tariflichen Regelung auch das Urteil über die inhaltliche Angemessenheit einer deckungsgleichen vorformulierten Vertragsklausel beeinflussen, wie es das BAG im Zusammenhang mit Ausschlussfristen im Grundsatz zutreffend angenommen hat.1 Ein regelrechter Ausschluss einer eigenständigen Angemessenheitskontrolle ist allerdings nur angezeigt, wenn das arbeitsvertragliche Klauselwerk den gesamten Tarifvertrag im Rahmen seines Geltungsbereichs oder doch zumindest einen abgeschlossenen Regelungskomplex2 in Bezug genommen bzw. nachgebildet hat. In diesen Konstellationen wird die Schutzfunktion durch die Tarifvertragsparteien wahrgenommen.3 In allen übrigen Fällen macht die schlichte Üblichkeit einer bestimmten tariflichen Regelung die eigenständige Angemessenheitskontrolle einer entsprechenden vorformulierten Vertragsklausel nicht überflüssig, weil ein Tarifvertrag stets ein Gesamtgebilde darstellt, in dem sich Vorteile und Nachteile die Waage halten, aus dem eine einzelne Bestimmung aber nicht isoliert herausgegriffen und pauschal als angemessen bezeichnet werden kann (näher § 310 Rz. 76 f.).4 100 Das schließt es aber nicht aus, tarifvertragliche Wertungen in die Angemessenheitskontrolle einfließen zu lassen. Das ist einmal anzunehmen, wenn der Arbeitgeber auf einen Teil eines einschlägigen Tarifvertrags verweist und den Rest einzelvertraglich nachbildet, weil er sich dann an das tarifvertraglich ausgehandelte Geben und Nehmen anlehnt.5 Weiter gilt dies nicht nur für Tarifverträge im technischen Sinne, sondern auch für sonstige Koalitionsvereinbarungen. Wenn entsprechende Regelungen unter Mitwirkung repräsentativer Organisationen auf Arbeitgeberseite zustande gekommen sind, spricht alles dafür, dass sie einen angemessenen Ausgleich von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbelangen enthalten. In diesem Sinne hat das BAG die Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, die Mindestarbeitszeit um bis zu 75 % aufzustocken, wodurch die für Arbeit auf Abruf an sich geltende 25 %-Grenze bei weitem überschritten wird, unter Berufung auf ein vom Arbeitgeber und den 1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 2 So jetzt BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – NZA-RR 2009, 593. 3 BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 (Rz. 35). 4 Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (150); insoweit nicht überzeugend daher Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 5 Zu streng deshalb BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 29 = NZA 2007, 875.

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Lehrerverbänden vereinbartes „Lehrerpersonalkonzept“, das den gleichzeitigen befristeten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen enthielt, als angemessen gebilligt.1 Dabei erwecken die Ausführungen des BAG durchaus den Eindruck, als wenn es die Vorgaben der Koalitionsvereinbarung, die in den Arbeitsvertrag übernommen wurden, zumindest auf eine gewisse Schlüssigkeit geprüft hat. Tatsächlich sollte außerhalb des beschriebenen Bereichs, in dem eine Angemessenheitskontrolle aufgrund vollständiger Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag gänzlich ausgeschlossen ist, eine Evidenzkontrolle daraufhin erfolgen, ob die Kollektivvertragsparteien einen angemessenen Interessenausgleich offenbar verfehlt haben.2 bb) Betriebliche Mitbestimmung Ein weiterer Punkt betrifft die betriebliche Mitbestimmung. Ausgangs- 101 punkt ist insoweit, dass auch Betriebsvereinbarungen als solche gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht den §§ 305 ff. BGB unterfallen. Auch insoweit geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Schutzfunktion durch die Betriebspartner wahrgenommen wird.3 Der vollständige Ausschluss aus der AGB-Kontrolle4 setzt sich grundsätzlich jedoch nur dann auf der Ebene vorformulierter Arbeitsvertragsbedingungen fort, wenn das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fällt. Eine Bezugnahme auf eine solche Betriebsvereinbarung bzw. eine formularmäßige Nachbildung ist zwar funktionslos, weil die Betriebsvereinbarung in diesem Fall ohnehin schon normativ gilt (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).5 Das Kontrollprivileg macht aber trotzdem Sinn, weil hierdurch verhindert wird, dass neben die Betriebsvereinbarung eine um AGB-Rechtsverstöße bereinigte vertragliche Parallelordnung tritt, die sich nach dem Günstigkeitsprinzip durchsetzt und die zu einer nur schwer durchschaubaren Mixtur aus kollektivvertraglichen und ein1 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194. 2 Eine uneingeschränkte Angemessenheitskontrolle vornehmend aber BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – AP BGB § 307 Nr. 58. 3 BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 (Rz. 35). 4 Siehe etwa BAG 1.2.2006 – 5 AZR 187/05 – AP BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung Nr. 28 = NZA 2006, 563 und BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – AP BGB § 308 Nr. 8 (keine Überprüfung eines Widerrufsvorbehalts anhand von §§ 307, 308 Nr. 4 BGB). 5 Diehn, NZA 2004, 129 (131); Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345); Singer, RdA 2003, 194 (198); siehe aber auch BAG 7.6.2011 – 1 AZR 807/09 – AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55 = NZA 2011, 1234.

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heitsvertraglichen Regelungen führt.1 Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme oder Nachbildung von nicht einschlägigen Betriebsvereinbarungen schließt eine Inhaltskontrolle dagegen nicht aus, weil in diesem Fall nicht von einem für das Arbeitsverhältnis passenden angemessenen Interessenausgleich ausgegangen werden kann.2 Dasselbe gilt im Ansatz zwar auch für bloße Regelungsabreden bzw. Betriebsabsprachen. Wenn eine vorformulierte Arbeitsvertragsklausel aber auf eine solche Abrede zurückgeht und hierdurch eine an sich einschlägige Betriebsvereinbarung substituiert werden soll, kann der darin zum Ausdruck kommende Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen bei der Angemessenheitskontrolle nicht ausgeblendet werden. Dem entspricht es, wenn das BAG eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung, die auf einen Mustertext in einem kombinierten Sozialplan und Interessenausgleich zurückgeht, keiner Inhaltskontrolle und nicht einmal einer Transparenzkontrolle unterzogen hat.3 Da es um die inhaltliche Angemessenheit einer vertraglichen Abrede geht, besteht ein grundlegender Unterschied zum Kündigungsrecht, wo die Berufung auf eine Betriebsvereinbarung für die Wirksamkeit einer Änderungskündigung keine Rolle spielt.4 Die Inhaltskontrolle ist in diesen Fällen somit (nur) in der Intensität durchzuführen, wie sie im Allgemeinen auch bei Betriebsvereinbarungen stattfindet, also tendenziell etwas strenger als bei Tarifverträgen,5 aber weniger streng als bei vom Arbeitgeber einseitig vorformulierten arbeitsvertraglichen Regelungen (dazu auch § 310 Rz. 79).6 i) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit 102 Als allgemeine Leitlinie empfiehlt es sich schließlich, bei der AGBKontrolle das allgemeine rechtsstaatliche Gebot der Berechenbarkeit 1 Treffend Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345). 2 Diehn, NZA 2004, 129 (131); Richardi, NZA 2002, 1057 (1062); Singer, RdA 2003, 194 (198); näher Preis, NZA 2010, 361 (365 f.); Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345 ff.). 3 BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 (Rz. 35); ebenso BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 (Rz. 22). 4 Vgl. BAG 20.1.2000 – 2 ABR 40/99 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40 = NZA 2000, 592. 5 Vgl. BAG 1.2.2006 – 5 AZR 187/05 – AP BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung Nr. 28 = NZA 2006, 563; BAG 12.12.2006 – 1 AZR 96/06 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = NZA 2007, 453; für eine Gleichstellung dagegen Rolfs, RdA 2006, 349 (355 f.). 6 Noch etwas großzügiger Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528): Vermutung für Angemessenheit.

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Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich

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des Rechts nicht aus den Augen zu verlieren. Die judizielle Sozialsteuerung sollte nicht nur retrospektiv für Vertragsgerechtigkeit sorgen, sondern sich auch daran orientieren, durch klare bereichsspezifische Maßstabsbildung Planungssicherheit zu schaffen. Dies bezieht sich naturgemäß eher auf die Konkretisierung der inhaltlichen Grenzen arbeitsvertraglicher Klauseln, während etwa die Einstufung einer Klausel als überraschend oder intransparent regelmäßig so stark von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen wird, dass sich übergreifende Aussagen nur auf einer abstrakten Ebene bilden lassen. Die Festlegung von Richtwerten bei Arbeit auf Abruf1 und bei Widerrufsvorbehalten2 ist daher zu begrüßen, während das Absehen von der Fixierung einer (vergleichsweise niedrigen) Obergrenze bei Vertragsstrafen3 der Rechtssicherheit abträglich, angesichts der Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen aber praktisch unvermeidbar ist. V. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 1. Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung der 103 Vorschriften über die AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Aus dieser Regelung ergibt sich im Umkehrschluss, dass die arbeitsrechtlichen Besonderheiten nur dann eine Rolle spielen sollen, wenn es um die Kontrolle von Arbeitsverträgen geht. Auch wenn § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB in der Rechtsprechung nicht die Bedeutung erlangt hat, die man ihr ursprünglich teilweise zugeschrieben hatte (siehe oben Rz. 62 ff.), zwingt die Vorschrift doch zu einer Abgrenzung derjenigen Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei denen diese Besonderheiten in Rechnung zu stellen sind, von allen übrigen Verträgen, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Entsprechendes gilt für die durch § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB angeordnete – wenn auch gedanklich verfehlte – Nichtanwendung von § 305 Abs. 2 und 3 BGB (dazu § 310 Rz. 63 ff.), die nur für Arbeitsverträge vorgeschrieben ist.

1 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 2 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87 im Anschluss an BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465. 3 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – AP BGB § 307 Nr. 39.

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104 Vom Begriff des Arbeitsvertrags i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB werden zunächst alle ursprünglichen vorformulierten Arbeitsverträge erfasst. Darüber hinaus ohne weiteres einbezogen sind auch formularmäßige Änderungsverträge.1 Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die nachträgliche erstmalige Einbeziehung von AGB in einen bereits bestehenden Arbeitsvertrag oder die Änderung bereits vorhandener AGB während der Dauer des Arbeitsverhältnisses handelt. Dies entspricht der einhelligen Ansicht im allgemeinen AGB-Recht.2 Damit unterliegt insbesondere die nachträgliche befristete Änderung von Arbeitsbedingungen der AGB-Kontrolle.3 Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in diesen Fällen bereits in einem – häufig bestandsgeschützten – Arbeitsverhältnis befindet, ist für sich genommen kein Grund, von einer Klauselkontrolle abzusehen. Zwar kann von einer eingeschränkten Aufmerksamkeit des Arbeitnehmers nicht anders als beim ursprünglichen Abschluss des Arbeitsvertrags lediglich bei umfangreichen Vertragsänderungen ausgegangen werden. Dennoch lässt sich auch bei einer während eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses vorgenommenen Vertragsänderung nicht in Abrede stellen, dass der Arbeitgeber bei einer Vorformulierung die Vertragsgestaltungsmacht einseitig für sich in Anspruch nimmt und der Arbeitnehmer dem Ansinnen eines Änderungsvertrags trotz damit verbundener Nachteile bei Nebenkonditionen nicht widersprechen wird, weil er die Vertragsänderung als solche für vorteilhaft hält oder eine Belastung des Arbeitsverhältnisses vermeiden will.4 Sofern es um die nachträgliche Gewährung von Zusatzleistungen geht, ist bei der Angemessenheitskontrolle einschließlich der Transparenzkontrolle allerdings darauf zu achten, dass bei der Überprüfung von Detailaspekten der Leistungsgewährung nicht der grundsätzliche Charakter der Regelung als für den Arbeitnehmer vorteilhaft aus dem Blick gerät.5 Die Art und Weise des Zustandekommens des Änderungsvertrags ist unerheblich. 1 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 20); BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – AP BGB § 308 Nr. 8 (Rz. 48); DBD/ Däubler, Einl. Rz. 27; Däubler, FS Richardi (2007), S. 205 (216). 2 BGH 22.9.1983 – I ZR 40/81 – NJW 1984, 1112; Erman/Roloff, § 305 Rz. 42 f.; Staudinger/Schlosser, § 305 Rz. 172; UBH/Ulmer/Habersack, § 305 Rz. 164; eingehend Freund, Die Änderung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in bestehenden Verträgen (1998). 3 Siehe etwa BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40; BAG 18.1.2006 – 7 AZR 191/05 – AP BGB § 305 Nr. 8 = NZA 2007, 351; BAG 8.8.2007 – 7 AZR 855/06 – AP TzBfG § 14 Nr. 41 = NZA 2008, 229; BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – AP TzBfG § 14 Nr. 66 = NZA 2009, 1253. 4 In diesem Sinne bereits M. Wolf, RdA 1988, 270 (272). 5 Maties, DB 2005, 2689 (2692).

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Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich

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Daher wird auch eine spätere Gesamtzusage von der AGB-Kontrolle erfasst.1 Das ist selbst dann anzunehmen, wenn die Gesamtzusage auf der Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung beruht, weil der Ausschluss von Kollektivverträgen aus der Klauselkontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB dann nicht mehr greift.2 Weiter erstreckt sich die AGB-Kontrolle auf Regelungen, die aus einer 105 betrieblichen Übung hervorgegangen sind (siehe hierzu auch § 305 Rz. 17).3 Dies gilt in jedem Fall, wenn man die betriebliche Übung mit der Rechtsprechung als einen Sonderfall der Vertragsänderung ansieht,4 ist aber genauso anzunehmen, wenn man diese Rechtsfigur mit großen Teilen des Schrifttums als eine Haftung aus der zurechenbaren Setzung eines Vertrauenstatbestandes begreift.5 Auch wenn es bei einer vertrauenstheoretischen Begründung der betrieblichen Übung definitionsgemäß an einer einseitigen Ausübung gerade von Vertragsgestaltungsmacht fehlt, handelt es sich doch um die einseitige Gestaltung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, wodurch zumindest eine analoge Anwendung der §§ 305 ff. BGB gerechtfertigt ist,6 auch wenn man in diesem Zusammenhang nicht mit dem Umgehungsverbot des § 306a BGB argumentieren sollte. Die Qualifizierung einer betrieblichen Übung als AGB scheitert auch nicht am Merkmal des Stellens i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB,7 weil es insoweit genügt, dass die vorformulierte Bedingung dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann.8 Erst recht spielt die mangelnde schriftliche Fixierung keine Rolle,9 weil nach allgemeinen Grundsätzen des AGB-Rechts selbst „im Kopf gespeicherte Konditionen“, die planmäßig in – gegebenenfalls konkludente – mündli1 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 149; Soiné, ZTR 2006, 465 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 171. 2 DBD/Däubler, Einl. Rz. 27b. 3 BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – AP BGB § 307 Nr. 36 = NZA 2009, 49; BAG 5.8.2009 – 10 AZR 483/08 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = NZA 2009, 1105; Soiné, ZTR 2006, 465 f.; Ulrici, BB 2005, 1902 (1903). 4 Siehe nur BAG 17.11.2009 – 9 AZR 765/08 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 m.w.N. 5 Z.B. Hromadka, NZA 1984, 241 (244); Zöllner, FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1519 ff. 6 Gegen eine Anwendung des AGB-Rechts aber (aus eher begrifflichen Gründen) UBH/Fuchs, § 310 Rz. 150. 7 So aber Staudinger/Coester, § 310 Rz. 92. 8 Ganz h.M.: BGH 30.6.1994 – VII ZR 116/93 – BGHZ 126, 326 (332) = NJW 1994, 2825 (2826); MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 20; Erman/Roloff, § 305 Rz. 12; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 27. 9 HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 7; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 22.

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che Abreden einfließen, als kontrollfähig angesehen werden.1 Praktische Bedeutung hat die Einordnung des Ergebnisses einer betrieblichen Übung als kontrollfähige Vertragsbedingung freilich nur in den Ausnahmefällen, in denen eine die Arbeitnehmer begünstigende betriebliche Übung mit nachteiligen Nebenbedingungen verknüpft ist oder eine betriebliche Übung den Arbeitnehmern zusätzliche Pflichten auferlegt (dazu auch § 305 Rz. 17 a.E.).2 106 Von der Einordnung der Bedingungen einer betrieblichen Übung als AGB zu unterscheiden ist die Frage, ob die Existenz einer „negativen betrieblichen Übung“ mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Rechtsfigur gegen das AGB-Recht verstößt.3 Eine solche Argumentation kann jedenfalls dann nicht überzeugen, wenn man den Erklärungsgehalt der widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer auf eine gesetzlich aus § 242 BGB und damit nicht aus einer vertraglichen Bestimmung abzuleitende Offenbarungsobliegenheit stützt, weil sich das AGB-Recht nur gegen vertragliche Konditionen wendet, nicht aber gegen richterliche Rechtssätze.4 Dementsprechend hat es der BGH abgelehnt, diejenigen individuellen Willenserklärungen am AGB-Recht zu messen, die den Vertrag nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre überhaupt erst zustande bringen.5 In diesem Sinne hat auch das BAG die Erklärung des Arbeitgebers, mit der er ein Änderungsangebot des Arbeitnehmers angenommen hat, ebenfalls nicht als Vertragsbedingung eingestuft.6 Zu einem AGB-rechtlichen Kontrollproblem wird die „negative betriebliche Übung“, bei der es sich in der Sache um einen konkludent geschlossenen Änderungsvertrag handelt, erst dann, wenn der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klausel versucht, den Erklärungsgehalt der widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer über das Maß hinaus auszudehnen, das sich aus Treu und Glauben ergibt.7 1 BGH 30.9.1987 – IVa ZR 6/86 – NJW 1988, 410; BGH 10.3.1999 – VIII ZR 204/98 – BGHZ 141, 108 (109 f.) = NJW 1999, 2180 (2181); BGH 19.5.2005 – III ZR 437/04 – NJW 2005, 2543 (2544); MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 13; Staudinger/Schlosser, § 305 Rz. 22; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 119. 2 DBD/Däubler, Einl. Rz. 27a. 3 So BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 83 = NZA 2009, 601 (Rz. 17 ff.): Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB. 4 Bieder, DB 2009, 1929 (1930 f.). 5 BGH 7.11.2001 – VIII ZR 13/01 – BGHZ 149, 129 (136 ff.) = NJW 2002, 363 (365). 6 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 271/07 – AP BGB § 305 Nr. 13 (Rz. 28). 7 Zur Kontrollfähigkeit von Vertragsabschlussklauseln WLP/Dammann, Klauseln, Rz. V 251 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 110.

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Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich

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Ferner ist in der Literatur teilweise davon die Rede, dass die AGB-Kon- 107 trolle auch dann eingreifen soll, wenn der Arbeitgeber nachträglich einseitig eine Ordnung (etwa im Bereich der betrieblichen Altersversorgung) erlässt.1 Dies ist freilich insofern ungenau, als es eine allgemeine Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag abzuändern ebenso wenig wie im allgemeinen Zivilrecht2 gibt, auch wenn es sich lediglich um Nebenbedingungen handelt. Vielmehr kann es zu einer nachträglichen Einbeziehung oder Änderung von AGB nur dann kommen, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine entsprechende Vertragsänderung geeinigt haben oder wenn sich der Arbeitgeber hierfür auf eine vorab konsentierte Änderungsklausel stützen kann, die freilich ihrerseits wirksam sein muss, um die (neuen) AGB in den Arbeitsvertrag zu implementieren. An einer solchen Wirksamkeit fehlt es bei allen vorformulierten Regelungen, die den Verwender umfassend zu einer einseitigen Anpassung von AGB berechtigen sollen. Dies betrifft – nicht anders als im allgemeinen Zivilrecht3 – solche Bestimmungen, nach denen die AGB in ihrer jeweiligen (vom Verwender einseitig festgelegten) Fassung gelten sollen (Jeweiligkeitsklausel).4 Derartige Regelungen scheitern als unangemessene Benachteiligung an § 308 Nr. 4 BGB, jedenfalls aber an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.5 Dasselbe gilt erst recht für solche Bestimmungen, die dem Verwender unmittelbar die uneingeschränkte einseitige Befugnis zur Änderung der AGB einräumen.6 Erst wenn diese Hürde überwunden ist, die funktional eine Einbeziehungskontrolle darstellt, sind die neuen Konditionen als solche einer arbeitsrechtlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Besteht eine arbeitsvertragliche Regelung aus einer Rahmenvereinbarung und einer Ausfüllungsvereinbarung, wie es bei Zielvereinbarungen regelmäßig der Fall ist,7 handelt es sich bei beiden Elementen um einen Arbeitsvertrag i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Allerdings greift die 1 2 3 4

DBD/Däubler, Einl. Rz. 27; Schaub, GS Blomeyer (2003), S. 335 (339). Vgl. Staudinger/Schlosser, § 305 Rz. 172 m.w.N. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 288; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 165. BAG 11.2.2009 – 10 AZR 228/08 – NZA 2009, 428; ferner BAG 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57. 5 Preis, NZA 2010, 361 (362 f.). 6 BGH 17.3.1999 – IV ZR 218/97 – BGHZ 141, 153 (154 f.) = NJW 1999, 1865 f.; BGH 11.10.2007 – III ZR 63/07 – NJW-RR 2008, 134; Erman/Roloff, § 305 Rz. 43; Staudinger/Schlosser, § 305 Rz. 173; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 288; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 165. 7 MünchArbR/Krause, § 57 Rz. 39 m.w.N.

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AGB-Kontrolle bei der eigentlichen Zielvereinbarung nur ein, wenn sie ausnahmsweise vom Arbeitgeber standardisiert und nicht einzeln ausgehandelt worden ist. Aufgrund des Sinnzusammenhanges ist die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle auch auf Vorverträge auszudehnen, die auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtet sind.1 109 Eine AGB-Kontrolle nach arbeitsrechtlichen Maßstäben ist schließlich auch dann durchzuführen, wenn der vorformulierte Vertrag nicht mit dem Vertragsarbeitgeber, sondern im Rahmen eines Konzerns mit der Konzernmutter besteht, wie es bei konzernweiten Zusatzleistungen (Aktienoptionen, Personalrabatten) der Fall sein kann.2 Da es zuweilen vom Zufall abhängt, wer als konkreter Vertragspartner zusätzlicher Leistungen auftritt, würden unterschiedliche Kontrollmaßstäbe nicht einleuchten, auch wenn etwaige Divergenzen zwischen „allgemeinem“ und „arbeitsrechtlichem“ AGB-Recht als Folge der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten in diesen Konstellationen wohl eher theoretischer Natur sein dürften. 110 Eine Besonderheit stellen Aufhebungsverträge dar. Der überwiegende Teil des Schrifttums ordnet sie als Arbeitsverträge i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ein,3 während andere Stimmen dies ablehnen.4 Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich geäußert. Sie hat zwar einzelne Klauseln in Aufhebungsverträgen als AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB qualifiziert5 bzw. eine Einordnung als AGB nicht von vornherein ausgeschlossen,6 musste zur Frage der nur bei Arbeitsverträgen vorgesehenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten aber keine Stellung beziehen. Eine unbefangene Wortlautinterpretation lässt zwar auf den ersten Blick daran zweifeln, den Aufhebungsvertrag noch als Arbeitsvertrag einzustufen. Schon der systematische Zusammenhang mit § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB deutet indes darauf hin, dass der Begriff des Arbeitsvertrags nicht in einem tech1 Vgl. BAG 27.7.2005 – 7 AZR 488/04 – AP BGB § 308 Nr. 2 = NZA 2006, 539 (aber ohne Stellungnahme zur Frage, ob „allgemeines“ oder „arbeitsrechtliches“ AGBRecht anwendbar ist). Siehe auch BAG 31.7.2002 – 7 AZR 181/01 – AP TzBfG § 12 Nr. 1; BAG 16.4.2003 – 7 AZR 187/02 – AP BeschFG 1996 § 4 Nr. 1 = NZA 2004, 40. 2 DBD/Däubler, Einl. Rz. 27b. 3 Bauer, NZA 2002, 169 (172); DBD/Däubler, Einl. Rz. 27; Henssler, RdA 2002, 129 (139). 4 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 64; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 (44). 5 BAG 8.5.2008 – 6 AZR 517/07 – AP BGB Aufhebungsvertrag § 620 Nr. 40 = NZA 2008, 1148. 6 BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597.

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nischen Sinne gemeint ist, sondern Individualverträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts umfassen soll.1 Zudem wäre es ungereimt, wenn man auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge das allgemeine AGB-Recht ungefiltert anwenden würde, auf arbeitsrechtliche Änderungsverträge, die im Einzelfall vergleichbare Nebenbedingungen enthalten können, aber nur unter Einbeziehung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Auf einer begrifflich-systematischen Ebene sind Aufhebungsverträge als actus contrarius zum ursprünglichen Arbeitsvertrag daher ebenfalls in den Anwendungsbereich von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB zu ziehen. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob die ratio der AGB-Kontrolle es 111 gebietet oder doch zumindest nahelegt, bei der Inhaltskontrolle großzügiger zu verfahren. Ein Teil der Literatur argumentiert genau in diese Richtung. So wird angeführt, dass die AGB-Kontrolle ihre innere Rechtfertigung in einem strukturellen Ungleichgewicht beim Aushandeln des Vertrags finden solle, ein solches Ungleichgewicht beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags aber gerade nicht vorliege.2 Diese Sichtweise kann sich auf die Rechtsprechung des BAG stützen, das eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers beim Abschluss von Aufhebungsverträgen mehrfach verneint3 und dafür im Schrifttum verbreitet Zustimmung geerntet hat.4 Zweifelsfrei ist eine solche pauschale Einschätzung der realen Verhältnisse indes nicht, weil es auch im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen zu Drucksituationen kommen kann, indem etwa die Drohung mit einer Kündigung, deren Rechtmäßigkeit der Arbeitnehmer nicht einschätzen kann, im Raum steht oder auf sonstige Weise ein einschüchterndes „Vorfeldszenario“5 geschaffen wird,6 dem sich der Arbeitnehmer nicht entziehen kann.7 Wenn dem Arbeitnehmer als Ausweg aus einer solchen Lage angeboten wird, eine vorformulierte Erklärung zu unterschreiben, wird er diese 1 Birnbaum, NZA 2003, 944 (949). 2 Bauer, NZA 2002, 169 (172); Lingemann, NZA 2002, 181 (185). 3 BAG 30.9.1993 – 2 AZR 268/93 – AP BGB § 123 Nr. 37 = NZA 1994, 209; BAG 14.2.1996 – 2 AZR 234/95 – NZA 1996, 811. 4 In diesem Sinne Bauer, NJW 1994, 980 (981); Bengelsdorf, ZfA 1995, 229 (255 ff.); Ehrich, NZA 1994, 438 (440); Wisskirchen/Worzalla, DB 1994, 577 (580 f.). 5 Hümmerich, NZA 2004, 809 (810). 6 Dieterich, RdA 1995, 129 (135); Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen (2007), S. 97 ff.; Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle (2008); Reinecke, FS Küttner (2006), S. 327 (329). 7 Zur Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen vgl. LAG Hamm 23.5.2001 – 14 Sa 497/01 – MDR 2001, 1361; BAG 23.6.2009 – 2 AZR 606/08 – AP GewO § 106 Nr. 3 = NZA 2009, 1011.

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Chance nicht selten nutzen, ohne sich nähere Gedanken um die Zusatzbedingungen zu machen, die mit der Vertragsaufhebung verbunden sind. In einem solchen Fall liegt damit gerade die einseitige Ausnutzung von Vertragsgestaltungsmacht durch den Arbeitgeber vor, gegen die das AGB-Recht Schutzvorkehrungen schafft. Sicherlich wird bei weitem nicht jeder Aufhebungsvertrag unter den geschilderten Rahmenbedingungen abgeschlossen. Rein statistisch wird es sich vermutlich sogar um Ausnahmefälle handeln. Wenn die Konditionen eines Aufhebungsvertrags nicht im Einzelnen ausgehandelt, sondern vom Arbeitgeber vorgegeben werden, greift es aber zu kurz, auf die schlichte Möglichkeit des Arbeitnehmers zu verweisen, dem Ansinnen des Arbeitgebers ein schlichtes „Nein“ entgegenzusetzen und damit die AGB-Kontrolle mehr oder weniger vollständig – also auch jenseits der gemäß § 307 Abs. 3 BGB ohnehin kontrollfreien Hauptbedingungen – torpedieren zu wollen. Vielmehr muss man bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen dem Arbeitnehmer nicht anders als dem Käufer einer Ware, der erst recht vom Vertragsschluss zumeist ohne weiteres Abstand nehmen kann, die Möglichkeit zubilligen, sich auf die Kernbedingungen des Aufhebungsvertrags zu konzentrieren und im Hinblick auf die Nebenbedingungen darauf zu vertrauen, dass sie inhaltlich angemessen sind oder anderenfalls von der Rechtsordnung nicht toleriert werden.1 Gestützt wird dies alles nicht zuletzt durch die Sichtweise des BVerfG, nach der die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers nicht nur bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch während des Arbeitsverhältnisses besteht.2 112 Auf nichtarbeitsrechtliche Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden die §§ 305 ff. BGB uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten Anwendung. Dies gilt zum einen für Verträge, die völlig losgelöst vom Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden sind, zum anderen aber auch für Verträge, die nur deshalb zu Stande gekommen sind bzw. besondere Bedingungen aufweisen, weil sich die Parteien zugleich in einem Arbeitsverhältnis befinden. Hierunter fallen etwa Verträge über Werkdienstwohnungen, Kaufverträge mit besonderen Personalrabatten oder Arbeitnehmerdarlehen zu einem besonders günstigen Zins. Die Anwendbarkeit des allgemeinen AGB-Recht auf alle diese Verträge entsprach schon früher der ganz herrschenden Meinung, weil es insoweit stets an einschlägigen arbeitsrecht1 Im Erg. ebenso ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz. 15; Reinecke, FS Küttner (2006), S. 327 (333); WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 84 f. 2 BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85.

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lichen Schutzmechanismen fehlte, mit deren Existenz seinerzeit die Bereichsausnahme begründet worden war.1 Daran hat sich durch die Einbeziehung von Arbeitsverträgen in die AGB-Kontrolle nichts geändert.2 Demgegenüber gestalten Abreden über die Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung die Gegenleistung des Arbeitgebers aus und zählen daher noch zu den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Dasselbe ist für einen Vertrag über die Konditionen der Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland anzunehmen. 2. Sonstige Verträge Die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle gilt als Folge der Generalverwei- 113 sung in § 10 Abs. 2 BBiG auch für Berufsausbildungsverhältnisse,3 ferner für die Vertragsverhältnisse i.S.v. § 26 BBiG (Volontariate, Praktikantenverhältnisse).4 Dagegen waren die Regelungen des AGBG seit jeher auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar, weil sie von der Bereichsausnahme des früheren § 23 Abs. 1 AGBG nicht erfasst wurden.5 Hieran hat sich durch die Reform nichts geändert, so dass bei formularmäßigen Verträgen mit arbeitnehmerähnlichen Personen auf der einen Seite zwar die § 305 Abs. 2 und 3 BGB gelten, auf der anderen Seite aber die Besonderheiten des Arbeitsrecht nicht zum Tragen kommen6 und im Übrigen 1 BAG 26.5.1993 – 5 AZR 219/92 – AP AGBG § 23 Nr. 3 = NZA 1993, 1029 (Kauf eines Jahreswagens); BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – AP BGB § 781 Nr. 7 = NZA 2005, 682 (Schuldversprechen); LAG Saarland 29.4.1987 – 1 Sa 91/86 – NZA 1988, 164 (Arbeitgeberdarlehen); tendenziell bereits BAG 23.9.1992 – 5 AZR 569/91 – AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 1 = NZA 1993, 936 (Arbeitnehmerdarlehen); ferner BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB Sachbezüge § 611 Nr. 15 = NZA 2004, 484; abweichend aber Nicolai, ZIP 1995, 359 ff. 2 DBD/Däubler, Einl. Rz. 37 ff.; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen (2007), S. 100 ff.; Lingemann, NZA 2002, 181 (184); Erman/Roloff, § 310 Rz. 36; WLP/Stoffels, ArbR Rz. 26; einschränkend Staudinger/Coester, § 310 Rz. 91. 3 DBD/Däubler, Einl. Rz. 29; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 43. 4 DBD/Däubler, Einl. Rz. 29. Dazu auch BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – AP BGB § 310 Nr. 12 = NZA 2008, 1004. 5 OLG Nürnberg 29.1.1986 – 4 U 3370/85 – NJW-RR 1986, 782; LAG Hamm 15.5.1998 – 10 Sa 1465/97 – NZA-RR 1999, 405; OLG Düsseldorf 11.6.1999 – 16 U 148/98 – OLGR Düsseldorf 1999, 468; Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (454 f.); offen gelassen in BGH 18.2.1982 – I ZR 81/80 – AP AGB-Gesetz § 23 Nr. 1; BGH 22.9.1983 – I ZR 40/81 – NJW 1984, 1112. 6 Staudinger/Coester, § 310 Rz. 90; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 10; UBH/ Fuchs, § 310 Rz. 147; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 56. Allerdings spricht einiges dafür, dass rigorose Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB mit Rück-

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Einführung

mangels Verbrauchereigenschaft auch nicht die für Verbraucherverträge vorgesehenen Sonderregeln des § 310 Abs. 3 BGB anwendbar sind.1 114 Mit der Ausklammerung arbeitnehmerähnlicher Personen ist auch die grundsätzliche Unanwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Klauselkontrolle auf Organmitglieder vorgezeichnet. Zwar fallen Anstellungsverträge nicht von vornherein vollständig aus der AGB-Kontrolle heraus, weil diese Verträge nicht von der gesellschaftsrechtlichen Bereichsausnahme des § 310 Abs. 3 Satz 1 BGB erfasst werden.2 Nach einhelliger Ansicht bezieht sich die Bereichsausnahme nämlich nur auf die Organisationsverfassung der Gesellschaft sowie auf die mitgliedschaftlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, nicht aber auf rein schuldrechtliche Austauschverträge.3 Da Organmitglieder ihre Tätigkeit aber regelmäßig nicht im Rahmen von Arbeitsverträgen, sondern von freien Dienstverträgen leisten, greift § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht ein.4 Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift5 besteht ebenfalls kein Anlass.6 Anders ist dies vor allem in den Fällen, in denen der Beschäftigte auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit der Konzernspitze Organmitglied bei einer abhängigen Konzerngesellschaft ist7 oder der Anstellungsvertrag mit einer GmbH & Co. KG besteht und der Beschäftigte als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH fungiert.8 Daneben kann der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers mit der GmbH jedenfalls nach Auffassung des BAG ausnahmsweise als Arbeits-

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sicht auf das Vollstreckungsverbot bei Dienstleistungen gemäß § 888 Abs. 3 ZPO teleologisch zu reduzieren, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (zur Situation bei Arbeitsverträgen siehe § 309 Rz. 79 ff.). Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 44. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2338); Oetker, FS Buchner (2009), S. 691 (693 f.); Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), S. 391 (395). Erman/Roloff, § 310 Rz. 28; UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 122. Hümmerich, NZA 2006, 709 (712); Erman/Roloff, § 310 Rz. 36; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), S. 391 (406); ebenso generell Staudinger/Coester, § 310 Rz. 90. Erwogen von Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2338). Oetker, FS Buchner (2009), S. 691 (702). Freilich spricht erneut einiges dafür, das strikte Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen teleologisch zu reduzieren; ebenso Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2344); ausdrücklich a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709 (712). Vgl. BAG 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06 – AP KSchG 1969 § 14 Nr. 11 = NZA 2008, 168. BAG 14.4.1982 – 2 AZR 1101/79 – AP KSchG 1979 § 14 Nr. 1.

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Zeitlicher Anwendungsbereich

Einführung

vertrag zu qualifizieren sein.1 Außerhalb dieser Konstellationen ist dagegen das allgemeine AGB-Recht zumindest dann heranzuziehen, wenn die Anstellungsbedingungen nicht einzeln ausgehandelt, sondern mit dem Ziel der mehrfachen Verwendung2 formuliert sind, was freilich nur ganz ausnahmsweise der Fall sein wird.3 VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und damit die Ausdehnung der 115 AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ist am 1.1.2002 in Kraft getreten. Damit sind die §§ 305 ff. BGB auf alle seit dem 1.1.2002 begründeten Arbeitsverträge (Neuverträge) anwendbar. Da es um eine Vertragskontrolle geht, kommt es für die Qualifikation eines Arbeitsvertrags als Neuvertrag auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme an, nicht aber auf den Zeitpunkt der vereinbarten oder der tatsächlichen Arbeitsaufnahme.4 Wird der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2001 vollständig neu gefasst, handelt es sich insgesamt um einen Neuvertrag.5 Im Übrigen kommt es für die Eigenschaft als Neuvertrag grundsätzlich auf die jeweilige Klausel an. Eine Nebenabrede ist daher nach neuem Recht zu beurteilen, wenn sie nach dem 31.12.2001 in einen bereits bestehenden Arbeitsvertrag erstmals eingefügt worden ist.6 Dem wird man die inhaltliche Änderung einer Klausel gleichzustellen haben. Dagegen überzeugt es nicht, wenn das BAG7 einen Vertrag schon deshalb pauschal als Neuvertrag qualifizieren will, weil anlässlich einer 1 BAG 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 – AP GmbHG § 35 Nr. 10 = NZA 1999, 987; siehe auch EuGH 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143. 2 Zum Zusatzproblem der Verbrauchereigenschaft von Organmitgliedern, bei deren Bejahung der Wille zur einmaligen Verwendung grundsätzlich genügen würde vgl. Hümmerich, NZA 2006, 709 (710 ff.); Oetker, FS Buchner (2009), S. 691 (696 ff.); Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), S. 391 (396 f.). 3 Oetker, FS Buchner (2009), S. 691 (700 ff.). Eine AGB-Kontrolle des Dienstvertrags des Vorstandsmitglieds einer AG nicht von vornherein verwerfend auch BGH 29.5.1989 – II ZR 200/88 – NJW 1989, 2683 (2684 f.) Siehe ferner Grobys, DStR 2002, 1002 (1004 f.), der Organmitglieder generell als Unternehmer einstufen und daher § 310 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommen lassen will. 4 Armbrüster/Wiese, DStR 2003, 334 (336); Däubler, NZA 2001, 1329 (1330); Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225; generell ebenso Heß, NJW 2002, 253 (255). 5 So der Fall in BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 20). 6 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – AP BGB § 308 Nr. 8 (Rz. 48). 7 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 (Rz. 49).

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Einführung

Vertragsänderung zusätzlich die floskelhafte Vereinbarung getroffen wurde, dass alle anderen Konditionen unberührt bleiben sollen (dazu näher noch Rz. 120 ff.).1 Eine Übergangsfrist hat der Gesetzgeber für Neuverträge nicht vorgesehen. Für einen Vertrauensschutz in dem Sinne, dass der Arbeitgeber bis zur ersten einschlägigen Entscheidung des BAG, in der es eine bislang akzeptierte Klausel auf der Grundlage der neuen Gesetzeslage verwirft oder aber eine Rechtsprechungsänderung zumindest ankündigt, auf die ältere Judikatur vertrauen darf,2 besteht kein Anlass. Man kann den aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. aus den einschlägigen Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht so weit ausdehnen, dass der Gesetzgeber daran gehindert wird, ein von ihm als unbefriedigend empfundenes Richterrecht3 für die Zukunft zu ändern. 116 Für vor dem 1.1.2002 entstandene Schuldverhältnisse gilt gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB an sich die allgemeine intertemporale Grundregel, dass Rechtsverhältnisse nur dem im Zeitpunkt ihrer Entstehung gültigen Recht unterfallen, um das Vertrauen der Parteien auf ein bestimmtes Sachrecht im Zeitpunkt der Begründung des Rechtsverhältnisses zu schützen und eine Entziehung von bereits erworbenen Vertragsrechten durch schlichte Gesetzesänderung zu verhindern.4 Für Dauerschuldverhältnisse und damit auch für Arbeitsverträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen worden sind (Altverträge), ist die diese Grundregel nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB jedoch dahin modifiziert worden, dass ab dem 1.1.2003 auf diese Schuldverhältnisse nur noch das neue Recht angewendet werden soll. Damit wird zunächst zum Ausdruck gebracht, dass es zu einem Wechsel des anwendbaren Sachrechts auf solche Altverträge kommen soll, bei denen es sich um Dauerschuldverhältnisse handelt. Der Gesetzgeber rechtfertigt das zum einen damit, dass es bei den neuen Bestimmungen lediglich um eine Fortentwicklung des bisherigen Rechts ohne Wertungsbrüche gehe.5 Diese pauschale Einschätzung muss allerdings im Hinblick auf die Erstreckung des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf Arbeitsverträge erheblich eingeschränkt werden, weil es neben Kontinuitäten (etwa bei den Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Klauseln über die Rückzahlung von

1 Abl. auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307 (2308); Stoffels, ZfA 2009, 861 (894). 2 So tendenziell Stoffels, ZfA 2009, 861 (894). 3 Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 4 Vgl. BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597. 5 BT-Drucks. 14/6040, S. 273.

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Zeitlicher Anwendungsbereich

Einführung

Ausbildungskosten) auch verschiedene – angesichts der vorhandenen Rechtsprechung des BGH von vornherein absehbare – Verschärfungen (etwa hinsichtlich der formellen Anforderungen bei Widerrufsvorbehalten und bei der Frage nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion) gegeben hat.1 Tragfähiger ist deshalb der zweite angegebene Grund, die Anwendung 117 doppelten Rechts zu verhindern,2 zu der es ohne einen klaren Schnitt bei Dauerschuldverhältnissen auf Jahre hinaus gekommen wäre. Eine solche doppelte Rechtsordnung würde insbesondere bei Arbeitsverhältnissen zu erheblichen Unzuträglichkeiten führen, weil dann selbst innerhalb desselben Betriebs auf die Arbeitsverträge je nach Einstellungsdatum dauerhaft unterschiedliches Recht zur Anwendung kommen würde. Die im Schrifttum anfänglich vorgeschlagene teleologische Reduktion von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB,3 die Arbeitsverträge offenbar vollständig von der Änderung des anwendbaren Sachrechts ausklammern wollte, schießt deshalb deutlich über das Ziel hinaus, zumal der erforderliche Vertrauensschutz auch durch eine Rechtsfolgenkorrektur bewerkstelligt werden kann (dazu sogleich Rz. 120 ff. sowie § 306 Rz. 67 f.).4 Soweit es bei einem Arbeitsvertrag zu einem Wechsel auf neues Sachrecht kommt, ist dieses Recht ungeteilt anzuwenden. Man kann bei der Klauselkontrolle also nicht etwa einzelne möglicherweise als besonders belastend empfundene Anforderungen des neuen Rechts (vorübergehend) beiseite schieben.5 Den Umstellungszeitpunkt hat der Gesetzgeber bei Dauerschuldverhältnissen auf den 1.1.2003 hinausgeschoben, um den Vertragsparteien mit der Übergangsfrist von einem Jahr die Möglichkeit einzuräumen, ihre bereits bestehende Vertragsbeziehung an die neue Rechtslage anzupassen.6 Die somit bei Arbeitsverhältnissen grundsätzlich gegebene Möglichkeit 118 eines Wechsels auf neues Sachrecht wirft zunächst die Frage nach der genauen Abgrenzung derjenigen Fälle auf, die noch dem alten Recht bzw. die schon dem neuen Recht unterfallen. Insoweit gilt zum einen, dass das alte Recht noch auf alle Dauerschuldverhältnisse anzuwenden

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Ebenso Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1234). BT-Drucks. 14/6040, S. 273. So Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (78). Stoffels, NZA 2005, 726 (727). Vgl. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (zu den formellen Anforderungen an Widerrufsvorbehalte). 6 BT-Drucks. 14/6040, S. 273.

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Einführung

ist, die vor dem 1.1.2003 beendet worden sind.1 Dabei kann es keine Rolle spielen, ob zwischen den Parteien noch einzelne Ansprüche aus dem Dauerschuldverhältnis streitig sind. Dies konnte insbesondere bei Streitigkeiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten eine Rolle spielen, bei denen in den Jahren 2002 und 2003 darauf abzustellen war, wann das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wurde, wenn und soweit dieser Tatbestand die Rückzahlungsverpflichtung auslösen sollte.2 Zum anderen bleibt es dann beim alten Recht, wenn das Dauerschuldverhältnis zwar (zumindest über den 31.12.2002 hinaus) fortbesteht, es aber um Ansprüche geht, die vor dem 1.1.2003 zu erfüllen waren.3 Demgegenüber handelt es sich bei allen im Jahr 2002 abgeschlossenen Änderungsverträgen und Aufhebungsverträgen um Neuverträge, auf die das neue Sachrecht von vornherein einschränkungslos anzuwenden ist.4 Dasselbe gilt für ein im Jahr 2002 vereinbartes negatives Schuldanerkenntnis, auch wenn es sich auf eine Forderung des Arbeitnehmers aus einem Altvertrag bezieht.5 In allen diesen Konstellationen geht es nicht lediglich um eine bloße Durchführung des bisherigen Arbeitsvertrags, sondern um ein neues Schuldverhältnis. Alle diese Fallgruppen dürften heutzutage indes keine Bedeutung mehr haben. 119 Die Umstellung auf neues Sachrecht bei Altverträgen am 1.1.2003 führt zu der weiteren Frage, welche Möglichkeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, Arbeitsbedingungen aus solchen Verträgen an die Anforderungen der neuen Rechtslage bzw. einer sich deshalb ändernden Rechtsprechung anzupassen, um einer Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln vorzubeugen. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass weder eine Anpassung kraft Gesetzes eintritt noch eine gesetzliche Befugnis des Arbeitgebers besteht, die notwendigen Änderungen einseitig herbei1 BAG 19.1.2010 – 3 AZR 191/08 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 2 = NZA 2011, 520. 2 Vgl. BAG 24.6.2004 – 6 AZR 383/03 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 34 = NZA 2004, 1035. 3 BGH 13.7.2007 – V ZR 189/06 – NJW-RR 2008, 172; BAG 19.1.2010 – 3 AZR 191/08 – AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 2 = NZA 2011, 520; zutr. daher wohl BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542, weil die Rückzahlungsverpflichtung bereits an die – noch in 2002 erklärte – Kündigung anknüpfte (abl. dagegen ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 20). 4 Zu Änderungsverträgen BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 20); zu Aufhebungsverträgen BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597 (unter B II 2a cc u. b). 5 BAG 23.2.2005 – 4 AZR 139/04 – AP TVG Tarifverträge Druckindustrie Nr. 42 = NZA 2005, 1193 (unter II 4b aa).

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zuführen. Ferner wäre auch eine entsprechende Änderungskündigung mangels eines betrieblichen Bedürfnisses für eine Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam.1 Dagegen könnte sich der Arbeitgeber zwar auf einen in einem Altvertrag vorsorglich vereinbarten Vorbehalt berufen, der ihn zu einer Anpassung der Vertragsbedingungen an eine neue Gesetzeslage berechtigen soll und der bei einer hinreichend klaren und inhaltlich begrenzten Konditionierung seinerseits wirksam wäre (vgl. dazu bereits Rz. 71). Solche Vorbehalte dürften in der Arbeitsvertragspraxis aber wohl nur theoretische Bedeutung haben, zumal die Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge auf der Ebene des Gesetzgebungsverfahrens keinen langen Vorlauf hatte und die Vertragsgestalter deshalb kaum Gelegenheit hatten, entsprechende Klauseln in die Arbeitsverträge aufzunehmen. Nach alledem steht dem Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis praktisch nur der Weg über die einvernehmliche Vertragsänderung offen,2 wobei er freilich auf ein entsprechendes Entgegenkommen des Arbeitnehmers angewiesen ist, weil ein regelrechter Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Zustimmung zur Vertragsänderung abzulehnen ist.3 Die eigentlich entscheidende Frage geht jedoch dahin, wie mit den Altverträgen im Einzelnen umzugehen ist, die mit dem 1.1.2003 der AGBrechtlichen Klauselkontrolle nach den §§ 305 ff. unterliegen. Unbestrittener Ausgangspunkt ist insoweit, dass die Anwendung des neuen Rechts dazu führen kann, einer nach früherem Recht wirksam vereinbarten Vertragsklausel nunmehr die Wirksamkeit zu versagen. Die darin liegende (unechte) Rückwirkung4 wirft das Problem auf, ob und unter

1 DBD/Däubler, Einl. Rz. 175; Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1235); Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 38; Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2229); obiter dictum auch BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 (Rz. 14). 2 Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2230). 3 Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2229 f.); grds. ebenso Armbrüster/Wiese, DStR 2003, 334 Fn. 9; a.A. (unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage) aber Singer, RdA 2006, 362 (373). 4 Vgl. Rolfs, FS Schwerdtner (2003), S. 151 (166); Stoffels, NZA 2005, 726; Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2226); ebenso für Altverträge nach Inkrafttreten des AGBG BGH 20.6.1984 – VIII ZR 337/82 – BGHZ 91, 375 = NJW 1984, 2404; nicht überzeugend für eine Einordnung als echte Rückwirkung BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B II 1); BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 (Rz. 13); Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236); Uffmann, Anm. zu BAG, AP BGB § 308 Nr. 9.

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welchen Voraussetzungen dem Arbeitgeber Vertrauensschutz zu gewähren ist.1 Dieses Problem lässt sich nicht einfach damit abtun, dass die Vertragsparteien generell nicht davon ausgehen dürften, die rechtliche Beurteilung einzelner Regelungen bleibe während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses unverändert,2 weil es nicht lediglich um eine Neubewertung durch die Rechtsprechung, sondern um eine gezielte Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen geht. Im Hinblick auf die Reichweite des dem Arbeitgeber zuzubilligenden Vertrauenschutzes haben sich im Wesentlichen zwei Ansichten herausgebildet: Der Senat des BAG3 wie auch Teile des Schrifttums4 wollen dem Arbeitgeber bei Altverträgen Vertrauensschutz einräumen, auch ohne dass dieser während der Übergangsfrist vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2002 versucht haben muss, die Arbeitsbedingungen an das neue Recht anzupassen. Dieser Vertrauensschutz sei bei den Rechtsfolgen anzusiedeln, wobei teilweise in erster Linie eine geltungserhaltende Reduktion vorgeschlagen wird,5 während die Rechtsprechung eine ergänzende Vertragsauslegung präferiert.6 Demgegenüber nehmen andere Senate des BAG7 wie auch Teile der Literatur8 an, dass sich der Arbeitgeber nur dann auf Vertrauensschutz berufen könne, wenn er in der Übergangsfrist dem Arbeitnehmer eine an den Vorgaben der neuen Rechtslage orientierte Umstellung der Nebenkonditionen angeboten habe. 1 Schlewing, JbArbR 47 (2010), 47 (64). 2 In diese Richtung aber BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – AP BGB § 307 Nr. 33 = NZA 2008, 293 (Rz. 28). 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796. 4 Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236); HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 14; Rolfs, FS Schwerdtner (2003), S. 151 (166 f.); Stoffels, NZA 2005, 726 (727 ff.); Uffmann, Anm. zu BAG, AP BGB § 308 Nr. 9. 5 HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 14; Rolfs, FS Schwerdtner (2003), S. 151 (167); Stoffels, NZA 2005, 726 (727 ff.). 6 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796. 7 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = NZA 2007, 809; tendenziell auch BAG 10.12.2008 – 10 AZR 3/08 – AP BGB § 307 Nr. 41; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428. 8 Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (70 f.); DBD/Däubler, Einl. Rz. 174 f.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 38 f.; Singer, RdA 2006, 362 (373); in diesem Sinne ferner Bieder, RdA 2011, 142 (153).

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Zeitlicher Anwendungsbereich

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Im Ausgangspunkt ist die erstgenannte Ansicht überzeugender. Solange 121 noch völlig unklar war, welche Schlussfolgerungen das BAG aus den neuen gesetzlichen Bestimmungen sowie insbesondere aus dem Gebot der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB) im Einzelnen ziehen würde, kann schwerlich von einer Anpassungsobliegenheit gesprochen werden, mag eine generelle Tendenz zur Verschärfung der Maßstäbe angesichts der bereits vorhandenen Judikatur des BGH auch absehbar gewesen sein. Insbesondere leuchtet es nicht ein, wenn Teile des BAG lange nach Ablauf der Übergangsfrist eine solche Anpassungsobliegenheit aufstellen, obgleich andere Teile des BAG1 noch im Jahr 2005 davon gesprochen haben, dass niemand mit dem Unwirksamwerden einer zuvor stets als wirksam akzeptierten Klausel rechnen konnte und musste.2 Die für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sprechende Präventionsfunktion passt bei Altverträgen nicht, bei denen der Verwender im Zeitpunkt der Vorformulierung der Klausel die von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen noch gar nicht erkennen konnte.3 Bedenklich muss weiter die Überlegung stimmen, dass die Gegenansicht dem Arbeitgeber zur Last legt, den Arbeitnehmern in der Übergangsfrist keine massenhaften Vertragsänderungen angeboten zu haben, obwohl dies zu einer erheblichen Verunsicherung in den Belegschaften geführt hätte.4 Ferner nimmt die Rechtsprechung auch bei Neuverträgen zumindest in bestimmten Fällen an, dass die ersatzlose Streichung einer unwirksamen Klausel nicht interessengerecht ist.5 Vor diesem Hintergrund kann bei Altverträgen nicht von vornherein strenger verfahren werden.6 Wenn darüber hinaus auch der BGH im ungenutzten Verstreichenlassen der Übergangsfrist offenbar keinen Grund sieht, bei einer Unwirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 308 Nr. 4 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung generell abzulehnen,7 besteht für eine abweichende Sichtweise im Arbeitsrecht kein Anlass. Schließlich sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bei dem in mancher Hinsicht vergleichbaren 1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B II 1). 2 Insoweit auch Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236). 3 Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1237); Hanau, FS Deutsch (2009), S. 1051 (1055). 4 BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 (Rz. 14). 5 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666. 6 Linck, FS Bauer (2010), S. 645 (658). 7 Vgl. BGH 13.4.2010 – XI ZR 197/09 – BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742.

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Übergang von der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB auf das AGBG Eingriffe in Altverträge nur insoweit befürwortet wurden, als ihr unveränderter Fortbestand „in unerträglichem Widerspruch“ zu grundlegenden Wertungen des ABGB stand.1 122 Die Lösung des Konflikts zwischen den Maßstäben des neuen Rechts und den Anforderungen des Vertrauensschutzes ist freilich nicht in einer geltungserhaltenden Reduktion zu suchen, die ohnehin nur für die Fälle in Betracht kommen würde, in denen die angemessene Benachteiligung in einem Übermaßverstoß besteht.2 Vielmehr ist von vornherein der Weg über die ergänzende Vertragsauslegung zu wählen, um zu einer an den Interessen beider Vertragsparteien orientierten Regelung zu gelangen und die inkriminierte Klausel nicht lediglich auf das gerade noch zulässige Maß zurückzufahren. Allerdings sollte es bei Altfällen keinen Automatismus geben. Stattdessen ist die konkrete Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers bei der Prüfung der Voraussetzungen, unter denen eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, in Rechnung zu stellen. So wäre Vertrauensschutz etwa zu versagen, wenn der ersatzlose Wegfall einer Klausel den Arbeitgeber nur geringfügig beeinträchtigen würde3 oder er spätere Änderungen einzelner arbeitsvertraglicher Konditionen nicht dazu genutzt hat, besonders bedenkliche Vertragsbestimmungen ebenfalls abzuändern. Dagegen geht es zu weit, wenn das BAG4 aus der anlässlich einer Vertragsänderung zusätzlich vereinbarten floskelhaften Klausel, dass alle anderen Konditionen unberührt bleiben sollen, pauschal den Schluss ziehen will, dass es sich nunmehr um einen reinen Neuvertrag handelt.5 Vielmehr setzt die Qualifikation einer Abrede als echter Neuvertrag voraus, dass die Vertragsbedingung selbst nach dem 31.12.2001 vereinbart worden ist oder doch zumindest in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit einer neuen Klausel steht.6 In allen anderen Fällen ist die Prüfung der Voraussetzungen, wann eine ergänzende Vertragsauslegung als Rechtsfolge vorzuziehen ist, das geschmeidigere Instrument, um mit Altfällen angemessen umzugehen.

1 Vgl. BGH 20.6.1984 – VIII ZR 337/82 – BGHZ 91, 375 = NJW 1984, 2404. 2 Treffend Stoffels, NZA 2005, 726 (728). 3 Ähnl. BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – AP BGB § 307 Nr. 33 = NZA 2008, 293. 4 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 (Rz. 49). 5 Abl. auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307 (2308); Stoffels, ZfA 2009, 861 (894). 6 Stoffels, ZfA 2009, 861 (894).

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Internationaler Anwendungsbereich

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VII. Internationaler Anwendungsbereich Die Vorschriften über die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle gehören zum 123 Arbeitsvertrags(abschluss)statut. Dies gilt sowohl für die Einbeziehungskontrolle1 als auch für die Inhaltskontrolle.2 Die Bestimmungen sind deshalb grundsätzlich dann anwendbar, wenn für den Arbeitsvertrag deutsches Arbeitsvertragsrecht gilt. Für den Bereich der Europäischen Union richtet sich dies (für nach dem 17.12.2009 geschlossene Arbeitsverträge)3 grundsätzlich nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Art. 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO sieht im Ausgangspunkt eine Rechtswahlfreiheit der Arbeitsvertragsparteien vor. Damit wird nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich zugleich darüber entschieden, welches Recht für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags oder von einer seiner Bestimmungen anzuwenden ist. Allerdings darf dem Arbeitnehmer durch eine solche Rechtswahl gemäß 124 Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO nicht der Schutz entzogen werden, der durch zwingende Vorschriften derjenigen Rechtsordnung gewährt wird, die ohne Rechtswahl objektiv anwendbar wäre.4 Die §§ 305 ff. BGB wollen zwar nur die ungerechtfertigte Abweichung von dispositivem Recht verhindern, gehören ihrerseits aber zum zwingenden Recht i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO. Entscheidend ist für den Fall einer Wahl ausländischen Arbeitsrechts daher, ob das Arbeitsverhältnis bei objektiver Anknüpfung deutschem Arbeitsvertragsrecht unterfallen würde. Dies bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO, wobei im Zentrum das in Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO verankerte Arbeitsortprinzip steht. Danach ist grundsätzlich entscheidend, in welchem Staat der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Sofern Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO zum Tragen kommt, besteht seine Wirkung in einer Korrektur der Rechtswahl nach dem Günstigkeitsprinzip.5 Im Grundsatz bleibt es in einem solchen Fall daher bei der Anwendung ausländischen Arbeitsrechts. Wenn die gewählte Rechtsordnung 1 Vgl. (allgemein zu AGB) inzident BGH 26.10.1993 – XI ZR 42/93 – BGHZ 123, 380 = NJW 1994, 262. 2 Näher MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rz. 145 ff. 3 Für ältere Arbeitsverträge gelten die (insoweit inhaltlich übereinstimmenden) Art. 27 ff. EGBGB. 4 Zur vergleichbaren Überlagerung von Art. 10 Abs. 1 durch Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO bei Verbraucherverträgen MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rz. 159. 5 MünchKommBGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rz. 110.

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eine bestimmte Arbeitsvertragsklausel (etwa eine Vertragsstrafe) bereits kraft zwingenden Rechts verbietet, hat es damit sein Bewenden. Ein AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB findet dann nicht mehr statt. Dasselbe gilt für den wenn auch wohl eher unwahrscheinlichen Fall, dass das zur Anwendung berufene ausländische Arbeitsrecht eine bestimmte Klausel zwar nicht durch zwingendes Recht untersagt, aber eine sonstige strengere Inhaltskontrolle gegenüber vorformulierten Arbeitsbedingungen als das deutsche Recht vorsieht. Würde die Klausel nach dem ausländischen Arbeitsrechts dagegen wirksam sein, ist eine Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB vorzunehmen. 125 Wenn auf das Arbeitsverhältnis auch objektiv ausländisches Recht zur Anwendung berufen ist, bleibt es dabei. Die Vorschriften über die arbeitsvertragliche Inhaltskontrolle sind keine Eingriffsnormen i.S.v. Art. 9 Rom I-VO. Zu den international zwingenden Normen zählen nur solche Vorschriften, deren Zweck sich nicht im Ausgleich widerstreitender privater Interessen erschöpft, sondern die zumindest auch öffentliche Interessen verfolgen.1 Obwohl den §§ 305 ff. BGB ein die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien überschreitender Schutzzweck entnommen werden kann (vgl. Rz. 37 ff.), steht der Interessenausgleich zwischen den Arbeitsvertragsparteien doch eindeutig im Vordergrund. Ein lediglich reflexartiger Schutz von Gemeinwohlinteressen genügt jedenfalls nicht.2 VIII. Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge 126 Die gesetzliche Regelung unterscheidet klar zwischen Einbeziehungskontrolle und Inhaltskontrolle. Während die Einbeziehungskontrolle über die Frage entscheidet, ob eine Bedingung überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist, betrifft die Inhaltskontrolle die Frage der inhaltlichen Wirksamkeit einer Bestimmung. Die Ausklammerung überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) zählt in jedem Fall zur Einbeziehungskontrolle. Dasselbe gilt an sich auch für die besonderen Voraussetzungen für die Einbeziehung von AGB in den Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 und 3 BGB, die nach der klaren gesetzlichen Entscheidung 1 BAG 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 – AP Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht Nr. 30 = NZA 1990, 841; BAG 3.5.1995 – 5 AZR 15/94 – AP Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht Nr. 32 = NZA 1995, 1191; BAG 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 – AP EGBGB n.F. Art. 30 Nr. 10 = NZA 2002, 734. 2 BAG 13.11.2007 – 9 AZR 134/07 – AP EGBGB n.F. Art. 27 Nr. 8 = NZA 2008, 761.

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Gesetzliche Systematik

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des § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB allerdings nicht anwendbar sind. Schließlich ist auch der durch § 305b BGB angeordnete Vorrang der Individualabrede noch zur Einbeziehungskontrolle zu rechnen,1 weil diese Regelung nicht nur den mutmaßlichen Parteiwillen nachzeichnet,2 sondern ein Geltungsproblem mit zwingender Wirkung regelt.3 Zur Inhaltskontrolle gehören dagegen eindeutig die §§ 307 bis 309 BGB. Jenseits der Dichotomie von Einbeziehungskontrolle und Inhaltskontrolle stehen schließlich die AGB-rechtlichen Auslegungsmaximen, nämlich die objektive „arbeitnehmerfeindliche“ Auslegung als Grundlage der Inhaltskontrolle sowie die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) bei wirksamen Klauseln. Bei der Durchführung der Klauselkontrolle hat die Einbeziehungskon- 127 trolle an sich Vorrang vor der Inhaltskontrolle. Die inhaltliche Angemessenheit einer Vertragsbedingung kann streng genommen erst überprüft werden, wenn diese Bedingung überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist.4 Dennoch ist angesichts der identischen rechtlichen Wirkung beider Kontrollarten nichts dagegen einzuwenden, wenn die gerichtliche Praxis aus prozessökonomischen Gründen die Frage der wirksamen Einbeziehung einer Klausel in den Vertrag entstehen lässt, sofern diese Klausel inhaltlich ohnehin als unwirksam zu qualifizieren ist.5 Innerhalb der Vorschriften über die Inhaltskontrolle herrscht grundsätz- 128 lich ein Spezialitätsverhältnis. So ist – in umgekehrter Gesetzesreihenfolge – zunächst § 309 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit),6 sodann § 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) und erst an letzter Stelle § 307 BGB als Auffangtatbestand zu prüfen.7 Sofern eine Klausel anhand von § 309 BGB oder § 308 BGB als unwirksam zu verwerfen ist, bedarf es keiner Prüfung am Maßstab des § 307 BGB mehr. Insbesondere kann § 307 BGB nicht dazu herangezogen 1 So ausdrücklich WLP/Lindacher, § 305b Rz. 3. 2 In diesem Sinne UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 7: Auslegungsregel. 3 MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 2; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 346; Zoller, JZ 1991, 850 (852 f.). 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 264. 5 BGH 24.11.1988 – III ZR 188/87 – BGHZ 106, 42 (44 f.) = NJW 1989, 222 (223); ebenso Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz (1986), S. 109 f.; von Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz (1991), Rz. 73; Staudinger/Schlosser, Vorbem zu §§ 305 ff. Rz. 20; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 264. 6 Genauer: Klauselverbote mit beschränkter Wertungsmöglichkeit. 7 Staudinger/Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 23; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 8.

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werden, aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung nunmehr zur Wirksamkeit der Klausel zu gelangen.1 Wird eine Klausel thematisch vom Katalog des § 309 BGB oder § 308 BGB erfasst, hält aber umgekehrt der Wirksamkeitskontrolle stand, ist sie zwar anhand des § 307 BGB noch einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle zu unterziehen.2 Allerdings dürfen die Wertungen der Verbotskataloge nicht unterlaufen werden.3 Vielmehr kann die Unwirksamkeit der Klausel nur auf solche Gründe gestützt werden, die in den Verbotskatalogen der § 309 BGB oder § 308 BGB noch keine abschließende Bewertung erfahren haben.4 Sofern eine Klausel auf ihre Wirksamkeit zu kontrollieren ist, die thematisch weder von § 309 BGB noch von § 308 BGB erfasst wird, ist von vornherein uneingeschränkt § 307 BGB heranzuziehen. 129 Im Hinblick auf das methodengerechte Vorgehen innerhalb von § 307 BGB herrscht im allgemeinen AGB-rechtlichen Schrifttum im Grundsatz Einigkeit darüber, dass Abs. 2 innerhalb seines Anwendungsbereichs den Vorrang vor Abs. 1 genießt.5 Weiter ist anerkannt, dass Klauseln, die den Filter des Abs. 2 passieren, nur im Hinblick auf sonstige Umstände gemäß Abs. 1 als unwirksam qualifiziert werden können.6 Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen sich die unangemessene Benachteiligung aus dem Zusammenwirken von für sich genommen noch haltbaren Klauseln ergibt. Im Übrigen ist das Verhältnis von Abs. 1 (Unvereinbarkeit mit einem gesetzlichen Leitbild) und Abs. 2 (vertragszweckgefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten) in der allgemeinen AGB-rechtlichen Literatur heftig umstritten. So werden die beiden Tatbestände des Abs. 2 teilweise als (widerlegbare) Unwirksamkeitsvermutungen eingeordnet.7 Andere Stimmen deuten sie dagegen als gesetzliche Regelbeispiele, deren Erfüllung 1 Staudinger/Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 23; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 8. 2 BGH 8.3.1984 – IX ZR 144/83 – BGHZ 90, 280 (283 f.) = NJW 1984, 1531 (1532); BGH 28.2.1985 – IX ZR 92/84 – NJW 1985, 2585 (2585); BGH 27.4.1988 – VIII ZR 84/87 – BGHZ 104, 232 (239) = NJW 1988, 2465 (2467); Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 2. 3 BGH 29.4.1987 – VIII ZR 251/86 – BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2012; BGH 4.12.1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739; Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 2. 4 Staudinger/Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 21; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 9. 5 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 227; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 3; Stoffels, AGBRecht, Rz. 496. 6 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 227. 7 So Erman/Roloff, § 307 Rz. 1.

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Gesetzliche Systematik

Einführung

grundsätzlich zur Unwirksamkeit der fraglichen Klausel führt, deren Regelwertung aber durch besondere Umstände mit der Folge entkräftet werden kann, dass nunmehr eine umfassende Interessenabwägung und abschließende Entscheidung nach Abs. 1 erforderlich ist.1 Eine im Vordringen befindliche Ansicht schließlich hält die Fälle des Abs. 2 mit einer dogmatisch überzeugenden Argumentation für in sich geschlossene Sondertatbestände, die innerhalb ihres Anwendungsbereichs einem Rückgriff auf Abs. 1 entgegenstehen.2 Innerhalb des Abs. 2 spricht das meiste für eine differenzierte Betrachtungsweise, nach der bei gesetzlich geregelten Vertragstypen Nr. 1 vorrangig ist, während bei atypischen Verträgen sowie im Falle der Aushöhlung von Kardinalpflichten Nr. 2 den Vorrang genießt.3 Das arbeitsrechtlich orientierte Schrifttum vollzieht die in der allgemeinen AGB-rechtlichen Literatur entwickelte Dogmatik im Allgemeinen nur in ihren Grundzügen nach.4 Für eine eigenständige arbeitsrechtliche Interpretation der grundsätzlichen Struktur der normativen Vorgaben besteht ohnehin kein Anlass. In der Entscheidungspraxis des BAG dominiert der Auffangtatbestand 130 des § 307 BGB, was insofern nicht verwunderlich ist, weil die Verbotskataloge der § 309 BGB und § 308 BGB im Arbeitsrecht großenteils gegenstandslos sind. Dabei greift das BAG vereinzelt durchaus auf § 307 Abs. 2 BGB zurück. So wurde § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als Kontrollmaßstab herangezogen, um aus § 615 Satz 1 BGB Grenzen der Verlagerbarkeit des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer zu entwickeln.5 Weiter wurde § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB mobilisiert, um zu kurze Ausschlussfristen als Gefährdung der Durchsetzung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers zu brandmarken.6 In den meisten Fällen, die unter Zuhilfenahme der Generalklausel gelöst werden, verzichtet das BAG allerdings auf eine klare Abgrenzung der verschiedenen Tatbestände von § 307 Abs. 1 und 2 BGB und zieht entweder kumulativ § 307 1 Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz (1986), S. 41 ff.; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 193 ff.; von Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBGesetz (1991), Rz. 239. 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 226 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500; gegen die mit den abweichenden Sichtweisen verbundene vorläufige Zuordnung von Normen kraft partieller Vergleichbarkeit generell auch Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag (1997), S. 313 f. 3 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 263 ff.; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 197 ff.; 26 f.; grds. auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 501. 4 Vgl. Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen (2007), S. 190 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht (2007), Rz. 93 ff. 5 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 6 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149.

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Einführung

Abs. 2 und Abs. 1 BGB heran,1 beschränkt sich von vornherein auf § 307 Abs. 1 BGB2 oder nennt sogar nur ganz allgemein § 307 BGB als Prüfungsmaßstab.3 Eine vergleichbare Vorgehensweise findet sich freilich auch in der Judikatur des BGH.4 Im Übrigen spielt jedenfalls der Tatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht deshalb nur eine untergeordnete Rolle, weil große Teile des Arbeitsrechts zwingenden Charakter haben, während zahlreiche andere Fragen von vornherein gar nicht geregelt sind, es also anders als im allgemeinen Zivilrecht an einem umfassenden Bestand an dispositivem Recht als Grundlage eines gesetzlichen Leitbilds fehlt.5 Eine vergleichsweise große Rolle spielt das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB,6 dessen Nachteil freilich darin besteht, dass es nur eine formelle Prüfung der umstrittenen Klausel auf Verständlichkeit im konkreten Kontext des jeweiligen Formularvertrags ermöglicht, die materielle Wirksamkeit der Klausel aber nicht thematisiert wird und somit keine rechtssicheren Bewertungsmaßstäbe entwickelt werden können.7 IX. Durchsetzung des AGB-Rechts 131 Bei der Inhaltskontrolle von AGB handelt es sich um eine Anwendung zwingenden Rechts, die von Amts wegen in jedem Rechtsstreit vorzunehmen ist, in dem es auf die Klausel ankommt.8 Eine besondere Berufung des Arbeitnehmers als Klauselgegner auf die Unwirksamkeit einer Bestimmung ist daher nicht erforderlich.

1 Z.B. BAG 10.1.2007 – 5 AZR 84/06 – AP BGB § 611 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Nr. 6 = NZA 2007, 684. 2 Z.B. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042; BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26; BAG 3.12.2008 – 5 AZR 62/08 – AP BGB § 307 Nr. 42; BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/08 – AP BGB § 307 Nr. 48 = NZA 2011, 89. 3 Z.B. BAG 24.1.2006 – 3 AZR 583/04 – AP BGB § 313 Nr. 1 = NZA 2006, 1431. 4 Siehe nur BGH 7.12.1983 – VIII ZR 257/82 – NJW 1984, 871; BGH 17.1.1989 – XI ZR 54/88 – BGHZ 106, 259 = NJW 1989, 582; BGH 20.7.2005 – VIII ZR 121/04 – BGHZ 164, 11. 5 Lingemann, NZA 2002, 181 (188); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rz. 97. 6 Vgl. Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (67 ff.); Oetker, AcP 212 (2012), 202 (245 ff.); Stoffels, ZfA 2009, 861 (878 ff.) jeweils m.w.N. 7 Leder, RdA 2010, 93, 94; exemplarisch etwa BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – AP BGB § 307 Nr. 47 = NZA 2011, 575 (Pauschalabgeltung von Überstunden). 8 Staudinger/Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 25.

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Durchsetzung des AGB-Rechts

Einführung

Die im allgemeinen AGB-Recht schon seit langem bestehende und für 132 die Effektivität des AGB-Rechts zentrale Möglichkeit, dass Verbände auf Unterlassung der Verwendung oder Empfehlung unwirksamer AGB klagen und dadurch den Rechtsverkehr von unzulässigen Klauseln freihalten (§§ 1 ff. UKlaG, früher §§ 13 ff. AGBG), ist vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge im Bereich des Arbeitsrechts gemäß § 15 UKlaG bewusst ausgeschlossen worden.1 Begründet wurde diese Entscheidung zum einen mit Unklarheiten über die Frage, welchen Gerichten solche Verfahren am ehesten zugewiesen werden sollten (Zivilgerichte oder Gerichte für Arbeitssachen).2 Zum anderen konnte sich der Gesetzgeber nicht darauf einigen, welche Verbände zu einer solchen Verbandsklage befugt sein sollten.3 Letztlich dürfte die Befürchtung, durch die Zulassung einer Verbandsklage die Gewerkschaftsmacht zu verstärken, den Ausschlag für die Ausklammerung des Arbeitsrechts gegeben haben.4 Immerhin hat der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass bereits bestehende Klagemöglichkeiten der Gewerkschaften nicht geändert werden sollten, so dass die Burda-Rechtsprechung des BAG5 von alledem unberührt bleibt. Da § 15 UKlaG die Anwendbarkeit des UKlaG nur für das Arbeitsrecht ausschließt, steht für die AGB von arbeitnehmerähnlichen Personen die Verbandsklage zur Verfügung.6 Gewerkschaften könnten freilich nur dann entsprechende Verfahren anstrengen, wenn sie sich nach § 4 UKlaG als Verbraucherverbände registrieren lassen, wovon die Gewerkschaften soweit ersichtlich aber absehen. Der Betriebsrat hat im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsauf- 133 gabe gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch darauf zu achten, ob die im Betrieb eingesetzten Formulararbeitsverträge den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB entsprechen, weil es sich insoweit um zugunsten der Arbeitnehmer geltende Rechtsvorschriften handelt.7 Gegenstand des Beteiligungsrechts ist allerdings nur eine Rechtskontrolle und keine Zweckmäßigkeitskontrolle der vom Arbeitgeber verwendeten Vertrags1 Dazu krit. Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 414; zust. aber Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1114. 2 BT-Drucks. 14/7052, S. 189. 3 BT-Drucks. 14/7052, S. 189 f. 4 Vgl. DBD/Däubler, Einl. Rz. 184. 5 BAG 20.4.1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 = NZA 1999, 887. 6 DBD/Däubler, Einl. Rz. 185; UBH/Witt, § 15 UKlaG Rz. 2; zum alten Recht Friedrich, MDR 1979, 190 (191 f.). 7 BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553; Fitting, BetrVG, 26. Aufl. (2012), § 80 Rz. 7; Reinecke, AuR 2012, 245 (246 f.).

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Einführung

klauseln.1 Dabei muss der Betriebsrat zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nutzen, um die Wirksamkeit der Klauseln zu prüfen, bevor er nach § 80 Abs. 3 BetrVG auf einen Sachverständigen zurückgreifen darf.2 Stellt der Betriebsrat einen Rechtsverstoß fest, kann er beim Arbeitgeber auf Abhilfe drängen. Dagegen kann der Betriebsrat weder in einer Art Prozessstandschaft für die betroffenen Arbeitnehmer individuelle Rechtsstreitigkeiten führen, noch in einem Kollektivverfahren die Unwirksamkeit von AGB geltend machen bzw. vom Arbeitgeber Unterlassung der Verwendung unwirksamer AGB verlangen.3 Daran ist auf der Grundlage der geltenden Rechtslage nicht zu rütteln, was allerdings insofern bedauerlich ist, als hierdurch keine Möglichkeit einer flächendeckenden Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit bestimmter betriebseinheitlich verwendeter AGB besteht. Ein unmittelbares Vorgehen gegen AGB ist dem Betriebsrat nur möglich, wenn der Arbeitgeber durch die vorformulierten Bedingungen Mitbestimmungsrechte unterwandert, weil der Betriebsrat dann den allgemeinen Unterlassungsanspruch4 bzw. Beseitigungsanspruch5 geltend machen kann.6 Im Übrigen darf der Betriebsrat die von unwirksamen AGB betroffenen Arbeitnehmer selbstverständlich über die Rechtslage aufklären.

1 BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553; Fitting, BetrVG, 26. Aufl. (2012), § 80 Rz. 13. 2 BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553; Dazu krit. Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 419. 3 DBD/Däubler, Einl. Rz. 190. 4 BAG 3.5.1994 – 1 ABR 24/93 – BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 = NZA 1995, 40. 5 BAG 16.6.1998 – 1 ABR 68/97 – BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 7 = NZA 1999, 49. 6 DBD/Däubler, Einl. Rz. 191; dazu eingehend Bachner, NZA 2007, 536 ff.

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Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.d.F. der Bekanntmachung v. 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 7 des G. v. 19.10.2012 (BGBl. I S. 2182)

Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse Abschnitt 2 Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag

305

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss 1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. (3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren. I. AGB im Arbeitsrecht . . . . . . . II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsbedingungen . . . . . . . 2. Vorformuliert. . . . . . . . . . . . . . 3. Für Vielzahl von Verträgen. . . 4. Stellen durch eine Partei . . . . 5. Unerhebliche Umstände (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen (Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 7. Darlegungs- und Beweislast . . 54 III. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB (Abs. 2) . . . . 57 IV. Rahmenvereinbarung (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

I. AGB im Arbeitsrecht 1 Bei der Kodifizierung des AGB-Rechts 1976 durch das AGBG hatte der Gesetzgeber das Arbeitsrecht ausdrücklich durch die in § 23 Abs. 1 AGBG vorgesehene Bereichsausnahme ausgespart. Dies führte in der Folge zu einer gesonderten Entwicklung der Kontrolle arbeitsrechtlicher Vertragsklauseln (siehe zur Entwicklung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Einführung Rz. 14 ff.). Als im Jahr 2000 Gesetzesentwürfe zur Modernisierung des Schuldrechts diskutiert wurden, sollte zunächst an der Bereichsausnahme in der geltenden Form festgehalten werden, in der weiteren Diskussion verständigte man sich dann aber auf eine Modifizierung (vgl. wegen der Einzelheiten Einführung Rz. 18 ff.). Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sollten nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, für Arbeitsverträge hingegen sollte künftig das gleiche Schutzniveau wie für Verträge des allgemeinen Zivilrechts gelten.1 2 Anders als früher, sind die §§ 305 ff. BGB jetzt also, unter Berücksichtigung der Besonderheitenklausel des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, auch im Arbeitsrecht seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 anzuwenden. II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) 3 Die §§ 305 ff. BGB finden nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält die Legaldefinition. Danach sind AGB die für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Ver1 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; BT-Drucks. 14/7052, S. 189 f.; siehe dazu Zöllner, ZfA 2010, 637 (641), der dies zutreffend mit „nicht mehr als eine plakative Evokation von Gefühlsbewertung durch Laien“ beschreibt.

108 Clemenz

Gesetzliche Definition

§ 305

tragsbedingungen, die der Verwender bei Abschluss des Vertrages vorgibt. Damit definiert § 305 Abs. 1 BGB den sachlichen Anwendungsbereich nahezu wortgleich zu § 1 AGBG. Für das Arbeitsrecht ergeben sich allerdings Besonderheiten in der Rechtsanwendung, da Verbraucherverträge vorliegen, soweit der Arbeitgeber, was in der Regel der Fall ist, „Unternehmer“ ist (siehe § 310 Rz. 10 f.). So ist zu beachten, dass mit § 310 Abs. 3 BGB die Tatbestandsvoraussetzungen des „Stellens“ der Vertragsbedingungen und der beabsichtigten Serienverwendung für Verbraucherverträge praktisch aufgehoben werden. Damit ist der Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB für Verbraucherverträge deckungsgleich mit dem der RL 93/13/EWG. Weiterhin gilt gem. § 310 Abs. 4 BGB eine Bereichsausnahme für Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen und für Arbeitsverträge sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). In den §§ 305 Abs. 2, 305a und 305c BGB werden die Regeln für die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen modifiziert.1 Die §§ 305 Abs. 2, 305a und 305c Abs. 1 BGB regeln aber nur die Einbeziehungskontrolle, also die Tatsache, ob AGB wirksam vertraglich einbezogen worden sind bzw. werden konnten (vorbehaltlich § 310 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 BGB, der die Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB für Arbeitsverträge ausschließt).2 Damit ist noch nichts über das Ob und den Maßstab einer etwaigen Inhaltskontrolle (§§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308, 309 BGB) oder der Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB) gesagt.

4

Mit Blick auf das Eingreifen der §§ 305 ff. BGB ist, wie auch bei der Frage 5 nach den dann maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen, zwischen individuellen und typischen Erklärungen zu unterscheiden.3 Es können also entweder ausgehandelte Vertragsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 3) im Sinn individueller Vereinbarungen, vorformulierte zum einmaligen Gebrauch gedachte Bedingungen in Verbraucherverträgen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen (§ 310 Abs. 3 BGB) vorliegen. Je nachdem gilt ein unterschiedlicher Auslegungsmaßstab, nämlich entweder der des Parteiverständnisses unter Berücksichtigung von Treu und Glauben bzw. der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) oder der des objektiven Inhalts und typischen Sinns der Regelung

1 Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305 Rz. 1. 2 § 305a ist im Arbeitsrecht irrelevant. 3 BAG 18.5.2010 – 3 AZR 373/08 – NZA 2010, 935.

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

unter Berücksichtigung des Verständnisses redlicher und verständiger Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise (siehe § 305c Rz. 44 ff.).1 1. Vertragsbedingungen 6 Vertragsbedingungen sind alle Formulierungen, die bezwecken, den Inhalt2 eines Vertrages verbindlich zu gestalten. Die §§ 305 ff. BGB kommen daher nicht zur Anwendung, wenn das Leistungsverhältnis bereits durch Gesetz oder Verordnung bzw. anderweitig zwingende Regelwerke normativ ausgestaltet ist.3 Für das Eingreifen der AGB-Definition kommt es nicht darauf an, welchen Inhalt die jeweilige Vertragsbedingung hat.4 Es muss sich aber um eine Erklärung handeln, die rechtlich verbindlich sein soll; deshalb muss sie entgegen anders lautender Meinung5 als konstitutiv und nicht nur deklaratorisch wirkende Regelung beabsichtigt sein.6 Diese rechtsgeschäftliche und deshalb verbindlich gemeinte Erklärung ist von unverbindlichen Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen abzugrenzen, die gerade keine Vertragsbedingungen sind. Entscheidend ist – unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts, dass mit der Erklärung eine individuelle Rechtsfolge im Sinn einer einseitigen oder bei Einverständnis beidseitigen Regelung des Vertragsinhalts ausgelöst werden soll.7 7 Wie die Voraussetzung des „Stellens“ deutlich macht, setzt die gesetzliche Definition der Vertragsbedingung bereits im Vorfeld des Vertrages ein,8 entscheidend ist daher die Zwecksetzung. Es kommt nicht darauf an, dass der Vertrag mit der Klausel zustande gekommen ist. Jede Formulierung, die inhaltliche Auswirkungen auf den Vertrag, sein Zustandekommen, seinen Bestand oder seine Ausführung bezweckt, ist kontrollfähig. Das kann Regelungen zu Hauptleistungs- ebenso wie solche zu Nebenpflichten betreffen, aber auch Klauseln, die die spätere Behandlung eines Vertrages, bspw. in Form von Vorgaben für prozessuale Hand-

1 2 3 4 5 6 7

BAG 18.5.2010 – 3 AZR 373/08 – NZA 2010, 935. MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 9. MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 5 mit Beispielen. UBH/Ulmer, § 305 Rz. 7. UBH/Ulmer, § 305 Rz. 7. Wohl auch MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 12. BGH 8.3.2005 – XI ZR 154/04 – NJW 2005, 1645; BGH 3.7.1996 – VIII ZR 221/95 – NJW 1996, 2574. 8 UBH/Ulmer, § 305 Rz. 13; Erman/Roloff, § 305 Rz. 5.

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Gesetzliche Definition

§ 305

habung regeln.1 Regelungen zu Tatsachenbestätigungen sind dann als Vertragsbedingung anzusehen, wenn mit ihnen eine inhaltliche Regelung verbunden wird (wie bspw. eine Beweislastregel).2 Die Frage, ob auch ein Freiwilligkeitsvorbehalt als Vertragsbedingung 8 anzusehen ist, wird sehr streitig diskutiert.3 Im Kern geht es dabei zum einen um die Frage, ob und wie weit es überhaupt zulässig sein kann, im Rahmen eines Arbeitsvertrages eine dort vorgesehene vertragliche (Gegen-)Leistung „unverbindlich“ zu stellen, zum anderen mit Blick auf § 305 BGB um die Frage, ob überhaupt eine Vertragsbedingung vorliegt. Um sich der Rechtsqualität eines Freiwilligkeitsvorbehalts4 zu nähern, muss zunächst zwischen den verschiedenen Arten von Freiwilligkeitsvorbehalten unterschieden werden. Der häufigste Fall ist der Freiwilligkeitsvorbehalt als eigene Vertragsklausel, der alle etwaigen künftigen Leistungen, die über das jetzt vertraglich Vereinbarte hinaus gehen, als „freiwillig“ im Sinn von „weder gesetzlich, kollektivrechtlich, noch nach dem vorliegenden Vertrag geschuldet“ qualifizieren soll. Daneben gibt es den Freiwilligkeitsvorbehalt, der die im Vertrag bereits benannte Leistung mit einer geringeren (bzw. gar keiner) rechtlichen Verbindlichkeit als nicht dauerhaft geschuldet qualifizieren soll. Schließlich wird der Freiwilligkeitsvorbehalt verwendet, um die aktuell gewährte (vertraglich nicht geschuldete) Leistung als eben solche zu kennzeichnen. In der Praxis ebenfalls zu finden ist der nachträgliche Freiwilligkeitsvorbehalt, der dem tatsächlichen Handeln einer bereits ohne Erklärung gewährten Leistung im Nachhinein eine etwaige rechtliche Verbindlichkeit absprechen soll. Entscheidend für die Frage, ob es sich bei diesen Klauseln jeweils um ei- 9 ne Vertragsbedingung handelt, ist – auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts – der Zeitpunkt der Erklärung. Wenn ein Vertragspartner in den Vertrag einen Freiwilligkeitsvorbehalt für aktuell nicht im Vertrag vorgesehene künftige Leistungen formuliert, handelt es sich nicht um eine Bedingung, sondern um den Hinweis, dass ein künftiges tatsächliches Handeln nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung verstan1 UBH/Ulmer, § 305 Rz. 7; WLP/Pfeiffer, § 305 BGB Rz. 9; MünchKommBGB/ Basedow, § 305 Rz. 9; HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 2; Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305 Rz. 2. 2 Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305 Rz. 2. 3 Vergleiche Schrifttumsnachweise bei Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.) und bei Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70, Rz. 41 ff.; Preis/Sagan, NZA 2012, 697 ff. 4 Vgl. Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.).

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

den werden kann und soll.1 Es ist das gute Recht eines jeden Vertragspartners, den anderen darauf hinzuweisen, ob ein etwaiges tatsächliches Handeln (seiner selbst) mit Rechtsbindungswillen versehen ist, oder nicht.2 Das entspricht dem Grundverständnis der Privatautonomie. Dem steht auch der Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle nicht entgegen, da dieser Hinweis keine Fremdbestimmung des anderen auslöst, sondern nur den Erklärungswert (bzw. den fehlenden Erklärungswert) eines künftigen tatsächlichen Handelns des Hinweisenden selbst beschreibt.3 Dies gilt gleichermaßen, wenn ein solcher Hinweis mit einer aktuell gewährten, vertraglich nicht geschuldeten Leistung verbunden wird.4 10 Anders stellt sich die Situation dar, wenn im Vertrag eine Leistung benannt und damit an sich vertraglich vereinbart wird, ein Freiwilligkeitsvorbehalt aber gleichzeitig die Verbindlichkeit in Frage stellen soll, oder wenn gar, nachdem eine Leistung bereits gewährt worden ist, der nachträgliche Freiwilligkeitsvorbehalt den Eintritt einer Rechtsbindung vermeiden bzw. in Frage stellen soll. In diesen Fällen liegt jeweils eine kontrollfähige Vertragsbedingung vor,5 weil über einen bloßen Hinweis hinaus eine Rechtswirkung (wenn auch im negativen Sinn) gerade erst erzeugt werden soll. Es geht in diesen Konstellationen nicht um einen 1 Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Ricken, DB 2006, 1372; Ulrici, BB 2005, 1902; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563; Lindemann, AuR 2004, 206; Seel, MDR 2004, 1394; von Westphalen/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stichwort Arbeitsverträge Rz. 268; a.A. DBD/Deinert, § 305 BGB Rz. 5; im Ergebnis auch: Preis, FS Richardi (2007), S. 339 (357). 2 Das scheint auch das BAG so zu sehen, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt als probates Mittel zur Vermeidung der Entstehung einer betrieblichen Übung bezeichnet wird: BAG 16.2.2010 – 3 AZR 118/08 – DB 2010, 1947; BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BAG 19.2.2008 – 3 AZR 61/06 – NZA-RR 2008, 597; BAG 31.7.2007 – 3 AZR 189/06 – NZA-RR 2008, 263; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 12.1.1994 – 5 AZR 41/93 – AP BGB Betriebliche Übung Nr. 43; a.A. scheinbar BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, DB 2012, 179; zu Recht kritisch: Hromadka, DB 2012, 1037. 3 Im Ergebnis ebenso, aber nach Prüfung als Vertragsbedingung: BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 589; BAG 21.1.2009 – 10 AZR 219/08 – NZA 2009, 310; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; LAG Hamm 9.6.2005 – 8 Sa 2403/04 – NZA-RR 2005, 624; Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (586); widersprüchlich Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V, Rz. 44 und Rz. 46. 4 BAG 16.2.2010 – 3 AZR 118/08 – DB 2010, 1947; BAG 19.2.2008 – 3 AZR 61/06 – NZA-RR 2008, 597; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 31.7.2007 – 3 AZR 189/06 – NZA-RR 2008, 263. 5 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601 (Aufgabe der Rspr. zur sog. negativen betrieblichen Übung).

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Gesetzliche Definition

§ 305

Hinweis, dass eine aktuelle oder künftige tatsächliche Handlung ohne Rechtsbindungswillen vorgenommen wird, sondern um den Versuch, durch Abgabe einer Erklärung eine aktuell im Rahmen des Vertragsschlusses eintretende oder (im Fall des nachträglichen Vorbehalts) je nach den Umständen bereits eingetretene Rechtsbindung zu konterkarieren. Der Widerrufsvorbehalt ist – anders als der Freiwilligkeitsvorbehalt – in 11 jeder verwendeten Variante als Vertragsbedingung zu qualifizieren. Der Natur der Sache nach setzt er einen rechtsverbindlichen – ggf. im Moment zugesagten – Anspruch voraus und will gerade dessen erleichterte Beseitigung regeln.1 Gleiches gilt für den Anrechnungsvorbehalt, der die Zulässigkeit einer künftigen rechtsverbindlich wirkenden Anrechnungshandlung/-erklärung mit einer vorgegebenen Zielrichtung eröffnen soll.2 Gelten Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarun- 12 gen für das Arbeitsverhältnis normativ, sind sie gem. § 310 Abs. 4 BGB der AGB-Kontrolle entzogen.3 Diese Bereichsausnahme erfasst nicht vertragliche Verweisungs- oder Bezugnahmeklauseln, mit denen nicht verbandszugehörige Vertragspartner die Geltung tariflicher Regelungen oder Arbeitsvertragsparteien die Geltung anderweitiger kollektivrechtlicher Regelungen vereinbaren, die ihr Arbeitsverhältnis nicht normativ erfassen. Zwar sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB sowohl Tarifverträge als auch Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB gleichgestellt. Damit wird aber nur der Prüfungsmaßstab der Inhaltskontrolle vorgegeben. Die Verweisungsklausel selbst, unabhängig davon, ob ganz oder teilweise auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen verwiesen wird, mit der diese erst für das Vertragsverhältnis verbindlich werden, ist Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB.4 Der rein deklaratorische Verweis auf ohnehin geltende Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge ist dagegen schon keine Vertragsbedingung. Damit bringen die Vertragsparteien nur zum Ausdruck, dass für das Arbeitsverhältnis auch im Vertrag nicht aufgeführte Regelungen gelten. Sie dokumentieren damit einen tatsächlichen Hinweis, geben aber keine rechtsgeschäftliche Erklärung ab.5 1 2 3 4 5

Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V, Rz. 3, 14; Ricken, DB 2006, 1372. Im Ergebnis ebenso: BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457. Diehn, NZA 2004, 129; nicht eindeutig Richard, NZA 2002, 1057. BAG 23.5.2007 – 10 AZR 295/06 – NZA 2007, 940; BAG 18.11.2003 – 604/02 – BAGE 108, 299; siehe auch Einführung Rz. 101.

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

13 Verwenden die Vertragspartner Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, handelt es sich ebenfalls um Vertragsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, weil sie nun Inhalt eines individualrechtlichen Vertrages werden (sollen).1 Ob und inwieweit die Tatsache der kollektivrechtlichen Aushandlung eine Richtigkeitsgewähr für ihre Angemessenheit darstellen kann, ist eine Frage der inhaltlichen Überprüfung.2 Für die Qualifikation als Vertragsbedingung ist dies ebenso unerheblich wie bei anderen von dritter Seite vorbereiteten Regelungen. 14 Bezugnahmeklauseln, mit denen einseitig (auf)gestellte Regelwerke des Arbeitgebers (bspw. Code of Conduct, Arbeitsordnungen, Dienstwagenrichtlinien etc.) vertraglich eingebunden werden, sind – ebenso wie die damit einbezogenen Regelwerke – kontrollfähige Vertragsbedingungen.3 15 Der Wortlaut des § 305 Abs. 1 BGB ist eindeutig auf zweiseitige Rechtsgeschäfte bezogen (Vertragsbedingungen). Nach zutreffender herrschender Meinung werden aber über den Wortlaut hinaus auch einseitige Erklärungen der Vertragspartner erfasst (arg. § 308 Nr. 1 und § 309 Nr. 12 BGB). Für die Einbeziehungskontrolle kann es nicht darauf ankommen, ob eine Formulierung Inhalt eines zweiseitigen Vertrages im formalen Sinn wird. Entscheidend ist vielmehr, dass sie darauf abzielt, den Vertrag inhaltlich auszugestalten, oder in einem anderen rechtlichen Zusammenhang mit dem Vertrag steht, sei es auch in Form einer vom Verwender vorgegebenen gesonderten einseitigen Formularerklärung.4 Das gilt zunächst für vom Verwender vorgegebene Erklärungen des anderen Vertragspartners, mit denen rechtserheblichen Tatsachen eine bestimmte rechtliche Qualifizierung gegeben werden soll. So sind insbesondere sog. „Aushandelnsbestätigungen“ als Vertragsbedingungen kontrollfähig.5 Nichts anderes gilt für sog. „Ausgleichsquittungen“,6 die Einwil1 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 1533; BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – DB 2007, 2263. 2 Siehe Einführung Rz. 101. 3 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 331; BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – NZA 2008, 45; BAG 27.6.2006 – 3 AZR 255/05 – NZA 2006, 1285; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042. 4 BGH 16.3.1999 – XI ZR 76/98, BGHZ 141, 124; BGH 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 – BGHZ 99, 381; KG Berlin 26.8.2010 – 23 U 34/10 – n.v.; MünchKommBGB/ Basedow, § 305 BGB Rz. 9. 5 BGH 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 – BGHZ 99, 381; BGH 1.3.1982 – VIII ZR 63/81 – BB 1983, 15; BGH 15.12.1976 – IV ZR 197/75 – NJW 1977, 624. 6 HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 2.

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Gesetzliche Definition

§ 305

ligung in die Speicherung und/oder Weitergabe von Daten1 oder die Einwilligung in ärztliche Untersuchungen.2 § 305 Abs. 1 BGB kann aber auch einseitige Erklärungen des Verwenders im 16 laufenden Vertragsverhältnis erfassen, wenn bspw. der Arbeitgeber nachträglicheFreiwilligkeits-oderWiderrufsvorbehalte3 aufder Gehaltsabrechnung verwendet.4 Generelle Feststellungen sind hier nicht möglich, weil im Einzelfall zunächst zu prüfen ist, ob eine derartige einseitige Erklärung mit Blick auf bereits vorliegende vertragliche Vereinbarungen (vorbehaltlich einer Wirksamkeitskontrolle) überhaupt Rechtswirksamkeit entfaltet, im Sinn einer Änderung des zuvor Vereinbarten. Schweigt der Vertragspartner, ist ein mit einer solchen Erklärung u.U. verbundenes Angebot auf Änderung der bestehenden vertraglichen Vereinbarung abgelehnt, es sei denn das Angebot bedarf gem. § 151 BGB (weil für den anderen nur günstig) keiner ausdrücklichen Annahme. In letzterem Fall wird es angesichts der Vorgaben von § 151 BGB regelmäßig im Rahmen der AGB-Kontrolle keine Ansätze für eine unangemessene Benachteiligung geben. Das gilt insbesondere für das Institut der sog. betrieblichen Übung. Da- 17 runter wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung5 auf Dauer gewährt werden. An dieser Stelle soll der nach wie vor bestehende dogmatische Theorienstreit6 über den Entstehungstatbestand – ob konkludenter Vertragsschluss oder Vertrauenshaftung – nicht diskutiert werden. Gemeinsam ist beiden, dass eine vertragliche Bindung dogmatisch „konstruiert“ wird, weil der Arbeitnehmer ein Angebot auf eine für ihn nur günstige Leistung nicht annehmen muss (§ 151 BGB) bzw. der Arbeitgeber an dem von ihm gesetzten Vertrauenstatbestand eben wegen der Günstigkeit für den Arbeitnehmer auch dann festgehalten wird, wenn er selbst keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wollte. 1 DBD/Deinert, § 305 Rz. 6; Palandt/Heinrichs, § 305 Rz. 6. 2 DBD/Deinert, § 305 Rz. 6. 3 Bezüglich der Freiwilligkeitsvorbehalte sind aber die unter Rz. 8 ff. beschriebenen Differenzierungen zu beachten. 4 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 22. 5 Die betriebliche Übung ist nicht auf Geldleistungen beschränkt, so bspw. LAG Schleswig-Holstein 3.4.2001 – 1 Sa 646 b/00 – NZA-RR 2001, 488 (Kostenlose Firmenparkplätze). 6 Siehe dazu Nachweise bei ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 220 ff.; Bepler, RdA 2004, 226; Bepler, RdA 2005, 323.

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

Auch wenn Ausgangspunkt immer ein zunächst rein tatsächliches Handeln des Arbeitgebers ist, begründet die betriebliche Übung nach ganz herrschender Auffassung mit ihrer Entstehung stets einen dann vertraglichen Anspruch. Daran wird sich nichts ändern, solange die Rechtsprechung daran festhält – anders als im öffentlichen Dienst – die wiederholte vorbehaltlose Gewährung einer Vergünstigung durch einen Arbeitgeber der Privatwirtschaft als stillschweigenden Vertragsabschluss zu qualifizieren,1 auch wenn die dieser Differenzierung zugrunde liegende Argumentation in wirtschaftlichen Krisenjahren nicht mehr sehr überzeugend wirkt. Die solchermaßen aus der für den Vertragspartner positiven Leistungssituation überhaupt erst entstehende betriebliche Übung ist zwar Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB.2 Die dogmatische Begründung ihrer Entstehung muss aber im Rahmen der nachfolgenden Inhaltsprüfung beim anzuwendenden Kontrollmaßstab Berücksichtigung finden. Eine Vertragsbedingung, die nur „entsteht“ weil sie für den anderen „nur günstig“ ist, bzw. aus eben diesem Grund ein schutzwürdiges Vertrauen auf beständige Fortgeltung auslöst, kann sich nicht nachfolgend ohne weiteres in eine von der Rechtsordnung zu missbilligende Benachteiligung verwandeln.3 18 Die von der Rechtsprechung vorübergehend entwickelte sog. negative betriebliche Übung ist zu Recht nach heftiger Kritik in der Literatur4 wieder aufgegeben worden.5 Grundvoraussetzung für die vormals angenommene negative betriebliche Übung war der mit einer aktuellen Leistung verbundene Freiwilligkeitsvorbehalt, der einen bereits entstandenen vertraglichen Anspruch vernichten bzw. durch eine echte vertragsbindungsfreie „freiwillige“ Leistung ersetzen soll. Bei einer solchen Erklärung handelt es sich, anders als beim echten Freiwilligkeitsvorbehalt, nicht nur um einen Hinweis betreffend die aktuelle Leistungsgewährung. Vielmehr sollte darüber hinausgehend in diesen Fällen (in Reaktion auf die Vertragstheorie des BAG) ein die ursprünglich nicht gewollte Vertragsverpflichtung aus betrieblicher Übung ablösender Vertrag auf ebenso tatsächlichem Wege „erzwungen“ werden. Damit aber würde in die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht des anderen Vertragspart1 Eine Abweichung davon wäre angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ein richtiger, aber wohl zu „mutiger“ Schritt, so zu Recht Ricken, DB 2006, 1372. 2 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908. 3 Siehe Einführung Rz. 86 a.E., 105. 4 Vgl. Nachweise bei Schaub/Koch, ArbRHdb, § 111 Rz. 28; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 235. 5 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601.

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Gesetzliche Definition

§ 305

ners eingegriffen. Da es hier an der Annahme des Änderungsangebots fehlt, gehen derartige Versuche aber ohnehin ins Leere. Andernfalls lägen kontrollfähige Vertragsbedingungen vor. Für die Gesamtzusage gilt gleiches, wie für die betriebliche Übung. 19 Auch sie kommt als Vertragsgrundlage nur zustande, wenn es einer ausdrücklichen Annahme gem. § 151 BGB nicht bedarf. Sie ist damit Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB. Der Grund ihrer Entstehung ist aber im Rahmen der nachfolgenden Kontrolle mit Blick auf die anzulegenden Kontrollmaßstäbe zu berücksichtigen, will man sich nicht in Widerspruch zur dogmatischen Begründung ihrer Entstehung setzen. 2. Vorformuliert Nur vorformulierte Vertragsbedingungen werden der Kontrolle der 20 §§ 305 ff. BGB unterworfen. Im Arbeitsrecht ist die Verwendung von Formularverträgen der Regelfall.1 Dies gilt sowohl für den normalen Arbeitnehmer als auch für Führungskräfte.2 Nach aktuellen Schätzungen sollen weit über 90 % aller Arbeitsverhältnisse in Deutschland formularmäßig ausgestaltet sein.3 Vertragsbedingungen sind dann vorformuliert, wenn sie vorbereitend für die spätere Verwendung fixiert wurden und damit vor Vertragsschluss feststehen.4 Es ist unerheblich, in welcher Form und auf welche Art und Weise die 21 Fixierung erfolgt. Üblicherweise wird dies in schriftlicher Form oder durch Ausdruck gespeicherter Daten geschehen. Auch die „auswendig gelernte“ und damit nur im Gedächtnis gespeicherte Formulierung aber ist vorformuliert.5 Daher kann/ist auch die mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung vorformuliert (sein).6 Nach Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle kommt es nämlich ausschließlich darauf an, dass nicht erst verhandelt und dann gemeinsam ad hoc für den konkret verhandelten Sachverhalt formuliert wird, sondern einer der Vertragspartner die Bedingungen nach seinen Vorstellun1 2 3 4

Siehe Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, S. 53 ff. m.w.N. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, S. 54 Rz. 5. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, S. 54 Rz. 7. BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170. 5 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908; BGH 10.3.1999 – VIII ZR 204/98 – NJW 1999, 2180; BGH 7.2.1996 – IV ZR 16/95 – NJW 1996, 1676; BGH 30.9.1987 – IVa ZR 6/86 – NJW 1988, 410; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 20; MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 13. 6 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908.

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Einbeziehung in den Vertrag

gen generalisierend für eine Mehrzahl ähnlicher Rechtsverhältnisse „vor“ formuliert, d.h. für die Verhandlungssituation bereits vorbereitet verfügbar hat.1 In diesem Sinn handelt es sich offensichtlich um vorformulierte Vertragsbedingungen, wenn der Text zeitlich vor Abschluss des Vertrages vorliegt. Aber auch wenn zunächst in Verhandlungen Einigkeit über die essentiellen Regelungen (Aufgabe, Arbeitszeit, Arbeitsentgelt) gefunden wurde, kann der danach vom Arbeitgeber vorgelegte Vertragsentwurf vorformuliert sein.2 Auch die Regelungen, die inhaltlich ggf. das individuelle Verhandlungsergebnis widerspiegeln (bspw. Höhe des Gehaltes), enthalten üblicherweise darüber hinausgehende rechtliche Gestaltungen (Anrechnungs- oder Widerrufsvorbehalt etc.), über die im Zweifel nicht gesprochen worden ist. 22 Aus Inhalt und äußerer Gestaltung des Vertrages kann der vom Verwender zu widerlegende Anschein folgen, dass die Vertragsbedingungen vorformuliert sind.3 Dafür sprechen generalisierende oder formelhafte Wendungen im Vertrag, die nicht auf die individuelle Vertragskonstellation bezogen sind, sondern nur allgemein vertragstypische Risiken regeln.4 Wenn die Mehrzahl der Vertragsbedingungen ersichtlich nicht auf die konkrete Situation zugeschnitten ist, kann der dadurch erweckte Anschein nicht damit widerlegt werden, dass der Vertrag in Teilen auch individuelle Vereinbarungen enthält.5 23 Es kommt nicht darauf an, wer die Vertragsbedingungen entworfen und im vorstehenden Sinn vorformuliert hat.6 Der entsprechende Text kann vom Verwender selbst, seinem Vertreter, einem von ihm Beauftragten stammen, von Dritten oder aus Büchern oder schriftlichen oder virtuellen Formularsammlungen entnommen sein. Auch mit der nur einmaligen Verwendung von Musterverträgen realisiert sich das strukturelle Ri1 BGH 7.11.1995 – XI ZR 235/94 – NJW 1996, 249; BGH 22.9.1987 – IX ZR 220/86 – WM 1987, 1430; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 21. 2 DBD/Deinert, § 305 Rz. 10. 3 BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 674; BAG 17.8.2011 – 5 AZR 406/10 – NZA 2011, 1335; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BGH 24.11.2005 – VII ZR 87/04 – WM 2006, 247; BGH 27.11.2003 – VII ZR 53/03 – BGHZ 157, 102; BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98 – BGHZ 143, 104; MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 18 für die Absicht der mehrfachen Verwendung. 4 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BGH 24.11.2005 – VII ZR 87/04 – WM 2006, 247; BGH 27.11.2003 – VII ZR 53/03 – BGHZ 157, 102. 5 BGH 24.11.2005 – VII ZR 87/04 – WM 2006, 247; BGH 14.5.1992 – VII ZR 204/90 – NJW 1992, 2160; BGH 11.10.1984 – VII ZR 248/83 – NJW 1985, 852. 6 BGH 2.11.1983 – IVa ZR 86/82 – BGHZ 88, 368.

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Gesetzliche Definition

§ 305

siko der indiziell einseitigen Gestaltungsmacht. Wenn allerdings ein im Rahmen von Verhandlungen erstellter Vertrag danach als Mustervertrag weiterverwendet wird, kann er erst für den zweiten Fall der Verwendung als vorformuliert angesehen werden. Für die Bewertung spielt es keine Rolle, ob ein vollständiges Muster verwendet wird oder Textbausteine zusammengesetzt werden. Auch letztere sind vorformuliert.1 Gerade die Tatsache, dass es „nur“ Bausteine sind, dokumentiert, dass sie zur mehrfachen Verwendung (nämlich zum „Zusammenbauen“) in typischen Vertragssituationen entworfen sind.

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Werden Musterverträge verwendet, die vom Vertragspartner um indivi- 25 duelle Angaben zu ergänzen sind, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Vertragsbedingungen vorformuliert sind. Wenn es sich bei der Ergänzung nur um unwesentliche Angaben handelt (Name, Personal- oder Adressdaten), stellt das den Charakter als AGB nicht in Frage.2 Bleiben allerdings essentielle Punkte mit solchen Leerstellen zunächst ungeregelt (Vertragslaufzeit, Kündigungsfrist, Berechnung einer Tantieme etc.), kann die entsprechende Klausel nicht als vorformuliert angesehen werden.3 Das ist nur dann anders zu beurteilen, wenn die Leerstelle durch eine vom Verwender wiederum (mündlich oder schriftlich) vorformulierte Regelung ausgefüllt wird. Dann handelt es sich um AGB, die lediglich in unterschiedlicher Form zusammengesetzt sind (die Leerstellen sind in Wirklichkeit nicht leer). Mit Blick auf § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist diese Differenzierung von besonderer Bedeutung. 3. Für Vielzahl von Verträgen Die Vertragsbedingungen müssen für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, also für eine serielle Verwendung erstellt worden sein. Hier kommt es auf die Absicht desjenigen an, der die Bedingungen vorformuliert, auf die des Verwenders nur dann, wenn er die Bedingungen auch selbst vorformuliert hat. Es ist unerheblich, ob die Bedingungen tatsächlich mehrfach verwendet werden. Verwendet der Arbeitgeber einen für die serielle Verwendung vorformulierten Mustervertrag, den ein Dritter erstellt hat, greifen die §§ 305 ff. BGB bereits beim ersten Verwendungsfall ein. Verwendet er die selbst vorformulierten Bedingungen, muss er 1 DBD/Deinert, § 305 BGB Rz. 12; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 14; MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 13; Erman/Roloff, § 305 Rz. 9. 2 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896; BGH 2.3.1994 – XII ZR 175/92 – WM 1994, 1136. 3 A.A. DBD/Deinert, § 305 Rz. 11.

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Einbeziehung in den Vertrag

bereits bei der erstmaligen Verwendung beabsichtigen, sie auch bei künftigen Vertragsabschlüssen verwenden zu wollen.1 27 Der nur für den Einzelfall vorformulierte Vertrag wird nicht von § 305 Abs. 1 BGB erfasst, für Verbraucherverträge ist aber § 310 Abs. 3 Nr. 2 zu beachten (siehe Rz. 29). Der für den Einzelfall vorformulierte Vertrag wird auch nicht dadurch zur AGB, dass er ganz oder in Teilen auf Standardformulierungen eines Anwalts oder Notars beruht.2 28 Von einer Verwendungsabsicht für eine Vielzahl von Fällen kann man nur dann ausgehen, wenn mindestens eine dreimalige Verwendung beabsichtigt ist.3 Das Gesetz spricht von einer Vielzahl von Verträgen und nicht von Vertragspartnern. Deshalb greift § 305 Abs. 1 BGB auch dann ein, wenn ein Vertrag/eine Klausel mindestens dreimal mit demselben Vertragspartner vereinbart wird.4 Aus der Verwendung des Begriffs Vielzahl folgt nicht, dass eine unbestimmte Zahl von Rechtsgeschäften beabsichtigt sein muss. Der serielle Charakter vorformulierter Vertragsbedingungen ist mit der beabsichtigten Mindestverwendung zu unterstellen, auch wenn die Zahl der insgesamt beabsichtigten Vertragsabschlüsse von vorneherein begrenzt ist.5 29 Für Arbeitsverträge wird mit § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle erweitert. Da Arbeitnehmer Verbraucher im Sinn dieser Vorschrift sind (siehe § 310 Rz. 14 ff.), finden § 305c Abs. 2, § 306 und §§ 307–309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Damit wird die Tatbestandsvoraussetzung der Absicht serieller Verwendung aufgehoben, es müssen aber vorformulierte Vertragsbedingungen vorliegen.6

1 Erman/Roloff, § 315 Rz. 11; MünchKommBGB/Basedow, § 305 BGB Rz. 18 f.; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 15; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 24; HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 4; DBD/Deinert, § 305 Rz. 15. 2 BGH 13.9.2001 – VII ZR 487/99 – NJW-RR 2002, 13; BGH 16.11.1990 – V ZR 217/89 – NJW 1991, 843; h.M. siehe nur UBH/Ulmer, § 305 Rz. 25a m.w.N. 3 BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 1.3.1006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BGH 11.12.2003 – VII ZR 31/03 – NJW 2004, 1454; BGH 27.9.2001 – VII ZR 388/00 – NJW 2002, 138; Erman/Roloff, § 315 Rz. 11. 4 BAG 1.3.1006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BGH 11.12.2003 – VII ZR 31/03 – NJW 2004, 1454. 5 UBH/Ulmer, § 305 Rz. 25. 6 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666.

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Gesetzliche Definition

§ 305

4. Stellen durch eine Partei § 305 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die für eine Vielzahl von Fällen vor- 30 formulierten Vertragsbedingungen von einer Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrages gestellt werden. Damit wird festgelegt, wer der Verwender dieser Bedingungen ist. Diese Feststellung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil im Rahmen der AGB-Prüfung stets der andere Vertragsteil vor der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender der AGB geschützt werden soll.1 Ein Schutz des Verwenders vor seinen eigenen AGB ist mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen unvereinbar.2 Der Begriff des Stellens beschreibt ein tatsächliches Handeln, keine 31 rechtsgeschäftliche Erklärung im Rahmen der Verhandlungen. Es geht nicht um die Erklärung, dass diese Bedingungen verbindlich sind, sondern um die tatsächliche Manifestierung einseitiger Vertragsgestaltungsmacht. Sieht man den Zweck der AGB-Kontrolle insbesondere auch darin, den anderen Vertragspartner vor Nachteilen der durch die Verwendung von AGB entstehenden situativen Informationsasymmetrie zu schützen (siehe Einführung Rz. 33), kommt man nicht umhin, bereits mit der bloßen Einführung von AGB in die Verhandlungen das „Stellen“ im Rechtssinn zu bejahen,3 wenn nicht besondere Umstände vorliegen, etwa beide Vertragspartner wechselseitig AGB in die Verhandlung einführen. Entscheidend ist, ob für den Vertragspartner angesichts der Art des ihm unterbreiteten Angebots zunächst objektiv berechtigt der Eindruck entsteht, dass es nicht realistisch oder unter Berücksichtigung von Transaktionskosten nicht sinnvoll ist, über eine Abänderung der angebotenen AGB zu ernsthaft zu verhandeln.4 Wenn bei objektiver Betrachtung eines unbeteiligten Dritten der beteiligten Verkehrskreise real Verhandlungen über eine Abänderung trotz Vorformulierung von Anfang an denkbar, tatsächlich möglich und mit Blick auf zeitliche Abläufe und Transaktionskosten sinnvoll scheinen, sind AGB nicht einseitig gestellt, weil keine Situation besteht, in der zu Lasten der Vertragsfreiheit eingegriffen werden müsste, um einer konkret drohenden 1 So zu Recht UBH/Ulmer, § 305 Rz. 27; siehe Einführung Rz. 31. 2 BAG 21.4.2010 – 4 AZR 768/08 – DB 2010, 1998; BGH 4.12.1986 – VII ZR 354/85 – NJW 1987, 837; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 25. 3 So zu Recht: BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 3305. 4 Enger im Sinn einer Verweigerung von Verhandlungsmöglichkeiten: WLP/ Pfeiffer, § 305 Rz. 30. Bloße Zurechnung ausreichend: UBH/Ulmer, § 305 Rz. 27; DBD/Deinert, § 305 Rz. 18.

Clemenz 121

§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

Verhandlungsimparität vorzubeugen. Vertragsbedingungen sind deshalb nur dann gestellt, wenn der andere Vertragspartner objektiv berechtigt davon ausgehen darf, dass er realistischer Weise keine Abänderung verhandeln kann. Das ist weniger, als ein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB voraussetzt (siehe Rz. 46 ff.). Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass die Einführung von AGB in die Verhandlung auch das Stellen derselben indiziert.1 32 Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB kann immer nur eine Vertragspartei sein.2 Hat sich der Verwender im Rahmen der Vertragsverhandlungen Dritter bedient, ist ihm deren Verhalten zuzurechnen. Dies gilt sowohl für rechtsgeschäftliche Erklärungen als auch für tatsächliches Handeln, das entweder mit seiner Billigung oder zumindest Duldung geschieht. Beruht das Stellen auf einer objektiv berechtigt wahrgenommenen strukturellen Überlegenheit oder ist es Folge einer in der Situation bestehenden Informationsasymmetrie, wird sich beides im Regelfall ohnehin nicht auf den Vertreter oder den Gehilfen, sondern die dahinter stehende natürliche oder juristische Person beziehen. Spätestens bei Vertragsschluss bestätigt der Verwender selbst oder rechtsgeschäftlich vertreten diese tatsächliche Situation bzw. billigt das Stellen und macht es sich damit zu Eigen. Derjenige, dessen Angebot mit den von ihm gewünschten AGB verbunden ist und angenommen wird, stellt sie auch. Geht ein Arbeitsvertrag im Wege der Rechtsnachfolge auf einen neuen Arbeitgeber über, geht die Rolle des Verwenders des vormaligen Arbeitgebers auf ihn über.3 33 Für die Feststellung, wer die AGB stellt und damit Verwender ist, spielt keine Rolle, wer die Vertragsbedingungen formuliert bzw. erstellt hat.4 Ob der Verwender die Vertragsbedingungen selber vorformuliert, einer veröffentlichten Mustersammlung entnommen hat, oder durch Gehilfen oder Dritte hat vorbereiten lassen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass er sie zum Bestandteil seines rechtlich verbindlichen Angebots macht. 34 Wenn ausnahmsweise beide Seiten gleichlautende vorformulierte Vertragsbedingungen verwenden wollen, ist keine der Vertragsparteien Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, weil keiner einseitig die Vertragsbedingungen stellt, sondern Einvernehmen über ihre Einbeziehung besteht. 1 2 3 4

Bartsch, NJW 1986, 28. WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 26. WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 27. BGH 2.11.1983 – IVa ZR 86/82 – NJW 1984, 360.

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Gesetzliche Definition

§ 305

Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen besteht hier kein Bedarf nach einer Vertragskontrolle.1 Stellen beide Seiten inhaltlich abweichende eigene vorformulierte Vertragsbedingungen, ist an Hand der Umstände des konkreten Falls ggf. auch für einzelne Klauseln zu prüfen, ob sie von einer Seite gestellt wurde. Anders als im Normalfall (nur eine Seite führt vorformulierte Klauseln bzw. Klauselwerke in die Verhandlungen ein) ist hier keine Vertragsimparität indiziert, so dass (jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs von § 310 Abs. 3 BGB) die Vertragsfreiheit nicht durch eine ausufernde Auslegung des Anwendungsbereichs des § 305 BGB eingeschränkt werden darf. Da Arbeitnehmer als Verbraucher i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB angesehen 35 werden (siehe § 310 Rz. 14 ff.), gelten AGB in Arbeitsverträgen gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Arbeitgeber gestellt (dieser ist damit Verwender), wenn dieser Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist und die AGB nicht durch den Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt worden sind. Mit dieser gesetzlichen Fiktion wird dem Arbeitgeber der Einwand abgeschnitten, die vorformulierten Vertragsbedingungen seien nicht auf seine Veranlassung Vertragsinhalt geworden. Das betrifft in der Praxis die überwiegende Anzahl von Fällen. Ausgenommen sind Arbeitsverträge in Privathaushalten, da der Arbeitgeber hier nicht Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist, sowie Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen, da diese nicht Verbraucher i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB sind.2 Da § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB nur das Tatbestandsmerkmal des „Stellens“ fingiert, müssen die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 305 Abs. 1 BGB vorliegen und die Ausnahmevorschrift des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB darf nicht eingreifen. Der Arbeitgeber kann also bestreiten, dass der andere keine Einflussmöglichkeit gehabt haben will und einwenden, dass der Vertrag insgesamt oder Teile davon gem. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt worden sind.3 Dazu muss er konkret darlegen, welche Klauseln er auf welche Weise für den anderen erkennbar zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen geschlossen werden kann, der andere habe die Klauseln freiwillig akzeptiert.4 Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen der Fiktion hingegen trifft den Arbeitnehmer.5 Dabei ist zu berücksichtigen, dass über § 310 Abs. 3 1 2 3 4

Erman/Roloff, § 315 Rz. 12; unentschieden: DBD/Deinert, § 305 Rz. 21. DBD/Deinert, § 305 Rz. 17. WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 30. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – DB 2010, 170; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519. 5 WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 30.

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Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten auch die nur zur einmaligen Verwendung vorformulierten Vertragsbedingungen (Einzelvertrag) der AGB-Kontrolle unterworfen werden. Für den Einwand des Einführens der AGB durch den Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber beweispflichtig.1 Gelingt der Nachweis, ist zunächst nur die gesetzliche Fiktion aufgehoben; theoretisch steht dem Arbeitnehmer dann noch der Nachweis offen, dass trotz des u.U. rein formalen Einführens durch ihn, die AGB tatsächlich ganz oder in Teilen vom Arbeitgeber gestellt worden sind. Dies wird in der Praxis eher selten der Fall sein. Denkbar ist aber, dass der Arbeitnehmer einen bekanntermaßen vom Arbeitgeber verwandten Mustervertrag oder im Unternehmen übliche Allgemeine Arbeitsbedingungen im vorauseilenden Gehorsam in die Verhandlungen einführt. 37 Wollen ausnahmsweise sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die gleichen AGB verwenden, stellt sich die Frage nach dem Eintreten der gesetzlichen Fiktion gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Auch wenn derartiges in der Praxis für Arbeitsverträge selten sein dürfte,2 sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen etwa der Arbeitgeber eine kollektivrechtliche Verpflichtung umsetzen will/muss und der Arbeitnehmer für sich günstige Konditionen in Anspruch nehmen will (bspw. einen im Rahmen eines Interessenausgleichs/Sozialplans ausgehandelten hochdotierten Aufhebungsvertrag, weil er einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat). Richtigerweise wird man dann den Eintritt der Fiktion verneinen müssen, weil zumindest auch der Arbeitnehmer die Vertragsbedingungen eingeführt hat.3 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB grundsätzlich ein vom Unternehmer unbeeinflusstes Einführen durch den Verbraucher voraussetzt, was man im Regelfall nicht annehmen könne.4 Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zur Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen würde auf diese Weise durch eine nicht belegbare allgemeine Unterstellung ersetzt. In der vorbeschriebenen Konstellation ist die Annahme keineswegs abwegig, dass der Arbeitnehmer sogar ein besonders hohes Interesse daran haben kann, die für ihn günstigen Konditionen nicht selber aushandeln zu müssen. Er ist hinreichend dadurch geschützt, dass der Nichteintritt der

1 WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 30. 2 DBD/Deinert, § 305 Rz. 21. 3 A.A. WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 32; wohl auch UBH/Ulmer, § 310 Rz. 76; das BAG hat in einer ähnlichen Konstellation ohne weitere Prüfung den Arbeitgeber als Verwender angenommen: BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896. 4 So aber WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 32.

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Fiktion ihm gleichwohl den Nachweis offen lässt, es sei doch der Arbeitgeber gewesen, der die Bedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB gestellt habe. Die Vertragsbedingungen müssen vom Verwender bei Abschluss des 38 Vertrages gestellt werden. Damit ist für den Zeitpunkt der Beurteilung, wer die Bedingungen gestellt hat, jeweils der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem sie Vertragsinhalt wurden. Das kann der Zeitpunkt sein, zu dem der erste Vertrag zwischen den Parteien geschlossen wird, aber auch jeder nachfolgende Zeitpunkt, zu dem dieser Vertrag später – dann unter Einbeziehung der AGB – geändert oder ergänzt wird.1 Die Tatsache, dass ein Vertragspartner bei Abschluss des ersten Vertrages keine AGB stellt, sagt nichts über seine etwaige Verwenderstellung bei nachfolgenden Vertragsänderungen oder Vertragsergänzungen aus. 5. Unerhebliche Umstände (Satz 2) § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB zählt verschiedene Umstände auf, die der Quali- 39 fikation von Vertragsbedingungen als AGB im Sinn der Definition des Satz 1 nicht entgegenstehen. Damit unterstreicht der Gesetzgeber die grundlegende Bedeutung der AGB-Kontrolle, die nach Sinn und Zweck in erster Linie an materiellen Vorgaben und nicht an der äußerlichen Gestaltung anknüpft.2 Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Urkunden an sich. Sind 40 Vertragsbedingungen als AGB zu qualifizieren, kommt es nicht darauf an, ob sie in einer Vertragsurkunde – ggf. mit anderen Klauseln – zusammengefasst, ob sie als gesonderte Anlage oder gesondertes Vertragswerk (zum Beispiel über eine Bezugnahme- oder Verweisungsklausel) in den Ausgangsvertrag eingebunden werden.3 Letzteres ist in Arbeitsverträgen weit verbreitet bspw. die Verweisung auf Dienstwagenrichtlinien, Regelwerke zur betrieblichen Altersversorgung, Arbeitsordnungen oder Compliance-Regelungen (Code of Conduct, Regeln betr. Insiderhandel etc.) sowie die Einbeziehung von separat abzugebenden Verpflichtungserklärungen zum Datenschutz. Es ist ebenfalls unerheblich für die Qualifikation als AGB, welchen Um- 41 fang die Vertragsbedingungen haben. So kann der gesamte Vertragstext 1 OLG Frankfurt a.M. 9.5.1985 – 6 U 93/84 – NJW-RR 1986, 274; Erman/Roloff, § 315 Rz. 12; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 34; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 28. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 145; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 33; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 19. 3 DBD/Deinert, § 305 BGB Rz. 28; Erman/Roloff, § 315 BGB Rz. 16; MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 29, 30.

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den Charakter von AGB haben (reiner Mustervertrag), denkbar ist aber auch, dass nur einzelne Klauseln oder nur in Bezug genommene Anlagen oder Regelwerke als AGB zu qualifizieren sind, während der Rest der Vereinbarung, weil individuell ausgehandelt, nicht der AGB-Kontrolle unterfällt,1 oder umgekehrt, ein Individualvertrag nur eine AGBKlausel enthält.2 42 Der heute etwas altmodisch anmutende Hinweis auf die fehlende Relevanz der Schriftart ist zutreffenderweise dahin zu verstehen, dass es keine Rolle spielt, auf welche Weise die schriftliche Fixierung zustande kommt (handschriftlich, maschinenschriftlich, gedruckt, fotografiert) und in welchem Umfang hierfür moderne Speichermedien Verwendung finden.3 Der danach in Satz 2 genannte Umstand der Form bezieht sich dann zwar auf den Vertrag als solchen. Daraus kann aber mit der ganz herrschenden Meinung kein Umkehrschluss abgeleitet werden, dass AGB i.S.d. Satz 1 unbeschadet der Schriftart jedenfalls schriftlich fixiert sein müssen. Der Hinweis auf die Irrelevanz der Form des Vertrages impliziert, dass auch mündliche Bedingungen – auch in mündlichen Verträgen – AGB sein können. Deshalb können Bedingungen auch dann AGB sein, wenn sie niemals schriftlich fixiert worden sind.4 Dies entspricht der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des BGH,5 der mit Blick auf den Schutzzweck des AGBG diesen Umkehrschluss schon für den vormaligen § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG ablehnte. Unabhängig davon, ob man den Zweck der AGB-Kontrolle vor allem im Schutz des Verbrauchers oder darin sieht, ein strukturelles Machtungleichgewicht oder eine situative Informationsasymmetrie auszugleichen (siehe Einführung Rz. 30 ff.), kann es für das Eingreifen der AGB-Kontrolle keinen Unterschied machen, ob die AGB schriftlich fixiert gestellt werden, auswendig gelernt und nachfolgend erst in den Vertragstext aufgenommen oder 1 DBD/Deinert, § 305 Rz. 29; Erman/Roloff, § 315 Rz. 16; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 19. 2 MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 30; Erman/Roloff, § 315 Rz. 16; WLP/ Pfeiffer, § 305 Rz. 19. 3 DBD/Deinert, § 305 Rz. 30; MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 31. 4 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908; BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – NZA 2009, 49; Erman/Roloff, § 315 Rz. 16; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 21; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 22; UBH/Ulmer, § 305 Rz. 36; HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 7; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching/Jacobs, § 305 BGB Rz. 20; DBD/Deinert, § 305 Rz. 31. 5 BGH 12.6.2001 – IX ZR 274/00 – NJW 2001, 2635 (telefonisch geschlossener Vertrag); BGH 10.3.1999 – VIII ZR 204/98 – BGHZ 141, 108 (im Kopf gespeicherte Ergänzung); BGH 30.9.1987 – IVa ZR 6/86 – NJW 1988, 410 (auswendig gelernte Klausel).

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einfach nur mündlich vereinbart werden. Deshalb kann auch der nur am Telefon abgeschlossene Vertrag AGB enthalten.1 Die Diskussion darüber, ob AGB einer schriftlichen Fixierung bedürfen 43 (was nicht der Fall ist, s.o.), wird häufig nicht präzise geführt, wenn der Rechtsprechung vorgeworfen wird, die Qualifizierung auswendig gelernter Formulierungen als AGB sei Zeichen einer von der Rechtsprechung gegen den Willen des Gesetzgebers ausufernd betriebenen Inhaltskontrolle.2 § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB dokumentiert gerade den Willen des Gesetzgebers, die Qualifizierung einer Vertragsbedingung als AGB unabhängig von ihrer Form anhand nur materieller Kriterien vorzunehmen. Ob und welche Kontrolle im Anschluss folgt, ist eine davon zu trennende Frage. Entscheidend ist, dass eine Vertragsbedingung, die materiell als AGB zu qualifizieren ist, dies auch bleibt, unabhängig davon, ob sie mündlich oder schriftlich vereinbart wurde, und unabhängig davon, ob sie vor ihrer Vereinbarung jemals (ggf. an anderer Stelle) schriftlich fixiert war oder nur auswendig „aus dem Kopf“ repetiert wurde. Bei genauer Betrachtung hat § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB nur klarstellende Funktion. Bei Streichung ergäbe sich die entsprechende Wertung aus Satz 1.3 6. Individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen (Satz 3) Vertragsbedingungen, die individuell ausgehandelt wurden, sind keine 44 AGB. Hier hat die Privatautonomie funktioniert, beide Seiten haben ihre rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht wahrgenommen und ausgeübt. Deshalb besteht keine Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle. Im Ergebnis ist eine solchermaßen ausgehandelte Klausel materiell nichts anderes als eine Individualabrede i.S.d. § 305b BGB.4 Im Rahmen des § 305 Abs. 1 BGB dient die Prüfung, ob eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, der Feststellung des Vorliegens von AGB. Es findet also eine negative Abgrenzung statt. Was zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt wurde, kann nicht (mehr) AGB sein. Auch eine Klausel, die ursprünglich als vorformulierte AGB von einer Seite gestellt wurde, ändert, nachdem sie ausgehandelt wurde, ihren Charakter.5 Aus der ur1 BGH 12.6.2001 – IX ZR 274/00 – NJW 2001, 2635. 2 So wohl Wolfsteiner, DNotZ 1987, 691 in seiner Kritik zu OLG Karlsruhe 30.4.1986 – 13 U 52/85 – DNotZ 1987, 688. 3 Stoffels, AGB-Recht Rz. 145; Palandt/Grüneberg, § 305 Rz. 14; DBD/Deinert, § 305 Rz. 27. 4 DBD/Deinert, § 305b Rz. 3; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching/Jacobs, § 305b Rz. 2. 5 Stoffels AGB-Recht, Rz. 147.

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sprünglichen AGB wird nach dem Aushandeln eine Individualabrede, die keiner gesonderten Kontrolle mehr durch den Staat bedarf. § 305b BGB hingegen setzt voraus, dass es AGB gibt, und dass eine Individualabrede mit diesen AGB konkurriert, weil sie inhaltlich den gleichen Regelungsbereich tangiert. Es liegen also zwei Vertragsbedingungen vor, die inhaltlich miteinander konkurrieren. Die Auflösung dieser Konkurrenz erfolgt über § 305b BGB.1 45 Diese Abgrenzung findet sich auch in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn dort für das Eingreifen der AGB-Kontrolle vorausgesetzt wird, dass der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf die Vertragsbedingungen keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzung entspricht § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.2 Ursprünglich von einer Seite vorformulierte Bedingungen, die einzeln (mit welchem Endergebnis auch immer) ausgehandelt worden sind, unterliegen keiner Kontrolle, wenn und soweit der andere Vertragsteil auf ihren Inhalt Einfluss nehmen konnte.3 46 Wann aber ist eine Vertragsbedingung „ausgehandelt“? Nach herrschender Lehre wie auch übereinstimmender Rechtsprechung von BGH und BAG4 kann von einem Aushandeln in diesem Sinne nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen „ernsthaft zur Disposition stellt“ und dem Vertragspartner „Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt“ mit zumindest der „realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen“. Er muss sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Da sich eine solche Bereitschaft in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlage, könne allenfalls unter besonderen Umständen ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibe.5 Der Drit1 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; Bieder, SAE 2007, 379. 2 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24. 3 Vgl. BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – DB 2009, 2439; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519. 4 Siehe Nachweise bei Stoffels, AGB-Recht, Rz. 148. 5 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – DB 2010, 170; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 138; BAG 25.5.2005 – 5 AZR

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te Zivilsenat des BGH verlangt darüber hinaus, dass bei einem nicht ganz leicht verständlichen Text Voraussetzung für ein Aushandeln sei, dass der Verwender die andere Vertragspartei „über den Inhalt und die Tragweite“ der Vereinbarung im Einzelnen „belehrt“ haben muss, und dass der andere Vertragsteil den vorformulierten Inhalt „in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen haben müsse“.1 Betrachtet wird bei all dem nicht das verhandelte Vertragswerk insgesamt, sondern jede Klausel isoliert für sich. Angesichts dieser Vorgaben wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gerade bei Arbeitsverträgen zu schwierigen Problemen in der Abgrenzung zwischen AGB und Individualabreden kommen könne, die der Gesetzgeber zwar gesehen, deren Lösung er aber bewusst auf die Rechtsprechung abgeladen habe.2 Tatsächlich ist fraglich, ob es überhaupt möglich ist, trotz der Einführung von AGB die Aushandlung individueller Abreden darzulegen. Führt nicht der tatsächliche Ablauf einer Verhandlung angesichts der vorzitierten Maßstäbe automatisch zur Feststellung, dass einmal eingeführte Vertragsbedingungen nicht ausgehandelt sind, ja gar nicht sein können? Wie verhandelt man seine Position inhaltlich ernsthaft, wenn man rechtlich gezwungen ist, sie mindestens ebenso „ernsthaft“ zur Disposition zu stellen?

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Wie also kann der Verwender darlegen und ggf. sogar beweisen, dass es 48 ein solches Aushandeln, gleich mit welchem Ergebnis gegeben hat? Die bisherige Rechtsprechung und Literatur beschreibt dies u.a. mit der Formel, der Verwender müsse sich ernsthaft zu der vom Vertragspartner gewünschten Änderung bereit erklären.3 Wenn dies gilt, bedeutet es im Ergebnis Folgendes: Der Verwender darf zwar ein Angebot in Form von AGB unterbreiten, muss dann aber auf jedweden Änderungswunsch eingehen, um sich nicht dem Einwand auszusetzen, es sei eben doch nur ver- nicht aber ausgehandelt worden. Das kann nicht richtig sein, denn dann wäre das Aushandeln faktisch ersetzt durch einen Kontraktionszwang für das Gegenangebot. Das hätte mit Vertragsgerechtigkeit so we572/04 – NZA 2005, 1111; BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98 – BGHZ 143, 104; BGH 3.4.1998 – V ZR 6/97 – NJW 1998, 2600. 1 BGH 19.5.2005 – III ZR 437/04 – NJW 2005, 2543; zu Recht kritisch Gottschalk, NJW 2005, 2493. 2 MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 36 m.w.N. 3 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – DB 2010, 170; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 18.1.2006 – 7 AZR 191/05 – NZA 2007, 351; BGH 17.2.2010 – VIII ZR 67/09 – NJW 2010, 1131; BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98 – BGHZ 143, 104; BGH 3.4.1998 – V ZR 6/97 – NJW 1998, 2600.

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nig zu tun, wie umgekehrt die Notwendigkeit zur Annahme des Erstangebots. 49 Andere Formulierungen lauten: der Partner müsse reale Möglichkeiten haben, die inhaltliche Ausgestaltung der AGB zu beeinflussen oder noch weitergehender, er müsse die letztendlich akzeptierte Klausel in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen haben.1 So wohlklingend die Formulierungen sind, wie soll ein Gericht entsprechende Feststellungen treffen, vor allem auf Basis welcher Sachverhalte bzw. Tatsachen. Der die Vertragsbedingungen angreifende Kläger wird sicher nicht vortragen, dass er es ursprünglich genauso gewollt habe, und der Vortrag des Verwenders, er habe jede Möglichkeit eingeräumt, dass die Ausgestaltung der AGB im Rahmen der Verhandlung inhaltlich vom anderen beeinflusst werden konnten, reicht nach herrschender Meinung nicht aus.2 Letztlich werden innere Tatsachen und Motivationslagen vorausgesetzt, die einer gerichtlichen Feststellung jedenfalls in der Regel nicht zugänglich sind. 50 So nachvollziehbar die bisher verwendeten Formeln in ihrem theoretischen Ansatz sind, so sehr negieren sie auch die tatsächlichen Abläufe einer Verhandlung. Die Vorstellung, dass bei – auch nur grundsätzlich – gleicher „Mächtigkeit“ der Vertragsparteien sich automatisch ein Zustand von Vertragsgerechtigkeit, im Sinn einer ausgewogenen Interessenabwägung für jede einzelne Klausel einstellt, entspricht einem abstrakten Ideal, aber nicht dem Wesen einer realen Vertragsverhandlung. Der interessengerechte und deshalb faire Kompromiss liegt hier in der Summe der Gesamtregelungen, die einmal den Interessen des einen, einmal den Interessen des anderen Partners den Vorrang einräumen. Darin genau zeigt sich eine weitere Schwäche der bisherigen Prüfungsmaßstäbe.3 Der Gesamtzusammenhang einer Verhandlung spielt keine Rolle, weil nicht geprüft wird, ob ein Vertrag ausgehandelt wurde, sondern ob die einzelne Klausel, ja unter Umständen nur eine Teilregelung derselben, das Ergebnis eines Aushandelns an sich war.4 Welcher Kläger wird vortragen, dass er die Ausschlussklausel nicht verhandelt hat, weil sie ihn angesichts der on top ausgehandelten Privatnutzung des Dienstwagens und der verbesserten variablen Vergütung schlicht nicht interessierte. Geht man die Klauseln eines Arbeitsvertrages durch, gibt es jen1 BGH 19.5.2005 – III ZR 437/04 – NJW 2005, 2543. 2 BGH 19.5.2005 – III ZR 437/04 – NJW 2005, 2543; vgl. auch MünchKommBGB/ Basedow, § 305 Rz. 37, 44. 3 Siehe auch die treffsichere Kritik bei Zöllner ZfA 2010, 637 (643). 4 Exemplarisch BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519 m.w.N.

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seits der finanziellen Zusagen sicher wenige Regelungen, die ein Arbeitnehmer akzeptiert, weil er von der „sachlichen Notwendigkeit überzeugt“1 ist. Realistischerweise wird er als Ergebnis eines Aushandelns eine aus seiner Sicht nicht sachlich notwendige Klausel dann akzeptieren, wenn er deren Folgen für sich persönlich nicht als negativ ansieht oder dafür an anderer Stelle eine für ihn ausreichende Kompensation erhält. Da die bisherigen Prüfungsmaßstäbe tatsächlichen Verhandlungsver- 51 läufen nur begrenzt gerecht werden, müssen die Maßstäbe zumindest für das Arbeitsrecht überprüft werden. Auch wenn man zu Recht bezweifeln kann, ob Privatautonomie sich vornehmlich in ausgehandelten Klauseln widerspiegelt,2 muss die gesetzliche Vorgabe auch für Arbeitsverträge sinnvoll umgesetzt werden.3 Die Abgrenzung der AGB von der ausgehandelten Individualabrede ist hierbei die grundlegende „Weichenstellung“.4 Setzt man beim Wortlaut des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB an, kommt es tatsächlich auf die Unterscheidung von Verhandeln und Aushandeln an. Der Unterschied besteht darin, dass einmal „nur“ miteinander gesprochen, nämlich verhandelt wird, während das Aushandeln ein Ergebnis liefert, das in Abwägung der Interessen regelmäßig ein Kompromiss sein wird. Im Ergebnis legt Satz 3 fest, dass AGB nicht vorliegen, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Daraus folgt nicht, dass jede einzelne Klausel für sich ausgehandelt sein muss. Natürlich können AGB nur aus einer einzelnen Klausel bestehen, AGB im gesetzlichen Sinn kann aber auch der Formularvertrag in seiner Gesamtheit sein. Entscheidend für die Prüfung, was ausgehandelt wurde, ist, was Gegenstand des „Stellens“ ist. Im ersteren Fall (Einzelklausel) wird nur die Aushandlung der einen Klausel geprüft, im zweiten Fall kommt es darauf an, ob über den Vertrag mit all seinen Bedingungen als einem einheitlichen Angebot verhandelt, und er im Ergebnis dann auch ausgehandelt worden ist. Das lässt sich auch mit der Formulierung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vereinbaren. Kontrollfähig sind danach Bedingungen, soweit der Verbraucher „auf Grund der Vorformulierung“ auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. 1 Nicht weniger als das verlangt die Rechtsprechung z.B.: BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19. 2 Zu Recht ablehnend Zöllner, ZfA 2010, 637 (643 f.). 3 Zur verfassungsrechtlichen Vorgabe siehe BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – NJW 2007, 286; BVerfG 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02 – NJW 2005, 1036; BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – NJW 1990, 1469. 4 von Westphalen, BB 2011, 195.

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§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

52 Denkbar ist, wenn auch rein tatsächlich eher selten, dass nach einer Verhandlung ein ausgehandeltes Ergebnis vorliegt, das dem ursprünglichen Angebot entspricht. Wird vom Verwender vorformuliert und bleibt es bei dieser Formulierung, hatte der andere schon ausweislich des Ergebnisses keinen Einfluss. Ausgehandelt i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Vertrag nur sein, wenn die ursprüngliche Formulierung auch – und sei es noch so geringfügig – verändert wurde. Da das Gesetz von Aushandeln spricht, reicht das bloße Verhandeln eines Angebots eben nicht aus. Bleibt es beim ursprünglichen Angebot, dann ist nichts ausgehandelt worden, weil die Verhandlung der einen Seite erfolglos war. Zumindest für den Arbeitsvertrag wird man davon ausgehen können, dass ein völliger Gleichlauf der Interessen nicht vorliegen kann, weshalb die Möglichkeit, dass nach tatsächlich intensiver ernsthafter Verhandlung in der Sache keine einzige Änderung im Vertragstext vorgenommen wird, eine rein theoretische und damit im Interesse der Rechtssicherheit zu vernachlässigende Variante ist. Bezüglich der Vorgaben von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann nichts anderes gelten. Gibt es keine Veränderung im vorformulierten Angebot, kann jenseits noch so intensiver Verhandlungen der andere keinen Einfluss gehabt haben. Selbst wenn er, was aus oben dargelegten Gründen eher gekünstelt erscheint, zu besserer Erkenntnis gelangt wäre, hätte er vielleicht dazugelernt, aber weder erfolgreich etwas ausgehandelt noch auf die Vertragsbedingungen Einfluss genommen. Da eine solchermaßen unterstellte „bessere Erkenntnis“ aber auch theoretisch nur im Einklang mit seinen Interessen denkbar ist, müsste sich dann spätestens auf der Ebene der Inhalts- bzw. Transparenzkontrolle die Wirksamkeit der Regelung erweisen. In der ersten Stufe ist also abweichend von der herrschenden Meinung1 dem Wortlaut folgend für das Vorliegen einer „ausgehandelten“ bzw. vom Verbraucher „beeinflussten“ Regelung nur zu verlangen, dass im vorformulierten gestellten Regelwerk (nicht aber in jeder einzelnen Klausel) Änderungen nach Verhandlung erfolgten. Dabei muss es sich um inhaltlich nicht unerhebliche Änderungen handeln. Sind an einzelnen, sei es nur an einer der eingeführten Klauseln derartige Änderungen vorgenommen worden, die aus den Verhandlungen resultieren, so spricht der erste Anschein dafür, dass der andere Vertragspartner Einfluss nehmen konnte, bzw. ein insgesamt ausgehandeltes Ergebnis vorliegt. 53 Die Vertragsbedingungen müssen zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt werden. Es reicht nicht aus, wenn im Vertrag auf Bedingun-

1 Vgl. dazu die umfassenden Nachweise bei von Westphalen, BB 2011, 195.

132 Clemenz

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gen Bezug genommen wird, die Dritte ausgehandelt haben. Dies gilt im Arbeitsrecht vor allem für die Bezugnahme auf kollektivrechtliche Regelungen wie etwa einen Interessenausgleich,1 Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge. Im Rahmen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB geht es nicht um die Frage, inwieweit eine Regelung ausgewogen sein kann, das ist Gegenstand der ggf. weitergehenden Inhaltskontrolle, sondern allein darum, ob die konkrete Regelung von den vertragsschließenden Parteien ausgehandelt wurde, und deshalb keiner weitergehenden Kontrolle mehr unterliegt. Werden von Dritten ausgehandelte Regelwerke vertraglich in Bezug genommen, so kommt es allein auf die Frage an, ob die Bezugnahmeklausel ausgehandelt wurde. Ist dies der Fall, dann gilt dies auch für den Gegenstand der Bezugnahme; wenn nicht, dann unterliegt auch das in Bezug genommene Regelwerk der Kontrolle. 7. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von AGB liegt nach herrschender Meinung bei dem, der sich auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft,2 das ist im Arbeitsrecht in der Regel der Arbeitnehmer. Dieser muss also darlegen und beweisen, dass der Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbedingungen i.S.d. § 305 BGB gestellt hat.

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Nach herrschender Meinung soll bereits die äußere Gestaltung den Beweis des ersten Anscheins auslösen, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um AGB handelt, wenn diese „aller Lebenserfahrung nach“ zur mehrfachen Verwendung entworfen und von einem professionellen Marktteilnehmer gestellt worden sind.3 Die Kriterien im Einzelfall sind schwer verifizierbar. So soll sowohl die äußere Form (Computerausdruck) als auch der Inhalt, Indizwirkung haben. In einer Zeit, in der selbst Schüler selbstverständlich auf Textvorlagen aller Art im Internet zugreifen und diese ebenso selbstverständlich mit „copy and paste“ für sich vereinnahmen, erscheint dies mehr als fraglich. Wenn man nicht zum Ergebnis gelangen will, dass alles AGB ist (bzw. jedenfalls für jeden

55

1 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896; BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – BAGE 122, 197. 2 MünchKommBGB/Basedow, § 305 Rz. 43; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching/Jacobs, § 305 BGB Rz. 34; HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 14; Hk-BGB/ Dörner, § 305 Rz. 21; Erman/Roloff, § 305 Rz. 58; WLP/Pfeiffer, § 305 Rz. 111; BGH 6.12.2002 – V ZR 220/02 – NJW 2003, 1313; BGH 21.11.1995 – XI ZR 255/94 – WM 1996, 56; BGH 14.5.1992 – VII ZR 204/90 – NJW 1992, 2160. 3 BGH 24.11.2005 – VII ZR 87/04 – WM 2006, 247; im Übrigen siehe Nachweise bei Stoffels, AGB-Recht, Rz. 150 und DBD/Deinert, § 305 BGB Rz. 32.

Clemenz 133

§ 305

Einbeziehung in den Vertrag

Text der Beweis des ersten Anscheins gelten soll), weil jede Klausel und jeder Klauselteil schon einmal an anderer Stelle Verwendung gefunden hat, kann man heutzutage nicht mehr seriöser Weise erwarten, dass ein Vertragstext den kundigen Juristen mit ihm völlig unbekannten Formulierungen überrascht bzw. andernfalls AGB sein muss. Die Tatsache eines gedruckten Schriftbildes ist gleichermaßen aussagelos. Ein Anscheinsbeweis wird deshalb nur dann ausgelöst, wenn die Vertragsbedingungen nicht nur gedruckt vorliegen und formelhafte Wendungen enthalten, sondern darüber hinaus erkennbar keine Abstimmung auf eine individuelle Verhandlungssituation stattgefunden hat.1 56 Im Arbeitsrecht wird dies regelmäßig gleichwohl nicht zu weiteren Problemen für den Arbeitnehmer führen, weil zu seinen Gunsten gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB vermutet wird, dass der Arbeitgeber (der von wenigen Ausnahmen abgesehen Unternehmer ist) die Vertragsbedingungen gestellt hat. Gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB können sodann auch nur zur einmaligen Verwendung bestimmte vorformulierte Vertragsbedingungen der Kontrolle nach §§ 305c Abs. 2, 306, 307–309 BGB unterworfen werden. Bei der weiterhin zu beweisenden Vorformulierung wird häufig der Beweis des ersten Anscheins greifen (siehe Rz. 55) III. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB (Abs. 2) 57 Nach der Systematik des § 305 BGB können AGB nur Vertragsbestandteil werden, wenn sie entsprechend der Vorgaben von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB einbezogen wurden. Für Arbeitsverträge legt aber § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB fest, dass diese Vorschriften keine Anwendung finden. Ausweislich der Gesetzesbegründung2 ging der Gesetzgeber davon aus, dass wegen des Nachweisgesetzes kein weiterer Regelungsbedarf besteht. Dies ist, wie in der Literatur zu Recht vielfach kritisiert,3 eine Fehleinschätzung, da das Nachweisgesetz den Arbeitgeber unstreitig gerade nicht verpflichtet, die schriftlich vereinbarten Arbeitsvertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuhändigen.

1 Ähnlich, aber nicht ganz so eng: BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – NZA 2008, 1004; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746. 2 BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 3 WLP/Stoffels, Anh. zu § 310 Rz. 43; DBD/Deinert, § 305 Rz. 38; Annuß, BB 2002, 460; Richardi, NZA 2002, 1058; Diehn, NZA 2004, 129; Stoffels, AGBRecht, Rz. 307.

134 Clemenz

Rahmenvereinbarung

§ 305

Die gesetzgeberische Fehleinschätzung ändert nichts am eindeutigen 58 Normbefehl. Eine analoge Anwendung der ausdrücklich für nicht anwendbar erklärten Vorschriften scheidet damit aus.1 Die Frage, ob AGB vertraglich vereinbart sind, entscheidet sich nach den üblichen vertragsrechtlichen Regeln. Die Vereinbarung kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ob die Bezugnahme hinreichend bestimmt oder für den Vertragspartner verständlich ist, ist grundsätzlich keine Frage des Zustandekommens der Vereinbarung an sich, sondern ggf. der Transparenz- und/oder Inhaltskontrolle. Dabei ist aber zu beachten, dass eine Verweisungsklausel sich nur auf solche Regelungen erstrecken kann, deren Einbeziehung durch den Parteiwillen gedeckt ist.2 Zudem hat das BVerfG bereits früh darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Verweisungen verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten sind, weshalb derartige Klauseln nicht in einer Weise ausgedehnt werden dürfen, die für die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Abschlusses keineswegs vorhersehbar war.3 IV. Rahmenvereinbarung (Abs. 3) Gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ist auch § 305 Abs. 3 BGB auf 59 Arbeitsverträge nicht anwendbar. Hier gilt gleiches, wie zum Ausschluss von § 305 Abs. 2 bereits angemerkt. Der Normbefehl ist eindeutig. Unabhängig davon aber ist ein eigenständiger Anwendungsbereich für das Arbeitsrecht nicht ersichtlich. Die Rechtsprechung differenziert bei sog. Rahmenverträgen zu Recht danach, ob bereits mit dem Rahmenvertrag eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet wird (nur dann liegt ein Arbeitsvertrag vor) oder nur allgemeine Bedingungen für später abzuschließende auf den Einsatz befristete Arbeitsverträge (klassisch: befristete Tagesaushilfen) vereinbart werden (dann liegt kein Arbeitsvertrag vor).4 Fehlt die Verpflichtung zur Arbeitsleistung, greifen die § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, weil es sich nicht um Arbeitsverträge handelt. Beinhaltet der Rahmenvertrag bereits die Verpflichtung zur Arbeitsleistung, unterfällt er wie jeder andere Arbeitsvertrag auch dem

1 BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – NZA 2008, 45; WLP/Stoffels, Anh. zu § 310 Rz. 43; ErfK/Preis §§ 305–310 Rz. 26; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 212; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 307. 2 Bayreuther in FS Kreutz (2010), S. 29 ff. (32). 3 BVerfG 23.4.1986 – 2 BvR 487/80 – NJW 1987, 827. 4 BAG 16.4.2003 – 7 AZR 187/02 – DB 2003, 2391; BAG 31.7.2002 – 7 AZR 181/01 – DB 2003, 96; BAG 3.11.1999 – 7 AZR 683/98, n.v.

Clemenz 135

§ 305a

Einbeziehung in besonderen Fällen

vorgegebenen Reglement der §§ 305 ff. BGB mit den in § 310 BGB vorgesehenen Besonderheiten. Einbeziehung in besonderen Fällen

305a

Auch ohne Einhaltung der in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Erfordernisse werden einbezogen, wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist, 1. die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarife und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahnen und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr in den Beförderungsvertrag, 2. die im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen veröffentlichten und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereitgehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) in Beförderungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen durch den Einwurf von Postsendungen in Briefkästen abgeschlossen werden, b) in Verträge über Telekommunikations-, Informations- und andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht werden, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss zugänglich gemacht werden können. Nicht kommentiert. Vorrang der Individualabrede

305b

Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Individualabrede . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Individualabrede . .

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136 Clemenz

3. Sonderfall: Betriebliche Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Abweichung der Individualabrede von AGB . . . . . . . . . . . . 13

§ 305a

Einbeziehung in besonderen Fällen

vorgegebenen Reglement der §§ 305 ff. BGB mit den in § 310 BGB vorgesehenen Besonderheiten. Einbeziehung in besonderen Fällen

305a

Auch ohne Einhaltung der in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Erfordernisse werden einbezogen, wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist, 1. die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarife und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahnen und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr in den Beförderungsvertrag, 2. die im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen veröffentlichten und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereitgehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) in Beförderungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen durch den Einwurf von Postsendungen in Briefkästen abgeschlossen werden, b) in Verträge über Telekommunikations-, Informations- und andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht werden, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss zugänglich gemacht werden können. Nicht kommentiert. Vorrang der Individualabrede

305b

Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Individualabrede . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Individualabrede . .

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3. Sonderfall: Betriebliche Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Abweichung der Individualabrede von AGB . . . . . . . . . . . . 13

§ 305a

Einbeziehung in besonderen Fällen

vorgegebenen Reglement der §§ 305 ff. BGB mit den in § 310 BGB vorgesehenen Besonderheiten. Einbeziehung in besonderen Fällen

305a

Auch ohne Einhaltung der in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Erfordernisse werden einbezogen, wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist, 1. die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarife und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahnen und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr in den Beförderungsvertrag, 2. die im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen veröffentlichten und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereitgehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) in Beförderungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen durch den Einwurf von Postsendungen in Briefkästen abgeschlossen werden, b) in Verträge über Telekommunikations-, Informations- und andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht werden, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss zugänglich gemacht werden können. Nicht kommentiert. Vorrang der Individualabrede

305b

Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Individualabrede . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Individualabrede . .

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136 Clemenz

3. Sonderfall: Betriebliche Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Abweichung der Individualabrede von AGB . . . . . . . . . . . . 13

§ 305b

Systematik IV. Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdrängung der konkurrierenden AGB-Klausel . . . . . . . . 2. Schriftformklauseln . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . .

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b) Maßgebliches Prüfprogramm . . . . . . . . . . . . . . . 20 V. Beweislast für Individualvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . 24

I. Systematik § 305b BGB bringt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Ausdruck. 1 Die individuell ausgehandelte Vereinbarung (die Individualabrede) geht den in Bezug genommenen generellen Bedingungen (AGB) vor. Damit wird ein allgemeiner Gedanke des Vertragsrechts1 manifestiert, wonach spezielle Abreden Vorrang haben vor generellen, allgemeinen Vertragsregelungen.2 Gleichzeitig sind Vertragsbedingungen, die individuell ausgehandelt wurden, keine AGB. Hier hat die Privatautonomie funktioniert, beide Seiten haben ihre rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht wahrgenommen und ausgeübt. Deshalb besteht keine Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle. Im Ergebnis ist eine Individualabrede i.S.d. § 305b BGB materiell nichts anderes als eine ausgehandelte Klausel i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.3 Systematisch besteht der Unterschied im Ausgangspunkt der jeweiligen 2 Prüfung. Im Rahmen des § 305 Abs. 1 BGB dient die Prüfung, ob eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, der Feststellung des Vorliegens von AGB. Es findet also eine negative Abgrenzung statt. Was zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt wurde, kann nicht AGB sein. § 305b hingegen setzt voraus, dass es AGB gibt und dass eine Individualabrede mit diesen AGB konkurriert, weil sie inhaltlich den gleichen Regelungsbereich tangiert. Es liegen also zwei Vertragsbedingungen vor, die inhaltlich miteinander konkurrieren. § 305b BGB ordnet als Konkurrenzregel ein funktionelles Rangverhältnis an, das diese Konkurrenz zu Gunsten der Individualabrede auflöst;4 die AGB tritt zurück, ohne unwirksam zu sein. § 305b ist keine Auslegungsregel, weil eine Konkurrenz nur vor1 So schon BAG 30.11.1994 – 5 AZR 702/93 – NZA 1995, 695; Stoffels, AGBRecht, Rz. 344; MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 1; DBD/Däubler, § 305b Rz. 1; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 1, 7. 2 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 3c; DBD/Deinert, § 310 Rz. 18. 3 DBD/Deinert, § 305b Rz. 3; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching/Jacobs, § 305b BGB Rz. 2; Palandt/Grüneberg, § 305b Rz. 1; Erman/Roloff, § 305b Rz. 4. 4 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02 – NJW 2006, 138; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 1, 11; Prütting/Wegen/Weinreich/Berger, § 305b Rz. 1; Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305b Rz. 2; Bie-

Clemenz 137

§ 305b

Vorrang der Individualabrede

liegen kann, wenn ein etwaiger Widerspruch auch im Wege der Auslegung beider Vertragsbedingungen nicht aufgelöst werden konnte.1 3 Voraussetzung für die Anwendung von § 305b BGB ist, dass es wirksam einbezogene AGB gibt, die einer Individualabrede entgegenstehen können. Wurde die AGB bereits nicht wirksam einbezogen oder scheitert sie an Inhalts- oder Transparenzkontrolle, kann keine Konkurrenzsituation entstehen.2 Deshalb ist § 305b BGB nicht AGB-Einbeziehungsvoraussetzung.3 4 Im Arbeitsrecht ist zu beachten, dass sich die Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB für vorformulierte Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen nicht auf § 305b BGB erstreckt. Nach zutreffender Auffassung führt dies aber nicht dazu, dass Individualabreden diesen gegenüber kein Vorrang zukommt, da der allgemein geltende Grundsatz des Vorrangs individueller Vertragsregelungen auch ohne Verweisung Anwendung findet (siehe § 310 Rz. 35). Wenn man dem nicht folgen will, wäre § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB richtlinienkonform ergänzend so auszulegen, dass § 305b BGB Anwendung findet.4 Ob gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB aufgrund im Arbeitsrecht geltender Besonderheiten die Anwendbarkeit von § 305b BGB ausgeschlossen sein kann, wird streitig beurteilt,5 ist aber zumindest für die betriebliche Übung zu bejahen. II. Individualabrede 1. Begriff 5 Die negative Abgrenzung lautet: Die Individualabrede kann nicht AGB sein. Entgegen teilweise vertretener Auffassung6 kann sie aber äußerlich

1

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der, SAE 2007, 379; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 345; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 107. So zu Recht: MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 2; wohl auch Erman/Roloff, § 305b Rz. 1; a.A.: UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 8; Hk-BGB/SchulteNölke, § 305b Rz. 1. UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 2, 8; Erman/Roloff, § 305b Rz. 2; Hromadka, DB 2004, 1261; Leder/Scheuermann, NZA 2008, 1222. A.A.: WLP/Lindacher, § 305b Rz. 2 (Einbeziehungsvoraussetzung der Individualabredeverträglichkeit); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 346; HWK/Gotthardt, § 305b BGB Rz. 4. UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 3c; a.A.: Erman/Roloff, § 305b Rz. 3. Dagegen: MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 10; Richardi, NZA 2002, 1057; Roloff, NZA 2004, 1191; dafür: BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; Hromadka, DB 2004, 1261. WLP/Lindacher, § 305b BGB Rz. 6, wonach vorformulierte Vereinbarungen nicht Individualabrede i.S.d. § 305b sein können.

138 Clemenz

Individualabrede

§ 305b

durchaus den Tatbestand einer AGB i.S.d. § 305 BGB erfüllen. Wird sie gleichwohl ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), wird die vormalige AGB aber zur Individualabrede.1 Der Begriff der Individualabrede ist aber weiter als der des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.2 Positiv formuliert ist die Individualabrede jede Vereinbarung der Parteien, die zwischen ihnen – sei es ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder mündlich – vor, bei oder nach Vertragsschluss ausgehandelt wurde.3 2. Wirksame Individualabrede Nur wirksame Klauseln können kollidieren. Sowohl die AGB-Klausel 6 als auch die Individualabrede muss wirksam vereinbart sein.4 Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vertragspartner von bestehenden AGB abweichen wollten, zu wessen Gunsten die Abweichung wirkt, oder ob ihnen überhaupt bewusst war, dass zu dem Regelungsgegenstand AGB existieren.5 Es ist auch denkbar, dass die Vertragsparteien ein objektiv vom Sinngehalt der AGB-Klausel abweichendes gemeinsames Verständnis haben, das durch schlüssiges Handeln dokumentiert wird (z.B. unter Zugrundelegung der Versorgungsordnung objektiv fehlerhafte, nach beiderseitigem Parteiverständnis aber zutreffende bzw. gewollte Rentenberechnung). Auch in einem solchen Fall liegt eine – konkludent geschlossene – Individualabrede vor, die den AGB und einem abweichenden objektiven Auslegungsergebnis derselben vorgeht.6 Aus dieser Voraussetzung der Wirksamkeitsnotwendigkeit ergibt sich 7 ein Sonderproblem wechselbezüglicher Rechtswirksamkeitsprüfungen, insbesondere mit Blick auf gewillkürte Formvorschriften. Da auch die Individualabrede wirksam vereinbart sein muss, damit sie gemäß § 305b 1 Erman/Roloff, § 305b Rz. 4; MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 5. 2 Erman/Roloff, § 305b Rz. 4. 3 WLP/Lindacher, § 305b Rz. 5; Erman/Roloff, § 305b Rz. 4; MünchKommBGB/ Basedow, § 305b Rz. 5; a.A.: Däubler/Bonin/Däubler/Däubler, § 305b Rz. 4, der auch nicht ausgehandelte Vereinbarungen als Individualabreden ansieht. 4 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 11; MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 5; Erman/Roloff, § 305b Rz. 5, 10; Prütting/Wegen/Weinreich/Berger, § 305b Rz. 2; wohl auch Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305b Rz. 3; Hromadka DB 2004, 1261. 5 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02 – NJW 2006, 138; MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 5; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 12. 6 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896; BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154; BGH 14.6.2006 – IV ZR 54/05 – VersR 2006, 1246; BGH 9.3.1995 – III ZR 55/94 – NJW 1995, 1494.

Clemenz 139

§ 305b

Vorrang der Individualabrede

BGB in Konkurrenz treten kann, wäre eine – unterstellt wirksam vereinbarte – Schriftformklausel geeignet, die Wirksamkeit einer nachfolgenden – nur mündlich vereinbarten – Individualabrede zu verhindern. Hier ergeben sich gesonderte Fragen in der Abgrenzung zwischen individuell ausgehandelter Schriftformklausel und solchen, die AGB sind. 8 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Frage der Reichweite einer erteilten Vertretungsmacht, wenn bspw. auf Arbeitgeberseite (was regelmäßig der Fall ist) ein Vertreter handelte und der Arbeitnehmer eine dem Formulararbeitsvertrag vorgehende Individualabrede behauptet. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze des Vertretungsrechts. Die Reichweite einer Prokura ist gesetzlich definiert. Anders als im allgemeinen Zivilrecht spielt § 54 HGB für die Bewertung einer Vertretungssituation im Arbeitsverhältnis keine besondere Rolle, weshalb ein Großteil der daran anknüpfenden Rechtsprechung nicht auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann. Stattdessen muss den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses im Tatsächlichen auch bei Anwendung des Vertretungsrechts, wie auch der Grundsätze zur Anscheins- und Duldungsvollmacht Rechnung getragen werden. 9 Wird auf Arbeitgeberseite ein (in dieser Funktion bekannt gemachter) Personalleiter tätig, ist davon auszugehen, dass er als zur Einstellung von Personal Berechtigter1 in dieser Funktion auch bevollmächtigt ist, sämtliche Bedingungen eines Arbeitsvertrages mit dem Arbeitnehmer rechtswirksam zu vereinbaren. Soweit er dem Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in entsprechender Weise bekannt gemacht war, folgt dies jedenfalls aus den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht, wenn er in dieser Funktion auftritt. Für einfache Personalsachbearbeiter oder juristische Mitarbeiter der Personalabteilung gelten diese Grundsätze ebenfalls. Es kommt dann aber im Einzelfall darauf an, ob der Arbeitnehmer in Anwendung dieser Grundsätze aufgrund der konkreten Situation von einem wirksamen Vertreterhandeln ausgehen durfte und der Arbeitgeber sich dies zurechnen lassen muss. 10 Sowohl bei der Vollmacht „qua Funktion“ (Personalleiter) als auch für das Verhindern eines zurechenbaren „Anscheins“ oder einer „Duldung“ können sich Hinweise auf den Umfang der Vertretungsmacht sowohl aus den Begleitumständen der Verhandlungssituation als auch aus dem Vertrag selbst ergeben. Ein solcher Hinweis ist keine Vertragsbedingung, er beschreibt lediglich den Umfang der Vertretungsmacht bzw. deren 1 St. Rspr. siehe dazu nur BAG 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, NZA 2011, 683 m.w.N.

140 Clemenz

Individualabrede

§ 305b

Grenzen und ist daher ohne weiteres zulässig.1 Außer im Wege eines ausdrücklichen Hinweises kann die Beschränkung der Vollmacht des Vertreters aber auch auf anderem Wege dokumentiert werden, z.B. im Wege einer Schriftformklausel oder durch einen Bestätigungsvorbehalt, der die über den Vertragstext hinausgehenden Zusagen des Vertreters unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt.2 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die regelmäßig zu Massengeschäften (noch dazu häufig in Verbandsprozessen) ergangene Rechtsprechung des BGH zur Vertreterproblematik nur begrenzt auf das Arbeitsrecht übertragbar ist. Die Situation eines Kunden, der ein Elektrogerät bei einem bundesweit vertretenen Händler zur Reparatur bringt, ist bezüglich seiner Wahrnehmung der Befugnisse des die Reparatur annehmenden Mitarbeiters nicht vergleichbar mit der des Arbeitnehmers bei Unterzeichnung seines Arbeitsvertrages oder später anlässlich etwaiger mündlicher Versprechungen durch Vorgesetzte oder andere Mitarbeiter seines Arbeitgebers. Der Arbeitgeber darf in jeder Form auf die Beschränkung der erteilten Vollmacht hinweisen, dieser Hinweis muss nur als solcher für den Arbeitnehmer verständlich und erkennbar sein. Einer AGB-Kontrolle unterliegt dieser Hinweis nicht, weil es sich nicht um eine Vertragsbedingung handelt. 3. Sonderfall: Betriebliche Übung Die betriebliche Übung begründet zwar einen vertraglichen Anspruch, sie entsteht aber nicht im Wege bilateraler Verhandlung, sondern aufgrund tatsächlichen einseitigen Handelns des Arbeitgebers. Das BAG grenzt deshalb die betriebliche Übung als kollektivrechtliche Rechtsgrundlage, die einseitig gestellt und eben nicht individuell ausgehandelt sei, von der Individualabrede i.S.d. § 305b BGB ab,3 weshalb die Vorrangregelung für sie nicht gelte. Dem ist im Ergebnis4 mit der soweit ersichtlich herrschenden Meinung zuzustimmen.5 Unabhängig davon, wie die 1 Vgl. dazu BGH 14.7.1994 – VII ZR 186/93 – BB 1994, 2169. 2 Vgl. dazu BGH 25.2.1982 – VII ZR 268/81 – NJW 1982, 1389; Palandt/Grüneberg, § 305b Rz. 5; Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305b Rz. 5; kritisch MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 14. 3 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BAG 24.6.2003 – 9 AZR 302/02 – NZA 2003, 1145. 4 Das Erfordernis eines kollektiven Tatbestands wird nämlich keineswegs durchgängig zum Entstehen einer betrieblichen Übung konsequent vorausgesetzt, bzw. geprüft, vgl. auch Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag II S Rz. 13. 5 A.A.: Lakies AGB im Arbeitsrecht, Rz. 120; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag II S Rz. 13; wohl auch Roloff, NZA 2004, 1191.

Clemenz 141

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§ 305b

Vorrang der Individualabrede

Entstehung der betrieblichen Übung dogmatisch begründet wird, sie führt stets zu einer Änderung des einzelnen Vertrages und ist Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB (siehe Rz. 17 f.). Aus der „Natur“ der betrieblichen Übung folgt, dass gerade kein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB stattfindet. Allein das rein tatsächliche einseitige Handeln des Arbeitgebers löst das Entstehen des vertraglichen Anspruchs aus. Diese Vertragsbedingung ist – darauf kommt es für die Entstehung der betrieblichen Übung nicht an – nicht im Rechtssinne gewollt (dem Arbeitgeber fehlt regelmäßig sowohl der Geschäftswille als auch das Erklärungsbewusstsein) und damit auch nicht im Rechtssinne „gestellt“, muss aber, will man das Institut der betrieblichen Übung nicht an sich verneinen, dem gleichgestellt werden. Gleichwohl entspricht die betriebliche Übung als ein Rechtsinstitut, das aus einseitigem tatsächlichen Handeln abgeleitet wird, nicht dem, was mit Blick auf Sinn und Zweck des § 305b BGB Individualabrede im Sinn der Richtigkeitsgewähr einer ausgehandelten Vereinbarung sein kann.1 Sie ist keine Individualabrede im Sinn dieser Vorschrift.2 12 Im Übrigen ist die betriebliche Übung als (vor allem) im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB anzusehen, die die Anwendbarkeit des § 305b BGB auf dieses Rechtsinstitut ausschließt. Der Arbeitgeber, dem sowohl Geschäftswillen als auch Erklärungsbewusstsein fehlen, wird vertraglich gebunden, ohne dass ihm bisher von der Rechtsprechung die Möglichkeiten des Vertragsrechts zugestanden werden, sich von dieser „Nichterklärung“, etwa durch Anfechtung zu lösen.3 Das hat mit der gleichberechtigten Ausübung beiderseitiger Gestaltungsmacht ebenso wenig zu tun wie mit dem Vorrang „echter“ individuell ausgehandelter Abreden gegenüber vorformuliert gestellten AGB. Erkennt man das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung mit der Folge dadurch begründeter vertraglicher Ansprüche an, muss dies konsequent auch als Besonderheit des Arbeitsrechts in die AGB-Kontrolle einfließen. Auf diese Weise bedarf es auch keines Rückgriffs auf den ohnehin fraglichen kollektiven Bezug der Betriebsübung, um die Anwendung von § 305b BGB zu verneinen.

1 So zu Recht: Hromadka DB 2004, 1261. 2 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 10a; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. 3 Ausführlich dazu Schwarze, NZA 2012, 289; siehe auch Hromadka, DB 2004, 1261.

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Rechtsfolge

§ 305b

III. Abweichung der Individualabrede von AGB Eine durch § 305b BGB aufzulösende Konkurrenzsituation liegt nur 13 dann vor, wenn beide Regelungen sich inhaltlich in einer Weise widersprechen, die die Beantwortung einer Frage nach den vertraglich geltenden Rechten oder Pflichten (bzw. deren Reichweite oder Durchsetzung) unmöglich macht, ohne dass einer der beiden Regelungen Vorrang vor der anderen eingeräumt wird. Die Unterscheidung zwischen direktem oder indirektem Widerspruch ist daher wenig zielführend.1 Entscheidend ist, ob die beiden Regelungen jeweils für sich allein angewendet, zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen. Für die Feststellung des Konkurrenzverhältnisses ist es unerheblich, wel- 14 che Regelung zu wessen Lasten ginge. Dies kann allenfalls Auswirkungen im Rahmen der zuvor durchzuführenden Prüfung haben, soweit es um die Frage der Rechtswirksamkeit der AGB-Klausel geht. Die Prüfung der Rechtswirksamkeit einer Regelung ist mit Blick auf ihren – ggf. im Wege der Auslegung zu gewinnenden – Regelungsinhalt durchzuführen. Auch dies findet also im Vorfeld statt, da eine Konkurrenz nur vorliegt, wenn die Regelungen auch nach beiderseitiger Auslegung nicht harmonieren. Typische Widersprüche bzw. Konkurrenzen können im Verlauf eines Ar- 15 beitsverhältnisses bspw. dann auftreten, wenn abweichend von der im Arbeitsvertrag geregelten Gehaltshöhe bereits bei Vertragsschluss oder auch nachfolgend mündlich höhere Bezüge, Sonderleistungen anderer Art oder zusätzliche Sachleistungen zugesagt oder einfach ohne weitere Erklärung gewährt werden. Nicht selten lassen sich auch Arbeitnehmer auf neue, andere Arbeitsinhalte ein, ohne dass dazu ausdrückliche Vereinbarungen geschlossen werden. IV. Rechtsfolge 1. Verdrängung der konkurrierenden AGB-Klausel Eine wirksame Individualabrede verdrängt die mit ihr konkurrierende wirksame AGB-Klausel für die Dauer ihrer eigenen Wirksamkeit und im Umfang der bestehenden inhaltlichen Konkurrenz.2 Die AGB-Klausel bleibt wirksam.3 Endet die Individualabrede, kommt die bis dahin 1 MünchKommBGB/Basedow, § 305b Rz. 6; Erman/Roloff, § 305b Rz. 6. 2 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 11a; Erman/Roloff, § 305b Rz. 5. 3 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 11a; Erman/Roloff, § 305b Rz. 5; a.A.: Palandt/ Grüneberg, § 305b Rz. 2, 3 (widersprechende Klauseln unwirksam); unklar auch Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305b Rz. 4.

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§ 305b

Vorrang der Individualabrede

nur verdrängte AGB-Klausel wieder zur Anwendung.1 Der Rückgriff auf dispositives Gesetzesrecht kommt nur dann in Betracht, wenn der Individualabrede zu entnehmen ist, dass die konkurrierende AGB-Klausel bewusst und endgültig aufgehoben werden soll.2 17 Der Vorrang der Individualabrede greift unabhängig davon, zu wessen Gunsten ihre Regelung wirkt.3 Neben § 305b BGB findet das Günstigkeitsprinzip keine Anwendung. 2. Schriftformklauseln a) Allgemeines 18 Schriftformklauseln sind Ausdruck der Privatautonomie. Gerade in Dauerschuldverhältnissen kann es ein Bedürfnis der Parteien sein, auch nach längerer Zeit die für das Vertragsverhältnis geltenden Regelungen verlässlich nachvollziehen zu können.4 Das Argument, eine Schriftformklausel müsse immer abdingbar sein, weil die Vertragsparteien nicht für die Zukunft auf ihre Vertragsfreiheit verzichten könnten, greift zu kurz. Die Parteien, die sich für künftige Vertragsänderungen die Schriftform auferlegen, verzichten nicht für die Zukunft auf ihre Gestaltungsfreiheit, sondern gestalten ihr Vertragsverhältnis in Ausübung ihrer Privatautonomie, weil und indem sie sich bewusst für ein Element der Rechtssicherheit entscheiden. Die künftige Aufhebung einer solchen Klausel ist ja keineswegs ausgeschlossen, sie soll nur in ausdrücklich dokumentierter Weise erfolgen, um Streitigkeiten über das Bestehen und die Reichweite von Rechten und Pflichten nach Möglichkeit zu minimieren. Das ist nicht nur ein legitimes Bedürfnis, sondern entspricht der Schutzfunktion, die auch der Gesetzgeber bspw. der gesetzlichen Schriftform beimisst.5 Wenn also das, was der Gesetzgeber zum Schutz der Vertragspartner als geeignet ansieht, von den Parteien selbst vertraglich gewillkürt nachvollzogen wird, kann es nicht per se unrechtmäßig oder einseitig belastend sein. Damit sind Schriftformklauseln, sowohl einfache wie qualifizierte, als zulässiges Gestaltungsmittel der Vertragsparteien anzusehen.6 Ihre 1 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 11a; Erman/Roloff, § 305b Rz. 5; a.A.: HWK/ Gotthardt, § 305b BGB Rz. 4 (Anwendung dispositives Recht). 2 Erman/Roloff, § 305b Rz. 5; wohl auch WLP/Lindacher, § 305b Rz. 31. 3 Vgl. BGH 9.3.1995 – III ZR 55/94 – NJW 1995, 01494; Palandt/Grüneberg, § 305b Rz. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/Berger, § 305b Rz. 1; Lakies AGB im Arbeitsrecht, Rz. 107. 4 Hromadka, DB 2004, 1261. 5 Siehe dazu Sutschet, RdA 2009, 386. 6 Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268.

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Rechtsfolge

§ 305b

Unwirksamkeit kann sich jenseits allgemeiner Unwirksamkeitsgründe nur daraus ergeben, dass sie in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen einschlägige gesetzliche Vorschriften verstoßen. Eine Schriftformklausel kann nur dann mit einer Individualabrede un- 19 mittelbar in Widerspruch stehen, wenn die Individualabrede formlos die Aufhebung der Klausel vorsieht. In allen anderen Fällen kann es nur darum gehen, ob die Schriftformklausel der Wirksamkeit einer – nur – mündlichen oder konkludenten Individualabrede entgegensteht, die ihrerseits mit einer anderen AGB konkurriert. Ist dies der Fall, entsteht kein Widerspruch, weil die Individualabrede unwirksam wäre. b) Maßgebliches Prüfprogramm Mit Blick auf § 305b BGB ist also stets zu prüfen, ob eine vorliegende 20 Schriftformklausel wirksam ist. Das dafür maßgebliche Prüfprogramm richtet sich (jenseits allgemeiner Unwirksamkeitsgründe) danach, ob die Schriftformklausel ihrerseits ausgehandelt bzw. Individualabrede ist oder als AGB vereinbart wurde. Bei einer individuell ausgehandelten Schriftformklausel kommt eine 21 Unwirksamkeit regelmäßig nicht in Betracht.1 Die Unwirksamkeit kann auch nicht aus einem „Verstoß“ gegen § 305b BGB abgeleitet werden.2 Diese Vorschrift ist kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB, sondern „ordnet“ lediglich das Konkurrenzverhältnis zweier wirksamer Regelungen. Abgesehen davon ist § 305b BGB auf eine etwaige Konkurrenz zweier Individualabreden nicht anwendbar. Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Schriftformklausel AGB ist. Zum einen unterliegt sie den besonderen Kontrollvorgaben der §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zum anderen aber stellt sich die Frage, ob es mit Sinn und Zweck des § 305b vereinbar ist, wenn eine AGB Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Geltung einer Individualabrede vorgeben könnte. Wenn § 305b BGB sicherstellen soll, dass die Individualabrede immer Vorrang vor allgemeinen AGB genießt, schließt dies denklogisch aus, dass eben diese im Rang nach der Gesetzeslogik zu verdrängenden AGB darüber entscheiden, ob eine sie verdrängende Regelung überhaupt zustande kommen kann. § 305b BGB ist keine Einschränkung auf schriftliche Abreden zu entnehmen, so dass 1 Jedenfalls für Kaufleute (arg. § 350 HGB): BGH 2.6.1976 – VIII ZR 97/74 – BGHZ 66, 378. 2 So aber für die doppelte AGB-Schriftformklausel Bauer, BB 2009, 1588.

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§ 305b

Vorrang der Individualabrede

eben auch die mündliche individuelle Abrede gesetzlichen Vorrang genießt. Die Argumentation, § 305b BGB sehe keine Form vor, verlange deshalb also nicht, dass eine Individualabrede mündlich abgeschlossen werden können müsse,1 kehrt die gesetzliche Vorgabe nahezu rabulistisch in ihr Gegenteil um. Wenn individuelle Abreden ohne Einschränkung Vorrang haben, dann selbstverständlich auch in jeglicher Form. 23 Daraus folgt aber nicht, dass eine AGB, die Schriftform vorsieht, allein weil sie eine Form verlangt, unwirksam ist,2 sondern nur, dass diese Formvorgabe gegenüber nachfolgenden Individualvereinbarungen nicht konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung sein kann. Ist die insofern formwidrige Individualvereinbarung nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam, setzt sie sich gegenüber inhaltlich konkurrierenden AGB gem. § 305b BGB durch und verdrängt diese, auch wenn die Schriftformklausel rechtswirksam ist.3 Ob eine Schriftform verlangende AGB der Inhaltskontrolle standhält, ist, wie das BAG4 zu Recht annimmt, im konkreten Fall auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten festzustellen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Verwender durch die konkrete Formulierung seinen Vertragspartner täuscht, bzw. die Klausel geeignet ist, diesen von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten.5 V. Beweislast für Individualvereinbarung 24 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirksamen Individualabrede i.S.d. § 305b BGB trägt die Partei, die sich darauf beruft.6 Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast, wobei zunächst von der Vollständigkeit einer vorliegenden, von beiden Seiten unterzeichneten Vertragsurkunde auszugehen ist.7

1 Sutschet, RdA 2009, 386. 2 So zu Recht: BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02 – BGHZ 164, 133; Erman/Roloff, § 305b Rz. 10; a.A.: Palandt/ Grüneberg, § 305b Rz. 1; Bauer, BB 2009, 1588. 3 BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02 – BGHZ 164, 133; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 46 ff. 4 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233. 5 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233. 6 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 46 ff.; Hk-BGB/Schulte-Nölke, § 305b Rz. 6; Erman/Roloff, § 305b Rz. 15. 7 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305b Rz. 46 ff.; Erman/Roloff, § 305b Rz. 15.

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§ 305c

Überraschende und mehrdeutige Klauseln

Überraschende und mehrdeutige Klauseln

305c

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. (2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss überraschender Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . a) Objektiv ungewöhnlich . . . b) Subjektiv überraschend . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . 6. Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . a) Altersgrenze . . . . . . . . . . . . b) Altersteilzeitvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitszeitkontingente . . . d) Ärztliches Attest . . . . . . . . e) Ausschlussfristen . . . . . . . . f) Beendigungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . g) Befristungen . . . . . . . . . . . . h) Bürgschaften . . . . . . . . . . . . i) Datenverarbeitung . . . . . . . j) Jeweiligkeitsklauseln . . . . . k) Kopplungsklauseln . . . . . . . l) Kündigungsfristen . . . . . . . m) Nebentätigkeitsklauseln . . n) Negatives Schuldanerkenntnis, Ausgleichsquittung, Verzichtserklärung . . o) Tarifbezugnahmeklauseln . p) Überstundenabgeltung. . . . q) Versetzungsklauseln . . . . . r) Vertragsstrafen . . . . . . . . . . s) Vertraulichkeitspflicht . . . t) Wettbewerbsverbote. . . . . .

1 3 3 4 6 7 10 15 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

32 33 34 35 36 37 38

u) Widerrufs-, Änderungsund Anrechnungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 v) Zielvereinbarungen. . . . . . . 40 III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . a) Auslegung von AGB . . . . . . aa) Grundsatz objektiver Auslegung . . . . . . . . . . . bb) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . cc) Restriktionsprinzip . . . b) Kein eindeutiges Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmerfreundlichste versus arbeitnehmerfeindlichste Auslegung . . . . b) Abstrakter oder konkreter Günstigkeitsvergleich . . . . c) Keine Anwendung bei Bezugnahmeklauseln . . . . . d) Kein Schutz des Verwenders . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . 6. Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . a) Arbeit auf Abruf . . . . . . . . . b) Arbeitgeberdarlehen . . . . . . c) Ausschlussfristen . . . . . . . . d) Befristung . . . . . . . . . . . . . . . e) Bezugnahmeklauseln . . . . . f) Freiwilligkeitsvorbehalt . . .

41 41 42 43 44 44 48 49 50 52

52 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64

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§ 305c g) h) i) j)

Geschäftsführervertrag . . . Klageverzicht . . . . . . . . . . . Nettolohnvereinbarung . . . Probearbeitsverhältnis versus Probezeit . . . . . . . . . k) Urlaub und Urlaubsgeld. . .

Überraschende und mehrdeutige Klauseln 65 66 67 68 69

l) m) n) o)

Vertragsstrafen. . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot . . . . . . . Widerrufsrecht. . . . . . . . . . . Zielvereinbarungen/ Punktaufstiegsprämie. . . . .

70 71 72 73

I. Einführung 1 § 305c BGB enthält zwei verschiedene Regelungen: § 305c Abs. 1 BGB bestimmt, dass überraschende Klauseln nicht Bestandteil eines Formularvertrages werden, und begründet damit eine negative Einbeziehungsvoraussetzung. § 305c Abs. 2 BGB stellt einen besonderen Auslegungsgrundsatz für AGB auf, der besagt, dass etwaige Unklarheiten bei der Auslegung einer AGB-Klausel zu Lasten des Verwenders gehen. Beide Regelungen waren schon im AGBG wortgleich enthalten, und zwar in § 3 AGBG (Überraschende Klauseln) bzw. § 5 AGBG (Unklarheitenregel), und sind im Kontext von Artikel 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 zu sehen. 2 Schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht haben die Arbeitsgerichte aus allgemeinen Erwägungen ähnliche Prinzipien angewandt, auch wenn eine analoge Anwendung der §§ 3, 5 AGBG sowie des AGBG insgesamt von den Arbeitsgerichten abgelehnt wurde.1 Überraschungsklauseln in Arbeitsverträgen wurden daher auch schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht nicht Bestandteil eines Formulararbeitsvertrages,2 wobei der Prüfungsmaßstab derselbe war wie heute im Rahmen des § 305c Abs. 1 BGB.3 Ebenso haben die Arbeitsgerichte schon früher Unklarheiten bei der Auslegung von formularmäßig vereinbarten Arbeitsverträgen und Aufhebungsver1 BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – NZA 2001, 723 (724) sowie BAG 6.8.2003 – 7 AZR 9/03 – NZA 2004, 96 (97); anders die damals überwiegende Literatur, die sich für eine analoge Anwendung der §§ 3, 5 AGBG auf vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge und allgemeine Arbeitsbedingungen aussprach, vgl. die umfassenden Literaturnachweise in BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – NZA 1996, 702 (703). 2 Vgl. z.B. BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – NZA 1996, 702 sowie BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – NZA 2001, 723 (724), jeweils zu vertraglichen Ausschlussfristen sowie BAG 23.9.2003 – 3 AZR 551/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93 zu dem Vorbehalt einer Reduzierung der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280). 3 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; Lingemann, NZA 2002, 181 (186).

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Ausschluss überraschender Klauseln

§ 305c

trägen zu Lasten des Arbeitgebers ausgelegt.1 Auch insofern hat sich keine Änderung des Prüfungsmaßstabs ergeben.2 II. Ausschluss überraschender Klauseln 1. Zweck Zweck der negativen Einbeziehungsvoraussetzung des § 305c Abs. 1 3 BGB ist es, den Kunden vor der Einbeziehung von überraschenden Klauseln, mit denen er nicht rechnet, zu schützen. § 305c Abs. 1 BGB stellt damit eine besondere Ausprägung des allgemeinen Transparenzgebots dar, das in Artikel 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 angelegt ist und seine wesentliche Ausprägung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erfahren hat.3 2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB erstreckt sich im Arbeits- 4 recht grundsätzlich auf sämtliche vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer stellt. Der Ausschluss überraschender Klauseln ist also bei für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden zu Arbeitsverträgen, allgemeinen Arbeitsbedingungen, Bonusplänen, Aufhebungsvereinbarungen und weiteren Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevant. Dabei kann auch eine Bestimmung, in der eine der Hauptleistungspflichten des Vertrages geregelt ist, eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB sein.4 Aufgrund der Einstufung von Arbeitneh-

1 Vgl. z.B. BAG 18.9.1991 – 5 AZR 650/90 – NZA 1992, 215 (217) zu einer unklaren Vertragsstrafeabrede; BAG 16.10.1991 – 5 AZR 35/91 – NZA 1992, 793 (794) zu einer unklaren Zinsabrede bei einem Arbeitgeberdarlehen; BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93 – NZA 1996, 700 (701) zur unklaren Formulierung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots; ArbG Hanau v. 26.9.1996 – 3 Ca 90/96 – NZA-RR 1997, 332 (334) zu einer unklaren Erledigungsklausel in einem Aufhebungsvertrag. 2 BAG 17.1.2006 – 9 AZR 41/05 – NZA 2006, 923 (926); im Ergebnis auch BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445 (446); vgl. auch Richardi, NZA 2002, 1057 (1059) unter Hinweis auf den römischrechtlichen Auslegungsgrundsatz ambiguitas contra stipulatorem. 3 Vgl. Erman/Roloff, § 305c Rz. 4; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 2. 4 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 14a.

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§ 305c

Überraschende und mehrdeutige Klauseln

mern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB durch das BAG1 gilt zudem gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die Vermutung, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen vom Arbeitgeber gestellt worden sind, wenn sie nicht durch den Arbeitnehmer eingeführt wurden. § 305c Abs. 1 BGB wird jedoch nicht von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst, so dass die Unklarheitenregel keine Anwendung findet, wenn es um Einmalbedingungen in Verträgen mit Arbeitnehmern geht, also Bedingungen, die zwar vom Arbeitgeber vorformuliert sind, aber nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Die gegenteilige Ansicht verkennt die klare gesetzgeberische Wertung und lässt sich auch nicht mit einer richtlinienkonformen Auslegung begründen.2 5 Ausgenommen von der Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Diese Einschränkung gilt auch für den Inhalt derartiger Kollektivvereinbarungen, die durch eine formularmäßig verwendete Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geworden sind.3 Die Bezugnahmeklausel selbst ist jedoch dahingehend zu überprüfen, ob es sich um eine Überraschungsklausel handelt, vgl. Rz. 28, 33. 3. Voraussetzungen 6 Die allgemeinen Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB gelten im Arbeitsrecht in demselben Umfang wie im allgemeinen Zivilrecht. Arbeitsrechtliche Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die bei der Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB zu berücksichtigen wären, bestehen nicht.4 Klauseln in Formulararbeitsverträgen sind daher als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB zu werten, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Klausel muss zum einen objektiv ungewöhnlich und zum anderen subjektiv überraschend sein. Dabei handelt es sich um zwei voneinander unabhängig zu prüfende Voraussetzungen, die allerdings in der Praxis häufig nicht sauber voneinander getrennt, sondern miteinander vermischt werden. Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe – zunächst ist objektiv zu ermitteln, 1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111 (1115 f.); BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – NZA 2008, 1004 (1006). 2 A.A. DBD/Däubler, § 305c Rz. 5. 3 So für in Bezug genommene Tarifregelungen ausdrücklich BAG 8.8.2007 – 7 AZR 605/06 – AP TzBfG § 21 Nr. 4. 4 DBD/Däubler, § 305c BGB, Rz. 6; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280); vgl. auch Reinecke, DB 2002, 583 (584). Anders offenbar Diehn, NZA 2004, 129 (132).

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Ausschluss überraschender Klauseln

§ 305c

ob die Klausel generell ungewöhnlich ist, und sodann ist subjektiv zu prüfen, ob auch der Verwender in dem jeweiligen Einzelfall überrascht worden ist – sind jedoch beide Voraussetzungen zwingend getrennt zu prüfen. Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer über den Inhalt einer bestimmten Regelung eines Formulararbeitsvertrages subjektiv überrascht ist, genügt nicht, um die Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB zu erfüllen, wenn die Klausel objektiv gesehen nicht ungewöhnlich ist. Andersherum erfüllt eine objektiv überraschende Klausel nicht den Tatbestand des § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie dem konkreten Vertragspartner des Verwenders bekannt ist. a) Objektiv ungewöhnlich Erste Voraussetzung des § 305c Abs. 1 BGB ist, dass die Klausel objektiv 7 ungewöhnlich ist. Objektiv ungewöhnlich kann eine Klausel unter verschiedenen Gesichtspunkten sein. Wichtigster Fall ist, dass eine Klausel aufgrund ihres Inhalts objektiv ungewöhnlich ist. Dies ist der Fall, wenn die Klausel aufgrund ihres Inhalts bezogen auf den jeweiligen Vertragstyp von der Normalität abweicht. Die Normalität orientiert sich vor allem am dispositiven Recht1 und der Anerkennung bestimmter Regelungen in der Rechtsprechung. Daneben ist für die Normalität auch zu berücksichtigen, was üblicherweise in Verträgen der jeweiligen Art vereinbart wird, und zwar insbesondere, wenn sich eine Art „Marktstandard“ für einen bestimmten Vertragstyp oder Klauseltyp feststellen lässt. In diesem Zusammenhang können z.B. Statistiken oder wissenschaftliche Untersuchungen zur Verbreitung bestimmter Klauseltypen in Arbeitsverträgen von Bedeutung sein.2 Als Argument gegen die Ungewöhnlichkeit einer Klausel kann es sprechen, wenn der Arbeitgeber die Klausel nicht selbst formuliert hat, sondern die Klausel auf einem über den Fachhandel vertriebenen Musterarbeitsvertrag basiert.3 Schließlich kann es auch gegen die Ungewöhnlichkeit einer Klausel sprechen, wenn es zu derartigen Klauseln eine Vielzahl von Vorschlägen und Formulierungshilfen im arbeitsrechtlichen Schrifttum oder zahlreiche Gerichtsentscheidungen gibt.4 Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass eine

1 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78. 2 Vgl. z.B. BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99, wo in der Urteilsbegründung eine Untersuchung zur Verbreitung von Vertragsstrafeklauseln in Arbeitsverträgen herangezogen wird. 3 LAG Niedersachen 18.3.2005 – 10 Sa 1990/04 – NZA-RR 2005, 401 (403). 4 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11.

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Überraschende und mehrdeutige Klauseln

Klausel um so eher als ungewöhnlich einzustufen ist, je weiter sie vom dispositiven Recht und dem Üblichen entfernt ist.1 8 Neben der inhaltlichen Ungewöhnlichkeit kann eine Klausel auch wegen ihres ungewöhnlichen äußeren Zuschnitts oder ihrer Unterbringung an einer unerwarteten Stelle im Vertrag als objektiv ungewöhnlich einzustufen sein.2 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Regelung nicht unter der Überschrift im Vertrag getroffen wird, zu der sie sachlich gehören würde, oder wenn eine wesentliche Vertragsbestimmung nicht besonders hervorgehoben wird, obwohl andere, weniger wichtige Regelungen besonders hervorgehoben werden.3 9 Umstritten ist das Verhältnis zwischen der Ungewöhnlichkeit einer Klausel und ihrer Unbilligkeit. Mit der ganz herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass es sich bei der Ungewöhnlichkeit einer Klausel einerseits und der Unbilligkeit einer Klausel andererseits um zwei im Ausgangspunkt getrennt zu beurteilende Gesichtspunkte handelt: Eine Klausel kann ungewöhnlich sein, ohne zugleich unbillig zu sein; andererseits ist nicht jede unbillige Klausel zugleich auch ungewöhnlich.4 Die Unbilligkeit einer Klausel ist jedoch insofern zu berücksichtigen, als es umso stärker für die Ungewöhnlichkeit einer Klausel spricht, je unbilliger sie ist. b) Subjektiv überraschend 10 Zweite Voraussetzung des § 305c Abs. 1 BGB ist, dass die Klausel für den Vertragspartner des Verwenders subjektiv überraschend ist. Über1 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; DBD/Däubler, § 305c Rz. 10; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 3. 2 BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (616 f.); BAG 16.4.2008 – 7 AZR 132/07 – NZA 2008, 876, 877; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 3. 3 So z.B. BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8, wo die Hervorhebung bestimmter Vertragsbestandteile durch Fettdruck als Argument dafür herangezogen wird, dass eine andere, nicht hervorgehobene Klausel als Überraschungsklausel anzusehen sein kann. Vgl. aber andererseits auch LAG Schleswig-Holstein 2.2.2005 – 3 Sa 515/04 – NZA-RR 2005, 351 (353), wonach es auch ein Argument gegen einen ungewöhnlichen äußeren Zuschnitt sein kann, wenn in dem ganzen Formulararbeitsvertrag keine Überschriften verwendet werden und keine Regelung besonders hervorgehoben wird, so dass der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag in Gänze lesen muss. 4 BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (616 f.); BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219 (220); Erman/Roloff, § 305c Rz. 6; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 3; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 12; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 6.

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raschend sind Vertragsklauseln, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.1 Der Klausel muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen.2 Das Überraschungsmoment ist zunächst anhand eines generellen Maßstabs zu ermitteln, der jedoch von abweichenden konkreten Umständen des Einzelfalls überlagert werden kann.3 Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher, vernünftigerweise nicht zu erwartender Widerspruch bestehen, was unter Heranziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln ist.4 Maßgeblich für die Ermittlung des Widerspruchs sind insbesondere (i) der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung, (ii) das äußere Erscheinungsbild des Vertrages sowie (iii) der Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen.5 Bezüglich des ersten Kriteriums des Grads der Abweichung vom disposi- 11 tiven Gesetzesrecht und der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung ist davon auszugehen, dass das Überraschungsmoment um so eher zu bejahen ist, je belastender die Regelung für den Vertragspartner des Verwenders ist.6 Das zweite Kriterium des äußeren Erscheinungsbilds des Formularvertrages ist von ganz wesentlicher Bedeutung für das subjektive Überraschungsmoment. Die Vertragsgestaltung bei Formulararbeitsverträgen kann dabei in zweierlei Hinsicht eine Rolle spielen: Einerseits können sich sowohl die objektive Ungewöhnlichkeit einer Klausel als auch ihr subjektiver Überraschungscharakter aus dem „Verstecken“ einer Klau1 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; BAG 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876 (877). 2 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; so aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99. 3 HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 4; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 13. 4 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – NZA 2006, 37 (38 f.); so aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – NZA 1996, 702. 5 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; so aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG 27.4.2000 – 8 AZR 286/99, NZA 2000, 940 (942). 6 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – NZA 2006, 37 (38 f.); so aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – NZA 1996, 702 (703) sowie BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 4.

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sel an einer ungewöhnlichen Stelle des Vertrages oder einer anderen ungewöhnlichen Vertragsgestaltung wie z.B. einem besonders kleinen, kaum leserlichen Druckbild für eine wichtige Klausel ergeben. Andererseits kann der Verwender durch eine gute Vertragsgestaltung dafür sorgen, dass eine Klausel nicht subjektiv überraschend ist und wirksam in den Formulararbeitsvertrag einbezogen werden kann, indem er sie drucktechnisch hervorhebt,1 z.B. durch Fettdruck, Unterstreichung, eine vergrößerte Schrift, einen anderen (auffälligen) Schrifttyp oder eine andere optische Hervorhebung. Auch eine eigenständige Überschrift, aus der der Inhalt der Klausel schlagwortartig hervorgeht, kann zur Hervorhebung genügen. 13 Das dritte Kriterium des Gangs und Inhalts der Vertragsverhandlungen kann für das Überraschungsmoment insbesondere insofern relevant sein, als der Verwender das subjektive Überraschungsmoment ausschließen kann, indem er seinen Vertragspartner besonders auf die Klausel hinweist.2 Darüber hinaus ist das subjektive Überraschungsmoment dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die konkrete Klausel und ihre Bedeutung von sich aus erkannt hat oder aus einem anderen Grund kannte, z.B. wenn bereits intensiv in den Medien über eine Regelung berichtet wurde oder es eine betriebsöffentliche Debatte über die Regelung gab.3 Die Korrespondenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Abschluss der Vereinbarung sowie etwaige Begleitschreiben zu dem Vertrag können ebenso bei der Ermittlung des Überraschungsmoments zu berücksichtigen sein wie Erklärungen zu bestimmten Vertragsthemen, die die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen abgegeben haben.4 Weiterhin kann der zeitliche Ablauf der Vertragsverhandlungen für das subjektive Überraschungsmoment von Bedeutung sein. Insbesondere kann es zumindest ein Indiz für das Überraschungsmoment sein, wenn der Arbeitnehmer angehalten wurde, den Vertrag umgehend oder kurzfristig zu unterschreiben, ohne dass ihm die Möglichkeit einer näheren 1 BAG 23.2.2005 – 4 AZR 139/04 – NZA 2005, 1193 (1198); BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – NZA 2006, 37 (38 f.). 2 BAG 23.2.2005 – 4 AZR 139/04 – NZA 2005, 1193 (1198); BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – NZA 2006, 37 (38 f.). 3 Vgl. Sächsisches LAG 9.3.2006 – 8 (6) Sa 132/05 – mit dem Hinweis auf die umfangreiche Medienberichterstattung zur Kürzung von Tarifleistungen im Freistaat Sachsen, auf die in einem Formulararbeitsvertrag verwiesen wurde. Das Urteil wurde allerdings im Ergebnis vom BAG aufgehoben und an das Sächsische LAG zurückverwiesen, vgl. BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8. 4 BAG 8.8.2007 – 7 AZR 605/06 – AP TzBfG § 21 Nr. 4.

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Prüfung des Vertrages eingeräumt wurde.1 Ebenso kann es für eine subjektive Überraschung sprechen, wenn die Parteien zunächst über ein Term Sheet verhandeln, in dem die problematische Regelung nicht enthalten ist, und auf die in dem eigentlichen Vertrag enthaltene, wesentliche zusätzliche Regelung nicht besonders hingewiesen wird. Für das subjektive Überraschungsmoment ist auf die Einschätzungsmöglichkeiten eines typischen, durchschnittlichen Arbeitnehmers abzustellen, wobei jedoch zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern (z.B. Führungskraft oder Hilfsarbeiter) und deren Erkenntnismöglichkeiten zu differenzieren ist.2

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4. Rechtsfolgen Klauseln in Formulararbeitsverträgen, die gegen das Verbot überraschender Klauseln gemäß § 305c Abs. 1 BGB verstoßen, werden nicht in den Vertrag einbezogen und damit nicht Vertragsbestandteil. Stattdessen kommt der Vertrag gemäß § 306 Abs. 1 BGB grundsätzlich ohne die überraschende Klausel zustande. Führt die Nichteinbeziehung der überraschenden Klausel zu einer Lücke in dem Formularvertrag, gilt gemäß § 306 Abs. 2 BGB dispositives Gesetzesrecht. Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, ist die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.3 Unwirksam ist ein Formularvertrag abweichend von der Grundregel des § 139 BGB gemäß § 306 Abs. 3 BGB demgegenüber nur, wenn das Festhalten an dem Vertrag auch unter Berücksichtigung der gemäß § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Lückenschließung für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde.

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Begünstigt eine gemäß § 305c Abs. 1 BGB an sich nicht einzubeziehende 16 Klausel ausnahmsweise den Vertragspartner des Verwenders, kann sich der Verwender nicht auf die Unwirksamkeit der Regelung berufen, sondern muss sich wie in der unwirksamen Klausel vorgesehen behandeln lassen.4

1 BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8. 2 DBD/Däubler, § 305c BGB, Rz. 13; vgl. auch ArbG Berlin 1.9.1980 – 16 Ca 99/80 – NJW 1981, 479 (480). 3 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 32. 4 Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 5.

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5. Darlegungs- und Beweislast 17 Bei der Darlegungs- und Beweislast ist wie folgt zwischen den beiden Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB zu unterscheiden: Die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Ungewöhnlichkeit der Klausel trägt derjenige, der sich darauf beruft, dass die Klausel nicht in den Vertrag einbezogen worden ist, also in aller Regel der Arbeitnehmer.1 Auch für das subjektive Überraschungsmoment ist im Ausgangspunkt derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf berufen will, dass die Klausel, nicht in den Vertrag einbezogen worden ist. Will jedoch der Verwender geltend machen, dass das an sich nach der Gestaltung des Formularvertrages gegebene subjektive Überraschungsmoment nicht erfüllt ist, weil er seinen Vertragspartner auf die Klausel besonders hingewiesen hat oder sein Vertragspartner die Klausel und ihren Inhalt aus anderen Gründen kannte, trägt der Verwender die Darlegungs- und Beweislast für diesen Einwand.2 6. Einzelne Klauseln 18 Da es für das subjektive Überraschungsmoment auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankommt – insbesondere darauf, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich auf die fragliche Klausel und ihre Bedeutung hingewiesen hat –, ist eine generalisierende Kasuistik nur mit Blick darauf möglich, ob bestimmte Klauseln im Grundsatz als objektiv ungewöhnlich anzusehen sind: a) Altersgrenze 19 Die Vereinbarung einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichung einer Altersgrenze ist in aller Regel nicht ungewöhnlich. So hat das BAG eine Altersgrenze, die in allgemeinen Arbeitsbedingungen unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ geregelt war, nicht als ungewöhnlich eingestuft.3 Auch eine Altersgrenze in einer Versorgungszusage, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters führt, ist nicht un-

1 HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 6; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 25. 2 BGH v. 10.11.1989 – V ZR 201/88 – NJW 1990, 576 (577); DBD/Däubler, § 305c Rz. 17; Erman/Roloff, § 305c Rz. 33; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 6; WLP/ Lindacher, § 305c Rz. 39. 3 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – NZA 2006, 37 (38 f.).

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gewöhnlich.1 Vereinbarungen, die eine automatische Beendigung zu einem früheren Zeitpunkt vorsehen, sind jedenfalls in bestimmten Branchen nicht unüblich und zudem gesetzlich in § 41 Satz 2 SGB VI geregelt (mit der Konsequenz, dass sie als auf Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen gelten, wenn sie nicht innerhalb der letzten drei Jahre vor dem geregelten Beendigungszeitpunkt bestätigt werden), so dass sie in der Regel nicht als ungewöhnlich angesehen werden können.2 b) Altersteilzeitvereinbarungen Nach Ansicht des BAG kann eine auflösende Bedingung in einem Al- 20 tersteilzeitvertrag, wonach das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig nach Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer zum Bezug der frühest möglichen gesetzlichen Altersrente berechtigt ist, je nach Verlauf der Vertragsverhandlungen als Überraschungsklausel anzusehen sein, wenn die Regelung im Widerspruch zu der von dem Arbeitnehmer gewünschten Vertragslaufzeit steht und der Arbeitgeber nicht auf die Bedeutung der Regelung hingewiesen hat.3 c) Arbeitszeitkontingente Die Vereinbarung von Arbeitszeitkontingenten ist insbesondere in bestimmten Branchen üblich und damit, vorbehaltlich einer transparenten Vertragsgestaltung, nicht ungewöhnlich.4

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d) Ärztliches Attest Die Regelung in einem Formulararbeitsvertrag, dass ein Arbeitnehmer bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verpflichtet ist, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen, stellt keine Überraschungsklausel dar.5 1 BAG 6.8.2003 – 7 AZR 9/03 – NZA 2004, 96 (98); zustimmend HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 2 Anders DBD/Däubler, § 305c, Rz. 23a. Derartige Altersgrenzen sind allerdings unwirksam, wenn sie nicht entweder die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG erfüllen oder gemäß § 8 AGG oder gemäß § 10 Satz 1, 2 AGG gerechtfertigt sind. Vgl. zum derzeitigen Meinungsstand zusammenfassend Bayreuther, NJW 2011, 19 ff. sowie Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 577 ff. 3 BAG 8.8.2007 – 7 AZR 605/06 – AP TzBfG § 21 Nr. 4. 4 So auch Stamm, RdA 2006, 288 (295). 5 BAG 1.10.1997 – 5 AZR 726/96, NZA 1998, 369 (372); ebenso DBD/Däubler, § 305c Rz. 23.

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e) Ausschlussfristen 23 Sowohl einstufige Ausschlussfristen als auch zweistufige Ausschlussfristen sind im Arbeitsleben üblich und weit verbreitet. Bei der Vereinbarung von Ausschlussfristen handelt es sich daher nicht um überraschende Klauseln, jedenfalls soweit sie im Arbeitsvertrag selbst in einer eigenen Ziffer enthalten sind.1 Demgegenüber kann es sich bei einer Ausschlussfrist um eine überraschende Klausel handeln, wenn sie in einem umfangreichen Formulararbeitsvertrag unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, mitten in den Schlussbestimmungen oder sogar nur in einer Anlage enthalten ist.2 Nach Ansicht des LAG Niedersachsen soll allerdings eine Ausschlussfrist, die in einem Arbeitsvertrag in einem eigenen Untergliederungspunkt unter der Überschrift „Vergütung/Zahlungsweise“ enthalten ist, keine überraschende Klausel darstellen, da zu erwarten sei, dass ein Arbeitnehmer alles, was im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Vergütung“ stehe, zumindest überfliege, bevor er den Arbeitsvertrag unterschreibe.3 Eine Verweisung auf tarifvertragliche Ausschlussfristen ist ebenfalls grundsätzlich nicht als überraschende Klausel anzusehen.4 Auch eine solche Verweisung kann aber als Überraschungsklauseln anzusehen sein, wenn sie in dem Arbeitsvertrag oder einer Anlage ohne besondere Hervorhebung oder besonderen Hinweis „versteckt“ ist. f) Beendigungsvereinbarungen 24 Nach der Rechtsprechung des BAG kann es sich bei einer Klausel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die in einer mit „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ überschriebenen Vereinbarung enthalten ist, um eine ungewöhnliche Regelung i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB handeln.5

1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111 (1113); BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 (151); zustimmend Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280) sowie Zundel, NJW 2006, 1237 (1238). 2 Vgl. LAG Köln 22.6.2012 – 10 Sa 88/12 zur Regelung unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (326) zur Regelung einer Ausschlussfrist in den Schlussbestimmungen sowie BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – NZA 1996, 702 (703) zur Regelung in einer Betriebsordnung, auf die im Arbeitsvertrag verwiesen wurde. 3 LAG Niedersachen 18.3.2005 – 10 Sa 1990/04 – NZA-RR 2005, 401 (403). 4 BAG 11.1.1995 – 10 AZR 5/94 – ZTR 1995, 277 f. sowie BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – NZA 2001, 723 (724). 5 BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614, 616 f.; zustimmend HWK/ Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5.

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g) Befristungen Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei einer Probezeit- 25 befristung um eine überraschende Klausel, wenn in einem Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung im nachfolgenden Vertragstext ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit enthalten ist.1 Demgegenüber ist es nicht unüblich und daher nicht überraschend, wenn in einem befristeten Arbeitsvertrag die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung vereinbart wird, zumal diese Möglichkeit vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 TzBfG ausdrücklich vorgesehen ist.2 Konsequenterweise ist es auch nicht überraschend, wenn in einem befristeten Arbeitsvertrag eine Probezeit vereinbart ist, und zwar selbst dann nicht, wenn Befristung und Probezeit gleich lang sind.3 Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen sind – jedenfalls sofern es um wesentliche Arbeitsbedingungen geht – eher ungewöhnlich und sollten daher zur Vermeidung des Überraschungscharakters in Formulararbeitsverträgen klar geregelt und durch eine geeignete Überschrift oder in sonstiger Weise hervorgehoben werden. h) Bürgschaften Die Bürgschaft eines Dritten für alle zukünftigen Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis stellt nach Ansicht des BAG für sich genommen keine überraschende Regelung dar, jedenfalls wenn die wesentlichen Haftungsrisiken klar aufgezeigt werden.4

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i) Datenverarbeitung Klauseln zur Einwilligung von Arbeitnehmern in die Verarbeitung personenbezogener Daten, insbesondere zur Übermittlung von personenbezogenen Daten an Dritte, sind in Arbeitsverträgen jedenfalls in größeren Organisationen weit verbreitet und stellen daher keine ungewöhnlichen 1 BAG 16.4.2008 – 7 AZR 132/07 – NZA 2008, 876 (877); zustimmend HWK/ Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 2 LAG Rheinland-Pfalz 24.10.2008 – 9 Ta 185/08; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 3 LAG Rheinland-Pfalz 27.1.2011 – 11 Sa 404/10. 4 BAG 27.4.2000 – 8 AZR 286/99 – NZA 2000, 940 (942); die Unwirksamkeit der Bürgschaft ergab sich aber aus einer unangemessenen Benachteiligung des Dritten.

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Klauseln dar. Sie bedürfen jedoch zur Vermeidung des Überraschungscharakters und gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG einer besonderen Hervorhebung, wenn die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben werden soll. j) Jeweiligkeitsklauseln 28 In Formulararbeitsverträgen ist mit Blick auf Jeweiligkeitsklauseln, d.h. Klauseln, die auf ein anderes Regelwerk in seiner jeweils gültigen Fassung Bezug nehmen, wie folgt zu differenzieren: Erfolgt die Bezugnahme auf eine mit einer Arbeitnehmervertretung vereinbarte Kollektivvereinbarung, ist die Jeweiligkeitsklausel in der Regel nicht überraschend,1 jedenfalls sofern es nicht um eine branchen- oder ortsfremde Kollektivvereinbarung geht (vgl. auch Rz. 33). Geht es jedoch um eine Bezugnahme auf ein einseitig vom Arbeitgeber aufgestelltes und änderbares Regelwerk, kann die Jeweiligkeitsklausel je nach den Umständen des Einzelfalls eine überraschende Klausel sein, jedenfalls wenn es sich bei der in Bezug genommenen Regelung um einen wesentlichen Vertragsbestandteil handelt.2 k) Kopplungsklauseln 29 Kopplungsklauseln, mit denen die Beendigung von Vorstands- oder Geschäftsführeranstellungsverträgen an den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer geknüpft wird, sind von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt3 und weit verbreitet, was sich auch in der häufigen Aufnahme in Musterverträgen in der einschlägigen Fachliteratur widerspiegelt. Zudem ist bei börsennotierten Gesellschaften die Aufnahme einer Kopplungsklausel in die Vorstandsanstellungsverträge erforderlich, wenn die Empfehlung eines Abfindungs-Caps gemäß Ziffer 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex umgesetzt

1 So auch BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634 (636) zur Bezugnahme auf kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsregelungen in ihrer jeweils gültigen Fassung. 2 Vgl. auch BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428 (430 ff.) mit einer Entscheidung zu einer Bezugnahme auf ein einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenes Regelungswerk, in der das BAG die Wirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel aber ausschließlich am Maßstab der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB und nicht am Maßstab des § 305c Abs. 1 BGB geprüft hat. 3 BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – NJW 1989, 2683 (2684).

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werden soll.1 Kopplungsklauseln stellen daher keine ungewöhnliche Regelung i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB dar.2 l) Kündigungsfristen Die Verlängerung von Kündigungsfristen für eine ordentliche Arbeitnehmerkündigung ist im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument weit verbreitet, so dass eine entsprechende Klausel nicht überraschend ist, sofern sie nicht an ungewöhnlicher Stelle im Vertrag „versteckt“ wird.3 Gleiches gilt für die Festlegung bestimmter jährlicher Kündigungstermine.4

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m) Nebentätigkeitsklauseln Regelungen, wonach der Arbeitnehmer vor der Aufnahme einer Nebentätigkeit die Zustimmung des Arbeitgebers einholen oder dem Arbeitgeber die Nebentätigkeit zumindest anzeigen muss, finden sich in nahezu jedem Arbeitsvertragsmuster und sind auch in der Praxis weit verbreitet, so dass Arbeitnehmer mit einer solchen Klausel rechnen müssen. Bei Nebentätigkeitsklauseln handelt sich daher nicht um ungewöhnliche Klauseln.

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n) Negatives Schuldanerkenntnis, Ausgleichsquittung, Verzichtserklärung Ist ein negatives Schuldanerkenntnis, mit dem der Arbeitnehmer bestätigt, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten und erledigt sind, in einem Schreiben enthalten, das mit „Rückgabe Ihrer Unterlagen“ überschrieben ist, ohne drucktechnisch oder in anderer Form hervorgehoben zu sein, handelt es sich um eine ungewöhnliche Klausel, die ohne besonderen Hinweis nicht

1 Vgl. Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101 (2106) sowie Bauer/Arnold, BB 2008, 1692 (1695 f.). 2 Auch Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85 (87) sehen Kopplungsklauseln nicht als generell ungewöhnlich an, halten § 305c Abs. 1 BGB jedoch für anwendbar, wenn eine Kopplungsklausel überraschend und ohne vorher besprochen worden zu sein im Vertrag geregelt wird. Kritisch Semler/v. Schenk/Fonk, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009, § 9 Rz. 207. 3 BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – NZA 2009, 1337 (1339). 4 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370 (372).

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Überraschende und mehrdeutige Klauseln

Vertragsbestandteil wird.1 Demgegenüber sind Ausgleichs- und Erledigungsklauseln in Aufhebungsverträgen absolut üblich und nicht ungewöhnlich gemäß § 305c Abs. 1 BGB.2 Ebenso ist ein nach Erhalt einer Kündigung erklärter, in einer Vereinbarung klar hervorgehobener Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.3 o) Tarifbezugnahmeklauseln 33 Auch bei Tarifbezugnahmeklauseln ist zu prüfen, ob es sich um überraschende Klauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB handelt. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen, da er sich auf Tarifverträge als Kollektivvereinbarungen bezieht und nicht auf Bezugnahmeklauseln, bei denen es um Individualvereinbarungen geht.4 Tarifbezugnahmeklauseln treten in verschiedenen Gestaltungsformen auf, zwischen denen mit Blick auf eine eventuelle Ungewöhnlichkeit wie folgt zu unterscheiden ist: Dynamische Bezugnahmeklauseln auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument weit verbreitet, ja zur Gleichbehandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern sogar unerlässlich, so dass ihre Aufnahme in einen Formulararbeitsvertrag nicht ungewöhnlich oder überraschend ist.5 Das gilt nicht nur für die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag insgesamt, sondern auch, wenn bezüglich eines bestimmten Regelungskomplexes auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird.6 In diesen Fällen fehlt es an dem Überraschungscharakter unabhängig davon, ob der Arbeitgeber tarifgebunden 1 BAG 23.2.2005 – 4 AZR 139/04 – NZA 2005, 1193 (1198 f.); LAG Düsseldorf 13.4.2005 – 12 Sa 154/05 – DB 2005, 1463 (1464 f.); zustimmend Preis/Bleser/ Rauf, DB 2006, 2812 (2813). 2 BAG 19.11.2008 – 10 AZR 671/07 – NZA 2009, 318 (321); zustimmend HWK/ Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 3 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219 (220). Erfolgt ein solcher formularmäßiger Klageverzicht ohne Gegenleistung, kann die Vereinbarung nach Ansicht des BAG aber als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein. 4 BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8. 5 BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154 (156); LAG Köln 14.1.2008 – 14 Sa 606/07 – NZA-RR 2008, 529; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl. 2007, § 3 Rz. 303. Vgl. allerdings auch BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8 zu einem Sachverhalt, bei dem eine Tarifbezugnahmeklausel, die bestimmte nachwirkende Tarifverträge aus der Bezugnahme ausnahm, aufgrund der unübersichtlichen Vertragsgestaltung und des Zeitdrucks beim Vertragsabschluss als überraschende Klausel eingestuft wurde. 6 BAG 23.3.2011 – 10 AZR 831/09.

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Ausschluss überraschender Klauseln

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ist oder nicht. Das BAG hat bislang allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob über die Bezugnahmeklausel auch solche Tarifregelungen Vertragsinhalt werden, die für den Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages schlechterdings nicht vorhersehbar waren.1 Nach richtiger Ansicht werden auch solche Tarifregelungen Vertragsinhalt, jedenfalls wenn es sich bei der Tarifbezugnahmeklausel um eine Gleichstellungsabrede handelt.2 Auch statische Tarifbezugnahmeklauseln auf einschlägige Tarifverträge sind nach wie vor verbreitet anzutreffen und daher ebenfalls weder bei tarifgebundenen noch bei tarifungebundenen Arbeitgebern ungewöhnlich.3 Demgegenüber kann es als ungewöhnlich anzusehen sein, wenn auf einen branchen- oder ortsfremden Tarifvertrag verwiesen wird.4 Soll eine solche Verweisung in einem Formulararbeitsvertrag geregelt werden (woran ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bestehen kann, z.B. wenn er bundesweit einheitliche Vereinbarungen mit seinen Arbeitnehmern treffen will), sollte der Arbeitgeber daher die Regelung drucktechnisch besonders hervorheben oder den Arbeitnehmer besonders auf die Regelung hinweisen. p) Überstundenabgeltung Klauseln, mit denen der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag die pauschale Abgeltung einer bestimmten Maximalanzahl von Überstunden vorsieht, sind im Arbeitsleben weit verbreitet und können daher nicht als ungewöhnlich angesehen werden.5

1 BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154 (156). 2 So im Ergebnis ebenfalls Jordan/Bissels, NZA 2010, 71 (72) sowie Wiedemann/ Oetker, TVG, § 3 Rz. 307 (355). A.A. DBD/Däubler, § 305c Rz. 22 sowie Witt, NZA 2004, 135 (138). 3 So im Ergebnis auch DBD/Däubler, § 305c Rz. 22. 4 Für generelle Ungewöhnlichkeit DBD/Däubler, § 305c Rz. 22 sowie Thüsing/ Lambrich, NZA 2002, 1361 (1365). Nach Gotthard, ZIP 2002, 277 (280 f.) sowie Staudinger/Coester, § 310 Rz. 97 soll eine Bezugnahme auf einen branchenoder ortsfremden Tarifvertrag zwar regelmäßig überraschend, je nach Einzelfall aber auch üblich sein. Vgl. auch differenzierend Diehn, NZA 2004, 129 (132 f.). 5 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11.

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Überraschende und mehrdeutige Klauseln

q) Versetzungsklauseln 35 Versetzungsklauseln, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, dem Arbeitnehmer einseitig einen anderen gleichwertigen Arbeitsplatz zuzuweisen, werden standardmäßig in Arbeitsverträgen geregelt und sind daher nicht ungewöhnlich.1 r) Vertragsstrafen 36 Vertragsstrafeklauseln in Formulararbeitsverträgen für den Fall der schuldhaften Nichtaufnahme der Arbeitstätigkeit sowie für die vertragswidrige Beendigung der Tätigkeit sind weit verbreitet und nicht als ungewöhnlich anzusehen, soweit sie nicht an überraschender Stelle im Arbeitsvertrag „versteckt“ werden.2 Dasselbe gilt für Vertragsstrafeabreden zur Sanktion von Verstößen gegen ein vertragliches oder nachvertragliches Wettbewerbsverbot3 oder von Verstößen gegen eine vertragliche oder nachvertragliche Vertraulichkeitsverpflichtung. s) Vertraulichkeitspflicht 37 Vereinbarungen, wonach Arbeitnehmer auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sind, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses des Arbeitgebers vertraulich zu behandeln und nicht für sich oder Dritte zu verwenden, tragen einem berechtigten Schutzinteresse des Arbeitgebers Rechnung und sind marktüblich. (Nachvertragliche) Vertraulichkeitsverpflichtungen können daher nicht als ungewöhnliche Klauseln angesehen werden, soweit sie nicht deutlich über das Schutzbedürfnis des Arbeitgebers hinausgehen oder an ungewöhnlicher Stelle im Arbeitsvertrag versteckt werden.

1 Vgl. auch BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP BGB § 307 Nr. 45, wonach eine vorformulierte Klausel, die inhaltlich der Regelung in § 106 Satz 1 GewO entspricht, weder gegen die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB verstößt noch intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist. Kritisch Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2122), die eine Prüfung des Überrumpelungseffekts im Einzelfall für erforderlich halten. 2 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370 (372); LAG Schleswig-Holstein 2.2.2005 – 3 Sa 515/04 – NZA-RR 2005, 351 (352 f.); vgl. bereits BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99. 3 BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170 (171).

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Auslegung mehrdeutiger Klauseln

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t) Wettbewerbsverbote Die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist im Arbeits- 38 leben weit verbreitet und alles andere als ungewöhnlich. Auch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung für das Inkrafttreten eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots stellt keine überraschende Klausel dar, wenn innerhalb einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Vereinbarung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ alle dieses Wettbewerbsverbot betreffenden Elemente und keine nicht mit dem Wettbewerbsverbot in Zusammenhang stehenden Regelungen enthalten sind.1 u) Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte bezüglich der 39 Gewährung von übertariflichen Lohnbestandteilen oder sonstigen Zusatzleistungen sind weit verbreitet und stellen im Regelfall keine ungewöhnliche Klausel dar.2 Der Vorbehalt muss jedoch klar und verständlich geregelt sein, was das BAG z.B. bei einem in einer bloßen Nebenabrede ohne drucktechnische Hervorhebung enthaltenen Vorbehalt der Reduzierung der Zuführungen zur betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitnehmers verneint hat.3 v) Zielvereinbarungen Die Regelung in einer Zielvereinbarung, dass die Zahlung einer variablen Vergütung (auch) von der Erreichung von Unternehmenszielen abhängig ist, ist weit verbreitet und stellt keine überraschende Klausel dar.4

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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln 1. Zweck Zweck der in § 305c Abs. 2 BGB enthaltenen besonderen Auslegungs- 41 regel ist es, den Verwender zu einer klaren und transparenten Ausgestal1 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78; zustimmend HWK/ Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 29; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2122). 3 BAG 23.9.2003 – 3 AZR 551/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93; zustimmend HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5. 4 LAG Hessen 14.8.2008 – 20 Sa 1172/07; zustimmend HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 5.

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tung des Formularvertrages zu veranlassen und den Vertragspartner des Verwenders vor unklaren Regelungen in Formularverträgen zu schützen.1 Damit stellt auch § 305c Abs. 2 BGB eine besondere Ausprägung des Transparenzgebots dar,2 die sachlich übereinstimmend in Artikel 5 Satz 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 verankert ist. Letztlich soll derjenige, der durch die Erstellung der AGB versucht, die Vorteile der Vertragsgestaltung für sich zu nutzen, auch die Nachteile tragen, die sich aus einer mehrdeutigen Formulierung ergeben.3 2. Anwendungsbereich 42 Der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 2 BGB ist im Grundsatz identisch mit dem Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB, so dass § 305c Abs. 2 BGB bei sämtlichen vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden zu Arbeitsverträgen, allgemeinen Arbeitsbedingungen, Bonusplänen, Aufhebungsvereinbarungen und weiteren Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden ist, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellt werden bzw. gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Arbeitgeber gestellt gelten. Über den Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB hinaus ist § 305c Abs. 2 BGB nicht nur anzuwenden, wenn es um Vertragsbedingungen geht, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Aufgrund der vom BAG anerkannten Einstufung von Arbeitnehmern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB vielmehr gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch Anwendung, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.4 3. Voraussetzungen 43 Voraussetzung für ein Eingreifen von § 305c Abs. 2 BGB ist, dass die Auslegung einer Klausel in einem Formularvertrag5 zu einem mehrdeu1 BAG 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202 (203); Gotthardt, ZIP 2002, 277 (281); UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 61. 2 Erman/Roloff, § 305c Rz. 4; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 61. 3 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 61. 4 BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (615). 5 Auf individuell ausgehandelte Verträge findet die Unklarheitenregel demgegenüber keine Anwendung, vgl. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB, Rz. 32 sowie Gotthardt, ZIP 2002, 277 (281).

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Auslegung mehrdeutiger Klauseln

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tigen Ergebnis führt. Dabei sind für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen besondere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen: a) Auslegung von AGB aa) Grundsatz objektiver Auslegung Formularverträge sind anders als Individualvereinbarungen nicht gemäß 44 §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vom objektiven Empfängerhorizont auszulegen, sondern es bedarf einer objektiven Auslegung.1 Zentraler Grund für diese Unterscheidung ist, dass der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt eines Formularvertrages, der unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen soll, anders als bei einem Individualvertrag keinen Einfluss nehmen kann.2 Bei der Auslegung ist daher nicht wie im Rahmen der §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen, wie der konkrete Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, sondern Formularverträge sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.3 Bei der Auslegung sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders für Geschäfte der jeweiligen Art zu Grunde zu legen.4 Zentraler Ansatzpunkt für die Auslegung von Formularverträgen ist der 45 Wortlaut der Regelung. Zusätzlich zum Wortlaut kann bei der Auslegung auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen sein, wobei jedoch nicht der im konkreten Fall vom Verwender verfolgte Zweck für die Auslegung maßgeblich ist, sondern der typischerweise

1 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324 (327); BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (615 f.); BAG 13.6.2007 – 6 AZR 564/06 – NZA 2007, 974 (975). 2 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896 (898); UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 75. 3 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324 (327); BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (615 f.); BAG 13.6.2007 – 6 AZR 564/06 – NZA 2007, 974 (975). 4 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324 (327); BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – NZA 2007, 614 (615 f.); BAG 19.3.2008 – 5 AZR 429/07 – NZA 2008, 757 (759).

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von verständigen und redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zweck.1 Ähnliches muss für die Berücksichtigung der systematischen Stellung der Klausel gelten. Die systematische Stellung der Klausel kann bei der Auslegung zu berücksichtigen sein, wenn sich aus ihr der Bedeutungsgehalt der Klausel auf Basis der Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders für Geschäfte der jeweiligen Art ergibt. Dem sind jedoch enge Grenzen zu setzen, um nicht das vom Verwender zu befolgende Transparenzgebot zu unterlaufen.2 Die Entstehungsgeschichte der Regelung ist, anders als bei einer Individualvereinbarung, bei der Auslegung von AGB nicht zu berücksichtigen, da sie für den jeweiligen Vertragspartner des Verwenders nicht erkennbar ist.3 46 Konsequenz der erforderlichen objektiven, typisierten Auslegung ist, dass Umstände, die allein den Vertragspartnern des konkreten Vertrages bekannt sind oder sich sonst aus dem jeweiligen Einzelfall ergeben, bei der Auslegung von Formularverträgen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind.4 Ausnahmen hiervon sind nur in engen Grenzen vorzunehmen, und zwar, wenn im Einzelfall beide Vertragsparteien ein von der objektiven Auslegung abweichendes, gemeinsames Verständnis von der Bedeutung der Klausel haben.5 Dieses Ergebnis wird sich allerdings in den meisten Fällen systematisch korrekter über den Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede gemäß § 305b BGB begründen lassen. Allenfalls in seltenen Ausnahmekonstellationen dürfte es denkbar sein, eine Ausnahme vom Grundsatz der objektiven, typisierten Auslegung zuzulassen, wenn der Verwender einer objektiv gesehen mehrdeutigen Klausel für seinen Vertragspartner erkennbar eine ganz bestimmte Bedeutung beimisst.6 47 Eine gewisse Einschränkung erfährt der Grundsatz der objektiven, typisierten Auslegung auch, wenn in AGB Fachausdrücke verwendet werden, die zwar nicht jedermann bekannt und verständlich sind, wohl aber branchen- oder fachkundigen Vertragspartnern des Verwenders. In ei1 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324 (327); BAG 19.7.2007 – 6 AZR 774/06 – NZA 2007, 1095 (1096 f.); BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896 (898); kritisch UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 81. 2 Noch enger UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 81. 3 DBD/Däubler, § 305c Rz. 31; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 115. 4 Erman/Roloff, § 305c Rz. 20; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 82. 5 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896 (898); HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 8. 6 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 84.

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nem solchen Fall kann es für die Auslegung der Formularklausel von entscheidender Bedeutung sein, ob der jeweilige Vertragspartner des Verwenders aus dem Kreis der branchen- oder fachkundigen Vertragspartner stammt oder nicht.1 Ähnliches kann sich bei der Verwendung spezifischer Rechtsbegriffe ergeben, sofern auch für diese tatsächlich ein unterschiedlicher Kenntnisgrad verschiedener Verkehrskreise besteht.2 Die besonderen Grundsätze zur Auslegung von AGB gelten nach Ansicht des BAG auch für Klauseln in Formularverträgen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit diesen übereinstimmen;3 vgl. aber auch Rz. 55, 63. bb) Ergänzende Vertragsauslegung Grundvoraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass der 48 Vertrag eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit enthält.4 Bezüglich der Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ist bei AGB wie folgt zu unterscheiden: Beruht die Regelungslücke auf der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit einer Klausel der AGB, ist § 306 BGB anzuwenden, der eine ergänzende Vertragsauslegung nur in engen Grenzen ermöglicht. Besteht demgegenüber trotz vollständig wirksamer AGB eine Regelungslücke, kommt auch bei AGB eine ergänzende Vertragsauslegung ohne die zusätzlichen Einschränkungen des § 306 BGB in Betracht.5 Die ergänzende Vertragsauslegung hat nach dem für AGB maßgeblichen objektiv-typisierten Maßstab zu erfolgen hat, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise auszurichten ist. Die ergänzende Vertragsauslegung von AGB muss daher für den jeweiligen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein, was auf Basis einer angemessenen Abwägung der Interessen redlicher Vertragsparteien nach Treu und Glauben zu ermitteln ist.6

1 Erman/Roloff, § 305c Rz. 25; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 83. 2 Erman/Roloff, § 305c Rz. 25; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 83. 3 BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – NZA 2009, 896 (898); ebenso HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 8. Das BAG weist in seiner Entscheidung aber zu Recht darauf hin, dass aufgrund des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bei vollständiger Bezugnahme auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen keine Inhaltskontrolle möglich ist. 4 Vgl statt aller nur Palandt/Ellenberger, § 157 Rz. 3 m.w.N. 5 Palandt/Grüneberg, § 305c Rz. 17; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 122 f. 6 BAG 16.12.2009 – 5 AZR 888/08 – NZA 2010, 401 (402); ebenso im Rahmen des § 306 BGB BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2008, 853 (855).

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cc) Restriktionsprinzip 49 Zum Teil wird als weitere Auslegungsregel für AGB das Restriktionsprinzip herangezogen, wonach Klauseln, die die Rechte des Vertragspartners des Verwenders einschränken (z.B. Haftungsbeschränkungsoder Ausschlussklauseln), eng auszulegen sein sollen.1 Nach zutreffender Ansicht handelt es sich bei dem Restriktionsprinzip jedoch nicht um ein eigenständiges Auslegungsprinzip für AGB. Für ein generelles Restriktionsprinzip ist neben den detaillierten gesetzlichen Regelungen zur Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle sowie Auslegung von AGB gemäß §§ 305 ff. BGB weder Raum noch Bedarf.2 Bestehen bei einer den Arbeitnehmer belastenden Formularklausel mehrere Auslegungsvarianten, führt eine Anwendung der Unklarheitenregel ohnehin zu dem von den Befürwortern des Restriktionsprinzips gewünschten Ergebnis. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei der Auslegung bestimmter typischer arbeitsrechtlicher Regelungen wie insbesondere Ausgleichs-, Erledigungs- oder Verzichtsklauseln die arbeitsrechtlichen Besonderheiten und die typische gemeinsame Erwartungshaltung der Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Eine objektiv-typisierte Auslegung derartiger Klauseln ergibt, dass sie grundsätzlich weit auszulegen sind,3 aber nur die typischen, regelmäßigen arbeitsvertraglichen Ansprüche erfassen und z.B. nicht zum Ausschluss von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung führen, wenn dies nicht klar geregelt ist.4 b) Kein eindeutiges Auslegungsergebnis 50 Voraussetzung für eine Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist, dass sich bei der objektiven, typisierten Auslegung der Formularklausel kein eindeutiges Ergebnis ergibt, sondern nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden mindestens zwei verschiedene Auslegungsergebnisse vertretbar erscheinen. Dafür genügt es nicht, wenn bloß die entfernte Möglichkeit besteht, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen.5 Vielmehr müssen vernünftige, nicht behebbare Zweifel an der richtigen Auslegung der Klausel beste-

1 2 3 4 5

Vgl. etwa WLP/Lindacher, § 305c Rz. 137 ff. m.w.N. Vgl. hierzu ausführlich UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 97 ff. m.w.N. Vgl. BAG 19.11.2008 – 10 AZR 671/07 – NZA 2009, 318 (321). Ähnlich DBD/Däubler, § 305c Rz. 36. BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576 (577); DBD/Däubler, § 305c Rz. 32.

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hen,1 so dass mindestens zwei Auslegungsergebnisse vertretbar erscheinen und keins der Auslegungsergebnisse den klaren Vorzug verdient.2 Demgegenüber liegen die Voraussetzungen des § 305c Abs. 2 BGB nicht 51 vor, wenn sich mehrere Klauseln, deren isolierte Auslegung jeweils zu einem eindeutigen Ergebnis führt, inhaltlich widersprechen. In diesem Fall ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht anwendbar, sondern die Frage ist anhand des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beurteilen3 und eine sich aufgrund einer etwaigen Unwirksamkeit der Vertragsklausel ergebende Vertragslücke ist gemäß § 306 BGB zu schließen. Die Voraussetzungen des § 305c Abs. 2 BGB liegen auch dann nicht vor, wenn der Formularvertrag eine bloße Lücke aufweist.4 Eine etwaige Lücke in einem Formularvertrag ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen (vgl. Rz. 48). 4. Rechtsfolgen a) Arbeitnehmerfreundlichste versus arbeitnehmerfeindlichste Auslegung Rechtsfolge des § 305c Abs. 2 BGB ist im Grundsatz, dass die für den Vertragspartner des Verwenders günstigere Auslegungsvariante zu wählen ist, sog. Grundsatz der kunden- bzw. arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung. Dieses Vorgehen kann jedoch zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn eine der Auslegungsvarianten gegen die §§ 307 ff. BGB verstößt und daher im Falle ihrer Anwendung zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führen würde. In einem solchen Fall könnte die Wahl der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung zu einer nicht beabsichtigten geltungserhaltenden Reduktion zugunsten des Verwenders führen

1 BAG 17.1.2006 – 9 AZR 41/05 – NZA 2006, 923 (926) sowie BAG 12.9.2006 – AZR 675/05 – NZA 2007, 218 (220) verlangen „nicht behebbare“ Zweifel, BAG 19.7.2007 – 6 AZR 774/06 – NZA 2007, 1095 (1097) „vernünftige“ Zweifel. Nach BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576 (577), BAG 23.2.2011 – 10 AZR 96/10 sowie BAG 23.2.2011 – 10 AZR 101/10 – AP § 305c BGB Nr. 15 sind „erhebliche“ Zweifel erforderlich. 2 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576 (577); BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445 (446). 3 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576 (577); BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445 (446); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 31. 4 Anders offenbar DBD/Däubler, § 305c Rz. 32.

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und den Vertragspartner schlechter stellen, als wenn die arbeitnehmerfeindlichere unwirksame Auslegungsvariante gewählt würde. Vor diesem Hintergrund ist inzwischen in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass bei Klauseln, die den Arbeitnehmer belasten, zur Ermittlung der Rechtsfolge des § 305c Abs. 2 BGB ein zweistufiges Vorgehen zu wählen ist: In einer ersten Stufe ist zu prüfen, ob eins der gefunden Auslegungsergebnisse zu einer Unwirksamkeit der Klausel führen würde. Ist dies der Fall, ist zugunsten des Arbeitnehmers diese arbeitnehmerfeindlichste Auslegungsvariante zu wählen, die zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führt. Ist dies nicht der Fall, ist in einer zweiten Stufe das für den Arbeitnehmer vorteilhafteste Auslegungsergebnis zu ermitteln und zugunsten des Arbeitnehmers anzuwenden.1 Geht es demgegenüber um die Wirksamkeit von Klauseln, die den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders begünstigen, ist von vornherein gemäß § 305c Abs. 2 BGB die für den Arbeitnehmer vorteilhafteste Auslegungsvariante zu wählen.2 Diese Vorgehensweise verstößt nicht gegen Art. 5 Satz 2, Satz 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993, wonach das beschriebene zweistufige Vorgehen nur im Verbandsprozess vorgesehen ist. Zum einen besteht im deutschen Arbeitsrecht gemäß § 15 UKlaG gar nicht die Möglichkeit einer Verbandsklage, womit der von der Richtlinie vorgesehene Weg des Verbandsprozesses im Arbeitsrecht nicht möglich ist, so dass insofern auch nicht von einer Sperrwirkung der Richtlinie auszugehen ist.3 Zum anderen ermöglicht § 8 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 es den Mitgliedstaaten, strengere Bestimmungen zu erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten. Mit der zweistufigen Prüfung auch im Individualprozess wird ein solches höheres Schutzniveau zugunsten der Arbeitnehmer gewährleistet.4 53 Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bezieht sich nur auf die Auslegung des Formularvertrages selbst. Sie gilt nicht für die Ermittlung 1 BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – NZA 2008, 1004 (1007); LAG Köln 26.10.2005 – 7 Sa 298/05; DBD/Däubler, § 305c Rz. 35; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2526); HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 9; Lingemann, NZA 2002, 181 (186); UBH/ Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 91; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 131 ff. Dies entspricht auch der (überwiegenden) Vorgehensweise der Zivilgerichte, vgl. z.B. BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91 – NJW 1992, 1097 (1099) sowie BGH 10.5.1994 – XI ZR 65/93 – NJW 1994, 1798 (1799). 2 Vgl. LAG Köln 2.12.2010 – 13 Sa 280/10, zur Auslegung eines vertraglichen Rückkehrrechts nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. 3 DBD/Däubler, § 305c Rz. 35; Reinecke, AuR 2003, 414 ff. 4 DBD/Däubler, § 305c Rz. 35; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 133.

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der Bedeutung unklarer Begleitumstände, für die das Verständnis eines redlichen und verständigen Erklärungsempfängers heranzuziehen ist.1 b) Abstrakter oder konkreter Günstigkeitsvergleich Vorbehaltlich der Besonderheiten bei Bezugnahmeklauseln (vgl. Rz. 55) 54 ist die Günstigkeit verschiedener Auslegungsergebnisse im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB nicht abstrakt zu ermitteln, sondern konkret. Es kommt weder darauf an, welche Auslegung für die Vertragspartner des Verwenders typischerweise günstiger ist, noch darauf, welche Auslegung für den konkreten Vertragspartner regelmäßig günstiger ist. Maßgeblich ist vielmehr, welche Auslegung für den konkreten Vertragspartner des Verwenders in der konkreten Situation günstiger ist. Daher kann die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem in welcher Situation der Auslegungsstreit entsteht. Besteht beispielsweise Unklarheit darüber ob (oder für wie lange) ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist, ist einerseits vom Nichtbestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnehmen will, aber andererseits die Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer Zahlung der Karenzentschädigung geltend macht.2 Bei Unklarheit darüber, ob ein befristetes Probearbeitsverhältnis oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Probezeit vereinbart wurde, kommt es ebenfalls darauf an, in welcher Situation der Streit besteht: Geht es um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der vereinbarten Zeit, ist bei Auslegungszweifeln davon auszugehen, dass eine bloße Probezeit vereinbart war, dass Arbeitsverhältnis also auch nach Ablauf der vereinbarten Zeit fortbesteht.3 Geht es um eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der vereinbarten Zeit, ist demgegenüber von einem befristeten Probearbeitsverhältnis auszugehen, bei dem eine vorzeitige ordentliche Kündigung vorbehaltlich einer anderweitigen Abweichung gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG nicht möglich ist. An ein einmal gefundenes Auslegungsergebnis ist der Arbeitnehmer allerdings gebunden. Es wäre 1 So BAG 26.9.2007 – 5 AZR 808/06 – NZA 2008, 179 (180) bezüglich der Übersendung einer nicht mehr aktuellen Fassung des Tarifvertrages, auf den in dem Formulararbeitsvertrag Bezug genommen wurde; zustimmend ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 32 sowie HWK/Gotthardt, § 305c BGB, Rz. 8. 2 LAG Nürnberg 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; vgl. auch DBD/Däubler, § 305c Rz. 34a. Unklar Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613). 3 So auch DBD/Däubler, § 305c Rz. 50.

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rechtsmissbräuchlich und würde durch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB unterbunden, wenn der Arbeitnehmer sich je nach Konstellation mal auf die eine und mal auf die andere Auslegungsmöglichkeit einer Formularklausel berufen könnte. c) Keine Anwendung bei Bezugnahmeklauseln 55 Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass die Unklarheitenregel bei Formularklauseln, die auf Tarifverträge (oder andere Kollektivvereinbarungen) insgesamt oder für einen konkreten Regelungsgegenstand Bezug nehmen, insofern keine Anwendung findet, dass ein etwaiger unklarer Inhalt der in Bezug genommenen Kollektivvereinbarung nicht anhand der Unklarheitenregel ausgelegt wird. Grund hierfür ist, dass die Frage der Günstigkeit bei Bezugnahmeklauseln nicht abstrakt und losgelöst von der jeweiligen Fallkonstellation beantwortet werden kann und daher keine eindeutige Antwort auf die Frage der Günstigkeit möglich ist. Einer gespaltenen Auslegung der Klausel steht zudem entgegen, dass die Reichweite der Bezugnahme und die Anwendbarkeit einer Kollektivvereinbarung gemäß § 256 ZPO Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage sein und damit in Rechtskraft erwachsen kann.1 Hiervon zu trennen ist allerdings die Frage, wie die in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel selbst auszulegen ist (statisch oder dynamisch, „kleine Dynamik“ oder „große Dynamik“). Insofern findet die Unklarheitenregel Anwendung, vgl. Rz. 63. d) Kein Schutz des Verwenders 56 Da es sich bei § 305c Abs. 2 BGB um eine Norm zum Schutz des Vertragspartners des Verwenders handelt, kann sich der Arbeitgeber als Verwender nicht auf § 305c Abs. 2 BGB berufen, um die von ihm gewünschte Auslegung einer Formularklausel bzw. deren Gültigkeit oder Ungültigkeit zu erreichen.2 5. Darlegungs- und Beweislast 57 Ergeben sich bei der Auslegung von Formularverträgen Unklarheiten, hat das Gericht nach den oben beschriebenen Grundsätzen die für den 1 BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154 (157); BAG 29.6.2011 – 5 AZR 186/10. 2 LAG Nürnberg 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; DBD/Däubler, § 305c Rz. 34a; HWK/ Gotthardt, § 305c BGB Rz. 9.

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Vertragspartner des Verwenders günstigste Auslegung heranzuziehen. Die Auslegung von AGB ist dabei auch in der Revisionsinstanz voll überprüfbar, § 73 ArbGG enthält insofern keine Beschränkungen für das arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren.1 Beruft sich eine Partei auf ein von der objektiven Auslegung abweichendes, gemeinsames Verständnis beider Vertragsparteien von der Bedeutung der Klausel, so trifft die sich hierauf berufende Partei die Darlegungs- und Beweislast für das abweichende gemeinsame Verständnis. 6. Einzelne Klauseln Bei der Auslegung von Formularklauseln kommt es jeweils auf den exakten Wortlaut der Klausel sowie ggf. den systematischen Zusammenhang und Zweck der Regelung an. Im Folgenden können daher nur beispielhaft Klauseltypen aufgezeigt werden, bei denen es zu Unklarheiten kommen kann, was jedoch in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist:

58

a) Arbeit auf Abruf Will der Arbeitgeber sich vorbehalten, eine bestimmte zusätzliche Stun- 59 denmenge vom Arbeitnehmer auf Abruf verlangen zu können, bedarf es einer klaren Gestaltung der Klausel dahingehend, dass es nicht nur um eine Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden im Falle besonderer, unvorhergesehener Umstände geht, sondern der Arbeitgeber generell einseitig berechtigt sein soll, auch ohne besonderen Grund die Erbringung weiterer Arbeitsstunden von dem Arbeitnehmer zu verlangen.2 b) Arbeitgeberdarlehen Bestehen bei einem formularmäßig vereinbarten Arbeitgeberdarlehen 60 Unklarheiten bezüglich der Zinsregelung, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.3

1 Vgl. BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324 (327) sowie BAG 1.2.2006 – 5 AZR 628/04 – NZA 2006, 682 (683). 2 Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238 (239). 3 BAG 16.10.1991 – 5 AZR 35/91 – NZA 1992, 793 (794).

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c) Ausschlussfristen 61 Ist bei einer Ausschlussfrist nicht klar geregelt, wann sie beginnt – typischerweise mit Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs – ist zugunsten des Arbeitnehmers auf den spätesten in Betracht kommenden Zeitpunkt (grundsätzlich denkbar sind Entstehung, Fälligkeit, Abrechnung für den fraglichen Zeitraum oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses) abzustellen.1 Zur Wahrung einer einstufigen oder zweistufigen Ausschlussfrist mit Blick auf Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (einschließlich Annahmeverzugslohn) genügt aufgrund der Unklarheitenregel die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, soweit im Zusammenhang mit der Ausschlussfrist nicht klar etwas anderes geregelt ist.2 d) Befristung 62 Der bloße Umstand, dass in einem Formulararbeitsvertrag ein Sachgrund für die Befristung genannt wird, führt nicht dazu, dass es dem Arbeitgeber aufgrund der Unklarheitenregel verwehrt wäre, sich auf die Wirksamkeit der Befristung als sachgrundlose Befristung zu berufen.3 e) Bezugnahmeklauseln 63 Die Unklarheitenregel findet auch Anwendung bei der Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln.4 Das ist insbesondere von Bedeutung für die Feststellung, ob es sich um eine statische oder eine dynamische Bezugnahmeklausel handelt: Geht aus einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht klar hervor, dass der Tarifvertrag in einer konkret nach Datum festgelegten Fassung in Bezug genommen werden soll, ist nach Ansicht des BAG regelmäßig anzunehmen, dass die Bezugnahme sich zeitdynamisch auf den Tarifvertrag in seiner jeweils gelten1 Vgl. auch LAG Hamm 1.6.2012 – 13 Sa 1850/11, das allerdings zu Unrecht aus einer Unklarheit gem. § 305c Abs. 2 BGB eine Unwirksamkeit der Klausel gem. § 307 Abs. 1. Satz 2 BGB ableitet, anstatt die Klausel zutreffend in der für den Arbeitnehmer günstigsten Weise auszulegen. 2 BAG 19.3.2008 – 5 AZR 429/07 – NZA 2008, 757 ff.; vgl. auch BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939 (941 f.). 3 So im Ergebnis auch BAG 5.6.2002 – 7 AZR 241/01 – NZA 2003, 149 (152) noch zur Rechtslage auf Basis des BeschFG. A.A. HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 10. 4 BAG 9.11.2005 – 5 AZR 128/05 – NZA 2006, 202 (204); zustimmend Hunold, NZA-RR 2006, 113 (115). Vgl. aber Rz. 55 zu der Einschränkung der Anwendbarkeit der Unklarheitenregel mit Blick auf den Inhalt der in Bezug genommenen Kollektivvereinbarung.

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Auslegung mehrdeutiger Klauseln

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den Fassung erstreckt.1 Darüber hinaus soll nach Ansicht des Hessischen LAG auch eine Arbeitsvertragsklausel, die eine „Vergütung in Anlehnung an den BAT“ vorsieht, auf Basis der Unklarheitenregel als dynamische Bezugnahme auf den BAT auszulegen sein, wenn sich bei einer Auslegung des Arbeitsvertrags nicht eindeutig etwas anderes ergibt.2 Zudem stellt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auch einen der tragenden Gründe für die Änderung der Rechtsprechung des BAG zur Auslegung von dynamischen Tarifbezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede dar: Während das BAG früher davon ausging, dass die Tarifbezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag lediglich eine Gleichstellung der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern bezwecke, wendet das BAG diese Auslegungsregel aufgrund der Unklarheitenregel auf ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Formulararbeitsverträge nicht mehr an. Für ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Formulararbeitsverträge kann eine Gleichstellungsabrede nur angenommen werden, wenn aus der Tarifbezugnahmeklausel klar hervorgeht, dass mit ihr eine Gleichstellung von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt ist.3 Auch große dynamische Bezugnahmeklauseln sind grundsätzlich nicht unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB.4 f) Freiwilligkeitsvorbehalt Ist bei der Auslegung einer Formularklausel unklar, ob sich ein Freiwil- 64 ligkeitsvorbehalt auf sämtliche Sonderzahlungen an den Arbeitnehmer bezieht oder eine bestimmte Sonderzahlung (z.B. eine Weihnachtsgratifikation) aufgrund in Bezug genommener tariflicher Regelungen ohne Freiwilligkeitsvorbehalt gewährt wird, ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des Arbeitnehmers davon auszugehen, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht die Sonderzahlung erfasst, für die auf die tariflichen Regelungen Bezug genommen wird.5 Demgegenüber soll nach der Rechtsprechung des BAG ein Freiwilligkeitsvorbehalt wegen Widersprüchlichkeit und damit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot 1 BAG 17.1.2006 – 9 AZR 41/05 – NZA 2006, 923 (926). 2 Hessisches LAG 3.9.2010 – 19 Sa 2011/09. 3 Ausführlich BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607 ff. sowie BAG 18.4.2007 – 4 AZR 652/05 – NZA 2007, 965 ff. 4 Vgl. ausführlich Jordan/Bissels, NZA 2010, 71 (72 ff.) m.w.N. 5 BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445 (446).

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Überraschende und mehrdeutige Klauseln

des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB insgesamt unwirksam sein, wenn in derselben Klausel geregelt ist, dass die Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe gezahlt wird,1 oder wenn in demselben Vertrag einerseits ein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation vorgesehen ist, andererseits aber die Weihnachtsgratifikation als freiwillige, stets widerrufliche Leistung bezeichnet wird.2 g) Geschäftsführervertrag 65 Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass kein Zweifel i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB daran besteht, dass mit dem Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrages ein vorher zwischen den Parteien bestehender Arbeitsvertrag einvernehmlich aufgehoben wird.3 h) Klageverzicht 66 Geht aus einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vereinbarung nicht eindeutig hervor, dass es sich entweder um einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eigenständig regelnden Abwicklungsvertrag handelt oder dass die Vereinbarung auch einen Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer enthalten soll, geht diese Unklarheit gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers, so dass der Arbeitnehmer die Kündigung im Wege einer Kündigungsschutzklage angreifen kann.4 i) Nettolohnvereinbarung 67 Nettolohnvereinbarungen sind in der Praxis die absolute Ausnahme und typischerweise nicht von den Parteien gewollt. Bei objektiv-typisierter Betrachtung wird in Arbeitsverhältnissen daher regelmäßig von einer Bruttolohnvereinbarung auszugehen sein, sofern nicht deutlich erkennbar ist, dass die Parteien eine Nettolohnabrede treffen wollten.5 1 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576 (577). 2 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173 (1179). 3 BAG 19.7.2007 – 6 AZR 774/06 – NZA 2007, 1095 (1097); DBD/Däubler, § 305c Rz. 32. 4 LAG Berlin-Brandenburg 15.1.2011 – 15 Sa 1992/10. 5 Vgl. hierzu im Ergebnis bereits BAG 19.12.1963 – 5 AZR 174/63 – NJW 1964, 837 f. sowie BAG 18.1.1974 – 3 AZR 183/73 – AP BGB § 670 Nr. 19. A.A. DBD/ Däubler, § 305c Rz. 54, der hierin einen Verstoß gegen die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB sieht, dabei jedoch verkennt, dass bei der objektiv-typi-

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j) Probearbeitsverhältnis versus Probezeit Bleibt bei der Auslegung eines Formulararbeitsvertrages unklar, ob es 68 sich um ein befristetes Probearbeitsverhältnis handelt oder um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mir vorgeschalteter Probezeit, hängt das Ergebnis der Anwendung der Unklarheitenregel davon ab, in welcher Situation der Streit besteht, vgl. Rz. 54. k) Urlaub und Urlaubsgeld Nach Ansicht des BAG soll eine formulararbeitsvertragliche Bezug- 69 nahme auf die tariflichen Urlaubsregelungen regelmäßig dahingehend auszulegen sein, dass damit auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex zum Urlaub Bezug genommen wird einschließlich eines zusätzlichen tariflichen Urlaubsgeldes, und zwar selbst dann, wenn der Tarifvertrag Urlaubsdauer, Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld in mehreren getrennten Tarifvorschriften regelt.1 l) Vertragsstrafen Sieht eine Klausel in einem Formulararbeitsvertrag eine Vertragsstrafe 70 für den Fall des Vertragsbruchs vor, erfasst diese Regelung nur die Fälle, dass der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft die Arbeit nicht aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vor Ablauf der Kündigungsfrist beendet. Sonstige Vertragsverletzungen werden jedenfalls aufgrund der Unklarheitenregel nicht von der Vertragsstrafeklausel erfasst.2 m) Wettbewerbsverbot Bleibt nach Auslegung einer Formularklausel unklar, ob die Parteien ein 71 nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart haben, kann die Anwendung der Unklarheitenregel je nach Konstellation zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen führen: Vom Nichtbestehen eines nachver-

sierten Auslegung zu berücksichtigen ist, wie ungewöhnlich Nettolohnabreden in der Praxis sind, so dass es sich bei der Auslegung als Nettolohnabrede häufig um eine fernliegende Auslegungsmöglichkeit handelt, die nicht als gleichwertige Auslegungsalternative im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist. 1 BAG 17.1.2006 – 9 AZR 41/05 – NZA 2006, 923 (925 f.). 2 BAG 18.9.1991 – 5 AZR 650/90 – NZA 1992, 215 (217).

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Rechtsfolgen

traglichen Wettbewerbsverbots ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnehmen will. Demgegenüber ist von der Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszugehen, wenn der Arbeitnehmer Zahlung der Karenzentschädigung geltend macht.1 Etwaige Unklarheiten bei der Höhe der für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zugesagten Karenzentschädigung gehen zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.2 n) Widerrufsrecht 72 Auch auf die Frage, was im Fall der wirksamen Ausübung eines Widerrufsrechts des Arbeitgebers gelten soll, findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung.3 o) Zielvereinbarungen/Punktaufstiegsprämie 73 Unklarheiten bei der Regelung des zu erreichenden Ziels in einer Zielvereinbarung gehen zu Lasten des Arbeitgebers.4 Ebenso geht es zu Lasten des Arbeitgebers, wenn bei einer „Punktaufstiegsprämie“ in einem Profi-Fußballspielervertrag unklar ist, ob die Zahlung der Prämie davon abhängt, dass der Spieler tatsächlich in Spielen eingesetzt worden ist oder nicht.5 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit

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(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

1 LAG Nürnberg 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10; vgl. auch DBD/Däubler, § 305c Rz. 34a; unklar Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613). 2 LAG Hamm 23.3.2010 – 14 SaGa 68/09; vgl. auch Rz. 54. 3 BAG 26.1.2005 – 10 AZR 331/04 – NZA-RR 2005, 389 (392). 4 LAG Hessen 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; zustimmend HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 10. 5 LAG Rheinland-Pfalz 21.1.2011 – 9 Sa 444/10.

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Rechtsfolgen

traglichen Wettbewerbsverbots ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnehmen will. Demgegenüber ist von der Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszugehen, wenn der Arbeitnehmer Zahlung der Karenzentschädigung geltend macht.1 Etwaige Unklarheiten bei der Höhe der für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zugesagten Karenzentschädigung gehen zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.2 n) Widerrufsrecht 72 Auch auf die Frage, was im Fall der wirksamen Ausübung eines Widerrufsrechts des Arbeitgebers gelten soll, findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung.3 o) Zielvereinbarungen/Punktaufstiegsprämie 73 Unklarheiten bei der Regelung des zu erreichenden Ziels in einer Zielvereinbarung gehen zu Lasten des Arbeitgebers.4 Ebenso geht es zu Lasten des Arbeitgebers, wenn bei einer „Punktaufstiegsprämie“ in einem Profi-Fußballspielervertrag unklar ist, ob die Zahlung der Prämie davon abhängt, dass der Spieler tatsächlich in Spielen eingesetzt worden ist oder nicht.5 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit

306

(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

1 LAG Nürnberg 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10; vgl. auch DBD/Däubler, § 305c Rz. 34a; unklar Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613). 2 LAG Hamm 23.3.2010 – 14 SaGa 68/09; vgl. auch Rz. 54. 3 BAG 26.1.2005 – 10 AZR 331/04 – NZA-RR 2005, 389 (392). 4 LAG Hessen 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; zustimmend HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 10. 5 LAG Rheinland-Pfalz 21.1.2011 – 9 Sa 444/10.

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Rechtsfolgen

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB . . . 1. § 306 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . 2. § 306 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 3. § 306 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . .

2 3 4 5

III. Richtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (EG-Klausel-RL) . . . . . . . . . . . . IV. Anwendungsbereich des § 306 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirksamkeit des Restvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. AGB sind nicht Vertragsinhalt geworden . . . . . . . . . . . . 3. Unwirksame AGB . . . . . . . . . . V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BGH 2. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BAG. 3. Einzelfälle der Teilbarkeit bzw. Nichtteilbarkeit vorformulierter Vertragsbestimmungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 11 13 16 18

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26

VI. Schließung der Vertragslücke nach § 306 Abs. 2 BGB . . . . . . 49 VII. Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung . . . 54

a) Subsidiarität der ergänzenden Vertragsauslegung gegenüber der Lückenfüllung durch dispositives Recht gemäß § 306 Abs. 2 BGB. . . b) Ausfüllungsbedürftige Vertragslücke . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausfüllung der Vertragslücke . . . . . . . . . . . . d) Ergänzende Vertragsauslegung bei „Altverträgen“ . . . 2. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . a) Grundlagen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . c) Problematik des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . VIII. Salvatorische Klauseln . . . . . . 1. Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln . . . . . . . . . 2. Gesetzesverweisende Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersetzungsklauseln . . . . . . . . . 4. Reduktionsklauseln. . . . . . . . . 5. Kombination einer Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisenden Klausel mit einer Teilunwirksamkeits- bzw. Erhaltungsklausel . . . . . . . . . .

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IX. Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

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Rechtsfolgen

I. Einführung 1 Mit der Integration des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das BGB und der teilweisen1 Aufhebung der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts haben sich nicht nur die Anforderungen an arbeitsvertragliche Abreden verändert. Auch die Rechtsfolgen der fehlgeschlagenen Einbeziehung und der Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen sowie – da der Arbeitnehmer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, der Arbeitsvertrag also Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist2 – vorformulierter Abreden i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB richten sich nach den Bestimmungen des AGB-Kontrollrechts. Maßgeblich ist insoweit das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB. Diese Bestimmung verpflichtet das Gericht – sofern die AGB oder die einzelnen Klauseln selbst teilbar sind – zur Eliminierung der unwirksamen Bestimmung bzw. des unwirksamen Klauselteils (s. Erl. Rz. 19–37) im Wege des „blue-pencil-Tests“ (§ 306 Abs. 1 BGB) sowie zur Lückenfüllung nach § 306 Abs. 2 BGB (s. Erl. Rz. 49–52) und legitimiert es zur ergänzenden Vertragsauslegung (s. Erl. Rz. 53–68).3 Eine geltungserhaltende Reduktion in dem Sinne, dass eine unwirksame Klausel stets und ohne weiteres auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und mit eben diesem Inhalt aufrechterhalten wird, ist in § 306 BGB nicht vorgesehen.4 Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die eine geltungserhaltende Reduktion im zuvor beschriebenen Sinne rechtfertigen könnten, bestehen nach der Rechtsprechung des BAG nicht.5 II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB 2 § 306 BGB, der in seinem Wortlaut mit seiner Vorgängerregelung, § 6 AGBG, übereinstimmt, regelt die Folgen der fehlgeschlagenen Einbeziehung und der Unwirksamkeit von AGB für den Bestand und den Inhalt des zwischen dem Verwender (Arbeitgeber) und dem Vertragspartner des Verwenders (Arbeitnehmer) geschlossenen Vertrages. Er enthält eine ko-

1 § 310 Abs. 4 BGB hat die Bereichsausnahme für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen aufrechterhalten. 2 Vgl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 16.5.2012 – 5 AZR 347/11. 3 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (94 f.); Schlewing, NZA, Beilage 2/2012, 33 (33). 4 Vgl. Nachweise bei Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 47 (S. 48 Fn. 12). 5 Vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111.

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Überblick über das Rechtsfolgenkonzept

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difizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB,1 wonach im Falle der Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. 1. § 306 Abs. 1 BGB Nach § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Vertrag, sofern AGB ganz oder teilwei- 3 se nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, – abweichend von § 139 BGB – im Übrigen wirksam. Diese Bestimmung hat die Vertragserhaltung und damit in erster Linie den Schutz des Vertragspartners des Verwenders zum Ziel.2 Dieser hat regelmäßig ein Interesse daran, dass nur die unbilligen Abreden entfallen und der Vertrag im Übrigen bestehen bleibt.3 Andernfalls, entfiele der Vertrag schon durch eine einzelne unwirksame Bestimmung vollständig, wäre der Vertragspartner des Verwenders grundsätzlich auf die Rückabwicklung des gesamten Vertrages4 – und zwar mit dem Risiko des § 818 Abs. 3 BGB – angewiesen; eine solche Rechtsfolge würde nicht nur über das Regelungsziel der die Unwirksamkeit der Klausel auslösenden Bestimmungen hinausschießen; auch der mit dem AGB-Kontrollrecht bezweckte Schutz würde nicht erreicht.5 Entsprechend dem ihm immanenten Vertragserhaltungsgedanken berücksichtigt § 306 Abs. 1 BGB, dass Klauseln nur teilweise unwirksam sein können und ordnet den Wegfall der Bestimmungen nur „insoweit“ an, als diese der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Hier findet die Verpflichtung des Gerichts zur Eliminierung der unwirksamen Bestimmung bzw. des unwirksamen Klauselteils mittels des „blue-pencil-Tests“ (s. Erl. Rz. 19–37) ihre Grundlage. 2. § 306 Abs. 2 BGB Eine Vorschrift, die – abweichend von § 139 BGB – die grundsätzliche 4 Aufrechterhaltung des Vertrages anordnet, muss auch angeben, ob und ggf. wie die infolge der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von 1 Vgl. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/090 – DB 2010, 2805; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 236/10 – NZA 2011, 1274; BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10. 2 Vgl. auch DBD/Bonin, § 306 Rz. 2; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 5; BGH 16.1.1992 – IX ZR 113/91 – NJW 1992, 896. 3 Vgl. BGH 13.11.1997 – IX ZR 289/96 – NJW 1998, 450. 4 Im Arbeitsrecht kommen stattdessen regelmäßig die Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage zur Anwendung. 5 Vgl. BGH 13.11.1997 – IX ZR 289/96 – NJW 1998, 450; BGH 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – NJW 2006, 996; s. auch BT-Drucks. 7/3919, S. 20 f.

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Rechtsfolgen

AGB entstandenen Vertragslücken zu schließen sind.1 Diese Aufgabe nimmt § 306 Abs. 2 BGB wahr. Danach richtet sich der Inhalt des Vertrages, soweit die Bestimmungen unwirksam oder nicht Vertragsbestandteil geworden sind, nach den gesetzlichen Vorschriften. Hierzu gehört zunächst das dispositive Gesetzesrecht i.S. einer konkreten materiell-rechtlichen Regelung2 einschließlich seiner Fortentwicklung durch die Rechtsprechung und der Möglichkeit analoger Anwendung; aber auch alle zu Richterrecht verfestigten Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht fallen unter § 306 Abs. 2 BGB.3 Damit werden die Vertragsparteien auf genau die Bestimmungen und Grundsätze verwiesen, die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall zu einem angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen führen.4 Durch das Eingreifen des dispositiven Rechts gemäß § 306 Abs. 2 BGB werden demnach auch die Interessen des Verwenders gewahrt.5 3. § 306 Abs. 3 BGB 5 § 306 BGB will den Gedanken der Erhaltung des Vertrages mit einem von der Rechtsordnung anerkannten Inhalt, wie er in den Absätzen 1 und 2 seinen Ausdruck gefunden hat, allerdings nicht ausnahmslos, sondern nur im größtmöglichen Umfang zur Anwendung bringen.6 Diesem Anliegen trägt § 306 Abs. 3 BGB Rechnung. Danach ist der Vertrag – abweichend von § 139 BGB7 – ausnahmsweise unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei – i.d.R. wird dies der Arbeitgeber sein – darstellen würde (zu den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 im Einzelnen s. Erl. Rz. 83–85). Damit wirkt sich § 306 Abs. 3 BGB im Regelfall als Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitgebers aus. Für die Annahme der Unzumutbarkeit genügt allerdings nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil auf Seiten des Arbeitgebers; erforderlich ist vielmehr eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses.8 Die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ist darüber hinaus „ultima ratio“. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn ein Fest1 BT-Drucks. 7/3919, S. 21. 2 Vgl. BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 610; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 27; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 14. 4 Vgl. Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (324). 5 Vgl. I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1009). 6 BT-Drucks. 7/3919, S. 21. 7 Vgl. BGH 8.5.2007 – KZR 14/04 – NJW 2007, 3568. 8 Vgl. nur BGH 9.5.1996 – III ZR 209/95 – NJW-RR 1996, 1009.

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EG-Klausel-RL

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halten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehen Änderung eine unzumutbare Härte darstellen würde. III. Richtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (EG-Klausel-RL) Nach Art. 6 Abs. 1 der EG-Klausel-RL sehen die Mitgliedstaaten vor, 6 dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Ausweislich des 21. Erwägungsgrundes der EG-Klausel-RL müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Werden derartige Klauseln trotzdem verwendet, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist. Diesen Anforderungen werden die Absätze 1 und 2 des § 306 BGB ohne 7 weiteres gerecht. § 306 Abs. 1 BGB ordnet die Fortgeltung des Restvertrages bei Unwirksamkeit von AGB-Klauseln an. Da die EG-Klausel-RL keine Vorgaben darüber enthält, welche Regelungen an die Stelle der missbräuchlichen Bestimmungen treten, sind die Mitgliedstaaten grds. frei in der Entscheidung, ob und wie sie die durch die Unwirksamkeit entstandene Lücke im Vertrag schließen wollen. Die in § 306 Abs. 2 BGB ausdrücklich vorgesehene Lückenfüllung durch dispositives Recht und die Lückenfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sind daher ebenfalls mit der EG-Klausel-RL vereinbar.1 Aufgrund der unterschiedlichen Textfassung der EG-Klausel-RL, die auf die „Möglichkeit des Fortbestandes des Vertrages“ ohne die missbräuchlichen Klauseln abstellt und der nationalen Bestimmung des Abs. 3, die eine „unzumutbare Härte“ voraussetzt, ist im Schrifttum umstritten, ob § 306 Abs. 3 BGB mit Art. 6 der EG-Klausel-RL vereinbar ist. Dies 1 Ganz überwiegende Ansicht, Erman/Roloff, § 306 Rz. 3; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 4; BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559; differenzierend Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 2.

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Rechtsfolgen

wird zum Teil bejaht,1 allerdings gibt es auch Stimmen, die die Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB in Zweifel ziehen.2 Zum Teil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, angesichts der Unklarheiten über die Reichweite von Art. 6 EG-Klausel-RL sei ein letztinstanzliches Gericht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, wenn es die Frage, ob Art. 6 EG-Klausel-RL zugunsten des Verwenders so ausgelegt werden kann, dass er auch eine unzumutbare Härte umfasst, zu Lasten des Verbrauchers bejahen will.3 9 Dieser Streit dürfte durch die Urteile des EuGH vom 15.3.20124 und vom 14.6.20125 zugunsten der Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB entschieden sein. In seinem Urteil vom 15.3.2012 hat der EuGH ausgeführt, Art. 6 Abs. 1 der RL 93/13/EWG könne auf der einen Seite nicht dahin ausgelegt werden, dass sich das angerufene Gericht bei Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag, der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, ohne diese Klausel bestehen kann, ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten Vertrages für den Verbraucher stützen könne. Auf der anderen Seite hindere die RL 93/13/EWG einen Mitgliedstaat aber nicht daran, im Einklang mit dem Unionsrecht eine nationale Regelung vorzusehen, die es erlaubt, einen Vertrag, den ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat und der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet ist. Und nach der Entscheidung des EuGH vom 14.6.2012 ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der EG-Klausel-RL, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht binde, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag müsse – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung missbräuchlicher Klauseln ergebe – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich sei. Damit kommt es auf die rechtliche Möglichkeit des Fortbestandes des Vertrages nach nationalem Recht an. Da das Unzumutbarkeitserfordernis des § 306 Abs. 3 BGB eine Konkretisierung des Über1 So Heinrichs, NJW 1996, 2190 (2195); Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 16; Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 1. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 632; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 5, 6; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 4d. 3 So Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 3; Erman/Roloff, § 306 Rz. 3. 4 EuGH 15.3.2012 – C-453/10 – EuZW 2012, 302. 5 EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – NJW 2012, 2257.

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Anwendungsbereich des § 306 BGB

§ 306

maßverbotes des Art. 20 Abs. 3 GG ist, dürfte die Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB demnach nicht mehr in Frage stehen. In seinem Urteil vom 14.6.20121 hat der EuGH zudem entschieden, dass 10 Art. 6 Abs. 1 der RL 93/13/EWG nicht dahin verstanden werden könne, dass er es dem nationalen Gericht gestatte, wenn es eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher entdeckt, den Inhalt dieser Klausel abzuändern statt schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen. Art. 6 Abs. 1 der RL 93/13/EWG stehe deshalb einer mitgliedschaftlichen Regelung entgegen, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann. Da § 306 BGB eine geltungserhaltende Reduktion einer zu missbilligenden Klausel nicht anordnet, ist die Unionsrechtskonformität der Bestimmung auch insoweit nicht zweifelhaft. IV. Anwendungsbereich des § 306 BGB Der Anwendungsbereich des § 306 BGB umfasst – wie sich aus § 306 11 Abs. 1 BGB ergibt – zwei Fallgruppen: Erstens die Fälle, dass AGB nicht Vertragsbestandteil geworden sind, und zweitens die Fälle, dass AGB unwirksam sind. Damit ist § 306 BGB auf Individualabreden nicht anwendbar. Auf der anderen Seite ist der Anwendungsbereich des § 306 BGB nicht 12 auf AGB i.S.d. § 305 BGB beschränkt. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet u.a. § 306 BGB auf vorformulierte Bedingungen in Verbraucherverträgen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss hat. 1. Wirksamkeit des Restvertrages Da § 306 Abs. 1 BGB den Vertrag „im Übrigen“ erhält, setzt die Bestim- 13 mung – unausgesprochen – voraus, dass nach Ausgrenzung aller oder einzelner AGB oder Teilen von ihnen ein wirksamer Rest verbleibt, der ggf. durch dispositives Recht oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aufgefüllt werden kann. Dies ist bei einer Gesamtnichtigkeit des 1 EuGH 14.6.2012 – C-618/10 – NJW 2012, 2257.

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§ 306

Rechtsfolgen

Vertrages infolge der Sittenwidrigkeit des Gesamtgeschäfts nicht der Fall. Dasselbe gilt, wenn der Vertrag insgesamt angefochten wurde. 14 Eine Anwendung des § 306 BGB kann ausnahmsweise auch dann ausscheiden, wenn von dem Geltungsmangel der AGB auch der Vertragskern, also die essentialia negotii in der Weise betroffen sind, dass mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertragsschluss nicht mehr angenommen werden kann.1 Zwar besteht die Funktion von AGB typischerweise in der Regelung von Nebenabreden, weshalb ihre ganze oder teilweise Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit die Vereinbarungen über die Hauptleistung(en) regelmäßig unberührt lässt. Etwas anderes kann allerdings aus der Anwendung des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Hauptleistungspflichten folgen.2 15 Umstritten ist die Anwendbarkeit des § 306 BGB in den Fällen, in denen infolge der Unwirksamkeit einer Vielzahl von Klauseln nur ein sog. „Torsovertrag“ verbleibt und eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder im Wege ergänzender Auslegung dem Vertrag beispielsweise einen völlig neuen, von den Parteien so nicht gewollten Inhalt gäbe, der lückenhafte Vertrag also nicht ergänzungsfähig ist. Ein Teil des Schrifttums zieht hieraus die „sachlogische Konsequenz“ der Totalnichtigkeit des Vertragstorsos mit der Folge, dass § 306 BGB von vornherein nicht zur Anwendung kommt.3 Dem steht jedoch nicht nur der eindeutige Wortlaut der Bestimmung entgegen; dass sich die Unwirksamkeit auf die zu missbilligenden Klauseln beschränkt und eine Nichtigkeit des zunächst wirksamen Gesamtvertrages nur unter den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB in Betracht kommt, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. § 306 BGB will die Risiken gerade in der Weise verteilen, dass der Verwender bis zur Grenze der Unzumutbarkeit an einen aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag gebunden bleibt.4 Für die in-

1 Vgl. BGH 30.6.1995 – V ZR 184/94 – NJW 1995, 2637; Erman/Roloff, § 306 Rz. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 587; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 10; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 54; zum Teil einschränkend Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 6; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 3; Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 2. 2 So UBH/Schmidt, § 306 Rz. 10. 3 So Stoffels, AGB-Recht, Rz. 589; s. auch Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 6 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 EG-Klausel-RL; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 8 ebenfalls unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 EG-Klausel-RL; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 54. 4 BGH 7.11.1985 – IX ZR 40/85 – NJW 1986, 928; BGH 16.10.1986 – III ZR 92/85 – NJW 1987, 184; im Ergebnis auch BGH 8.5.2007 – KZR 14/04 – NJW 2007,

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Anwendungsbereich des § 306 BGB

§ 306

soweit zum Teil1 befürwortete teleologische Reduktion des § 306 BGB besteht kein Bedürfnis. 2. AGB sind nicht Vertragsinhalt geworden § 306 BGB findet dann Anwendung, wenn AGB ganz oder zum Teil 16 nicht Vertragsinhalt geworden sind. Dies ist dann der Fall, wenn sie nicht wirksam einbezogen wurden. Da § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB die Anwendung des § 305 Abs. 2 und 3 BGB für den Bereich des Arbeitsrechts ausschließt,2 sind die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB auf arbeitsvertragliche Abreden nicht anwendbar. Für die Einbeziehung Allgemeiner Arbeitsvertragsbedingungen in den Vertrag gelten jedoch uneingeschränkt die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln, insb. die Regeln über das Zustandekommen eines Vertrages (§§ 145 ff. BGB) und die Regeln über die Anfechtung (§§ 119 ff. BGB). Dass § 305 Abs. 2 a.E. BGB das Einverständnis des Vertragspartners als Geltungsvoraussetzung von AGB fordert, hat ohnehin lediglich klarstellende Bedeutung.3 Vor dem Hintergrund der in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB getroffe- 17 nen Regelung dürften im Arbeitsrecht überraschende Klauseln i.S.d. § 305c BGB den Hauptanwendungsfall der Nichteinbeziehung bilden.4 3. Unwirksame AGB § 306 BGB ist – wie sich aus seinem Abs. 1 ergibt – auch dann anwend- 18 bar, wenn AGB ganz oder teilweise unwirksam sind. Die Vorschrift zielt zwar in erster Linie auf die Unwirksamkeitsgründe der §§ 307–309 BGB; die Unwirksamkeit kann aber ebenso gut aus einem Verstoß gegen Vorschriften außerhalb des AGB-Rechts folgen.5 Hier kommen insb. die

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3568; Erman/Roloff, § 306 Rz. 16; UBH/Lindacher, § 306 Rz. 22; vgl. auch Schlewing, RdA 2011, 92 (97). Stoffels, AGB-Recht, Rz. 589. Zur Kritik an § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB vgl. DBD/Deinert, § 305 Rz. 38 ff.; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 151. Vgl. DBD/Deinert, § 305 Rz. 42. Vgl. Linck, FS Bauer (2010), S. 645 (646). Ganz h.M., vgl. BGH 16.1.1992 – IX ZR 113/91 – NJW 1992, 896; BGH 3.5.1995 – XII ZR 29/94 – NJW 1995, 2028; BGH 8.5.2007 – KZR 14/04 – NJW 2007, 3568; Erman/Roloff, § 306 Rz. 4; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 7; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 5; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 586; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 12; zur Problematik der Anfechtung vgl. insb. Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 8; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 12.

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§ 306

Rechtsfolgen

§§ 119 ff., 125, 134 und 138 BGB in Betracht. Beruht die Unwirksamkeit einer Klausel auf einer (Teil-)Anfechtung durch den Vertragspartner des Verwenders, kommt § 306 BGB nur dann zur Anwendung, wenn der Anfechtungsgrund in die Verantwortungssphäre des Verwenders fällt. Andernfalls ist nach den zur Teilanfechtung entwickelten allgemeinen Grundsätzen zu verfahren.1 V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB 19 Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt nach § 306 Abs. 1 BGB der Vertrag im Übrigen wirksam. Damit setzt § 306 Abs. 1 BGB unausgesprochen die Teilbarkeit der vertraglichen Abreden bzw. die Teilbarkeit einzelner Klauseln voraus. 1. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BGH 20 In der Rechtsprechung des BGH2 hängt die Teilbarkeit der vertraglichen Abrede (Klausel) grundsätzlich von ihrer inhaltlichen und sprachlichen Teilbarkeit, also davon ab, ob sie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass es sich bei den Klauseln um materiell selbständige, nur sprachlich zusammengefasste Bestimmungen handelt, von denen jede für sich einer gesonderten Inhaltskontrolle zugänglich wäre.3 Ausreichend ist vielmehr, dass nach schlichter Streichung der unwirksamen Regelungsteile4 eine Regelung zurückbleibt, die aus sich heraus ver1 So WLP/Lindacher, § 306 Rz. 12 m.w.N. 2 BGH 28.5.1984 – III ZR 63/83 – NJW 1984, 2816; BGH 18.11.1988 – V ZR 75/87 – BGHZ 106, 19; BGH 18.4.1989 – X ZR 31/88 – BGHZ 107, 185; BGH 25.3.1998 – VIII ZR 244/97 – NJW 1998, 2284; BGH 27.9.2000 – VIII ZR 155/99 – BGHZ 145, 203; BGH 23.6.2003 – VIII ZR 344/02 – NJW 2003, 2899; BGH 23.6.2004 – VIII ZR 361/03 – NJW 2004, 2586; BGH 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – NJW 2006, 996; BGH 11.10.2007 – III ZR 63/07 – NJW-RR 2008, 134; BGH 8.10.2008 – XII ZR 84/06 – NJW 2008, 3772. 3 Vgl. Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (323). 4 Diese Methode wird allgemein als „blue-pencil-Test“ bezeichnet; zu dieser aus dem angelsächsischen Rechtskreis kommenden Regel vgl. Thüsing, BB 2006, 661 ff.; Zöllner kritisiert in ZfA 2010, 637 (655), die „blue-pencil-Test-Regel“ habe mit „seriöser Rechtsfindung nichts zu tun“, sondern gehöre „in die Spielzeugkiste“.

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Teilunwirksamkeit

§ 306

ständlich und im Gesamtgefüge weiterhin sinnvoll ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die beanstandete Klausel oder der beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass – ohne diese Bestimmung oder diesen Klauselteil – von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden müsste. Dann ergreift die Unwirksamkeit die Gesamtklausel und ggf. auch den Gesamtvertrag.1 Ebenso kommt es zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, wenn sich ein zulässiger Teil nur durch eine sprachliche und inhaltliche Umgestaltung der Klausel aufrechterhalten ließe.2 Danach gilt ein grundsätzliches Verbot der Neu- bzw. Umformulierung. In einigen Ausnahmefällen hat der BGH3 auf die sprachliche Teilbarkeit 21 der Klausel verzichtet und die inhaltliche Teilbarkeit ausreichen lassen. Dabei handelt es sich jedoch durchweg entweder um Verträge, die vor Inkrafttreten des AGBG geschlossen worden waren, oder um Sachverhalte, in denen sich AGB aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erwiesen hatten.4 Darüber hinaus hat der BGH mit Urteil vom 25. März 19875 eine Teil- 22 barkeit in personeller Hinsicht6 bzw. eine personale Teilunwirksamkeit7 angenommen und die Unwirksamkeit einer Klausel auf den für den Kunden belastenden Teil beschränkt. Die Frage nach der personalen Teilunwirksamkeit stellt sich, da sich die Inhaltskontrolle nur gegen unangemessene Benachteiligungen des Vertragspartners des Verwenders richtet, in all den Fällen, in denen eine vorformulierte Vertragsbestimmung eine für den Verwender und seinen Vertragspartner einheitlich geltende Regelung enthält.8 Zu überprüfen hatte der BGH eine Kündigungsklausel eines Pachtvertrages, die in mehrfacher Hinsicht von den gesetzlichen Bestimmungen des Pachtrechts zum Nachteil des Pächters abwich. Zudem knüpfte sie die fristlose Kündigung des Verpächters an erschwerte Voraussetzungen, nämlich eine Zahlungsaufforderung und eine zusätzliche, frühestens einen Monat später mögliche schriftliche 1 BGH 28.5.1984 – III ZR 63/83 – NJW 1984, 2816; BGH 18.4.1989 – X ZR 31/88 – BGHZ 107, 185. 2 BGH 25.1.2006 – VIII ZR 3/05 – NJW 2006, 1059. 3 BGH 20.6.1984 – VIII ZR 337/82 – BGHZ 91, 375; BGH 27.2.1985 – VIII ZR 85/84 – NJW 1985, 2693. 4 Vgl. hierzu Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 53 f. 5 BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506. 6 So die Terminologie bei MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 19. 7 So die Terminologie von Stoffels, AGB-Recht, Rz. 601 und UBH/Schmidt, § 306 Rz. 16. 8 UBH/Schmidt, § 306 Rz. 16.

Schlewing 191

§ 306

Rechtsfolgen

Mahnung des Verpächters. Obwohl die Klausel unwirksam war und deshalb nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Bestimmungen an ihre Stelle traten, musste sich die Verwenderin an dem in dem von ihr selbst eingeführten Formularvertrag geregelten Verfahren für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festhalten lassen.1 Eine nach ihrem Wortlaut für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltende Regelung, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders enthält, bleibt somit hinsichtlich ihres den Verwender belastenden Teils von der Inhaltskontrolle unberührt.2 2. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BAG 23 Auch das BAG3 vertritt in inzwischen ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Unwirksamkeit eines Teils einer Klausel nicht notwendig die Unwirksamkeit der gesamten Klausel nach sich zieht. Enthält eine Klausel neben dem unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestandteile, bleiben diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen. Voraussetzung sei aber stets, dass nach dem „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung bzw. nach der „Streichung des unwirksamen Teils mittels eines ‚blauen Stifts‘ … (blue-pencil-Test)“ ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt. Maßgeblich sei mithin, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthalte und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar sei. Nicht zulässig ist deshalb auch nach Auffassung des BAG die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen. Hier könne die Ausgrenzung der unzulässigen und die Aufrechterhaltung der zuläs1 Vgl. hierzu auch Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 54. 2 Vgl. UBH/Schmidt, § 306 Rz. 16 m.w.N. 3 BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – BAGE 114, 97 = NZA 2005, 682; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40; BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355; BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – EzA-SD 2011, Nr. 14, 11; BAG 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – ZMV 2011, 225; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 238/10 – EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5.

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Teilunwirksamkeit

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sigen Teile nur durch eine sprachliche und inhaltliche Umgestaltung erreicht werden. Dies sei nicht zulässig. Die Anwendung des „blue-pencil-Tests“ durch das BAG ist im Schrift- 24 tum nicht unumstritten. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang insb. eine zu starke Betonung der sprachlichen Teilbarkeit. So hat beispielsweise Bayreuther1 auf die mangelnde Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und das Risiko der Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (zum „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im Einzelnen s. Erl. Rz. 69–76) durch „Formulierungskunststücke“ auf Seiten der Verwender hingewiesen. Und nach Thüsing2 darf die „Wortakrobatik“ keinen Vorteil gegenüber der „klaren, schlanken Formulierung“ bieten. In diesem Sinne äußern sich auch Ohlendorf/Salamon:3 Durch „facettenreiche Formulierungen“ könne „das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion umgangen werden“. Schließlich wird geltend gemacht, die bloße Möglichkeit, einzelne Regelungsteile zu streichen, lasse keine Aussage darüber zu, ob eine einheitliche Regelung oder verschiedene materielle Bestimmungen vorliegen. Maßgeblich für die Teilbarkeit einer Klausel sei vielmehr, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthalte. Dies sei allein durch objektive Auslegung zu ermitteln.4 Vor dem Hintergrund der Zielsetzung des AGB-Kontrollrechts, den Kun- 25 den vor den Gefahren einer einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender zu schützen, hat auch das BAG eine personale Teilunwirksamkeit einer für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltenden Bestimmung angenommen und dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel versagt. In seinem Urteil vom 27. Oktober 20055 hat der 8. Senat des BAG die vom Arbeitgeber formularmäßig verwendete Verfallklausel hinsichtlich ihres den Verwender belastenden Teils keiner Inhaltskontrolle unterzogen. Selbst wenn die Verfallklausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige, könne der Arbeitgeber – so der 8. Senat – sich hierauf nicht mit Erfolg berufen. Die Inhaltskontrolle schaffe lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Arbeitgeber; sie diene aber nicht seinem Schutz vor 1 2 3 4

Bayreuther, NZA 2004, 953 (955). Thüsing, BB 2006, 661 (662). Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 (283). DBD/Bonin, § 306 Rz. 12 m.w.N.; zur Kritik am „blue-pencil-Test“ vgl. auch Uffmann, RdA 2012, 113 (118 f.). 5 BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – NZA 2006, 257.

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§ 306

Rechtsfolgen

den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Aus dem Grunde konnte der Arbeitgeber, der Ansprüche erst nach Ablauf der Verfallfrist geltend gemacht hatte, die etwaige Unwirksamkeit der Klausel von vornherein nicht für sich reklamieren. 3. Einzelfälle der Teilbarkeit bzw. Nichtteilbarkeit vorformulierter Vertragsbestimmungen 26 Das BAG hatte sich mittlerweile in einer Reihe von Entscheidungen mit der Frage nach der Teilbarkeit einer Klausel zu befassen:1 27 So ist auf eine Arbeitszeitregelung in einem Formularvertrag, die den Arbeitnehmer „verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten“, der sog. blue-pencil-Test nicht anwendbar. Die Verbindung zwischen Stundenangabe und Bestimmung der Arbeitszeit als Durchschnittsarbeitszeit stellt nach Auffassung des BAG eine Regelungseinheit dar, die nicht durch die Streichung der Worte „im monatlichen Durchschnitt“ in eine Bestimmung der Stundenanzahl und eine des Berechnungszeitraums für die Ermittlung der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit aufgespalten werden könne.2 28 Nach Auffassung des BAG können zweistufige Ausschlussklauseln geteilt werden.3 Bewirkt nur die zweite Stufe eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, bleibt die Regelung zur ersten Stufe wirksam. Die zweistufige Ausschlussklausel enthalte zwei sachliche Regelungen und der unzulässige Teil sei sprachlich eindeutig abtrennbar. Im Hinblick auf die Länge der Ausschlussfrist könne die jeweilige Klausel jedoch nicht geteilt werden. Aus dem Grunde könne sie nicht mittels des „blue-pencil-Tests“ mit der angemessenen Länge aufrechterhalten bzw. auf die angemessene Länge zurückgeführt werden.4 29 Ebenso eine Teilbarkeit bejaht hat das BAG für eine Vertragsbestimmung, nach der Voraussetzung für eine Bonuszahlung ein „ungekündigtes“ Arbeitsverhältnis zum Ende des Geschäftsjahres war.5 Hier könne das Wort „ungekündigtes“ in der Bestandsklausel mittels eines „blauen Stifts“ gestrichen werden. Dies bewirke, dass die Auszahlung des Bonus 1 Vgl. hierzu auch Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 55 ff. 2 Vgl. BAG 21.6.2011 – 9 AZR 238/10 – EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5. 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; vgl. Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 56. 4 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111. 5 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783.

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Teilunwirksamkeit

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nur noch das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Abschluss des Geschäftsjahres voraussetze. Mit diesem – insoweit reduzierten – Inhalt sei die Klausel nicht zu beanstanden.1 Nimmt der Arbeitgeber in einer vorformulierten Vertragsbestimmung 30 zur Berechnung der Betriebsrente des Arbeitnehmers Bezug auf die Vorschriften des Beamtenversorgungsrechts, so kann diese Bezugnahmeklausel nicht in einen den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung regelnden und damit der uneingeschränkten AGB-Kontrolle entzogenen Teil und einen Teil aufgespalten werden, der die Hauptleistungspflicht modifiziert.2 In dem Fall sind die beamtenversorgungsrechtlichen Bestimmungen integraler Bestandteil des Betriebsrentenanspruchs. Dynamische Bezugnahmen auf andere Regelungswerke, seien sie von 31 Dritten oder vom Arbeitgeber selbst geschaffen worden, sind ohne weiteres in eine reine Verweisungs- und eine Jeweiligkeitsklausel (Dynamik) teilbar. Hält die Jeweiligkeitsklausel der AGB-Kontrolle nicht stand, weil sie beispielsweise einen gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksamen Änderungsvorbehalt enthält, so fällt die Dynamik ersatzlos weg und das in Bezug genommene Regelungswerk findet statisch, d.h. in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt.3 Eine Reihe von Entscheidungen betrifft sog. Freiwilligkeitsvorbehalte. 32 Der 5. Senat des BAG hatte beispielsweise in seinem Urteil vom 25. April 20074 über eine Klausel zu befinden, die eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss eines jeden Rechtsanspruchs vorsah. Hier hat der Senat erkannt, dass ein vertraglich vereinbarter Ausschluss jedes Rechtsanspruchs beim laufenden Arbeitsentgelt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Die Klausel sei deshalb im Umfang des Ausschlusses des Rechtsanspruchs unwirksam. In seiner Entscheidung vom 24. Oktober 20075 hatte der 10. Senat des BAG eine Klausel zu beurteilen, die dem Arbeitnehmer einerseits einen Anspruch auf eine Bonuszahlung einräumte, diesen Anspruch auf der anderen Seite aber durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder ausschloss. Der 10. Senat hat hier angenommen, die 1 Zur Kritik an dieser Entscheidung vgl. DBD/Bonin, § 306 Rz. 12a; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 118c. 2 BAG 30.11.2010 – 3 AZR 798/08 – DB 2011, 826; BAG 14.12.2010 – 3 AZR 898/08 – NZA 2011, 576. 3 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – ZMV 2011, 225. 4 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853. 5 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40.

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§ 306

Rechtsfolgen

Klausel sei in sich widersprüchlich und deshalb nicht klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da der Arbeitnehmer jedoch nur durch den den Anspruch ausschließenden Teil der Bestimmung unangemessen benachteiligt werde, trete auch nur insoweit Unwirksamkeit ein. Soweit die Bestimmung einen Anspruch auf den Bonus begründe, bleibe sie wirksam. Ebenso ist der 10. Senat des BAG in seinem Urteil vom 10.12.20081 verfahren. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte der Arbeitgeber in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag dem Arbeitnehmer ausdrücklich zugesagt, in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld zu zahlen, die Zahlung dann aber unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Teilbar ist nach der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 8. Dezember 20102 wohl auch eine Klausel, die einen Freiwilligkeitsvorbehalt enthält, der seinerseits mit einem Widerrufsvorbehalt verknüpft ist. In dem zugrunde liegenden Verfahren ging es um die Frage, ob ein vom Arbeitgeber vorformulierter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung aus betrieblicher Übung wirksam verhindern konnte. Der 10. Senat hat zwar den Widerrufsvorbehalt zur Auslegung des Freiwilligkeitsvorbehalts herangezogen und gelangte so zu dem Ergebnis, dass bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich werde, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers ausgeschlossen sein solle. Ob die Parteien einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart hatten, hat er jedoch ausdrücklich dahinstehen lassen. Das spricht dafür, dass die Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts nicht die gesamte Klausel erfassen sollte. 33 Eine vorformulierte Vertragsklausel, die ein Rückkehrrecht zum alten Arbeitgeber nicht nur von einer Kündigung durch den neuen Arbeitgeber abhängig macht, sondern darüber hinaus eine unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochene Kündigung verlangt, benachteiligt den Arbeitnehmer nach Auffassung des 7. Senats des BAG3 unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei jedoch teilbar, wobei sich der wirksame Teil der Bestimmung auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG erfüllt ist, beschränke.

1 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – DB 2009, 684. 2 BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628. 3 BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – NZA-RR 2012, 232.

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Teilunwirksamkeit

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Die Frage nach der Teilbarkeit einer Bestimmung stellt sich auch bei 34 Klauseln über die Rückzahlung von Aus- bzw. Weiter- oder Fortbildungskosten. Eine Teilbarkeit abgelehnt hat der 9. Senat des BAG1 beispielsweise für eine Klausel, nach der der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss. Die Klausel sei insgesamt unwirksam. Sie könne nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der Arbeitnehmer nur bei einem seinem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Beendigungsgrund zur Rückzahlung verpflichtet sei. Die Bestimmung wolle inhaltlich und sprachlich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der Kosten in jedem Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist begründen und sei deshalb nicht teilbar. Von einer unbeschränkten, für alle Beendigungstatbestände geltenden Rückzahlungspflicht und deshalb insgesamt unwirksamen Rückzahlungsklausel ist der 9. Senat des BAG auch in seiner Entscheidung vom 23.1.20072 ausgegangen. Dem stand nicht entgegen, dass der Vertrag nach dem Passus: „wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird“ die Ergänzung enthielt: „insbesondere, wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat“. Eine mit „insbesondere“ eingeleitete Auflistung von Einzelfällen stelle keine abschließende Aufzählung dar, so dass die Klausel im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Entstehen der Rückzahlungspflicht nicht geteilt werden konnte. Erweist sich die in einer Rückzahlungsklausel enthaltene Bindungsdauer als zu lang und deshalb als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, so kann die Bestimmung nach der Rechtsprechung des 3. Senats3 nicht in Anwendung des „blue-pencil-Tests“ mit einer zulässigen Bindungsdauer aufrechterhalten werden. Insoweit beinhaltet die Klausel eine einheitliche Regelung, die nicht in mehrere selbständige Regelungen geteilt werden könne. Eine Teilbarkeit bejaht hat das BAG4 wiederum für ein Schuldverspre- 35 chen/-anerkenntnis, in dem der Arbeitgeber zugleich einen umfassenden Einwendungsverzicht erklärt hatte. Der Einwendungsausschluss sei

1 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042. 2 BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748. 3 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342. 4 BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – BAGE 114, 97 = NZA 2005, 682.

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§ 306

Rechtsfolgen

sprachlich vom sonstigen Text abgehoben. Das Schuldversprechen könne ohne weiteres ohne diese Einschränkung aufrechterhalten werden. 36 Einen Schwerpunkt in der Rechtsprechung des BAG zur Teilbarkeit von AGB bilden die Entscheidungen zu Vertragsstrafeabreden. In seinen Urteilen vom 4. März 20041 und 21. April 20052 beispielsweise hat der 8. Senat eine Teilbarkeit im Hinblick auf die in der Klausel enthaltenen verschiedenen Tatbestände, die eine Vertragsstrafe nach sich ziehen sollten – Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses, Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch und schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst –, bejaht. Ebenso teilbar ist ein Vertragsstrafeversprechen, wonach der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe für den Fall zu zahlen hat, dass er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig auflöst oder die Tätigkeit erst gar nicht antritt.3 Die Klausel regele insoweit zwei unterschiedliche, sprachlich und inhaltlich trennbare Sachverhalte. Im Übrigen seien die beiden Alternativen ihrerseits nicht weiter teilbar. Eine unangemessen hohe Vertragsstrafe könne nicht im Wege des „blue-pencil-Tests“ auf eine geringere, angemessene Höhe zurückgeführt werden. Eine Teilbarkeit angenommen hat der 8. Senat4 zudem für eine Klausel, die im Hinblick auf den die Vertragsstrafe begründenden Tatbestand eine generelle Regelung enthielt, die erst durch Beispiele konkretisiert wurde. Danach hatte der Mitarbeiter „im Falle eines gravierenden Vertragsverstoßes (etwa gegen das Wettbewerbsverbot, die Geheimhaltungspflicht oder bei einem Überschreiten der Befugnisse aus seinen Vollmachten) für jeden Einzelfall eine Vertragsstrafe …“ zu zahlen. In einem solchen Fall sei die die Vertragsstrafe auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnet, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen könne. In seinem Urteil vom 25. September 20085 hat der 8. Senat demgegenüber eine Teilbarkeit einer Klausel abgelehnt, nach der „die Zahlung einer Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern mit sofortiger Wirkung fällig“ wurde, wenn der „Kündigungstermin nicht eingehalten“ wird und die „Lehrkraft ihrer Verpflichtung zur Dienstleistung bis zum Ablauf des Dienstvertrages nicht“ nachkommt. Das Vertragsstrafeversprechen benachteilige die Klägerin unangemessen, weil es in jedem Fall, in dem die Lehrkraft das Arbeitsverhältnis kündige, ohne 1 2 3 4 5

BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – BAGE 110, 8 = NZA 2004, 727. BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – DB 2009, 2269. BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370.

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Teilunwirksamkeit

den festgelegten Kündigungstermin einzuhalten, eine Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsverdiensten vorsehe. Dies führe zu einer Übersicherung des Arbeitgebers. Die Klausel sei auch nicht teilbar. Die Voraussetzung, dass nach dem „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibe, sei nicht erfüllt. Und nach dem Urteil des BAG vom 23. September 20101 ist schließlich eine Bestimmung, die die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit rechtswidrig nicht antritt oder das Anstellungsverhältnis vorzeitig kündigt, zwar in zwei Verwirkungstatbestände teilbar. Die Alternative der vorzeitigen vertragswidrigen Beendigung ihrerseits sei jedoch nicht weiter teilbar in einen zulässigen Regelungsteil nach der Probezeit und einen unzulässigen Regelungsteil davor. Andere Entscheidungen des BAG betreffen Widerrufsvorbehalte: In ei- 37 nem Fall ging es um einen Dienstwagenüberlassungsvertrag, der eine Klausel enthielt, nach der der Arbeitgeber „jederzeit die Überlassung des Fahrzeugs an den Mitarbeiter widerrufen“ konnte. Diese Klausel – so hat der 9. Senat mit Urteil vom 19.12.20062 entschieden –, sei nicht teilbar, denn sie enthalte keine verschiedenen, nur äußerlich zusammengefassten Regelungen, sondern beinhalte inhaltlich und sprachlich das unbeschränkte Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer jederzeit und ohne Grund die Nutzung des Dienstwagens zu entziehen. Demgegenüber hat das BAG3 eine Teilbarkeit bejaht für eine Bestimmung, die eine „freiwillige, jederzeit widerrufliche und anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ vorsah. Die Zulage solle widerruflich und anrechenbar sein; sie regle demnach zwei Sachverhalte. Da Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalte unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen hätten, sei die Klausel teilbar. Geht ein Widerrufsvorbehalt inhaltlich zu weit, weil er den Arbeitgeber zum Widerruf auch dann berechtigt, wenn hierfür kein sachlicher Grund besteht, und ist er deshalb unwirksam, so kommt eine Teilung der Klausel in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil nicht in Betracht. Dies hat der 9. Senat des BAG mit Urteil vom 13.4.20104 entschieden. Einstweilen frei.

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BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/08 – NZA 2011, 89. BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809. BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – BAGE 117, 155 = NZA 2006, 746. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943.

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§ 306

Rechtsfolgen

VI. Schließung der Vertragslücke nach § 306 Abs. 2 BGB 49 Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 Abs. 2 BGB. 50 Zu den gesetzlichen Vorschriften gehört zunächst das dispositive Gesetzesrecht i.S. einer konkreten materiell-rechtlichen Regelung einschließlich seiner Fortentwicklung durch die Rechtsprechung und der Möglichkeit analoger Anwendung. Ebenso zur gesetzlichen Regelersatzordnung zählen alle zu Richterrecht verfestigten Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht.1 Unterschiedlich beurteilt wird, ob die durch § 306 Abs. 2 BGB in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften nur Vorschriften mit sachlich-rechtlichem Regelungsgehalt oder auch methodische Vorschriften sind, die nicht selbst eine konkrete Ersatzregelung enthalten, sondern den Richter lediglich zur Vertragsergänzung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ermächtigen2 (vgl. hierzu auch Erl. Rz. 55). Dieser Streit wirkt sich im Ergebnis allerdings nicht aus. 51 § 306 Abs. 2 BGB dient der Wiederherstellung der Vertragsparität. Mit der Inbezugnahme der gesetzlichen Vorschriften werden die Vertragsparteien auf genau die Bestimmungen und Grundsätze verwiesen, die nach der Wertung des Gesetzgebers für den Regelfall einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen bereithalten.3 Vor diesem Hintergrund kommt ein Rückgriff auf das dispositive Recht dann nicht in Betracht, wenn dieses nicht geeignet ist, den mit § 306 Abs. 2 BGB angestrebten angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen.4 Ebenso scheidet regelmäßig eine Lückenfüllung durch dispositives Recht dann aus, wenn eine Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist, weil sie überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB ist. Eine Ausnahme wird allerdings dort zu machen sein, wo die Bestimmung nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen ihres Standorts im Vertrag überraschenden Charakter hat.5 52 Ein Hauptanwendungsfall des § 306 Abs. 2 BGB ist das Eingreifen des § 276 BGB in den Fällen, in denen ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung wegen Verstoßes gegen das AGB-Kontrollrecht 1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 610; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 27; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 14. 2 Vgl. Nachweise bei UBH/Schmidt, § 306 Rz. 26. 3 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (95). 4 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (95); UBH/Schmidt § 306 Rz. 30. 5 UBH/Schmidt, § 306 Rz. 25.

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Ergänzende Vertragsauslegung

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unwirksam ist. Ferner hat der 5. Senat des BAG mehrfach erkannt, bei Wegfall einer Ausschlussklausel griffen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen die Verjährungsregeln der §§ 195 ff. BGB ein. Diese Bestimmungen böten einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich.1 Ist ein in AGB vereinbarter pauschalierter Aufwendungsersatz wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, treten an seine Stelle die Regelungen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB, die einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Parteien ermöglichen.2 Erweist sich eine Versetzungsklausel als unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrages insoweit nach § 106 GewO.3 Ist eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, da mit § 612 BGB eine gesetzliche Regelung existiert, die nach § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden kann.4 Haben sich die Parteien in einer Abwicklungsvereinbarung über die Höhe der dem Arbeitnehmer zustehenden unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geeinigt und ist diese Vereinbarung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, so tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzliche Vorschrift und damit § 2 Abs. 1 BetrAVG.5 VII. Ergänzende Vertragsauslegung § 306 Abs. 2 BGB bestimmt ausdrücklich nur, dass an die Stelle der unwirksamen oder nicht einbezogenen AGB die gesetzlichen Vorschriften treten; er regelt nicht, wie zu verfahren ist, wenn es eine gesetzliche Regelersatzordnung nicht gibt, sei es, weil dispositives Recht überhaupt nicht zur Verfügung steht, oder sei es, weil das an sich zur Verfügung stehende dispositive Recht nicht geeignet ist, den mit § 306 Abs. 2 BGB angestrebten angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen. Aller1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; BAG 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06 – NZA 2008, 464. 2 BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. 3 BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355. 4 BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – BAGE 135, 250 = NZA 2011, 575. 5 BAG 11.10.2011 – 3 AZR 795/09.

Schlewing 201

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Rechtsfolgen

dings hat dies nicht zur Folge, dass bei Fehlen oder Nichtgeeignetheit des dispositiven Rechts eine Vertragslücke nicht geschlossen werden könnte. Hier kommen die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zur Anwendung. Das Gesetz schließt die ergänzende Vertragsauslegung nicht nur nicht aus;1 für den Gesetzgeber war diese Möglichkeit der Lückenfüllung vielmehr eine Selbstverständlichkeit. Das zeigt die Entstehungsgeschichte der Vorgängerregelung des § 306 BGB auf. In der im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung der Bestimmung (damals § 5 AGBG) lautete die Vorschrift wie folgt: „Soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, in Ermangelung von solchen nach der Natur des Vertrages“.2 Der Rechtsausschuss, auf dessen Initiative hin der letzte Satzteil gestrichen wurde, hielt die später Gesetz gewordene Fassung für ausreichend; er begründete dies damit, in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften ermöglichten bereits die §§ 133, 157 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung.3 Die gesetzlichen Vorschriften i.S.d. § 306 Abs. 2 BGB sollten also nicht abschließend sein; vielmehr sollte dem Regelungsanliegen, den Vertrag mit einem von der Rechtsordnung gebilligten Inhalt aufrechtzuerhalten,4 um so Vertragsparität wiederherzustellen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung Rechnung getragen werden können.5 1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung 54 Im Hinblick auf die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung besteht in der Rechtsprechung des BAG zwar in einigen Punkten Einigkeit. Von den einzelnen Senaten unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht kommt, wenn der ersatzlose Fortfall der Klausel für eine Vertragspartei – i.d.R. den Verwender – eine unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB darstellt. Ebenso besteht keine Übereinstimmung darüber, welche Bedeutung der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB für die ergänzende Auslegung sog. Altverträge zukommt.

1 2 3 4 5

WLP/Lindacher, § 306 Rz. 15. BT-Drucks. 7/3919, S. 4. BT-Drucks. 7/5422, S. 5. BT-Drucks. 7/3919, S. 21. Ganz h.M.

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Ergänzende Vertragsauslegung

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a) Subsidiarität der ergänzenden Vertragsauslegung gegenüber der Lückenfüllung durch dispositives Recht gemäß § 306 Abs. 2 BGB Einigkeit besteht zunächst insoweit, als die Lückenfüllung im Wege der 55 ergänzenden Vertragsauslegung subsidiär ist gegenüber der Lückenfüllung durch das in § 306 Abs. 2 BGB erwähnte dispositive Recht. Das gilt unabhängig davon, ob man die Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften in § 306 Abs. 2 BGB – wie der BGH dies in einer Vielzahl von Entscheidungen angenommen hat1 – auch als Verweisung auf die für die ergänzende Vertragsauslegung maßgebenden §§ 133, 157 BGB auslegt oder ob man die in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften auf solche mit sachlichem Regelungsgehalt unter Ausgrenzung methodischer Vorschriften beschränkt.2 Diese Frage ist für das Ergebnis nicht von Relevanz.3 Damit ist für eine ergänzende Vertragsauslegung nur dort Raum, wo dispositives Recht entweder überhaupt nicht vorhanden oder zur Lückenfüllung nicht geeignet ist, weil es keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet. Vor diesem Hintergrund scheidet nach Auffassung des 5. Senats des BAG4 die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung im Falle einer wegen zu kurz bemessener Ausschlussfrist unwirksamen Ausschlussklausel aus. Bei Wegfall der Ausschlussfrist – so der 5. Senat – griffen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen die Verjährungsregeln des BGB ein; diese böten einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich.

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b) Ausfüllungsbedürftige Vertragslücke Stehen geeignete gesetzliche oder richterrechtliche Regelungen zur Lückenschließung nach § 306 Abs. 2 BGB nicht zur Verfügung, ist weiter 1 So beispielsweise BGH 1.2.1984 – VIII ZR 54/83 – NJW 1984, 1174; BGH 4.7.2002 – VII ZR 502/99 – NJW 2002, 3098; BGH 29.4.2008 – KZR 2/07 – NJW 2008, 2172; BGH 28.10.2009 – VIII ZR 320/07 – NJW 2010, 993; BGH 13.1.2010 – VIII ZR 81/08 – NJW-RR 2010, 1202 m.w.N. 2 Der BGH hat es in seinem Urteil vom 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559 ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei den §§ 157, 133 BGB um Vorschriften i.S.d. § 306 Abs. 2 BGB handelt. Differenzierend Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 12. 3 So ausdrücklich BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559. 4 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; BAG 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06 – NZA 2008, 464.

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Rechtsfolgen

erforderlich, dass der ersatzlose Wegfall der Klausel eine ausfüllungsbedürftige Lücke entstehen lässt. Das ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur dann der Fall, wenn ohne eine Ergänzung des Vertrages keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung zu erzielen ist, oder anders formuliert, wenn der Wegfall der Klausel den Verwender über Gebühr benachteiligt und umgekehrt dessen Vertragspartner in einem Maße begünstigt, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist.1 Hierüber hat das Gericht eine wertende Entscheidung zu treffen. 58 Unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob darüber hinaus weitere Anforderungen zu stellen sind. So stehen der 3., 8., 9. und der 10. Senat des BAG auf dem Standpunkt, dass nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders ausreiche. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nach der Rechtsprechung dieser Senate nur dann in Betracht, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB darstelle.2 Dabei sind nach Auffassung des 3. Senats bei der Frage, ob eine unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB vorliegt, allerdings „die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB)“.

1 Ausdrücklich BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66 = NZA 2006, 149; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 511/05 – BAGE 117, 165 = NZA 2006, 783; BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; BAG 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06 – NZA 2008, 464; BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – DB 2012, 1155; BGH 4.7.2002 – VII ZR 502/99 – BGHZ 151, 229; 26. BGH 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – BGHZ 165, 12; BGH 29.4.2008 – KZR 2/07 – BGHZ 176, 244; BGH 28.10.2009 – VIII ZR 320/07 – juris; BGH 21.10.2009 – VIII ZR 286/07 – DB 2009, 2652; Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 13; DBD/Bonin, § 306 Rz. 24; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 104; Erman/Roloff, § 306 Rz. 13; MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 75; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 13; Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 12. 2 Vgl. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809; BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – BAGE 127, 185 = NZA 2008, 1173; BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 238/10 – EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 236/10 – NZA 2011, 1274; in diesem Sinne auch Annuß, BB 2006, 1333 (1338) und Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615.

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Ergänzende Vertragsauslegung

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Tendenzen, die ergänzende Vertragsauslegung von der Unzumutbarkeit 59 i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB abhängig zu machen, sind auch in der Rechtsprechung einiger weniger Senate des BGH, namentlich des Kartellsenats und des 8. Senats, zu verzeichnen. Danach muss der ersatzlose Fortfall der Klausel das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschieben.1 Das setzt Unzumutbarkeit voraus. Die „unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB“ als Voraussetzung für 60 eine ergänzende Vertragsauslegung ist in der Literatur auf berechtigte Kritik gestoßen.2 Gegen eine Bindung der ergänzenden Vertragsauslegung an das Unzumutbarkeitskriterium des § 306 Abs. 3 BGB spricht nicht nur, dass dies der inneren Systematik des § 306 BGB nicht Rechnung trägt. Danach hat die ergänzende Vertragsauslegung, die ebenso wie die Vertragsergänzung durch dispositives Recht nach § 306 Abs. 2 BGB auf den Erhalt des Vertrages mit dem Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs angelegt ist, Vorrang vor der Prüfung des § 306 Abs. 3 BGB. Sie kommt daher schon unterhalb der Schwelle der unzumutbaren Härte in Betracht.3 Die Ankoppelung der Ergänzungsbedürftigkeit des Vertrages an das Unzumutbarkeitskriterium entspricht zudem nicht dem mit der ergänzenden Vertragsauslegung verfolgten Ziel, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen, sondern läuft auf eine unverhältnismäßige und damit nicht zu rechtfertigende Bevorzugung der Interessen des Vertragspartners des Verwenders hinaus. Auch der AGB-spezifische Präventionsgesichtspunkt kann eine derartige Einschränkung der richterlichen Vertragsergänzung nicht rechtfertigen. Zwar ist es eines der Ziele des AGB-Kontrollrechts, den Rechtsverkehr von unangemessenen AGB freizuhalten; der Vertragspartner des Verwenders, d.h. der Arbeitnehmer soll vor unangemessenen einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen geschützt werden.4 Auf der anderen 1 Vgl. nur BGH 29.4.2008 – KZR 2/07 – NJW 2008, 2172; BGH 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – NJW 2009, 578; BGH 15.7.2009 – VIII ZR 225/07 – NJW 2009, 2662; BGH 14.7.2010 – VIII ZR 246/08 – BGHZ 186, 180; BGH 9.2.2011 – VIII ZR 295/09 – NJW 2011, 1342. 2 Vgl. nur Linck, FS Bauer (2010), S. 645 (657); Uffmann, RdA 2011, 154 (158 ff.); Uffmann, NJW 2011, 1313 (1316 f.); Uffmann, RdA 2012, 113 (119 f.); UBH/ Schmidt, § 306 Rz. 37a. 3 Dies schließt es nicht aus, eine ergänzende Vertragsauslegung dann vorzunehmen, wenn eine unzumutbare Härte bejaht werden kann. Hierdurch würde die Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB, der ultima ratio ist, vermieden, vgl. hierzu Schlewing, RdA 2011, 92 (97 Fn. 76); in diesem Sinne auch Canaris, FS Steindorff (1990), S. 546 (556); WLP/Lindacher, § 306 Rz. 17; vgl. auch Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 (287). 4 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 1.

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Rechtsfolgen

Seite ist das Gesetz jedoch, das zeigen nicht nur die Maßstäbe des § 307 BGB, sondern auch das Eingreifen des dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB sowie die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung, auch dem angemessenen Interessenausgleich verpflichtet.1 Hierdurch soll Vertragsparität wiederhergestellt werden. In der Gesetzesbegründung wird dieses Gebot eines angemessenen Ausgleichs sogar als vorrangiges rechtspolitisches Ziel des Gesetzes bezeichnet.2 Das Gesetz selbst hat in § 306 BGB keinem der Ziele den absoluten Vorrang eingeräumt, sondern ist auf einen Ausgleich der beiden Positionen mit einem weiteren Ziel, nämlich dem der größtmöglichen Vertragserhaltung bedacht. Dabei trägt § 306 Abs. 1 BGB allein dem Präventionsgedanken Rechnung. Die unwirksame Klausel entfällt bei Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen. Damit trägt der Verwender das Risiko, an einem aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.3 Um zu verhindern, dass dem Vertragspartner des Verwenders ein Vorteil verbleibt, der durch dessen schutzwürdige Interessen nicht gerechtfertigt ist,4 wird die Lücke sodann durch das dispositive Recht oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen.5 Sowohl das Eingreifen des dispositiven Rechts als auch die ergänzende Vertragsauslegung stellen einen angemessenen Interessenausgleich und damit genau das her, was mit der AGB-Kontrolle bewirkt werden soll. Erst dann, wenn eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder ergänzende Vertragsauslegung scheitert, setzt sich wieder der Präventionsgedanke durch. In dem Fall wird die Vertragslücke nicht geschlossen, und der Verwender wird wiederum – dies allerdings nur bis zur Grenze der Unzumutbarkeit i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB – an einem aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag festgehalten.6 61 Ob eine ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegt, ist demnach im Wege einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Diese Bewertung hat sich am Maßstab der Angemessenheit, also am Gebot von Treu und Glauben auszurichten.7 In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum die Frage erörtert, ob eine ausfüllungsbedürftige Lücke ausnahmsweise dann nicht vorliegt und eine ergänzende Vertragsauslegung von vornherein ausscheidet, wenn der Verstoß gegen die §§ 307–309 BGB für den 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (96 f. m.w.N.). BT-Drucks. 7/3919, S. 13. BT-Drucks. 7/3919, S. 21. Vgl. I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1009). Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (97). Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (97). Schlewing, RdA 2011, 92 (98).

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Ergänzende Vertragsauslegung

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Verwender „offensichtlich“ bzw. „voraussehbar“ war.1 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang auch von der „Arglist“ oder der „Bösgläubigkeit“ des Verwenders gesprochen.2 Der BGH thematisiert diese Problematik unter dem Stichwort der „bewusst abschließenden Regelung“,3 die einer ergänzenden Vertragsauslegung entgegenstehe. Mit dem vom Schrifttum vorgeschlagenen Ansatz zur Beschränkung der ergänzenden Vertragsauslegung4 könnte im Rahmen der Interessenabwägung dem Umstand, dass der Verwender die Vertragsbedingungen vorformuliert, dass er es also in der Hand hat, wirksame Klauseln zu stellen und damit der Frage nach seiner Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit angemessen Rechnung getragen werden. In diesem Sinne hat der 3. Senat des BAG in seinem Urteil vom 13.12.20115 eine ergänzende Vertragsauslegung mit der Begründung abgelehnt, der Arbeitgeber habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel, da bereits zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bekannt gewesen sei, dass eine Rückzahlungsklausel, die an Beendigungstatbestände anknüpfe, die der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers zuzurechnen seien, unwirksam sei. Haben die Parteien Schriftform vereinbart, so steht dieses Erfordernis ei- 62 ner ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen; durch die ergänzende Vertragsauslegung wird die arbeitsvertragliche Abrede weder geändert noch ergänzt; vielmehr wird das bestimmt, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner von vornherein vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.6 c) Ausfüllung der Vertragslücke Weist der Vertrag eine planwidrige Lücke auf, die nicht durch dispositi- 63 ves Recht nach § 306 Abs. 2 BGB geschlossen werden kann und bietet der ersatzlose Fortfall der nicht Vertragsbestandteil gewordenen oder un1 Vgl. Erman/Roloff, § 306 Rz. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615 m.w.N.; UBH/ Schmidt, § 306 Rz. 37; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 20 m.w.N. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 20. 3 BGH 4.7.2002 – VII ZR 502/99 – NJW 2002, 3098. 4 Zu den Auswirkungen auf arbeitsvertragliche Abreden vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (98). 5 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – DB 2012, 1155. 6 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423; vgl. auch DBD/Bonin, § 306 Rz. 25b.

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wirksamen Klausel bzw. des Klauselteils keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung, so kann die Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. 64 Dabei hat die ergänzende Vertragsauslegung – ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen – nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet sein muss.1 AGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Deshalb ist nicht der hypothetische Wille der konkreten Parteien zu ermitteln; es ist nicht zu fragen, was die konkreten Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.2 Die zu findende Ersatzregelung muss vielmehr für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines immer wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein.3 Hierdurch unterscheidet sich die ergänzende Vertragsauslegung im Übrigen von der geltungserhaltenden Reduktion im Sinne der Rechtsprechung (zur geltungserhaltenden Reduktion im Einzelnen s. Erl. Rz. 69–76). Während bei der geltungserhaltenden Reduktion im Sinne der Rechtsprechung nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden „gerade noch Zulässigen“ gesucht wird, erstrebt die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich.4 Für diese Interessenabwägung können die §§ 307–309 BGB und die hierzu durch Richterrecht entwickelten Maßstäbe eine Orientierungshilfe bieten.5 Deshalb kann nach der Rechtsprechung des 1 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853. 2 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87; BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748; BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666. 3 BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559; BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853. 4 BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748. 5 Vgl. Erman/Roloff, § 306 Rz. 13; Schlewing, RdA 2011, 92 (98); Stoffels, AGBRecht, Rz. 617; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 37.

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3. Senats des BAG bei einer Klausel, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten mit einer zu langen Bindungsdauer verknüpft, ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen in dem liegen, was nach der Rechtsprechung zulässig ist.1 Diese Entscheidung zeigt, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht denknotwendig ein anderes Ergebnis zeitigen muss als eine geltungserhaltende Reduktion. Auf der anderen Seite kommt eine Ersetzung eines Freiwilligkeitsvorbehalts durch einen Widerrufsvorbehalt bei einer Klausel, die eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs vorsieht, nicht in Betracht.2 Fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, was die Parteien bei einer 65 angemessenen Abwägung ihrer berechtigten Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich.3 Hiervon ist der 10. Senat des BAG bei einer Stichtagsklausel ausgegangen, die den Arbeitnehmer unabhängig von der Höhe der Bonuszahlung bis zum 30. September des Folgejahres binden sollte. In Anbetracht der Vielzahl möglicher Stichtagsregelungen lasse sich nicht beantworten, für welchen Stichtag sich die Parteien entschieden hätten.4 Ebenso scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus, wenn es nicht möglich ist, die Lücke durch eine klare, verständliche, widerspruchsfreie, transparente und angemessene Regelung zu füllen. Insoweit bilden die §§ 305 ff. BGB normative Vorgaben für die Vertragsergänzung, über die sich das Gericht bei der Lückenfüllung nicht hinwegsetzen darf.5 Dies hat der 10. Senat des BAG bei einem Änderungsvorbehalt angenommen, nach dem nahezu alle Bedingungen des Arbeitsverhältnisses von einer möglichen Änderung betroffen waren und kein triftiger Grund für mögliche Änderungen genannt bzw. beschrieben war.6 Ist eine Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, kommt eine Ersetzung der intransparenten Klausel durch eine in1 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; kritisch demgegenüber DBD/ Bonin, § 306 Rz. 24. 2 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853. 3 So auch DBD/Bonin, § 306 Rz. 25a; Erman/Roloff, § 306 Rz. 13; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 29; MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 75; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 14; differenzierend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 619; kritisch Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 14; Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 15; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 38; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 21. 4 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40. 5 Vgl. UBH/Schmidt, § 306 Rz. 37. 6 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428.

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haltsgleiche transparente Bestimmung grundsätzlich nicht in Betracht. Eine solche Vorgehensweise würde dazu führen, dass die wegen Intransparenz unwirksame Klausel für den Vertragspartner des Verwenders letztlich doch verbindlich wäre. Dies liefe § 307 BGB zuwider und kann deshalb von vornherein nicht Ergebnis einer auf einen angemessenen Interessenausgleich bedachten ergänzenden Vertragsauslegung sein.1 d) Ergänzende Vertragsauslegung bei „Altverträgen“ 67 Zwar finden die Neuregelungen der Schuldrechtsreform – und damit auch die §§ 305 ff. BGB – nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB nur auf arbeitsvertragliche Absprachen Anwendung, die ab dem 1. Januar 2002 getroffen wurden (sog. Neuverträge). Dennoch sind sog. Altverträge nicht weiterhin nach altem Recht zu beurteilen. Der Gesetzgeber hat für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 begründet wurden, mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB eine Sonderregelung getroffen. Danach sind auf alle Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 begründet wurden, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung mit Wirkung zum 1. Januar 2003 anzuwenden. Ab dem 1. Januar 2003 unterliegen arbeitsvertragliche Abreden damit uneingeschränkt der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Dies kann die Unwirksamkeit bislang gesetzeskonformer Abreden in Altverträgen zur Folge haben und im Ergebnis zu einer Entwertung begründeter Vertragsrechte und damit zu einer verfassungsrechtlich nicht unproblematischen Rückwirkung führen.2 68 Die Bedeutung des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für die ergänzende Auslegung sog. Altverträge wird in der Rechtsprechung der einzelnen Senate des BAG nicht einheitlich beurteilt. Der 5. Senat des BAG beispielsweise sieht in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB nur eine Bestimmung, mit der dem Verwender „ein zeitlicher Spielraum“ eröffnet wurde, um „sich auf die geänderte rechtliche Lage einzustellen“3 und hat in seinen Urteilen vom 12. Januar 20054 und 11. Oktober 20065 eine ergänzende Vertragsauslegung bei Widerrufsvorbehalten, die allein aus formellen Gründen unwirksam waren, weil sie jeweils keine Widerrufsgründe enthielten, 1 BGH 12.10.2005 – IV ZR 162/03 – NJW 2005, 3559; a.A. wohl Erman/Roloff, § 306 Rz. 13. 2 Vgl. auch Stoffels, NZA 2005, 726. 3 Vgl. nur BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 4 BAG 12.1.2005 – 3 AZR 364/04 – BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465. 5 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87.

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befürwortet. Eine rückwirkende Anwendung förmlicher Anforderungen, nämlich der Anforderungen an die Vertragsformulierung, auf einen abgeschlossenen Sachverhalt (Abschluss des Arbeitsvertrages) würde – so hat der 5. Senat ausgeführt – auf eine echte Rückwirkung hinauslaufen. Demgegenüber ist der 9. Senat des BAG davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber den Arbeitgebern mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB „eine Schutzfrist zur Umstellung“ ihrer „vorformulierten Arbeitsverträge bis zum 31. Dezember 2002 gewährt“ habe.1 Deshalb kämen die vom 5. Senat entwickelten Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung für Altverträge dann nicht zum Zuge, wenn der Arbeitgeber nicht zuvor versucht habe, die nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen.2 Auch nach Auffassung des 10. Senats des BAG3 spricht viel dafür, dass eine ergänzende Vertragsauslegung bei Altfällen zudem voraussetzt, dass der Verwender den Versuch unternommen hat, die nicht mehr den §§ 305 ff. BGB genügenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen. Mit seinem Urteil vom 20. April 20114 hat der 5. Senat des BAG nunmehr seine Rechtsprechung aus seinen Urteilen vom 12. Januar 20055 und 11. Oktober 20066 ausdrücklich bestätigt. „Eine Verhandlungsobliegenheit, deren Nichtbeachtung Rechtsfolgen nach sich ziehen soll“, so heißt es in der Entscheidung, lasse „sich Art. 229 § 5 EGBGB ebenso wenig entnehmen wie eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitgebers gerade im Jahr 2002 redlicherweise annehmen zu müssen (…). Eine Möglichkeit der einseitigen Durchsetzung gesetzeskonformer Verträge nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB“ habe es nicht gegeben. (…) Zudem wäre die Formulierung gesetzeskonformer Verträge im Jahre 2002 auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen, weil die Entwicklung der Rechtsprechung noch nicht abzusehen war“. Dem stehe auch die Gesetzesbegründung zu Art. 229 § 5 EGBGB (BT-Drucks.

1 Vgl. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809. 2 Vgl. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809; so im Ergebnis auch Singer, RdA 2006, 362 (373). 3 Vgl. BAG 10.12.2008 – 10 AZR 3/08; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428. 4 BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796. 5 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465. 6 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87.

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14/6040 S. 273) nicht entgegen. Diese erläutere lediglich die Möglichkeit einer Anpassung der Verträge während der Übergangsfrist, schließe eine ergänzende Vertragsauslegung nach Ablauf der Frist allerdings nicht aus. Zudem hat der 5. Senat darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, eine ergänzende Vertragsauslegung bei Neuverträgen zuzulassen, sie bei Altverträgen hingegen auszuschließen. Diese Rechtsprechung verdient m.E. uneingeschränkte Zustimmung.1 Einer Anrufung des Großen Senats des BAG nach § 45 ArbGG durch den 5. Senat des BAG bedurfte es vorliegend nicht.2 2. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 69 Sowohl der BGH als auch das BAG und der ganz überwiegende Teil des Schrifttums leiten aus § 306 das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ ab.3 Danach dürfen unwirksame Klauseln nicht mehr auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und in dem Umfang aufrechterhalten werden. Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die ein Ab-

1 So wohl auch Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 10 und 14; vgl. kritische Würdigung von Uffmann, AP BGB § 308 Nr. 9; a.A. Bieder, jurisPR-ArbR 28/2011 Anm. 2. Zur berechtigten Kritik an der Rechtsprechung des 9. und 10. Senats vgl. Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1234); Hromadka, NJW 2002, 2523 (2530); Kort, SAE 2005, 307 (313); Linck, FS Bauer (2010), S. 657; Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2226). 2 Vgl. insoweit die Ausführungen des 5. Senats in seinem Urt. v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796. 3 Grundlegend BGH 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – NJW 1982, 2309 zum AGBG; seitdem st. Rspr., vgl. BGH 1.2.1984 – VIII ZR 54/83 – NJW 1984, 1177; BGH 27.11.1997 – GSZ 1/97, GSZ 2/97 – NJW 1998, 671; BGH 27.9.2000 – VIII ZR 155/99 – NJW 2001, 292; BGH 25.1.2006 – VIII ZR 3/05 – NJW 2006, 1059; BGH 8.10.2008 – XII ZR 84/06 – NJW 2008, 3772; grundlegend BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149; BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 – NZA 2006, 607; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145; BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748; BAG 14.8.2007 – 8 AZR 937/06 – NZA 2008, 170; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; zur Literatur vgl. nur DBD/Bonin, § 306 Rz. 14; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 331; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 595; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 14 f.; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 31 f.

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weichen von diesem Verbot rechtfertigen könnten, bestehen nach der Rechtsprechung des BAG nicht.1 a) Grundlagen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion Die Rechtsprechung2 führt das Verbot der geltungserhaltenden Redukti- 70 on im Wesentlichen auf zwei grundlegende Ziele des AGB-Kontrollrechts zurück, nämlich das der Prävention und das der Transparenz: Der Klauselverwender solle angehalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren; dem Gegner des Klauselverwenders solle die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Diese Ziele – so heißt es in zahlreichen Entscheidungen – würden nicht erreicht, wenn jeder Verwender von AGB zunächst einmal ungefährdet über die Grenze dessen hinausgehen könne, was gerade noch zulässig sei und dann darauf vertrauen dürfe, die Gerichte würden die Klausel auf einen zulässigen Inhalt zurückführen. Es müsse vielmehr von vornherein verhindert werden, dass der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert werde und erst in einem Prozess den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahre. Daneben wird auf einen weiteren Aspekt abgestellt, nämlich darauf, dass sich der Richter bei einer geltungserhaltenden Reduktion zum Sachwalter der Interessen des Verwenders mache und so einseitige Vertragshilfe leiste. Dies sei mit dem Zweck des AGB-Kontrollrechts, das auf einen angemessenen Interessenausgleich angelegt sei, nicht vereinbar. b) Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion war von Anfang an – also 71 bereits seit Inkrafttreten des AGBG – Gegenstand von Auseinanderset1 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 728; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; vgl. Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 47 (49). 2 BGH, st. Rspr. seit der grundlegenden Entscheidung vom 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – NJW 1982, 2309; vgl. auch BGH 25.1.2006 – VIII ZR 3/05 – NJW 2006, 1059. Dem hat sich das BAG angeschlossen, vgl. grundlegend BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 66; vgl. auch Schlewing JbArbR Bd. 47, S. 47 (49).

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zungen, die – im Bereich des Zivilrechts – zum Teil sehr emotional geführt wurden. Und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur ist das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zum Teil auf deutliche Ablehnung gestoßen.1 Hier wird – ebenso wie im Bereich des Zivilrechts – vor allem eingewandt, dass eine ausnahms- bzw. einschränkungslose Anwendung des Verbots im Sinne eines „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ zu unbilligen Ergebnissen führen könne. Insbesondere dort, wo sich die unangemessene Benachteiligung in einem Übermaßverstoß manifestiere,2 was vor allem bei quantitativen Überschreitungen der Fall sein könne, könne die strikte Anwendung des Verbots „den Arbeitnehmer in einem Umfang begünstigen, der durch dessen Vertragsinteressen nicht mehr gerechtfertigt sei“.3 Zudem fehle es im Arbeitsrecht häufig an einer normativ oder richterrechtlich gesicherten Ersatzordnung mit der Folge, dass eine auf § 306 Abs. 2 BGB gestützte Lückenfüllung oft nicht in Betracht komme.4 Bedenken dagegen, dem Verwender das Risiko einer rechtlichen Fehlbeurteilung ausnahmslos in vollem Umfang aufzuerlegen, werden auch vor dem Hintergrund geäußert, dass die Überschreitung der Grenzen des Zulässigen häufig nicht Folge eines bewussten „Überreizens“ des Verwenders sei, sondern vielmehr Ausdruck seiner Überforderung. In der Regel wolle der Arbeitgeber seinen Vertragspartner nicht bewusst übervorteilen; vielmehr bewege er sich „bei der Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf schwankendem Boden“.5 Für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB gebe es keine festen Maßstäbe, an denen er sich bei der Gestaltung der Vertragsbedingungen ausrichten könne. Und dort, wo gerichtliche Entscheidungen nur Leitlinien bzw. Anhaltspunkte für die Praxis vorgäben, habe der Verwender ein erheblich gesteigertes Risiko der Fehlbeurteilung.6 1 2 3 4

Vgl. hierzu Nachweise bei Schlewing, RdA 2011, 92 (93). Stoffels, NZA 2005, 726 (728). Hierauf weist auch ausdrücklich I. Schmidt in NZA 2004, 1002 (1009) hin. Vgl. zu diesem Komplex nur Bayreuther NZA 2004, 953 (955); Hromadka, NJW 2002, 2523 (2529); Rolfs, FS Schwerdtner (2003), S. 151 (161); I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1010); Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (324); zu den richterrechtlich entwickelten Orientierungshilfen vgl. BAG 15.2.1990 – 6 AZR 381/88 – NZA 1990, 601; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342. 5 So ausdrücklich Söllner, ZfA 2003, 145 (158). 6 Vgl. hierzu nur Bayreuther, NZA 2004, 953 (954); MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 13; Söllner, ZfA 2003, 145 (158); zum Bedürfnis nach einer Differenzierung nach der Bestimmtheit, mit der die Rechtsordnung die Grenzen für die Ausgestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen setzt vgl. auch Reinecke, NZA Sonderbeilage 3/2000, 23 (28).

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Ergänzende Vertragsauslegung

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Weder der BGH noch das BAG haben allerdings eine unwirksame Klausel 72 in jedem Fall unter Berufung auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion vollständig und ersatzlos „kassiert“. Vielmehr haben die Gerichte es durch die Anwendung des „blue-pencil-Tests“ (s. Erl. Rz. 19–25) und der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung (s. Erl. Rz. 53–67) in seinen Folgen deutlich abgemildert. Insbesondere der Rückzug auf die ergänzende Vertragsauslegung hat nun wiederum die Befürworter einer geltungserhaltenden Reduktion zu der Kritik veranlasst, die Rechtsprechung und die h.L. hätten inzwischen allerlei „Schlupfwinkel und Notausgänge“ gegraben und so faktisch durch die „Hintertür“ bzw. über einen „Umweg“ eine geltungserhaltende Reduktion „in anderer Verpackung“ vollzogen.1 Diese Kritik ist unberechtigt. Die Rechtsprechung und die h.M. im Schrifttum verbinden mit der geltungserhaltenden Reduktion die Rückführung einer unangemessenen AGB auf das gesetzlich gerade noch Zulässige. Dabei wird die geltungserhaltende Reduktion häufig in Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung beschrieben: Während bei der geltungserhaltenden Reduktion nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden „gerade noch Zulässigen“ gesucht werde, erstrebe die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich.2 Damit gelten für die geltungserhaltende Reduktion und die ergänzende Vertragsauslegung unterschiedliche Maßstäbe im Hinblick auf das zu findende Ergebnis. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich zudem in ihrer methodischen Vorgehensweise.3 Während die ergänzende Vertragsauslegung der Schließung einer Vertragslücke dient, lässt die geltungserhaltende Reduktion eine solche Lücke im Vertrag erst gar nicht entstehen. Die zu beanstandende Klausel wird von vornherein so reduziert, dass sie den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird und vermeidet so die Unwirksamkeitsfolge. Dies gilt auch dann, wenn man mit den Befürwortern einer geltungserhaltenden Reduktion im AGB-Recht hierunter gerade nicht eine Aufrechterhaltung im höchstzulässigen, sondern nur eine solche im angemessenen Umfang versteht.4

1 Vgl. Nachweise bei Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 56 f.; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 15. 2 BGH 1.2.1984 – VIII ZR 54/83 – NJW 1984, 1174; BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748; Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 f.; Willemsen/ Grau, RdA 2003, 321. 3 BGH 1.2.1984 – VIII ZR 54/83 – NJW 1984, 1174. 4 Canaris, FS Steindorff (1990), S. 459 f.; Hager, JZ 1996, 175 (176); MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 14; vgl. weitere Nachweise bei Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 226 Fn. 82.

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Rechtsfolgen

c) Problematik des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion 73 Dennoch ist die Argumentation mit dem „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ nicht unproblematisch und es würde der Rechtsklarheit dienen, wenn die Rechtsprechung zur Bestimmung der Rechtsfolgen unwirksamer AGB in Zukunft nicht mehr auf das sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zurückzugreifen würde. Zwar ist der Rechtsprechung zuzugeben, dass eine geltungserhaltende Reduktion mit dem Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Und dies gilt unabhängig davon, ob man mit der Rechtsprechung und der h.M. im Schrifttum die geltungserhaltende Reduktion als Rückführung der zu beanstandenden Klausel auf das gerade noch Zulässige oder mit der Gegenmeinung die Aufrechterhaltung der Klausel im angemessenen Umfang begreift. In beiden Fällen würde mit einer geltungserhaltenden Reduktion nicht nur der in § 306 Abs. 1 BGB angeordnete Fortfall der Klausel im Umfang ihrer Unwirksamkeit umgangen; nicht respektiert würde zudem der Vorrang der Lückenfüllung durch das dispositive Recht nach § 306 Abs. 2 BGB. Auch hat der in vielen Entscheidungen anzutreffende Hinweis auf das „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ nach dem Inkrafttreten des AGBG und auch später nach der Integration der arbeitsvertraglichen Abreden in das AGB-Kontrollrecht sicherlich seine Berechtigung gehabt. Mittlerweile ist dieser Hinweis auf die geänderten Rechtsfolgen der Nichteinbeziehung und der Unwirksamkeit von AGB jedoch nicht nur überflüssig, sondern der Rechtsfindung auch nicht dienlich. 74 Er hat nicht nur zum Aufbau überflüssiger Streitpositionen geführt, wie die unterschiedlichen Auffassungen über den Inhalt und die dogmatische Einordnung1 der geltungserhaltenden Reduktion zeigen. Problematisch an der Argumentation mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, also an der Argumentation mit einem vom Gesetz selbst nicht verwendeten Begriff ist, dass Begriffe eine Eigendynamik entwickeln, dass sie sich verselbständigen und so zu einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz avancieren können.2 Dann besteht nicht nur die Gefahr, dass Entscheidungen aus den Begriffen abgeleitet und die Wertungen, die das Gesetz – wie hier mit § 306 BGB – selbst vorgenommen hat, überspielt

1 Vgl. Nachweise bei Schlewing, RdA 2011, 92 (94). 2 Vgl. hierzu Bieder, NZA Beilage 3/2011, 142 (143), der darauf hinweist, mit einer ergänzenden Vertragsauslegung werde das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion umgangen, das zur gesetzlichen Rechtsfolgensystematik des § 306 BGB gehöre.

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werden.1 Ebenso kann sich ein Begriff dann leicht zu einem allgemeinen Rechtsprinzip entwickeln, das über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus Geltung beansprucht. Dass sich das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auf gerade die- 75 sem problematischen Wege befindet, wird nicht nur durch die Kritik am blue-pencil-Test (s. Erl. Rz. 24) sowie die Kritik an einer flexiblen Handhabung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung,2 sondern beispielsweise auch durch die Diskussion einer Entscheidung des 5. Senats des BAG eindrucksvoll belegt. Der 5. Senat des BAG hatte in seinem Urteil vom 25. Mai 20053 Zweifel daran geäußert, ob eine global gefasste Klausel auch dann insgesamt unwirksam ist, wenn die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit auslöst, eine Ausnahmesituation beschreibt, und eine einschränkende Auslegung einer generell gefassten AGB befürwortet. Es ging um eine Ausschlussklausel, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsah, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei nicht innerhalb einer weiteren Frist eingeklagt wurden. „Eine Vertragsklausel, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragsparteien nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz“ verstoße“ – so der 5. Senat – sei „wirksam“. Die Parteien hätten „die in § 309 Nr. 7 BGB genannten besonderen Ansprüche nicht eigens erwähnt und offenbar auch nicht bedacht. Eine (ergänzende) Vertragsauslegung dürfte ergeben, dass derartige Fälle von der Ausschlussklausel nicht erfasst sein sollten“. Das gelte auch im Hinblick auf die Haftung wegen Vorsatzes. Es liege nahe, „dass die Parteien Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht einbezogen“ hätten. Demgegenüber hat der 8. Senat des BGH, der eine Klausel zu beurteilen hatte, durch die die gesetzlichen Verjährungsfristen abgekürzt wurden, mit Urteil vom 15. November 20064 entschieden, die Klausel könne nicht in einem eingeschränkten Sinne dahin ausgelegt werden, dass die unter § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Ansprüche von der Abkürzung der Verjährung unberührt blieben. Die Bestimmung sei nicht teilbar, sondern enthalte nur

1 Vgl. hierzu auch Schlewing, RdA 2011, 92 (94 und 99). 2 Dazu, dass sich aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion keine Maßstäbe oder Grenzen für die ergänzende Vertragsauslegung ableiten lassen, vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (96 f. m.w.N.). 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111. 4 BAG 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 – BGHZ 170, 31 = NJW 2007, 674.

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Rechtsfolgen

eine einzige homogene Regelung. „Um zu einem inhaltlich zulässigen Klauselinhalt zu kommen“, müsste die Klausel um eine „Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b aufgeführten Schadensersatzansprüche ergänzt werden. Das wäre der Sache nach indessen eine geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche Veränderung einer unzulässigen Klausel“, die nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen sei. Auch im Schrifttum1 wird die Entscheidung des 5. Senats des BAG mit der Begründung kritisiert, der 5. Senat habe die Klausel mit seiner einschränkenden Auslegung „gekünstelt aufgespalten“ und damit die Grenzen der Teilbarkeit überschritten. In der Sache sei dies eine abzulehnende geltungserhaltende Reduktion. 76 Die Kritik an der Entscheidung des 5. Senats überzeugt nicht. Im Gegenteil: Sie macht nicht nur die einschränkende Auslegung einer Klausel allein von ihrer sprachlichen Teilbarkeit abhängig und missachtet so den Vorrang der Auslegung. Denn, ob eine Bestimmung teilbar ist, kann erst entschieden werden, wenn ihr Inhalt durch Auslegung geklärt ist. Das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ stellt sich zudem nicht als Grenze der Auslegung in dem Sinne dar, dass bei pauschal gefassten AGB der Wortlaut das alleinige Auslegungskriterium wäre. Eine solche Sichtweise wäre nicht zu vereinbaren mit der Rechtsprechung des BGH, der in einer Reihe von Entscheidungen erkannt hat, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer globalen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der vom Verwender nicht bedacht wurde oder, so klingt es in einer anderen Entscheidung an, in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst.2 Sie würde zudem der Prävention und der Transparenz, auf die das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gestützt wird, unzulässigerweise den Vorrang vor den anderen Zielen des AGB-Kontrollrechts, nämlich der Herstellung eines ange-

1 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 118a m.w.N.; kritisch im Ergebnis DBD/ Bonin, § 306 Rz. 18b. 2 Vgl. BGH 14.11.1984 – VIII ZR 283/83 – NJW 1985, 738; BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506; BGH 20.10.1992 – X ZR 74/91 – NJW 1993, 657; BGH 10.2.1993 – XII ZR 74/91 – NJW 1993, 1133; BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056. Auch ein großer Teil des Schrifttums befürwortet für diese Ausnahmefälle eine einschränkende Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne, vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 15, 16; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 9; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 15a; WLP/Lindacher, § 305c Rz. 120.

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Salvatorische Klauseln

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messenen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen unter größtmöglicher Vertragserhaltung einräumen.1 VIII. Salvatorische Klauseln Weit verbreitet sind in AGB sog. salvatorische Klauseln. Dabei ist zwi- 77 schen solchen Klauseln zu unterscheiden, mit denen der Verwender nur Vorsorge für den Fall treffen will, dass sich Teile seines Klauselwerks im Rahmen der AGB-Kontrolle als unwirksam erweisen und solchen, mit denen er zugleich eine Anwendung des in § 306 BGB vorgesehenen Rechtsfolgensystems vermeiden will.2 1. Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln Vertragsklauseln, nach denen die Unwirksamkeit einzelner Bestimmun- 78 gen keine Auswirkungen auf andere Vertragsbestandteile haben soll, werden als Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln bezeichnet. Sie sind in AGB zwar unproblematisch zulässig, aber überflüssig, da der Fortfall der unwirksamen Bestimmung unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen ohnehin der Rechtsfolge des § 306 Abs. 1 BGB entspricht.3 2. Gesetzesverweisende Klauseln Klauseln, die für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen deren Aufrechterhaltung im gesetzlich zulässigen Umfang anordnen, werden als sog. gesetzesverweisende Klauseln bezeichnet. Derartige Klauseln sind nicht nur wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam,4 die Unwirksamkeit folgt auch aus § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. § 306 BGB kann nicht durch eine formularmäßige Klausel abbedungen werden.5

1 Vgl. hierzu Schlewing, NZA, Beilage 2/2012, 33 (38). 2 Vgl. im Einzelnen Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 10 Rz. 9 ff.; Suckow/ Striegel/Niemann, Rz. 762 ff. 3 Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 18; DBD/Bonin, § 306 Rz. 26; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 39; BGH 6.4.2005 – XII ZR 132/03 – NJW 2005, 2225. 4 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BGH 5.12.1995 – X ZR 14/93 – BB 1996, 654 m.w.N. 5 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BGH 5.12.1995 – X ZR 14/93 – BB 1996, 654 m.w.N.; vgl. auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 625 f. m.w.N.

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Rechtsfolgen

3. Ersetzungsklauseln 80 Weit verbreitet in AGB sind auch Klauseln, wonach an die Stelle nicht einbezogener oder unwirksamer Bestimmungen eine Regelung treten soll, die dem Inhalt der ursprünglichen Bestimmung möglichst nahe kommt. Häufig räumen sie zudem dem Verwender ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein. Derartige Ersetzungsklauseln sind ebenso wie die gesetzesverweisenden Klauseln unwirksam. weil sie die in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehene Geltung des dispositiven Rechts verdrängen und die Rechte und Pflichten des Vertragspartners entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht klar und durchschaubar darstellen.1 4. Reduktionsklauseln 81 Letztlich sind noch die sog. Reduktionsklauseln zu erwähnen. Danach soll eine wegen beispielsweise zu langer Fristen, überhöhter Schadenspauschalen oder Vertragsstrafen etc. unwirksame Bestimmung auf das angemessene Maß zurückgeführt werden.2 Die Reduktionsklauseln sind grundsätzlich ebenso wie die Ersetzungs- und die gesetzesverweisenden Klauseln zu bewerten und damit unwirksam.3 5. Kombination einer Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisenden Klausel mit einer Teilunwirksamkeits- bzw. Erhaltungsklausel 82 Wird eine Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisende Klausel mit einer Teilunwirksamkeits- bzw. Erhaltungsklausel verbunden, so lässt die unwirksame salvatorische Klausel die Wirksamkeit der Teilunwirksamkeitsklausel unberührt. Die Bestimmung ist ohne weiteres in einen unwirksamen und in einen wirksamen Klauselteil teilbar.4 IX. Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB 83 Nach § 306 Abs. 3 BGB ist der Vertrag – in Abweichung von § 306 Abs. 1 BGB – insgesamt unwirksam, wenn ein Festhalten am ihm für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Hierzu

1 BGH 22.11.2001 – VII ZR 208/00 – NJW 2002, 894; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – DB 2012, 1155. 2 Vgl. Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 766. 3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 10 Rz. 25. 4 BGH 6.4.2005 – XII ZR 132/03 – NJW 2005, 2225.

220 Schlewing

Gesamtunwirksamkeit des Vertrages

§ 306

reicht allein der Umstand, dass der Vertrag infolge der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine grundlegende bzw. einschneidende Störung im Äquivalenzverhältnis.1 Die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ist zudem „ultima ratio“. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehen Änderung eine unzumutbare Härte darstellt. Da nicht nur die Lückenfüllung durch dispositives Recht nach § 306 Abs. 2 BGB, sondern auch die ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor der Unzumutbarkeitsprüfung nach § 306 Abs. 3 BGB hat, ist der Anwendungsbereich des § 306 Abs. 3 BGB um so geringer, je flexibler man bei der Lückenfüllung mittels ergänzender Vertragsauslegung bei Fehlen geeigneten dispositiven Rechts ist.2 Da es sich bei § 306 Abs. 3 BGB um eine Ausnahmevorschrift handelt, 84 wird eine unzumutbare Härte nur in wenigen Fällen überhaupt in Betracht kommen. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB kann sich dann ergeben, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Vielzahl von Klauseln nur ein sog. „Torsovertrag“ verbleibt und eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder im Wege ergänzender Auslegung dem Vertrag beispielsweise einen völlig neuen, von den Parteien so nicht gewollten Inhalt gäbe, der lückenhafte Vertrag also nicht ergänzungsfähig ist. Ein Teil des Schrifttums befürwortet für diese Fälle zwar eine Totalnichtigkeit des Vertragstorsos mit der Folge, dass § 306 BGB von vornherein nicht zur Anwendung kommt.3 Dem steht jedoch nicht nur der eindeutige Wortlaut der Bestimmung entgegen; dass sich die Unwirksamkeit auf die zu missbilligenden Klauseln beschränkt und eine Nichtigkeit des zunächst wirksamen Gesamtvertrages nur unter den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB in Betracht kommt, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. § 306 BGB will die Risiken gerade in der Weise verteilen, dass der Verwender bis zur Grenze der Unzumutbarkeit an einen aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag ge-

1 BGH 9.5.1996 – III ZR 209/95 – NJW-RR 1996, 1009; BGH 22.2.2002 – V ZR 26/01 – BB 2002, 1017; BGH 20.3.2003 – I ZR 225/00 – NJW-RR 2003, 1056. 2 UBH/Schmidt, § 306 Rz. 42. 3 So Stoffels, AGB-Recht, Rz. 589; s. auch Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 6 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 EG-Klausel-RL; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 8 ebenfalls unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 EG-Klausel-RL; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 54.

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§ 306a

Umgehungsverbot

bunden bleibt.1 Für die insoweit zum Teil2 befürwortete teleologische Reduktion des § 306 BGB besteht kein Bedürfnis. 85 Bei der Beurteilung der Frage, ob einer der Vertragsparteien das Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag an.3 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, das vom „Festhalten“ spricht; im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Nichtgeltung von Klauseln oder Klauselteilen infolge der jeweiligen tatsächlichen Entwicklung für die Frage des Vertragsgleichgewichts ganz oder teilweise an Bedeutung verlieren kann.4 Nach ganz h.M. tritt die Gesamtunwirksamkeit nach § 306 Abs. 3 BGB nicht automatisch, sondern nur dann ein, wenn eine der Parteien sich darauf beruft.5 Umgehungsverbot

306a

Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgan-

gen werden.

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich . . . . . . . .

3

III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . .

7

IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 11 V. Darlegungs- und Beweislast . . 13 VI. Mögliche Umgehungsfälle . . . 14

1. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 2. „Erschleichen“ einer Individualabrede. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands § 307 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiwilligkeitsvorbehalt als Umgehungstatbestand? . . . . . .

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16 17

I. Einführung 1 Mit der Regelung des § 306a BGB, die nicht auf der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 beruht, sondern vom deutschen Gesetzgeber ein1 BGH 7.11.1985 – IX ZR 40/85 – NJW 1986, 928; BGH 16.10.1986 – III ZR 92/85 – NJW 1987, 184; im Ergebnis auch BGH 8.5.2007 – KZR 14/04 – NJW 2007, 3568; Erman/Roloff, § 306 Rz. 16; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 22; vgl. auch Schlewing, RdA 2011, 92 (97). 2 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 589. 3 Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 22; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 16; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 634; BGH 14.5.1996 – XI ZR 257/94 – NJW 1996, 2092. 4 Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 19; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 64. 5 DBD/Bonin, § 306 Rz. 29; UBH/Lindacher, § 306 Rz. 48 m.w.N.

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Umgehungsverbot

bunden bleibt.1 Für die insoweit zum Teil2 befürwortete teleologische Reduktion des § 306 BGB besteht kein Bedürfnis. 85 Bei der Beurteilung der Frage, ob einer der Vertragsparteien das Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag an.3 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, das vom „Festhalten“ spricht; im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Nichtgeltung von Klauseln oder Klauselteilen infolge der jeweiligen tatsächlichen Entwicklung für die Frage des Vertragsgleichgewichts ganz oder teilweise an Bedeutung verlieren kann.4 Nach ganz h.M. tritt die Gesamtunwirksamkeit nach § 306 Abs. 3 BGB nicht automatisch, sondern nur dann ein, wenn eine der Parteien sich darauf beruft.5 Umgehungsverbot

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Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgan-

gen werden.

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich . . . . . . . .

3

III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . .

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IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 11 V. Darlegungs- und Beweislast . . 13 VI. Mögliche Umgehungsfälle . . . 14

1. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 2. „Erschleichen“ einer Individualabrede. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands § 307 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiwilligkeitsvorbehalt als Umgehungstatbestand? . . . . . .

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I. Einführung 1 Mit der Regelung des § 306a BGB, die nicht auf der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 beruht, sondern vom deutschen Gesetzgeber ein1 BGH 7.11.1985 – IX ZR 40/85 – NJW 1986, 928; BGH 16.10.1986 – III ZR 92/85 – NJW 1987, 184; im Ergebnis auch BGH 8.5.2007 – KZR 14/04 – NJW 2007, 3568; Erman/Roloff, § 306 Rz. 16; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 22; vgl. auch Schlewing, RdA 2011, 92 (97). 2 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 589. 3 Bamberger/Roth/Schmidt, § 306 Rz. 22; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 16; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 634; BGH 14.5.1996 – XI ZR 257/94 – NJW 1996, 2092. 4 Staudinger/Schlosser, § 306 Rz. 19; WLP/Lindacher, § 306 Rz. 64. 5 DBD/Bonin, § 306 Rz. 29; UBH/Lindacher, § 306 Rz. 48 m.w.N.

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Anwendungsbereich

§ 306a

geführt wurde, wird der ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsatz des Verbots der Gesetzesumgehung1 für das Recht der ABG gesetzlich fixiert. Sinn und Zweck des § 306a BGB ist es, eine Aushöhlung oder Umgehung der Schutzvorschriften der §§ 305–310 BGB durch Umgehungsgestaltungen zu verhindern. Eine entsprechende, lediglich sprachlich geringfügig anders gefasste Regelung war schon in § 7 AGBG enthalten. Ähnliche spezialgesetzliche Regelungen des Umgehungsverbots finden sich in den §§ 312i Satz 2, 475 Abs. 1 Satz 2, 487 Satz 2, 511 Satz 2 und 655e Abs. 1 Satz 2 BGB. Schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht 2 haben die Arbeitsgerichte den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Umgehungsverbots für arbeitsrechtliche Sachverhalte herangezogen.2 Ob darüber hinaus im Arbeitsrecht ein nennenswerter eigenständiger Anwendungsbereich für § 306a BGB besteht, darf zumindest bezweifelt werden. Ausweislich der juristischen Online-Suchmaschinen Juris und Beck Online gibt es bislang nicht ein einziges BAG- oder LAG-Urteil, in dem § 306a BGB auch nur erwähnt wird. II. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 306a BGB erstreckt sich auf den gesam- 3 ten 2. Abschnitt des 2. Buches des BGB, also auf sämtliche Regelungen der §§ 305–310 BGB.3 § 306a BGB findet sowohl für die Umgehung einer einzelnen Vorschrift des AGB-Rechts als auch für eine Umgehung des gesamten AGB-Rechts als solchem Anwendung.4 Im Arbeitsrecht erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 306a BGB auf sämtliche vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertragsbedingungen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellt werden (Arbeitsverträge, Nebenvereinbarungen, allgemeine Ar1 Vgl. grundlegend zur Gesetzesumgehung Teichmann, Die Gesetzesumgehung, 1 ff. sowie Benecke, Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 1 ff. Spezifisch zur Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 155 ff. 2 Vgl. z.B. BAG 9.3.1972 – 5 AZR 246/71 – AP BGB § 622 Nr. 12 zur Unzulässigkeit einseitiger Kündigungserschwerungen wegen Umgehung von § 622 Abs. 6 BGB sowie BAG 14.1.2004 – 7 AZR 313/03 – NZA 2004, 719 (721 f.) zur Unwirksamkeit der sachgrundlosen Befristung einzelner Arbeitsbedingungen wegen Umgehung des Änderungskündigungsschutzes. 3 BGH 8.3.2005 – XI ZR 154/04 – NJW 2005, 1645 (1646). 4 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 5; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, 82.

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§ 306a

Umgehungsverbot

beitsbedingungen, Aufhebungsvereinbarungen, usw.). Aufgrund der Einstufung von Arbeitnehmern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB durch das BAG1 gilt zudem gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die Vermutung, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen vom Arbeitgeber gestellt worden sind, wenn sie nicht durch den Arbeitnehmer eingeführt wurden. 5 § 306a BGB wird jedoch nicht von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst. Bei Einmalbedingungen in Verträgen mit Arbeitnehmern, also Bedingungen, die zwar vom Arbeitgeber vorformuliert sind, aber nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, findet das Umgehungsverbot des § 306a BGB daher keine Anwendung. 6 Ausgenommen von der Anwendung des § 306a BGB sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, und zwar auch dann, wenn sie durch eine formularmäßig verwendete Bezugnahmeklausel Gegenstand der individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geworden sind. III. Voraussetzungen 7 Voraussetzung für eine Anwendung des § 306a BGB ist die objektive Umgehung einer Vorschrift der §§ 305–310 BGB. Mit Blick auf Verbotsregelungen, wie sie in den §§ 307–309 BGB enthalten sind, liegt eine objektive Umgehung vor, wenn die fragliche Gestaltung zwar nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsregelung von dieser erfasst werden soll, trotz teleologischer Auslegung aber nicht unter die Verbotsregelung subsumiert werden kann. Das Umgehungsverbot kommt bei Verbotsregelungen also dann zum Tragen, wenn eine Gesetzeslücke besteht, aufgrund derer ein Sachverhalt trotz extensiver teleologischer Auslegung nicht unter die Verbotsnorm gefasst werden kann, aber dennoch dem verbotenen Sachverhalt gleichgestellt sein soll.2 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, § 306a BGB solle die Gerichte zu einer extensiven teleologischen Auslegung ermutigen und ihnen eine Auffangregelung zur Hand geben, um auch solche „Tricksereien“ erfolgreich verhindern zu können, die nicht mehr mit einer bloßen teleologischen Auslegung erfasst werden können.3

1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111 (1115 f.); BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – NZA 2008, 1004 (1006). 2 UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 3. 3 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 7; ähnlich UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 3.

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Rechtsfolgen

§ 306a

Geht es demgegenüber nicht um eine Verbotsregelung, sondern um die 8 Anwendung einer begünstigenden Norm (je nach Einzelfall z.B. den Vorrang der Individualabrede gem. § 305b BGB), liegt ein Fall der Umgehung vor, wenn die Voraussetzungen der Norm rein künstlich geschaffen werden, obwohl sie an sich gar nicht vorliegen (sog. Tatbestandserschleichung).1 In diesen Fällen findet § 306a BGB Anwendung, wenn die Voraussetzungen der jeweiligen Norm – trotz restriktiver, teleologischer Auslegung – an sich gegeben sind, nach ihrem Sinn und Zweck aber keine Anwendung finden sollen. Einer Umgehungsabsicht oder eines sonstigen subjektiven Elements bedarf es für die Anwendung des § 306a BGB nicht.2 Es kommt allein darauf an, ob die fragliche Regelung in objektiver Hinsicht gegen Sinn und Zweck des Gesetzes verstößt. In der Praxis kann allerdings die erkennbare Umgehungsabsicht des Verwenders ein erhebliches Indiz für die Anwendung des § 306a BGB sein.3

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Arbeitsrechtliche Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die bei der 10 Anwendung des § 306a BGB zu berücksichtigen wären, bestehen nicht.4 IV. Rechtsfolgen Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot ist, dass die Regelung aus den §§ 305–310 BGB, die umgangen worden ist, auf die streitgegenständlichen AGB anzuwenden ist.5 Die Konsequenzen für die jeweilige vertragliche Regelung ergeben sich aus der umgangenen Norm.

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Auf das Umgehungsverbot kann sich jedoch allein der Vertragspartner des Verwenders berufen. Sollte eine Anwendung des Umgehungsverbotes ausnahmsweise zu einer Begünstigung des Verwenders führen, ist § 306a BGB nicht anzuwenden, sondern der Verwender der AGB muss sich an der von ihm verwendeten Regelung festhalten lassen.

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1 UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 3. 2 Erman/Roloff, § 306a BGB Rz. 2; Palandt/Grüneberg, § 306a BGB Rz. 2; UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 4; WLP/Lindacher, § 306a BGB Rz. 4. 3 Vgl. Rz. 15 zum „Erschleichen“ einer Individualabrede sowie Rz. 16 zum „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands des § 307 Abs. 3 BGB durch den Verwender. 4 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 2. 5 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 8; MünchKommBGB/Basedow, § 306a Rz. 3; UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 12.

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§ 306a

Umgehungsverbot

V. Darlegungs- und Beweislast 13 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Umgehung i.S.d. § 306a BGB trifft den Vertragspartner des Verwenders als die Vertragspartei, die sich auf die Umgehung berufen will.1 Steht fest, dass eine Umgehung i.S.d. § 306a BGB vorliegt, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der umgangenen Norm nach dieser Norm. VI. Mögliche Umgehungsfälle 1. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung 14 Der Versuch, eine Anwendung der §§ 305–310 BGB durch die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung zu umgehen, wird bereits durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO unterbunden, wonach die Rechtswahl nicht dazu führen darf, dass zuungunsten des Arbeitnehmers von zwingenden Schutzvorschriften abgewichen wird, die ohne die Rechtswahl auf das Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden hätten. Die §§ 305–310 BGB stellen derartige zwingende Schutzvorschriften dar,2 so dass sie für gewöhnlich in Deutschland tätige Arbeitnehmer in jedem Fall Anwendung finden. Einer Heranziehung des § 306a BGB bedarf es insofern nicht.3 2. „Erschleichen“ einer Individualabrede 15 Wird eine Individualabrede nur zum Schein getroffen, um gem. § 305b BGB nicht der AGB-Prüfung zu unterfallen, bleibt es dennoch beim AGB-Charakter der Abrede und § 305b BGB findet keine Anwendung. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer veranlasst, die eigentlich vom Arbeitgeber stammenden Vertragsbedingungen gegenüber dem Arbeitgeber zu stellen. Dieses Ergebnis lässt sich jedoch schon über eine entsprechende Auslegung des § 305b BGB erreichen, so dass es keines Rückgriffs auf § 306a BGB bedarf.4 1 Erman/Roloff, § 306a BGB Rz. 2. 2 ErfK/Schlachter, Art. 9 Rom I-VO Rz. 19; Schulze/Staudinger, Art. 8 Rom I-VO Rz. 5. 3 So auch DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 3. Auch die dem AGB-Recht zu großen Teilen zugrunde liegende Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 sieht in Art. 6 Abs. 2 vor, dass der Schutz der Richtlinie nicht durch die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung entzogen werden darf. 4 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 4; UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 5. Anders Kroll, CR 2009, 147 (149), der die Unwirksamkeit einer dem Vertragspartner „aufgezwungenen“ Individualabrede aus § 306a BGB ableitet.

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§ 306a

Mögliche Umgehungsfälle

3. „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands § 307 Abs. 3 BGB Ein Anwendungsfall des § 306a BGB ist gegeben, wenn der Arbeitgeber 16 in seinen AGB eine Leistung als kontrollfreie Hauptleistung i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB ausgestaltet, obwohl es sich bei der Leistung an sich um eine der AGB-Kontrolle unterliegende Nebenleistung handelt.1 Eine solche Gestaltung, bei der dann gemäß § 306a BGB ausnahmsweise auch die (vermeintliche) Hauptleistung der AGB-Kontrolle unterliegt, kann z.B. gegeben sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim Ausscheiden veranlasst, eine separate Erklärung zum Verzicht auf Ansprüche abzugeben, da der Verzicht bei isolierter Betrachtung eine Hauptleistung des Arbeitnehmers wäre.2 4. Freiwilligkeitsvorbehalt als Umgehungstatbestand? Zum Teil wird in der Literatur vertreten, Freiwilligkeitsvorbehalte, 17 durch die der Arbeitgeber bestimmte Leistungen lediglich freiwillig ohne Begründung eines Anspruchs für die Zukunft erbringen will, stellten eine Umgehung im Sinne des § 306a BGB dar, da mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt die Kontrollgrundsätze des AGB-Rechts für Änderungsund Widerrufsvorbehalte umgangen würden.3 Diese Ansicht verkennt jedoch den wesentlichen, strukturellen Unterschied zwischen Änderungs- und Widerrufsvorbehalten einerseits und Freiwilligkeitsvorbehalten andererseits. Während Änderungs- und Widerrufsvorbehalte sich auf die Änderung oder Einstellung einer Leistung beziehen, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat, geht es bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt darum, dass von vornherein klar geregelt wird, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine entsprechende Leistung in der Zukunft hat. Aufgrund dieses wesentlichen, strukturellen Unterschieds liegt in der Verwendung eines Freiwilligkeitsvorbehalts keine Umgehung der Kontrollgrundsätze des AGB-Rechts.4 1 DBD/Däubler, § 306a BGB Rz. 11; Erman/Roloff, § 306a BGB Rz. 4; UBH/H. Schmidt, § 306a BGB Rz. 10. 2 Vgl. hierzu näher Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812 (2817). 3 Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 379 und Rz. 646; vgl. auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 71. 4 So zutreffend auch Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, 82; ähnlich Maties, Anm. zu BAG AP BGB § 308 Nr. 7. Auch das BAG sieht in der Verwendung von Freiwilligkeitsvorbehalten keine Umgehung i.S.d. § 306a BGB, prüft die Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten jedoch zunehmend streng am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB, vgl. insbesondere BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81 (83 f.).

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Vor § 307

Vor § 307

Vor 307 I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und zwingendes Recht . 2. Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kollektivverträge. . . . . . . . . . . 4. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB. . 5. Treu und Glauben, § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Billigkeitskontrolle, § 315 BGB, § 106 GewO . . . . . . . . . .

1 2 9 10 11 14 18

7. Kontrolle von Vertragsstrafen, § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 8. Kontrolle von Wettbewerbsverboten, § 74a HGB . . . . . . . . 24 9. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Kontrolle von Individualverträgen und Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Schadensersatzpflicht wegen Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln . . . . . . . . . . . . . 34

I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten 1 Die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle ist von anderen Kontrollansätzen zu unterscheiden. Insoweit bedarf es zum einen der Klärung, ob diese Kontrollmechanismen von den §§ 307 ff. BGB verdrängt werden, neben diese Regelungen treten oder sogar den Vorrang genießen. Zum anderen ist zu beleuchten, in welcher Weise die Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge auf die Reichweite konkurrierender Kontrollansätze zurückwirkt. Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass die ältere Rechtsprechung in der Zeit vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit verschiedenen rechtlichen Instrumenten versucht hat, unangemessenen Arbeitsbedingungen im Wege der Inhaltskontrolle zu Leibe zu rücken (dazu bereits Einführung Rz. 14). 1. Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und zwingendes Recht 2 Soweit es um das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 134 BGB sowie zum zwingenden Recht geht, ist zunächst festzuhalten, dass nach richtiger Ansicht zwischen Verbotsgesetzen und privatrechtlich zwingenden Normen zu unterscheiden ist.1 So begrenzt zwingendes Recht von vornherein die Ausübung privatrechtlicher Gestaltungsmacht und regelt damit die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes selbst. Demgegenüber erklären gesetzliche Verbote, bei denen es sich zumeist um Vorschriften des öffentlichen Rechts handelt, ein bestimmtes Verhalten für rechts1 MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rz. 3; Deinert, Zwingendes Recht (2002), Rz. 56 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. (1992), § 17, 2, S. 342 f.

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Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten

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widrig, ohne sich zu den privatrechtlichen Folgen eines Verbotsverstoßes zu äußern. Vielmehr wird die Nichtigkeit verbotswidriger Rechtsgeschäfte erst durch § 134 BGB angeordnet, wobei aber letztlich nach dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm zu entscheiden ist, ob die Nichtigkeitsfolge tatsächlich eintreten soll. Hieraus ergibt sich, dass die §§ 307 ff. BGB selber nicht als Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB qualifiziert werden können, weil die Unwirksamkeit widersprechender Klauseln unmittelbar aus dem AGB-Recht als zwingende Grenze einseitig ausgeübter Vertragsgestaltungsmacht folgt.1 Darüber hinaus sind privatrechtlich zwingende Vorschriften generell nicht als Verbotsgesetze aufzufassen, auch wenn dies in der Rechtsprechung zuweilen geschieht.2 Für das Konkurrenzverhältnis ist daraus Folgendes abzuleiten: Zwingen- 3 des Privatrecht führt automatisch zur Unwirksamkeit hiergegen verstoßender vertraglicher Abreden, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um vorformulierte Klauseln oder um echte Einzelvereinbarungen handelt. Dasselbe gilt bei gesetzlichen Verboten i.S.v. § 134 BGB, der durch die §§ 307 ff. BGB nicht verdrängt wird.3 Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht sogar noch einen Schritt weiter und ordnet Verstöße gegen zwingendes Recht4 oder gegen Verbotsgesetze5 regelmäßig zugleich als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 BGB ein, wobei letzteres freilich nur für die Fälle gelten kann, in denen das Verbotsgesetz den Schutz des Klauselgegners bezweckt. Der mit dieser Judikatur verfolgte Zweck, den Anwendungsbereich des Ver-

1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 31; DBD/Deinert, § 307 Rz. 39; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 55; Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 10. 2 So der Ansatz in BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (Prüfung eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB); ebenso etwa BGH 25.9.2002 – VIII ZR 253/99 – BGHZ 152, 121, 133 = NJW 2003, 290 (293); BGH 3.7.2003 – III ZR 248/02 – BGHZ 155, 311 (314) = NJW 2003, 2906 f.; ohne einen Rekurs auf § 134 BGB aber der Ansatz in BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Prüfung eines Verstoßes gegen § 12 TzBfG); ebenso etwa BGH 14.4.1983 – VII ZR 199/82 – BGHZ 87, 191, 197 = NJW 1983, 1612 (1614); BGH 6.5.1992 – VIII ZR 129/91 – BGH 118, 194, 198 = NJW 1992, 1759 (1760). 3 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 56; MünchKommBGB/Kieninger, Vor § 307 Rz. 9. 4 Z.B. BGH 29.3.1995 – VIII ZR 102/94 – NJW 1995, 1552 (1554) (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 129, 186); BGH 20.11.2002 – VIII ZR 1467/01 – BGHZ 153, 6 = NJW 2003, 1241 (1242 f.); BGH 21.10.2009 – VIII ZR 286/07 – NJW 2010, 298 (Rz. 26). 5 Z.B. BGH 25.9.2002 – VIII ZR 253/99 – BGHZ 152, 121, 133 = NJW 2003, 290 (293).

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bandsklageverfahrens zu eröffnen, das gemäß § 1 UKlaG auf Verstöße gegen die §§ 307–309 BGB beschränkt ist, spielt im Arbeitsrecht allerdings keine Rolle, weil dieses Gesetz nach § 15 UKlaG auf das Arbeitsrecht keine Anwendung findet (dazu auch Einführung Rz. 132). Eine zusätzliche Heranziehung der AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen ist daher entbehrlich.1 4 Vor diesem Hintergrund ist bei der Kontrolle der Wirksamkeit von arbeitsvertraglichen Klauseln zunächst die Reichweite des zwingenden Rechts auszuloten, das im Arbeitsrecht eine deutlich größere Rolle spielt als im allgemeinen Zivilrecht. Denn mit dem zwingenden Arbeitsrecht werden die Grenzen des arbeitsvertraglich Regelbaren vergleichsweise präzise vorgegeben. Demgegenüber weist die allgemeine Angemessenheitskontrolle weniger scharfe Konturen auf und stützt sich zu großen Teilen auf Maßstäbe, die erst von der Rechtsprechung entwickelt werden müssen. Ein voreiliges Umschwenken auf die Angemessenheitskontrolle bringt daher die Gefahr mit sich, die durch die Schaffung zwingenden Arbeitsrechts intendierten Grenzziehungen aufzuweichen und unter Umständen sogar den Geltungsanspruch des zwingenden Arbeitsrechts auszuhöhlen, indem eine allgemeine Interessenabwägung an die Stelle der Auslegung arbeitsrechtlicher Vorschriften gesetzt wird. Spätestens bei der Kontrolle inhaltsgleicher Tarifverträge, die keiner Angemessenheitskontrolle unterliegen (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB), kann indes der Frage nicht ausgewichen werden, ob eine Regelung gegen zwingendes Arbeitsrecht verstößt und deshalb auch die Tarifvertragsparteien bindet oder ob sie nur inhaltlich unangemessen ist. Hiervon unberührt bleibt die Befugnis der Gerichte, bei nicht ohne weiteres zu behebenden Zweifeln über den zwingenden Charakter einer Privatrechtsnorm, zu denen es im Arbeitsrecht freilich kaum kommen dürfte, aus Gründen der Prozessökonomie die Unwirksamkeit vorformulierter Klauseln jedenfalls aus den §§ 307 ff. BGB herzuleiten.2 5 Allerdings ist auch der umgekehrten Gefahr einer Überdehnung des zwingenden Arbeitsrechts entgegenzutreten. So hatte die frühere Rechtsprechung mangels einer besonderen Legitimation zur Angemessenheitskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden vielfach mit dem methodischen Instrument einer Umgehung von zwingendem Kündigungsschutzrecht gearbeitet und mit diesem Ansatz eine deutlich über den Anwendungs1 Ebenso Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (64). Wenig befriedigend deshalb das Hineinschachteln von zwingendem Recht in die Angemessenheitskontrolle in BAG 23.3.2006 – III ZR 102/05 – NZA 2006, 551 (Rz. 15 ff.). 2 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 19.

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bereich des Kündigungsschutzrechts hinausgehende Inhaltskontrolle durchgeführt.1 Diese Hilfskonstruktion ist mit der Erstreckung des AGB-Rechts auf vorformulierte Arbeitsverträge entbehrlich geworden.2 Den Zusammenhang von zwingendem Recht und AGB-rechtlicher Angemessenheitskontrolle hat das BAG in seiner Entscheidung zur Abrufarbeit3 klar herausgestellt. Hierbei hat sich das BAG für eine vergleichsweise enge Auslegung von § 12 TzBfG ausgesprochen und dies nicht zuletzt damit begründet, dass eine großzügige Interpretation deshalb nicht erforderlich sei, weil etwaige Lücken durch die AGB-Kontrolle geschlossen würden. Eine solche Argumentation ist zutreffend, soweit damit der früher im Übermaß bemühte Umgehungstopos zurückgewiesen werden soll. Dagegen kann die Reichweite des zwingenden Arbeitsrechts nicht deshalb beschränkt werden, weil mit der AGB-Kontrolle ein weiterer Schutzmechanismus zur Verfügung steht, zumal man wie erwähnt spätestens bei Tarifverträgen Farbe bekennen muss, wie weit der Geltungsanspruch des zwingenden Arbeitsrechts reicht. Ob vorformulierte Ausschlussfristen auch Ansprüche aus zwingendem Arbeitsrecht erfassen,4 kann jedenfalls nicht mit dem Argument bejaht werden, dass etwaige Schutzlücken durch das AGB-Recht aufgefangen werden. Von der Rechtsfigur der Umgehung zwingenden Rechts zu unterschei- 6 den ist der gedankliche Ansatz, dass nicht nur dem im Arbeitsrecht ohnehin seltenen dispositiven Recht, sondern auch dem zwingenden Recht Wertungen entnommen werden können, in denen ein gesetzliches Leitbild i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als tauglicher Maßstab für eine AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle zum Ausdruck kommt. 1 BAG 7.10.1982 – 2 AZR 455/80 – AP BGB § 620 Teilkündigung Nr. 5; BAG 12.12.1984 – 7 AZR 509/83 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 6 = NZA 1985, 321; BAG 13.6.1986 – 7 AZR 650/84 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 19 = NZA 1987, 241; BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95; BAG 21.4.1993 – 7 AZR 297/92 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 34 = NZA 1994, 476; ferner bereits BAG 12.10.1960 – GS 1/59 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16; BAG 11.3.1971 – 5 AZR 349/70 – AP BGB § 622 Nr. 9; BAG 9.3.1972 – 5 AZR 246/71 – AP BGB § 622 Nr. 12; im Ansatz auch BAG 16.10.1965 – 5 AZR 55/65 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 20. 2 So ausdrücklich BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1d); BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 33); ferner Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. (2011), Kap. 1 Rz. 12; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (83). 3 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 4 Dafür etwa BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111; ebenso Krause, RdA 2004, 36 (41) m.w.N.; dagegen Ulber, DB 2011, 1808 (1809 f.).

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Hiervon ausgehend ist es grundsätzlich möglich, dass vorformulierte Vertragsbestimmungen zwar nicht unmittelbar gegen zwingendes Recht verstoßen und somit schon aus diesem Grunde unwirksam sind, wohl aber mit den im zwingenden Recht verkörperten Wertvorstellungen unvereinbar sind und daher eine unangemessene Benachteiligung darstellen.1 In diesem Sinne lassen sich die Ausführungen des BAG zur Bedeutung von § 622 Abs. 6 BGB für die Unzulässigkeit einseitiger Ausschlussfristen2 einordnen. 7 Im Übrigen ist es durchaus denkbar, dass zwingendes Recht eine Thematik abschließend regelt. Dies gilt für vorformulierte Befristungen des gesamten Arbeitsvertrags sowie insbesondere für Altersgrenzen, die nur am TzBfG bzw. am AGG sowie gegebenenfalls an § 41 SGB VI zu messen, nicht aber einer zusätzlichen Angemessenheitskontrolle zu unterziehen sind.3 Dagegen geht es zu weit, zwingenden Arbeitsschutzvorschriften generell die Wertung zu entnehmen, dass vertragliche Regelungen, die von ihnen nicht untersagt werden, auch dann keiner Inhaltskontrolle unterzogen werden dürfen, wenn es sich um AGB handelt, weil dies auf eine richterliche Gesetzeskorrektur hinauslaufe.4 8 Sofern im Einzelfall eine vorformulierte Vertragsbestimmung auf der einen Seite gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen zwingendes Recht verstößt, auf der anderen Seite aber auch als unangemessen einzustufen ist, stehen § 139 BGB, der im Zweifel eine Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts vorsieht, und § 306 BGB, der den übrigen Vertrag grundsätzlich aufrecht erhält, in einem Spannungsverhältnis zueinander. In einer solchen Konstellation ist § 306 BGB der Vorrang einzuräumen, um den Arbeitgeber als Verwender von AGB, dessen Klauseln nicht nur gegen AGB-Recht, sondern zusätzlich gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen zwingendes Recht verstoßen, nicht zu privilegieren.5 Allerdings entspricht die Einschränkung von § 139 BGB bei Verstößen gegen arbeitnehmerschützende Verbotsgesetze in Arbeitsverträgen ohnehin gängiger

1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 232 a.E.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 284; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 209; grds. ebenso BGH 27.5.2010 – VII ZR 165/09 – NJW 2010, 2272 (Rz. 15). 2 BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 2004, 852 (unter B VI 2b). 3 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 – AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 27 = NZA 2006, 37 (Rz. 32); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (85); krit. aber Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (59) Fn. 16. 4 In diesem Sinne Benedict, JZ 2012, 172 (177). 5 DBD/Deinert, § 307 Rz. 39; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (82).

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Ansicht,1 so dass insoweit keine Änderungen eintreten. Zu Modifikationen kann es freilich – entsprechend zivilrechtlichen Vorbildern2 – in den Fällen kommen, in denen sich der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen zwingendes Recht durch geltungserhaltende Reduktion reparieren ließe. Da im AGB-rechtlichen Kontrollregime eine geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen ist (dazu § 306 Rz. 69 ff.), enthält das AGB-Recht in diesem Punkt eine strengere Rechtsfolge.3 2. Richterrecht Mit diesen Überlegungen ist auch der Boden für die Bestimmung des 9 Verhältnisses von AGB-Kontrolle und Richterrecht bereitet. Wenn und soweit Richterrecht angesichts der Lückenhaftigkeit des Arbeitsrechts zwingendes Gesetzesrecht substituiert, sind hiergegen verstoßende arbeitsvertragliche Vereinbarungen unabhängig davon unwirksam, ob sie vorformuliert sind oder nicht.4 In diese Rubrik gehören allerdings nur wenige Fallgruppen, wie etwa die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung, die jedenfalls in ihrem Kern als zwingendes und nicht nur als dispositives Arbeitnehmerschutzrecht anzusehen sind.5 Sofern Richterrecht dagegen nur die Funktion hatte, die vor der Ausdehnung der AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge fehlende Grundlage für eine Inhaltskontrolle zu ersetzen und der Sache nach Klauselkataloge zu entwickeln,6 hat sich dieser Ansatz erledigt.7 Stattdessen gründet sich die Inhaltskontrolle insoweit nunmehr allein auf die §§ 307 ff. BGB,8 die nicht unter pauschalem Verweis auf angeblich

1 Siehe nur MünchKommBGB/Busche, § 139 Rz. 11; Erman/Palm/Arnold, § 139 Rz. 6. 2 BGH 25.1.2006 – VIII ZR 3/05 – NJW 2006, 1059 (Rz. 20 f.). 3 DBD/Deinert, § 307 Rz. 39; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (82 f.). 4 Insoweit zutr. LAG Brandenburg 24.6.2004 – 1 Sa 108/04 – AuR 2004, 475. 5 Vgl. BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 126 = NZA 2004, 649; MünchKommBGB/Henssler, § 619a Rz. 13; HWK/ Krause, § 619a BGB Rz. 46; Waltermann, RdA 2005, 98 (108 f.); a.A. ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 11. 6 Hierzu Lieb, FS Konzen (2006), S. 501 (509); gegen jede Vorstellung einer Verfestigung zu Richterrecht bei der früheren Kontrolle einzelner Klauseln Joost, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 49 (53). 7 Ebenso Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 36. 8 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (Befristung einzelner Arbeitsbedingungen).

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zwingendes früheres Richterrecht beiseitegeschoben werden können.1 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ältere richterrechtliche Erkenntnisse bei der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle als dispositives Leitbild fungieren und/oder als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB zu berücksichtigen sind (dazu Einführung Rz. 68). 3. Kollektivverträge 10 Bei Kollektivverträgen sind die geschilderten Ansätze und Unterscheidungen nur von geringer Bedeutung. Soweit Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG), werden mit diesen Regelungen nicht kompatible arbeitsvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich nur überlagert und nicht vernichtet.2 Richten sich einzelvertragliche Klauseln diametral gegen die kollektivvertraglichen Vorgaben, sind sie darüber hinaus unwirksam, ohne dass man für diese Rechtsfolge zusätzlich § 134 BGB heranziehen muss,3 soweit die kollektivvertragliche Regelung nicht ausnahmsweise ein Verbot bestimmter Verhaltensweisen enthält, bei dem sich die Frage nach den Auswirkungen auf entgegenstehende Vereinbarungen überhaupt erst stellt.4 Der konstruktive Ansatz einer „Umgehung von Kollektivrecht“ als Instrument einer Inhaltskontrolle außerhalb der unmittelbaren Reichweite des Kollektivrechts hat in der Judikatur des BAG in der Zeit vor der Ausdehnung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge soweit ersichtlich keine Rolle gespielt. Es besteht deshalb heutzutage erst recht kein Grund, eine solche Argumentationsfigur zu entwickeln. Hiervon zu unterscheiden ist die Funktion von Kollektivverträgen als Maßstab der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, die freilich ebenfalls abzulehnen ist (näher dazu § 310 Rz. 80 f.). 1 Ebenso ausdrücklich LAG Brandenburg 25.8.2004 – 7 Sa 91/04 – ZTR 2005, 271; nicht überzeugend daher LAG Brandenburg 24.6.2004 –1 Sa 108/04 – AuR 2004, 475 (jeweils Befristung einzelner Arbeitsbedingungen). 2 Vgl. zu Tarifverträgen BAG 12.12.2007 – 4 AZR 998/06 – AP TVG § 4 Nr. 28 = NZA 2008, 649; Jacobs/Krause/Oetker/Jakobs, Tarifrecht, 2007, § 7 Rz. 6; Wiedemann/Wank, TVG, 7. Aufl. 2007, § 4 Rz. 371; zu Betriebsvereinbarungen BAG 21.9.1989 – 1 AZR 454/88 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 43 = NZA 1990, 351; Fitting, BetrVG, 26. Aufl. 2012, § 77 Rz. 197. 3 So aber Jacobs/Krause/Oetker/Jakobs, Tarifrecht, 2007, § 7 Rz. 6. 4 Vgl. BGH 14.12.1999 – X ZR 34/98 – BGHZ 143, 283 = NJW 2000, 1186 (zum Verbot der Annahme von Geschenken gemäß § 10 BAT = § 3 Abs. 2 TVöD bzw. § 3 Abs. 3 TV-L).

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4. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB Das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 138 BGB ist im allgemeinen AGB-Recht umstritten. Der BGH,1 das BAG2 und die überwiegende Ansicht im Schrifttum3 halten beide Regelungen für nebeneinander anwendbar. Demgegenüber qualifiziert ein Teil der Literatur die §§ 307 ff. BGB als leges speciales, die in ihrem Anwendungsbereich § 138 BGB verdrängen.4 Diese unterschiedlichen Grundansätze führen allerdings insbesondere im Arbeitsrecht nicht zu abweichenden Ergebnissen. Zum einen besteht Einigkeit darüber, dass § 138 BGB heranzuziehen ist, wenn sich die Sittenwidrigkeit aus Umständen ergibt, die bei der AGBrechtlichen Kontrolle keine Rolle spielen, wie die Beeinträchtigung der Interessen Dritter oder das gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreie Missverhältnis der Hauptleistungspflichten.5 So sind beispielsweise vorformulierte Mankoabreden, die dem Arbeitnehmer einen Anreiz geben, ein zwischenzeitlich aufgetretenes Manko durch Unregelmäßigkeiten zulasten von Kunden wieder auszugleichen, wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB unwirksam,6 während die Unangemessenheit i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht auf die drohende Beeinträchtigung von Drittinteressen gestützt werden kann. Zum anderen spielt das zentrale Anliegen der h.M., eine an sich wegen Sittenverstoßes zu bejahende Gesamtnichtigkeit des Vertrags nicht dadurch auszuschalten, dass einzelne anstößige Klauseln zuvor nach den §§ 307 ff. BGB eliminiert werden,7 bei Arbeitsverträgen keine Rolle. Aus allgemeinen Gründen des Arbeitnehmerschutzes darf der Umstand, dass nicht nur einzelne Klauseln un-

1 BGH 18.9.1997 – IX ZR 283/96 – BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372; ebenso im Grundansatz BGH 16.4.1996 – XI ZR 234/95 – ZIP 1996, 957; BGH 25.4.2001 – VIII ZR 135/00 – BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331. 2 Vgl. BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – AP BGB § 781 Nr. 7 = NZA 2005, 682. 3 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 34; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 60; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 384. 4 Palandt/Grüneberg, Überbl. v. § 305 Rz. 15; MünchKommBGB/Kieninger, Vor § 307 Rz. 10; Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 11. 5 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 33; MünchKommBGB/Kieninger, Vor § 307 Rz. 10. 6 So Stoffels, AR-Blattei, SD 870.2 Rz. 102. 7 Vgl. BGH 12.3.1981 – III ZR 92/79 – BGHZ 80, 153, 172 = NJW 1981, 1206 (1210); BGH 14.1.2003 – XI ZR 121/02 – BGHZ 156, 302, 310 = NJW 2004, 161 (163); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 34; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 60; ferner BGH 18.9.1997 – II ZR 283/96 – BGHZ 136, 347 (355 f.) = NJW 1997, 3372 (3374) (Berücksichtigung überraschender Klauseln bei Sittenwidrigkeitskontrolle).

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wirksam sind, sondern der Arbeitsvertrag insgesamt auf eine Übervorteilung des Arbeitnehmers abzielt, nämlich ohnehin nicht dazu führen, dass nunmehr der gesamte Vertrag nichtig ist. Vielmehr bleibt es bei der allgemeinen Regel, dass der Arbeitsvertrag grundsätzlich aufrechtzuerhalten und durch dispositives Recht zu ergänzen ist.1 12 Diese Besonderheit bei den Rechtsfolgen kann im Übrigen auf den Tatbestand zurückwirken. So kann zwar auch eine Vielzahl von unwirksamen Klauseln nicht dazu führen, dass sich die vom BAG aufgestellte Grenze von weniger als 2/3 einer üblichen Vergütung für das Sittenwidrigkeitsverdikt beim Lohnwucher2 automatisch nach oben verschiebt. Dagegen kann das für § 138 BGB an sich erforderliche subjektive Element der verwerflichen Gesinnung3 umso eher zu bejahen sein, wenn der Arbeitgeber nicht nur ein vergleichsweise niedriges Entgelt zahlt, sondern darüber hinaus unwirksame AGB verwendet (siehe in diesem Zusammenhang auch noch Rz. 34 ff.). 13 Auf einem ganz anderen Blatt steht wiederum die Funktion von § 138 BGB als Grundlage einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung.4 Mit der Ausdehnung der §§ 307 ff. BGB auf vorformulierte Arbeitsverträge ist dieser Kontrollansatz in dem Sinne gegenstandslos geworden, dass neben der auf das AGB-Recht gestützten Inhaltskontrolle kein Raum mehr für eine wirkungsgleiche Angemessenheitskontrolle nach § 138 BGB bei Formulararbeitsverträgen ist.5 5. Treu und Glauben, § 242 BGB 14 Im Ausgangspunkt schließen die §§ 307–309 BGB als speziellere Regelungen einen Rückgriff auf § 242 BGB aus. Dieser für das allgemeine

1 2 3 4

In diesem Sinne auch DBD/Deinert, § 307 Rz. 40. BAG 22.4.2009 – 5 AZR 436/08 – AP BGB § 138 Nr. 64 = NZA 2009, 837. Zur Problematik MünchArbR/Krause, § 54 Rz. 88 ff. Vgl. BAG 22.11.1973 – 2 AZR 580/72 – AP BGB § 626 Nr. 67; BAG 7.11.1984 – 5 AZR 278/83; BAG 10.10.1990 – 5 AZR 404/89 – AP BGB § 138 Nr. 47 = NZA 1991, 264; ebenso der Ansatz in BAG 26.1.1956 – 2 AZR 98/54 – AP AZO § 15 Nr. 1; BAG 16.11.1961 – 5 AZR 483/60 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 5; BAG 25.7.1984 – 5 AZR 219/82; BAG 24.3.1988 – 2 AZR 630/87 – AP BGB § 241 Nr. 1 = NZA 1989, 101; BAG 27.2.2002 – 9 AZR 543/00 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 (insoweit Sittenwidrigkeit allerdings jeweils verneint). 5 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81).

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AGB-Recht anerkannte Grundsatz1 gilt auch für das Arbeitsrecht.2 Soweit sich das BAG bei der Kontrolle (vorformulierter) Arbeitsbedingungen auf inhaltliche Angemessenheit früher auf § 242 BGB gestützt hat,3 ist dieser Prüfungsansatz daher nunmehr ebenfalls überholt.4 Damit ist nicht nur ein Austausch der Rechtsgrundlage der Wirksamkeitskontrolle verbunden. Vielmehr führt der AGB-rechtliche Ansatz zugleich zu einer gewissen, von den Besonderheiten des konkreten Falls absehenden Generalisierung der Umstände, die der Kontrolle zugrundezulegen sind.5 Zu einer Verdrängung von § 242 BGB kommt es freilich nur innerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 307–309 BGB. Dies spielt zwar im Hinblick auf die aus dem AGB-Recht ausgeklammerten arbeitsrechtlichen Kollektivverträge keine Rolle, weil Tarifverträge von vornherein keiner Angemessenheitskontrolle unterliegen und für Betriebsvereinbarungen mit § 75 BetrVG ein Prüfungsmaßstab vorhanden ist, der einem Rekurs auf § 242 BGB ebenfalls entgegensteht. § 242 BGB fungiert aber zum einen nach wie vor als Basis für die Kontrolle von echten Individualvereinbarungen bzw. von vorformulierten Einzelverträgen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, bei denen eine fehlende Einflussmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht festgestellt werden kann. Um den Abstand zum Maßstab des AGB-Rechts zu wahren, darf es sich bei dieser auf § 242 BGB gestützten Kontrolle aber nicht um eine umfassende Angemessenheitskontrolle handeln (dazu näher Rz. 31 ff.).

1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 35; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 62; MünchKommBGB/Kieninger, Vor § 307 Rz. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 389; a.A. Roussos, JZ 1988, 997 (1006). 2 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter VI 2a); DBD/Deinert, § 307 Rz. 41; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81). 3 BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG 6.9.1995 – 5 AZR 241/94 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 314; BAG 6.5.1998 – 5 AZR 535/97 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 28 = NZA 1999, 79 (unter zusätzlicher Nennung von § 138 BGB); BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542; grds. auch BAG 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 – AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB Sachbezüge § 611 Nr. 15 = NZA 2004, 484 (Hervorhebung von Treu und Glauben neben einer pauschalen Nennung von §§ 138, 242 und § 315 BGB); ferner BAG 27.4.2000 – 8 AZR 301/99 – juris (Hervorhebung von Treu und Glauben neben einer pauschalen Nennung von § 138 und § 242 BGB). 4 DBD/Deinert, § 307 Rz. 43; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (24). 5 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 (Rz. 28).

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15 Zum anderen dient § 242 BGB als Grundlage der von der Inhaltskontrolle strikt zu unterscheidenden Ausübungskontrolle,1 sofern es sich nicht um einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers handelt, bei deren Ausübung § 106 GewO bzw. § 315 BGB als speziellere Vorschriften heranzuziehen sind (dazu sogleich Rz. 18 ff.). Diese Ausübungskontrolle ist der Inhaltskontrolle nachgelagert und zielt darauf ab, einen individuellen Rechtsmissbrauch des Verwenders zu dem Zeitpunkt zu verhindern, zu dem es in einem konkreten Rechtsstreit auf die fragliche Klausel ankommt.2 Ihrer Funktion entsprechend knüpfen Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle an klar voneinander zu unterscheidende Elemente des zu beurteilenden Sachverhalts an. Während es bei der Inhaltskontrolle um die Wirksamkeit einer Klausel als solche geht, für deren Beurteilung eine von den Umständen des Einzelfalls im Grundsatz absehende abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist (näher § 307 Rz. 45), soll mit der Ausübungskontrolle der Berufung des Verwenders auf eine wirksame Klausel deshalb entgegengetreten werden, weil dieser von einer Rechtsposition in zweckwidriger Weise Gebrauch macht oder weil sonstige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.3 Aus dieser verschiedenartigen Zielsetzung resultiert ein „Doppelverwertungsverbot“: Wenn eine Klausel die Inhaltskontrolle passiert hat, dürfen die auf dieser Prüfungsstufe berücksichtigten Umstände nicht nochmals herangezogen werden, um die Anwendung der Klausel nunmehr an der Ausübungskontrolle scheitern zu lassen. Vielmehr dürfen auf der Ebene der Ausübungskontrolle nur zusätzliche Momente herangezogen werden, die auf der Ebene der Inhaltskontrolle noch nicht gewürdigt worden sind. Als Beispiel seien Ausschlussfristen genannt. So kann die Berufung des Arbeitgebers auf eine Ausschlussfrist, die nach Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wirksam ist (dazu im Einzelnen § 307 Rz. 112 ff.), deshalb im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer etwa durch eine besondere Erklärung, die er im Zusammenhang mit einem umstrittenen Anspruch abgegeben hat, davon abgehalten hat, diesen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen.4 Aller1 Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (60 f.); dazu eingehend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 24 ff. 2 BGH 12.2.1985 – X ZR 31/84 – BGHZ 93, 391 (399 f.) = NJW 1985, 1537 (1539); BGH 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88 – BGHZ 105, 71 (88) = NJW 1988, 2790 (2794). 3 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 36; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 63; MünchKommBGB/Kieninger, Vor § 307 Rz. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 389. 4 Vgl. Krause, RdA 2004, 106 (118 ff.); siehe auch BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 (Rz. 47); ferner

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dings dient die Ausübungskontrolle nicht dem Schutz des Verwenders. So kann sich der Arbeitgeber als Verwender nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm selbst gestellten vorformulierten Ausschlussfrist berufen, um den Verfall eines eigenen Anspruchs gegen den Arbeitnehmer zu verhindern.1 Im Übrigen darf die Ausübungskontrolle nicht zu stark auf Kosten der 16 Inhaltskontrolle ausgedehnt werden, indem zu weit gefasste Klauseln im Rahmen der Inhaltskontrolle durch den Verweis auf die Ausübungskontrolle vor dem Unwirksamkeitsverdikt bewahrt werden. Hierdurch würden sowohl das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu Rz. 19) als auch die präventive Schutzfunktion der Inhaltskontrolle unterlaufen werden. Es bedarf daher einer an objektiven Kriterien orientierten Abgrenzung, welche Umstände des Sachverhalts welcher der beiden Prüfungsstufen zuzuordnen sind. Eine solche Abgrenzung kann zunächst danach erfolgen, ob die Umstände bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung der AGB vorlagen oder erst später eingetreten sind. So sind Umstände, die schon ursprünglich vorhanden waren, regelmäßig bereits bei der Inhaltskontrolle und nicht erst bei der Ausübungskontrolle in Rechnung zu stellen. Dies gilt umso mehr, wenn man den Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag qualifiziert (dazu § 310 Rz. 14 ff.), weil die den Vertragsschluss begleitenden Umstände dann gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung ausdrücklich zu berücksichtigen sind. Auch nachträglich eintretende Umstände können indes die AGB-Kontrolle beeinflussen, sofern sie vorhersehbar sind. Letztlich muss es entsprechend dem allgemeinen AGB-Recht2 darauf ankommen, ob es um eine typisierbare Situation geht, so dass dem Arbeitgeber als Verwender deren Ausformung zu einem eigenen Tatbestand zugemutet werden kann. Sofern dies zutrifft, sind alle entsprechenden Anwendungsmöglichkeiten bereits bei der Inhaltskontrolle der Klausel zugrundezulegen und nicht erst der Ausübungskontrolle zuzuweisen. Geht es dagegen um fernliegende und nicht typisierbare Geschehensabläufe, so sind diese Umstände aus der Inhaltskontrolle auszuklammern und erst bei der Ausübungskontrolle zu berücksichtigen. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (obiter dictum im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle außerhalb des AGBRechts). 1 BAG 27.10.2005 – 8 AZR 3/05 – AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257; gleichsinnig bei Intransparenz einer Wettbewerbsabrede BAG 28.6.2006 – 10 AZR 405/05 – AP HGB § 74 Nr. 80 = NZA 2006, 1157. 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 37; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 64.

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17 Ihrer Funktion als Instrument zur Verhinderung individuellen Rechtsmissbrauchs entsprechend kommt die Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB grundsätzlich erst dann zum Einsatz, wenn die Vertragsbedingung, auf die sich der Arbeitgeber stützt, rechtswirksam ist. Allerdings sind die Gerichte aus Gründen der Prozessökonomie befugt, die Wirksamkeit einer Klausel dahinstehen zu lassen, wenn ein Rechtsmissbrauch unproblematisch bejaht werden kann.1 6. Billigkeitskontrolle, § 315 BGB, § 106 GewO 18 Von der Inhaltskontrolle klar zu unterscheiden ist weiter die Billigkeitskontrolle, die bei allen einseitigen Leistungsbestimmungsrechten vorzunehmen ist.2 Zwar hat das BAG in seiner früheren Rechtsprechung auch die allgemeine Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden mehrfach als einen Fall des § 315 BGB angesehen und sie zudem mit einer Billigkeitskontrolle gleichgesetzt.3 Diese Sichtweise wurde nicht nur im arbeitsrechtlichen Schrifttum geteilt,4 sondern befand sich auch im Einklang mit einzelnen Stimmen aus dem älteren zivilrechtlichen Schrifttum, welche die AGB-Kontrolle vor dem Inkrafttreten des AGBG auf § 315 BGB stützen wollten.5 19 Die grundsätzlichen Unterschiede beider Kontrollansätze sind indes schon seit langem herausgearbeitet worden.6 Sie betreffen die Vorausset1 Vgl. BGH 12.2.1985 – X ZR 31/84 – BGHZ 93, 391 (399 f.) = NJW 1985, 1537 (1539). 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (85). 3 BAG 31.10.1969 – 3 AZR 119/69 – AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter zusätzlicher Nennung von § 242 BGB); BAG 19.11.1992 – 10 AZR 264/91 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 147 = NZA 1993, 353; Nennung von § 315 BGB (neben § 138 und § 242 BGB) auch in BAG 21.11.2001 – 5 AZR 158/00 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484. 4 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis (1966), S. 22 ff. 5 Insbesondere Flume, FS 100 Jahre DJT, Bd. I (1960), S. 135 (169 f.); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. (1992), § 37, 2, S. 671; Lukes, NJW 1963, 1897 (1900); Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht (1975), S. 43; für eine Heranziehung von § 315 BGB (analog) als Grundlage einer Vertragskontrolle ferner Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (111); Kronke, AcP 183 (1983), 113 (132). 6 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit (2000), S. 306 ff.; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht (1978), S. 128 ff.; ferner Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 14 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht (1993), S. 187 ff.; Stütze, Die Kontrolle der Entgelthöhe im Arbeitsrecht (2010), S. 65 ff.

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zungen, den Maßstab sowie die Rechtsfolgen. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB knüpft an die vertragliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts an.1 Anders als die Inhaltskontrolle zielt sie nicht auf eine Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung ab, sondern auf die Begrenzung einer rechtsgeschäftlich übertragenen Gestaltungsmacht, an der es bei der einseitigen Aufstellung von AGB indes fehlt. Weiter ist Maßstab der Billigkeitskontrolle die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, während im Rahmen der AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle ein generalisierender Maßstab anzulegen ist.2 Ihren Hintergrund findet diese Differenzierung nicht zuletzt darin, dass die Billigkeitskontrolle auch bei Hauptleistungspflichten zum Tragen kommen kann, die gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich der Inhaltskontrolle entzogen sind, weil es bei Hauptleistungspflichten an generellen rechtlichen Kriterien zur Beurteilung der Angemessenheit der Leistungen fehlt.3 Dementsprechend zielt die Billigkeitskontrolle nicht einfach auf eine Entfaltung klar vorgegebener rechtlicher Maßstäbe ab, sondern fragt danach, ob der Bestimmungsberechtigte eine abgewogene Entscheidung getroffen hat. Soweit es schließlich um die Rechtsfolgen geht, führt die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gegebenenfalls zu einer gestaltenden richterlichen Entscheidung und damit zu einer Art Vertragshilfe,4 während bei der Inhaltskontrolle eine richterliche Feststellung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer bestimmten Klausel vorgenommen wird.5 Dies wirkt sich insbesondere bei überschießenden Regelungen aus. Während eine die Interessen des Arbeitnehmers zu stark beeinträchtigende Ausübung eines Bestimmungsrechts im konkreten Einzelfall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf ein zulässiges Maß zurückgeschraubt werden kann, gilt im Bereich der Inhaltskontrolle vorformulierter Klauseln das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. § 306 Rz. 69 ff.). Sind Billigkeitskontrolle und Inhaltskontrolle somit eindeutig voneinander abzugrenzen, bedeutet dies, dass es zur Kontrolle der Aus-

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BAG 12.10.2011 – 10 AZR 746/10 – NZA 2012, 450. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 390. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 17. Beim Weisungsrecht des Arbeitgebers, das gemäß § 106 Satz 1 GewO (zwingend) nach billigem Ermessen auszuüben ist, scheidet eine richterliche Ersatzleistungsbestimmung mangels eines hinreichenden Einblicks in das betriebliche Umfeld allerdings aus; überzeugend Staudinger/Rieble, § 315 Rz. 186; a.A. MünchArbR/Reichold, § 36 Rz. 31. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 391.

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übung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts erst dann kommen kann, wenn dieses Recht dem Arbeitgeber wirksam eingeräumt worden ist, was wiederum Gegenstand einer AGB-Kontrolle sein kann. Dasselbe gilt, wenn durch AGB der Maßstab der Ausübungskontrolle verändert werden soll. Damit ist die in der älteren Judikatur anzutreffende Tendenz überholt, die Frage der Wirksamkeit einer zu weit gefassten Vertragsklausel über den Widerruf von Leistungen zu übergehen und sich nur darauf zu konzentrieren, ob der Widerruf der Leistung im konkreten Einzelfall billigem Ermessen entsprochen hat.1 Vielmehr ist auf der ersten Stufe die vorformulierte Bestimmungsbefugnis des Arbeitgebers als solche auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen, während die hiervon zu trennende Ausübung des Bestimmungsrechts erst auf der zweiten Stufe zu kontrollieren ist.2 21 Da es zu den begrifflichen Notwendigkeiten eines Arbeitsverhältnisses gehört, dass der Arbeitgeber ein Bestimmungsrecht im Hinblick auf die vom Arbeitnehmer konkret auszuübende Tätigkeit hat, während ein Bestimmungs- bzw. Änderungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des von ihm zu leistenden Entgelts nur aufgrund einer besonderen Klausel besteht, sind im Verhältnis von Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle im Einzelnen folgende Unterscheidungen zu treffen: Haben die Arbeitsvertragsparteien das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers, das ihm mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags automatisch zusteht, nicht eigens geregelt, entfällt insoweit von vornherein eine AGB-Kontrolle. Vielmehr findet nur eine Billigkeitskontrolle der Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 GewO statt. Haben die Parteien das allgemeine Weisungsrecht formularmäßig innerhalb des durch den Arbeitsvertrag aufgespannten Rahmens näher ausgestaltet (unechte Direktionsrechtserweiterung) oder aber auf Aspekte jenseits dieses Rahmens ausgedehnt (echte Direktionsrechtserweiterung),3 unterliegt diese vorformulierte Regelung stets einer Transparenzkontrolle, im zweiten Fall darüber hinaus einer Angemessenheitskontrolle, an die sich bei einer Wirksamkeit der Klausel eine Billigkeitskontrolle des später konkret ausgeübten Direktionsrechts anschließt (hierzu im Einzelnen § 307 Rz. 174 ff.).4 Be1 So etwa BAG 17.9.1998 – 8 AZR 791/96 – AuR 1999, 111. 2 In diesem Sinne auch BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = NZA 2007, 809 (Rz. 27). 3 Zur Terminologie Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970 ff.). 4 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149; BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145; BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26; BAG 13.6.2007 – 5 AZR 564/06 – AP BGB § 611 Film Nr. 11 = NZA 2007, 974; BAG 3.12.2008 – 5 AZR

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hält sich der Arbeitgeber die einseitige Abänderung von Entgeltbestandteilen vor, erfolgt eine Inhaltskontrolle des Bestimmungsrechts anhand von § 308 Nr. 4 BGB sowie – bei einer Wirksamkeit der Klausel – wiederum eine Billigkeitskontrolle der späteren Leistungsbestimmung (dazu im Einzelnen § 308 Rz. 62 ff., 79 ff.).1 In beiden Gestaltungen ist auf das Zusammenspiel von Angemessen- 22 heitskontrolle und Ausübungskontrolle zu achten. So darf auf der einen Seite die Angemessenheit einer Klausel nicht damit begründet werden, dass durch die spätere Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts ein angemessenes Ergebnis gewährleistet wird.2 Dies führt freilich zur Folgefrage, welche Umstände bereits bei der Inhaltskontrolle und welche Umstände erst bei der Ausübungskontrolle in Rechnung zu stellen sind. Virulent wird dies bei Versetzungsklauseln, bei denen das BAG die Kriterien der Angemessenheit der Entfernung und der Ankündigungsfrist nicht schon zwingend bei der Inhaltskontrolle berücksichtigen will, sondern sie der Ausübungskontrolle zuordnet.3 Dies korrespondiert mit der Frage einer Auslauffrist für den Widerruf von Entgeltbestandteilen, die vom BAG der Ausübungskontrolle zugeschlagen wird,4 während im Schrifttum zumindest erwogen wird, eine Auslauffrist schon als ein für die Angemessenheit eines Widerrufsrechts erforderliches Element anzusehen.5 Auf der anderen Seite können die bereits bei der Inhaltskontrolle zu berücksichtigenden Umstände nicht erneut herangezogen werden, um die spätere Ausübung des Leistungsbestim-

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62/08 – AP BGB § 307 Nr. 42; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355; BAG 19.1.2011 – 10 AZR 738/09 – AP BGB § 307 Nr. 50 = NZA 2011, 631; Kort, FS Birk (2008), S. 459 (466); Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (976). BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87. DBD/Deinert, § 307 Rz. 41; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (86); in diese Richtung aber Kort, FS Birk (2008), S. 459 (475), wenn er die von einer Versetzungsklausel nicht ausgeschlossene Möglichkeit der Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit aus der Inhaltskontrolle ausklammern und in den Bereich der Ausübungskontrolle schieben will. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2010, 64 (Rz. 32). BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 c cc); BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616 (Rz. 18). Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (86).

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mungsrechts trotz Wirksamkeit der Klausel zu Fall zu bringen.1 So darf man – um im Beispiel zu bleiben – die Einhaltung einer bereits in einer Widerrufsklausel vorgesehenen und im Rahmen der Inhaltskontrolle als angemessen qualifizierten Auslauffrist nicht bei der Ausübungskontrolle als unbillig brandmarken und korrigieren. Sofern sich der Arbeitgeber nicht nur ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorbehalten hat, sondern die AGB darüber hinaus den Maßstab für die spätere Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts zu seinen Gunsten verschieben, also etwa das durch § 315 BGB grundsätzlich vorgesehene billige Ermessen durch freies Ermessen oder gar durch freies Belieben ersetzen,2 ist auch diese vorformulierte Abrede einer AGB-Kontrolle zu unterziehen. Insoweit handelt es sich nämlich um eine Vorfrage der später vorzunehmenden Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts. Da eine Abweichung vom Beurteilungsmaßstab des billigen Ermessens durch AGB anerkanntermaßen unzulässig ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), bleibt es in einem solchen Fall beim gesetzlichen Maßstab.3 7. Kontrolle von Vertragsstrafen, § 343 BGB 23 § 343 BGB regelt die Möglichkeit der Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Vertragsstrafe dem Grunde nach verwirkt worden ist, was wiederum ein wirksames Vertragsstrafenversprechen erfordert.4 Sofern eine Konventionalstrafe durch AGB geregelt ist, bedarf es daher zunächst einer AGB-Kontrolle der Vertragsstrafenvereinbarung. Dabei kann sich die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede nach ständiger Rechtsprechung auch aus der Höhe der angedrohten Strafe ergeben.5 1 Zu undifferenziert daher Kort, FS Birk (2008), S. 459 (469): beiderseitige Interessen wie bei der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle „erneut“ gegeneinander abzuwägen. 2 Vgl. BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95. 3 MünchKommBGB/Gottwald, § 315 Rz. 33; Erman/Hager, § 315 Rz. 21; Staudinger/Rieble, § 315 Rz. 257. 4 Vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B III 2c); BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – AP BGB § 307 Nr. 39 = NZA 2009, 370 (Rz. 75); BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – AP BGB § 309 Nr. 4 = NZA-RR 2009, 519 (Rz. 65); DBD/Deinert, § 307 Rz. 44a; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952 (956); ErfK/Müller-Glöge, §§ 339–345 Rz. 30. 5 Vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – AP BGB § 336 Nr. 1 = NZA 2006, 34; BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – AP BGB § 307 Nr. 39 = NZA 2009, 370; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – AP BGB § 309 Nr. 4 = NZA-RR 2009, 519; BAG

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Eine solche zur Unwirksamkeit führende „Übersicherung“ kann nicht unter Berufung auf die ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Absenkung der konkret verwirkten Vertragsstrafe verneint werden.1 § 343 BGB hat nicht die Funktion, bei der Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen insoweit eine geltungserhaltende Reduktion zu ermöglichen.2 Zwar ist es theoretisch denkbar, dass eine Vertragsstrafenvereinbarung als generell noch wirksam anzusehen ist und die verwirkte Konventionalstrafe nur aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls als unverhältnismäßig hoch erscheint.3 Aufgrund der strengen Anforderungen, die das BAG an die Vermeidung einer „Übersicherung“ stellt, ist es indes noch in keinem vom BAG auf der Grundlage des AGB-Rechts entschiedenen Fall einer vorformulierten Vertragsstrafe dazu gekommen, dass die Klausel die Wirksamkeitskontrolle passiert hat und erst durch Anwendung von § 343 BGB die verwirkte Vertragsstrafe herabgesetzt worden ist.4 8. Kontrolle von Wettbewerbsverboten, § 74a HGB Die §§ 74 ff. HGB enthalten Sondervorschriften für die Wirksamkeit 24 von Wettbewerbsverboten. Hervorzuheben ist vor allem § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB, der einen speziellen Fall der Inhaltskontrolle regelt. Danach ist ein Wettbewerbsverbot unverbindlich, soweit es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Entsprechendes gilt für die unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers (§ 74a Abs. 1 Satz 2 HGB) sowie die Laufzeit von zwei Jahren seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 74a Abs. 1 Satz 3 HGB) als weitere Grenzen von Wettbewerbsverboten. Diese Vorschrif-

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19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49 = NZA-RR 2011, 280; BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/08 – AP BGB § 307 Nr. 48 = NZA 2011, 89; dazu auch Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (638 ff.). In diesem Sinne LAG Niedersachsen 23.1.2004 – 16 Sa 1400/03 – NZA-RR 2005, 65; LAG Hamm 7.5.2004 – 7 Sa 85/05 – NZA-RR 2005, 128. BGH 18.11.1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305 (314 f.) = NJW 1983, 385 (387 f.); Lingemann, NZA 2002, 181 (191); Erman/Schaub, § 343 Rz. 1; im Erg. auch BGH 23.1.2003 – VII ZR 210/01 – BGHZ 153, 312 (324 f.) = NJW 2003, 1805 (1808); a.A. von Hoyningen-Huene, SAE 2005, 155 (156 f.); ebenso für die nicht von § 309 Nr. 6 BGB erfassten Fälle LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02 – NZA-RR 2003, 513. So insbesondere Wensing/Niemann, NJW 2007, 401 (402 ff.); ferner etwa Haas/ Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1 (6); Reichenbach, NZA 2003, 309 (313); WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 183. Anwendung von § 343 BGB ohne abschließende Kontrolle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel aber durch LAG Düsseldorf 8.1.2003 – 12 Sa 1301/02 – NZA 2003, 382.

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Vor § 307

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ten schließen einen Rückgriff auf die allgemeine Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB aus.1 Darüber hinaus sieht § 74a Abs. 1 HGB bei einem Überschreiten dieser Grenzen eine geltungserhaltende Reduktion vor.2 Auch insoweit handelt es sich um eine Sonderregelung, die dem im allgemeinen AGB-Recht bestehenden Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) vorgeht.3 Dagegen ist das AGB-Recht anwendbar, soweit es im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten um Rechtsfragen geht, die von den §§ 74 ff. HGB nicht thematisiert werden. Dies gilt etwa für die Ausklammerung überraschender Klauseln i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB,4 aber auch für die Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.5 9. Auslegung 25 Von der Inhaltskontrolle ebenfalls klar zu unterscheiden ist die Auslegung der Vertragsbedingungen. Während die Inhaltskontrolle auf die Feststellung des von der Rechtsordnung Gesollten abzielt, geht es bei der Auslegung um das von den Parteien Gewollte.6 Dementsprechend setzt die Inhaltskontrolle erst dann ein, wenn durch Auslegung ermittelt worden ist, welchen Inhalt eine konkrete Vertragsklausel hat.7 Um die Auslegung als gedanklich ersten Schritt von der nachfolgenden Inhaltskontrolle eindeutig abzuschichten, muss zweierlei vermieden werden:8 Auf der einen Seite dürfen vorformulierte Klauseln nicht von vornherein AGB-rechtskonform interpretiert werden, also in einer Weise, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle gerade noch standhält. Hierdurch würde das auf der Rechtsfolgenseite aus Gründen der Prävention und der Transparenz entwickelte Verbot der geltungserhaltenden 1 Diller, NZA 2005, 250 (251) (keine Abweichung i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB); Staub/Weber, HGB, 2008, § 74a Rz. 4; in diese Richtung auch MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 74a Rz. 33; a.A. Koch, RdA 2006, 28 (30 ff.). 2 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09 – AP HGB § 74a Nr. 6 = NZA 2010, 1175; ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 5. 3 LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02 – NZA-RR 2003, 513; ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 5; WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 186; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 458; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 (47). 4 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04 – AP HGB § 74 Nr. 78. 5 MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 74a Rz. 33. 6 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 27; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 21 ff. 7 BGH 23.6.1993 – IV ZR 135/92 – BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 13; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (61). 8 Zum Folgenden auch Staudinger/Coester, § 307 Rz. 28.

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Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten

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Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) unterlaufen werden.1 Die von der Rechtsprechung früher zuweilen vorgenommene „verdeckte“ Inhaltskontrolle durch einschränkende Auslegung etwa von Widerrufsvorbehalten2 lässt sich damit nicht mehr halten. Auf der anderen Seite dürfen der Inhaltskontrolle aber auch nicht völlig fern liegende Interpretationsmöglichkeiten einer Vertragsbedingung zugrundegelegt werden, um die Klausel auf diese Weise zu Fall zu bringen.3 Bei der „arbeitnehmerfeindlichsten“ Auslegung als Grundlage der Kon- 26 trolle einer umstrittenen Klausel4 sollte man sich deshalb am Schutzzweck der AGB-Kontrolle orientieren. Sieht man diesen Zweck zumindest auch in der Kompensation einer Informationsasymmetrie, zu der es durch die einseitige Ausübung von Vertragsgestaltungsmacht durch den Arbeitgeber als Verwender von AGB kommt (dazu Einführung Rz. 33), ist somit darauf abzustellen, unter welchen Voraussetzungen von einem Informationsvorsprung des Arbeitgebers gesprochen werden kann. Hierfür sind zwei Umstände maßgeblich: Zum einen muss die durch Auslegung ermittelte hypothetische Gestaltung, deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung den Ausschlag für die Angemessenheit und damit die Wirksamkeit der Regelung geben kann, mit einiger Wahrscheinlichkeit zwar nicht unbedingt im konkreten Arbeitsverhältnis, wohl aber in den von den AGB erfassten Arbeitsverhältnissen auftreten. Zum anderen muss die fragliche Interpretationsvariante noch von den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Arbeitnehmers, der sich die Klausel im Zusammenhang mit der Durchführung seines Arbeitsverhältnisses vor Augen hält, umfasst sein. Sofern beide Voraussetzungen vorliegen, spricht nämlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die fragliche Interpretationsvariante dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel auch tatsächlich zugutekommt. Das rechtfertigt es, diese Variante der Inhaltskontrolle zugrundezulegen, selbst wenn erst ihre Berücksichtigung das Pendel zugunsten einer Unwirksamkeit ausschlagen lässt. 1 BGH 25.3.1987 – VIII ZR 81/86 – NJW 1987, 2506; BGH 22.6.1988 – VIII ZR 232/87 – NJW 1988, 2664; DBD/Deinert, § 307 Rz. 45; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 13; Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 9. 2 BAG 6.6.1967 – 3 AZR 352/66 – AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 5; BAG 7.1.1971 – 5 AZR 92/70 – AP BGB § 315 Nr. 12; ähnl. BAG 30.8.1972 – 5 AZR 140/72 – AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 6. 3 BGH 10.5.1994 – XII 65/93 – NJW 1994, 1798, 1799; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (27). 4 BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – AP BGB § 310 Nr. 12 = NZA 2008, 1004 (Rz. 24); Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (27 f.).

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II. Kontrolle von Individualverträgen und Individualvereinbarungen 27 Echte Individualverträge und Individualvereinbarungen unterliegen keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Dies betrifft im vorliegenden Zusammenhang alle arbeitsvertraglichen Abreden, die entweder (Fall 1) vom Arbeitgeber überhaupt nicht vorformuliert sind (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder (Fall 2) nur für höchstens zwei Arbeitsverträge vorformuliert sind und bei denen es trotz der Vorformulierung nicht an einer Einflussnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers auf ihren Inhalt fehlt (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB)1 oder (Fall 3) nicht vom Arbeitgeber gestellt worden sind (§§ 305 Abs. 1 Satz 1, 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) oder (Fall 4) trotz Erfüllung der allgemeinen AGB-rechtlichen Voraussetzungen im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).2 Die §§ 307 ff. BGB sind auf solche Individualverträge und Individualvereinbarungen3 weder unmittelbar noch analog anwendbar,4 wobei es in allen Gestaltungen nur auf die jeweilige Klausel, nicht aber auf den Charakter des gesamten Arbeitsvertrags ankommt. Demgegenüber hatte die ältere Rechtsprechung des BAG bei der von ihr praktizierten Angemessenheitskontrolle häufig nicht danach differenziert, ob es sich um vorformulierte Arbeitsverträge im Sinne des AGB-Rechts oder um sonstige arbeitsvertragliche Vereinbarungen handelte.5 Die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bewirkte Ausdehnung der AGB-Kontrolle (nur) auf Standardarbeitsverträge einschließlich vorformulierter Einzelverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB wirft daher die Frage auf, ob bei sämtlichen Arbeitsverträgen an einer unterschiedslosen Inhaltskontrolle festgehalten werden kann, ob also mit anderen Worten auch die nicht vom AGB-Recht erfassten Individualklauseln einer wirkungsgleichen Kontrolle unterzogen werden können. 28 Teile des Schrifttums plädieren dafür, auch bei echten Einzelvereinbarungen eine Angemessenheitskontrolle vorzunehmen, die zwar nicht

1 Verneint man entgegen der h.M. die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers (zu dieser Problematik § 310 Rz. 14 ff.), liegt die zweite Fallgruppe schon dann vor, wenn die Klausel nicht für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen (also für mindestens drei Verträge) vorformuliert worden ist. 2 Zur Deutung von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB als Einschränkung der AGB-Definition BGH 15.12.1976 – IV ZR 197/75 – NJW 1977, 624 (625); Erman/Roloff, § 305 Rz. 17; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 147; UBH/Ulmer/Habersack, § 305 Rz. 40 ff. 3 Zur uneinheitlichen Terminologie vgl. Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung (2010), S. 4 f. 4 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 43. 5 Umfassende Nachweise in Einführung Rz. 14.

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Individualverträge und Individualvereinbarungen

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auf die §§ 307 ff. BGB, aber offenbar mit gleicher Intensität auf § 242 BGB gestützt werden soll. Zur Begründung beruft man sich regelmäßig auf das fehlende Verhandlungsgleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien.1 Dabei geht diese Sichtweise teilweise mit der Auffassung einher, dass die eigentliche Legitimation für eine Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen ohnehin nicht in deren Vorformulierung durch den Arbeitgeber zu sehen ist, sondern in gesteigerten arbeitsrechtlichen Treubindungen2 bzw. darin, dass der Arbeitnehmer bei der Vereinbarung von Arbeitsvertragsbedingungen nicht in umfassender Freiheit handelt und von seinem Einverständnis daher nicht automatisch auf eine Angemessenheit des Vertragsinhalts geschlossen werden könne.3 Das BAG hat sich nach einem anfänglichen Schwanken4 demgegenüber klar für eine Zweiteilung des Prüfungsmaßstabs ausgesprochen. Danach sollen die §§ 305 ff. BGB eine abschließende Konkretisierung der auf Treu und Glauben zurückzuführenden allgemeinen Angemessenheitskontrolle darstellen. Wenn der Vertrag nicht durch den Einsatz vorformulierter AGB zustande kommt, sondern dadurch, dass die Vertragsparteien die Konditionen im Einzelnen aushandeln, dann könne grundsätzlich von einer angemessenen Interessenwahrung durch die Parteien selbst ausgegangen werden. Dementsprechend seien die Parteien regelmäßig bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit frei, ihre Regelungen selbst zu bestimmen.5 Auch bei einzelvertraglichen Vereinbarungen soll es aber im Falle einer strukturellen Störung der Vertragsparität zu einer im Vergleich zu § 138 Abs. 1 BGB verschärften inhaltlichen Kontrolle kommen. Das BAG übernimmt insoweit die vom BVerfG insbesondere in der Bürgschafts-Entscheidung6 herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht der Gerichte 1 DBD/Deinert, § 307 Rz. 46a; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2525); Konzen, FS Hadding (2004), S. 145 (158, 165 f.); Maschmann, RdA 2005, 213 (217); so zum früheren Recht bereits Dieterich, RdA 1995, 129 (135); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 199 ff.; Fastrich, RdA 1997, 65 (77 f.); M. Wolf, RdA 1988, 270 (272). 2 Zöllner, RdA 1989, 152 (158) (aber mit deutlicher Kritik gegenüber einer zu weit reichenden Inhaltskontrolle). 3 Zöllner, ZfA 2010, 637 (644) (allerdings wiederum krit. gegenüber einer zu weit reichenden Inhaltskontrolle). 4 BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 2004, 853 (unter VI 2). 5 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 6 BVerfG 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – BVerfGE 89, 214 (231 ff.); ebenso BVerfG 2.5.1996 – 1 BvR 696/96 – NJW 1996, 2021; ähnlich BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89 (100 f.).

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Vor § 307

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zur Inhaltskontrolle von Verträgen vorsehen. Das überwiegende Schrifttum hat sich dieser Sichtweise angeschlossen.1 29 Dabei muss allerdings sorgfältiger zwischen den Voraussetzungen der Inhaltskontrolle von ausgehandelten Arbeitsvertragsbedingungen auf der eine Seite und den Maßstäben dieser Kontrolle auf der anderen Seite unterschieden werden. Nimmt man das BAG beim Wort, so soll es zu einer grundrechtlich gebotenen Inhaltskontrolle in diesen Fällen auf den ersten Blick offenbar nur dann kommen, wenn sowohl eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke2 vorgelegen hat als auch der Inhalt des Vertrags eine Seite ungewöhnlich stark belastet, so dass der Vertrag offensichtlich keinen geeigneten Interessenausgleich mehr darstellt. In diesem Sinne hatte sich auch das BVerfG in seiner Bürgschaftsentscheidung eingelassen.3 Tatsächlich werden hierdurch der Eingriffsgrund und der Kontrollmaßstab miteinander vermengt. Legitimer Grund einer richterlichen Intervention, die sich nicht auf die Feststellung der durch das zwingende Recht vorgegebenen Grenzen beschränkt, sondern darüber hinaus geht, kann nur die Einschränkung der Selbstbestimmung des einen Teils sein, die aus dem Vertrag bis zu einem gewissen Grade eine Form der Fremdbestimmung durch den anderen Teil macht. Dagegen kann eine ungewöhnlich starke Belastung eines Vertragsteils für sich genommen keine Inhaltskontrolle rechtfertigen, wenn sie in völliger Freiheit übernommen worden ist. Vielmehr kann eine solche Belastung nur ein Indiz dafür sein, dass bei Vertragsschluss eine strukturelle Unterlegenheit bestanden hat. 30 Soweit es nun um den Eingriffsgrund geht, ist zunächst nach wie vor daran festzuhalten, dass sich der Arbeitnehmer beim Aushandeln der Arbeitsbedingungen regelmäßig in einer Situation struktureller Unterlegenheit befindet, weil er typischerweise in einem stärkeren Maße auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses angewiesen ist als der Arbeit-

1 Annuß, BB 2006, 1333 (1335); Bayreuther, NZA 2005, 1337 (1338); Staudinger/ Coester, § 310 Rz. 94 (a.A. noch Coester, Jura 2005, 251 (254); HWK/Gotthardt, § 305 BGB Rz. 9; Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (372 f.); Löwisch, FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1403 (1405); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24; MünchArbR/Richardi/Buchner, § 33 Rz. 15 (undeutlich aber Richardi, NZA 2002, 1057 (1060)); Rolfs, RdA 2006, 349 (351 ff.); WLP/Stoffels, ArbR, Rz. 42; Thüsing, AGB-Recht, Rz. 44 f.; Thüsing/Leder, BB 2005, 938 (941); so bereits Hanau, NJW 2002, 1240 (1242); tendenziell auch I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007). 2 Das BAG spricht zwar von Vertragsparität. Gemeint ist insoweit aber offenbar nicht das Verhandlungsergebnis, sondern die Verhandlungssituation. 3 Siehe oben Rz. 28 Fn. 6.

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geber.1 Vergleichbares gilt bei einer Änderung des Arbeitsvertrags während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, weil der Arbeitnehmer auch bei einem vorhandenen Bestandsschutz im Allgemeinen geneigt sein wird, das eigene Arbeitsverhältnis nicht zu belasten.2 Diese Typisierung der rechtstatsächlichen Situation schließt Abweichungen in Einzelfällen nicht aus, für die der Arbeitgeber dann aber als nachweispflichtig anzusehen ist. Dagegen kann es nicht überzeugen, wenn es das BAG in einer älteren Entscheidung für eine Inhaltskontrolle ausreichen ließ, dass eine gestörte Vertragsparität aufgrund struktureller Unterlegenheit des Arbeitnehmers (nur) „nahe liege“.3 Das grundsätzliche Vorliegen einer strukturellen Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers legitimiert nun zwar eine über das zwingende Recht hinausgehende Wirksamkeitskontrolle, die man formal auf § 242 BGB4 oder doch auf das allgemeine Rechtsprinzip von Treu und Glauben5 stützen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass auch bei echten Einzelvereinbarungen eine in ihrer Intensität den Maßstäben des AGBRechts gleichkommende Inhaltskontrolle vorzunehmen ist. Stattdessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers ernst zu nehmen, eine allgemeine Angemessenheitskontrolle an das Vorhandensein einer vom Arbeitgeber vorformulierten Vereinbarung zu binden. Daher ist für die Inhaltskontrolle bei Einzelabreden ein gröberer Prüfungsmaßstab anzulegen und nur danach zu fragen, ob der Vertrag bzw. die konkrete Klausel als Instrument zum Ausgleich der beiderseitigen Interessen offensichtlich 1 Zur regelmäßig vorliegenden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers beim Abschluss von Arbeitsverträgen siehe nur BVerfG 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212 (229); BVerfG 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 u. 10/91 – BVerfGE 85, 191 (213); BVerfG 4.7.1995 – 1 BvF 2/86 u. 1, 2, 3, 4/87 u. 1 BvR 1421/86 – BVerfGE 92, 365 (395); ferner BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; zurückhaltend aber Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht (1993), S. 286 ff.; dazu auch Einführung Rz. 14 mit Fn. 2; grds. gegen eine Verknüpfung von Ungleichgewichtslage und mangelnder Selbstbestimmung beim Abschluss von Schuldverträgen Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (24 ff.). 2 BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85; BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853 (Rz. 22); DBD/Deinert, § 307 Rz. 33; in diese Richtung auch Maschmann, RdA 2005, 213 (217); tendenziell anders aber BAG 15.9.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 (Rz. 49). 3 BAG 21.11.2001 – 5 AZR 158/00 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31. 4 Vgl. Konzen, FS Hadding (2004), S. 145 (153 f., 165); I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007); Zöllner, RdA 1989, 152 (158). 5 Vgl. Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (16).

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ungeeignet ist. Dementsprechend führt nur eine ungewöhnliche Belastung zur Unwirksamkeit der betreffenden vertraglichen Regelung, während eine lediglich „einfache“ Unangemessenheit nicht dem Unwirksamkeitsverdikt unterfällt.1 Damit steht den Parteien einer echten Individualabrede ein „Mehr an Vertragsfreiheit“ zu.2 Diese Abstufung der Kontrollmaßstäbe wird an der Grundsatzentscheidung des BAG zu zweistufigen Ausschlussfristen deutlich: Danach ist eine Frist von vier Wochen für die zweite Stufe der Ausschlussklausel bei Anwendung der Maßstäbe des AGB-Rechts unangemessen kurz, während dieselbe Frist aufgrund des bei der Kontrolle von ausgehandelten Einzelvereinbarungen anzulegenden Maßstabs noch keine ungewöhnliche Belastung darstellt.3 32 Dieser zweigeteilten Konzeption der herrschenden Meinung scheint entgegenzustehen, dass der Schuldrechtsreformgesetzgeber die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen verschärfen, nicht aber absenken wollte.4 Allerdings kommt man nicht daran vorbei, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Legitimation zur Inhaltskontrolle nur für AGB vorgesehen hat, nicht aber für sämtliche Arbeitsverträge. Zudem heisst es in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleiben solle.5 Von einem höheren Schutzniveau im Arbeitsrecht, zu dem es bei einer umfassenden Angemessenheitskontrolle auch von ausgehandelten Einzelvereinbarungen käme, ist nicht die Rede. Weiter zeigt eine exakte Analyse der Entscheidungen des BAG aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung, dass es schon damals zumeist um vorformulierte Klauseln – im früheren Jargon regelmäßig Einheitsregelungen genannt – ging,6 so dass die Angemessenheitskontrolle echter Individualabreden in der älteren Judikatur nicht ganz so breit abgesichert war, wie dies heute teilweise behauptet wird. Hinzu 1 In diesem Sinne auch Bayreuther, NZA 2005, 1337 (1338); Thüsing, RdA 2005, 257 (262). 2 So ausdrücklich I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007). 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 4 So die Argumentation von Benecke, AuR 2006, 337 (341); DBD/Deinert, § 307 Rz. 46a. 5 BT-Drs. 14/6847, S. 54. 6 Das Vorliegen einer Einheitsregelung als Aufgreifkriterium für eine Inhaltskontrolle ausdrücklich hervorhebend etwa BAG 21.12.1970 – 3 AZR 510/69 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG 22.12.1970 – 3 AZR 52/70 – AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2; BAG 5.2.1986 – 5 AZR 564/84 – AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782; BAG 24.11.1993 – 5 AZR 153/93 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759.

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kommt die Überlegung, dass sich der Arbeitgeber bei der Verwendung von Formulararbeitsverträgen typischerweise gleich aus zwei Gründen in einer überlegenen Position befindet, nämlich einmal kraft situativer Überlegenheit als Folge eines Informationsvorsprungs und einmal kraft struktureller Überlegenheit als Folge eines Machtungleichgewichts. Wenn in solchen Fällen die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle eingreift, ist es gerechtfertigt, beim eindeutigen Fehlen einer Informationsasymmetrie den Prüfungsmaßstab abzusenken und eine lediglich auf die Korrektur von ungewöhnlichen Belastungen begrenzte Inhaltskontrolle vorzunehmen.1 Die Intensität der Belastungen des Arbeitnehmers muss allerdings nicht 33 stets so groß sein wie etwa bei der mithaftenden Tochter im Bürgschaftsfall2 und geradezu auf seinen wirtschaftlichen Ruin hinauslaufen.3 Denn das BVerfG hat nur das verfassungsrechtlich gebotene Minimum an Vertragskontrolle definiert, über das die Fachgerichtsbarkeit bei der Konkretisierung rechtlicher Prinzipien aber durchaus hinausgehen darf.4 Auf dieser Linie liegen auch die Entscheidungen des BAG, in denen es sich noch vor der Schuldrechtsreform auf die Judikatur des BVerfG gestützt hatte, ohne dass es stets um vergleichbar große Belastungen des Arbeitnehmers wie im Bürgschaftsfall ging.5 Gleichwohl muss ein deutlicher Abstand zur AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle gewahrt werden, um die gesetzgeberische Entscheidung einer Beschränkung dieser Kontrolle auf vorformulierte Klauseln nicht zu unterlaufen.6 Jedenfalls können nicht alle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB unzulässigen Klauseln schlicht als ungewöhnliche Belastungen des Arbeitnehmers deklariert werden, um auf diese Weise eine vergleichbare Kontrollintensität bei Individualverträgen und Individualvereinbarungen herbeizuführen. Die grundsätzliche Bedeutung dieser gegenüber den §§ 307 ff. BGB verminderten Kontrolldichte ist bei Arbeitsverträgen an1 Im Erg. wohl auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81 f.), die zwar von einem Fortbestehen der allgemeinen Inhaltskontrolle bei besonderer Rechtfertigung ausgehen, zugleich aber davon sprechen, dass es sich hierbei um eine Kontrolle „2. Klasse“ handeln soll. 2 Vgl. Rz. 28 mit Fn. 6. 3 Ebenso Wiedemann, JZ 1994, 411 (412 f.). 4 Anders wohl Rolfs, RdA 2006, 349 (351 ff.); Thüsing, RdA 2005, 257 (262). 5 Vgl. BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG 21.11.2001 – 5 AZR 158/00 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484. 6 Anders aber Wiedemann, JZ 1994, 411 (413): Niveau des AGB-Rechts.

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Vor § 307

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gesichts der vergleichsweise niedrigen Anforderungen an das Vorliegen von AGB wie auch umgekehrt der hohen Anforderungen an das Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB freilich gering.1 Vielmehr kommt es in der ganz überwiegenden Anzahl von Fällen zu einer Angemessenheitskontrolle anhand des AGB-rechtlichen Kontrollsystems. Gelingt dem Arbeitgeber dagegen umgekehrt der Nachweis, dass es sich um eine tatsächlich frei ausgehandelte Vereinbarung handelt, also weder eine informationelle noch eine auf die Verhandlungsmacht bezogene Unterlegenheit bestanden habe, weil beispielsweise der Arbeitnehmer ein gesuchter Spezialist ist, der aus mehreren Vertragsangeboten das für ihn günstigste herausgesucht hat, scheidet selbst eine abgeschwächte Inhaltskontrolle aus.2 Vielmehr bleibt es dann bei den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit, also bei den §§ 134, 138 BGB sowie beim zwingenden Recht. III. Schadensersatzpflicht wegen Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln 34 In der allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsprechung3 und Literatur4 ist anerkannt, dass sich der Klauselverwender durch den Einsatz unwirksamer AGB-Klauseln gegenüber dem Klauselgegner schadensersatzpflichtig machen kann. Grundlage einer solchen Schadenersatzpflicht ist die schuldhafte Verletzung der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch den Klauselverwender gegenüber dem Klauselgegner. Zumeist wird es sich hierbei um die Verletzung einer vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht handeln, so dass sich die Haftung regelmäßig aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB ergibt. Insoweit handelt es sich letztlich um einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, dass bei bei einem unwirksamen Vertrag diejenige Partei wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig sein 1 Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (373). 2 Lieb, FS Konzen (2006), S. 501 (504). 3 Grdl. BGH 28.5.1984 – III ZR 63/83 – NJW 1984, 2816 (2817); ferner etwa BGH 8.10.1987 – VII ZR 358/86 – NJW 1988, 197 (198); BGH 27.5.2009 – VIII ZR 302/07 – BGHZ 181, 188 (192) = NJW 2009, 2590; BGH 11.6.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873 (2875). 4 Brandner, FS Oppenhoff (1985), S. 11 (18 ff.); Staudinger/Coester, § 307 Rz. 46; MünchKommBGB/Emmerich, § 311 Rz. 86; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 69; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Erman/ Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 19; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 636; WLP/Wolf, § 307 Rz. 366; einschränkend aber Rummel, FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1149 (1158 ff.).

254 Krause

Schadensersatzpflicht

Vor § 307

kann, die den Grund der Unwirksamkeit zu vertreten hat.1 Denkbar ist aber auch, dass zwar nicht schon die Aufnahme einer unwirksamen Klausel in den Vertrag schuldhaft geschieht, weil die Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt ursprünglich nicht erkennbar war, der Klauselverwender aber zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber dem Klauselgegner auf die Einhaltung der Abrede pocht, obwohl dem Verwender die Unwirksamkeit der Regelung mittlerweile erkennbar geworden ist.2 Da es in einem solchen Fall nicht um ein vorvertragliches, sondern um ein vertragliches Verschulden geht, folgt die Haftung dann aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Im Arbeitsrecht haben diese zivilrechtlichen Grundsätze soweit ersicht- 35 lich noch keinen Niederschlag gefunden. Von Bedeutung sind sie, soweit die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht schon durch die schlichte Feststellung der Unwirksamkeit einer vorformulierten Vertragsklausel gewahrt werden, sondern dem Arbeitnehmer durch das Vertrauen auf eine arbeitsvertragliche Klausel, deren Unwirksamkeit sich im Nachhinein herausstellt, ein eigenständiger Vermögensschaden entstanden ist. Dies gilt einmal für Rechtsberatungs- und Prozesskosten, die der Arbeitnehmer zur Bekämpfung der unwirksamen Klausel aufgewendet hat.3 Dies gilt zum anderen aber auch für Vermögenseinbußen, die durch die scheinbare Bindung an eine unwirksame Bestimmung entstanden sind. Insoweit ließe sich etwa an den Fall denken, dass ein Arbeitnehmer einer Versetzung, die ein Arbeitgeber auf der Grundlage einer unwirksamen Versetzungsklausel angeordnet hat, zunächst notgedrungen Folge leistet und ihm hierdurch zusätzliche Fahrtkosten entstehen, deren Erstattung der Arbeitnehmer verlangt, nachdem er von der Unwirksamkeit der Klausel erfahren hat. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch setzt allerdings stets voraus, dass der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der umstrittenen Klausel kannte oder ihm zumindest fahrlässige Unkenntnis zur Last gelegt werden kann. Ein solches Verschulden ist bei der Verwendung von AGB-Klauseln anzunehmen, die nach gefestigter Rechtsprechung des BAG eindeutig unwirksam sind, während es nicht als Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche 1 So bereits RG 5.4.1922 – I 307/21 – RGZ 104, 265 (267 f.) für die schuldhafte Herbeiführung eines versteckten Dissenses; ferner etwa BGH 12.11.1986 – VIII ZR 280/85 – BGHZ 99, 101 (106 f.) = NJW 1987, 639 (640); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 636. 2 Vgl. KG 18.5.2009 – 8 U 190/08 – NJW 2009, 2688. 3 Vgl. UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 638; WLP/ Wolf, § 307 Rz. 366.

Krause 255

§ 307

Inhaltskontrolle

Sorgfalt angesehen werden kann, wenn der Arbeitgeber Klauseln einsetzt, über deren Wirksamkeit man ernstlich geteilter Ansicht sein kann.1 Außerdem muss der Schaden vom Schutzzweck der verletzten Norm erfasst sein, also gerade auf denjenigen Umständen beruhen, welche die Unwirksamkeit der Klausel begründen.2 Schließlich kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch durch ein Mitverschulden des Arbeitnehmers (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert sein, was dann der Fall ist, wenn auch der Arbeitnehmer Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der betroffenen Klausel hat und es ihm ausnahmsweise zugemutet werden kann, sich dem Ansinnen des Arbeitgebers auf Einbeziehung bzw. Befolgung der Klausel zu widersetzen.3 Inhaltskontrolle

307

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. I. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Bedeutung für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Auslegung vor Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

6

IV. Auffangtatbestand . . . . . . . . . . 14

1 In diesem Sinne auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 637. 2 Vgl. BGH 11.6.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873 (2875). 3 Zum Einwand des Mitverschuldens Brandner, FS Oppenhoff (1985), S. 11 (23 f.); UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 638.

256 Klumpp

§ 307

Inhaltskontrolle

Sorgfalt angesehen werden kann, wenn der Arbeitgeber Klauseln einsetzt, über deren Wirksamkeit man ernstlich geteilter Ansicht sein kann.1 Außerdem muss der Schaden vom Schutzzweck der verletzten Norm erfasst sein, also gerade auf denjenigen Umständen beruhen, welche die Unwirksamkeit der Klausel begründen.2 Schließlich kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch durch ein Mitverschulden des Arbeitnehmers (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert sein, was dann der Fall ist, wenn auch der Arbeitnehmer Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der betroffenen Klausel hat und es ihm ausnahmsweise zugemutet werden kann, sich dem Ansinnen des Arbeitgebers auf Einbeziehung bzw. Befolgung der Klausel zu widersetzen.3 Inhaltskontrolle

307

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. I. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Bedeutung für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Auslegung vor Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

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IV. Auffangtatbestand . . . . . . . . . . 14

1 In diesem Sinne auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 637. 2 Vgl. BGH 11.6.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873 (2875). 3 Zum Einwand des Mitverschuldens Brandner, FS Oppenhoff (1985), S. 11 (23 f.); UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 638.

256 Klumpp

§ 307

Inhaltskontrolle V. Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deklaratorische Klauseln . . . . a) Normwiederholende Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendig: Rechtslagenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptleistungen . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Hauptleistungen und Nebenleistungen . . . . . . . . c) Besonders: Tarifvertrag als Kontrollmaßstab? . . . . . . . . VI. Unangemessene Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . a) Benachteiligung . . . . . . . . . b) Unangemessenheit . . . . . . . c) Grundparameter für die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . aa) Generell-typisierende Betrachtung . . . . . . . . . bb) Art des Vertrages . . . . . cc) Grundrechtliches Schutzprogramm . . . . . dd) Partei- und Drittinteressen. . . . . . . . . . . . . . . ee) Risikoverteilung . . . . . ff) Klauselkontrolle und Gesamtvertrag . . . . . . . 2. Sondertatbestände des § 307 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . aa) Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unvereinbares Abweichen von wesentlichen Grundgedanken . . . . . . (1) Abweichen von wesentlichen Grundgedanken . . . (2) Unvereinbarkeit . . . c) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . .

16 17 18 26 28 28 30 34 36 36 37 41 45 45 48 49 50 52 53 56 56 59 60

69

69 71 72 72

bb) Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten aus der Natur des Vertrages . . . . . . . . . 3. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . a) Allgemeines und Zweck. . . b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . aa) Beurteilungsmaßstab . . bb) Grundsätzliche Ausprägungen des Transparenzgebots . . . . . . . . . cc) Transparenz – im Bereich des Möglichen . . . 4. Darlegungs- und Beweislast . . VII. Ausgewählte einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abtretungs- und Pfändungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechnungsvorbehalt . . . . . . 3. Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abrufarbeit . . . . . . . . . . . . . . b) Kurzarbeitsklauseln . . . . . . c) Überstundenregelungen . . . 4. Aufrechnungsverbot . . . . . . . . 5. Ausschlussfristen . . . . . . . . . . 6. Beendigungsvereinbarungen . . a) Aufhebungs- und Abwicklungsverträge . . . . . . . . . . . . b) Ausgleichsklausel . . . . . . . . c) Klageverzichtvereinbarung d) Rückkehrrecht. . . . . . . . . . . e) Dienstwagenübernahmevereinbarung . . . . . . . . . . . . 7. Befristung von Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beweislastvereinbarungen . . . 9. Bezugnahmeklauseln . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle der Bezugnahmeklausel . . . . . . . . . . . c) Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes . . aa) Tarifvertrag . . . . . . . . . . bb) Betriebsvereinbarung . . cc) Richtlinien nach § 28 SprAuG . . . . . . . . . . . . . dd) Kirchliche Arbeitsbedingungen . . . . . . . . .

75 77 77 81 83

84 87 91 92 92 95 98 99 105 107 111 112 127 128 131 136 141 142 143 149 150 150 154 161 161 169 172 173

Klumpp 257

§ 307 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

17. 18.

Dienstwagen . . . . . . . . . . . . . . Direktionsrechtsklauseln. . . . Freistellungsklauseln . . . . . . . Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . Haftungsregelungen (Mankoabreden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebentätigkeit. . . . . . . . . . . . . Rückzahlungsklauseln . . . . . . a) Aus- und Fortbildungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umzugskosten . . . . . . . . . . c) Überbezahltes Entgelt . . . . d) Sonstige Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . Salvatorische Klauseln . . . . . . Schadenspauschalen . . . . . . . .

Inhaltskontrolle 174 175 183 186

19. 20. 21. 22.

196 198 207 207 219 222 223 224 229

23. 24. 25. 26. 27. 28.

Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . Stichtagsregelung . . . . . . . . . . . Urlaubsklauseln . . . . . . . . . . . . a) BAG: Keine Inhaltskontrolle von Regelungen über Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . b) Trennungsklauseln . . . . . . . c) Weitere Regelungen . . . . . . Verschwiegenheits- und Erklärungsklauseln . . . . . . . . . Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . Zielvereinbarungen . . . . . . . . . Zustimmungsfiktionen. . . . . .

230 235 236 242

242 243 244 252 258 269 271 272 273

I. Norminhalt 1 § 307 BGB in seiner heutigen Fassung wurde als Zentralnorm der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Zuge der Schuldrechtsreform 2001 in das BGB aufgenommen.1 Zuvor fand sich die Regelung, bis auf das nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Transparenzgebot, inhaltsgleich in §§ 8, 9 AGBG. Damit wurde die Vorschrift (mit Ausnahme des Familien-, Erb- und Gesellschaftsrechts) die Grundlage für die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Zivilrecht.2 2 § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist Leitnorm des gesamten Rechts der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen,3 weil die Vorschrift Rechtsfolge und Maßstab für die Inhaltskontrolle festsetzt: Benachteiligt eine Klausel den Vertragspartner unangemessen, so ist die Klausel unwirksam. Dabei wird im Zusammenspiel mit § 306 Abs. 1 BGB deutlich, dass es bei der Unwirksamkeit der unangemessen benachteiligenden Klausel verbleibt und nicht etwa der Gesamtvertrag nichtig ist. Zentraler Bewertungsmaßstab für die Feststellung der Unangemessenheit ist dabei der Grundsatz von Treu und Glauben, durch den sich der Gesetzgeber auch für einen grundsätzlich (zu § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB siehe unten Rz. 46 f.) generellen Maßstab für die Inhaltskontrolle entschieden hat.4 Insgesamt 1 2 3 4

Zum Integrationsprozess insgesamt UBH/Ulmer/Habersack, Einl. Rz. 28 ff. WLP/Wolf, § 307 Rz. 5. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 1. UBH/Fuchs, § 307 BGB Rz. 1.

258 Klumpp

§ 307

Bedeutung für das Arbeitsrecht

sind mit den im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben zu berücksichtigenden Interessen des Vertragspartners die Schutzrichtung der AGB-Kontrolle und mit der unangemessenen Benachteiligung auch ihre Eingriffsschwelle genannt.1 Weiter wurde mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB das (zuvor richterrechtlich 3 herausgebildete)2 Transparenzgebot kodifiziert, wonach eine unangemessene Benachteiligung auch dann vorliegen kann, wenn eine Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist (dazu Rz. 77 ff.). § 307 Abs. 2 BGB enthält zwei Sondertatbestände der unangemessenen Benachteiligung: Dabei geben im Falle des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB das Gesetz, im Falle des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB die wesentlichen Rechte und Pflichten des Vertrages den Bewertungsmaßstab für die Entscheidung über eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners vor (dazu unten Rz. 56 ff.). § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zieht der Inhaltskontrolle von AGB nach § 307 4 Abs. 1, 2 BGB Schranken und ordnet sie nur für die Fälle an, in denen eine Klausel von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt. Damit nimmt § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sowohl gesetzeswiederholende Klauseln als auch Regelungen über die Hauptleistungen des Vertrages von der Inhaltskontrolle aus (dazu Rz. 16 ff.). Für solche Klauseln wird aber in § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB (lediglich) die Transparenzkontrolle vorgesehen. Zweck der Inhaltskontrolle ist der Ausgleich der vom Klauselverwender 5 einseitig in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsmacht.3 Der durch die Inhaltskontrolle gegebene Eingriff in das Vertragsergebnis ist nur deshalb gerechtfertigt, weil im Gegensatz zu ausgehandelten Vereinbarungen bei AGB nicht von einer privatautonomen Entscheidung beider Vertragsparteien ausgegangen werden kann. Der Schutz von Verbrauchern ist zwar – insbesondere durch die Regelung des § 310 Abs. 3 BGB – Teilzweck der Inhaltskontrolle, kann diese aber alleine nicht erklären. II. Bedeutung für das Arbeitsrecht § 307 BGB ist damit nach der Schuldrechtsreform auch Grundlage für die Inhaltskontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen: Deren Inhaltsund Transparenzkontrolle wurde durch Aufgabe der Bereichsausnahme 1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 8. 2 Etwa BGH 24.11.1988 III – ZR 188/87 – BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222. 3 WLP/Pfeiffer, Einl. Rz. 3; UBH/Ulmer/Habersack, Einl Rz. 48.

Klumpp 259

6

§ 307

Inhaltskontrolle

des § 23 Abs. 1 AGBG durch § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB in die allgemeine zivilrechtliche AGB-Kontrolle integriert und damit ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien ein Gleichlauf der Kontrolle von Allgemeinen Arbeits- und Geschäftsbedingungen angestrebt.1 Der Gesetzgeber hat sich so auch gegen einen arbeitsrechtlichen Sonderweg der Inhaltskontrolle entschieden.2 Für die Praxis bedeutet dies, dass – verstärkt durch die Einordnung des Arbeitsvertrages als Verbrauchervertrag – nahezu alle Arbeitsverträge der Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308, 309 BGB, zumindest aber der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfallen – weil kaum ein Arbeitsvertrag individuelll ausgehandelt sein dürfte.3 Eine systematische Sonderrolle nimmt der Arbeitsvertrag im Rahmen der Inhaltskontrolle nur deshalb noch ein, weil § 310 Abs. 4 Satz 1, 3 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen von der Inhaltskontrolle ausnehmen, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten verlangt (dazu § 310 Rz. 51 ff.) und die Verbandsklage nach dem UKlaG für Arbeitsvertragsklauseln verschlossen ist, § 15 UKlaG.4 7 Dabei geht es auch bei der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen um den Ausgleich der vom Verwender (praktisch immer ist dies der Arbeitgeber) in Anspruch genommenen einseitigen Vertragsgestaltungsmacht. Einen spezifischen Auftrag, das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auszugleichen, haben die §§ 307–309 BGB nicht.5 Freilich spielt das Schutzbedürfnis, das sich aus der speziellen Stellung des Arbeitnehmers ergibt, mittelbar auch in der Inhaltskontrolle dort eine Rolle, wo arbeitsrechtliche Schutzregelungen als Leitbild für eben diese Inhaltskontrolle dienen. 8 Vor der Anwendung der Inhaltskontrolle der §§ 307–309 BGB auch auf Arbeitsverträge hatte sich in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung 1 BT-Drucks. 14/6857, S. 53, wobei hier auch als Grund für die Streichung der alten Bereichsausnahme angeführt wurde, dass die Vertragskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter der im Zivilrecht zurückbleiben solle. Eine tiefere Analyse des scheinbaren Schutzdefizits wird freilich nicht vorgenommen. Zur Einbeziehungsgeschichte DBD/Däubler, Einl. Rz. 5 ff., § 307 Rz. 2 Dazu Staudinger/Coester, § 310 Rz. 84; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 245, verhinderte ohnehin nur die beabsichtige eigene Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts die Aufnahme der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen in das AGBG: kritisch Benedict, JZ 2012, 172, 175. 3 Benedict, JZ 2012, 172, 177. 4 Zum Grund UBH/Witt, § 15 UKlaG Rz. 1. 5 In diese Richtung freilich DBD/Deinert, § 307 Rz. 31 ff.

260 Klumpp

Bedeutung für das Arbeitsrecht

§ 307

(wie im allgemeinen Privatrecht vor dem AGBG)1 auf der Grundlage der §§ 138, 242, 315 BGB eine umfassende Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Regelungen gebildet.2 Mit §§ 307–309 BGB gibt es nun eine die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen ausdrücklich legitimierende3 Grundlage.4 Durch den gesetzlichen Gleichlauf zwischen der Inhaltskontrolle von 9 Allgemeinen Arbeitsbedingungen mit der der anderen Vertragsarten wurde auch der Einfluss des Europäischen Rechts5 auf die arbeitsvertragliche Gestaltung gestärkt, weil die §§ 305 ff. BGB auch der Umsetzung der Verbrauchervertragsrichtlinie 93/13/EWG dienen.6 Dabei ist der Arbeitsvertrag nach herrschender Lesart zwar nach den §§ 13, 14 BGB Verbrauchervertrag, nicht jedoch nach den Vorgaben der Klauselrichtlinie 93/13/EWG.7 Dennoch wird im Rahmen einer überschießenden Umsetzung der Richtlinie auch der Arbeitsvertrag von der richtlinienkonformen Auslegung erfasst.8 Bedeutsam ist dies etwa im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB, wenn nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die konkreten Umstände der Klauselvereinbarung bei dieser Kontrolle zu berücksichtigen sind (dazu Rz. 46).9 Die Inhaltskontrolle nach §§ 307–309 BGB ist von der Rechtskontrolle 10 nach §§ 134, 138 BGB zu trennen. Die Prüfungen auf Verstoß gegen ein Verbotsgesetz und auf Sittenwidrigkeit einer Regelung gehen der Inhaltskontrolle vor; bejaht man die Nichtigkeit einer Klausel nach §§ 134, 138 BGB, so ist für die Inhaltskontrolle kein Raum mehr – insbesondere ist für die Rechtsfolgen einer nichtigen Vertragsklausel grundsätzlich § 139 BGB heranzuziehen und nicht § 306 BGB.10 Im Gegensatz zu §§ 134, 138 BGB ist die Kontrolle der einseitig ausgeübten Vertragsgestaltungsmacht mit der Überprüfung anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben

1 Siehe dazu UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 Rz. 15; Staudinger/Coester, Vorbem. zu §§ 307–309 Rz. 3 ff.; grundlegend bereits L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. 2 Dazu allgemein Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1979. 3 Auf diesen Aspekt weist Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (57) hin. 4 Sehr kritisch hierzu insgesamt Zöllner, ZfA 2010, 637 (645). 5 Dazu allgemein Staudinger/Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 7. 6 Dazu Stoffels, AGB-Recht, Rz. 50. 7 DBD/Deinert, § 307 Rz. 7. 8 DBD/Deinert, § 307 Rz. 7. 9 Allgemein WLP/Pfeiffer, § 310 Rz. 4. 10 Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (64).

Klumpp 261

§ 307

Inhaltskontrolle

strenger. Es kommt so zu einer Angemessenheitskontrolle, die für ausgehandelte Vertragsregelungen nicht gerechtfertigt wäre.1 Für das Arbeitsverhältnis bedeutet dies, dass die Inhaltskontrolle nach §§ 307–309 BGB ein maßgeblicher Teil des Arbeitnehmerschutzes ist, obwohl die Schutzrichtung der Inhaltskontrolle keine spezifisch arbeitsrechtliche, ja nicht einmal eine spezifisch verbraucherrechtliche ist (zur Schutzzweckdiskussion siehe Vor § 307 Rz. 26). 11 Für den Rechtsanwender bringt die Klausel alle Vor- und Nachteile einer umfassenden Generalklausel, die letztlich nur durch Wertung der gegenseitigen Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner ausgefüllt werden kann.2 Wesentliche Bedeutung fällt hier dem Gericht als maßgeblich mit der Wertung beauftragter Instanz zu.3 Dabei wird der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der Vorwurf gemacht, die Struktur des § 307 BGB nicht hinreichend ernst zu nehmen und gerade § 307 BGB als Grundlage einer „methodisch unkonturierte(n) Billigkeitskontrolle“ zu nehmen.4 Gerade im Arbeitsrecht gibt es Stimmen, die eine Inhaltskontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen anhand der §§ 307–309 BGB kritisch begleiten.5 In der Tat begnügen sich die Gerichte regelmäßig mit einem Hinweis auf „§ 307 Abs. 1 BGB“6 und nehmen so die Struktur der Regelung des § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht hinreichend auf – was im Ergebnis dazu führen dann, dass etwa das Flexibilitätserfordernis im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis nicht hinreichende Berücksichtigung findet (dazu unten siehe Rz. 89). Insgesamt freilich wird man den Einbezug der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen in die §§ 307–309 BGB als Fortschritt begreifen können.7 Besondere Probleme bestehen aber nach wie vor bei der Beurteilung von Änderungsvorbehalten – das Flexibilitätsinteresse des Arbeitgebers gegen das Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen fällt schwer und ist bis heute nicht widerspruchsfrei gelungen. So entzündet sich auch die meiste Kritik an der Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle an der Beurteilung dieser Vorbehalte.8

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WLP/Wolf, § 307 Rz. 1. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 9. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 9. Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (64); Benedict, JZ 2012, 172 (177): „Gestaltungsenthusiasmus“. Zöllner, ZfA 2010, 637 ff.; Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1419 ff.). Etwa BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (45). Dazu Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 ff.

262 Klumpp

Auffangtatbestand

§ 307

§ 307 BGB selbst ist zwingendes Recht, weder kann die Inhaltskontrolle abbedungen werden, noch können die Maßstäbe der Inhaltskontrolle durch Vereinbarung geändert werden.1

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III. Auslegung vor Inhaltskontrolle Die Auslegung einer Vertragsklausel hat der Inhaltskontrolle stets vor- 13 zugehen (zur Auslegung von AGB siehe § 305c Rz. 41 ff.).2 Nur ein eindeutiger Inhalt einer Klausel kann grundsätzlich einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Im Rahmen der Transparenzkontrolle ist dieser Grundsatz freilich oftmals in der Praxis nicht streng eingehalten, wenn auch für den Vertragspartner missverständliche und damit auch mehrdeutige Klauseln schlicht der Kontrolle an § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterzogen werden (dazu Rz. 77). IV. Auffangtatbestand § 307 BGB ist Auffangtatbestand und „Herzstück“ des Rechts der AGB- 14 Kontrolle zugleich.3 Systematisch greift die Generalklausel des § 307 Abs. 1, 2 BGB zwar erst ein, wenn die Katalogtatbestände der §§ 308, 309 BGB nicht einschlägig sind,4 allerdings sind auch im Rahmen der §§ 308, 309 BGB die Wertungen der Generalklausel zu berücksichtigen5 – ohne aber die Vorgaben der abgeschlossenen Regelungen der §§ 308, 309 BGB konterkarieren zu können: Eine Klausel, die etwa nach § 308 BGB für wirksam gehalten wird, wird keiner erneuten Prüfung anhand der Generalklausel zu unterziehen sein.6 Innerhalb des § 307 BGB sind ebenfalls die spezielleren Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB vor der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.7 Weil der Gesetzgeber die Katalogtatbestände der §§ 308, 309 BGB nicht 15 abschließend gefasst hat, verbleibt für die Anwendung der Generalklau-

1 WLP/Wolf, § 307 Rz. 9. 2 BGH 10.2.1999 – IV ZR 324/97 – NJW 1999, 1633; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 27 ff.; UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 13; WLP/Wolf, § 307 Rz. 7. 3 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8; WLP/Wolf, § 307 Rz. 6; Stoffels, AGBRecht, Rz. 463, 464; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 85: Kernstück. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 465. 5 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 10; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 463; WLP/Wolf, § 307 Rz. 6. 6 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 9. 7 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8.

Klumpp 263

§ 307

Inhaltskontrolle

sel ein weiter Raum. Deren Bedeutung wird für die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen verstärkt, weil hier die Anwendung spezieller Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB, wegen der nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigenden Besonderheiten des Arbeitsrechts ausgeschlossen sein kann.1 Ist dies der Fall, ist die entsprechende Vereinbarung stets noch anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 1, 2 BGB zu überprüfen.2 V. Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB 16 § 307 Abs. 3 BGB eröffnet die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nur für Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Darunter fallen auch Vereinbarungen, die die Hauptleistungen des Vertrages betreffen. Auch sie sind damit einer Inhaltskontrolle nicht zugänglich.3 § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entspricht damit den Vorgaben der Art. 1, 4 der Verbraucherschutzrichtlinie 93/13/EWG.4 Für Klauseln, für die nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle ausgeschlossen ist, bleibt es aber nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB bei der Transparenzkontrolle, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 1. Deklaratorische Klauseln 17 Vereinbarungen, die nicht von (dispositiven) Rechtsvorschriften abweichen oder diese nicht ergänzen, unterfallen nicht der Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308, 309 BGB, geben doch solche deklaratorischen Klauseln lediglich das Gesetz wieder, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Gerichte sind aber nicht dazu aufgerufen, die Angemessenheit von Gesetzen zu beurteilen, vielmehr sind sie selbst an Recht und Gesetz gebunden.5 Die Verwerfung einer lediglich normwiederholenden Klausel wäre darüber hinaus mit Blick auf die Rechtsfolge der Klauselunwirksamkeit sinnlos – weil an die Stelle der verworfenen vertraglichen Regelungen grundsätzlich das dispositive Gesetz tritt.6 Die 1 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 86. 2 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. 3 WLP/Wolf, § 307 Rz. 276. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 425 ff. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 424; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 141; bereits zu § 8 AGBG Stoffels, JZ 2001, 843. 6 HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 9; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 34; freilich ist diese Feststellung lediglich und richtig als Hilfsargument heranzuziehen, Stoffels, AGB-Recht, Rz. 424.

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Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB

§ 307

Frage nach der Entsprechung einer Klausel im Sinne einer deklaratorischen Normwiedergabe ist aber zu unterscheiden von der Frage nach der Vereinbarkeit einer Klausel mit den gesetzlichen Vorgaben.1 a) Normwiederholende Klauseln Aus diesem Zweck der Anwendungsschranke folgt auch die Bestim- 18 mung des Begriffs der Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB: Es kann sich hier nur um Rechtssätze handeln, die das Gericht als objektive gesetzliche Regelungen durch einen normativen Kontrollmaßstab binden,2 weil es letztlich um den Respekt der judikativen vor der legislativen Gewalt geht.3 Deshalb sind alle materiellen Gesetze Rechtsvorschriften nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.4 Damit unterfallen solche Klauseln nicht der Inhaltskontrolle, die das formelle Parlamentsgesetz, aber auch Rechtsverordnungen, Satzungen oder Gewohnheitsrecht wiedergeben.5 Das gilt auch für die Regelungen der AGB-Kontrolle selbst.6 In Arbeitsverträgen sind etwa Regelungen über das Weisungsrecht des Arbeitgebers wegen des weiten Tatbestandes des § 106 GewO oftmals lediglich normwiederholend und unterfallen deshalb nicht der Inhaltskontrolle;7 Gleiches gilt für Probezeitklauseln, die lediglich den gesetzlichen Stand (§§ 1 Abs. 1 KSchG, 622 Abs. 3 BGB) wiedergeben.8 Unter die Rechtsvorschriften des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB fällt nach h.M. 19 auch das (im Arbeitsrecht sehr bedeutsame) Richterrecht9 – und damit etwa auch die richterrechtlich entwickelten Grundsätze zur Arbeitneh-

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Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (50). UBH/Fuchs, § 307 Rz. 19. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434; WLP/Wolf, § 307 Rz. 275. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 26; WLP/Wolf, § 307 Rz. 281. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 433. WLP/Wolf, § 307 Rz. 281. BAG 13.6.2007 – 5 AZR 564/06 – NZA 2007, 974; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (50); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 35; Henssler/Moll, AGB-Kontrolle, S. 4; direktionsrechtserweiternde Klauseln unterfallen aber selbstredend der Angemessenheitskontrolle, Stoffels, ZfA 2009, 861 (866); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 38. 8 BAG 24.1.2008 – 6 AZR 519/07 – NZA 2008, 521; WLP/Stoffels, Anh. ArbR, Rz. 60b. 9 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 9; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 35; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 26; WLP/ Wolf, § 307 Rz. 282; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 294.

Klumpp 265

§ 307

Inhaltskontrolle

merhaftung.1 Daran ist Kritik geübt worden,2 die aber unbegründet ist: Denn letztlich sind die (de lege artis gefundenen) richterrechtlichen Rechtssätze ebenfalls bloße Anwendung des Gesetzes. 20 Zweifel sind aber dort angebracht, wo über § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB auch „vertragstypische Regelungen“ und solche, die sich aus der „Natur des Vertrages“ oder einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben, der Angemessenheitskontrolle entzogen werden sollen.3 Denn hier würde letztlich das Vertragsprogramm und damit die autonome Vereinbarung der Parteien zum Maßstab für die Eröffnung der Inhaltskontrolle – dabei geht es § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (nur) darum, eine Angemessenheitskontrolle gesetzlicher Regelungen zu verhindern.4 Vertragliche Festlegungen genießen aber die Dignität der Kontrollfreiheit gerade nicht.5 21 Tarifliche Normen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind auch Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Verweisung des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB hat letztlich zum Ziel, dass diese kollektivrechtlichen Vereinbarungen auch bei schuldrechtlicher Inbezugnahme nicht auf ihre Angemessenheit überprüft werden.6 Für die durch Tarifbindung normativ geltenden Tarifverträge folgt dies bereits aus § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Durch den Verweis des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB soll eine unterschiedliche Tarifkontrolle je nach Geltungsgrund verhindert werden.7 22 Einigkeit herrscht darüber, dass jedenfalls bei einem ganz in Bezug genommenen Tarifvertrag (Globalverweisung) wegen §§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keine Angemessenheitskontrolle erfolgt;8 der Gesetzgeber geht von der tarifvertraglichen Richtigkeitsgewähr aus.9 Diese

1 HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 10; zu diesen Grundsätzen siehe etwa BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09 – NZA 2011, 345. 2 Stoffels, JZ 2001, 843 (846). 3 So HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 9; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Löwisch, § 307 BGB Rz. 25. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434, der zu Recht darauf hinweist, dass im Ergebnis die Ausweitung des Begriffs der Rechtsvorschriften in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Verschärfung der Inhaltskontrolle zur Folge hätte. 5 Wie hier Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 295. 6 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – NZA-RR 2009, 593; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 433. 7 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 60a. 8 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – NZA-RR 2009, 593; LAG Rh.-Pf. 31.1.2012 – 3 Sa 277/11; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14. 9 Dazu Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rz. 1.

266 Klumpp

Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB

§ 307

Richtigkeitsgewähr wird freilich aufgebrochen, wenn nur auf punktuelle Regelungen Bezug genommen wird, dann erfolgt auch eine Angemessenheitskontrolle.1 Richtigerweise wird man aber auch abgeschlossene Sachbereiche des Tarifvertrages als der Richtigkeitsgewähr unterfallend ansehen müssen – mit der Folge, dass sie bei vertraglicher Bezugnahme nicht kontrollfähig sind.2 Dies gilt aber nicht für normwiederholende Regelungen von Tarifverträgen, die wegen eines fehlenden fachlichen Geltungsbereichs nicht einschlägig sind oder die zeitlich abgelaufen sind.3 Sie sind lediglich scheindeklaratorisch,4 weil sie selbst den Grund für die Geltung setzen und ein Hinwegdenken der Klausel im Rechtslagenvergleich eben nicht zur Geltung des Tarifvertrages führte.

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Zu unterscheiden ist die Frage, ob Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind und deren bloße Wiederholung damit zur Kontrollfreiheit jenseits des Transparenzgebotes führt, von der Frage nach der Eignung dieser kollektiven Vereinbarungen als gesetzliche Regelungen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Beide Begriffe sind nicht deckungsgleich.

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Fraglich ist, inwieweit auch normausfüllende Klauseln, die den durch Gesetz vorgegebenen Spielraum für die Vertragsgestaltung nutzen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen sind. Beispiel hierfür sind etwa §§ 202 Abs. 2, 622 Abs. 5 BGB. Das BAG meinte im Hinblick auf eine Probezeitregelung, die von § 20 BBiG abwich, dass der dort gegebene Rahmen nicht überschritten sei und deshalb keine Normabweichung vorliege.5 Die Literatur ist hier kritisch und unterzieht normausfüllende Klauseln grundsätzlich auch einer Inhaltskontrolle.6 Dies zu Recht, weil der Inhalt der Ausfüllung konstitutive Regelung der Parteien, wenn auch im gesetzlich vorgegeben Rahmen, ist.7 Damit hat eine Inhaltskontrolle einer entsprechenden Klausel nichts mit der Angemessenheitskontrolle der gesetzlichen Regelung selbst zu tun. Nur dann, wenn sich aus der Norm ergibt, dass die Normausfüllung gerade

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HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14. BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – NZA-RR 2009, 593. BAG 3.4.2007 – 9 AZR 867/06 – NZA 2007, 1045. So Staudinger/Coester, § 307 Rz. 297. BAG 16.12.2004 – 6 AZR 127/04 – NZA 2005, 578; auch für § 622 Abs. 3 BGB BAG 24.1.2008 – 6 AZR 519/07 – NZA 2008, 521, zustimmend HWK/Gotthardt § 307 BGB Rz. 10. 6 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (51); DBD/Däubler, § 307 Rz. 261a. 7 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 32.

Klumpp 267

§ 307

Inhaltskontrolle

auch für formularmäßige Vereinbarungen gelten soll (qualifizierte Erlaubsnisnorm),1 liegt keine kontrollfreie Ergänzung vor. Das freilich ist, soweit ersichtlich, für das Arbeitsrecht nicht relevant.2 b) Notwendig: Rechtslagenvergleich 26 Für die Frage des Abweichens oder Ergänzens von Rechtsvorschriften ist ein Vergleich vorzunehmen, bei dem die Rechtslage unter Berücksichtigung der Formularklausel der Situation ohne diese Klausel und damit der dispositiven Gesetzeslage gegenüber gestellt wird.3 Streicht man die vereinbarte Klausel und ändert sich an der Rechtslage (wegen der dann geltenden Rechtsvorschrift) nichts, weicht die Klausel nicht ab und eine Inhaltskontrolle kommt nicht in Betracht. Vorher freilich ist aber der Bedeutungsgehalt der Klausel anhand der Auslegung zu bestimmen.4 27 Eine Ergänzung von Rechtsvorschriften ist einmal dann gegeben, wenn die Klausel eine positive Rechtsvorschrift im Hinblick auf darin nicht vorgesehene Interessen erweitert.5 Zum anderen ist das dann der Fall, wenn es überhaupt an rechtlichen Regelungen für die betreffende Situation mangelt, denn eine Ergänzung von Rechtsvorschriften setzt keine solchen voraus. Regelungen, die auf ein „normatives Vakuum“ (Stoffels) treffen, und nicht Hauptleistungen festlegen, sind kontrollfähig6 – weshalb die von der Rechtsprechung angenommene Kontrollfreiheit von Regelungen über den vertraglichen Zusatzurlaub bedenklich ist (siehe dazu Rz. 242).7 2. Hauptleistungen a) Allgemeines 28 Aus § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB wird auch zu Recht geschlossen, dass Klauseln, die die Hauptleistungen der Parteien regeln, nicht der Angemes-

1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 302; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 436. 2 Als Beispiele werden angeführt §§ 51a, BRAO, 67a StBRG, siehe UBH/Fuchs, § 307 Rz. 33. 3 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 25; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 432. 4 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 25. 5 WLP/Wolf, § 307 Rz. 287. 6 BAG 19.10.2011 – 7 AZR 33/11 – n.v.; BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – NZA-RR 2012, 232 für Rückkehrzusagen; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 432. 7 BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538.

268 Klumpp

Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB

§ 307

senheitskontrolle unterfallen.1 Deren Festlegung und damit auch das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist vor dem Zugriff der Inhaltskontrolle geschützt,2 weshalb Vereinbarungen über die Arbeitsleistung (Inhalt, Art, Ort, Dauer) und das Arbeitsentgelt sowie deren Verhältnis nicht der Angemessenheitskontrolle unterfallen.3 Das hat einmal damit zu tun, dass es für die Hauptleistungen regelmäßig keinen gesetzlichen Maßstab zur Angemessenheitskontrolle gibt und der Richter nicht dazu aufgerufen ist, einen gerechten oder auch nur angemessenen Preis für eine bestimmte Leistung zu finden (das muss nach wie vor Aufgabe des Wettbewerbs sein).4 Zum anderen ergibt sich die Kontrollfreiheit der Hauptleistungen aus schutzzweckbezogenen Überlegungen: Es gilt hier, dass Vereinbarungen über die Hauptleistungen durch die Parteien regelmäßig aufmerksam zur Kenntnis genommen werden, weil sie im Mittelpunkt des Vertragsschlusses stehen. Es mag sich in diesen Fällen zwar um vom Verwender vorgegebene Klauseln handeln, trotzdem ist die Inhaltskontrolle der einseitig ausgeübten Vertragsgestaltungsmacht nicht notwendig, weil sie regelmäßig der Aufmerksamkeit des Vertragspartners nicht entgehen. Das unterscheidet sie typischerweise von Nebenregelungen. Solche Klauseln sind zwar nicht ausgehandelt, dennoch ist die auf der Transparenz der Regelung aufbauende privatautonome Entscheidung auch des Vertragspartners hier zu respektieren:5 Eine Inhaltsprüfung ohne entsprechendes gesetzliches Leitbild verkäme zur bloßen Billigkeitskontrolle.6 Freilich ist gerade bei Allgemeinen Arbeitsbedingungen die Abgrenzung von nicht inhaltskontrollfähigen Hauptleistungen und kontrollfähigen sonstigen Regelungen schwierig (dazu sogleich Rz. 30 ff.).

1 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40; BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – NZA 2004, 597; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 6; DFL/Löwisch, § 307 BGB Rz. 3; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 438; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 36. 2 BGH 7.12.2010 – XI ZR 3/10 – BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801; BGH 9.5.2001 – IV ZR 138/99 – BGHZ 147, 354 = NJW 2001, 2014; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. 3 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – noch n.v.; BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – NZA 2009, 49; BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; DBD/Däubler, § 307 Rz. 268. 4 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – noch n.v.; BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 5; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (53): Einen gerechten Preis findet man auch nicht über die Inhaltskontrolle! 5 Stoffels, ZfA 2009, 861 (867); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 37. 6 Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (392).

Klumpp 269

§ 307

Inhaltskontrolle

29 Eine Überprüfung der Hauptleistungen findet nach herrschender Meinung ausnahmsweise nur dann statt, wenn diese Hauptleistungen selbst konkret gesetzlich geregelt sind.1 Das ist etwa in den Gebührenordnungen von freiberuflich Tätigen geschehen.2 Für das Arbeitsrecht wird hier bisweilen auf § 6 Abs. 5 ArbZG verwiesen, der einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag fordert;3 ebenso für Abfindungsvereinbarungen auf § 1a KSchG. Beides greift allerdings nicht: § 6 Abs. 5 ArbZG lässt die Kontrolle auf Angemessenheit des Zuschlags unabhängig von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu – sie ist auch bei Individualvereinbarungen vorzunehmen.4 § 1a KSchG setzt selbst keine Hauptleistung fest, sondern gibt lediglich den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit zur eigenständigen Festsetzung einer Abfindung (dazu später Rz. 129). Letztlich ist die Regelung überflüssig.5 Auch die in § 612 Abs. 2 BGB vorgesehene übliche Vergütung vermag keine Inhaltskontrolle der Vergütungshöhe im Formulararbeitsvertrag wegen einer aus ihr scheinbar hervorgehenden gesetzlichen Festlegung des Arbeitsentgelts zu rechtfertigen, weil sie nur dann einschlägig ist, wenn im Arbeitsvertrag gerade keine Vergütung vereinbart wurde.6 Als gesetzliche Vergütungsfestlegung (wie etwa die freiberuflichen Vergütungsordnungen) taugt die Vorschrift deshalb nicht. Zur Bedeutung eines Tarifvertrages in diesem Zusammenhang siehe später Rz. 34 f. b) Hauptleistungen und Nebenleistungen 30 Damit ist freilich der problematische Unterschied zwischen dem kontrollfreien leistungsbestimmenden Kern, wie ihn die Hauptleistung beschreibt, und der zu kontrollierenden Leistungsausgestaltung noch nicht festgelegt. Diese Frage hat im Arbeitsrecht eine erhebliche Bedeutung, etwa wenn es um die Befristung von Arbeitsbedingungen bei Erhöhung der Arbeitszeit (dazu unten Rz. 144) oder um Änderungsbestimmungen hinsichtlich der Arbeitszeit geht. Solche Klauseln haben erheblichen Einfluss auf die Hauptleistung des Arbeitnehmers. Nach der Rechtsprechung sind solche Klauseln dennoch nicht kontrollfrei im

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DBD/Däubler, § 307 Rz. 265. Etwa HOIA, GOÄ, GOZÄ. DBD/Däubler, § 307 Rz. 265. ErfK/Wank, § 6 ArbZG Rz. 17. Dazu Bader, NZA 2004, 65 (74). HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 7: Staudinger/Coester, § 310 Rz. 110; zweifelnd DBD/Däubler, 307 Rz. 266.

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Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB

§ 307

Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn sie die Hauptleistungsvereinbarung einschränken, verändern oder ausgestalten.1 Für die genannten Fälle der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung2 oder einer Regelung zur Abrufarbeit soll genau dies gelten.3 Damit wird allerdings die Grenze zur kontrollfreien Hauptleistung weit hinausgeschoben.4 Allerdings bleiben die von der Rechtsprechung aufgestellten Abgren- 31 zungskriterien bisweilen wenig belastbar und führen zu problematischen Ergebnissen. Die Hauptgefahr besteht darin, dass an die Stelle einer bei der Inhaltskontrolle als unwirksam angesehenen Klausel mit Hauptleistungsbezug zunächst keine gesetzliche Regelung treten kann – eben weil das Gesetz Hauptleistungen selbst grundsätzlich nicht festlegt. Kommt es aber zur Ersetzung der Klausel durch richterlichen Akt (wie im Falle der Abrufarbeit),5 so kommt es auch zur Oktroyierung von Hauptleistung(-spflichten), eine solche ist aber erst recht nicht gesetzliches Programm, wenn schon die Angemessenheitskontrolle als solche ausgeschlossen ist.6 Deshalb ist vor einer schematischen Abgrenzungslösung zu warnen. Die Maßgabe der Rechtsprechung, dass solche Klauseln zu kontrollieren sind, die Hauptleistungen einschränken, verändern oder ausgestalten, ist jedenfalls dahingehend zu präzisieren, dass – genauer als die Rechtsprechung das gemeinhin durchführt –, zu prüfen ist, ob die entsprechende Klausel nicht selbst unmittelbare Regelung der Hauptleistung ist. Dies ist etwa im Falle einer Vergütungsregelung für Überstunden der Fall, nicht aber für eine Regelung, die diese mit einer einseitigen Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers für Überstunden kombiniert.7 Mit heranzuziehen ist für diese Abgrenzungsfrage ein von der neueren 32 Lehre und insbesondere von Stoffels entwickelter Aspekt: Mitmaßgeblich für die Frage, ob eine kontrollfreie Hauptleistung vorliegt, ist die Prüfung des Umstandes, ob der Vertragspartner eine bewusste Abschlussentscheidung im Hinblick auf eine Hauptleistung treffen konnte. Denn

1 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40. 2 BAG 18.1.2006 – 7 AZR 191/05 – AP Nr. 8 zu § 305 BGB; BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40; kritisch dazu Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (374). 3 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. 4 DBD/Däubler, § 307 Rz. 2269 ff. 5 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. 6 Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1411) macht hier zu Recht einen Eingriff in den Kern der Vertragsfreiheit aus. 7 Offen gelassen von BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – noch n.v.

Klumpp 271

§ 307

Inhaltskontrolle

ist dies der Fall, wird er die entsprechende Regelung nur treffen, wenn er damit einverstanden ist. Das bedeutet zwar kein Aushandeln im Sinne des § 305b BGB, das eine Regelung der Inhaltskontrolle ohnehin entziehen würde, aber gleichwohl eine Zustimmung auf der Grundlage einer transparenten Regelung – gerade deshalb ist eine solche Klausel dem Transparenzgebot zu unterwerfen, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB. Deshalb sind Klauseln, die etwa die Befristung von Hauptleistungen betreffen, nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei.1 33 Kontrollfreie Hauptleistungen können nicht nur Leistungspflichten umfassen, sondern sie können auch etwa in der Beendigung des Arbeitsvertrages bestehen. Deshalb fällt die Aufhebung des Arbeitsvertrages als solche nicht unter die Angemessenheitskontrolle,2 wenn in diesen Fällen überhaupt eine formularmäßige und keine individuelle Vereinbarung vorliegt.3 Werden allerdings im Aufhebungsvertrag noch andere Regelungen formularmäßig zusätzlich getroffen, können diese einer Angemessenheitskontrolle unterfallen (dazu siehe unten Rz. 130). c) Besonders: Tarifvertrag als Kontrollmaßstab? 34 Es widerspricht diesen Überlegungen nicht, wenn eine Angemessenheitskontrolle dort durchgeführt wird, wo eine gesetzliche Regelung über die Hauptleistungen ausnahmsweise besteht.4 Deshalb wird vertreten, dass auch Tarifverträge als gesetzlicher Kontrollmaßstab heranzuziehen und damit etwa auch Entgeltvereinbarungen an diesen Tarifverträgen zu messen sind.5 Man will dann etwa ein Unterschreiten des Tariflohns um mehr als 20 % für unangemessen halten.6

1 Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, 2001, S. 385 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 448 ff.; Stoffels, JZ 2001, 843 (847 ff.); Preis, FS Richardi (2007), S. 339 (351); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (54). 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (53); Stoffels, ZfA 2009, 861 (868); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 38. 3 Was, worauf Stoffels, ZfA 2009, 861 (868) zu Recht hinweist, regelmäßig der Fall sein dürfte. 4 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; etwa bei freiberuflichen Honorarordnungen, so BGH 9.7.1981 – VII ZR 139/80AZ – NJW 1981, 2351 für die HOAI; BGH 30.10.1991 – VIII ZR 51/91AZ – NJW 1992, 746 für die GOÄ. 5 DBD/Däubler, § 307 Rz. 279 ff.; Oetker, FS Wiedemann (2002), S. 383 (394); Däubler, NZA 2001, 1329. 6 DBD/Däubler, § 307 Rz. 288.

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§ 307

Die herrschende Meinung lehnt dies zu Recht ab.1 Zwar verweist § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und stellt damit Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen den Rechtsvorschriften des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gleich – allerdings wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien damit (lediglich) erreichen, dass bei schuldrechtlicher Bezugnahme keine Kontrolle des Tarifvertrages stattfindet, nicht aber Tarifverträge zum Kontrollmaßstab der Inhaltskontrolle erheben (dazu Rz. 66). So beschränkt sich die Verweisung in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auch auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB; § 307 Abs. 1, 2 BGB bleiben unerwähnt – eine solche Einschränkung wäre aber überflüssig, wenn eine Angemessenheitskontrolle am Maßstab des Tarifvertrages durchzuführen wäre: Denn dass Tarifverträge für die Normunterworfenen Rechtsvorschriften sind, wäre auch ohne die Verweisung in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB klar.2 Stärker ins Gewicht fallen die Argumente, die auf die Wirkung eines solchen tariflichen Kontrollmaßstabs auf nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien abstellen.3 Eine Erstreckung des Tarifvertrags als Kontrollmaßstab für arbeitsvertragliche (auch formularmäßige) Vereinbarungen bedeutete eine (mittelbare) Bindung an den Tarifvertrag, damit steht nach richtiger Lesart4 die negative Koalitionsfreiheit der tarifungebundenen Arbeitsvertragsparteien in Rede. Es handelte sich um eine kalte Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages, die der Gesetzgeber aber nur unter den Voraussetzungen des § 5 TVG wollte.5

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VI. Unangemessene Benachteiligung 1. Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Eine Klausel ist unwirksam, wenn der Vertragspartner des Klauselverwenders durch sie unangemessen benachteiligt wird, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das ist der Fall, wenn der Verwender seine Interessen einseitig auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ohne ihm unter Umständen

1 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 494; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 39; HWK/ Gotthardt, § 307 BGB Rz. 11; Henssler/Moll, S. 5. 2 HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 11; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Henssler/Moll, S. 5; a.A. DBD/Däubler, § 307 Rz. 279 ff. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 39; BeckOK/Jacobs, § 307 Rz. 15. 4 Dazu auch Bayreuther, RdA 2003, 81 (82). 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 180; Henssler, RdA 2002, 129 (136); Hromadka, NJW 2002 2523 (2527).

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Inhaltskontrolle

einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.1 Deshalb ist die Interessenanalyse und -abwägung der zentrale Bestandteil der Inhaltskontrolle.2 Das Prüfungskonzept des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit zweistufig:3 Es verlangt zuerst eine Benachteiligung des Vertragspartners, ist diese festgestellt, muss sie daraufhin überprüft werden, ob sie unangemessen ist. Prüfungsgegenstand ist die einzelne Vertragsklausel, nicht der Gesamtvertrag (zur Frage der Stellung der Klausel im Kontext des Gesamtvertrages siehe Rz. 53 ff.).4 Geschützt wird durch die Inhaltskontrolle der Vertragspartner des Klauselverwenders,5 eine (faktische) Belastung des Verwenders ist irrelevant – er kann sich auch nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen.6 a) Benachteiligung 37 Die Benachteiligung des Vertragspartners durch eine Klausel in AGB ist im Rahmen eines Vergleiches zwischen der Rechtslage, wie sie vereinbart wurde, und der Rechtslage, wie sie ohne diese Vereinbarung bestehen würde, festzustellen7 Deshalb ist in einem ersten Schritt der Vergleichsmaßstab zu bilden, der sich aus den entsprechenden Rechtsvorschriften ergibt (siehe schon die Ausführungen zu § 307 Abs. 3 BGB Rz. 26 f.). 38 Ergibt dieser Vergleich eine rechtlich schlechtere Position des Vertragspartners gegenüber einer Nichtregelung, so liegt eine Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.8 Eines (spiegelbildlichen) Vorteils für den Verwender bedarf es nicht.9 Ebenso ist eine Benachteiligung des Verwenders irrelevant.10

1 BGH 3.11.1999 – VIII ZR 269/98 – NJW 2000, 1110; BAG 4.3.2010 – III ZR 79/09 – NJW 2010, 1449; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 96; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 97. 2 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. 3 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 98. 4 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 94. 5 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 108. 6 BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – NZA 2007, 687; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 94; DBD/Deinert, § 307 Rz. 60a; dazu Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723. 7 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 89 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 467. 8 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 467. 9 WLP/Wolf, § 307 Rz. 165. 10 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 94.

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§ 307

Die Benachteiligung des Vertragspartners kann hier in dessen Verhältnis 39 zum Verwender der Klausel selbst oder aber auch zu einem Dritten bestehen.1 So wird (freilich zu Unrecht, dazu siehe Rz. 94) bisweilen Abtretungsverbotsklauseln (dazu siehe Rz. 92 ff.) die Wirksamkeit versagt, weil ein Abtretungs- und Verpfändungsverbot des Arbeitsentgeltanspruchs den Arbeitnehmer gegenüber möglichen Kreditgebern wegen fehlender Sicherungsmöglichkeiten schlechter stellt. Richtigerweise wird man bereits auf dieser Stufe der Prüfung Überlegun- 40 gen über die Erheblichkeit der Benachteiligung anstellen müssen.2 Allgemein wird angenommen, dass eine unangemessene Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn eine Benachteiligung von erheblichem Gewicht gegeben ist.3 Diese Erheblichkeitsschwelle wird regelmäßig bei der Frage der Unangemessenheit einer bereits festgestellten Benachteiligung geprüft.4 Es sprechen vor allem Gründe der Anwendungsklarheit dafür, die Erheblichkeitsprüfung bereits bei der Benachteiligung zu prüfen, ohne in die Interessenabwägung eintreten zu müssen.5 Insofern ist die erste Prüfungsstufe nicht gänzlich wertneutral.6 b) Unangemessenheit Ob die festgestellte Benachteiligung unangemessen ist, ist in einer zwei- 41 ten Stufe zu prüfen, die unter dem Ziel des umfassenden Interessenausgleichs im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben steht.7 Dabei kommt dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben keine eigenständige Bedeutung zu, er ist kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, sondern Teil der Unangemessenheitsprüfung.8 Der Interessenausgleich setzt die Interessenklärung voraus, wobei es auf die Interessen der Vertragspartner und (eingeschränkt) auf unmittelbare Drittinteressen ankommt, Allgemeininteressen bleiben außen vor (siehe dazu unten Rz. 50 f.).

1 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 108; WLP/Wolf, § 307 Rz. 165. 2 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 101. 3 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 101; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 91; DBD/Deinert, § 307 Rz. 55; a.A. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 471. 4 DBD/Deinert, § 307 Rz. 55. 5 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 101. 6 So aber Stoffels, Rz. 467. 7 WLP/Wolf, § 307 Rz. 174 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468. 8 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 97; offengelassen UBH/Fuchs, § 307 Rz. 97.

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§ 307

Inhaltskontrolle

42 Die eigentliche Bewertung folgt dann in der Interessenabwägung. Hier kommt es nicht zuletzt darauf an, wie weit sich die Interessen des Verwenders der AGB gegenüber denen des Vertragspartners durchgesetzt haben – man kann an das System kommunizierender Röhren denken: Je stärker die Verwenderinteressen sich durchgesetzt haben, desto schwerwiegendere Gründe müssen vorliegen, um dies gegenüber einem entgegenstehenden Interesse des Vertragspartners zu rechtfertigen.1 Letztlich geht es um die Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und dabei um die Frage, ob eine Klausel vor den zu berücksichtigenden Interessen des Klauselverwenders erforderlich und verhältnismäßig ist.2 Dabei hilft bei der Wertung der Vergleich mit dem gesetzlich vorgegeben Leitbild als Kontrollmaßstab.3 Für das Arbeitsrecht mag hier als Beispiel der Hinweis auf die Inhaltskontrolle von Vertragsstrafenregelungen dienen, bei denen die Frage nach der Strafhöhe von der Schwere der Pflichtverletzung abhängig zu machen ist (dazu Rz. 261 f.). 43 Im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, ist auch die Verkehrssitte zu berücksichtigen.4 Diese spielt – als Frage der Üblichkeit – bereits beim Ausschluss überraschender Klauseln, § 305 Abs. 1 BGB, eine Rolle, aber auch als Negativmerkmal bei der Inhaltskontrolle,5 weil ein negatives Abweichen von der Verkehrssitte grundsätzlich zu Lasten des Vertragspartners zu werten ist.6 Allerdings ist die Üblichkeit einer Regeleung nur dann relevant, wenn sie ihrerseits dem Grundsatz von Treu und Glauben entspricht.7 44 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.8 Das ergibt sich für Verbraucherverträge (und damit nach herrschender Meinung auch für den Arbeitsvertrag) auch aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG. Deshalb führt eine Änderung der tatsächlichen Umstände nach Vertragsschluss nicht zu einer geänderten Bewertung.9 Geänderte Umstände können aber im Rahmen einer Ausübungskontrolle

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Stoffels, AGB-Recht, Rz. 470. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 105. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 471. WLP/Wolf, § 307 Rz. 178. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 153. Weitergehend Staudinger/Coester, § 307 Rz. 153: Unangemessenheit wird indiziert. 7 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338; WLP/Wolf, § 307 Rz. 210. 8 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 472; UBH/ Fuchs, § 307 Rz. 117. 9 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 117.

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berücksichtigt werden.1 Für Änderungen der gesetzlichen Grundlagen der Inhaltskontrolle ist die Rückwirkungsproblematik zu berücksichtigen – dies gilt auch für die Änderung der Rechtsprechung.2 c) Grundparameter für die Inhaltskontrolle aa) Generell-typisierende Betrachtung Für die Inhaltskontrolle ist nach der h.M. eine generell-typisierende und 45 so überindividuelle Betrachtung anzustellen:3 Es kommt also grundsätzlich nicht auf die konkreten Umstände an, sondern auf die Durchschnittsbeteiligten4 und auf die Frage, ob eine Klausel unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung zur Folge hat.5 Das heißt freilich ebenso, dass es unerheblich ist, ob sich eine unwirksame Klausel unter Berücksichtigung des konkreten Handelns der Beteiligten auch negativ auswirkt.6 Es ist bei der Frage der zu bildenden „Durchschnittsgruppen“ aber durchaus auch innerhalb der Beteiligten eine weitere Differenzierung möglich,7 das betrifft etwa die (auch im Gesetz nachvollzogene) Unterscheidung zwischen leitenden Angestellten und sonstigen Arbeitnehmern.8 Darüber hinaus wird auch ein Unterschied nach bestimmten Tätigkeiten gemacht werden können. Ob auch ein Unterschied zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräften zu machen ist, wird im Hinblick auf § 4 TzBfG zu Recht kritisch gesehen.9 Relativiert wird diese generell-typisierende Betrachtung durch § 310 46 Abs. 3 Nr. 3 BGB.10 Wenn man, wie die h.M., den Arbeitsvertrag als Ver1 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 117; DBD/Deinert, § 307 Rz. 67. 2 Stoffels, ZfA 2009, 861 (864); a.A. DBD/Deinert, § 307 Rz. 71. 3 BGH 17.4.2012 – X ZR 76/11 – NJW 2012, 2107; BGH 9.2.1990 – V ZR 200/88 – NJW 1990, 1601; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; BAG 10.1.2007 – 5 AZR 84/06 – NZA 2007, 384; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – BB 2006, 2195; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 36; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 63. 4 Stoffels, AGB-Recht Rz. 473. 5 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 103. 6 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 42; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 37. 7 Allgemein Staudinger/Coester, § 307 Rz. 111 ff. 8 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 63; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528); Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99. 9 WLP/Stoffels, Anh. ArbR Rz. 63. 10 BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64.

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Inhaltskontrolle

brauchervertrag begreift, ist das auf der Grundlage der typisierenden Betrachtung gefundene Ergebnis nochmals an den konkreten Umständen des Vertragsschlusses zu messen.1 Darunter sind die persönlichen Eigenschaften des Vertragspartners (Unerfahrenheit, Abhängigkeit von der Leistung, intellektuelle Gegebenheiten), die konkrete Vertragsschlusssituation (etwa Überrumpelung, Verschleierung, Belehrung, etc.) und untypische Interessen des Verbrauchers zu fassen.2 Dabei ergänzt § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die generell-typisierende Betrachtung, ersetzt sie aber nicht,3 beide Betrachtungsweisen sind zu kombinieren.4 Freilich ist auch die Betrachtung an den konkreten Umständen des Vertragsschlusses ergebnisoffen zu führen5 – sie kann sowohl zur Unwirksamkeit einer Klausel führen als auch zu deren Rechtmäßigkeit.6 47 Weil § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die konkreten Umstände des Vertragsschlusses in die Angemessenheitskontrolle einbezieht, können etwa Verletzungen von Aufklärungspflichten des Klauselverwenders nicht nur zu (potentiellen) Schadensersatzansprüchen führen, sondern auch zur Unwirksamkeit einer Vertragsklausel.7 Die konkreten Umstände können sich auch aus vorhergegangenen Verträgen ergeben – und somit bei der Frage einer vermeintlich intransparenten Vertragsklausel eine Rolle spielen, wenn diese erst im Zusammenspiel mit vorherigen Informationen für den Vertragspartner eindeutig und klar wird.8 bb) Art des Vertrages 48 Zu berücksichtigen ist die Art des Vertrages, auch im Hinblick auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers. In den Arbeitsbeziehungen kann danach differenziert werden, ob ein Arbeitsvertrag mit leitenden Angestellten, einem außertariflich Angestellten oder einem tariflichen Mitarbeiter ge1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 42; Preis, FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (137). 2 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40; BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; Henssler/Moll, S. 13; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 47; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 478; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 42. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 42; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 44. 4 WLP/Stoffels, Anh. ArbR Rz. 64. 5 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 481; Suckow/ Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 46; Henssler/Moll, S. 13. 6 BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170; BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; zur a.A. siehe unten Kreft, § 310 Rz. 39. 7 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 96. 8 Siehe etwa BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40.

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schlossen wurde.1 Ebenso wird die Frage relevant sein, ob der Arbeitsvertrag von einem Kleinunternehmer geschlossen wurde.2 Außerdem kann die Frage nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen Umfang gestellt werden.3 cc) Grundrechtliches Schutzprogramm Bei der anzustellenden Interessenabwägung sind auch die sich aus dem 49 Grundgesetz ergebenden Schutzpflichten zu berücksichtigen.4 Die Angemessenheitskontrolle ist damit der methodische Ausgangspunkt, durch mittelbare Drittwirkung den Grundrechten zur Geltung zu verhelfen. Dies gilt etwa für die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, oder die Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, des Arbeitnehmers, die etwa bei der Beurteilung von Freistellungs-5 oder Nebentätigkeitverbotsklauseln6 von Bedeutung sind. Gleiches gilt für Rückzahlungsregelungen, wo die grundrechtlich geschützte Beendigungsfreiheit des Arbeitnehmers in Rede steht.7 Auf der anderen Seite ist stets auch die Berufsfreiheit des Arbeitgebers in die Betrachtung einzubeziehen.8 dd) Partei- und Drittinteressen Die Interessenabwägung setzt zunächst die Analyse der relevanten Inte- 50 ressen voraus. Hierbei sind in jedem Falle die Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen, Drittinteressen, die sich nicht unmittelbar aus dem Vertrag ableiten, (nicht zu verwechseln mit Interessen des Vertragspartners gegenüber Dritten) nicht.9 Einzubeziehen sind aber Interessen von Dritten, die sich unmittelbar aus dem Vertrag ableiten las-

1 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99; DBD/Deinert, § 307 Rz. 77; Stoffels, ZfA 2009, 861 (875). 2 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 46; allgemein Staudinger/Coester, § 307 Rz. 112; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 111. 4 Siehe BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; WLP/Wolf, § 307 Rz. 176; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 113; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 48; DBD/Deinert, § 307 Rz. 63. 5 LAG München 7.5.2003 – 5 Sa 297/03 – LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2. 6 BAG 18.11.1988 – 8 AZR 12/86 – NZA 1989, 389; BAG 26.8.1976 – 2 AZR 377/75 – AP BGB § 626 Nr. 68. 7 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 50. 8 Siehe etwa LAG München 7.5.2003 – 5 Sa 297/03 – LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2. 9 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 145.

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Inhaltskontrolle

sen, etwa bei Verträgen zu Gunsten Dritter.1 Allgemeininteressen sind nicht in die Abwägung einzubringen, weil es bei der Inhaltskontrolle um die Kontrolle der einseitigen Vertragsgestaltungsmacht wegen einer potentiellen Übervorteilung des Vertragspartner geht, nicht aber um die Kontrolle im gesellschaftlichen Interesse.2 51 Zu berücksichtigen sind alle Interessen der Vertragsparteien, deren Verfolgung nicht rechtswidrig ist.3 So spielen etwa auf der Seite des Arbeitgebers regelmäßig das Interesse an einer schnellen Klärung der Rechtslage,4 das Flexibilisierungsinteresse5 und das Interesse an einer wirksamen Sanktionierung von Vertragsbruch6 eine Rolle. Auf der Seite des Arbeitnehmers spielen etwa das Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht,7 an einer angemessenen finanziellen Belastung8 und das Interesse an einer ausreichend langen Zeit zur Prüfung vermeintlicher Ansprüche9 eine Rolle. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen etwa im Rahmen der Inhaltskontrolle einer Vertragsstrafenklausel das Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst sanktionsfreien Pflichtverletzung (dazu Rz. 261). ee) Risikoverteilung 52 Weiterer Gesichtspunkt für die Unangemessenheitsprüfung ist die Frage nach einer durch die Klausel geänderten gesetzlich vorgegebenen Risikoverteilung. Dies gilt im Arbeitsrecht etwa und vor allem für die Frage des Wirtschafts- oder Beschäftigungsrisikos, § 615 BGB (das unter anderem durch Haftungs- oder Freistellungsregelungen verschoben werden kann),10 aber auch für das Haftungsrisiko (dazu unten Rz. 196 f.). Die 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Stoffels, AGB-Recht, Rz. 469; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 103. Ebenso Staudinger/Coester, § 307 Rz. 151; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 109. DBD/Deinert, § 307 Rz. 56. BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542. BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 49.

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Verteilung der Risiken ist durch die Analyse der maßgeblichen gesetzlichen Leitbilder zu ermitteln. ff) Klauselkontrolle und Gesamtvertrag Zwar sind stets Einzelklauseln zu prüfen, weil diese aber Bestandteil ei- 53 nes Vertrages sind, darf nach der allgemeinen Ansicht bei der Wertung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch der Gesamtvertrag nicht aus den Augen gelassen werden.1 Dabei ist aber deshalb Vorsicht geboten, weil es auch auf der Grundlage einer solchen Gesamtschau nicht zu einer Überprüfung und Bewertung des Gesamtvertrages und seiner Hauptleistungen kommen darf – dies verbietet schon § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.2 Allerdings sind im Hinblick auf andere Vertragsregelungen jedenfalls Summierungs- und Kompensationseffekte bei der Beurteilung einer Klausel zu berücksichtigen.3 Die Benachteiligung, die durch eine isolierte Vertragsklausel gegeben 54 sein kann, kann durch einen anderweitigen Vorteil für den Vertragspartner ausgeglichen werden, so dass insgesamt eine nicht unangemessen benachteiligende und damit wirksame Regelung besteht (Kompensation).4 Dabei ist es allerdings insbesondere wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB wesentlich, dass zwischen der isolierten Klausel und dem zugestandenen Vorteil ein sachlicher Zusammenhang besteht5 und dass der Vorteil zu einem angemessenen Ausgleich führt.6 Ein Fall der möglichen Kompensation einer benachteiligenden Klausel ist etwa die Berücksichtigung eines zugesprochenen Mankogeldes bei Vereinbarung einer Mankohaftung des Arbeitnehmers.7 Ebenso kann hier eine Verzichtsregelung gegen Abfindung genannt werden sowie Rückzahlungsklauseln von Ausoder Fortbildungskosten.8 Eine Kompensation einer benachteiligenden Regelung durch ein höheres Arbeitsentgelt kann aber nach richtiger und

1 BAG 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92 – NJW 1993, 532; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 124 ff. 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 124. 3 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 486, 487; Henssler/Moll, S. 12; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 66. 4 WLP/Wolf, § 307 Rz. 215. 5 WLP/Wolf, § 307 Rz. 219. 6 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 126. 7 BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715; BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141. 8 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149.

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herrschender Meinung nicht erfolgen – weil dies wiederum eine Bewertung der Hauptleistung voraussetzte.1 55 Allerdings kann sich auch eine isoliert zulässige Klausel im Zusammenspiel mit anderen Klauseln zur unangemessenen Benachteiligung verstärken (Verstärkereffekt; Summierung).2 Auch hier bedarf es aber eines sachlichen Zusammenhangs der betreffenden Regelungen.3 2. Sondertatbestände des § 307 Abs. 2 BGB a) Allgemeines 56

§ 307 Abs. 2 BGB soll für die Frage, ob eine Klausel den Vertragspartner unangemessen benachteiligt, Orientierung durch gesetzliche Fallgruppenbildung bieten.4 So stehen die Absätze 1 und 2 des § 307 BGB in einem Stufenverhältnis: Die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB sind vor der Grundregel des § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.5 Damit dient die Fallgruppenbildung der Anwendungsklarheit im Rahmen der Inhaltskontrolle.

57 Unklar aber ist, wie die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB systematisch zu qualifizieren sind. Sie werden verschiedentlich als Beweislastregelungen,6 Vermutungstatbestände,7 Regelbeispiele8 oder auch abgeschlossene Sondertatbestände9 begriffen. Gegen die Einordnung als Beweislast-, aber auch Vermutungstatbestände spricht, dass es bei der Inhaltskontrolle vornehmlich um Wertungen geht, aber nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachen.10 Zwar sprechen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte durchaus für die Qualifikation als Regelbeispiele,11 vor dem Hintergrund systematischer Überlegungen ist jedoch die Einordnung als selbständige Sondertatbestände richtig – denn die für § 307 Abs. 2 BGB notwendigen Wertungen enthalten bereits die in § 307

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

DBD/Deinert, § 307 Rz. 96; allgemein Staudinger/Coester, § 307 Rz. 129 ff. WLP/Wolf, § 307 Rz. 213 ff. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 139; WLP/Wolf, § 307 Rz. 212. BT-Drucks. 7/3919, S. 23. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 496. Löwe/von Westphalen/Trinkner/Löwe, § 9 AGBG Rz. 20. BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 – GWR 2012, 162; WLP/Wolf, § 307 Rz. 96; DBD/Bonin, § 307 Rz. 215. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 193. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 226; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 222. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 196; BT-Drucks. 7/3919, S. 23.

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Abs. 1 BGB festgelegten. Absatz 1 der Vorschrift ist deshalb nicht weitergehend als die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB.1 Deshalb sind § 307 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB abschließend, sind sie erfüllt, liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.2 Nur das dient dem Zweck der Anwendungsklarheit. Die praktische Bedeutung des Streits ist freilich deswegen nicht durchschlagend, weil die Rechtsprechung ohnehin regelmäßig indifferenten Gebrauch von den Tatbeständen der § 307 Abs. 1, 2 BGB macht.3 Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast siehe Rz. 91. Die beiden Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB selbst stehen in keinem 58 Exklusivverhältnis, vielmehr können sie auch nebeneinander zur Anwendung kommen.4 § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB hilft vor allem bei gesetzlich nicht geregelten Verträgen.5 Im gesetzlich stark geregelten Arbeitsrecht wird (wenn nicht ohnehin von zwingendem Recht auszugehen ist), auch häufig auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zurückzugreifen sein. Freilich kann (etwa im Hinblick auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers, dazu Rz. 183 f.) auch eine Aushöhlung der Kardinalpflichten zu besorgen sein. b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung 59 in AGB in Zweifel anzunehmen, wenn eine Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren ist. Damit wird den genannten gesetzlichen Regelungen für die Inhaltskontrolle eine Leitbildfunktion zuerkannt. Das ist deshalb richtig, weil dem gesetzten Recht bereits ein angemessener Ausgleich der Interessen der Beteiligten zu unterstellen ist, und eine Abweichung hiervon zu hinterfragen ist.6

1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500; kritisch Canaris FS Ulmer (2003), S. 1073. 3 In der Tat stimmt der Hinweis von Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 88, dass das BAG „überhaupt keine ‚Binnendifferenzierung‘“ mehr vornehme. Das freilich ist auch in der allgemein zivilgerichtlichen Rechtsprechung so, dazu Staudinger/Coester, § 307 Rz. 225; WLP/Wolf, § 307 Rz. 97. 4 WLP/Wolf, § 307 Rz. 97; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 197: überlappen und ergänzen. 5 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 199. 6 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 221; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 229; WLP/Wolf, § 307 Rz. 104.

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aa) Gesetzliche Regelung 60 Der Begriff der Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und der gesetzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB überschneiden sich zwar häufig, sind aber nicht deckungsgleich. Das ergibt sich aus ihrer unterschiedlichen Funktion, nämlich einmal die Inhaltskontrolle erst zu eröffnen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, und zum anderen Maßstab für diese Inhaltskontrolle selbst zu sein, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.1 Im Arbeitsrecht wirkt sich dieser Unterschied bei der Frage aus, ob auch Tarifverträge als Maßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB heranzuziehen sind (dazu sogleich Rz. 66). 61 Gesetzliche Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind zunächst alle formellen und materiellen Gesetze.2 Auch die §§ 305 ff. BGB sind gesetzliche Regelungen in diesem Sinne.3 Für den Arbeitsvertrag gelten folglich die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Regelungen grundsätzlich als gesetzliches Leitbild im Sinne des § 307 BGB.4 Richtigerweise wird man freilich für die im Arbeitsrecht häufigen zwingenden gesetzlichen Regelungen auf § 134 BGB verweisen müssen5 – liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor, so bedarf es einer Angemessenheitskontrolle zum einen nicht mehr, zum anderen gilt mit Blick auf die Rechtsfolgen der (im Arbeitsrecht freilich eingeschränkte6) Grundsatz des § 139 BGB, nach dem die Nichtigkeit des Gesamtvertrages in Rede steht und nicht nur – wie in § 306 BGB – die Unwirksamkeit einer betreffenden Klausel. Zwingende Regelungen in diesem Sinne sind auch die §§ 305 ff. BGB selbst.7 62 Die h.M. fasst den Bereich der als Leitbild tauglichen gesetzlichen Regelungen weit: neben den formellen und materiellen Gesetzen werden auch Richterrecht und allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze anerkannt,8 ebenso die sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung und 1 2 3 4 5

UBH/Fuchs, § 307 Rz. 206. Stoffels AGB-Recht, Rz. 506. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 66. Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 90. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 507; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 92; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 232; DBD/Bonin, § 307 Rz. 218; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 208; eine Angemessenheitsprüfung hält WLP/Wolf, § 307 Rz. 111 für möglich. 6 Etwa BAG 22.4.2009 – 5 AZR 436/08 – NZA 2009, 837. 7 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 210. 8 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173;

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aus der Natur des Schuldverhältnisses ergebenden Rechte und Pflichten.1 Bedeutsam für die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen ist die 63 Frage, ob auch das Richterrecht unter die gesetzlichen Regelungen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB fällt.2 Die ganz herrschende Meinung bejaht das.3 Das wird jedenfalls dort zu unterstützen sein, wo sich dieses Richterrecht aus dem positiven Recht entwickelte und hinreichend konkrete Rechtssätze hervorgebracht hat.4 Außerdem wird richtig darauf hingewiesen, dass es bei § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB um wesentliche Grundgedanken von Rechtsvorschriften geht – und dass auch diese ihre Ausformung letztlich im Richterrecht finden.5 Dies gilt aber nicht für die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle bis zur Schuldrechtsreform selbst, denn hier hat der Gesetzgeber mit dem Einbezug der Allgemeinen Arbeitsbedingungen in die AGB-Kontrolle eine neue Ausgangsposition geschaffen.6 Schwieriger ist die Einordnung allgemeiner Rechtsgrundsätze (etwa Äquivalenzprinzip,7 Verschuldensgrundsatz,8 Verhältnismäßigkeitsprinzip,9 Grundsatz des pacta sunt servanda10), insbesondere weil deren Abstraktheit einer Leitbildfunktion im konkreten Fall bisweilen nur schwer genügen kann. Die Schwierigkeiten zeigen sich etwa am angeführten Grundsatz des pacta sunt servanda.11 Diesen nimmt die Rechtsprechung des BAG zur Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten als Ausgangspunkt der Bewertung (dazu unten Rz. 188 ff.). Freilich ist gerade bei diesem Grundsatz Vorsicht geboten, will man sich nicht in einen

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Staudinger/Coester, § 307 Rz. 235; WLP/Wolf, § 307 Rz. 108; DBD/Bonin, § 307 Rz. 220; MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rz. 68 f. BGH 25.2.1998 – VIII ZR 276/96 – VersR 1998, 898 (900); BGH 10.12.1992 – I ZR 186/90 – NJW 1993, 721; BGH 30.5.2001 – XII ZR 273/98 – NJW 2001, 3480; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 92. Dafür ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38 dagegen; einschränkend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 511 ff. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 236 f. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 512; die Vorschläge hier gehen bis zur Forderung der Subsumtionsfähigkeit. DBD/Bonin, § 307 Rz. 220. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (68). BGH 12.6.2001 – XI ZR 274/00 – NJW 2001, 2635. BGH 5.10.2005 – VIII ZR 16/05 – NJW 2006, 47. BGH 6.2.1985 – VIII ZR 61/84 – NJW 1985, 3013. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853.

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Zirkelschluss begeben.1 Dies zeigt sich ebenfalls bei Freiwilligkeitsvorbehalten, bei denen es ja gerade darum geht, dass eben kein „pactum“ im Sinne einer Verpflichtung des Arbeitgebers begründet werden soll (dazu ausführlich Rz. 186 ff.). Deshalb bergen allgemeine Rechtsgrundsätze bisweilen die Gefahr, dass ihre Voraussetzungen selbst erst belegt werden müssen. Allerdings ist der Grundsatz des pacta sunt servanda da heranzuziehen, wo es um die Erfüllung von bestehenden Pflichten geht.2 Ein schlichter Verweis auf „den Arbeitsvertrag“ als Leitbild ohne weitere Konkretisierung verbietet sich in jedem Falle.3 65 Die aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gewonnenen Regelungen sind richtig keine gesetzliche Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.4 Die auf dieser Grundlage ermittelten Rechte und Pflichten können aber richtigerweise bei § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Rolle spielen. 66

Tarifverträge taugen als gesetzliches Leitbild nicht,5 wenngleich die Rechtsprechung bisweilen darauf zurückgreift.6 Das Gegenteil wird zwar aus der normativen Tarifwirkung und aus dem Verweis des § 310 Abs. 4 Satz 4 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB geschlossen,7 diese Überlegungen tragen aber nicht. Das liegt zum einen daran, dass das Gesetz mit der Gleichstellung des § 310 Abs. 4 Satz 4 BGB lediglich die Inhaltskontrolle des Tarifvertrages bei Bezugnahme regeln und den in Bezug genommenen Tarifvertrag aus der Inhaltskontrolle heraushalten wollte (dazu Rz. 166 f.), zum anderen kommt einem Tarifvertrag Richtigkeitsgewähr und normative Wirkung und damit gesetzliche Wirkung lediglich gegenüber den Tarifgebundenen zu.8 Grund für die Leitbildfunktion der gesetzlichen Regelungen ist aber der dort unterstellte angemessene Interessenausgleich.9 Etwas anderes mag nur für den Ausnahmefall gel-

1 Sehr kritisch auch Zöllner, ZfA 2010, 637 (645); Stoffels, ZfA 2009, 861 (866). 2 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 217. 3 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 213. 4 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 92. 5 Ebenso Bayreuther, RdA 2003, 81 (82 ff.); Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 92. 6 Siehe hier etwa die Rechtsprechung zur Länge von Ausschlussfristen, BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149. 7 DBD/Däubler § 307 Rz. 279 ff. 8 Zur normativen Wirkung Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rz. 83 ff. 9 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 229; WLP/Wolf, § 307 Rz. 104.

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ten, dass ein normativ geltender Tarifvertrag selbst für die Parteien abänderbares Recht setzt.1 Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 77 BetrVG, § 73 BPersVG) sind 67 ebenfalls keine gesetzlichen Regelungen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (wohl aber Rechtsvorschriften nach §§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) – sie können ihre (normative) Geltung lediglich in ihrem Geltungsbereich beanspruchen. Weil das Arbeitsrecht zu großen Teilen durch einseitig zwingendes 68 Arbeitnehmerschutzrecht geprägt wird, wird der Fallgruppe des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht keine zu große Bedeutung beigemessen.2 Allerdings wird mit Recht darauf hingewiesen, dass durch die weite Ausdehnung des Begriffs der Rechtsvorschriften etwa und gerade auch auf das Richterrecht durchaus eine Bedeutung der Vorschrift gegeben ist.3 Das zeigt sich etwa bei Freistellungsklauseln, die sich an den Vorgaben des richterrechtlich entwickelten Beschäftigungsanspruches messen lassen müssen.4 Außerdem ist die Inhaltskontrolle für normausfüllende Regelungen eröffnet (dazu oben Rz. 25). bb) Unvereinbares Abweichen von wesentlichen Grundgedanken (1) Abweichen von wesentlichen Grundgedanken Mit der (pleonastischen)5 Vorgabe, dass Abweichungen von einer gesetz- 69 lichen Regelung nicht unvereinbar mit deren wesentlichen Grundgedanken sein dürfen, zeigt das Gesetz zunächst, dass auch in AGB vom (dispositiven) Recht abgewichen werden darf, es mithin einen durchaus weiten formularvertraglichen Gestaltungsspielraum gibt. Außerdem wird deutlich, dass es um die Festlegung des Kerns leitbildfähiger Vorschriften geht.6 Darüber hinaus ist es nicht immer leicht, diese gesetzlichen Grundgedanken zu ermitteln. Die Rechtsprechung unterscheidet hier zwischen bloßen Zweckmäßigkeitsnormen und Gerechtigkeitsgeboten.7 Nur bei letzteren könnten wesentliche Grundgedanken aus1 2 3 4 5

Preis/Roloff, ZfA 2007, 68 für Tarifverträge in ihrem Geltungsbereich. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 43. LAG München 7.5.2003 – 5 Sa 297/03 – LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2. So zu Recht Staudinger/Coester, § 307 Rz. 247, der darauf hinweist, dass es unwesentliche Grundgedanken nicht gibt. 6 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 221 f. 7 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; BGH 20.8.2009 – VII ZR 212/07 – NJW 2009, 3717;

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gemacht werden. Diese Einteilung wird von weiten Teilen der Literatur als unpraktikabel kritisiert1 und etwa vorgeschlagen, das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Grundgedanken als unselbständig zu begreifen und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Unvereinbarkeit einer Regelung festzustellen.2 Freilich wird durch diese Einebnung die Ausschlussfunktion des Terminus der Grundgedanken obsolet.3 Jedenfalls wird für die Frage der Isolierung von Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung auf die in der Vorschrift geschützten berechtigten Interessen des Vertragspartners zu achten sein,4 denn dessen Position soll durch die Inhaltskontrolle geschützt werden. Letztlich wird die – durch die Gesetzgebungsgeschichte dokumentierte5 – Feststellung des Gerechtigkeitsgehalts einer gesetzlichen Regelung durchaus richtig und notwendig sein.6 Zu berücksichtigende Grundgedanken im Arbeitsrecht sind etwa bei § 615 BGB die Zuordnung des Wirtschafts- und Beschäftigungsrisikos auf den Arbeitgeber.7 Gleiches gilt für das Verschuldensprinzip bei der Vertragsstrafe8 oder wurde für eine Abweichung von § 818 Abs. 3 BGB bei Rückzahlungsklauseln für überbezahltes Arbeitsentgelt festgestellt.9 70 Sind diese Grundgedanken isoliert, ist auch im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Rechtslagenvergleich herbeizuführen: es geht um den Unterscheid der Rechtslagen mit der fraglichen Klausel und der Rechtslage ohne sie.10 Wird eine Abweichung festgestellt, ist die Unvereinbarkeit mit den wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken wertend zu prüfen.11 Dabei ist es richtig, bereits die Abweichung als solche als gewichtig für die Unvereinbarkeit zu nehmen – das heißt, die Interessen des

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BGH 9.5.1996 – III ZR 209/95 – NJW-RR 1996, 1009; auch Suckow/Striegel/ Niemann/Niemann, Rz. 93; dagegen WLP/Wolf, § 307 Rz. 117. WLP/Wolf, § 307 Rz. 117; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 249; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 222; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 503. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 504. Die etwa Stoffels, AGB-Recht, Rz. 503, konsequent auch nicht gegeben sieht. WLP/Wolf, § 307 Rz. 115; Staudinger/Coester, § 307 Rz. 248; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 223. BT-Drucks. 7/5422, S. 6. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 249. DBD/Bonin, § 307 Rz. 221. BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. DBD/Bonin, § 307 Rz. 235a. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 516; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 91. Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 94.

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AGB-Verwenders können eine entsprechende Klausel nur rechtfertigen, wenn sie ihrerseits von größerem Gewicht sind.1 (2) Unvereinbarkeit Aus der Regelung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgt auch, dass nicht jedes 71 (auch nicht jedes für den Vertragspartner negative) Abweichen von der gesetzlichen Regelung zur Unangemessenheit führt, sondern eben nur das unvereinbare Abweichen von deren Grundgedanken. Das ist jedenfalls bei den Abweichungen der Fall, die ein wesentliches Schutzdefizit des Vertragspartners zu Folge haben2 oder die den Kernbereich einer gesetzlichen Regelung missachten.3 Das folgt richtigerweise schon daraus, dass auch die gesetzliche Regelung als solche nur Ausdruck einer möglichen und anzuerkennenden Interessenausgleichsmöglichkeit ist.4 Richtigerweise kann eine Abweichung durch andere Vereinbarungen kompensiert werden.5 Im Merkmal der Unvereinbarkeit liegt eine weitere Erheblichkeitsschwelle, weil geringfügige Abweichungen von Grundgedanken einer Regelung durchaus noch mit diesen vereinbar sein können.6 Freilich ist der Frage nach der Unvereinbarkeit auch eine Interessenabwägung immanent: Gewichtigere Verwenderinteressen können sich hier gegen weniger gewichtige Interessen des Vertragspartners durchsetzen.7 c) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB aa) Allgemeines Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB benachteiligen AGB dann unangemessen, wenn sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränken, dass das Erreichen des Vertragszwecks gefährdet ist. Die Vorschrift weist in ihrer Struktur eine große Parallelität zu § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf, bezieht sich aber auf vertraglich vorgegebene Leitbilder.8 Dabei kann man § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB 1 2 3 4 5 6 7 8

Stoffels, AGB-Recht Rz. 518, 519; DBD/Bonin, § 307 Rz. 227. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 227. WLP/Wolf, § 307 Rz. 125. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 230. WLP/Wolf, § 307 Rz. 127. WLP/Wolf, § 307 Rz. 128. DBD/Deinert, § 307 Rz. 226. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 261; DBD/Bonin, § 307 Rz. 229; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 243.

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als Auffangvorschrift für Nr. 1 begreifen, weil die Inhaltskontrolle nicht vom Vorliegen einer gesetzlichen Regelung abhängig sein soll.1 Nach Stoffels2 handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Dem ist zwar entgegenzuhalten, dass sich diese Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die Rechtsausübung bezieht, nicht auf die Vertragsgestaltung.3 Immerhin aber steht der Zweck des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, eine „Aushöhlung von Kardinalpflichten“ durch konterkarierende Nebenregelungen zu verhindern,4 dem Missbrauchsgedanken nah. Dabei ist zwar der Begriff der Kardinalpflichten diffus, richtig ist aber, dass es nicht zu einer Aushöhlung zumindest des wirtschaftlich gewünschten Vertragsergebnisses kommen darf.5 73 Dabei geht es aber auch bei § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB um eine generell-typisierende Betrachtung und damit um die typischen Regelungsinteressen der Vertragsparteien.6 74 Die Anwendung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht hängt wesentlich davon ab, ob man das das Arbeitsrecht prägende Richterrecht nicht bereits den gesetzlichen Regelungen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zurechnet.7 bb) Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten aus der Natur des Vertrages 75 Was wesentliche Pflichten aus der Natur des Vertrags sind, bestimmt sich aus der Sicht des durchschnittlichen8 Vertragspartners – es ist zu fragen, auf welche Rechte oder Pflichten dieser vertraut hat und vertrauen durfte.9 Letztlich schlägt sich auch hier das Aufmerksamkeitsargument nieder (siehe dazu oben Rz. 28). Dies gilt deshalb vor allem für die von den Parteien ausgehandelten Hauptleistungen des Vertrages und die wesentlichen Risikoverteilungen.10 Dabei ist auch auf die nach der Ver-

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Staudinger/Coester, § 307 Rz. 261. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 523 ff. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 242. Staudinger/Coester, § 307 Rz. 262. DBD/Bonin, § 307 Rz. 233. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 239. DBD/Bonin, § 307 Rz. 228. BGH 5.5.1986 – II ZR 150/85 – NJW 1986, 2428. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 530; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 245. Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 98.

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kehrssitte (§ 242 BGB) gebildeten Erwartungen abzustellen.1 Deshalb ist es richtig, stets abstrakt den Vertragstypus als Kontrollmaßstab heranzuziehen – und nicht den konkret von den Parteien ausgehandelten Vertrag.2 Eine Einschränkung liegt dann vor, wenn es zur Enttäuschung des gebildeten Vertrauens kommt.3 Diese Einschränkung muss den Vertragszweck gefährden – das stellt eine gewisse Hürde auf, führt aber nicht dazu, dass der Vertragszweck zwangsläufig vereitelt werden müsste.4 In den Blick zu nehmen sind hier vor allem die Hauptleistungspflichten, aber auch für den Vertragspartner bedeutende Nebenpflichten.5

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3. Transparenzgebot a) Allgemeines und Zweck Das Transparenzgebot wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2001 mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in das Gesetz aufgenommen.6 Die Kodifizierung des zuvor durch Richterrecht gebildeten Transparenzgebots7 ist richtlinienumsetzend.8 Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen AGB klar und verständlich sein, sind sie es nicht, kann daraus die Unangemessenheit der Klausel folgen. Das Transparenzgebot ist eine zentrale Anforderung an alle formularmäßigen Vereinbarungen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil auch Klauseln, die wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht auf ihre Angemessenheit zu überprüfen sind, dennoch am Transparenzgebot gemessen werden, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB. Insofern besteht die Möglichkeit – oder auch die Gefahr9 –, dass auch Leistungsvereinbarungen, die wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Angemessenheitskontrolle nicht unterfallen, über das anzuwendende Transparenzgebot dennoch einem Kontrollzugriff unterfallen.10 1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 538 ff.; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 242. 2 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 97; dazu auch Stoffels, JZ 2001, 842. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 545. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 548; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 100. 5 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 248, 249. 6 Zur Entstehungsgeschichte auch DBD/Bonin, § 307 Rz. 140. 7 BGH 24.11.1988 – III ZR 188/87 – BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222; BGH 17.1.1989 – XI ZR 54/88 – NJW 1989, 582. 8 Art. 5 Satz 1 RL 93/13/EWG; EuGH 10.5.2001 – Rs. C-144/99 – NJW 2001, 2244. 9 Dazu Zöllner, ZfA 2010, 637 ff. 10 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68.

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Inhaltskontrolle

78 Dass AGB transparent zu gestalten sind, ist Ausdruck nicht nur des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern ist übergreifendes Prinzip der Klauselkontrolle.1 Die §§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, 305c Abs. 1, 2 BGB sind ebenfalls von diesem Prinzip geprägt, gehen als Einbeziehungs- und Auslegungsregelungen aber der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor.2 Auch in den speziellen Klauselverboten der §§ 308 Nr. 1–3, 309 Nr. 11a BGB findet das Transparenzgebot seinen Ausdruck. 79 Eine klare und verständliche Regelung ermöglicht zweierlei:3 Zum einen die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Vertrag mit dem entsprechenden Inhalt geschlossen wird, zum anderen die Entscheidung, ob vertragliche Rechte überhaupt geltend gemacht werden. Damit dient das Transparenzgebot sowohl der Erleichterung des Konditionenwettbewerbs wie auch der Vertragsdurchführung.4 In beiden Fällen wird die Rechtsposition des Vertragspartners potentiell verkürzt. Entweder dadurch, dass er keine besseren Regelungen erreichen kann, oder dadurch, dass er seine Rechtsposition nicht kennt und deshalb auf die Geltendmachung dieser Positionen verzichtet. In dieser Gefahr liegt auch die spezifische Benachteiligung, die intransparenten Regelungen innewohnt.5 Im Arbeitsrecht spielen beide Gesichtspunkte eine Rolle: Der Arbeitnehmer muss bei Vertragsschluss wissen, „was auf ihn zukommt“ – wie etwa bei der Frage, inwieweit geleistete Überstunden vom Grundentgelt umfasst sein sollen.6 Eine solche Klausel wirkt sich direkt auf den Wert der Arbeitsleistung im Falle von Überstunden aus – und ist mithin maßgeblich für die Abschlussentscheidung des Arbeitnehmers. Die Frage der durch eine intransparente Klausel gefährdeten Inanspruchnahme von Rechten des Arbeitnehmers wird etwa dort aufgenommen, wo es um die bestimmte Formulierung von Ausschlussfristen geht.7 80 Eine Klausel kann – wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt – allein wegen ihrer Intransparenz unwirksam sein.8 Freilich ist hier die Gefahr

1 2 3 4 5

DBD/Bonin, § 307 Rz. 142. MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 BGB Rz. 55. UBH/Fuchs, § 307 Rz. 326; Stoffels, ZfA 2009, 861 (878). DBD/Bonin § 307 Rz. 146 ff. BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173. 6 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – noch n.v.; BAG 22.2.2012 – 5 AZR 765/10 – EzA-SD 2012, Nr. 13, 7–9; BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575. 7 Etwa BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699. 8 MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rz. 56.

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nicht zu übersehen, dass allzu leicht auf das Transparenzprinzip abgehoben wird.1 b) Tatbestand Wie sich aus dem Wortlaut ergibt, ist eine intransparente Klausel für 81 sich nicht automatisch unangemessen, die herrschende Meinung liest aber in die Regelung eine unwiderlegliche Vermutung für die Unangemessenheit hinein.2 Deshalb aber kann zwar zur Unwirksamkeit führende Intransparenz nur angenommen werden, wenn dadurch die Interessen des Vertragspartners erheblich zurückgesetzt werden – dies ist aber dann gegeben, wenn er durch eine Regelung über die rechtliche oder wirtschaftliche Bedeutung einer Klausel im Unklaren gelassen wird und so die Gefahr besteht, dass er auf die Geltendmachung seiner Rechtsposition verzichtet. Die Anforderungen, die das Transparenzgebot an den Klauselverwender 82 stellt, sind bisweilen schwer zu fassen, wenngleich auch das BAG richtig feststellt, dass der Verwender von AGB durch das Transparenzgebot auch nicht überfordert werden darf.3 Dabei ist etwa gerade bei komplizierten Klauseln der Ausgleich zwischen genauer und ausführlicher Darstellung und der sich aus dieser Darstellung wiederum ergebenden Gefahr der Intransparenz durch ein Zuviel an Information zu finden.4 aa) Beurteilungsmaßstab Ob eine Klausel klar und verständlich ist, richtet sich nach der Sicht des durchschnittlichen Kundenkreises des Verwenders,5 im Arbeitsverhältnis also regelmäßig nach dem durchschnittlichen, verständigen Arbeitnehmer.6 Dabei wird jedoch auch hier zwischen besonderen Arbeitnehmergruppen zu unterscheiden sein: etwa leitende Angestellte und

1 Zöllner, ZfA 2010, 637 (647): Transparenzgebot als Zuflucht, wenn eine sachliche Begründung für Unangemessenheit schwer fällt. 2 HWK/Gotthardt § 307 BGB Rz. 19. 3 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 573. 5 BGH 23.2.2011 – XII ZR 101/09 – NJW-RR 2011, 1144; BGH 15.10.1991 – XI ZR 192/90 – BGHZ 116, 1 = NJW 1992, 179; BGH 24.11.1988 – III ZR 188/87 – BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222. 6 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 540/05 – NZA 2006, 688; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (74); WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68.

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sonstige Arbeitnehmer.1 Das entspricht der generalisierenden-typisierenden Betrachtung im Hinblick auf die Angemessenheitsprüfung.2 Dass der nach h.M. auch im Arbeitsverhältnis anwendbare § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die konkreten Umstände des Vertragsschlusses beachtet wissen will, führt aber nicht zu einer Berücksichtigung des Verständnishorizontes des konkreten Arbeitnehmers.3 Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist es aber etwa möglich, dass eine isoliert betrachtet intransparente Klausel etwa durch die Berücksichtigung einer bei Vertragsschluss gegebenen mündlichen Erklärung eindeutig wird.4 bb) Grundsätzliche Ausprägungen des Transparenzgebots 84 Das Transparenzgebot kennt verschiedene Ausprägungen.5 Unmittelbar aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB lässt sich ableiten, dass AGB klar und verständlich sein müssen.6 Das gilt für die einzelne Klausel ebenso wie für mehrere, zusammenwirkende Klauseln,7 was vor allem die mit der Klausel verbundenen Nachteile für den Vertragspartner betrifft.8 Dem Vertragspartner muss deutlich werden, welche (auch wirtschaftlichen) Belastungen die entsprechende Klausel nach sich zieht.9 Deshalb ist die Rechtsprechung des BAG zu den Ausschlussfristen zumindest fragwürdig, weil dort der Arbeitnehmer die Rechtsfolge des Erlöschens der betroffenen Ansprüche allein aus dem Begriff der „Ausschlussfrist“ ableiten können soll.10 Gleiches gilt für die Rechtsprechung des BAG, wonach es für die Transparenz eines Anrechnungsvorbehalts ausreichen soll, wenn der Begriff „übertariflich“ gebraucht wird.11 Unklar, weil widersprüchlich sind für die Rechtsprechung auch Klauseln, die eine Leistungszusage mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden.12 Auch vor 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BAG 1.3.2006 – 5 AZR 540/05 – NZA 2006, 688; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879. BeckOK/Jacobs, § 307 Rz. 60. So aber DBD/Bonin, § 307 Rz. 160. BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23. WLP/Wolf, § 307 Rz. 253 ff. BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 335. BGH 10.7.1990 – XI ZR 275/89 – BGHZ 112, 115 = NJW 1990, 2383; MünchKommBGB/Wurmnest § 307 Rz. 58. BGH 21.7.2010 – XII ZR 189/08 – NJW 2010, 3152. BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170; BAG 3.4.2007 – 9 AZR 867/06 – NZA 2007, 1045. BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – NZA 2009, 49; kritisch dazu auch DBD/Bonin, § 307 Rz. 155a. BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628.

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dem Hintergrund des durchschnittlichen Arbeitnehmers als Maßstab für die Transparenz einer Regelung, ist diese Rechtsprechung aber zu Recht als zu weit gehend kritisiert worden.1 Dies gilt auch für die Kombination von Freiwilligkeit und Widerruf in Bezug auf eine Leistung.2 Weiter gilt das Bestimmtheitsgebot: Der Vertragspartner muss mög- 85 lichst konkret wissen, welche Rechtsfolgen unter welchen Umständen eintreten, er muss Gewissheit über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten haben, um diese auch entsprechend geltend machen bzw. erfüllen zu können.3 Deshalb hat der Verwender seine Klauseln entsprechend konkret zu gestalten. Das meint zum einen Bestimmtheit der Rechteinanspruchnahme durch den Verwender. Für das Arbeitsrecht als Dauerschuldverhältnis ist diese Ausprägung des Transparenzgebots von besonderer Bedeutung.4 Eine solche Bestimmtheit ist etwa nicht gegeben, wenn der Verwender in seinen Klauseln zunächst auf ein Regelwerk, im Falle von dessen Unwirksamkeit aber auf ein anderes verweist.5 Weiter sind Änderungsvorbehalte, die etwa einen Widerruf einer Leistung nicht an klare Voraussetzungen binden, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.6 Der Vertragspartner muss wissen, unter welchen Umständen und Voraussetzungen mit der Rechtsausübung durch den Verwender zu rechnen ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber nicht, dass der Verwender keine unbestimmten Rechtsbegriffe verwenden dürfte, auch ist dem Transparenzgebot keine Pflicht des Klauselverwenders zur Rechtsbelehrung immanent. Weiter dürfen die Klauseln den Vertragspartner nicht täuschen, sie dürfen nicht eine rechtliche Situation suggerieren, die es nicht gibt (Täuschungsverbot).7 Das gilt im Arbeitsrecht etwa für eine Schriftformklausel, die über die Möglichkeit täuscht, dass dennoch eine mündliche Individualabrede getroffen werden kann.8 Andererseits soll es nicht not-

1 Sehr pointiert Zöllner, ZfA 2010, 637. 2 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576. 3 BGH 22.1.2004 – VII ZR 419/02 – NJW 2004, 1597; MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rz. 59; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 338. 4 DBD/Bonin, § 307 Rz. 144. 5 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 551. 6 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457. 7 BGH 27.9.2000 – VIII ZR 155/99 – BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292; BGH 5.10.2005 – VIII ZR 382/04 – NJW 2006, 211; MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 BGB Rz. 61; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 342. 8 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233.

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wendig sein, einer Vertragsstrafenregelung beizufügen, dass nur bei einer schuldhaften Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirkt ist.1 cc) Transparenz – im Bereich des Möglichen 87 Auch das Transparenzgebot kennt Grenzen. So muss der Verwender im Rahmen des Bestimmtheitsgebotes nicht jeden denkbaren Fall einer Regelung aufnehmen und muss auf der anderen Seite auch keine Selbstverständlichkeiten wiedergeben.2 Dies ist dem Interesse des Verwenders an möglichst flexibler Vertragsgestaltung geschuldet – und der Übersichtlichkeit der Vertragsregelungen selbst.3 88 Die (bloße) Auslegungsbedürftigkeit eines Begriffs allein führt deshalb auch noch nicht zur Intransparenz,4 auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist deshalb möglich,5 lediglich ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume dürfen nicht bestehen.6 Hieraus folgt das Bestimmtheitsgebot für AGB: die Klausel muss so präzise wie möglich gehalten werden – das heißt richtig im Umkehrschluss, dass vermeidbare Unklarheiten zur Intransparenz führen.7 Weitmögliche Klarheit muss sich der Vertragspartner über die wirtschaftliche Bedeutung einer Regelung aus dieser verschaffen können.8 Unklar ist eine Regelung auch, wenn sie über die Rechtslage täuscht.9 Daraus folgt, dass die Frage nach der Transparenz stets am Normzweck auszurichten ist: Wenn der Arbeitnehmer durch eine Klausel vermeidbar daran gehindert wird, seine Rechte wahrzunehmen, spricht dies für Intransparenz.10 Weiter fordert das Transparenzgebot keine Rechtsbelehrungspflicht,11 der Verwender muss den Vertragspartner also nicht explizit auf seine Rechte und deren Geltendmachung hinweisen.

1 BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; zweifelnd auch DBD/ Bonin, § 307 Rz. 156. 2 BGH 26.11.1984 – VIII ZR 214/83 – NJW 1985, 623; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 341. 3 UBH/Fuchs, § 307 Rz. 341. 4 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 44. 5 HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 20. 6 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. 7 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. 8 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 569. 9 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 572. 10 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 11 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 44; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68.

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Unangemessene Benachteiligung

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Werden die Transparenzanforderungen zu streng gehalten, so kann dies 89 auch die entgegengesetzte Wirkung haben. Dies wird gerade im Arbeitsrecht etwa anhand der Rechtsprechung zu Widerrufsklauseln für Arbeitgeberleistungen deutlich. Der Arbeitgeber, der eine Leistung unter einen Widerruf stellen möchte, muss in den Klauseltext auch die Widerrufsgründe aufnehmen. Geschieht dies nicht, ist der Widerruf einer Leistung nicht möglich, sie wird dadurch gleichsam perpetuiert. Erhöhte Anforderungen etwa an die Formulierung der Widerrufsgründe und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit bergen deshalb die Gefahr, dass der Arbeitgeber ganz von einer entsprechenden Leistung absieht, oder aber sogleich eine nicht unter Widerrufsvorbehalt stehende, aber geringere Leistung festsetzt.1 Gerade im Hinblick auf das Flexibilisierungsbedürfnis im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis sind zu hohe Anforderungen an das Transparenzgebot – wie etwa gerade bei Freiwilligkeitsund Widerrufsvorbehalten – durchaus kritisch zu sehen.2 Auf der anderen Seite überrascht die Rechtsprechung mit sehr mäßigen Anforderungen an die Transparenz einer Klausel, etwa wenn zum Hinweis auf die Rechtsfolge einer Ausschlussfrist der Begriff der „Ausschlussfrist“ an sich ausreichen soll.3 Für die Verdeutlichung der Folgen einer Anrechnungsklausel soll ebenfalls dieser Begriff ausreichen.4 Grundsätzlich keine Rolle im Rahmen des Transparenzgebots spielt der 90 Einwand eines Arbeitnehmers, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne deshalb eine Klausel nicht verstehen. Dies gilt jedenfalls für den typischen Sachverhalt, dass sich der Arbeitgeber lediglich an den deutschen Arbeitsmarkt wendet. Anders kann der Fall liegen, wenn der Arbeitgeber gezielt um ausländische Arbeitskräfte wirbt, wobei dann die Einbeziehungskontrolle im Vordergrund der Prüfung steht. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB – weil das Sprachrisiko jedenfalls dann, wenn Vertragssprache und Landesprache zusammenfallen, beim Arbeitnehmer liegt.5

1 So auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (54). 2 Selbst BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; kritisch auch Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (68), der die Hoffnungslosigkeit des Versuchs sieht, den aufgestellten Anforderungen zu genügen. 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; anders BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. 4 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 540/05 – NZA 2006, 688. 5 Dazu Rieble, FS Löwisch (2007), S. 229 (240).

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§ 307

Inhaltskontrolle

4. Darlegungs- und Beweislast 91 Die Frage nach der unangemessenen Benachteiligung ist vor allem Wertungsfrage – Wertungen aber sind keinem Beweis zugänglich. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der Wertung eine generell-typisierte Betrachtung, deren Tatsachengrundlagen regelmäßig unstrittig sein dürften. Insgesamt verbleibt es für die Darlegungs- und Beweislast bei den allgemeinen Grundsätzen, wonach die Partei, die die Unwirksamkeit einer Klausel geltend macht, deren tatsächlichen Grundlagen darzutun und zu beweisen hat.1 Wegen der Einordnung der Tatbestände des § 307 Abs. 2 BGB als abgeschlossene Sonderregelungen und nicht als Vermutungsregeln oder Regelbeispiele (siehe oben Rz. 57), gilt auch hier nichts anderes: Auch hier hat der Vertragspartner die Tatsachen vorzutragen, die Grundlage für eine negative Wertung einer Klausel sind – und umgekehrt.2 VII. Ausgewählte einzelne Klauseln 1. Abtretungs- und Pfändungsverbote 92 Lohnabtretungs- und Verpfändungsverbote unterfallen der Inhaltskontrolle, weil sie § 399 Alt. 2 BGB ergänzen.3 Sie werden nach der Rechtsprechung des BGH sowohl als Abtretungs- oder Verpfändungsverbot als auch als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für grundsätzlich zulässig gehalten.4 Hier wird vor allem darauf hingewiesen, dass das Interesse des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung ein Abtretungsverbot rechtfertige.5 93 Auch der Arbeitgeber hat als Schuldner des Lohnanspruchs ein Interesse daran, die Abtretung und Verpfändung des pfändbaren Arbeitsentgelts auszuschließen oder zumindest von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Dieses Interesse speist sich daraus, dass zum einen durch die Verpfändung zusätzliche (organisatorische) Kosten auf den Arbeitgeber

1 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 104. 2 Staudinger/Coester, § 307 Rz. 228; anders die Vertreter der Vermutungs- oder Regelbeispielsthese, etwa MünchKommBGB/Wurmnest, § 307 Rz. 63; WLP/ Wolf, § 307 Rz. 100 ff. 3 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rz. 350. 4 BGH 17.4.2012 – X ZR 76/11 – NJW 2012, 2107; BGH 12.10.2011 – IV ZR 163/10 – VersR 2012, 230; BGH 9.2.1990 – V ZR 200/88 – NJW 1990, 1601; BGH 3.12.1987 – VII ZR 374/86 – NJW 1988, 1210. 5 BGH 17.4.2012 – X ZR 76/11 – NJW 2012, 2107.

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Einzelne Klauseln

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zukommen1 und dass zum anderen eine befreiende Wirkung der Leistung an den Arbeitgeber nach Anzeige einer Abtretung (§ 407 BGB) nicht möglich ist.2 Der Arbeitgeber trägt also bei einer Abtretung ein erhöhtes Tilgungsrisiko, das insbesondere in einer größeren, arbeitsteiligen Unternehmensorganisation verstärkt bestehen kann. Deshalb werden formularmäßig vereinbarte Abtretungs- und Verpfändungsverbote allgemein als zulässig erachtet.3 Dass der Arbeitnehmer damit die Möglichkeit verliert, sein pfändbares Arbeitseinkommen als Sicherheit einzusetzen, wird demgegenüber mit Hinweis auf Rechtstatsachen zu Recht als nicht durchschlagend erachtet.4 Im Rahmen der Transparenzkontrolle ist zwischen dinglichen und 94 schuldrechtlichen Abtretungsverboten zu unterscheiden. Eine Klausel, die den Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, seine Ansprüche nicht abzutreten, kann wegen der unklaren Rechtsfolgen als missverständlich und damit intransparent eingeordnet werden.5 2. Anrechnungsvorbehalt Tariflich gebundene Arbeitnehmer erhalten oftmals eine übertarifliche 95 Zulage. Bei Erhöhung des Tariflohns stellt sich dann die Frage, ob es zu einer Anrechnung dieser Erhöhung auf die übertarifliche Zulage kommt und das Gesamteinkommen für den Arbeitnehmer also auch nach einer Tariferhöhung stabil bleibt oder ob keine Anrechnung erfolgt und sich das Gesamteinkommen entsprechend erhöht. Der Arbeitgeber wird ein Interesse an der Anrechnung haben. Dies kann durch Vereinbarung auf zwei Wegen erreicht werden: Einmal durch die Vereinbarung der Anrechnung selbst (Anrechnungsklausel) und zum anderen durch Vereinbarung der Möglichkeit für den Arbeitgeber, die Tariflohnerhöhung anzurechnen (Anrechnungsvorbehalt). Solche Vereinbarungen über die Anrechnung einer Erhöhung des Tarifentgelts auf die übertariflichen Zulagen sind seit langem fester Bestandteil der Arbeitsverträge.6 Sie sind regelmäßig Teil einer Bruttolohnvereinbarung und unterfallen we-

1 BAG 18.7.2006 – 1 AZR 578/05 – NZA 2007, 462; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 79. 2 Siehe auch BGH 9.2.1990 – V ZR 200/88 – NJW 1990, 1601. 3 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 79; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 462. 4 Preis/Preis, II A 10 Rz. 8; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 79. 5 In diese Richtung Preis/Preis, II A 10 Rz. 30. 6 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746.

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§ 307

Inhaltskontrolle

gen § 307 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB lediglich der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.1 96 Fraglich ist, ob lediglich die Bezeichnung einer Zulage als „übertariflich“ bereits zu einem transparenten Anrechnungsvorbehalt führt. Die Rechtsprechung hatte dies bis zur Schuldrechtsreform als ausreichend zugelassen2 und auch später mit diesem Ergebnis judiziert.3 Aus der Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers wird man aber allein aus dem Wort „übertariflich“ nicht schließen können, dass es im Falle einer Tariflohnerhöhung zu einer Anrechnung kommt.4 Außerdem ist es dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel zuzumuten, eine eindeutigere Formulierung zu verwenden.5 Vielmehr ist eine ausdrückliche Regelung der Anrechnung zu fordern.6 97 Zu unterscheiden sind Anrechnungsvorbehalte im Hinblick auf übertarifliche Zulagen aber von solchen Vorbehalten, die sich auf vereinbarte selbständige Lohnbestandteile beziehen, wie etwa Leistungszulagen, Familienzulagen oder Erschwerniszulagen. Hier greift ein Anrechnungsvorbehalt in bereits zugesagte Leistungen ein, weshalb eine Inhaltskontrolle anhand § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmen ist.7 Siehe dazu § 308 Nr. 4 Rz. 51. 3. Arbeitszeit 98 Die Länge der Arbeitszeit setzt maßgeblich die Hauptleistung fest, deshalb sind entsprechende formularmäßige Vereinbarungen (grundsätzlich) der Inhaltskontrolle entzogen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Allerdings hat sich im Hinblick auf Flexibilisierungsregelungen eine eher enge An-

1 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746. 2 BAG 8.12.1982 – 4 AZR 481/80 – NJW 1984, 1708; BAG 11.8.1992 – 1 AZR 100/88 – AP BetrVG § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 53. 3 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 540/05 – NZA 2006, 688; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BAG 23.9.2009 – 5 AZR 820/07 – NZA 2009, 49; BAG 27.8.2008 – 5 AZR 820/07 – NZA 2009, 49. 4 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 81; Ebenso ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 65; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 289: „überraschend“; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 287; Franke, NZA 2009, 245 (247). 5 Franke, NZA 2009, 245 (247). 6 So auch DBD/Bonin, § 308 Rz. 48. 7 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746; BAG 30.5.2006 – 1 AZR 111/05 – NZA 2006, 1170; Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (398); WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 82; dazu auch die Kommentierung zu § 308 Nr. 4 BGB Rz. 60.

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Einzelne Klauseln

§ 307

wendung dieses Grundsatzes durchgesetzt – für Klauseln über Abrufarbeit, Kurzarbeit oder Überstunden wird durch die Rechtsprechung eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB durchgeführt.1 Das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers wird dabei anerkannt und gegen das Interesse des Arbeitnehmers an einer stabilen Arbeitszeitregelung – und einer entsprechenden Lohnerwartung – gesetzt. Die Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB hat hier im Ergebnis zur älteren Rechtsprechung ein höheres Maß an Flexibilisierungspotential gebracht: Bedeutete doch zuvor eine einseitige Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers auf die Länge der Arbeitszeit eine Umgehung des Kündigungsschutzes und war damit nichtig.2 Hauptproblem bei der Kontrolle formularmäßiger Arbeitszeitregelungen ist nunmehr, wann die Regelung einer inhaltskontrollfreien Hauptleistung vorliegt und wann eine kontrollfähige Nebenbestimmung gegeben ist. a) Abrufarbeit Durch eine Abrufklausel ist der Arbeitgeber berechtigt, über einen ver- 99 einbarten festen Arbeitszeitsockel hinaus weitere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. Dabei unterscheidet sich die Vereinbarung über die Abrufarbeit von einer Überstundenvereinbarung dadurch, dass die Erhöhung der Arbeitszeit nicht nur vorübergehend und in Einzelfällen erfolgen soll, sondern zusätzliches Arbeitszeitvolumen regelmäßig vom Arbeitgeber abgerufen werden kann.3 Gesetzlich geregelt ist die Abrufarbeit zwar in § 12 TzBfG, die Vorschrift setzt aber ein Teilzeitarbeitsverhältnis voraus, auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis ist sie nicht anwendbar.4 Sie wird gleichwohl als gesetzliches Leitbild für die interessengerechte Gestaltung der Abrufarbeit herangezogen – allerdings setzt die Vorschrift nur Voraussetzungen dem Grunde nach und nicht etwa im Hinblick auf den Umfang der abrufbaren Arbeitszeit (s. Vor § 307 Rz. 5). Der 5. Senat des BAG unterzieht Abrufklauseln einer Inhaltskontrolle anhand § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.5 In der Vereinbarung einer Abrufklau1 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194; BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 238/10 – EzA § 306 BGB 2002 Nr. 5. 2 BAG 12.12.1984 – 7 AZR 509/83 – NZA 1985, 321. 3 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194; Suckow/Striegel/Niemann/ Striegel, Rz. 297. 4 ErfK/Preis, § 12 TzBfG Rz. 8. 5 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423.

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Inhaltskontrolle

sel liegt richtig eine Abweichung vom Grundsatz, dass der Arbeitgeber das sich in § 615 BGB manifestierende Wirtschaftsrisiko zu tragen hat.1 Deshalb – und auch im Hinblick auf das Leitbild des § 12 Abs. 1 TzBfG – bedarf es zunächst in jedem Falle der Vereinbarung einer Sockelarbeitszeit.2 Wird diese nicht vereinbart, so ist eine Abrufklausel unwirksam. In einer Entscheidung vom 21.6.20113 hat der 9. Senat des BAG aber einer Klausel, die eine „durchschnittliche Arbeitszeit vom 150 Stunden“ (mit Verpflichtung zur weiteren Abrufarbeit) vorsah, die Wirksamkeit wegen Verstoßes gegen des Transparenzprinzip, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, verweigert.4 Eine Inhaltskontrolle hat das Gericht in diesem Falle nicht vorgenommen. Das ist insofern richtig, als dass die Vereinbarung einer durchschnittlichen Arbeitszeit ohne einen entsprechenden Bezugsrahmen für den Arbeitnehmer unklar ist. Freilich hätte das Gericht im konkreten Fall auf die zwingende Regelung des § 12 Abs. 1 TzBfG zurückgreifen müssen.5 101 Für den Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und dem Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers orientiert sich die Entscheidung an der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten (dazu § 308 Nr. 4 Rz. 87 ff.) und kommt zu dem (freilich nicht näher hinterfragten) Ergebnis, dass die flexible, vom Arbeitgeber abrufbare Arbeitszeit nicht über 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit hinausgehen darf.6 Diese Grenze kann nach einer späteren Entscheidung auch übertroffen werden, wenn besondere Gründe dafür sprechen – im konkreten Fall ging es um eine Überschreitung der Mindestarbeitszeit um 75 %, allerdings wurde dieses weitgehende Abrufrecht unter anderem durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen kompensiert.7 Das Gericht hat hier die (auch tatsächlichen) Besonderheiten des Arbeitsrechts herangezogen.8 102 Einer Angabe konkreter Gründe für die Inanspruchnahme von Abrufarbeit hat das BAG zu Recht eine Absage erteilt,9 weil eine Festlegung der Abrufgründe zum Vereinbarungszeitpunkt nicht möglich ist und 1 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 115. 2 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 302. 3 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 238/10 – EzA § 306 BGB 2002 Nr. 5. 4 Sehr kritisch dazu Preis, RdA 2012, 101. 5 Ebenso Preis, RdA 2012, 101 (104). 6 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. 7 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194. 8 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194. 9 BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194.

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§ 307

dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers widerspricht.1 Freilich wird man im Hinblick auf das Transparenzgebot eine grundsätzliche Beschreibung der Abrufgründe verlangen müssen, die Rechtsprechung lässt hierfür als Terminus „bedarfsbedingte Gründe“ aber ausreichen.2 Der 5. Senat schließt die sich durch die Unwirksamkeit einer Abrufklausel ergebende Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung,3 weil wegen des engen Zusammenhangs der (isolierten) Abrufregelung und der vereinbarten Sockelarbeitszeit die Arbeitszeitregelung insgesamt unwirksam ist.4

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Freilich ist an dem Einbezug einer Abrufklausel in die Inhaltskontrolle 104 mit dem Hinweis Kritik geübt worden, dass eine Vereinbarung wie die der „Arbeit auf Abruf“ eine Vereinbarung über die Hauptleistungen des Arbeitsvertrages und damit inhaltskontrollfrei sei.5 Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass bei Unwirksamkeit einer Klausel zur Arbeit auf Abruf eine ergänzende Vertragsauslegung herangezogen wird, die letztlich genau diese Hauptleistungen (nämlich die Arbeitszeit) festsetzen müsse. Dieser Kritik ist nicht beizupflichten: Zwar ist die Grenze zwischen Regelungen, die selbst Festlegung der Hauptleistung sind, und solchen, die diese ergänzen, einschränken oder abändern, schwer zu greifen – wie gerade das Beispiel der Abrufarbeit zeigt. Allerdings lässt sich bei Abrufklauseln sehr wohl zwischen der Festsetzung der Arbeitszeit und der einseitigen Abrufbefugnis des Arbeitgebers trennen. Außerdem wird der Arbeitnehmer einer Abrufbefugnis – im Gegensatz zur Festlegung der Sockelarbeitszeit – weniger Aufmerksamkeit schenken (zur Abgrenzung zwischen Hauptleistungen und zu kontrollierenden Nebenleistungen siehe oben Rz. 30 ff.). Deshalb sind Abrufarbeitsklauseln der Inhaltskontrolle zu unterziehen. b) Kurzarbeitsklauseln Kurzarbeitsklauseln geben dem Arbeitgeber das Recht, durch einseitige 105 Bestimmung die Arbeitszeit abzusenken. Ohne Vereinbarung ist die Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber nicht möglich.6 Entgegen

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BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194. BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194. BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (375). Henssler/Moll, S. 77.

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§ 307

Inhaltskontrolle

der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform1 werden Kurzarbeitsklauseln als grundsätzlich zulässig angesehen, aber einer Inhaltskontrolle unterzogen.2 Weil durch die Anordnung der Kurzarbeit in das arbeitsvertragliche Synallagma eingegriffen wird und damit der arbeitsrechtliche Bestandsschutz gefährdet ist, sind formularmäßige Kurzarbeitsvereinbarungen nur unter Einschränkungen angemessen. Damit liegt eine Abweichung vom Leitbild der §§ 611 BGB, 2 KSchG vor. Solche Klauseln, die voraussetzungslos den Arbeitgeber zur Anordnung von Kurzarbeit berechtigen, sind deshalb unwirksam.3 Kurzarbeitsklauseln sind zunächst nur dann zulässig, wenn sie eine konkrete und angemessene Ankündigungsfrist enthalten, damit sich der Arbeitnehmer auf die Absenkung der Arbeitszeit (und damit die Verringerung des Arbeitsentgelts) einstellen kann.4 Außerdem werden die Angabe des möglichen Umfangs und der möglichen Zeitdauer der Kurzarbeit zu fordern sein.5 Im Hinblick auf die Gründe zur Anordnung von Kurzarbeit wird eine Verknüpfung mit den Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldanspruches nach §§ 95 ff. SGB III richtig als interessengerecht angesehen.6 106 Im Hinblick auf den Umfang der Absenkung und unter Rekurs auf Bestandsschutzgesichtspunkte wird vertreten, dass eine Absenkung unter 80 % oder 75 %7 der regelmäßigen Arbeitszeit durch formularmäßige Vereinbarung nicht möglich sei.8 Allerdings übersieht eine solch starre Grenze, dass im Rahmen der Interessenabwägung auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III zu berücksichtigen ist, so dass finanzielle Einbußen abgefedert werden können.9 Da eine Kurzarbeitsklausel richtigerweise nur zulässig ist, wenn für die Kurzarbeitsanordnung die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III vorliegen, sind die Interessen des Arbeitnehmers auch ohne Festlegung einer Untergrenze der Absenkung gewahrt.

1 BAG 18.10.1994 – 1 AZR 503/93 – NZA 1995, 1064. 2 HWK/Gotthardt Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 31; Preis/Preis/Lindemann, II A 90 Rz. 79; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 115; wohl auch Henssler/ Moll, S. 77; LAG Berlin-Brandenburg 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10 – NZA-RR 2011, 65. 3 HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 31. 4 LAG Berlin-Brandenburg 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10 – NZA-RR 2011, 65. 5 HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 31. 6 DBD/Däubler, § 307 BGB Rz. 181; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 115. 7 Bauer/Günther, BB 2009, 662. 8 DBD/Däubler, § 307 BGB Rz. 181. 9 HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 31.

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c) Überstundenregelungen Auch die Vereinbarung des Rechts für den Arbeitgeber, Überstunden an- 107 zuordnen, betrifft eine Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, ist aber nach h.M. einer Inhaltskontrolle zugänglich, weil der Arbeitgeber einseitig die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anordnen darf.1 Dabei ist den Interessen des Arbeitnehmers insbesondere durch die Vereinbarung einer angemessenen Ankündigungsfrist Rechnung zu tragen.2 Von der Möglichkeit des Arbeitgebers, Überstunden anzuordnen, zu un- 108 terscheiden sind solche Regelungen, die die (zusätzliche) Vergütung von Überstunden betreffen. Solche Vereinbarungen sind nach der Rechtsprechung inhaltskontrollfrei, weil sie mit der Vergütung eine Hauptleistung aus dem Arbeitsverhältnis festlegen.3 Den Forderungen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist entsprochen, wenn für den Arbeitnehmer klar und verständlich ist, welche Überstunden vom vereinbarten Bruttolohn (noch) umfasst sind und er so den Gegenwert für seine Arbeitsleistung ausmachen kann.4 Außerdem birgt eine unklare Klausel die Gefahr, dass der Arbeitnehmer nicht erkennt, ab wann er eine zusätzliche Vergütung für die geleisteten Überstunden verlangen kann.5 Intransparent ist etwa eine Klausel, nach der sich das Bruttogehalt auf die „erforderlichen Überstunden“ beziehe.6 Transparent dagegen ist eine Vereinbarung, nach der im vereinbarten Lohn die ersten zwanzig Überstunden „mit drin“ sind.7 Diese Rechtsprechung bedarf allerdings der Korrektur, wenn es dem Arbeitgeber obliegt, einseitig Überstunden anzuordnen, denn dann besteht für den Arbeitgeber ein Recht, über die Anordnung von Überstunden auch auf die Höhe des Arbeitsentgelts einseitig Einfluss zu nehmen.8 Eine solche Regelung unterliegt der Inhaltskontrolle, weil die einseitige Preisbestimmung eine Nebenregelung zur Hauptleistung ist, § 307

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DBD/Däubler, § 307 BGB Rz. 182. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 136. BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908. BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908; BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575; BAG 17.8.2011 – 5 AZR 406/10 – NZA 2011, 1335. BAG 22.2.2012 – 5 AZR 765/10 – NZA 2012, 861; BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575. BAG 22.2.2012 – 5 AZR 765/10 – NZA 2012, 861; BAG 1.9.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575. BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 91.

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Inhaltskontrolle

Abs. 3 Satz 1 BGB.1 Hier wird eine Grenze für den unzulässigen Eingriff in das Äquivalenzverhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bei 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit gesehen.2 Das BAG hat die Frage freilich offen gelassen.3 110 Regelungen über die Lage der vereinbarten Arbeitszeit weichen regelmäßig nicht von den Vorgaben des § 106 GewO ab und werden damit keiner Inhaltskontrolle unterzogen.4 Der Arbeitnehmer ist hier über die Ausübungskontrolle und über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geschützt. 4. Aufrechnungsverbot 111 Siehe dazu die Ausführungen zu § 309 Nr. 3 BGB. 5. Ausschlussfristen 112 Vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens5 werden im Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen (auch: Verfallklauseln) vereinbart. Sie gehören zu den hergebrachten Regelungen in Arbeitswie in Tarifverträgen, aber auch in Betriebsvereinbarungen.6 Wird innerhalb der Ausschlussfrist ein Anspruch nicht geltend gemacht, so führt dies zum Erlöschen des Anspruchs. Ausschlussfristen werden als einstufige (dann ist lediglich die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner notwendig) und (häufiger) als zweistufige vereinbart, dann wird nach Ablehnung durch den Schuldner auch die gerichtliche Geltendmachung gefordert. Einzelvertraglich sind Ausschlussfristen keine über die allgemeine Rechtskontrolle hinausgehenden Grenzen gesetzt. Ausschlussfristen sind nicht materiell überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB.7

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LAG Hamm 11.7.2007 – 6 Sa 410/07 – AE 2007, 312. HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 41. BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11 – NZA 2012, 908. WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 115. Husemann, NZA-RR 2011, 337 (337); zu den weiteren (vermeintlichen) Zwecken der Ausschlussfristen siehe Krause, RdA 2004, 106 (106). 6 Dazu Husemann, NZA-RR 2011, 337 (338). 7 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324.

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§ 307

Formularmäßig vereinbarte und damit einzelvertragliche Ausschluss- 113 fristen unterfallen – im Gegensatz zu tariflichen Ausschlussfristen1 – der AGB-Kontrolle. Sie sind grundsätzlich zulässig.2 Die Ausschlussklauseln weichen von dem Grundsatz ab, dass Ansprüche – jenseits einer möglichen Verwirkung – nicht durch Zeitablauf erlöschen, weshalb nach § 307 Abs. Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle eröffnet ist.3 Sie sind aber nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stets unwirksam – weil das Gesetz in § 202 BGB auch eine Abweichung von den gesetzlichen Verjährungsregeln zulässt.4 Gesetzliches Leitbild für die Inhaltskontrolle sind – cum grano salis – mit der herrschenden Meinung die Verjährungsregelungen der §§ 194 ff. BGB.5 Zwar gibt es Unterschiede zwischen der Verjährung und der Wirkung einer Ausschlussfrist, von denen der wichtigste ist, dass die Erhebung der Verjährungseinrede nur die Durchsetzbarkeit eines Anspruches hindert, der Ablauf einer Ausschlussfrist aber zum Erlöschen des Anspruches führt. Gleichwohl greift gerade das Verjährungsrecht die auch im Rahmen der Vereinbarung einer Ausschlussfrist relevanten Interessen im Hinblick auf das Herbeiführen von Rechtsfrieden und Rechtsklarheit auf der einen Seite und einer angemessenen Möglichkeit zur Geltendmachung eines Anspruches auf der anderen Seite auf. § 309 Nr. 13 BGB ist bei Ausgleichsfristen nicht tatbestandlich,6 weil 114 mit der einfachen und (zweite Stufe) gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche keine zusätzlichen Formerfordernisse geschaffen werden.7 Ebenso ist § 309 Nr. 7 BGB nicht einschlägig, weil die Anspruchsentstehung nicht gehindert wird.8

1 Punktuell in Bezug genommene Ausschlussfristen unterliegen dann als arbeitsvertragliche Bedingung der AGB-Kontrolle, WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 91. 2 BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149. 3 BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699. 4 Krause, RdA 2004, 106 (111). 5 Ausführlich BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (66). 6 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 90; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (147); Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 160. 7 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 90; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111, will dagegen § 309 Nr. 13 BGB wegen der Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht angewendet wissen. 8 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111.

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§ 307

Inhaltskontrolle

115 Wesentlich für die Angemessenheit einer Ausschlussfrist ist deren Länge. Das Interesse des Arbeitnehmers, (vermeintliche) Ansprüche prüfen zu können und nicht zu einer voreiligen (und dann erfolglosen) Geltendmachung gedrängt zu werden, ist dabei maßgeblich gegen das Interesse des Arbeitgebers an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu setzen.1 Dabei muss zunächst einmal eine gesetzliche Leitregelung gefunden werden, anhand derer eine Abweichung auf ihre Angemessenheit hin beurteilt werden kann. Tarifliche Ausschlussfristen scheiden wie gezeigt als Kontrollmaßstab aus,2 obwohl die Rechtsprechung (auch) auf sie Bezug nimmt.3 Zwar wird insgesamt als gesetzliches Leitbild auf die Verjährungsregelungen verwiesen,4 vor dem Hintergrund der im Vergleich mit den regelmäßigen Ausschlussfristen aber sehr langen Regelverjährung von drei Jahren, § 195 BGB, verweist auch die Rechtsprechung auf andere, speziell arbeitsrechtliche Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen.5 Dies gilt etwa für die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG für Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG. Hier hat man es gleichsam mit einer gesetzlichen zweistufigen Ausschlussfrist zu tun, weil § 61b Abs. 1 ArbGG eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb von drei Monaten vorsieht.6 Weiter wird auch auf die Fristen nach §§ 4 KSchG, 17 TzBfG verwiesen.7 116 Im Ergebnis als angemessen werden in Judikatur und Literatur Fristen von einer Länge von drei Monaten für beide Stufen angesehen.8 Eine geringere Fristdauer ist danach nicht zulässig.9 Damit hat sich nach der Aufgabe der Bereichsausnahme eine Verschärfung der Wirksamkeits1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; ErfK/Preis, §§ 194–218 BGB Rz. 46; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 91. 2 Speziell zu Ausschlussfristen Jacobs/Naber, RdA 2006, 181 (186). 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 4 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 88; Staudinger/ Coester, § 307 BGB Rz. 674. 5 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 6 HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 10. 7 BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149. 8 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 251/11 – NJW 2012, 2905; BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06 – NZA 2008, 293; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 10; Krause, RdA 2004, 106 (111); Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 428. 9 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 251/11 – NJW 2012, 2905; BAG 22.2.2012 – 5 AZR 765/10 – EzA-SD 2012, Nr. 13, 7–9; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 200/10 – NZA 2011, 917; so auch WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 91 m.w.N.

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Einzelne Klauseln

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voraussetzungen ergeben, weil zuvor das BAG noch Fristen mit der Länge von einem Monat goutiert hatte.1 Damit weicht die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung von der strengeren Praxis des BGH ab, der eine Fristdauer von mindestens sechs Monaten verlangt.2 Allerdings kann diese Rechtsprechung nicht auf den Arbeitsvertrag übertragen werden.3 Stützte man sich freilich auf § 15 Abs. 4 AGG, könnte man anhand der 117 gesetzlichen Vorgaben auch eine kürzere Frist zumindest für die erste Stufe zulassen. Allerdings ist zu konstatieren, dass § 15 Abs. 4 AGG lediglich die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG umfasst und so eine enge Sonderregelung ist – was auch auf § 9 Satz 3 AEntG (Frist: sechs Monate) und auf § 8 Abs. 3 Satz 1 MiARbG zutrifft. Deshalb können diese Regelungen nicht als Leitbild für die Angemessenheitskontrolle dienen.4 Dies gilt auch für die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG. Deshalb sind die angemessenen Fristen in einer Gesamtschau zu bestimmen und nicht lediglich auf eine gesetzliche Leitentscheidung zu beziehen. Immerhin sieht das Gesetz etwa in den §§ 4 KSchG, 17 TzBfG auch kürzere Fristen für eine gerichtliche Geltendmachung wenn nicht von Ansprüchen, so doch (oder erst recht) im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses vor.5 Im Ergebnis – und im Hinblick auf die hier vertretene Auffassung vom Beginn der Frist (dazu unten Rz. 119 f.) – scheint für die erste Stufe eine Frist von drei Monaten nicht unangemessen zu sein. Denn maßgeblich für die Länge der Ausschlussfrist ist das zu berück- 118 sichtigende Interesse des Arbeitnehmers, Ansprüche vor der Geltendmachung hinreichend prüfen zu können. Schwer wiegt aber die Überlegung, dass die zweite Stufe der gerichtlichen Geltendmachung nicht zwangsläufig ebenso lang bemessen sein muss wie die erste Stufe. Dies folgt schon daraus, dass der Gläubiger sich bereits für die Geltendmachung gegenüber dem Schuldner seines Anspruches vergewissern muss – und er so gleichsam bereits „Vorarbeiten“ für eine gerichtliche Geltendmachung tätigt. Hernach wird er (lediglich) zu entscheiden haben, ob er (auch unter Heranziehung eines Rechtsbeistandes) gerichtlich vor1 BAG 13.12.2000 – 10 AZR 168/00 – NZA 2001, 723; BAG 27.2.2002 – 9 AZR 543/00 – DB 2002, 1720. 2 BGH 24.9.1979 – II ZR 38/78 – DB 1980, 82; BGH 19.5.1988 – I ZR 147/86 – BGHZ 104, 292 (294) ff. 3 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 429. 4 Dazu Kortstock, NZA 2010, 311 (313). 5 Weshalb Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1417), sich auch daran orientieren und Ein-Monats-Fristen zulassen will.

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§ 307

Inhaltskontrolle

geht. Deshalb kann die zweite Stufe kürzer bemessen sein. Hierfür dürften zwei Monate genügen.1 119 Wird für den Fristbeginn der ersten Stufe auf die Fälligkeit des Anspruchs abgestellt, so ist dies nicht unangemessen benachteiligend.2 Allerdings setzt das BAG für die Fälligkeit voraus, dass der Gläubiger des Anspruches diesen zumindest annähernd beziffern kann. Das ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die zur Geltendmachung des Anspruches notwendigen Tatsachen bekannt oder grob fahrlässig unbekannt geblieben sind.3 Dabei wird zu Recht auf die Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verwiesen.4 Auf objektive Zeitpunkte, wie etwa die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, darf nach der Rechtsprechung dagegen nicht abgestellt werden.5 Dies wird zu Recht mit Hinweis auf §§ 199 Abs. 2–4 BGB kritisiert,6 weshalb auch objektive Tatbestände wie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Beginn für den Fristlauf vereinbart werden können. Allerdings muss wegen des Transparenzgebots, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, in der Klausel deutlich werden, an welchen Zeitpunkt der Lauf der Ausschlussfrist anknüpft.7 120 Die Rechtsprechung des BGH zum Hinausschieben des Fristbeginns der Verjährung bei Amtshaftungsansprüchen wegen unübersichtlicher Rechtslage8 kann nicht auf den Beginn arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen übertragen werden,9 weil die genannte Rechtsprechung gerade auf die Unübersichtlichkeit im Hinblick auf die Person des Schuldners abstellte. Das aber ist eine Situation, die sich im Arbeitsrecht bei der notwendigen generell-abstrakten Betrachtung nicht ohne weiteres ergibt.10 Relevant wird diese Frage aber in jüngerer Zeit vor allem im Zusammenhang mit der Tarifunfähigkeit der CGZP11 im Hinblick auf die Geltendmachung eines Anspruches auf der Grundlage des Equal-pay1 Für eine kürzere Frist auf der zweiten Stufe von einem Monat Jacobs/Naber, RdA 2006, 181 (186). 2 BAG 28.9.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 3 BAG 28.9.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 4 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 92. 5 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 511/05 – NZA 2006, 783; HWK/Gotthardt Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 9. 6 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (67); Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (156). 7 LAG Hamm 1.6.2012 – 13 Sa 1850/11 – n.rkr., Revision unter 5 AZN 1628/12. 8 BGH 25.2.1999 – IX ZR 30/98 – NJW 1999, 2041. 9 So aber LAG Berlin-Brandenburg 20.9.2011 – 7 Sa 1318/11 – DB 2012, 119, n.rkr., Revision unter 5 AZR 954/11. 10 So auch Bayreuther, DB 2011, 2267 (2268 f.). 11 BAG 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – NZA 2011, 289.

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Grundsatzes, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG.1 Hier geht es um die Frage, ob die Fälligkeit eines Anspruches und damit der Lauf der Ausschlussfrist erst mit Bekanntgabe der Entscheidung zur Tarifunfähigkeit der CGZP beginnt. Allerdings bleiben Rechtsirrtümer bei der Frage der Fälligkeit von Ansprüchen grundsätzlich unbeachtlich, und darunter ist auch der Irrtum über die Tariffähigkeit einer Tarifvertragspartei zu fassen, zumal die Tariffähigkeit gerade der CGZP stark umstritten war.2 Überträgt man allerdings die Rechtsprechung des BVerfG3 auf die genannte Problemlage, so wird man die gerichtliche Geltendmachung der Equal-Pay-Ansprüche nicht vor Abschluss des Verfahrens über die Tariffähigkeit annehmen können. Zur Problematik einer Ausschlussklausel, die auch Ansprüche aus uner- 121 laubter Handlung im Hinblick auf die Verletzung von Leib und Leben umfasst, siehe § 309 Nr. 7 Rz. 91. Solche Ansprüche können nicht durch eine Ausschlussfrist erfasst werden4 – freilich wird die praktische Bedeutung im Arbeitsverhältnis wegen §§ 104 ff. SGB VII nur begrenzt sein. Die Rechtsprechung hält jedenfalls bei einer dem Wortlaut nach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfassenden Klausel die Klausel dann aufrecht, wenn die Auslegung der Klausel ergibt, dass sie gerade nicht Ansprüche im Sinne des § 309 Nr. 7 BGB umfassen soll.5 Wird die Ausschlussfrist lediglich für Ansprüche des Arbeitnehmers 122 vereinbart, so benachteiligt sie diesen unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.6 Im Gegensatz zu einseitigen tariflichen Ausschlussfristen sind formularmäßige einzelvertragliche Ausschlussfristen deshalb unwirksam. Sie verstoßen erheblich gegen das aus § 622 Abs. 6 BGB und den Verjährungsregelungen vorgegebene Leitbild.7 Dies wird allenfalls dann zu verneinen sein, wenn dem Arbeitnehmer eine angemessene Kompensation zugestanden wird.8

1 Dazu LAG Berlin-Brandenburg 20.9.2011 – 7 Sa 1318/11 – DB 2012, 119; LAG Sachsen 23.8.2011 – 1 Sa 322/11 – BB 2011, 2943, n.rkr., Revision unter 5 AZR 146/12. 2 LAG Sachsen 23.8.2011 – 1 Sa 322/11 – BB 2011, 2943. 3 BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07 – NZA 2011, 354. 4 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 95. 5 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 6 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324; BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – NZA 2004, 852; HWK/Gotthardt Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 11; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 78; §§ 194–218 Rz. 47. 7 BAG 2.3.2004 – 1 AZR 271/03 – NZA 2004, 852. 8 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324.

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Inhaltskontrolle

123 Unangemessen ist es, wenn eine Ausschlussklausel die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruches vorsieht, ohne dass für diesen wesentliche rechtliche Vorfragen geklärt sind und geklärt sein können. Dies ist etwa der Fall, wenn die gerichtliche Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen gefordert wird, bevor über den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wege des Kündigungsschutzprozesses entschieden wurde.1 Verlangt die Ausschlussklausel ausdrücklich für diese Fälle die gerichtliche Geltendmachung, ist sie unwirksam.2 Dies ist auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zu tariflichen Ausschlussklauseln richtig, die einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG bejaht, wenn durch Ausschlussklauseln der Zugang zu den Gerichten faktisch vereitelt wird, was das BVerfG auch dann annimmt, wenn der Arbeitnehmer durch die notwendige Klageerhebung einem hohen Kostenrisiko ausgesetzt wird.3 124 Für nicht ausdrückliche formularmäßige Ausschlussfristen lässt die Rechtsprechung auch die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage als gerichtliche Geltendmachung genügen und kommt so zu einer Lösung des Problems.4 125 Die Ausschlussklausel muss transparent nicht nur im Hinblick auf die Länge der Frist und den Fristbeginn, sondern auch im Hinblick auf die von der Ausschlussfrist umfassten Ansprüche sein.5 Gleichfalls muss deutlich aus der Klausel hervorgehen, dass die Rechtsfolge des Ablaufs der Ausschlussfrist der Verfall des Anspruches ist6 – wobei diese Rechtsprechung nicht unproblematisch hier bereits einen Begriff „Ausschlussfrist“ als hinreichend deutlich genügen lässt.7 Transparenz muss auch gegenüber anderen im Vertrag vorgesehenen Geltendmachungsfristen hergestellt werden.8 126 Eine gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßende Ausschlussfrist ist unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion kommt (auch hier) nicht in Be1 2 3 4 5 6 7 8

HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 8. HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 8. BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07 – NZA 2011, 354. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 939; BAG 19.3.2008 – 5 AZR 429/07 – NZA 2008, 757. BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699. BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 89. BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – NZA 2006, 324. BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699 zu einer vierwöchigen Reklamationsfrist bei Prämienzahlungen.

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tracht.1 Ist bei der zweistufigen Ausschlussfrist allerdings die zweite Frist zu kurz bemessen und damit unwirksam, so kann die Frist der ersten Stufe dennoch bestehen bleiben – weil sie als solche nach der Doktrin des blue pencil test eine sinnvolle Regelung ist.2 Umgekehrt gilt dies wegen der dann fehlenden Anknüpfungsmöglichkeit nicht.3 6. Beendigungsvereinbarungen Vereinbarungen, die das Ende des Arbeitsverhältnisses regeln, orientie- 127 ren sich am jeweiligen konkreten Beendigungstatbestand. Zu unterscheiden sind der Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis selbst beendet, und der Abwicklungsvertrag,4 der selbst keinen Beendigungstatbestand setzt, aber die Folgen der Beendigung (die dann meist durch Arbeitgeberkündigung erfolgt) regelt. Regelmäßig wird bei der Inhaltskontrolle von Beendigungsvereinbarungen hervorgehoben, dass der Arbeitnehmer in einer anderen Situation sei als beim Abschluss des Arbeitsvertrages, weil er aus der gesicherten Situation des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes heraus agieren könne.5 Das ist zwar richtig, spielt aber für die Frage, ob solche Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle unterliegen, nur insofern eine mittelbare Rolle, als häufig gerade wegen dieser Situation entweder eine die AGB-Kontrolle insgesamt ausschließende Individualvereinbarung oder aber eine zumindest die Inhaltskontrolle ausschließende Vereinbarung über Hauptleistungen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, vorliegen wird. Denn der Grund für die AGBKontrolle liegt nicht in einem strukturellen Ungleichgewicht der Vertragsparteien, sondern in der von einer Vertragspartei in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsmacht (dazu oben Rz. 5). Der Arbeitnehmer wird im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die arbeitsrechtlichen Bestandsschutzregelungen geschützt, die ihm einen entsprechend gute Verhandlungsposition gibt, sowie bei Willensmängeln durch die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regelungen.6 Der Verweis auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB verfängt bei formularmäßigen 1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 2 BAG 12.3.2008 – 10 AZR 152/07 – NZA 2008, 699; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (158). 3 BAG 16.5.2012 – 5 AZR 251/11 – NZA 2012, 971. 4 Abwicklungsverträge werden nochmals unterschieden in echte, die nach der erfolgten Kündigung geschlossen werden, und unechte, die vor der Kündigung geschlossen werden. 5 Bauer, Aufhebungsverträge, Rz. 217. 6 BAG 15.12.2005 – 6 AZR 197/05 – NZA 2006, 841 (842); BAG 19.4.2007 – 2 AZR 208/06 – NZA 2007, 1227.

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Inhaltskontrolle

Vereinbarungen freilich nicht für jenseits der Hauptleistungen getroffene Annexregelungen – wie Ausgleichs- oder Verzichtsregelungen1 und Klageverzichte. a) Aufhebungs- und Abwicklungsverträge 128 Formularmäßige Aufhebungs- wie Abwicklungsverträge unterliegen grundsätzlich der AGB-Kontrolle, für sie gelten auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.2 Gerade bei Aufhebungsverträgen wird man aber zunächst genau zu prüfen haben, ob nicht eine Individualvereinbarung vorliegt, die einer AGBKontrolle von vornherein nicht zugänglich ist.3 Das wird – wie bereits angedeutet – schon deshalb oft anzunehmen sein, weil der Arbeitnehmer selbst im Hinblick auf die Wahl des Auflösungstatbestandes wegen des starken arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes eine starke Verhandlungsposition hat.4 129 Darüber hinaus ist im Falle des formularmäßigen Aufhebungsvertrages die Beendigung des Vertrages selbst als Hauptleistung wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht auf ihre Angemessenheit zu prüfen5 – zumal es einen gesetzlichen Kontrollmaßstab für Aufhebungsvereinbarungen, von dem durch die Parteivereinbarung abgewichen werden könnte, nicht gibt.6 Dies gilt auch im Hinblick auf die Vereinbarung einer Abfindung im Rahmen des Aufhebungsvertrages. Es ist vorgebracht worden, dass der Gesetzgeber mit § 1a KSchG die Höhe einer angemessenen Abfindung festgelegt hätte, an der entsprechende Regelungen in Abfindungsverträgen zu messen seien.7 Das ist aber abzulehnen, weil § 1a

1 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. 2 ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz. 15; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 3; Bauer, Aufhebungsverträge, Rz. 218a. 3 Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (829); WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84; Henssler/Moll, S. 152. 4 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84. 5 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338; BAG 8.5.2008 – 6 AZR 517/07 – NZA 2008, 1148; BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – NZA 2004, 597; BAG 22.4.2004 – 2 AZR 281/03 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; richtig WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84: Die Aufhebung sei als solche „weder gut noch böse“; Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (62). 6 BAG 22.4.2004 – 2 AZR 281/03 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (832). 7 BeckOK/Rolfs, § 1a KSchG Rz. 64; Preis, DB 2004, 70 (73); BAG 13.12.2007 – 2 AZR 807/06 – AP KSchG 1969 § 1a Nr. 6.

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KSchG gerade kein gesetzliches Leitbild für Abfindungsregelungen abgibt.1 Dem nach § 307 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für Hauptleistungen geltenden 130 Transparenzgebot ist entsprochen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass die Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt2 – wobei andernfalls ohnehin zu klären ist, ob nicht zur Anfechtung berechtigende Willensmängel vorliegen oder ob es überhaupt zum Vertragsschluss gekommen ist. Werden formularmäßig ergänzende Regelungen im Aufhebungsvertrag getroffen, wie etwa eine Freistellung des Arbeitnehmers oder so genannte Ausgleichsquittungen, so sind diese Klauseln der AGB-Kontrolle unterworfen (dazu sogleich Rz. 132; 183 ff.).3 b) Ausgleichsklausel (Wirksame) Ausgleichsklauseln führen zum Erlöschen noch bestehender 131 Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Sie werden regelmäßig am Ende des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder eines Abfindungsvergleichs geschlossen. Es handelt sich dabei um einen Erlassvertrag, wenn eine konkrete Forderung betroffen ist, § 397 Abs. 1 BGB, oder – in den Arbeitsbeziehungen häufiger – um konstitutive negative Schuldanerkenntnisse, wenn eine Gruppe von bekannten und unbekannten Ansprüchen oder alle Ansprüche erlöschen sollen, § 397 Abs. 1, 2 BGB.4 So genannte Ausgleichsquittungen sind regelmäßig zweifach gegliedert: 132 Zum einen enthalten sie eine Bestätigung des Arbeitnehmers, dass er bei Ende des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitspapiere zurück erhalten hat. Als weiteres – problematischeres – Element enthalten sie allerdings auch eine Erklärung des Arbeitnehmers, dass ihm aus dem Arbeitsverhältnis keine Ansprüche mehr zustünden. Damit liegt ein negatives Schuldanerkenntnis vor.5 Während der Quittungsteil (lediglich) an § 309 Nr. 12 BGB zu messen ist (siehe dort Rz. 144, 151), unterliegt der Verzichtsteil nach der Rechtsprechung der Angemessenheitskontrolle.6 Da1 2 3 4

HWK/Gotthardt Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 4. Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (832). WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 85. Allgemein Staudinger/Rieble, § 397 Rz. 226; BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. 5 BAG 23.2.2005 – 4 AZR 139/04 – NZA 2005, 1193. 6 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219.

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bei wird die Angemessenheit jedenfalls bei fehlender Kompensation durch den Arbeitgeber verneint.1 133 Eine Kontrollfähigkeit der isolierten Ausgleichsregelung wird allerdings mit guten Gründen bestritten, weil es sich bei dem Verzicht dann um eine (nicht kontrollfähige) Hauptleistung handelt2 – was durch die Gewährung einer Kompensation noch unterstrichen wird.3 Dann bleibt (lediglich) die Transparenzkontrolle. Hier bereitet dann aber bei einem umfassenden Verzicht auf alle Ansprüche Schwierigkeiten, dass der Arbeitnehmer zur Annahme verleitet werden könnte, er könne auch unverzichtbare Rechte (§§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG, 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG) nicht mehr geltend machen. Ein solcher Verzicht ist im Rahmen einer Ausgleichsquittung nicht möglich.4 Geholfen werden kann hier freilich über die einschränkende Auslegung einer entsprechenden Klausel.5 134 Anders ist es dagegen, wenn – wie häufig – der Anspruchsverzicht als Nebenbestimmung eines Aufhebungsvertrages vereinbart wird. Dann unterliegt die Klausel einer Inhaltskontrolle.6 Das ist deshalb richtig, weil der Arbeitnehmer einer Verzichtsklausel etwa in einem Aufhebungsvertrag keine entsprechende Aufmerksamkeit widmen wird wie einer isolierten Verzichtsvereinbarung.7 Hier wird eine Angemessenheit nur zu bejahen sein, wenn der Verzicht beide Vertragsparteien treffen soll oder dem Arbeitnehmer für den Verzicht eine entsprechende Kompensation zugesagt wird.8 Das ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip, von dem kompensationslose Ausgleichsklauseln abweichen: Der Arbeitnehmer verzichtet auf Ansprüche, bekommt dafür aber keine Gegenleistung.9 Außerdem sieht das Verjährungsrecht vor, dass der (faktische) Verlust von Ansprüchen erst nach einer gewissen Zeit eintritt, das konstitutive negative Schuldanerkenntnis aber sofort Wirkung entfaltet.10

1 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 77. 2 Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 3 BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 34. 4 Löwisch/Rieble, § 4 Rz. 612. 5 So WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 87. 6 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338; Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 7 Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 8 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 87; Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 9 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. 10 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338.

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Die Rechtsprechung kommt durch einen Erst-Recht-Schluss von den 135 Überlegungen zur Ausschlussfrist zu dem Kompensationserfordernis: Der Arbeitgeber dürfe sein Interesse an schneller Rechtssicherheit nicht einseitig gegen den Arbeitnehmer durchsetzen.1 Beim Verzicht auf konkrete Ansprüche wird von der neueren Rechtsprechung eine einseitige Ausgleichsklausel für möglich gehalten.2 Eine Kompensation kann auch eine im Aufhebungsvertrag festgesetzte Abfindung sein – auch wenn diese den Hauptzweck hat, den Arbeitsplatzverlust des Arbeitnehmers auszugleichen. Die Höhe der Kompensation ist allerdings schwer greifbar – in der Literatur wird eine lediglich symbolische Kompensation zu Recht abgelehnt.3 Auch bei nicht isolierten Ausgleichsklauseln wird man den pauschalen Forderungsverzicht nicht als transparent ansehen können, weil dem Arbeitnehmer suggeriert wird, dass er auch unverzichtbare Rechte nicht mehr geltend machen könne. c) Klageverzichtvereinbarung Ein Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist zwar 136 wegen der zwingenden Wirkung des KSchG nicht während des Arbeitsverhältnisses möglich, nach Ausspruch der Kündigung aber durchaus.4 Ein solcher Klageverzicht des Arbeitnehmers bringt für den Arbeitgeber den Vorteil der Rechtssicherheit: Eine Kündigungsschutzklage, die trotz eines wirksamen Verzichts vom Arbeitnehmer erhoben wird, führt bereits vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zur Unbegründetheit der Klage.5 Wenn der Arbeitgeber nach einem Klageverzicht des Arbeitnehmers nicht mehr dem „Lotteriespiel“6 des Kündigungsschutzprozesses ausgesetzt ist, so stellt der Klageverzicht auf Seiten des Arbeitnehmers die Gegenleistung für den Erhalt einer Abfindung durch den Arbeitgeber dar.7 Eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer nach einer Arbeitgeber- 137 kündigung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet und damit die Kündigung nach §§ 4, 7 KSchG wirksam werden lässt (Klageverzichtsvereinbarung), hat das BAG einer Inhaltskontrolle unter1 2 3 4

BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338. Stoffels, NJW 2012, 107 (108). BAG 3.5.1979 – 2 AZR 679/77 – NJW 1979, 2267; BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219; Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (604 m.w.N.). 5 KR/Friedrich, § 4 KSchG Rz. 314. 6 So Rüthers, NJW 2002, 1601 (1608). 7 BAG 21.6.2011 – 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338 (1341).

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zogen,1 weil es sich lediglich um eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag handelte.2 Ein solcher Klageverzicht wurde an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen und dann als unangemessen angesehen, wenn dem Arbeitnehmer für seinen Verzicht auf die Kündigungsschutzklage keine angemessene Entschädigung versprochen wurde. Eine Klageverzichtsvereinbarung weicht nach der Rechtsprechung vom gesetzlichen Leitbild der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ab.3 Mit dem Verzicht begebe sich der Arbeitnehmer jeder Möglichkeit, sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wehren. 138 Die Frage, wann eine Kompensation angemessen ist, ließ das BAG offen, hat als Parameter aber den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Art der Beendigung, die Zahlung einer Abfindung und den Verzicht auf Ansprüche des Arbeitgebers genannt.4 Zu einer Höhe einer angemessenen Kompensation äußert sich die Rechtsprechung nicht – vorgeschlagen wird eine Orientierung an den gesetzlichen Vorgaben des § 1a KSchG,5 die aber gerade keine gesetzlich festgelegte Abfindungshöhe ist6 und zudem nur für die betriebsbedingte Kündigung gilt.7 Eine lediglich symbolische Kompensation wird in jedem Falle unmaßgeblich sein.8 Was ein Klageverzicht „wert“ ist, wann eine Kompensation damit angemessen ist, lässt sich nicht pauschal erkennen, es liegt in der privatautonomen Entscheidung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – schon die Schwierigkeiten, eine angemessene (oder jedenfalls nicht unangemessene) Kompensation zu finden, zeigt, dass beim isolierten Klageverzicht eine Vereinbarung von Hauptleistungen vorliegt und gerade keine Kontrollfähigkeit gegeben ist.9

1 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219; zustimmend auch Suckow/ Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 628; das BAG hat damit gemeinsam mit der Entscheidung vom 19.4.2007 – 2 AZR 208/06 – NZA 2007, 1227, in der für die Klageverzichtsvereinbarung die Schriftform, § 623 BGB, verlangt wurde, die Möglichkeit einer Klageverzichtsvereinbarung insgesamt an enge Grenzen gebunden. 2 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219; BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – NZA 2004, 597. 3 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219; davor schon LAG Baden-Württemberg vom 19.7.2006 – 2 Sa 123/05 – ZGS 2007, 366. 4 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219. 5 Müller, BB 2011, 1653 (1655); Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (836 ff.). 6 Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (836 ff.). 7 So zu Recht auch Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (608). 8 Müller, BB 2011, 1653 (1655). 9 Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (608); Worzalla, SAE 2009, 31 (34).

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Dieser Rechtsprechung kann deshalb nicht gefolgt werden, weil isolierte 139 Klageverzichtsvereinbarungen ebenso wie Aufhebungsvereinbarungen als Hauptleistungen nur der Transparenz-, nicht aber der Inhaltskontrolle unterliegen.1 Das BAG hat die Klageverzichtsvereinbarung als bloße Nebenvereinbarung zum Arbeitsvertrag angesehen und ist so zur Angemessenheitskontrolle gekommen.2 Richtigerweise wird man aber den isolierten Klageverzicht (und im Falle einer Kompensation auch diese)3 als eigenständige Hauptleistung der Vereinbarung begreifen müssen, insofern gilt nichts anderes als beim Aufhebungsvertrag (siehe dort Rz. 129).4 Richtig ist, dass der Klageverzicht keine Ergänzung zum Arbeitsvertrag ist, sondern gerade nach dessen Beendigung durch die Arbeitgeberkündigung geschlossen wird, mithin keine arbeitsvertragliche Nebenbestimmung sein kann, sondern selbständige Vereinbarung ist.5 Eine Unterscheidung zwischen einem Klageverzicht mit Kompensation, der zu keiner Angemessenheitskontrolle führen soll, und einem solchen ohne Kompensation, der regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung sein soll,6 überzeugt aus diesen Gründen nicht.7 Durch einen Klageverzicht liegt keine Abweichung von den §§ 4, 13 KSchG vor – weil von diesen zwingenden Regelungen gar nicht abgewichen werden kann und weil die Zielrichtungen verschieden sind: Bei Klageverzicht wird eine Klage unzulässig, bei Versäumen der Klagefrist wird sie unbegründet.8 Mit einem Klageverzicht wird die Frist des § 4 KSchG auch nicht verkürzt, sie wird davon gar nicht betroffen.9 Klageverzicht und §§ 4, 7 KSchG stehen gleichsam nebeneinander, eine Abweichung vom Gesetz liegt nicht vor. Das hatte das BAG auch in einer früheren Entscheidung so gesehen.10 Wie beim Aufhebungsvertrag ist der Arbeitnehmer auch bei der Klageverzichtsvereinbarung in einer bereits durch das KSchG geschützten Position, hier wie dort handelt es sich um eine eigenständige, nicht lediglich um eine Nebenbestimmung zum Arbeits1 Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (837); Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (608); Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620). 2 BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219. 3 Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620). 4 Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (833); Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (606); Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620); kritisch auch Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (377). 5 Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (606). 6 So aber ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 77. 7 Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (833); Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (608). 8 So auch Rolfs, FS Reuter (2010), S. 825 (834); Müller, BB 2011, 1653 (1654). 9 Krets, FS Bauer (2010), S. 601 (607). 10 BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – NZA 2004, 597.

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Inhaltskontrolle

vertrag.1 Das zeigt sich schon daran, dass eine Verzichtserklärung vor Beendigung durch Kündigung grundsätzlich wegen der zwingenden Wirkung des KSchG nicht möglich ist.2 140 Damit sind formularmäßige isolierte Klageverzichtsvereinbarungen nur am Transparenzgebot zu messen, § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann insbesondere dann vorliegen, wenn nicht nur eine isolierte Klageverzichtsvereinbarung getroffen wird, sondern der Klageverzicht im Rahmen einer Ausgleichsquittung erklärt werden soll (dazu Rz. 132).3 Letztlich ist dies aber eine Frage der Auslegung der Klausel. Bezieht sich diese darauf, dass dem Arbeitnehmer keine Ansprüche mehr zustehen sollen, so kann nicht auf einen Klageverzicht geschlossen werden. In jedem Falle ist ein Klageverzicht nur transparent, wenn er als solcher eindeutig zu erkennen ist,4 was in einer Formel, die sich lediglich auf den Verzicht von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bezieht, nicht der Fall ist.5 d) Rückkehrrecht 141 Sind in einem Aufhebungsvertrag Rückkehrrechte des Arbeitnehmers etwa bei Kündigung eines Anschlussarbeitsverhältnisses vereinbart, so können Regelungen, die dieses Rückkehrrecht ausgestalten, einer Inhaltskontrolle unterzogen werden.6 Dabei sind solche Regelungen unangemessen benachteiligend, die das Rückkehrrecht selbst erheblich gefährden können, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Rückkehrrecht davon abhängig gemacht wird, dass eine von einem späteren Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung als betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 ff. KSchG wirksam ist. Denn der Arbeitnehmer wird hier gleichsam zur Kündigungsschutzklage gezwungen, mit der er wiederum nachweisen muss, dass gerade eine wirksame Kündigung vorliegt – ansonsten tritt nach §§ 4, 7 KSchG die Unwirksamkeitsfiktion ein, die nicht spezifisch nach Kündigungsgründen unterscheidet. Hier kommt es – neben der zeitlich langwierigen Prüfung, die dann einer schnellen Wiedereinstellung entgegensteht – auch zu einer unangemessenen Umkehrung der Darlegungs- und Be1 So aber BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219. 2 BAG 19.12.1974 – 2 AZR 565/73 – NJW 1975, 1531; großzügiger für eine konkret bevorstehende Kündigung Bauer/Günther, NJW 2008, 1617. 3 Dazu Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 628. 4 Siehe BAG 6.9.2007 – 2 AZR 722/06 – NZA 2008, 219. 5 Müller, BB 2011, 1653 (1656). 6 BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 – GWR 2012, 162.

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weislast.1 Eine entsprechende Klausel ist aber nur im Hinblick auf den Nachweis einer betriebsbedingten Kündigung unwirksam, ansonsten bleibt das Rückkehrecht bestehen.2 e) Dienstwagenübernahmevereinbarung Zur Dienstwagenübernahmevereinbarung im Zusammenhang mit der Beendigungsvereinbarung siehe Rz. 174c.

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7. Befristung von Arbeitsbedingungen Neben der durch §§ 14 ff. TzBfG geregelten Befristung des ganzen Ar- 143 beitsvertrages ist anerkannt, dass auch einzelne Arbeitsbedingungen vertraglich befristet oder unter einen Bedingungseintritt gestellt werden können.3 Befristungen von Arbeitsbedingungen bieten dabei den Vorteil der Rechtssicherheit. Dies gilt vor allem im Vergleich mit anderen vertraglichen Flexibilisierungsinstrumenten wie etwa dem Widerrufsrecht einer Arbeitgeberleistung, das für den Arbeitgeber stets mit einer Ausübungskontrolle verbunden ist, für den Arbeitnehmer aber mit einer erheblichen Unsicherheit, ob und in welchem Umfang auf die Arbeitgeberleistung vertraut werden kann. Die Regelungen des (zwingenden) TzBfG sind weder direkt noch analog 144 auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden.4 Sie sind – wie etwa § 17 TzBfG zeigt – auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses als Ganzes zugeschnitten. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen und die des gesamten Arbeitsverhältnisses sind qualitativ zu trennen. Es liegt ein aliud vor, kein (bloßes) minus.5 Deshalb unterfällt auch die Kontrolle von formularmäßig vereinbarten Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen lediglich der Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB.6 Die Rechtsprechung unterzieht die Befristung einer Inhaltskontrolle anhand des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei der jedoch die Wertungen des § 14 1 BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 – GWR 2012, 162; BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – NZA-RR 2012, 232; LAG Niedersachsen 30.6.2011 – 16 Sa 663/10; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 42. 2 BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – NZA-RR 2012, 232. 3 BAG 18.5.2011 – 10 AZR 206/10 – NZA 2011, 1289. 4 BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 674; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (339). 5 Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341). 6 BAG 18.5.2011 – 10 AZR 206/10 – NZA 2011, 1289; BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – NZA 2009, 1253; BAG 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 – NZA 2006, 40.

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§ 307

Inhaltskontrolle

Abs. 1 TzBfG eine maßgebliche Rolle spielen:1 Wenn nämlich Gründe wie in § 14 Abs. 1 TzBfG die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages zu rechtfertigen vermögen, so sind sie auch im Rahmen der Interessenabwägung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.2 Noch weiter geht eine neue Entscheidung des BAG im Hinblick auf eine befristete Arbeitszeiterhöhung, wenn diese Erhöhung erheblich ist.3 In diesem Falle kann nur ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ausschließen.4 145 Den Befristungsgründen des § 14 Abs. 1 TzBfG kommt nach dieser Rechtsprechung damit eine Indiz- bzw. Ausschlussfunktion zu, deren Trennlinie anhand des problematischen Begriffs der Erheblichkeit zu ziehen ist. Unterhalb der Erheblichkeitsschwelle führt das Vorliegen eines Sachgrundes im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG zu einem starken Arbeitgeberinteresse an der Befristung der Arbeitsbedingung, freilich wird man auch andere Interessen des Arbeitgebers zulassen können. Oberhalb dieser Grenze muss ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben sein. Dabei wird man davon ausgehen müssen, dass alle Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG geeignet sind, ein im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigendes berechtigtes Arbeitgeberinteresse abzubilden. Wenn ein Grund für die Befristung des ganzen Arbeitsvertrages gegeben ist, so kann dieser auch für die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen tragend sein. Liegt ein solcher Befristungsgrund vor, so muss auf der Seite des Arbeitnehmers ein „außergewöhnlicher Umstand“ – verwiesen wird etwa auf eine anderweitig für den Arbeitnehmer bestehenden Möglichkeit des § 9 TzBfG – vorliegen, um die Befristung als unangemessen benachteiligend qualifizieren zu können.5 Ob darüber hinaus auch die Wertungen des § 14 Abs. 2 TzBfG heranzuziehen sind und damit grundsätzlich eine bis zu zweijährige Befristung ohne jeden Sachgrund zulässig ist, ist umstritten.6 Zwar spricht dafür, dass im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses darauf verwiesen werden kann, dass auch das gesamte Arbeitsverhältnis einer (bloßen) Zeitbefristung 1 So auch Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (339). 2 BAG 8.8.2007 – 7 AZR 855/06 – NZA 2008, 229; letztlich ist die eine Weiterführung der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform, BAG 23.1.2002 – 7 AZR 563/00 – NZA 2003, 104; siehe zu dieser Rechtsprechung auch Wolf, RdA 1988, 270 ff. 3 BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 674. 4 BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 674. 5 BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – NZA 2009, 1253. 6 Dagegen Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341); Maschmann, RdA 2005, 212 (215); dafür Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (77).

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§ 307

unterliegen kann.1 Dagegen spricht aber, dass die Befristungsgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG nicht als solche auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden sind, sondern letztlich einem konkreten Arbeitgeberinteresse an der Befristung Ausdruck verleihen. Ein solches konkretes Arbeitgeberinteresse spiegelt aber § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht wider. Dies wird jedenfalls oberhalb der genannten Erheblichkeitsschwelle gelten. Unklar ist allerdings, wann eine Befristung in erheblichem Umfang 146 überhaupt vorliegt. Das BAG sah dies jedenfalls bei einer Erhöhung der Arbeitszeit von der Hälfte einer Vollzeitstelle als gegeben an.2 Bislang spielten Art und Höhe der Arbeitszeitbefristung nach der h.M. keine Rolle für die Frage nach der Zulässigkeit der Befristung. Eine Orientierung an der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Widerrufsvorbehalten (25 % der Gesamtarbeitszeit) ist nicht angezeigt – weder für die Frage nach der Erheblichkeit noch für die Frage nach einer zulässigen Höchstbefristung.3 Denn die Situation ist nicht vergleichbar: Der Grund für die Begrenzung des Widerrufsrechts liegt ja gerade an der für den Arbeitnehmer dort gegebenen Rechtsunsicherheit. Diese besteht bei Befristungen aber nicht. Weiter wird vorgeschlagen, die bei § 99 Abs. 1 BetrVG angewandten Grundsätze zur Einordnung einer Arbeitszeiterhöhung als Einstellung heranzuziehen.4 Allerdings kann der Bezugspunkt nicht die betriebsverfassungsrechtliche Einstellung sein,5 denn es geht bei der Befristung von Arbeitsbedingungen um rein arbeitsvertragliche Fragen, deren mitbestimmungsrechtliche Folgen bloßer Reflex sind. Vielmehr ist der Begriff der Erheblichkeit als Notwendigkeitskriterium für die Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG insgesamt unergiebig und daher abzulehnen: Diese Sachgründe greifen als solche nur ein, wenn der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages vorliegt – dann aber direkt. Ansonsten können die Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG zwar Arbeitgeberinteressen an einer Bedingungsbefristung vermitteln, dies aber nicht ausschließlich. Alles andere würde das auch von der Rechtsprechung selbst aufgestellte Diktum, dass die Regelungen des TzBfG nicht auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anwendbar sind, leer laufen lassen. Allerdings ist die These, dass Befristungen von Arbeitsbedingungen 147 grundsätzlich einer Inhaltskontrolle anhand § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un1 2 3 4 5

HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 35. BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 – NZA 2012, 674. So aber Bayreuther, ZfA 2011, 45 (57). Raif, GWR 2012, 307. Dazu Richardi/Thüsing, BetrVG, § 99 Rz. 26 ff.

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Inhaltskontrolle

terliegen, entgegenzutreten. Befristungen, die vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sind, sind als deklaratorische Klauseln ohnehin kontrollfrei.1 Dies gilt in jedem Falle auch für die Befristung von Hauptleistungen. Deshalb ist die vorgestellte Rechtsprechung wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht kritiklos geblieben.2 So ist etwa die vom BAG vorgenommene Trennung zwischen einer nicht überprüfbaren Heraufsetzung der Arbeitszeit und deren kontrollfähiger Befristung gekünstelt und trifft nicht zu.3 Denn zwischen der Änderung der Arbeitszeit und deren Befristung besteht ein enger Zusammenhang. Vor dem Hintergrund des Schutzzweckes der AGB-Kontrolle verdeutlicht sich dies: Die Frage, wie lange eine Hauptleistung befristet ist, wird regelmäßig für beide Parteien wichtig sein, so dass sie eine besondere Aufmerksamkeit auf deren Vereinbarung legen (dazu oben Rz. 28). Dies gilt vor allem auch bei Befristungen von Arbeitsbedingungen, die im laufenden Arbeitsverhältnis vereinbart werden: Wird hier nicht sogar regelmäßig eine Individualvereinbarung anzunehmen sein, so agiert der Arbeitnehmer doch vor dem Hintergrund eines bestehenden und bestandsgeschützten Arbeitsverhältnisses.4 Das unterscheidet Befristungsregelungen auch von anderen Flexibilisierungsregelungen wie etwa Vereinbarungen zur Abrufarbeit oder anderen arbeitgeberbezogenen Leistungsbestimmungsrechten, denn hier geht es auch um die Frage, wie und ob der Arbeitgeber ein entsprechendes einseitiges Eingriffsrecht überhaupt hat.5 Im Rahmen einer Befristung ist aber dem Arbeitgeber der Zugriff auf eine vereinbarte Leistung nach Vertragsschluss entzogen. 148 Deshalb unterfallen richtigerweise Befristungsregelungen, die Hauptleistungen betreffen, lediglich dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weshalb die Befristung eindeutig und unmissverständlich sein muss.6 Hier ist es nach der h.M. nicht notwendig, den Grund für die Befristung in den Klauseltext aufzunehmen.7 Dies wird unter Hinweis auf das Transparenzgebot zwar bestritten,8 ist aber gleichwohl richtig: Wenn aus der Klausel für den Arbeitnehmer die Befristung als solche klar und eindeutig hervorgeht, so kann sich der Arbeitnehmer auf die 1 Dazu etwa Maschmann, RdA 2005, 212, 222 f. 2 Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (376); Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1412). 3 Anders sehen dies Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (340). 4 Ebenso Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (344). 5 A.A. Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (340). 6 Stoffels, ZfA 2009, 861 (883); Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1142). 7 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (56). 8 Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341).

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Frist einstellen. Dies unterscheidet eine Befristungsregelung etwa auch von einer Widerrufsregelung.1 Die Frage nach dem Grund für die Befristung spielt letztlich lediglich für deren Angemessenheit eine Rolle. Wesentlicher aber erscheint der Erst-Recht-Schluss aus § 14 Abs. 4 TzBfG: Wenn bereits für die Befristung des ganzen Arbeitsvertrages keine Niederschrift im Vertrag vorausgesetzt wird, so muss dies auch für die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen gelten. Dies gilt dann, wenn eine kalendermäßige Befristung vereinbart wird, aber auch, wenn eine Zweckbefristung beabsichtigt ist.2 8. Beweislastvereinbarungen Siehe § 309 Nr. 12 BGB.

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9. Bezugnahmeklauseln a) Allgemeines Oftmals vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Bezugnahme auf 150 ein anderes, externes Regelwerk, dabei kann es sich um kollektive Vereinbarungen wie Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung handeln, aber ebenso um sonstige Regelwerke wie kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien oder einseitig vom Arbeitgeber gesetzte Arbeitsordnungen. Solche Bezugnahmen kommen als Globalverweisungen oder aber als Teilverweisung vor. Ein Zweck der schuldrechtlichen Bezugnahme auf ein externes Klau- 151 selwerk liegt in der Auslagerung der Vertragsgestaltung: Die Vertragsgestaltungslast wird dann von den jeweiligen Regelungsgebern wahrgenommen. Außerdem kann durch Bezugnahme an der dynamischen Entwicklung eines externen Regelungswerkes partizipiert werden – die Arbeitsvertragsparteien ersparen sich so die eigene Vertragspflege. Dies wird im Falle der tariflichen Bezugnahme dadurch noch attraktiver, als dass wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB eine Angemessenheitskontrolle des Tarifvertrages nicht erfolgt – damit also kontrollsicheres Vertragsrecht geschaffen wird.3 Nicht nur deshalb sind Bezugnahmen auf einen Tarifvertrag am häufigsten anzutreffen. Hier kommt es darüber hinaus bei eigener Tarifbindung des Arbeitgebers zu einer Gleichstellung von tarif1 Dies verneinend Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341). 2 BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – NZA 2009, 1253; a.A. HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 Rz. 32. 3 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 470.

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Inhaltskontrolle

gebundenen und nichttarifgebundenen Arbeitnehmern.1 Der Arbeitgeber, der vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen darf,2 kommt so zu einer Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und nimmt den Nichtorganisierten die Motivation zum Gewerkschaftsbeitritt, weil sie durch die Bezugnahme am Tarifergebnis profitieren. Außerdem hat die Bezugnahme auf den Tarifvertrag dort Vorteile, wo das Gesetz (etwa § 13 BUrlG) lediglich tarifdispositiv ist.3 152 Bezugnahmeklauseln treten in verschiedener Intensität auf. Statische Bezugnahmeklauseln verweisen nur auf einen Tarifvertrag in einer bestimmten zeitlichen Fassung;4 dynamische Bezugnahmeklauseln können zum einen auf die jeweilige Fassung eines Tarifvertrages abstellen (kleine Dynamik) oder auf den jeweils geltenden Tarifvertrag (große Dynamik), was auch zum Tarifwechsel führen kann. 153 Es ist im Hinblick auf die AGB-Kontrolle streng zwischen der Bezugnahmeklausel als solcher und dem in Bezug genommenen Regelwerk zu trennen.5 b) Kontrolle der Bezugnahmeklausel 154 Die Bezugnahmeklausel auf externe Regelwerke unterliegt der AGBKontrolle, allerdings führt sie selbst nicht zur Abweichung oder Änderung von Rechtsvorschriften und ist deshalb (lediglich) am Transparenzgebot zu messen, § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 2 BGB.6 Zu einer Abweichung im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kommt es erst durch die in Bezug genommenen Regelungen selbst.7 Eine Inhaltskontrolle etwa nach § 308 Nr. 4 BGB scheidet aus, weil die Bezugnahme selbst kein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers enthält.8 Dies gilt grundsätzlich auch für dynamische Verweisungsklauseln9 – es sei denn, der Arbeitgeber erhält durch sie ein einseitiges Änderungsrecht (siehe dazu unten Rz. 160). Im Übrigen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass bei 1 2 3 4 5 6

Zum Gleichstellungszweck ausführlich Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 456 ff. Dazu Rieble, GS Heinze (2005), S. 687 ff. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 476. Henssler/Moll, S. 113. Giesen, ZfA 2010, 657 (663). BAG 16.2.2010 – 3 AZR 181/08 – NZA 2011, 42; BAG 18.11.2009 – 4 AZR 493/08 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54. 7 BAG 18.11.2009 – 4 AZR 493/08 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54. 8 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 549. 9 Schlewing, NZA Beilage 2012, 33 (39).

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§ 307

der dynamischen Verweisung vor allem auf Tarifverträge die Interessen des nicht tarifgebundenen Arbeitnehmers gewahrt sind – weil er gerade durch die Dynamik an der Tarifentwicklung teilnehmen kann.1 Zum wirksamen Einbezug eines Tarifvertrages bedarf es keiner Kenntnisnahmemöglichkeit, weil § 310 Abs. 4 Satz 3 auch § 305 Abs. 2, 3 BGB ausnimmt.2 Wegen der Gleichstellungsmotivation des tarifgebundenen Arbeitgebers 155 hatten Rechtsprechung und Lehre eine dynamische Verweisung regelmäßig so ausgelegt, dass diese Dynamik entfalle, wenn sie wegen eines Verlustes der Tarifbindung des Arbeitgebers (etwa im Falle eines Betriebsübergangs) nicht mehr zur Gewährleistung der Gleichstellung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer notwendig sei.3 Folge war, dass mit dem Zeitpunkt der Tarifbindung des Arbeitgebers die Dynamik der Bezugnahme endete und (lediglich) eine statische Bezugnahme blieb.4 Diese Rechtsprechung wurde nach der Schuldrechtsreform und damit nach der Streichung des § 23 AGBG aufgegeben.5 Nunmehr wird auf der Grundlage des § 305c Abs. 2 BGB zu Recht verlangt, dass sich die Gleichstellungsabsicht des Arbeitgebers auch in der jeweiligen Bezugnahmeklausel niederschlägt.6 Wird lediglich eine dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag vereinbart, so verbleibt es auch bei dem Verlust der Tarifbindung des Arbeitgebers bei der Dynamik.7 Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Rechtsprechung eine dynamische Bezugnahme bereits annimmt, wenn nicht eine konkrete Fassung eines Tarifvertrages in Bezug genommen wird.8 Für Alt-Verträge, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, soll es aus Vertrauensschutzgründen allerdings bei der alten Gleichstellungsregelung bleiben.9 Dem wird mit überzeugenden Argumenten entgegengehalten, dass der für den Vertrauensschutz maßgebliche Zeitpunkt der der Rechtsprechungsänderung und mithin der 14.12.2005 ist.10 Aus der Rechtsprechung folgt, dass die Arbeitsverhältnisse, wenn sie nicht einvernehmlich 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Schlewing, NZA Beilage 2012, 33 (39). Dazu Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 544; Giesen, ZfA 2010, 657 (664). BAG 26.9.2001 – 4 AZR 544/00 – NZA 2002, 634 ff. BAG 19.3.2003 – 4 AZR 331/02 – NZA 2003, 1207 ff. Zuerst angekündigt durch BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 – NZA 2006, 607. Dazu bereits Klebeck, NZA 2006, 15 ff. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 460. BAG 17.1.2006 – 9 AZR 41/05 – NZA 2006, 923. BAG 18.4.2007 – 4 AZR 652/05 – NZA 2007, 965 ff. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 462; Höpfner, NZA 2008, 91; Höpfner, NZA 2009, 420.

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§ 307

Inhaltskontrolle

geändert werden, eine Ewigkeitsklausel im Hinblick auf die Tarifgeltung enthalten. Dieser Gefahr zu begegnen liegt in der Vertragsverantwortung des Verwenders, der eine Bezugnahmeklausel, die von einer Dynamik in die statische Geltung umschlagen soll, entsprechend formulieren muss.1 156 Bezugnahmeklauseln müssen dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend eindeutig und klar formuliert sein. Allerdings heißt dies nicht, dass eine solche Bezugnahme bereits deshalb unangemessen wäre, weil der Arbeitnehmer nicht den Inhalt des in Bezug genommenen Regelungswerkes sogleich erkennen kann. Vielmehr reicht dessen Bestimmbarkeit aus.2 Dies gilt auch für dynamische Verweisungen,3 die auch zu einer Änderung zum Nachteil des Arbeitnehmers führen können.4 Hier wird zu Recht darauf verwiesen, dass der Arbeitnehmer (wie auch gesetzlich vorausgesetzt, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 10 NachwG) mit einer künftigen auch negativen Tarifentwicklung rechnen muss.5 Doppelverweisungen (zuerst auf den einen Tarifvertrag, dann hilfsweise auf einen anderen) sind aber nicht eindeutig und widersprechen so dem Transparenzgebot.6 Anderes gilt für den Bezug auf mehrgliedrige Tarifverträge – wie etwa nunmehr in der Leiharbeitsbranche häufig vorkommend: Hier wird die Transparenz einer entsprechenden Klausel deshalb zu bejahen sein, weil zwar auf den ersten Blick mehrere Tarifverträge nebeneinander stehen, der jeweils anwendbare Tarifverträge aber bestimmbar ist.7 Dies steht jedenfalls bei inhaltsidentischen Tarifverträgen außer Frage.8 157 Durch die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit bei Tarifpluralität durch das BAG9 ist bei einer Verweisung auf den jeweils geltenden Tarifvertrag dann nicht hinreichend klar, welcher Tarifvertrag gelten soll – 1 Vorschläge hierzu zuerst von Klebeck, NZA 2006, 15 ff. 2 BAG 16.2.2010 – 3 AZR 181/08 – NZA 2011, 42; BAG 18.11.2009 – 4 AZR 493/08 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54; BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 476. 3 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634; BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – NZA 2009, 154; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 477; Henssler/ Moll, S. 123. 4 Henssler/Moll, S. 123. 5 BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 66. 6 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 551. 7 LAG Rheinland-Pfalz 1.6.2012 – 9 Sa 24/12; Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27 (32 ff.); Bayreuther, NZA 2012, 14 (17); a.A. LAG Niedersachsen 19.4.2012 – 5 Sa 1607/11 – ArbR 2012, 329. 8 Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27 (32 ff.). 9 BAG 7.7.2010 – 4 AZR 549/08 – NZA 2010, 1068.

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Einzelne Klauseln

§ 307

weil es „den“ Tarifvertrag gerade nicht mehr gibt. Das widerspricht dem Transparenzgebot aber nur dann, wenn die durchzuführende Auslegung nicht ohnehin erkennen lässt, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist.1 Eine Bezugnahme auf ein (als solches) unwirksames Regelwerk ist möglich,2 praktisch wird dies vor allem bei einem von einer tarifunfähigen Partei geschlossenen Tarifvertrag. Allerdings ist hier die Bezugnahmeklausel entsprechend auszulegen.

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Bisweilen wird in Arbeitsverträgen auch auf Allgemeine Arbeitsbe- 159 dingungen verwiesen, die vom Arbeitgeber aufgestellt wurden.3 Diese Klauseln werfen bei einer statischen Bezugnahme keine Probleme auf, denn sie inkorporieren das externe Klauselwerk in den Arbeitsvertrag.4 Damit sind die in Bezug genommenen Regelungen ebenfalls anhand der §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren. Die Bezugnahmeklauseln selbst unterfallen dem Transparenzgebot – genügen sie diesem nicht, kommt es bereits nicht zum Einbezug des externen Regelwerkes. Dynamische Verweisungen auf solche externe Regelwerke sind AGB- 160 rechtlich problematischer. Dies gilt zunächst augenscheinlich in Fällen, in denen der Arbeitgeber auf eine von ihm geschaffene (und einseitig zu ändernde) Arbeitsordnung verweist.5 Sie enthalten in ihrer Dynamik letztlich einen pauschalen Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers.6 Deshalb weichen sie vom Grundsatz des pacta sunt servanda ab und sind einer Inhaltskontrolle zu unterziehen.7 Aus dieser ergibt sich, dass bereits die Bezugnahmeklausel unangemessen ist, weil sie dem Arbeitgeber das Recht gibt, einseitig die Arbeitsbedingungen zu gestalten.8 Das verstößt für Arbeitgeberleistungen gegen § 308 Nr. 4 BGB.9 Um eine solche Klausel zu halten, ist es notwendig, die Voraussetzungen, die an Änderungen und Widerrufsrechte gestellt werden, zu beachten (dazu § 308 Nr. 4 Rz. 21 ff.). Eine pauschale dynamische Verweisung ist des-

1 Dazu Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 636. 2 BAG 22.1.2002 – 9 AZR 601/00 – NZA 2002, 1041; LAG Sachsen 25.4.2012 – 2 Sa 370/11. 3 Dazu Preis, NZA 2010, 361. 4 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 469. 5 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 6 Preis, NZA 2010, 361 (362): „Mega-Widerrufsvorbehalt“. 7 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 8 Preis, NZA 2010, 361 (362). 9 Preis, NZA 2010, 361 (362).

Klumpp 329

§ 307

Inhaltskontrolle

halb stets unwirksam.1 Auch unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebotes ist eine dynamische Verweisung auf eine Arbeitsordnung kritisch zu sehen: Der Arbeitnehmer muss aus der Formulierung jedenfalls erkennen können, welches Regelwerk in Bezug genommen wird und wie die Voraussetzungen für deren Änderungen sind.2 c) Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes aa) Tarifvertrag 161 Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gleich und unterfallen so keiner Angemessenheitskontrolle. Als Grund hierfür wird einmal angegeben, dass im Falle einer schuldrechtlichen Bezugnahme die Arbeitnehmer nicht besser stehen sollen als dann, wenn der Tarifvertrag normativ gilt und keine Tarifkontrolle auf Angemessenheit erfolgt.3 Es solle also nicht zu einer „Zweiklassenkontrolle“ zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen kommen.4 Dahinter steckt aber ebenso die vom Gesetzgeber grundsätzlich zu respektierende Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages mit seiner grundrechtlichen Dignität, Art. 9 Abs. 3 GG:5 Diese kann unmittelbar zwar nur im Hinblick auf die unmittelbar Tarifgebundenen reklamiert werden,6 soll aber auch nicht mittelbar über eine Angemessenheitskontrolle ausgehöhlt werden.7 Wird auf einen Tarifvertrag Bezug genommen, in dessen Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt, so greift die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages und es findet keine Angemessenheitskontrolle statt.8 162 Fraglich ist das Verbot der Tarifvertragskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB aber dann, wenn die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages in Rede steht. So nimmt eine Verweisung auf schlicht schuldrechtliche Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien am Kontrollprivileg nicht teil, maßgeblich ist hier, dass die entsprechende Regelung noch umgesetzt

1 2 3 4

5 6 7 8

Preis, NZA 2010, 361 (362). Preis, NZA 2010, 361 (362). Kritisch zu der Gestaltung der Regelung Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (55). Auch Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404) mit dem Hinweis, dass eine solche „Zweiklassenkontrolle“ eine Art. 9 Abs. 3 GG zuwiderlaufende Diskriminierung der organisierten Arbeitnehmer sei. Giesen, ZfA 2010, 657 (663). Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 492; Giesen, ZfA 2010, 657 (661). Schlewing, NZA Beilage 2012, 33 (40). BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 22.

330 Klumpp

Einzelne Klauseln

§ 307

werden muss.1 Offengelassen hat das BAG dies für schuldrechtliche Vereinbarungen zugunsten Dritter, § 328 BGB.2 Umstritten sind die Fälle, in denen nicht auf einen ganzen, abgeschlossenen Tarifvertrag Bezug genommen wird, sondern lediglich auf einzelne Sachbereiche (etwa Urlaubsregelungen) oder einzelne punktuelle Regelungen (etwa eine Ausschlussfrist) verwiesen wird.3 Bei punktuellen Verweisungen (Einzelverweisungen) sind die in Bezug genommenen Regelungen eines Tarifvertrages voll überprüfbar – an der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages können diese nicht teilhaben, weil sie durch die Bezugnahme aus ihrem tariflichen Zusammenhang genommen sind.4

163

Für die Verweisung auf Teilbereiche eines Tarifvertrages muss man tren- 164 nen: Sind diese Teilbereiche in sich abgeschlossene Regelungen, so ist davon auszugehen, dass sie an der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages teilnehmen. Ist dies nicht der Fall, sind sie kontrollfähig.5 Teilverwiesene Tarifverträge immer einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen hieße, die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien nicht zu respektieren. Die Frage, wann ein abgeschlossener Sachbereich vorliegt, ist freilich in der Tat schwer zu beantworten und entzieht sich einer abstrakten Festlegung. Man wird in diesem Sinne auf die Erfahrungen aus dem Günstigkeitsvergleich, § 4 Abs. 3 TVG, verweisen können.6 Ein ganzes, aus mehreren Tarifverträgen bestehendes Tarifwerk muss nicht in Bezug genommen werden, um die Kontrollprivilegierung zu erreichen.7 Fällt das Arbeitsverhältnis nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertra- 165 ges, so könnte dieser auch normativ keine Geltung beanspruchen und ist damit kontrollfähig.8 Dies gilt nicht nur für einen fehlenden sachlichen,9 sondern ebenfalls für den örtlichen Geltungsbereich.10 Dies folgt 1 BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – NZA-RR 2012, 232; BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 – GWR 2012, 162. 2 BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 – GWR 2012, 162. 3 Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404). 4 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – NZA-RR 593; BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 25. 5 BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 26; a.A. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 501 ff.; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (56): Dies begünstige das Rosinenpicken. Nur insgesamt in Bezug genommener Tarifvertrag! 6 BeckOK/Jacobs, § 307 Rz. 26. 7 Giesen, ZfA 2010, 657 (663); Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 503. 8 Diehn, NZA 2004, 129 (131); BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 23. 9 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 497; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 14. 10 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 498; a.A. BAG 21.8.2002 – 4 AZR 263/01 – NZA 2003, 442.

Klumpp 331

§ 307

Inhaltskontrolle

daraus, dass wegen §§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 BGB deshalb eine Kontrolle des Tarifvertrages unterbleibt, weil ansonsten eine Zweiteilung der Belegschaft erfolgte – was auch bei einem örtlich nicht einschlägigen Tarifvertrag nicht geschehen kann.1 166 Ein anderer Fall ist hier der zeitlich nicht mehr geltende Tarifvertrag: Hier kann es zu einem Auseinanderfallen der Belegschaft kommen, weil die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach § 4 Abs. 5 TVG an der Nachwirkung teilnehmen.2 Deshalb verbieten §§ 310 Abs. 4 Satz 4, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB in diesem Fall die Angemessenheitskontrolle (a.A. Kreft, § 310 Rz. 71). 167 Diskutiert wird die Frage, ob an der Privilegierung des Tarifvertrages nicht dann etwas geändert werden muss, wenn der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer ein besonderes Opfer abverlangt und etwa den Vertragsinhalt erheblich verändert. In Rede stehen hier vor allem Sanierungstarifverträge, die das Entgelt nicht selten erheblich absenken. Vorgeschlagen wird hier eine Inhaltskontrolle, die sich daraus rechtfertigen soll, dass der nicht tarifgebundene Arbeitnehmer diesen Tarifvertrag nicht durch seine Mitgliedschaft legitimiert habe und so im Hinblick auf die staatliche Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Kontrolle des Tarifvertragsinhalts geboten sei.3 Das freilich ist verfehlt: Es geht in solchen Fällen nicht um die Frage, ob ein Tarifvertrag einer Inhaltskontrolle unterworfen werden soll, sondern um die Prüfung, ob eine entsprechende Tarifentwicklung nicht so unvorhersehbar ist, dass von einer überraschenden Änderung für den Arbeitnehmer ausgegangen werden muss.4 168 Ein in Bezug genommener Tarifvertrag, der nicht der Inhaltskontrolle unterfällt, ist auch nicht anhand des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen.5 Dies gilt nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist,6 sondern auch darüber hinaus. Denn auch eine Transparenzkontrolle liefe auf eine Tarifzensur anhand des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus.7 1 2 3 4 5

Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 498. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 499. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 508. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 508. Schlewing, NZA Beilage 2012, 33 (40); ErfK/Müller-Glöge, § 611 BGB Rz. 88; a.A. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 15. 6 So BAG 13.12.2007 – 6 AZR 222/07 – NZA 2008, 478; BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – NZA 2007, 1049. 7 Schlewing, NZA Beilage 2012, 33 (40).

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Einzelne Klauseln

§ 307

bb) Betriebsvereinbarung Auch Betriebsvereinbarungen können arbeitsvertraglich in Bezug ge- 169 nommen werden.1 Allerdings gelten Betriebsvereinbarungen für die Arbeitnehmer des betreffenden Betriebs bereits normativ, § 77 Abs. 4 BetrVG, so dass zunächst durch Auslegung zu klären ist, ob eine Bezugnahmeklausel nicht lediglich deklaratorischen Charakter hat, was regelmäßig anzunehmen sein wird:2 Denn der Gleichstellungzweck, wie er der Bezugnahme auf Tarifverträge regelmäßig eigen ist, entfällt bei der Betriebsvereinbarung.3 Die Betriebsvereinbarung selbst ist wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der Angemessenheitskontrolle entzogen – sie ist an § 75 BetrVG zu messen.4 Die Frage nach der deklaratorischen und der konstitutiven Bezugnahme ist dann bedeutsam, wenn es um die Wahrung von Besitzständen geht: Bei deklaratorischem Verweis kommt es (nur) zur normativen Geltung der Betriebsvereinbarung; bei konstitutivem wird der Inhalt der Betriebsvereinbarung (zugleich) arbeitsvertragliche Regelung – die sich im Falle einer nach dem Ablöseprinzip zulässigen verschlechternden normativ geltenden Betriebsvereinbarung wegen des Günstigkeitsprinzips gegen die Betriebsvereinbarung durchzusetzen vermag. Eine solche deklaratorische Bezugnahme ist für den Arbeitnehmer auch nicht unklar, § 305c Abs. 2 BGB, jedenfalls dann, wenn auf die geltenden Betriebsvereinbarungen Bezug genommen wird.5 Soll die Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung dagegen ausnahmsweise konstitutiv wirken, so unterliegt die Betriebsvereinbarung (unabhängig davon, ob als Ganze oder in Teilen in Bezug genommen) der AGB-Kontrolle, sie nimmt nicht am Privileg des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB teil.6 Ob eine konstitutive Bezugnahme vorliegt, kann vom Zweck der Bezugnahme her erschlossen werden. Rieble und Schul7 haben drei mögliche Zwecke herausgearbeitet: die Geltungserstreckung auf Arbeitsverhältnisse, die von der Betriebsvereinbarung (doch) nicht betroffen sind, wie etwa bei Arbeitnehmern betriebsratsloser (Neben-)Betriebe;8 die Heilung unwirksamer Betriebsvereinbarungen und die 1 2 3 4 5 6 7 8

Dazu Preis, NZA 2010, 361 (364 ff.); Rieble/Schul, RdA 2006, 339. BAG 18.11.2003 – 1 AZR 604/02 – NZA 2004, 803. Rieble/Schul, RdA 2006, 339. Preis, NZA 2010, 361 (365). Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (344). Preis, NZA 2010, 361 (365). Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340). Weitere Beispiele zur Geltungserstreckung siehe Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (341).

Klumpp 333

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§ 307

Inhaltskontrolle

einzelvertragliche Festsetzung des aktuellen Inhalts der Betriebsvereinbarung – als Entkoppelung der Dynamik. 171 Zulässig ist auch die betriebsvereinbarungsoffene Verweisung (dynamische Verweisung), nach der etwa arbeitsvertragliche Regelungen durch Betriebsvereinbarungen auch verschlechternd abgeändert werden können.1 Damit wird letztlich (lediglich) das auch zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung bestehende Günstigkeitsprinzip2 ausgehebelt.3 cc) Richtlinien nach § 28 SprAuG 172 Richtlinien nach § 28 SprAuG unterfallen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Das wird mit dem Hinweis anders gesehen, dass auch sie normativ wirken und damit durch den Gesetzgeber mit einer Richtigkeitsgewähr ausgestattet sind.4 Jenseits der Frage, ob diese Richtigkeitsgewähr wegen des eingeschränkten Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisses leitender Angestellter und des Fehlens einer schlichtenden Einigungsstelle verneint werden muss,5 war dem Gesetzgeber der Schuldrechtsreform jedenfalls auch das Regelungsinstrument der Richtlinie nach § 28 SprAuG bekannt, allerdings wurde auf eine Aufnahme in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB verzichtet.6 dd) Kirchliche Arbeitsbedingungen 173 Auf dem so genannten Dritten Weg zustande gekommene kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) unterfallen nach herrschender Meinung nicht § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB und wären somit grundsätzlich anhand der §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren.7 Weil sie nicht normativ wirken, kann ihre Geltung für das einzelne Arbeitsverhältnis nur über eine Bezugnahmeklausel erreicht werden. Das infolge des den Kirchen verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts, Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV, von den Kirchen erlassene Regelungsfindungssystem des Dritten Weges ist aber als im Arbeitsrecht geltende Besonder1 2 3 4 5 6 7

Dazu Preis, NZA 2010, 361; Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340). BAG 27.1.2004 – 1 AZR 148/03 – NZA 2004, 667. Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340). Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404). So DBD/Däubler, AGB-Kontrolle, § 310 Rz. 36. Hromadka/Sieg, § 28 SprAuG Rz. 16. BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – n.v.: a.A. Richardi, NZA 2002, 1057 (1062); Thüsing, ZTR 2005, 507.

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Einzelne Klauseln

§ 307

heit zu berücksichtigen: Weil der Dritte Weg dem Tarifvertragssystem gleichwertig ist, sind AVR im Ergebnis auch nur wie Tarifverträge auf Verfassungs-, Gesetzes- und Sittenverstoß hin zu überprüfen.1 10. Dienstwagen Wird dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, handelt es sich regelmäßig um einen Entgeltbestandteil.2 Deshalb sind bei der Kontrolle von außerhalb des Arbeitsvertrages geschlossenen Dienstwagenvereinbarungen auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, zu berücksichtigen.3 Gesetzlicher Maßstab für die Inhaltskontrolle sind deshalb die Regelungen über das Arbeitsentgelt.

174

Ein formularmäßig vereinbartes Widerrufsrecht muss wegen des Entgeltcharakters den Vorgaben des § 308 Nr. 4 BGB entsprechen.4 Im Rahmen der Bestimmung der für die Wrksamkeit des Widerrufsrechts maßgeblichen 25 %-Grenze bietet es sich an, für den Dienstwagen 1 % des Listenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung in Ansatz zu bringen. Als Widerrufsgründe für den Entzug des Dienstwagens kommen dabei der Entfall der Notwendigkeit einer dienstlichen Nutzung des Wagens durch den Arbeitnehmer (insbesondere während der Freistellungsphase nach ausgesprochener Kündigung) oder anderweitige Nutzungsnotwendigkeiten im Zeitraum der Entgeltfortzahlung in Betracht.5 Für den Entzug des Dienstwagens muss in diesen Fällen keine Ankündigungsfrist vorgesehen werden, vielmehr spielt diese Frage im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 315 BGB eine Rolle.6

174a

Klauseln, die die Haftung des Arbeitnehmers für Schäden am Dienst- 174b wagen während des dienstlichen Gebrauchs entgegen den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung erweitern, scheitern nach h.M. (dazu Rz. 196) bereits daran, dass diese Grundsätze als zwingend angesehen werden.

1 BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – n.v.; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – ZMV 2010, 331; BAG 24.3.2011 – 6 AZR 796/09 – ZMV 2011, 279. 2 BAG 5.9.2002 – 8 AZR 702/01 – NZA 2003, 973. 3 BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616; BAG 14.12.2010 – 9 AZR 631/09 – NZA 2011, 569; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809. 4 Dazu BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457. 5 BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616; Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 15. 6 BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616.

Klumpp 335

§ 307

Inhaltskontrolle

Anderes gilt für Schäden, die während des privaten Gebrauchs entstehen, hier haftet der Arbeitnehmer aber ohnehin nach den allgemeinen Grundsätzen.1 174c

Dienstwagenübernahmeklauseln, bei denen am Ende des Arbeitsverhältnisses bestimmt wird, dass der Arbeitnehmer entweder in den Leasingvertrag des Dienstwagens einzutreten oder aber (auch anteilig) die Ablösekosten gegenüber dem Leasinggeber zu übernehmen hat, sind jedenfalls dann unangemessen, wenn der Dienstwagen auch zum betrieblichen Gebrauch zur Verfügung gestellt wurde.2 Durch die drohenden Übernahmekosten wird die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt und das wirtschaftliche Risiko an der Beschaffung des Wagens auf den Arbeitnehmer übergewälzt.3 Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber den Wagen anderweitig einsetzen kann.4 Ist der Dienstwagen – wie meist – Teil des Arbeitsentgelts und damit auch zur privaten Nutzung überlassen, so fällt eine Regelung, wonach der Arbeitgeber den Wagen zurückverlangen darf, unter die Voraussetzungen für das Widerrufsrecht bei Arbeitgeberleistungen (dazu § 308 Nr. 4 Rz. 38).5 11. Direktionsrechtsklauseln

175 Versetzungsklauseln dienen der Flexibilisierung des Arbeitsverhältnisses. Zwar gibt dem Arbeitgeber bereits § 106 GewO das Weisungsrecht an die Hand, das aber an die dort beschriebenen Grenzen der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen, aber auch an die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen selbst gebunden ist. Weil vor allem auf Grund der wirtschaftlichen Veränderungen ein Flexibilitätsdruck auf dem Arbeitsverhältnis liegt, hat der Arbeitgeber ein Interesse an einem (noch) über § 106 GewO hinausgehenden Direktionsrecht.6 Hier geht es also um die Erweiterung der „eigentlich“ vereinbarten vertraglichen Festlegungen. Der Arbeitnehmer hat von einer solchen vertraglichen Di1 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 15. 2 BAG 9.9.2003 – 9 AZR 574/02 – NZA 2004, 484; LAG Köln 19.6.2009 – 4 Sa 901/08; für den Fall eines ohne betriebliche Notwendigkeit auf Wunsch des Arbeitnehmers beschafften Wagens LAG Hessen 14.10.2005 – 12 Sa 2008/04; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 523; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 15; Thüsing, AGB-Recht, Rz. 231. 3 Dazu Chwalisz, ArbRAktuell 2011, 627. 4 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 16. 5 Dazu BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 616; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 227. 6 Dazu Hunold, NZA 2007, 19 (20).

336 Klumpp

Einzelne Klauseln

§ 307

rektionsrechtserweiterung auch Vorteile, denn je weiter seine Einsatzmöglichkeit beim Arbeitgeber ist, desto geringer kann durch den Einbezug einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern in eine Sozialauswahl sein Kündigungsrisiko sein.1 Auf der anderen Seite stehen weite Direktionsrechtsklauseln mit dem zwingenden gesetzlichen Bestandsschutz in einem Spannungsverhältnis. Auf die Direktionsrechtsklauseln findet § 308 Nr. 4 BGB keine Anwendung, weil es nicht um die Leistungsbestimmung für Arbeitgeberleistungen geht, sondern um die Arbeitnehmerleistung (§ 308 Nr. 4 Rz. 27).2 Für die AGB-Kontrolle wichtig ist die Einordnung einer Direktionsrechtsklausel: Handelt es sich (lediglich) um eine Klausel, die den Rahmen des § 106 GewO wiedergibt, so kommt es wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht zur Angemessenheitskontrolle, sondern (lediglich) zur Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Solche Klauseln weichen nicht von der maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 106 GewO ab. Diese „unechten“ Direktionsrechtserweiterungen3 liegen immer dann vor, wenn es vertraglich zunächst zu einer Einschränkung der Tätigkeit hinsichtlich Art oder Ort kommt, diese Einschränkung dann aber im Rahmen der Vorgaben des § 106 GewO wieder erweitert wird.4 Es hilft die Überlegung, ob die durch die scheinbare Erweiterung geschaffene Direktionsrechtslage auch bei Nichtregelung durch die Parteien lediglich auf der Grundlage des § 106 GewO gölte. Die Transparenzkontrolle solcher gesetzwiederholenden Regelungen verlangt nicht, dass die Gründe für die Ausübung des Direktionsrechts genannt werden.5 Eine echte, konstitutive Direktionsrechtserweiterung liegt dagegen vor, 176 wenn über § 106 GewO hinaus gegangen wird und eine Tätigkeit zugewiesen werden kann, die nicht von der ursprünglich vereinbarten Tätigkeit gedeckt wird.6 Das gilt etwa für geringwertigere, aber auch für höherwertige Tätigkeiten oder solche, die nicht der Qualifikation des Arbeitnehmers entsprechen. Die Folge ist hier die Kontrolle anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Angemessenheit. 1 2 3 4

Auch WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 109. Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 806. Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970). BAG 13.6.2012 – 10 AZR 296/11; BAG 19.1.2011 – 10 AZR 738/09 – NZA 2011, 631; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805; BAG 13.6.2007 – 5 AZR 564/06 – NZA 2007, 974. 5 BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355; BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26. 6 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970).

Klumpp 337

§ 307

Inhaltskontrolle

177 Regelungen über den Arbeitsort sind regelmäßig lediglich am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen,1 denn zum einen wiederholen sie lediglich das dem Arbeitgeber ohnehin aus § 106 GewO zustehende Weisungsrecht und zum anderen geht es um die Hauptleistung des Arbeitnehmers.2 Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien also einen bestimmten Einsatzort, darüber hinaus aber eine Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers, so ist dies nichts anderes als die Wiedergabe des ortsbezogenen Weisungsrechts des Arbeitgebers. Eine Konkretisierung auf den genannten (primären) Einsatzort findet nicht statt.3 Die Versetzungsregelung ist auch nicht deswegen intransparent, weil sie etwa keine Gründe, keine alternativen Einsatzorte oder keine maximalen Entfernungen nennt.4 Das folgt schon daraus, dass der Arbeitgeber eine konkrete Bindung nicht eingehen kann, weil beim Abschluss des Arbeitsverhältnisses sichere Prognosen über spätere Einsatznotwendigkeiten nicht getroffen werden können.5 Außerdem ist das weite Direktionsrecht für das Arbeitsverhältnis gerade konstitutiv und somit eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit.6 Eine Angemessenheitskontrolle hat nicht zu erfolgen, weshalb der Arbeitnehmer durch die Ausübungskontrolle geschützt wird – der Arbeitgeber hat sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben.7 178 Wegen einer Abweichung von § 106 GewO unterliegen Versetzungsregelungen, die dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnen, dem Arbeitnehmer über den Bereich des bestehenden Direktionsrechts hinaus ein gleichwertiges anderes Arbeitsgebiet (unter Beibehaltung des Arbeitsentgelts) zuzuweisen,8 einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie sind aber nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht benachteiligend. Das Transparenzgebot verlangt freilich, dass aus der Klausel nicht auch folgen kann, dass dem Arbeitnehmer eine geringwertigere

1 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805; Suckow/Striegel/Niemann/ Suckow, Rz. 810. 2 BAG 19.1.2011 – 10 AZR 738/09 – NZA 2011, 631. 3 BAG 13.6.2012 – 10 AZR 296/11. 4 BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 812; BeckOK/Jacobs, § 307 BGB Rz. 75; abweichend Zundel, NJW 2006, 1237 (1238). 5 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149. 6 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (973). 7 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 55. 8 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149.

338 Klumpp

Einzelne Klauseln

§ 307

Tätigkeit zugewiesen werden kann.1 Gründe für die Zuweisung des neuen Tätigkeitsbereichs müssen in der Klausel nicht genannt werden, weil es zu keiner Abweichung von § 106 GewO kommt.2 Diese Rechtsprechung ist deshalb abzulehnen, weil der Arbeitgeber damit berechtigt ist, einseitig andere als die vereinbarte Tätigkeit zuzuweisen und damit in den Kernbereich der Leistungspflichten des Arbeitsverhältnisses einzugreifen.3 Anderes mag nur dann gelten, wenn lediglich Gründe im Sinne des § 2 KSchG zur Änderung der Tätigkeit berechtigen sollen. Eine Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht zuweist, dem Arbeitneh- 179 mer einseitig eine geringwertigere als die vertraglich festgelegte Tätigkeit zuzuweisen, ist eine echte Direktionsrechtserweiterung und an § 307 Abs. 1, 2 BGB zu messen.4 Sie ist jedenfalls dann unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB, wenn mit der Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit auch das Arbeitsentgelt entsprechend abgesenkt wird, weil es hier zum Eingriff in das ursprüngliche Synallagma des Arbeitsvertrages kommt und die kündigungsschutzrechtlichen Regelungen, insbesondere § 2 KSchG, unterlaufen werden.5 Das BAG sieht darin eine Abweichung vom gesetzlichen Inhaltsschutz des Arbeitsrechts und wendet § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB an.6 Wenn mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung zur Arbeit auf Abruf (siehe dazu oben Rz. 100 ff.) hier eine Absenkung von maximal 20 % für zulässig gehalten wird,7 so geht dies aber deshalb fehl, weil es bei der Abrufarbeit lediglich um eine zeitliche Änderung mit entsprechendem Entgeltausfall geht, bei der Zuweisung geringwertigerer Tätigkeiten aber um eine qualitative Änderung der Tätigkeit. Diese trifft den Arbeitnehmer dann mit der Absenkung des Arbeitsentgelts doppelt negativ. Die Rechtsprechung ist freilich dann großzügig und lässt entsprechende Klauseln zu, wenn sachliche Änderungsgründe vorgesehen sind und das Arbeitsentgelt nicht gesenkt wird.8 Freilich bestehen erhebliche Bedenken, eine Zuweisungsmöglichkeit geringwertigerer Tätigkeiten auch ohne Absenkung des Arbeitsent1 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145. 2 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – NZA 2011, 64; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355. 3 Junker, BB 2007, 1274 (1275). 4 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145; Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (974). 5 BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355; BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145. 6 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145. 7 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (973). 8 BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145.

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Inhaltskontrolle

gelts zu goutieren,1 denn es kommt auch hier bei einer Änderung durch Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit zu einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Richtig ist die Rechtsprechung nur, wenn diese Gründe, die zur Zuweisung der geringwertigeren Tätigkeit berechtigen sollen, den Vorgaben des § 2 KSchG entsprechen und so keine Abweichung vom zwingenden Bestandsschutz erfolgt.2 Dabei dürfte es aber nicht ausreichen, wenn lediglich mit abstrakten Erfordernissen gearbeitet wird. Dies führte darüber hinaus auch zur Intransparenz der Regelung, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, wann die Direktionsrechtserweiterung greift.3 Auch der Vorschlag, eine Grenze bei solchen Tätigkeiten zu setzen, deren Vergütungsniveau höchstens 25 % unter dem Niveau der bisherigen Tätigkeit liegt,4 geht fehl, weil er die Vorgaben des Bestandsschutzes nicht beachtet. 180 Die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit ist nur dann angemessen, wenn es zugleich zu einer entsprechenden Anhebung des Entgelts kommt.5 Eine anderweitige Regelung widerspricht dem gesetzlichen Inhaltsschutz und dem Zweck des Arbeitsvertrages.6 Denn der Arbeitgeber könnte dann einseitig zu tief in das Vertragsgefüge eingreifen. 181 Bei sogenannten Konzernversetzungsklauseln sind zwei Typen zu unterscheiden: Zum einen die (bloßen) Entsendungs- oder Abordnungsklauseln, die eine Übertragung des Weisungsrechts auf ein anderes Konzernunternehmen vorsehen, und zum anderen die (echten) Konzernversetzungsklauseln, bei denen es zum Arbeitgeberwechsel zu einem anderen Konzernunternehmen kommen soll. Während Entsendungsklauseln als weithin unproblematisch angesehen werden,7 kommt es bei echten Konzernversetzungsklauseln wegen des Arbeitgeberwechsels zu einer Kollision mit den Bestandsschutzvorschriften. Deshalb stehen Rechtsprechung und Schrifttum diesen Klauseln zu Recht sehr reserviert gegenüber.8 Echte Konzernversetzungsklauseln unterfallen wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht § 309 Nr. 10 BGB, sondern sind an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (siehe § 309 Nr. 10 1 2 3 4 5 6 7 8

WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 110. Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (975). Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (976). Henssler/Moll, S. 65. Henssler/Moll, S. 65. BAG 9.5.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, 145. Henssler/Moll, S. 68. HWK/Gotthardt, § 309 BGB Rz. 13; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 113.

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Rz. 125).1 Hier begegnen sie freilich Bedenken, zunächst vor allem im Hinblick auf das Transparenzprinzip des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: Weil es für den Arbeitnehmer wesentlich ist zu erfahren, welchen Arbeitgeber er zugewiesen bekommen kann, reicht eine Formulierung, die sich nur abstrakt auf den Konzern bezieht, nicht aus. Dies gilt schon deshalb, weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar ist, wie sich die Konzernstruktur zukünftig entwickeln wird. Diskutiert wird hier vor allem die Notwendigkeit, dem Arbeitnehmer ein Rückkehrrecht (dazu auch oben Rz. 141) zum ursprünglichen Arbeitgeber einzuräumen. Eine echte Konzernversetzungsklausel, die ein solches Rückkehrrecht nicht enthält, ist stets unwirksam. Ist die Direktionsrechtserweiterung unwirksam, kommt es zur Anwen- 182 dung der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO. Dabei kann allerdings zwischen den verschiedenen Bereichen des Direktionsrechts getrennt werden, so dass etwa eine unwirksame Konzernversetzungsklausel nicht dazu führt, dass auch eine Versetzungsklausel hinsichtlich des Arbeitsortes unwirksam wird.2 12. Freistellungsklauseln Bisweilen hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, den Arbeitnehmer 183 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von seiner Arbeitspflicht zu entbinden. Eine solche Freistellung ist ohne weitere Vereinbarung dann möglich, wenn das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers übersteigt. Dies ist aber nur in besonderen Fällen so, etwa wenn ein bereits gekündigter Arbeitnehmer in einer leitenden Funktion während der Kündigungsfrist freigestellt wird, weil zu besorgen ist, dass Geschäftsgeheimnisse gefährdet sind. Grundsätzlich hat – wie das BAG bereits früh judiziert hat – der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Beschäftigung.3 Diesem kann sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht entziehen. Eine Vereinbarung über die Freistellungsmöglichkeit des Arbeitsgebers ist aber durch Individualvereinbarung unproblematisch möglich.4

1 Str., WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 113. 2 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – NZA 2011, 64. 3 BAG 10.11.1955 – 2 AZR 591/54 – AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; siehe auch BAG – GS 1/84 – NZA 1985, 702. 4 LAG Hamm 3.2.2004 – 19 Sa 120/04 – NZA-RR 2005, 358; Preis/Preis, II F 10 Rz. 7.

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Inhaltskontrolle

184 Formularmäßige Vereinbarungen über die Freistellungsmöglichkeit müssen – nach dem Leitbild des aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 GG folgenden Beschäftigungsanspruches – das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers und das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers aufnehmen. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Eine Freistellungsmöglichkeit ohne sachliche Begründung weicht vom gesetzlichen Leitbild des allgemeinen Beschäftigungsanspruches jedenfalls ab und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.1 Sachliche Gründe sind jedoch ausreichend, wichtige Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sind nicht notwendig.2 Dabei darf sich dieser Grund nicht abstrakt, etwa auf das gekündigte Arbeitsverhältnis beziehen, sondern muss ein konkretes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers wiedergeben – wie z.B. die Besorgnis des Verrats von Geschäftsgeheimnissen.3 Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB fordert zusätzlich, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung benannt werden.4 Im Gegensatz zum gekündigten Arbeitsverhältnis steht das ungekündigte Arbeitsverhältnis nicht (kurz) vor der Beendigung. Hier ist ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers eine schwer zu rechtfertigende Abweichung vom Leitbild des Beschäftigungsanspruches. Will der Arbeitgeber für diese Situation eine Freistellungsregelung treffen, so ist dies – entsprechend dem Leitbild des Beschäftigungsanspruches – nur möglich, wenn die Freistellungsmöglichkeit nur in besonderen Fällen – wie etwa bei einem drohenden Geheimnisverrat – erfolgen soll.5 185 Eine ähnliche Wirkung wie Freistellungsvereinbarungen haben Ruhensvereinbarungen, bei denen das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt wird, wobei es zur Aussetzung der Hauptleistungspflichten kommt. Weil durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vom gesetzlichen Leitbild des Beschäftigungsanspruches, aber ebenso von der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos, wie es sich etwa aus § 615 Satz 3 BGB ergibt, abge-

1 LAG München 7.3.2003 – 5 Sa 297/03 – LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; Richter/ Lange, NZA-RR 2012, 57 (58); Meyer, NZA 2011, 1249 (1253); Bauer, NZA 2007, 409 (412). 2 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 307. 3 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 530. 4 HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 18. 5 Dafür Preis/Preis, II F 10 Rz. 15 ff.; DBD/Däubler, AGB-Kontrolle, § 307 Rz. 45; dagegen Fischer, NZA 2004, 233.

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wichen wird, ist eine entsprechende Klausel nur unter restriktiven Bedingungen angemessen. 13. Freiwilligkeitsvorbehalte Freiwilligkeitsvorbehalte sind einer der problematischsten Bereiche der 186 AGB-Kontrolle im Arbeitsvertrag. Im Gegensatz zum Widerrufsvorbehalt, der dem Arbeitgeber des Recht gibt, einen zugesagten Anspruch entfallen zu lassen (und der deshalb einer Ausübungskontrolle zu unterziehen ist), sollen Freiwilligkeitsvorbehalte verhindern, dass für den Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auf die unter den Vorbehalt gestellten Leistungen überhaupt entsteht – und so der Arbeitgeber auch künftig gebunden ist. Maßgeblich sollen Freiwilligkeitsvorbehalte dazu beitragen, dass aus wiederkehrenden Leistungen des Arbeitgebers (etwa bei Weihnachtsgratifikationen) keine betriebliche Übung resultiert. Das durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt umgesetzte praktische Bedürfnis des Arbeitgebers nach Flexibilität und das Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers im Hinblick auf zu erwartende Arbeitgeberleistungen in eine auch dogmatisch belastbare Struktur zu bringen, ist bislang freilich nicht gelungen.1 Dabei wird vor allem das durch den Freiwilligkeitsvorbehalt gesteigerte Opportunismuspotential durch den Arbeitgeber als problematisch angesehen, weil der Arbeitgeber Leistungen, die unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit stehen, nach Gutdünken entziehen könne.2 Bedeutung hat ein Freiwilligkeitsvorbehalt vor allem für wiederkehrende Leistungen des Arbeitgebers. Hier kann es im Zuge einer betrieblichen Übung durch bloße Leistungsgewährung zu einem auch auf zukünftige Leistungen gerichteten Rechtsanspruch des Arbeitnehmers kommen.3 Diesen kann der Arbeitgeber nach der richtigen rechtsgeschäftlichen Lösung4 ausschließen, wenn sich für den Arbeitnehmer deutlich ergibt, dass der Arbeitgeber eine Leistung nur freiwillig erbringt und er sich für die Zukunft gerade nicht binden will, er mithin keinen entsprechenden Rechtsbindungswillen hat. Unproblematisch ist dies, wenn jede einzelne Leistung unter einem konkreten Freiwilligkeitsvorbehalt steht.5 Solche Freiwilligkeitsvorbehalte, die sich auf eine konkre1 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (58) spricht von der „Quadratur des Kreises“. Zu den einzelnen Interessen siehe Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (578). 2 Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (578); Preis, NZA 2009, 281 (282): Dem Arbeitnehmer würde „die Wurst vor die Nase gehalten“. 3 BAG 24.3.2010 – 10 AZR 43/09 – NZA 2010, 759. 4 Siehe zum Ganzen Chr. Picker, Jb JZivRWiss 2010, 205 (209 ff.). 5 Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (698).

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te, einzelne Leistung beziehen, sind nicht der Inhaltskontrolle zu unterwerfen – sie sind Teil der Hauptleistung, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.1 188 Ob dagegen pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte, die zukünftige Leistungen umfassen sollen, der AGB-Kontrolle unterfallen und ihr standhalten, ist strittig. Die Rechtsprechung nimmt dies mit dem Hinweis an, solche Klauseln, jedenfalls wenn sie laufende Arbeitgeberleistungen beträfen, wichen vom Grundsatz des pacta sunt servanda ab.2 In der Literatur wird vertreten, dass Freiwilligkeitsvorbehalte jedenfalls dann nicht der Inhaltskontrolle (sondern nur der Transparenzkontrolle) unterfielen, wenn sie klar und eindeutig formuliert seien.3 Von vornherein jede Anwendung der §§ 305 ff. BGB ablehnend wird darüber hinaus darauf hingewiesen, wegen der intendierten Freiwilligkeit handele es sich nicht um Vertragsabreden (es fehle das pactum), so dass eine AGB-Kontrolle von vornherein entfiele.4 Allerdings verfängt diese Kritik nicht, denn richtigerweise unterfallen Freiwilligkeitsklauseln der Inhaltskontrolle – weil sie eine Auslegungsregel für das (künftige) Arbeitgeberverhalten setzen und damit von den §§ 133, 157 BGB abweichen:5 Ob eine Leistung des Arbeitgebers rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit in sich trägt ist danach zu beurteilen, ob ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers feststellbar ist; ein Freiwilligkeitsvorbehalt soll verhindern, dass der Arbeitnehmer diesen Rechtsbindungswillen annehmen kann. 189 Die Rechtsprechung des BAG hält pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte grundsätzlich für möglich, hat aber in der jüngeren Zeit immer größere Wirksamkeitshindernisse aufgestellt.6 Zunächst werden Freiwilligkeitsvorbehalte, die sich auf laufende Zahlungen des Arbeitgebers beziehen, als unwirksam angesehen.7 Ein solcher Vorbehalt verstoße gegen den Grundsatz des pacta sunt servanda, der Arbeitgeber greife durch den 1 2 3 4

Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (698). BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 128. So Ricken, DB 2006, 1372 (1374); Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777 (1780); Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1140). 5 Richtig und zuletzt Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (700); Mikosch, FS Düwell (2011), S. 115 (124 f.). 6 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853; BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81; die Literatur spricht bisweilen martialisch vom schleichenden Tod des Freiwilligkeitsvorbehalts bis zum Gnadenschuss, Preis/Sagan, NZA 2012, 697; Preis, NZA 2009, 281. 7 BAG 15.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853; BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173.

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Freiwilligkeitsvorbehalt in das durch die laufenden (im konkreten Fall monatlichen) Zahlungen konstituierte vertragliche Synallagma ein.1 Das hat für den 5. Senat zur Folge, dass einmal die Kontrollfähigkeit der Regelung wegen Abweichens von einer Rechtsvorschrift gegeben ist. Im Rahmen der nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB durchgeführten Inhaltskontrolle wird eine Gefährdung des Vertragszwecks angenommen: Das Flexibilitätsinteresse des Arbeitgebers könne sich gegen das Stabilitätsund Lohnerwartungsinteresse des Arbeitnehmers nicht durchsetzen. Entscheidend sei dabei, dass es sich bei laufenden Zahlungen um Leistungspflichten im Synallagma handele. Stehe deren Gewährung unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt und somit in der alleinigen Entscheidung des Arbeitgebers, so liege eine Gefährdung des Vertragszwecks von.2 Für einmalige Zahlungen (etwa Weihnachtsgratifikationen) hat die Rechtsprechung bislang die Wirksamkeit des pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalts an- und eine Prüfung lediglich anhand der Transparenzgebots vorgenommen.3 Auch hieran äußert der 10. Senat aber in einer jüngeren Entscheidung Zweifel,4 die er mit grundsätzlich zutreffenden rechtsgeschäftlichen Erwägungen begründet, jedenfalls wenn der Arbeitgeber über eine lange Zeit (konkret: 20 Jahre) eine jährliche Leistung gewährt. Konsequenz aus dieser Rechtsprechung ist, dass Freiwilligkeitsklauseln, 190 die pauschal alle zusätzlichen Arbeitgeberleistungen ausschließen (also sowohl laufende als auch einmalige Leistungen betreffen), bereits wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind:5 Weil sie dem Arbeitnehmer vermitteln, dass etwa auch individual ausgehandelte Leistungen und laufende Leistungen umfasst werden. Die Folge eines solchen Globalvorbehaltes ist die Unwirksamkeit der gesamten Klausel, weil sie nicht teilbar ist.6 Als prägend für die Diskussion um die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten hat sich einmal die von der Rechtsprechung vertretene Aufteilung zwischen laufenden und einmaligen Zahlungen herausgestellt. 1 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853; auf diesen Zirkelschluss hinweisend auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (871); Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (382); P. Hanau, ZIP 2005, 1661 (1666). 2 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 3 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 38. 4 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 5 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 6 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81.

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Sie wird zu Recht kritisiert. Zwar ist eine solche Trennung in § 4a EFZG aufgenommen, dennoch ist nicht klar, wo genau die Grenze zwischen laufenden und einmaligen Leistungen des Arbeitgebers überhaupt zu ziehen ist.1 Letztlich ist die Vorgabe, dass etwa monatliche Zahlungen laufende Leistungen sein sollen,2 lediglich formale Abgrenzung, die nur eine scheinbare Klarheit vorgibt,3 weil nicht auf den Zweck und die Höhe der Zahlungen abgestellt wird.4 Aus Sicht des Arbeitnehmers jedenfalls leuchtet die Unterscheidung nicht ein – denn dieser wird sowohl in (vermeintlich) zugesagte monatliche als auch in jährliche Zahlungen Vertrauen setzen.5 Und dieses Vertrauen ist als Stabilitäts- und Erwartungsinteresse in die Abwägung einzubringen. 192 In der Literatur wird das Abgrenzungsproblem aufgenommen und jenseits eindeutiger, nicht synallagmatischer Leistungen (wie etwa einer Jubiläumszahlung) auf die Anwendung der Grundsätze verwiesen, die zum Widerrufsvorbehalt aufgestellt wurden.6 Folgte man dem, wären Freiwilligkeitsvorbehalte unabhängig von einer Abgrenzung zwischen einmaligen oder laufenden Leistungen bis zu 25 % der Arbeitgeberleistungen möglich.7 Eine solche Regelung ist aber schon deshalb abzulehnen, weil ein Rechtsanspruch (den die Möglichkeit des Widerrufs ja voraussetzt) gerade ausgeschlossen ist, es geht nicht um die Einschränkung eines Anspruches, sondern um das Verhindern seiner Entstehung.8 Dem kann auch nicht mit dem Hinweis entgegengetreten werden, der Unterschied zwischen Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt sei „wenig trennscharf“:9 Das gilt jedenfalls dann, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt als Vereinbarung über die Änderung der Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB aufgefasst wird. Konsequenter ist hier der Ansatz, der bei Leistungen, die dem Leistungssynallagma unterliegen und in deren Erhalt der Arbeitnehmer ein berechtigtes Vertrauen setzt, stets eine Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts annimmt.10 Dem ist im Er1 Eine abstrakte Abgrenzung hält auch BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173 nicht für möglich; zu diesem Problem auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (48); Stoffels, ZfA 2009, 861 (870); so auch Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (399), der aber die Wertungen des § 4a EFZG übernehmen will. 2 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853. 3 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 551: tautologischer Abgrund. 4 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535. 5 Annuß, FS Picker (2010), S. 861 (865). 6 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 551; DBD/Däubler, § 307 Rz. 200b. 7 HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 39. 8 In diese Richtung auch Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (699). 9 So etwa Franzen, GS Zachert (2010), S. 686 (693). 10 Annuß, FS Picker (2010), S. 861 (869, 870).

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gebnis zuzustimmen: Durch den pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalt setzt der Arbeitgeber sein Flexibilitätsinteresse gegenüber dem Erwartungsinteresse des Arbeitnehmers unangemessen durch. Dieses Erwartungsinteresse ist vor allem bei Arbeitgeberleistungen, die im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stehen, besonders zu schützen, weil es der Arbeitnehmer als durch die Arbeitsleistung erdient ansehen darf. Der Arbeitgeber darf hier seine einseitige Vertragsgestaltungsmacht nicht nutzen, um dem berechtigten Vertrauen des Arbeitnehmers durch eine Auslegungsregel, wie es der Freiwilligkeitsvorbehalt ist, den Boden zu entziehen. Das heißt, eine Verbindung zwischen einer in Aussicht gestellten Leistung und einem Freiwilligkeitsvorbehalt ist stets unzulässig. Darüber hinaus bleibt für Freiwilligkeitsvorbehalte wenig Raum. Sie sind nur für Leistungen möglich, die außerhalb des Synallagmas stehen, hier kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt grundsätzlich eine zukünftige Bindung des Arbeitgebers infolge einer betrieblichen Übung verhindern – wenn man nicht ohnehin annimmt, dass eine solche Auslegungsregel ihre Kraft dadurch erheblich einbüßt, dass im Rahmen der Feststellung des Rechtsbindungswillens des Arbeitgebers ohnehin alle Umstände zu berücksichtigen sind (§§ 133, 157 BGB).1 Auch das Transparenzgebot setzt der Vereinbarung von Freiwilligkeits- 193 vorbehalten Grenzen. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der vorsieht, eine Leistung werde freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung zuerkannt, ist intransparent weil missverständlich, wenn er sich nicht auch auf zukünftige Leistungen bezieht, und die Klausel nicht deutlich macht, dass auch bei mehrmaliger Leistungsgewährung kein Rechtsanspruch gegeben sein soll.2 Auch eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt ist 194 nach der Rechtsprechung intransparent.3 Das folgt daraus, dass sich ein Widerrufsvorbehalt auf einen bereits bestehenden Anspruch bezöge (der dann widerrufen werden könnte), der Freiwilligkeitsvorbehalt aber einen solchen Anspruch gerade verhindern solle.4 An dieser Rechtsprechung sind aber Zweifel angebracht. Zum einen ist es aus Sicht des 1 In diese Richtung BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 2 BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628; BAG 21.1.2009 – 10 AZR 219/08 – BAGE 129, 164 = NZA 2009, 310; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 746. 3 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81; BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. 4 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81.

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Inhaltskontrolle

durchschnittlichen Arbeitnehmers nicht zwangsläufig, dass dieser den Sinn der Regelung nicht zu erkennen vermag, wenn der Arbeitgeber Leistungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellt. Zum anderen führte die von der Rechtsprechung angenommene Widersprüchlichkeit in diesen Fällen zu einer perplexen Erklärung des Arbeitgebers – die aber nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen die Nichtigkeit der Regelung zur Folge hat, so dass es zu einer Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB gar nicht kommen kann.1 Außerdem argumentiert der Senat zirkelschlüssig, wenn er meint, dass durch die widersprüchliche Klausel für den Arbeitnehmer die Gefahr bestehe, dass er seine Rechte nicht geltend mache:2 Denn wenn der Arbeitnehmer auf der Grundlage eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts keine Rechte geltend mache, dann interpretiert er die Klausel ja genau in der Weise, wie sie der Arbeitgeber gemeint hat. 195 Intransparent ist nach der Rechtsprechung auch die Angabe eines genau umschriebenen Anspruches, der dann unter den Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt wird. Auch hier wird die Widersprüchlichkeit der Klausel hervorgehoben, die sich aus einer fest zugesagten, aber doch unter Vorbehalt gestellten Leistung ergibt.3 14. Haftungsregelungen (Mankoabreden) 196 Für die Haftung des Arbeitnehmers haben sich die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung heraus gebildet, deren dogmatisches Fundament zwar nicht hinreichend geklärt ist,4 die im Ergebnis aber dazu führt, dass die Haftung des Arbeitnehmers an den Verschuldensgrad gebunden wird.5 Die h.M. sieht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als zwingendes Recht, von dem durch Vereinbarung nicht abgewichen werden kann.6 Das wird zu Recht kritisiert und darauf hingewiesen, dass auch die Rechtsprechung nicht jede Abweichung von den gesetzlichen Rege1 Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (587). 2 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81. 3 BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. 4 Dazu Krause, NZA 2003, 577 (578 f.). 5 BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09 – NZA 2011, 345; BAG 12.11.1998 – 8 AZR 221/97 – NZA 1999, 263. 6 BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03 – NZA 2004, 649; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715; BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141; Waltermann, RdA 2005, 98 (108).

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lungen als unzulässig ansieht, sondern (wie im Falle der Mankohaftung) durchaus danach fragt, ob für eine Haftungserweiterung des Arbeitnehmers eine entsprechende Kompensation des Arbeitgebers zugesprochen wird. Insofern soll im Hinblick auf Abweichungen von den richterrechtlichen Haftungsgrundsätzen einer ergebnisbezogenen wirtschaftlichen Betrachtung der Vorzug zu geben sein.1 Dem ist beizupflichten. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer anderen Haftungs- 197 regelung besteht auch nach der Rechtsprechung aber dort, wo der Arbeitnehmer alleine den Zugriff auf Sachen und Bestände des Arbeitgebers hat (dieser selbst also keine Einflussmöglichkeit hat) und wo der Arbeitgeber auch für Eigenschäden des Arbeitnehmers haftet.2 Mankoabreden betreffen deshalb die Haftung des Arbeitnehmers für Fehlbestände hinsichtlich ihm anvertrauter Kassen oder Warenbestände. Klauseln über die Haftung des Arbeitnehmers in diesen Fällen sind nur dann zulässig, wenn dem Arbeitnehmer im Gegenzug für die Haftung ein finanzieller Ausgleich (so genanntes Mankogeld) gezahlt wird und die Haftung nicht über dieses Mankogeld hinaus reichen soll.3 Maßgeblich ist bei der Frage der Höhe des Mankogeldes das abzusichernde Risiko.4 Auch eine verschuldensunabhängige Haftung ist hier möglich – insofern kommt es (zunächst) zu einer verschärfenden Abweichung von den zwingenden Regelungen der Arbeitnehmerhaftung.5 Das berechtigte Arbeitgeberinteresse besteht hier darin, Fehlbeträge in Kassen- oder Warenbeständen zu vermeiden. Insofern geht es jedoch weniger um Schadensersatz als um Schadensprävention.6 Freilich kann sich dieses Interesse nur dann gegen das Interesse des Arbeitnehmers an einer Nichthaftung durchsetzen, wenn der Arbeitnehmer selbst (und ausschließlich) Zugriff auf den betreffenden Bestand hat oder zumindest den Zugang Dritter kontrollieren kann7 – nur dann kann die Steuerungswirkung der Mankoabrede greifen.8 Der Arbeitnehmer muss letztlich die Möglichkeit ha1 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 139; Krause, Anm. AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung. 2 Dazu Walker, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1504 (1505). 3 BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715; BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141. 4 BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715. 5 Krause, Anm. zu BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 3 unter I 1b. 6 Dies kritisierend Schwirtzek, NZA 2005, 437, 438. 7 BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715. 8 Krause, Anm. zu BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715.

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ben, durch eine fehlerfreie Führung des Kassen- oder Warenbestandes eine zusätzliche Vergütung zu erhalten. Damit tritt auch insgesamt keine Verschärfung der Haftung des Arbeitnehmers ein.1 Hier greift der oben beschriebene Kompensationseffekt, weil Mankohaftung und Mankogeld in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (dazu oben Rz. 54 f.). Für zulässig erachtet werden auch längere Ausgleichszeiträume bis zu einem Jahr;2 Höchstgrenze für die Zahlungspflicht des Arbeitnehmers ist aber immer der eingetretene Schaden. Für Beweislasterschwerungen gilt § 309 Nr. 12 BGB, siehe dort Rz. 149 f. 15. Nebentätigkeit 198 Nebentätigkeiten sind alle Tätigkeiten, die nicht dem Arbeitsverhältnis zugerechnet werden können und bei denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.3 Dabei ist der Arbeitnehmer durch die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit, Art. 12 GG, für berufliches und die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 GG, für nichtberufliches Tun, geschützt.4 Dem Arbeitgeber, der ein Interesse daran hat, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch dessen Nebentätigkeit nicht leidet, steht ebenfalls Art. 12 GG zur Seite. Gesetzlich geregelt ist die Frage nach der Zulässigkeit einer Nebentätigkeit nur mittelbar: Wesentliche Grenze ist hier zum einen das Arbeitszeitrecht, das durch die Vorgabe von Höchstarbeitszeiten letztlich auch Nebentätigkeiten einschränkt. Unter die nebentätigkeitsbegrenzenden arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zählen etwa auch die Lenkzeiten für Kraftfahrer.5 Außerdem zeigt § 8 BUrlG, dass während des Erholungsurlaubs solche Tätigkeiten nicht zulässig sind, die den Urlaubszweck gefährden. 199 Jenseits dieser Sonderregelungen folgen Begrenzungen für die Zulässigkeit einer Nebentätigkeit aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB.6 In Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber folgt für den Arbeitnehmer die Pflicht, alle Nebentätigkeiten zu unterlassen, die die Durchführung der arbeitsvertraglichen Pflichten gefährden.7 Richtigerweise dürfen nur be1 BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03 – NZA 2004, 649; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715. 2 BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141. 3 MünchArbR/Reichold, § 49 Rz. 50. 4 Thüsing, AGB-Recht, S. 125, Rz. 317; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 724. 5 BAG 26.6.2001 – 9 AZR 343/00 – NZA 2002, 98. 6 MünchArbR/Reichold, § 49 Rz. 50. 7 Thüsing, AGB-Recht, Rz. 317; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 725.

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rechtigte Interessen des Arbeitgebers und die grundrechtliche Freiheit des Arbeitnehmers bei der durchzuführenden Abwägung eine Rolle spielen, nicht aber Allgemeinwohlinteressen.1 Nebentätigkeitsklauseln finden sich regelmäßig in Formulararbeitsverträgen. Sie werden einer Inhaltskontrolle unterzogen. Absolute Nebentätigkeitsverbote, die dem Arbeitnehmer jede Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses pauschal verbieten, sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig.2 Sie weichen von der gesetzlichen Ausgangslage erheblich ab und berücksichtigen das grundrechtlich geschützte Interesse des Arbeitnehmers nicht. Ausnahmen sollen aber dort gemacht werden, wo der Arbeitnehmer ohnehin seine gesamte Arbeitskraft in den Dienst des Arbeitgebers zu stellen hat. Das kann aber nur für wenige Ausnahmen, etwa Arbeitnehmer in hohen Führungspositionen, gelten.3

200

Grundsätzlich zulässig sind dagegen relative Nebentätigkeitsverbote.4 Diese nehmen ohnehin regelmäßig die gesetzliche Ausgangslage und damit die Arbeitgeberinteressen auf und sind deshalb meist deklaratorisch.5 Sind sie es nicht, so sind sie dann wirksam, wenn sie das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Nebentätigkeit abbilden.

201

Umstritten ist insbesondere die Reichweite von formularmäßig vorge- 202 gebenen Anzeigepflichten. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeit dann anzeigen muss, wenn die Interessen des Arbeitgebers betroffen sind.6 Während eine großzügige Meinung die vereinbarte Pflicht zur Anzeige jeder Nebentätigkeit als wirksam ansieht,7 wird dies von einer restriktiveren Meinung verneint.8 Immerhin hat die weite Auffassung für sich, dass der Arbeitgeber nur dann darüber urteilen kann, ob eine Beeinträchtigung seiner Interessen vorliegt, wenn er

1 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 726; MünchArbR/Reichold § 49 Rz. 50 für die Vermeidung weiterer geringfügiger Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV; dazu auch BAG 6.9.1990 – 2 AZR 165/90 – NZA 1991, 221. 2 BAG 6.9.1990 – 2 AZR 165/90 – NZA 1991, 221; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 728; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 647; MünchArbR/Reichold, § 49 Rz. 57. 3 MünchArbR/Reichold, § 49 Rz. 58. 4 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 645. 5 MünchArbR/Reichold § 49 Rz. 58. 6 BAG 18.11.1988 – 8 AZR 12/86 – NZA 1989, 389; BAG 26.8.1976 – 2 AZR 377/75 – AP BGB § 626 Rz. 68; MünchArbR/Reichold § 49 Rz. 56. 7 Preis/Rolfs, II N 10 Rz. 45. 8 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 654.

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über die Nebentätigkeit überhaupt informiert ist. Auf der anderen Seite ist bereits die Pflicht zur Anzeige einer Nebentätigkeit ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Beides ist in Ausgleich zu bringen. Deshalb ist im Rahmen der AGB-Kontrolle davon auszugehen, dass nur solche Tätigkeiten angezeigt werden müssen, die die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen können.1 Das ist in die Klausel auch aufzunehmen. 203 Absolute Erlaubnisvorbehalte für jede Nebentätigkeit des Arbeitnehmers sind unwirksam.2 Dies gilt sowohl für Klauseln mit einem Erteilungsanspruch wie für solche ohne. Zwar soll auch hier dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben werden, überhaupt über die Beeinträchtigung seiner Interessen zu befinden.3 Richtigerweise scheitert der Erlaubnisvorbehalt in diesen Fällen aber bereits daran, dass es dem Arbeitnehmer bis zur Erteilung der Erlaubnis nicht möglich sein soll, eine Nebentätigkeit auszuüben.4 Eingeschränkte Erlaubnisvorbehalte, die sich (lediglich) auf Nebentätigkeiten beziehen, die die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzen, sind dagegen zulässig.5 204 Im Rahmen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer durch eine Klausel nicht dahin getäuscht werden darf, der Arbeitgeber dürfe jeder Nebentätigkeit die Zustimmung verweigern.6 205 Klauseln, die eine Abführung des durch die Nebentätigkeit Erworbenen an den Arbeitgeber vorsehen, sind unwirksam. Dagegen hat das BAG entschieden, dass Angestellte im öffentlichen Dienst verpflichtet sein können, Vergütungen für Nebentätigkeiten, die sie für andere Arbeitgeber im öffentlichen Dienst ausüben, abzuliefern haben.7 Eine derartige (tarifliche) Regelung verstößt laut BAG weder gegen Art. 3 GG noch gegen Art. 12 GG. 206 Nach § 8 BUrlG hat sich der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs jeder Erwerbstätigkeit zu enthalten, die den Urlaubszweck gefährdet. Klauseln, die den Inhalt dieser Norm wiederholen, sind deklara1 2 3 4 5

Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 654. Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 655. Thüsing, AGB-Recht, Rz. 320. BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 – RdA 2003, 175. Preis/Rolfs, II N 10 Rz. 33 ff.; einschränkend Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rz. 658. 6 MünchArbR/Reichold, § 49 Rz. 57. 7 BAG 25.7.1996 – 6 AZR 683/95 – NZA 1997, 320.

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torisch und nur dem Transparenzgebot unterworfen. Klauseln, die für den Fall der zweckwidrigen Erwerbstätigkeit eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers im Hinblick auf das Urlaubsentgelt vorsehen, scheitern bereits an §§ 11, 13 Abs. 1 BUrlG, nicht an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1 Da auch § 8 BUrlG unabdingbar ist, scheitert hier ein pauschales Verbot jeder Tätigkeit an § 8 BUrlG selbst.2 § 8 BUrlG gilt allerdings nicht im Falle des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Zusatzurlaubs. Hier ist freilich für Nebentätigkeitsverbote oder Erlaubnisvorbehalte ebenso zu entscheiden, wie oben angeführt. 16. Rückzahlungsklauseln a) Aus- und Fortbildungskosten Weil Arbeitgeber ein Interesse an einer Weiterqualifikation ihrer Arbeitnehmer haben, übernehmen sie oft die Kosten für vom Arbeitnehmer wahrgenommene Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen. Diese Kostenübernahme wird regelmäßig mit einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers verbunden, wenn dieser vor einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet – weil der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, dass sich die von ihm aufgebrachten Kosten der Ausbildung amortisieren und der Arbeitnehmer seine neue erworbene Qualifikation seine Tätigkeit einbringt.3 Demgegenüber steht das Interesse des Arbeitnehmers, nicht durch eine Rückzahlungsklausel (zu lange) an den Arbeitgeber gebunden zu sein.4

207

Rückzahlungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig.5 Dies gilt allerdings wegen § 12 Abs. 1 und 2 BBiG nicht im Ausbildungsverhältnis, wobei es hier auf die Abgrenzung zu einer nicht von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BBiG erfassten Fortbildung ankommt.6 Ebenfalls keiner Rückzahlungsvereinbarung unterfallen können Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber anderweitig von Gesetzes wegen oder aufgrund einer

208

1 Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 38. 2 Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 33. 3 HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 44; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 334. 4 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738. 5 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – DB 2011, 1338; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 146. 6 Dazu Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 337.

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Inhaltskontrolle

Kollektivvereinbarung zu tragen hat, etwa § 37 BetrVG für die Betriebsratsschulung.1 Bereits vor der Aufgabe der Bereichsausnahme des § 23 AGBG hat die Rechtsprechung auf der Grundlage von §§ 138 Abs. 1, 242 BGB Grundsätze entwickelt,2 die sich auch auf die AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen lassen.3 Dabei unterfallen Rückzahlungsklauseln der Inhaltskontrolle, weil sie ergänzende Regelungen im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind.4 209 Eine Rückzahlungsklausel hält der Inhaltskontrolle nur stand, wenn der Arbeitnehmer aus der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme einen geldwerten Vorteil gezogen hat.5 Das ist der Fall, wenn eine höhere Qualifikation vermittelt wird,6 eine höhere Vergütung erreicht wird7 oder die erworbenen Kenntnisse anderweitig nutzbar sind.8 Mit einem geldwerten Vorteil gehen regelmäßig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einher.9 Damit scheiden reine Vertiefungs- oder Auffrischungsmaßnahmen aus, weil sie keinen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer mit sich bringen, wenn der Arbeitnehmer lediglich seine bisherige Tätigkeit besser durchführen kann.10 210 Die Dauer der Rückzahlungsverpflichtung übt auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck aus, wodurch er in seiner durch Art. 12 GG geschützten Kündigungsfreiheit betroffen wird.11 Dieser Bleibedruck ist gegen das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst weitgehenden Nutzung der erworbenen Qualifikation des Arbeitnehmers abzuwägen. Des-

1 Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 337 m.w.N. 2 BAG 6.5.1998 – 5 AZR 535/97 – NZA 1999, 79. 3 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – DB 2011, 1338. 4 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342. 5 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342; BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 341; HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 41. 6 BAG 24.7.1991 – 5 AZR 430/90 – NZA 1992, 211. 7 BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542. 8 BAG 5.12.2002 – 6 AZR 539/01 – NZA 2003, 559. 9 BAG 11.4.1990 – 5 AZR 308/89 – NZA 1991, 178; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 341; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 438. 10 BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 342; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 439. 11 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 343.

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halb kann die Bindungsdauer, die über Rückzahlungsklauseln ausgeübt wird, umso länger sein, je größer der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers ist.1 Von der Rechtsprechung wird vor allem die Dauer der Ausoder Fortbildungsmaßnahme als Parameter für die zulässige Bindungsintensität herangezogen.2 Hier ist die zulässige Bindungsdauer bei Maßnahmen bis zu einem Monat auf sechs Monate festgesetzt worden.3 Bei einer Dauer der Maßnahme bis zu zwei Monaten ist eine Bindungswirkung bis zu einem Jahr,4 bei einer Maßnahmendauer bis zu vier Monaten eine Bindungsdauer bis zu zwei Jahre5 nicht beanstandet worden. Drei Jahre Bindungsdauer sind bei einer bis zu 12-monatigen Maßnahme möglich.6 Bei einer Fortbildungsdauer von mehr als zwei Jahren kann die Bindung bis zu fünf Jahre anhalten.7 Bei nur stundenweiser oder tageweiser Fortbildung ist die tatsächliche Zeit ins Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit zu setzen.8 Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für die von der Rechtsprechung vorgenommenen Abstufungen gibt es allerdings nicht. Diese Vorgaben sind aber nur grundsätzlich – eine schematische Lösung 211 verbietet sich, insbesondere wenn Faktoren wie die Art der Qualifikation9 oder die Höhe der Mittelaufwendung10 anderes gebieten. Das BAG zog auch eine Berücksichtigung der Finanzkraft des Arbeitgebers als Kleinunternehmer in Betracht.11 Außerdem wird vorgeschlagen, das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers als Parameter heranzuziehen, weil es dessen Wertschöpfung abbilde.12 Die Höhe der Rückzahlungspflicht ist zum einen auf die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitsgebers begrenzt (was Zinszahlungen aus1 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 343. 2 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 21.7.2005 – A 6 AZR 452/04Z – NZA 2006, 542. 3 BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342; BAG 5.12.2002 – 6 AZR 539/01 – NZA 2003, 559. 4 BAG 15.12.1993 – 5 AZR 279/93 – NZA 1994, 835. 5 BAG 6.9.1995 – 5 AZR 241/94 – NZA 1996, 314. 6 BAG 23.4.1986 – 5 AZR 159/85 – NZA 1986, 741. 7 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666. 8 BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542. 9 BAG 19.2.2004 – 6 AZR 552/02 – AP Nr. 33 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542. 10 BAG 21.7.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542; BAG 6.9.1995 – 5 AZR 241/94 – NZA 1996, 314. 11 So Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 596; offen: BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666. 12 Jesgarzewski, BB 2011, 1594 (1597).

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schließt),1 zum anderen hat sie gestaffelt mit dem Zeitablauf zu erfolgen.2 Diese Staffelung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die formularmäßige Vereinbarung der Rückzahlungsverpflichtung,3 eine Staffelung von einem Drittel der Kosten pro Jahr hielt die Rechtsprechung dabei für angemessen.4 Auch wenn die Kosten für den Arbeitgeber höher sind, kann nur der vereinbarte Betrag gefordert werden.5 213 Eine Rückzahlungspflicht ist nur angemessen, wenn der Arbeitnehmer durch eigene Betriebstreue der Rückzahlung entgehen kann.6 Der Arbeitnehmer muss den Beendigungstatbestand beeinflussen können.7 Eine Arbeitgeberkündigung als auslösendes Moment (gerade die betriebsbedingte,8 aber auch die personenbedingte9) hier zuzulassen hieße, das Investitionsrisiko im Hinblick auf die Aus- oder Fortbildung auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.10 Man kann also anhand der Kündigungsgründe des KSchG unterscheiden: bei betriebs- und personenbedingter Kündigung geht es um eine enttäuschte Investitionsentscheidung des Arbeitgebers, bei verhaltensbedingter Kündigung um einen Lösenstatbestand, den der Arbeitnehmer setzt. Gilt das KSchG nicht, so soll es darauf ankommen, ob ein verständiger Arbeitgeber, dem an einer Investition in die Fortbildung des Arbeitnehmers gelegen ist, auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers zu einer Kündigung geschritten wäre.11 Ausnahme ist ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das zur Arbeitgeberkündigung führt.12 Umgekehrtes gilt für die vom Arbeitgeber veranlasste Arbeitnehmerkündigung, auch sie kommt als auslösendes Moment nicht in Frage.13 Beim Aufhebungsvertrag wird es darauf ankommen, ob dieser auf Aufforderung des Arbeitnehmers ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 345. BAG 23.4.1986 – 5 AZR 159/85 AZ – NZA 1986, 741. Schon BAG 29.6.1962 – 1 AZR 343/61 – AP Nr. 25 zu Art. 12 GG. BAG 23.4.1986 – 5 AZR 159/85 AZ – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 10. BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92AZ – NZA 1994, 937. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 6.5.1998 – 5 AZR 535/97 – NZA 1999, 79. WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 151. BAG 6.5.1998 – 5 AZR 535/97 – NZA 1999, 79. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 348. BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435. BAG 24.6.2004 – 6 AZR 383/03AZ – NZA 2004, 1035. BAG 24.6.2004 – 6 AZR 383/03 – NZA 2004, 1035. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435.

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schlossen wurde.1 Eine Rückzahlungsklausel, die nicht nach dem Auslösungsgrund für die Zahlungsverpflichtung differenziert (und etwa pauschal die Eigenkündigung des Arbeitnehmers als Auslösungsgrund anführt), ist deshalb unwirksam.2 Das Nichterreichen des Ausbildungsziels vermag nur dann eine Rückzahlungspflicht auszulösen, wenn der Arbeitnehmer dieses Ziel verschuldet nicht erreicht hat (etwa durch Nichtbesuch oder Faulheit).3

214

Unangemessen ist eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall, dass der Arbeitnehmer auch dann die Kosten für eine Ausbildung (etwa bei einem dualen Studium) zurückzuzahlen hat, wenn der Arbeitgeber ihm keinen Arbeitsvertrag anbietet.4

215

Der Zeitpunkt der Rückzahlungsvereinbarung kann als konkreter Um- 216 stand des Vertragsschlusses im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB herangezogen werden. Allerdings geht die Folgerung zu weit, eine während des Laufs der Bildungsmaßnahme geschlossene Klausel sei stets deshalb unangemessen, weil sie den Arbeitnehmer in einer schwachen Position treffe und er die bereits begonnene Maßnahme regelmäßig nicht abbrechen wolle.5 Das ist deshalb in dieser Pauschalität abzulehnen, weil auch im Hinblick auf § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nur ein, aber nicht der maßgebliche Faktor für die Inhaltskontrolle ist.6 Die inhaltlichen Vorgaben der Rückzahlungsklausel müssen transparent 217 sein. So muss der Rückzahlungsbetrag genau beziffert werden, weil der Arbeitnehmer wissen muss, was auf ihn zukommt.7 Das BAG hat diese Frage freilich offengelassen.8 Der Arbeitnehmer muss abwägen können, ob die Rückzahlungsverpflichtung für ihn vor dem Hintergrund der Vertragsbindung und der erworbenen Qualifikation angemessen ist.9 Deut1 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 151. 2 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 23.1.2007 – 9 AZR 482/06 – NZA 2007, 748. 3 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 151; ErfK/Preis § 611 BGB Rz. 439. 4 BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435. 5 Offen gelassen von BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; anders BAG 9.12.1992 – 5 AZR 158/92 – EzA BGB § 611 Aus- und Weiterbildungskosten Nr. 43; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 581. 6 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 350. 7 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 584. 8 BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342. 9 BAG 21.11.2002 – 6 AZR 77/01 – EzA § 611 BGB 2002 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2.

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Inhaltskontrolle

lich werden müssen auch die Staffelung des Betrages1 und die Gründe, die die Rückzahlungsverpflichtung auslösen.2 218 Ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, so ist eine – früher propagierte3 – geltungserhaltende Reduktion nicht möglich.4 Dann besteht keine Rückzahlungspflicht für den Arbeitnehmer.5 b) Umzugskosten 219 Klauseln über die Rückzahlung von vom Arbeitgeber verauslagten Umzugskosten sind grundsätzlich zulässig. An zwingendem Recht scheitern sie dann, wenn der Arbeitgeber etwa wegen einer Versetzung des Arbeitnehmers im Rahmen des § 670 BGB zum Aufwendungsersatz verpflichtet ist.6 Ansonsten besteht gesetzlich keine Verpflichtung des Arbeitgebers, Umzugskosten zu übernehmen.7 Geschieht dies dennoch, besteht auch Raum für eine Rückzahlungsvereinbarung. Wie im Falle der Rückzahlungsvereinbarung für Aus- und Fortbildungskosten (siehe Rz. 207 ff.) hat der Arbeitgeber ein Interesse, dass sich seine Ausgaben durch eine Tätigkeit des Arbeitnehmers am Umzugsort amortisieren. Auf der anderen Seite wird der Arbeitnehmer durch die Verpflichtung zur Rückzahlung im Falle des Ausscheidens in seiner Kündigungsfreiheit, Art. 12 GG, getroffen.8 220 Formularmäßig vereinbarte Rückzahlungsklauseln sind einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Inhaltskontrolle dieser Klauseln ebenfalls primär an der Bindungsdauer, die durch die drohende Rückzahlungsverpflichtung konstituiert wird.9 Hier wurde eine dreijährige Dauer der Rückzah-

1 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 151a. 2 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rz. 587. 3 BAG 5.12.2002 – 6 AZR 539/01 – NZA 2003, 559; BAG 15.5.1985 – 5 AZR 161/84 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 9. 4 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; für die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung siehe BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666. 5 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 94. 6 BAG 21.3.1973 – 4 AZR 187/72 – AP BAT § 44 Nr. 4; Preis/Stoffels, II U 10 Rz. 2; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 429. 7 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 157. 8 Thüsing, AGB-Recht, Rz. 416; Preis/Stoffels, II U 10 Rz. 16. 9 BAG 24.2.1975 – 5 AZR 235/74 – AP GG Art. 12 Nr. 50.

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Einzelne Klauseln

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lungsverpflichtung als angemessen angesehen.1 Eine fünfjährige Frist ist nach der Rechtsprechung dagegen unangemessen.2 Eine ratierliche Rückzahlungsverpflichtung wird jedenfalls dann nicht gefordert, wenn die Umzugskosten ein Monatsgehalt nicht überschreiten.3 Für den Auslösungsgrund gilt das zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten Geschriebene (siehe oben Rz. 213): die Klausel darf nicht eingreifen, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen oder vom Arbeitnehmer aus vom Arbeitgeber zu verantwortenden Gründen gekündigt wird.4 Auch hier darf die Rückzahlungsverpflichtung den durch den Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Betrag nicht überschreiten.5 Eine unwirksame Klausel kann nicht geltungserhaltend reduziert werden.6

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c) Überbezahltes Entgelt Zahlt der Arbeitgeber zu viel Arbeitsentgelt, so hat er gegen den Arbeit- 222 nehmer einen Anspruch auf Rückzahlung. Dieser folgt bei im Vorhinein überbezahlten Entgelt aus §§ 346 ff. BGB, bei im Nachhinein erfolgter Überbezahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Im Gegensatz zu den rücktrittsrechtlichen Regelungen kann sich der Arbeitnehmer im Falle eines Anspruchs des Arbeitgebers aus ungerechtfertigter Bereicherung auf den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB berufen.7 Klauseln, die diesen Entreicherungseinwand ausschließen, sind unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.8

1 BAG 22.8.1990 – 5 AZR 556/89 – n.v.; BAG 24.2.1975 – 5 AZR 235/74 – AP GG Art. 12 Nr. 50. 2 LAG Düsseldorf 3.12.1971 – 8 Sa 418/71 – EzA Art 12 GG Nr. 6; LAG Düsseldorf 3.12.1971 – 9 Sa 785/71 – DB 1972, 1587. 3 BAG 24.2.1975 – 5 AZR 235/74 – AP GG Art. 12 Nr. 50; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 432; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 481. 4 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 483; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 433. 5 WLP/Stoffels, Rz. 160. 6 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 483. 7 Dazu BAG 18.1.1995 – 5 AZR 817/93 – NZA 1996, 27. 8 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, § 307 Rz. 738; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 162; HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Recht, Rz. 364.

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Inhaltskontrolle

d) Sonstige Rückzahlungsklauseln 223 Zu Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit anderen Arbeitgeberleistungen siehe die Kommentierung zu den besonderen Vergütungssystemen Rz. 15 ff., 31 f., 41 f. 17. Salvatorische Klauseln 224 Salvatorische Klauseln, die lediglich anordnen, dass die Unwirksamkeit einer Klausel die Wirksamkeit des Vertrages in Ausnahme von § 139 BGB unangetastet lassen soll (Teilnichtigkeitsklauseln), wiederholen das Gesetz (vgl. § 306 Abs. 1 BGB) und sind schon deshalb unproblematisch, weil überflüssig.1 225 Formularmäßig vereinbarte salvatorische Klauseln, die darüber hinaus anordnen, dass eine unwirksame Regelung durch eine andere zu ersetzen ist (Ersetzungsklauseln)2 oder dass eine unwirksame Klausel auf das zulässige Mindestmaß zurückzuführen ist (Reduktionsklauseln), benachteiligen den Vertragspartner unangemessen.3 Beide verhindern die Anwendung dispositiven Rechts im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel und konterkarieren damit das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion,4 das wegen § 15 UKlaG gerade im Arbeitsrecht als wesentliche Sanktion für die Formulierung unangemessener Klauseln angesehen wird.5 Ausnahmen sollen auch nicht im Hinblick auf die regelmäßig eingeschränkte Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers (und das deshalb gegebene Bedürfnis nach einer möglichst weitgehenden Aufrechterhaltung einer Regelung) gelten.6

1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Henssler/Moll, S. 145; Preis/Preis, II S 10 Rz. 10; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 769; anders LAG Niedersachsen 12.3.2007 – 17 Sa 1705/06 – n.v. 2 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 3 BGH 24.9.1985 – VI ZR 4/84 – NJW 1986, 1610; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 14; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Henssler/Moll, S. 145; DBD/Däubler, § 307 Rz. 69. 4 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BGH 22.11.2001 – VII ZR 208/00 – NJW 2002, 894; DBD/Bonin, § 306 Rz. 18. 5 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Henssler/Moll, S. 145. 6 Noch offen gelassen von BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; inzwischen freilich wird das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch vom BAG anerkannt, etwa BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. Kritisch noch Bayreuther, NZA 2004, 953 (954 ff.).

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Außerdem ist eine Formulierung, eine Klausel sei auf das „(noch) wirksame Maß“ zurückzuführen, intransparent.1 Das gilt auch für konkrete Ersetzungsklauseln, die eine unwirksame (primäre) Regelung durch eine konkrete Ersatzregelung ersetzen wollen.2 Sowohl Ersetzungsklauseln, die die Parteien verpflichten, eine dem wirtschaftlichen Ergebnis der unwirksamen Klauseln möglichst nahe kommende neue Vereinbarung zu treffen, als auch einseitige Ersetzungsklauseln, die dem Arbeitgeber das Recht zur ersetzenden Gestaltung zusprechen, sind vor diesem Hintergrund unwirksam.3 Einseitige Ersetzungsklauseln fallen, wenn sie, was regelmäßig der Fall sein dürfte, auch unwirksame Leistungsbestimmungen betreffen, zudem unter § 308 Nr. 4 BGB.4

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Klauseln, die eine Regelung unter dem Hinweis auf die (fragliche) ge- 227 setzliche Zulässigkeit treffen (gesetzesverweisende Klauseln), verstoßen ebenfalls gegen das Transparenzprinzip und sind deshalb unwirksam.5 Hier ist freilich fraglich, ob dies auch dann gilt, wenn der Verwender objektive Zweifel an der Wirksamkeit einer Klausel haben kann, er aber dennoch eine entsprechende Regelung (eben mit dem salvatorischen Hinweis) treffen will, diese aber aufgrund der rechtlichen Lage nicht genauer treffen kann.6 Hier kann zwar für den AGB-Verwender durchaus ein berechtigtes Interesse an einer entsprechenden salvatorsichen Klausel bestehen, für den durch die AGB-Kontrolle zu schützenden Vertragspartner ändert dies aber nichts an der Intransparenz der Regelung, weshalb auch eine solche gesetzesverweisende Klausel abzulehnen ist.7 Anderes soll dann gelten, wenn eine unwirksame Klausel durch eine am 228 hypothetischen Parteiwillen ausgerichtete Klausel ersetzt werden soll.8 Damit wird die ergänzende Vertragsauslegung gleichsam formularmäßig vereinbart. Im Hinblick auf das Transparenzgebot wird man gegenüber einer solchen Klausel zwar kritisch sein müssen. Außerdem wird man auch hier dazu kommen, dass sich die Klausel § 306 BGB widersetzt – 1 BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 48; Henssler/Moll, S. 146. 2 BGH 29.11.1989 – VIII ZR 228/88 – NJW 1990, 716; Preis/Preis, II S 10 Rz. 19 m.w.N. 3 Preis/Preis, II S 10 Rz. 14 ff. 4 Preis/Preis, II S 10 Rz. 16. 5 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 774. 6 Dafür Preis/Preis, II S 10 Rz. 32. 7 UBH/Habersack, § 305 Rz. 153; zweifelnd auch Suckow/Striegel/Niemann/ Striegel, Rz. 774. 8 Henssler/Moll, S. 146.

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indem die (der ergänzenden Vertragsauslegung vorgestellte) Anwendung dispositiven Rechts ausgeschaltet wird.1 Sind allerdings die Voraussetzungen für die ergänzende Vertragsauslegung gegeben, so ist die darauf gerichtete Klausel letztlich inhaltslos.2 18. Schadenspauschalen 229 Zu Schadenspauschalen siehe § 309 Rz. 51 ff. 19. Schriftform 230 Zu unterscheiden ist zwischen einfachen Schriftformklauseln, nach denen die Änderung des Vertrages der Schriftform bedürfen, und qualifizierten oder doppelten Schriftformklauseln, nach denen darüber hinaus auch die Aufhebung des Schriftformerfordernisses selbst der Schriftform bedarf. Für die Inhaltskontrolle ist nicht § 309 Nr. 13 BGB, sondern die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB einschlägig.3 Der Arbeitgeber will durch die Schriftformklausel sein Interesse an Dokumentation und Standardisierung wahren, vor allem aber die „schleichende“ Vertragsänderung (vor allem durch betriebliche Übung) verhindern.4 Deshalb sind Schriftformklauseln oft auf das selbe Ziel gerichtet wie Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalte (siehe dazu oben Rz. 186). 231 Die Wirkung von einfachen Schriftformklauseln wird allgemein als gering angenommen, weil diese nach Meinung der Rechtsprechung auch mündlich oder konkludent wieder aufgehoben werden können.5 Dies wird noch dadurch vereinfacht, dass den Vertragsparteien hierzu die Aufhebung des Schriftformbedürfnisses nicht einmal bewusst sein muss.6 Das ist jedenfalls insoweit richtig, als Individualregelungen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den in diesen enthaltenen Schriftformregelungen stets vorgehen.7 Allerdings vermögen solche Klauseln auch zu verhindern, dass Rechte des Arbeitnehmers mit Hinweis auf die 1 Dazu DBD/Bonin, § 306 Rz. 26a. 2 Junker, BB 2007, 1274 (1281). 3 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; Franzen, SAE 2009, 89 (91). 4 Siehe dazu Franzen, SAE 2009, 89 (91). 5 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81; BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233; BAG 17.7.2007 – 9 AZR 819/06 – NZA 2008, 118; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 170. 6 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233. 7 BGH 21.9.2005 – XII ZR 312/02AZ – NJW 2006, 138.

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Schriftformklausel vereitelt werden können, schon deshalb sind auch einfache Schriftformklauseln intransparent nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie nicht klar zum Ausdruck bringen, dass Individualvereinbarungen davon nicht betroffen sind.1 Wenn darüber hinaus vorgebracht wird, eine unangemessene Benachteiligung folge daraus, dass der Arbeitgeber durch eine Schriftformklausel nicht die Vertretungsberechtigung seiner Vertreter beschränken könne,2 so ist daran (lediglich) richtig, dass auch für Vertreter die Schriftform für Individualvereinbarungen nicht formularmäßig begründet werden kann. Doppelte (oder qualifizierte) Schriftformklauseln sollen eine Vertrags- 232 änderung erschweren, indem sie auch die Aufhebung des Formerfordernisses an die Schriftform binden.3 Allerdings ist auch hier der Vorrang der Individualabrede zu beachten, so dass auch dieses Formgebot durch die Parteien durch eben solche Individualvereinbarung wieder aufgehoben werden kann.4 Weil es sich bei der Begründung einer betrieblichen Übung aber gerade um keine Individualvereinbarung handelt, sind doppelte Schriftformklauseln grundsätzlich geeignet, eine solche betriebliche Übung zu verhindern.5 Allerdings ist zunächst zu fragen, ob die Klausel in dieser Hinsicht (überhaupt) konstitutiv gemeint ist und so bei Verstoß gegen die Schriftform die Rechtsfolge des § 125 Satz 2 BGB und damit Nichtigkeit eintreten soll oder ob sie (lediglich) deklaratorischen Zwecken dient.6 Ist die Klausel lediglich deklaratorisch, vermag sie eine nichtschriftliche Vertragsänderung ohnehin nicht zu hindern. Darüber hinaus ist auch eine doppelte Schriftformklausel unangemes- 233 sen, wenn sie nicht deutlich macht, dass formlose Individualabreden (§ 305b BGB) durch sie nicht betroffen sind.7 Sie ist dann intransparent, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, dass eine formlose Individualabrede jederzeit geschlossen werden kann. Für möglich gehalten wird aus diesen Gründen eine Schriftformklausel, die sich lediglich auf das Hindern einer betrieblichen Übung bezieht 1 BGH 27.9.2009 – VIII ZR 155/99AZ – NJW 2001, 292. 2 LAG Düsseldorf 13.4.2007 – 9 Sa 143/07 – NZA-RR 2007, 455. 3 BGH 2.6.1976 – VIII 92/74 – NJW 1976, 1395; BAG 24.6.2003 – 9 AZR 302/02 – NZA 2003, 1145. 4 ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 41. 5 BAG 24.6.2003 – 9 AZR 302/02 – NZA 2003, 1143; BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233. 6 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – NZA 2008, 1233. 7 Henssler/Moll, S. 90; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 96; DBD/Däubler, § 305b Rz. 12; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 354.

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und Individualabreden so ausdrücklich vom Schriftformerfordernis ausnimmt,1 denn diese ist nicht als Individualvereinbarung im Sinne des § 305b BGB zu sehen.2 Dagegen wird freilich eingewandt, dass dies zum gänzlichen Ausschluss der betrieblichen Übung führen würde.3 Da allerdings die betriebliche Übung richtigerweise lediglich eine besondere Art der rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Arbeitsvertrages ist und kein eigenes Rechtsinstitut, gehen diese Bedenken ins Leere. Was bleibt ist jedenfalls eine erhöhte Formulierungsverantwortung des AGB-Verwenders.4 Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass eine Schriftformklausel zur Verhinderung einer betrieblichen Übung wegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, weil vom Grundsatz der Formfreiheit der betrieblichen Übung abgewichen werde.5 Denn die betriebliche Übung selbst ist kein eigenes Rechtsinstitut, sondern unterliegt den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vertragsschlussregelungen – bei denen nach § 125 Satz 2 BGB die gewillkürte Schriftform ausdrücklich zugelassen ist. Ob solche Klauseln aber auch für laufende Arbeitgeberleistungen wirksam sind, ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten durchaus zweifelhaft:6 denn wie bei den Freiwilligkeitsvorbehalten sollen Schriftformklauseln verhindern, dass aus einer kontinuierlichen Zahlung ein verbindlicher Anspruch des Arbeitnehmers entsteht. Freilich wird man hier die Schriftformklauseln für wirksam erachten können, weil im Falle einer regelmäßigen Zahlung einer Berufung des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden kann. 20. Schuldanerkenntnis 235 Ein konstitutives positives Schuldanerkenntnis des Arbeitnehmers fällt nicht unter § 309 Nr. 12 BGB, sondern ist anhand der Generalklausel des § 307 BGB zu prüfen (siehe § 309 Nr. 12 Rz. 141).7 Das Schuldanerkenntnis als solches weicht nicht von gesetzlichen Regelungen ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, und ist deshalb, wenn es formularmäßig vereinbart 1 Franzen, SAE 2009, 89 (92); DBD/Däubler, § 305b Rz. 14; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 96; Hromadka, DB 2004, 1261 (1265). 2 HWK/Gotthardt, § 305b BGB Rz. 3. 3 DBD/Däubler, § 305b Rz. 14; LAG Düsseldorf 13.4.2007 – 9 Sa 143/07 – NZARR 2007, 455. 4 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (57), spricht kritisch von Schriftformklauseln als „Formulierungsungetümen“. 5 So aber Jensen, NZA-RR 2011, 225 (229). 6 So auch Leder, RdA 2010, 93 (100). 7 BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – NZA 2005, 682.

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wird, lediglich am Transparenzgebot zu überprüfen. Kommt es aber zu einem Ausschluss aller Einwendungen und Einreden gegen den fraglichen Anspruch, so liegt nach der Rechtsprechung eine Abweichung von den §§ 812, 821 BGB1 vor, die nicht durch entgegenstehende Interessen des Arbeitgebers aufgefangen werden.2 Eine Beweisnot des Arbeitgebers vermag an der Unwirksamkeitsfolge nichts zu ändern.3 Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die Vertragsparteien von gesetzlich vorgegebenen Regelungsmöglichkeiten Gebrauch machen, denn dies gilt zwar für das Schuldanerkenntnis als solches, nicht aber für den Ausschluss von Einreden und Einwendungen.4 21. Stichtagsregelung Stichtagsklauseln (auch: Bestandsklauseln) stellen eine Arbeitgeberleistung unter die Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin noch (ungekündigt) besteht. Sie haben im Arbeitsrecht eine lange Tradition und dienen regelmäßig dazu, den Arbeitnehmer zur (weiteren) Betriebstreue anzuhalten. Stichtagsklauseln werden von der Rechtsprechung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterzogen, weil sie den Arbeitnehmer in dessen Berufsfreiheit einschränken – indem sie den Arbeitnehmer durch den drohenden Verlust der Zahlung bei Aufgabe des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber binden.5

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Im Hinblick auf die Inhaltskontrolle ist zunächst nach der Art der Arbeitgeberleistung zu unterscheiden: Für Arbeitgeberleistungen, die auch als Vergütung zu begreifen sind und somit der Arbeitnehmerleistung im Synallagma stehen, benachteiligen Stichtagsregelungen die Arbeitnehmer unangemessen, weil sie die Zahlungspflicht des Arbeitgebers nicht nur an die Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer knüpfen, sondern auch an das (ungekündigte) Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag. Damit verstoßen sie gegen den Grundsatz des § 611 Abs. 1 BGB, der die Zahlungspflicht des Arbeitgebers für Arbeitsentgelt (nur) an die erbrachte Arbeitnehmerleistung bindet,6 und schränken die Be-

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BGH 30.11.1998 – II ZR 238/97 – NJW-RR 1999, 573. BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – NZA 2005, 682. BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – NZA 2005, 682. Anders aber Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1418). BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; Lembke, NJW 2010, 321 (323). 6 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 670/10 – NZA 2012, 499; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620.

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rufsfreiheit des Arbeitnehmers durch ihre Bindungswirkung ein.1 Eine solche Stichtagsregelung ist deshalb unwirksam, das Arbeitgeberinteresse an einer Betriebstreue des Arbeitnehmers kann sich gegen Grundsatz des § 611 Abs. 1 BGB und das Lösungsinteresse des Arbeitnehmers nicht durchsetzen.2 Die Stichtagsregelung selbst kann dann isoliert regelmäßig als unwirksam gestrichen werden, ohne dass die rechtliche Klausel betroffen wird.3 Das BAG hat dies bislang für einen Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes der Entgeltleistung entschieden, die Argumentation ist jedoch auch auf Stichtage übertragbar, die innerhalb des Bezugszeitraums liegen.4 238 Dabei wird der Bereich der Vergütungsleistungen von der Rechtsprechung weit gezogen: so fallen auch Zahlungen, die an den Unternehmenserfolg anknüpfen, darunter5 oder Zahlungen, die einen Mischcharakter zwischen Arbeitsentgelt und Treuprämie aufweisen.6 Das ist eine folgerichtige Verschärfung der Rechtsprechung, nachdem es früher für die Zulässigkeit einer Stichtagsklausel ausgereicht hatte, wenn zumindest ein Zweck der Arbeitgeberleistung die Motivation zur Betriebstreue war.7 Insgesamt fällt freilich eine Abgrenzung schwer, weshalb die Rechtsprechung dem Klauselverwender eine erhöhte Formulierungsverantwortung auferlegt: Eine Sonderzuwendung im Sinne der genannten Rechtsprechung liegt danach nur dann vor, wenn sich der Gratifikationscharakter und damit die Arbeitsentgeltferne deutlich aus der Vereinbarung ergibt.8 Die bloße Bezeichnung als „Weihnachtsgratifikation“ soll dafür jedenfalls nicht ausreichen.9 Eine Vergütungsleistung soll dann vorliegen, wenn sie einen wesentlichen Teil der Gesamtzahlungen an den Arbeitnehmer ausmacht oder wenn die Leistung an das Erreichen von (persönlichen wie unternehmensbezogenen) Zielen gebunden ist.10

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BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 670/10 – NZA 2012, 499. So richtig auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659); anders noch BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561: 25 %, freilich auf die Branche abstellend.

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Diese Abgrenzung ist allerdings insbesondere in den Fällen nicht un- 239 problematisch, wenn ein Arbeitnehmer unterjährig ausscheidet und die versprochene Leistung an die Erreichung von Unternehmenszielen gekoppelt ist. Wegen des Wegfalls der Stichtagsregelung kommt es dann zum ratierlichen Anspruch, der aber im Falle der Feststellung von Unternehmenszielen unterjährig nur schwer feststellbar sein dürfte.1 Deshalb hat der Arbeitgeber in diesen Fällen durchaus ein berechtigtes Interesse, eine Stichtagsregelung (meist: das Bezugsraumende) zu vereinbaren. Denn jedenfalls dann, wenn die Unternehmensziele auf das Geschäftsjahr bezogen werden, kommt es für deren Erreichen auf das ganze Geschäftsjahr an – die Berechnung einer Leistung auf der Grundlage der Zeit bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers ist nicht interessengerecht, weil sich etwa gute unternehmerische Zahlen in der ersten Jahreshälfte durch schlechte in der zweiten Jahreshälfte wieder verändern können. Helfen könnte hier nur die Fälligkeit des Anspruches zum Ablauf des Geschäftsjahres und dann die ratierliche Berechnung der Leistung. Nicht unter die genannte Rechtsprechung fällt eine Sonderzahlung nur dann, wenn sie ausschließlich der Honorierung erwiesener Betriebstreue oder der Motivation zu weiterer Betriebstreue dient, wenn somit eine Treue- oder Halteprämie gegeben ist, oder aber wenn eine bloße Aufwendungsbeteiligung des Arbeitgebers vorliegt (wie bei der „klassischen“ Weihnachtsgratifikation).2 Ist dies der Fall, so kann der Arbeitgeber die Zahlung von dem Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag abhängig machen.3 Der Stichtag kann dann innerhalb oder außerhalb des Bezugszeitraums liegen. Liegt der Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums, ist freilich für die Wirksamkeit der Klausel zu beachten, dass eine Bindung des Arbeitnehmers auch durch ihre Dauer zur Unwirksamkeit der Klausel führen kann.4 Zwar hat die Rechtsprechung die Grundsätze für Rückzahlungsklauseln (siehe dazu oben Rz. 210 f.) für Stichtagsregelungen nicht übernommen,5 sondern stellt auf die Zumutbarkeit der Bindungsfrist ab,6 allerdings wird sich – jedenfalls bei Stichtagsklauseln außerhalb des Bezugszeit-

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So auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659). BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620. BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40. BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620.

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raums und bereits erfolgter Auszahlung – keine andere Interessenlage des Arbeitnehmers im Vergleich zu einer „echten“ Rückzahlungsklausel feststellen lassen – weshalb die dort gefundenen Grundsätze sehr wohl übertragbar sind.1 241 Knüpft die Stichtagsklausel eine Treue- oder Halteprämie an ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, so ist die Klausel auch wirksam, wenn Fälle umfasst sind, in denen der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis löst.2 Eine Abweichung von § 162 Abs. 2 BGB verneint die Rechtsprechung zu Recht.3 22. Urlaubsklauseln a) BAG: Keine Inhaltskontrolle von Regelungen über Zusatzurlaub 242 Die Regelungen über den gesetzlichen Mindesturlaub des BUrlG sind weitgehend zwingend, allenfalls tarifdispositiv, § 13 BUrlG.4 Deshalb besteht hier nur sehr begrenzter Regelungsspielraum für die Arbeitsvertragsparteien. Dies gilt freilich nicht für den darüber hinausgehenden zusätzlich vertraglich vereinbarten Urlaub. Die Vereinbarung eines zusätzlichen Urlaubs an sich ist kontrollfrei, weil nicht von gesetzlichen Regelungen abweichend.5 Umstritten ist jedoch, ob auch jenseits der Festsetzung des Zusatzurlaubs getroffene Regelungen – etwa über die Urlaubsabgeltung oder den Urlaubsverfall – wegen § 307 Abs. 3 BGB lediglich auf Transparenz zu kontrollieren sind. Die Rechtsprechung bejaht dies,6 weil auch durch diese Vereinbarungen nicht vom gesetzlichen Urlaubsrecht abgewichen werde, das sich nur auf den Mindesturlaub beziehe. In der Literatur wird freilich das Gegenteil vertreten und zwar die Vereinbarung des Zusatzurlaubs als solche kontrollfrei gesehen, nicht aber weitere, den Urlaubsanspruch ausgestaltende Klauseln.7 Richtig daran ist, dass die Zurückhaltung des BAG in Bezug auf die Inhaltskontrolle beim Zusatzurlaub in einem starken Kontrast zu anderen Berei-

1 Für diesen Fall auch Leder, RdA 2010, 93 (99). 2 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620; BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – NZA 2007, 687; BAG 19.11.1992 – 10 AZR 264/91 – NZA 1993, 353. 3 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620; Leder, RdA 2010, 93 (99). 4 Dazu ErfK/Gallner, § 13 BurlG Rz. 7. 5 BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538. 6 BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538. 7 So Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 19; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530 (533 ff.); Powietzka/Fallenstein, NZA 2010, 673 (675); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634), die freilich eine Inhaltskontrolle ohne weitere Argumente annehmen.

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chen der Vertragskontrolle, die sich auch im „gesetzlichen Vakuum“ abspielen (wie etwa bei der Rückzahlung einer Weihnachtsgratifikation), steht.1 Eine Inhaltskontrolle mag man – freilich etwas unscharf – aus der Erwägung heraus begründen, dass Mindesturlaub und Zusatzurlaub grundsätzlich den gleichen Regelungen unterworfen werden sollen – und eine Formularregelung von diesem Grundsatz abweicht. In jedem Falle ist auch nach der Rechtsprechung des BAG das Transparenzprinzip, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, zu beachten.2 b) Trennungsklauseln Der vertraglich vereinbarte Zusatzurlaub kann von den Vertragsparteien grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Regelungen des BUrlG geregelt werden.3 Auch die europarechtlichen Vorgaben betreffen nur den gesetzlichen Mindesturlaub, nicht aber den Zusatzurlaub.4 Allerdings gilt der Grundsatz, dass ohne weitere Klarstellung der Wille der Vertragsparteien dahin geht, gesetzliche und zusätzliche Urlaubsansprüche gleich zu behandeln – und mithin auch auf die vertraglichen Ansprüche die Regelungen des BUrlG anzuwenden.5 Dies hat Folgen für die Klauselgestaltung, weil Regelungen, die für den Zusatzurlaub von den gesetzlichen Vorgaben abweichen sollen, klar und eindeutig sein müssen:6 Es muss deutlich aus der Klausel hervorgehen, dass für den Zusatzurlaub von den Grundsätzen des BUrlG abweichende Regelungen getroffen werden.7 Geschieht dies nicht, gelten die Regelungen des BUrlG auch für den vertraglichen Zusatzurlaub.

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c) Weitere Regelungen Die Literatur nimmt für Klauseln, die den Zusatzurlaub ausgestalten, 244 eine Inhaltskontrolle vor – mit den Regelungen des BUrlG als Leitbild.8

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Darauf weist Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 19, hin. BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538. BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538. EuGH 3.5.2012 – Rs. C-337/10 – ZTR 2012, 365. BAG 4.5.2010 – 9 AZR 183/09 – NZA 2010, 1011; BAG 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 – NZA 2009, 538. 6 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rz. 784. 7 LAG Hamm 14.4.2011 – 16 Sa 488/10 – n.v.; Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013 (1017). 8 Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 19; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530 (533 ff.); Powietzka/Fallenstein, NZA 2010, 673 (675); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634).

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Allerdings wiegt das Arbeitnehmerinteresse an einer möglichst engen Orientierung an den gesetzlichen Regelungen hier regelmäßig gering – weil das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers ja bereits durch den Mindesturlaubsanspruch abgedeckt ist. Deshalb sieht auch die Literatur kaum Regelungen, die einer Inhaltskontrolle nicht genügten.1 245 Quotenregelungen etwa regeln, dass der Zusatzurlaubanspruch entsprechend der Beschäftigungszeit im Eintritts- oder Austrittsjahr zu bestimmen ist und daher regelmäßig 1/12 des Urlaubsanspruches pro Beschäftigungsmonat beträgt. Bei unterjähriger Beschäftigung kommt es so nicht zum Gesamt-, sondern im Vergleich zum Mehrurlaubsanspruch zu einem Teilanspruch. Eine solche Quotenregelung weicht zwar von dem Grundsatz des BUrlG ab, dass nach der Wartezeit von sechs Monaten der gesamte Jahresurlaubsanspruch entsteht,2 dies ist aber insofern für den Mehrurlaub angemessen, als der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, Urlaub anteilig lediglich für die Beschäftigungsdauer gewähren zu müssen. Allerdings ist bei der Formulierung der Klausel die Trennung zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch, der eine Quotelung nach dem Ablauf der Wartezeit nicht kennt, und dem Mehrurlaub zu beachten.3 246 Im Gegensatz zum gesetzlichen Mindesturlaub, bei dem § 4 BUrlG eine nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers veränderbare sechsmonatige Wartezeit vorgibt, kann eine längere Wartezeit beim Zusatzurlaub auch formularmäßig nach h.M. problemlos vereinbart werden.4 Der Arbeitgeber hat ein schützenswertes und über eine entsprechende Klausel sicherbares Interesse daran, Arbeitnehmer für ihre Betriebstreue zu belohnen.5 Im Gegenzug hat der Arbeitnehmer kein schützenswertes Interesse an einem schnellen Urlaubsanspruch, weil er den Mehrurlaub insgesamt nicht fordern kann. Freilich ist die Klausel transparent zu gestalten. Der Arbeitnehmer muss also erkennen können, ab wann er einen Anspruch auf Zusatzurlaub hat. 247 Kürzungen des Zusatzurlaubs wegen Fehlzeiten (etwa wegen Krankheit des Arbeitnehmers) werden von der h.M. als wirksam angesehen.6 Es besteht hier zwar ein Abweichen von dem vor allem europarechtlich ge-

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Insgesamt Preis/Stoffels, II U 20. BAG 24.10.2006 – 9 AZR 669/05 – NZA 2007, 330. Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 19. BAG 19.4.1994 – 9 AZR 478/92 – NZA 1995, 86; Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 43. Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 43. LAG Hamm 14.4.2011 – 16 Sa 488/10 – n.v.; Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 26.

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prägten Grundsatz, dass Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht zur Kürzung des Urlaubs führen kann, auch hier aber setzt sich beim Zusatzurlaub das Interesse des Arbeitgebers nicht unangemessen durch, dem Arbeitnehmer nur für den Fall Zusatzurlaub zu gewähren, dass er auch seine Beschäftigung ausgeübt hat. Eine Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB und § 4a EFZG wird zu Recht abgelehnt.1 Eine Verquickung mit dem Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub führt auch hier zur Intransparenz der Regelung.2 Zu Urlaub und Nebentätigkeitsverbot siehe Rz. 242 ff.; 198 ff.

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In der jüngeren Zeit ist der Einfluss des EuGH auf das deutsche Ur- 249 laubsrecht gewachsen. Der EuGH hat aus Art. 7 der Arbeitzeit-RL 2003/88/EG abgeleitet, dass es im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Verfall des Urlaubsanspruches kommen kann, wie ihn § 7 Abs. 3 BUrlG spätestens zum 31.3. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres vorsieht.3 Damit freilich kam es zu der Möglichkeit einer Summierung von Urlaubsansprüchen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Abgeltungsansprüchen nach § 7 Abs. 4 BUrlG. In weiteren Entscheidungen hat der EuGH eine Begrenzung des Übertragungszeitraumes möglich gesehen und eine tarifliche Begrenzung von 15 Monaten4 goutiert. Dem hat sich das BAG mittlerweile angeschlossen und entsprechende Verfallgrenzen auch ohne tarifliche Regelung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG angenommen.5 Die Frage nach der Zulässigkeit der Begrenzung des Übertragungszeitraums ist keine der Inhaltskontrolle, denn ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben ist ein Gesetzesverstoß, weil § 7 Abs. 3 BUrlG richtlinienkonform auszulegen ist.6 Im Gegensatz zum gesetzlichen Mindesturlaub können die Arbeitsver- 250 tragsparteien den Mehrurlaub auch jenseits der Übertragungsregelungen des § 7 Abs. 3 BUrlG regeln. Dies gilt auch für eine Regelung, die den Verfall des Anspruchs auf Mehrurlaub zu einem bestimmten Zeitpunkt anordnet, wenn der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeits-

1 Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 26. 2 LAG Hamm 14.4.2011 – 16 Sa 488/10 n.v. 3 EuGH 20.1.2009 – Rs. C-350/06 – NZA 2009, 135; EuGH 3.5.2012 – Rs. C-337/10 – ZTR 2012, 365. 4 EuGH 22.11.2011 – Rs. C-214/10 – NZA 2011, 1333. 5 BAG 7.8.2012 – 9 AZR 353/10. 6 ErfK/Gallner, § 7 Rz. 41 f.

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unfähigkeit seinen Mehrurlaub nicht in Anspruch nehmen kann.1 Hier tritt das Interesse des Arbeitgebers an einer rechtssicheren Regelung und daran hervor, dass der Arbeitnehmer nicht eine erhebliche Anzahl von Ansprüchen summiert. Auch hier freilich ist wegen des Transparenzprinzips auf eine entsprechende Trennung zwischen gesetzlichem und zusätzlichem Urlaubsanspruch zu achten. 251 Ebenfalls zulässig sind Regelungen, die eine Verwirkung des Zusatzurlaubsanspruches für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer sich vertragsbrüchig verhält. Ein Interesse des Arbeitnehmers am vertragswidrigen Verhalten ist nicht schützenswert. 23. Verschwiegenheits- und Erklärungsklauseln 252 Die Pflicht des Arbeitnehmers, über bestimmte Vorgänge beim Arbeitgeber zu schweigen, wird bereits gesetzlich gefasst:2 Wer etwa Geschäftsgeheimnisse zum Zwecke des Wettbewerbs verrät, macht sich nach § 17 UWG strafbar und begeht eine Vertragspflichtverletzung; für Dienstgeheimnisse gilt § 24 Abs. 2 ArbNErfG; für datenschutzrechtlich Relevantes § 5 Satz 2 BDSG. Für weitere Betriebsgeheimnisse folgt die Verschwiegenheitspflicht bereits aus § 241 Abs. 2 BGB.3 Diese Pflichten können als gesetzliches Leitbild dienen. Klauseln, die auf die Verschwiegenheit im Hinblick auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse hinweisen, sind deshalb deklaratorisch und unterfallen keiner Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für eine Inhaltskontrolle ist deshalb nur dort Raum, wo die gesetzlich ohnehin festgelegte Pflicht zur Verschwiegenheit vertraglich verschärft wird. 253 Dies gilt etwa für Regelungen, die den Arbeitnehmer verpflichten, über „alle während des Arbeitsverhältnisses bekannt gewordenen Geschäftsvorgänge“ Stillschweigen zu bewahren (All-Klauseln). Sie sind nicht nur intransparent, weil sie sich auf einen zu weiten Bereich beziehen und der Terminus des „Geschäftsvorganges“ unklar bleibt, sondern benachteiligen den Arbeitnehmer auch materiell unangemessen, weil sie auch bei alltäglichen Vorgängen, an deren Verschweigen der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse hat, greifen sollen.4 1 Preis/Stoffels, II U 20 Rz. 44. 2 Vgl. auch §§ 79 Abs. 1, 76 Abs. 8, 86 BetrVG, § 96 Abs. 7 SGB IX, § 10 BPersVG; für Auszubildende gilt § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG. 3 Dazu MünchArbR/Reichold, § 48 Rz. 38. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 714; Preis/Rolfs, II V 20; Suckow/Striegel/Niemann/ Striegel, Rz. 794.

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Für die Frage nach der Zulässigkeit von Klauseln, die dem Arbeitnehmer 254 ein Schweigen über die Höhe seines Arbeitseinkommens gegenüber Arbeitskollegen wie Dritten auferlegen, kommt es zunächst darauf an, ob die Höhe des Arbeitsentgelts nicht an sich als Geschäftsgeheimnis anzusehen ist.1 Ist dies nicht der Fall, ist für die Inhaltskontrolle das Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers gegen das Verlautbarungsinteresse des Arbeitnehmers zu setzen. Für das Verlautbarungsinteresse wurde judiziert, dass der Arbeitnehmer gerade durch den Vergleich mit dem Entgelt anderer Arbeitnehmer die Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geltend machen könne, was einen Austausch über die persönliche Lohnhöhe voraussetze.2 Das gerät deshalb schief, weil der Arbeitnehmer für diesen Zweck ohnehin einen (auf die abstrakten Kriterien bezogenen) Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber hat.3 Allerdings hat der Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen mit anderen (potentiellen) Arbeitgebern ein Interesse daran, die Höhe des (bisherigen) Arbeitsentgelts zu offenbaren. Hiergegen vermag sich das Arbeitgeberinteresse an der Verschwiegenheit des Arbeitnehmers regelmäßig nicht durchzusetzen – gerade weil bereits ein relativ weiter Schutz über die gesetzlichen Regelungen zur Geheimniswahrung besteht. Deshalb sind solche Klauseln nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Besondere Situationen können über § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB abgefangen werden. Klauseln, die dem Arbeitnehmer (auch) verbieten, über rechtswidrige 255 Tatbestände zu sprechen (externes Whistleblowing), sind nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 GG, und (für Tatsachen) der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, in Einklang zu bringen.4 Freilich ist dabei auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten: Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich, bevor er sich an Dritte oder die Öffentlichkeit wendet, gegenüber dem Arbeitgeber um Abstellung der Missstände bemüht haben.5 Deshalb darf eine entsprechende

1 Ebeling, Anm. zu LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.10.2009 – 2 Sa 183/09, jurisPR-ArbR 28/2010 Anm. 2 mit Hinweis auf BAG 26.2.1987 – 6 ABR 46/84 – NZA 1988, 63. 2 LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.10.2009 – 2 Sa 183/09 – ArbuR 2010, 343; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 714; dazu auch BAG 26.2.1987 – 6 ABR 46/84 – NZA 1988, 63. 3 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 633. 4 Dazu Klasen/Schaefer, BB 2012, 641 (643); siehe hierzu auch die geplante datenschutzrechtliche Regelung des § 32 I, IV BDSG-E, BT-Drucks. 17/4230. 5 BAG 3.7.2003 – 2 AZR 235/02 – NZA 2004, 427.

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Pflicht, sich zunächst innerbetrieblich um Abhilfe der festgestellten Umstände zu bemühen, grundsätzlich vereinbart und das Verfahren entsprechend ausgestaltet werden (etwa über so genannte „Whistleblower-Hotlines“). Dies gilt aber nicht, wenn ein innerbetriebliches Vorgehen für den Arbeitnehmer nicht zumutbar ist.1 Eine Klausel, die dies dem Arbeitnehmer aber in jedem Falle auferlegt, ist deshalb unangemessen. 256 Klauseln, die eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht begründen, sind nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse am Schweigen des Arbeitnehmers hat. Dies trifft auf konkrete Geschäftsgeheimnisse zu, aber nicht auf nachvertragliche All-Klauseln.2 257 Um die Regeleinhaltung im Unternehmen zu überwachen, ist dem Arbeitgeber daran gelegen, über Regelverstöße durch die Arbeitnehmer unterrichtet zu werden (internes Whistleblowing). Auch hier besteht bereits eine weitreichende Pflicht, die aus § 241 Abs. 2 BGB folgt und nach der der Arbeitnehmer alle Vorgänge zu melden hat, die zu einer Schädigung des Arbeitgebers führen können oder bereits geführt haben. Entsprechende Klauseln (insbesondere im Rahmen der Implementierung so genannter „Whistleblower-Hotlines“) sind gesetzeswiederholend und unterfallen deshalb nicht der Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Regelungen, die darüber hinaus vom Arbeitnehmer verlangen, etwa auch alltägliche oder private Vorkommnisse über Arbeitskollegen zu berichten und dem Arbeitnehmer insofern eine Pflicht zur Berichterstattung auferlegen, scheitern dagegen an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB – wenn sie nicht ohnehin nach § 138 BGB nichtig sind. 24. Vertragsstrafen 258 Vertragsstrafenregelungen kommen in Arbeitsverträgen häufig vor. Sie sind (außer in Ausbildungsverträgen, § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) grundsätzlich wirksam. Die Rechtsprechung hält wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten § 309 Nr. 6 BGB für in Arbeitsverträgen formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafen für nicht anwendbar (siehe dazu

1 Klasen/Schaefer, BB 2012, 641 (644). 2 BAG 19.5.1998 – 9 AZR 394/97 – NZA 1999, 200; Preis/Rolfs, II V 20 Rz. 58.

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§ 309 Nr. 6 Rz. 79 ff.).1 Deshalb werden solche Vereinbarungen an der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen.2 Dabei ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Arbeitnehmer 259 grundsätzlich nicht unangemessen: Der Arbeitgeber hat im Hinblick auf die erheblichen Schäden, die durch eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers eintreten können, und wegen des schwierigen Schadensnachweises ein Interesse daran, sich durch eine Vertragsstrafe abzusichern.3 Dies greift den Zweck der Vertragsstrafe auf, einmal dem Schadensausgleichsinteresse des Arbeitgebers zu dienen (Ausgleichsinteresse),4 auf der anderen Seite aber auch dem Schadenverhinderungsinteresse und so der Schadensprävention (Präventionsinteresse).5 Diese Interessen des Arbeitgebers können auch formularmäßig abgesichert werden; wo sie aber nicht betroffen sind, ist regelmäßig auch eine formularmäßige Vertragsstrafe unangemessen. Dies gilt etwa dann, wenn durch die Vertragsstrafe eine neue, von den genannten Risiken gänzlich losgelöste Forderung des Arbeitgebers begründet werden soll6 und gerade kein Bezug zu einem (möglichen) Schadensersatzanspruch besteht.7 Ebenso gilt dies, wo ein Schadensnachweis für den Arbeitgeber unschwer zu führen ist.8 Deshalb sind für die Wirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsstrafenvereinbarung eine abzusichernde (potentielle) schadensträchtige Pflichtverletzung ebenso wie ein schwieriger Schadensnachweis wesentlicher Faktor.9 Dies ist insbesondere im Falle des Vertragsbruchs des Arbeitnehmers, also der vorsätzlichen Nichterfüllung der Arbeitspflicht, so. Die durch den Arbeitnehmer veranlasste außerordentliche Kündi-

1 BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; kritisch Staudinger/Rieble (2009), § 339 Rz. 85 f. 2 BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; HWK/Gotthardt Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 52. 3 Henssler/Moll, S. 80; WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 178. 4 Allgemein Staudinger/Rieble (2009), Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 34 ff. 5 Dazu allgemein Staudinger/Rieble (2009), Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 15 ff. 6 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. 7 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 177. 8 WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 179 für die Schlechtleistung. 9 ErfK/Preis, §§ 339–345 BGB Rz. 10.

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gung durch den Arbeitgeber allein soll als Verwirkungsgrund bereits nicht ausreichen, weil hier als Sanktionsinstrument eben die außerordentliche Kündigung in Frage komme und der Arbeitgeber durch eine (zusätzliche) Vertragsstrafe übersichert wäre.1 Dem ist zuzustimmen, weil gerade ein schwerer Schadensnachweis das Interesse des Arbeitgebers an einer formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe zu stützen vermag – diese Situation aber nicht auf jede schuldhafte Pflichtverletzung und nicht einmal auf jede zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung zutrifft.2 Allerdings ist die Zulässigkeit einer in Allgemeinen Arbeitsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe nicht auf den Vertragsbruch beschränkt, es können auch Nebenpflichten über Vertragsstrafen abgesichert werden, wie etwa ein Wettbewerbsverbot oder der Pflicht zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen, bei dem ein Schadensnachweis für den Arbeitgeber ebenso schwer möglich ist.3 261 Ob daneben auch die (bloße) Einhaltung von Vertragstreue eine Vertragsstrafe rechtfertigen kann, ist umstritten.4 Dass der Arbeitnehmer kein berechtigtes Interesse an einer sanktionslosen (schuldhaften) Pflichtverletzung hat, der Arbeitgeber aber sehr wohl ein berechtigtes Interesse an der Vertragstreue des Arbeitnehmers, spricht in der Tat dafür, zunächst jede Pflichtverletzung als Verwirkungsgrund ausreichen zu lassen. Auf der anderen Seite geht es aber um die Kontrolle einseitig ausgeübter Vertragsgestaltungsmacht, die eine Formularvereinbarung von der Individualvereinbarung abhebt. Hier aber spielt die Gewichtung der Interessen des Verwenders auch vor dem Hintergrund etwa der Schwere der Pflichtverletzung und der anderweitigen Sanktionsmöglichkeit eine Rolle.5 Eine grundsätzliche Beschränkung auf schadensbezogene Pflichten ist deshalb zu bevorzugen. Ausnahmen können sich etwa aus dem Gesichtspunkt des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergeben. 262 Aus dem Steuerungsinteresse des Arbeitgebers folgt, dass eine Regelung, die eine Strafverwirkung für alle schuldhaften Pflichtverletzungen vorsieht, unzulässig ist: der Arbeitnehmer wird nämlich regelmäßig nicht jede schuldhafte Pflichtverletzung vermeiden können, weshalb die 1 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; anders HWK/Gotthardt, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 52. 2 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. 3 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; LAG Niedersachsen 15.9.2011 – 7 Sa 1908/10 – ArbR 2011, 620; Henssler/Moll, S. 83. 4 Dafür Staudinger/Rieble (2009), Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 34 ff.; dagegen WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 178. 5 Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (636).

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Steuerungswirkung der Vertragsstrafe hier überschießend ist. So sind etwa Formulierungen, die eine Vertragsstrafe für einen „gravierenden Vertragsverstoß“1 oder für „schuldhaft vertragswidriges Verhalten“2 vorsehen, nicht geeignet, die Steuerungswirkung der Vertragsstrafe zur Geltung zu bringen: Der Arbeitnehmer muss wissen, wann er eine Vertragsstrafe verwirkt hat.3 Eine solche „Globalvertragsstrafe“ für alle Pflichtverletzungen setzt die Interessen des Arbeitgebers unangemessen über die des Arbeitnehmers – und ist damit auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Aus dem Transparenzgebot folgt deshalb auch, dass die zur Verwirkung 263 der Vertragsstrafe führende Pflichtverletzung möglichst präzise zu beschreiben ist.4 So muss in der Vertragsstrafenklausel auf einzelne Pflichtverletzungen, wie etwa den Vertragsbruch, abgestellt werden. Das BAG hält hier einen Klammerzusatz mit konkreten Beschreibungen im Anschluss an die allgemeine Beschreibung der Pflichtverletzung („etwa …“) für ausreichend.5 Ebenso sei aus der Bezeichnung „Vertragsstrafe“ ersichtlich, dass (lediglich) eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Verwirkung führen soll;6 dem Arbeitnehmer wird hier allerdings eine doch tiefere Kenntnis des Rechts der Vertragsstrafe unterstellt.7 Dieser recht rigiden Rechtsprechung kann freilich nicht entgegengehalten werden, dass es dem Arbeitgeber erlaubt sein müsse, unbestimmte Rechtsbegriffe wie etwa den des wichtigen Grundes nach § 626 BGB zu verwenden,8 denn bei der Vertragsstrafe geht es stets um eine (neben etwaigen den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Folgen) zusätzliche Sanktion.9

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BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053. BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; DBD/Däubler § 309 Nr. 6 Rz. 13. BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; „Insbesondere“-Aufzählungen lehnen aber etwa ab Henssler/Moll, S. 81. BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP Nr. 49 zu § 307 BGB. Siehe dazu die Ausführungen in BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49. Bauer/Krieger, SAE 2006, 11 (13); in diese Richtung auch WLP/Stoffels, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 180. Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (633).

Klumpp 377

§ 307

Inhaltskontrolle

Allerdings können schwere, sanktionierbare Pflichtverletzungen wie etwa der Vertragsbruch und andere, nicht formularmäßig sanktionierbare getrennt werden – eine entsprechende Klausel kann also aufrechterhalten werden.1 264 Die Unangemessenheit der Vertragsstrafe kann auch aus der Höhe der verwirkten Strafe folgen.2 Dabei verbietet sich aber vor allem im Hinblick auf die durch die Vertragsstrafe gesicherte Pflichtverletzung eine pauschale Beurteilung, vielmehr sind die Interessen der Vertragsparteien im Hinblick auf den Vertragsstrafengrund gegeneinander abzuwägen.3 In der Rechtsprechung hat sich für die Fälle des durch Vertragsstrafe sanktionierten Vertragsbruches eine Orientierung anhand des Einkommens des Arbeitnehmers herausgebildet: die Höhe eines Bruttomonatsgehaltes als Grenze dient hier als „Faustregel“,4 weil die Vertragsstrafe dem Schadensvermeidungsinteresse des Arbeitgebers dient und der Verdienst des Arbeitnehmers Indiz für die Werthaltigkeit seiner Arbeitsleistung ist. Dieses ist dann aber an der Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses, wie es sich aus den Mindestkündigungsfristen ergibt, zu messen,5 weil im Falle einer kürzeren Kündigungsfrist die Strafhöhe eines Bruttomonatsgehalts zur Übersicherung des Arbeitgebers führt.6 Weil die Angemessenheitskontrolle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchzuführen ist (siehe oben Rz. 44), spielt dieser Gesichtspunkt dort eine Rolle, wo Probezeitkündigungen unterhalb der Monatsfrist möglich sind.7 265 Auch für die formularmäßige Vereinbarung von Vertragsstrafen gibt es aber keine absolute Höchstgrenze.8 Ausnahmen von der Begrenzung auf ein Bruttomonatsgehalt sind deshalb möglich, wenn das Sanktionsinte-

1 BAG 21.5.2005 – 8 AZR 196/04 – NZA 2005, 1053; DBD/Däubler, § 309 Nr. 6 Rz. 13. 2 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727. 3 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370; Henssler/Moll, S. 83. 4 BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/10 – NZA 2011, 89; BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49; BAG 21.5.2005 – 8 AZR 196/04 – NZA 2005, 1053; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 54. 5 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 98, ErfK/Müller-Glöge, §§ 339–345 BGB Rz. 14; Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1414). 6 BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/10 – NZA 2011, 89. 7 BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/10 – NZA 2011, 89. 8 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370.

378 Klumpp

Einzelne Klauseln

§ 307

resse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung typischerweise und generell übersteigt1 – wegen § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind aber auch konkrete Umstände bei der Beurteilung der Höhe einer Vertragsstrafe zu berücksichtigen.2 Das ist etwa anerkannt, wenn der Arbeitgeber besondere Schwierigkeiten hat, einen Ersatz für den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer zu finden oder die Einarbeitung eben durch den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer nötig ist.3 Wegen § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind aber auch konkrete Umstände bei der Beurteilung der Höhe einer Vertragsstrafe zu berücksichtigen. Soll die Vertragsstrafe im Falle der Verletzung von Nebenpflichten, wie 266 insbesondere eines Wettbewerbsverbotes, verwirkt sein, ist der Bezugspunkt für die eintretenden Schäden und damit auch für die Vertragsstrafenhöhe nicht das Bruttomonatsgehalt.4 Auch hier kommt es auf die gesicherte konkrete Vertragspflichtverletzung an, als Obergrenze wird hier ein Jahresgehalt vorgeschlagen.5 Auch die Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe unterliegt dem Trans- 267 parenzgebot,6 auch hier soll der Arbeitnehmer erkennen können, was auf ihn im Falle einer Verwirkung „zukommt“. So ist eine Klausel, die bei einem Vertragsverstoß eine Vertragsstrafe von „einem bis drei Monatsgehältern“ vorsieht, zu Recht als intransparent und damit unangemessen benachteiligend angesehen worden.7 Eine unwirksame Vertragsstrafe kann nicht verwirkt werden, eine Reduktion auf das (noch) Zulässige erfolgt (auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten) nicht.8 Auch § 343 BGB ist nicht anzuwenden, weil dieser ein wirksames Vertragsstrafenversprechen voraussetzt.9 Im Rahmen des so genannten blue pencil test lässt

1 BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727. 2 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370. 3 LAG Schleswig-Holstein 28.2.2012 – 1 Sa 235 b/11 – EzA-SD 2012, Nr. 12, 13. 4 Krause, FS Reuter (2010), S. 627 (641). 5 Henssler/Moll, S. 83. 6 BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. 7 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34. 8 BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/10 – NZA 2011, 89. 9 BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 56.

Klumpp 379

268

§ 307

Inhaltskontrolle

die Rechtsprechung eine Trennung zwischen Vertragsbruch und anderem schuldhaftem Tun zu.1 25. Wettbewerbsverbot 269 Während des Arbeitsverhältnisses hat sich der Arbeitnehmer des Wettbewerbs gegen seinen Arbeitgeber bereits wegen § 241 Abs. 2 BGB zu enthalten.2 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss dagegen vereinbart werden. Weil es tief in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eingreift, machen die §§ 74 ff. HGB detaillierte Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Wegen § 110 GewO gelten die §§ 74 ff. HGB für alle Arbeitsverhältnisse. Nach § 74 Abs. 1 HGB ist das Wettbewerbsverbot schriftlich zu vereinbaren. Wesentlich ist die Vereinbarung einer Karenzentschädigung, § 74 Abs. 2 HGB. Das Wettbewerbsverbot ist nur insoweit wirksam, als es den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient und nach Ort, Zeit oder Gegenstand keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält, § 74a Abs. 1 HGB. Als zeitliche Grenze für das Wettbewerbsverbot sieht § 74a Abs. 1 HGB zwei Jahre vor. 270 Umstritten ist das Verhältnis der §§ 74 ff. HGB zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Von der herrschenden Meinung wird jedenfalls im Ergebnis angenommen, dass im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes keine Inhaltskontrolle durchzuführen ist, sondern eine Überprüfung anhand der §§ 74 ff. HGB stattfindet.3 Die Frage ist deshalb wesentlich, weil § 74a Abs. 1 HGB bei Unverbindlichkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbotes von einer geltungserhaltenden Reduktion ausgeht („soweit“), die dem Recht der AGB-Kontrolle fremd ist. Um insofern Missbräuche zu vermeiden, soll eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB durchzuführen sein.4 Richtig ist, die hier wesentliche Vorschrift des § 74a HGB als lex specialis gegenüber den §§ 306, 307 ff. BGB anzu-

1 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; zustimmend Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1415). 2 Dazu Laskawy, NZA 2012, 1011. 3 WLP/Stoffels, Anhang ARbR Rz. 186; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 458; Laskawy, NZA 2012, 1011 (1014); Diller, NZA 2005, 250 (251); LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02 – NZA-RR 2003, 513; LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07 – NZA-RR 2008, 508; ohne Problembewusstsein LAG Niedersachsen 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05 – NZA-RR 2006, 426. 4 Koch, RdA 2006, 28 ff.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

§ 308

sehen – weil der Gesetzgeber hier (auch für formularmäßige Vereinbarungen) die geltungserhaltende Reduktion ausdrücklich zugelassen hat.1 Im Hinblick auf die Höhe der Karenzentschädigung ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten.2 26. Widerrufsvorbehalt Siehe dazu die Kommentierung bei § 308 Rz. 87 ff.

271

27. Zielvereinbarungen Siehe bei der Kommentierung zu besonderen Vergütungsbestandteilen 272 Rz. 19 ff. 28. Zustimmungsfiktionen Siehe dazu § 308 Rz. 97 ff.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

308

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam 1. (Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 bis 3 und § 356 zu leisten; 2. (Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;

1 WLP/Stoffels, Anh. ARbR zu § 310 Rz. 186; anders Koch, RdA 2006, 28 (30), der darauf hinweist, dass die §§ 305 ff. BGB jüngeres und damit verdrängendes Gesetz seien. Das freilich kann an einer Einordnung als speziellerer Regelung nichts ändern, weil alle Tatbestandsmerkmale enthalten sind. 2 Laskawy, NZA 2012, 1001 (1014); dazu auch BAG 28.6.2006 – 10 AZR 407/05 – NZA 2006, 1157.

Brühler 381

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

§ 308

sehen – weil der Gesetzgeber hier (auch für formularmäßige Vereinbarungen) die geltungserhaltende Reduktion ausdrücklich zugelassen hat.1 Im Hinblick auf die Höhe der Karenzentschädigung ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten.2 26. Widerrufsvorbehalt Siehe dazu die Kommentierung bei § 308 Rz. 87 ff.

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27. Zielvereinbarungen Siehe bei der Kommentierung zu besonderen Vergütungsbestandteilen 272 Rz. 19 ff. 28. Zustimmungsfiktionen Siehe dazu § 308 Rz. 97 ff.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

308

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam 1. (Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 bis 3 und § 356 zu leisten; 2. (Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;

1 WLP/Stoffels, Anh. ARbR zu § 310 Rz. 186; anders Koch, RdA 2006, 28 (30), der darauf hinweist, dass die §§ 305 ff. BGB jüngeres und damit verdrängendes Gesetz seien. Das freilich kann an einer Einordnung als speziellerer Regelung nichts ändern, weil alle Tatbestandsmerkmale enthalten sind. 2 Laskawy, NZA 2012, 1001 (1014); dazu auch BAG 28.6.2006 – 10 AZR 407/05 – NZA 2006, 1157.

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§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

3. (Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; 4. (Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; 5. (Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen; 6. (Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; 7. (Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann; 8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten. 382 Brühler

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung des § 308 BGB für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. § 308 Nr. 1 BGB (Annahmeund Leistungsfrist) . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Annahmefrist . . . . . . . . . . . aa) Annahmefrist bei Begründung des Arbeitsverhältnisses. . . . . . . . . bb) Annahmefrist während des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . c) Leistungszeit . . . . . . . . . . . . aa) Leistungszeit bei der Zahlung des Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungszeit bei Arbeitszeitmodellen . . . . (1) Kurzzeitkonten . . . (2) Langzeitkonten . . . 2. § 308 Nr. 2 BGB (Nachfrist) . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich. . . . . . 3. § 308 Nr. 3 BGB (Rücktrittsvorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmeregelung für Dauerschuldverhältnisse . . b) Anwendungsbereich im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt des Arbeitgebers im Vorvertrag . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an das Lösungsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . 4. § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . aa) Änderung und flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen . . . . . bb) Änderungsvorbehalt und Direktionsrecht . .

1

2 4 4 4 5

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24 27

§ 308 cc) Änderungsvorbehalt und Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . b) Sinn und Zweck der Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrolle der Gestaltung der Klausel . . . . . . bb) Vertragsinhaltsschutz . (1) Rechtslage vor der Schuldrechtsreform (2) Schutzbereich der Vorschrift . . . . . . . . . c) Erfasste Klauseln . . . . . . . . . aa) Leistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art der Leistungen . (2) Höhe der Leistungen . . . . . . . . . . . . . . (3) Tarifniveau als Untergrenze. . . . . . . (4) Übertarifliche Leistungen . . . . . . . . bb) Versprochene Leistung . (1) Unter Vorbehalt versprochene Leistung . . . . . . . . . . (2) Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . cc) Abänderung oder Abweichung von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . d) Befugnis zur einseitigen Leistungsänderung . . . . . . . aa) Dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung . . . . . . bb) Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Bedeutung . . . . . . . . (2) Kontrolle der Bezugnahmeklausel . . (3) Maßstab der Inhaltskontrolle . . . . .

28 29 30 31 31 32 34 35 38 39 40 43 44

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Brühler 383

§ 308 (4) Eingeschränkte Kontrolle der Leistungsänderung . . . . e) Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . aa) Formelle Anforderungen an die Änderungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . (1) Kalkulierbarkeit der Änderung . . . . . (2) Angabe von Gründen . . . . . . . . . (3) Wirtschaftliche Gründe . . . . . . . . . . (4) Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . (5) Wegfall des Leistungszwecks . . . . . . (6) Konkrete Begrenzung der Änderungsbefugnis . . . . . (7) Zeitlicher Umfang der Änderung . . . . . (8) Ankündigungsfrist . bb) Materielle Anforderungen an die Änderungsbefugnis . . . . . . . . (1) Erforderlichkeit der Anpassung . . . . . . . (2) Beurteilung der Zumutbarkeit . . . . . (3) Synallagmatische Leistungen . . . . . . . (4) Nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen . . . . . . . . . . . f) Ausübungskontrolle. . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . bb) Bedeutung . . . . . . . . . . . cc) Gegenstand der Kontrolle . . . . . . . . . . . . dd) Interessenabwägung . . ee) Ankündigungsfrist . . . . g) Widerrufsvorbehalt bei Sondervergütungen. . . . . . .

384 Brühler

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

61 62

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aa) Praktische Bedeutung . bb) Transparente Fassung der Widerrufsklausel . . cc) Angemessenheits- und Ausübungskontrolle. . . h) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . aa) Unwirksamkeitsvermutung . . . . . . . . . . . . . bb) Entkräftung der Unwirksamkeitsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . i) Folgen der Klauselunwirksamkeit. . . . . . . . . . . . . 5. § 308 Nr. 5 BGB (Fingierte Erklärungen) . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . aa) Erklärungen des Arbeitnehmers . . . . . . . . . bb) Schweigen als Willenserklärung . . . . . . . . . . . . cc) Widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit . . c) Anforderungen an Erklärungsfiktionen . . . . . . . . . . . aa) Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hinweispflicht . . . . . . . 6. § 308 Nr. 6 BGB (Fiktion des Zugangs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsfälle . . . . . . . . c) Erklärungen von besonderer Bedeutung. . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit . . . . . . . . . . 7. § 308 Nr. 7 BGB (Abwicklung von Verträgen) . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . aa) Ansprüche des Arbeitgebers bei Kündigung . . bb) Arten der Abwicklungsansprüche . . . . . . . (1) Vergütungsansprüche . . . . . . . .

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§ 308

Praktische Bedeutung des § 308 BGB (2) Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers . . . . . . 117

8. § 308 Nr. 8 BGB (Nichtverfügbarkeit der Leistung) . . . . . 118

I. Einführung Die Klauselverbote entsprechen im Wesentlichen dem früheren § 10 1 AGBG. Sie enthalten weitgehend dieselben unbestimmten Rechtsbegriffe und eröffnen damit einen Wertungsspielraum.1 Dies wird bereits aus der Überschrift „Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit“ deutlich. Da das Unwerturteil von den Umständen im Einzelfall abhängen soll, musste zur Umschreibung der Unwirksamkeitsvoraussetzungen auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgegriffen werden.2 Die Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel bedarf damit einer einzelfallbezogenen richterlichen Wertung. Für die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe, z.B. der in § 308 Nr. 4 BGB genannten Zumutbarkeit, hat sich die Rechtsprechung des BAG3 an der Rechtsprechung des BGH orientiert (Einführung Rz. 21). II. Praktische Bedeutung des § 308 BGB für das Arbeitsrecht Für das Arbeitsrecht ist vor allem der in § 308 Nr. 4 BGB geregelte Än- 2 derungsvorbehalt von Bedeutung. Dies beruht auf dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und der auf längere Zeit angelegten Austauschbeziehung. Diese Zukunftsgerichtetheit kann es erfordern, die arbeitsvertraglichen Konditionen veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, wobei die Änderungskündigung als Änderungsinstrument in der Realität häufig nicht in Betracht kommt (Einführung Rz. 70). Nicht selten werden deshalb in Formulararbeitsverträgen Leistungen des Arbeitgebers mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden. Im Übrigen haben die Klauselverbote, soweit sie auf Dauerschuldver- 3 hältnisse überhaupt Anwendung finden, eher geringe Bedeutung. Unter die von § 308 Nr. 1 BGB erfasste Leistungspflicht fällt zwar die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Der Auszahlungstermin ist jedoch vielfach durch Kollektivvereinbarungen festgelegt. Deshalb wird auch § 308 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht kaum relevant. Dies gilt auf1 HWK/Gotthardt, § 308 BGB Rz. 1. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Rz. 2. 3 Vgl. zur „Zumutbarkeit“ i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465 unter Verweis auf BGH 19.10.1999 – XI ZR 8/99 – NJW 200, 651.

Brühler 385

§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

grund der Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse auch für § 308 Nr. 3 BGB und § 308 Nr. 8 BGB. Da in Arbeitsverträgen Schriftformklauseln wesentlich verbreiteter sind als Erklärungsfiktionen, hat auch § 308 Nr. 5 BGB in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bisher keine große Rolle gespielt. Ebenso verhält es sich bei § 308 Nr. 6 BGB, der die Fiktion des Zugangs einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Erklärung des Arbeitgebers verhindern will. Auch die Bedeutung des § 308 Nr. 7 BGB für Arbeitsverhältnisse ist gering. III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB 1. § 308 Nr. 1 BGB (Annahme- und Leistungsfrist) a) Allgemeines 4 § 308 Nr. 1 BGB soll verhindern, dass die Dispositionsfreiheit des Verwendungsgegners in unangemessener Weise eingeschränkt wird.1 Die Vorschrift erfasst auch Arbeitsverträge. Klauseln, die zu Gunsten des Arbeitgebers die Annahmefrist abweichend von § 147 Abs. 2 BGB oder die Leistungszeit für eine dem Arbeitgeber obliegende Leistung abweichend von § 271 BGB verlängern, dürften jedoch selten sein.2 b) Annahmefrist 5 Die erste Alternative enthält das Verbot einer unangemessen langen oder nicht hinreichend bestimmten Antragsbindungsdauer. Fristen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Annahme seiner eigenen Angebote setzt, sind nicht an § 308 Nr. 1 BGB zu messen.3 aa) Annahmefrist bei Begründung des Arbeitsverhältnisses 6 Klauseln, die den Abschluss des Arbeitsvertrags betreffen, sind an sich keine Vertragsbedingungen, weil ein Vertrag noch nicht zustande gekommen ist. Ob eine solche Klausel an § 308 Nr. 1 BGB zu messen ist, ist deshalb fraglich.4 Gleichwohl werden Vertragsabschlussklauseln zu Recht Vertragsbedingungen gleichgestellt und einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 1 BGB unterzogen.5 Bindet eine Klausel den Arbeitneh1 2 3 4 5

BGH 11.6.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873. DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 1; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 1 Rz. 11. Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 1 Rz. 8. Zweifelnd DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 2. Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 1 Rz. 4; MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 1 Rz. 3; WLP/Dammann, § 308 Nr. 1 Rz. 8; UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 1

386 Brühler

Die einzelnen Klauselverbote

§ 308

mer unangemessen lange an sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags, ist sie unwirksam.1 Richtlinie für die Beurteilung der Unangemessenheit ist § 147 Abs. 2 BGB.2 bb) Annahmefrist während des Arbeitsverhältnisses Trägt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Änderung des Arbeitsvertrags an, will er i.d.R. günstigere Arbeitsbedingungen erreichen. Er wird häufig den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen. Möchte der Arbeitgeber am Arbeitsverhältnis festhalten, liegt es in seinem Interesse, sich innerhalb angemessener Zeit zum Änderungsantrag des Arbeitnehmers zu äußern.

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c) Leistungszeit Die zweite Alternative der Norm gilt für Sach- und Dienstleistungs- 8 pflichten aller Art, insbesondere auch Geldleistungspflichten.3 Ausgenommen ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1–3 und § 356 BGB zu leisten. Die Vorschrift erfasst damit auch die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen. An der Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers, die aus § 614 BGB folgt,4 ändert sie nichts. aa) Leistungszeit bei der Zahlung des Arbeitsentgelts Klauseln, die es dem Arbeitgeber erlauben, die Vergütung mit erhebli- 9 cher Verspätung zu zahlen, sind zwar denkbar. Der Auszahlungstermin ist jedoch vielfach durch Kollektivvereinbarungen festgelegt, an die der Arbeitgeber unmittelbar oder kraft vertraglicher Bezugnahme gebunden ist. Die praktische Bedeutung der Vorschrift für die Zahlung der laufenden Vergütung ist daher gering.5 Da der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt i.d.R. für seinen Lebensunterhalt benötigt, kommen Abreden über Vorschuss- oder Abschlagszahlungen des Arbeitgebers häufiger vor.

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Rz. 8; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 1 Rz. 6; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 695; BGH 11.6.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873; zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 11 Nr. 1 AGBG vgl. BGH 23.3.1988 – VIII ZR 175/87 – NJW 1988, 1908. Eckert/Wallstein, Das neue Arbeitsvertragsrecht, 2002, S. 146. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 1 Rz. 11. Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 1 Rz. 19. ErfK/Preis, § 614 BGB Rz. 1. DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 4.

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§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

bb) Leistungszeit bei Arbeitszeitmodellen 10 Die Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos stellt regelmäßig eine abweichende Regelung der Leistungszeit i.S.v. § 308 Nr. 1 BGB dar.1 Der in § 614 BGB vorgesehene Zeitpunkt für die Zahlung der Vergütung kann weit in die Zukunft verschoben werden.2 § 308 Nr. 1 BGB steht jedoch einer Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos i.d.R. nicht entgegen.3 (1) Kurzzeitkonten 11 Kurzzeit- oder Gleitzeitkonten, die eine Anpassung der Arbeitszeit an den täglichen Arbeitsbedarf ermöglichen, dienen der Flexibilisierung der Arbeitszeit.4 Sie erfassen Zeitdifferenzen zur individual- oder tarifvertraglich festgelegten Regelarbeitszeit.5 Da sie den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgen, sind sie gemäß § 7b Nr. 2 SGB IV keine Wertguthaben. Aus den §§ 7b SGB IV ff. kann die Zulässigkeit von Kurzzeitkonten deshalb nicht abgeleitet werden. Jedoch ist bereits fraglich, ob die Führung eines Kurzzeitkontos überhaupt unangemessen i.S.v. § 308 Nr. 1 BGB sein kann.6 Ein Kurzzeitkonto liegt oft auch im Interesse des Arbeitnehmers, z.B. dann, wenn es einen verstärkten Kündigungsschutz bewirkt.7 Jedenfalls scheidet eine Anwendung von § 308 Nr. 1 BGB in aller Regel aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) aus.8

1 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1056. 2 Hofmann, Die Kontrolle von Arbeitsverträgen nach der Schuldrechtsreform, 2005, S. 147. 3 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1056; DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 4; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 291; Hofmann, S. 147 f.; Kriebitzsch, Die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Arbeitsbedingungen anhand der §§ 305 ff. BGB, 2007, S. 165; Reim, JuS 2006, 120 (124); a.A. Bratz, Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 326 ff. 4 Wolf, FS Buchner (2009), S. 996. 5 Heide, Lebensarbeitszeitkonten aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2007, S. 27. 6 Verneinend Kriebitzsch, S. 165; Hofmann, S. 148. 7 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1056. 8 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1056; DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 4; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 291; Hofmann, S. 147 f.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 308

(2) Langzeitkonten Wird die Führung eines Langzeitkontos zum Aufbau eines Wertguthabens i.S.v. § 7b Nr. 1 SGB IV vereinbart, findet § 308 Nr. 1 BGB von vornherein keine Anwendung. Dies würde gegen die Grundgedanken der §§ 7b SGB IV ff. verstoßen.1 Da nach § 7e SGB IV die Verpflichtung besteht, das Wertguthaben gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern, ist der Arbeitnehmer trotz der hinausgeschobenen Leistungspflicht des Arbeitgebers weitgehend vor einem Verlust seines Wertguthabens geschützt.2

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2. § 308 Nr. 2 BGB (Nachfrist) a) Bedeutung Die Vorschrift sichert das Verbot des § 308 Nr. 1 BGB gegen Umgehung.3 13 Sie knüpft an die bereits fällige Leistung an. Ihr Zweck ist es, den Verwendungsgegner als Gläubiger davor zu schützen, dass sich der Verwender eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält. Sie will sicherstellen, dass der Gläubiger gemäß §§ 281, 323 BGB nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm bestimmten angemessenen Nachfrist Schadensersatz statt der Leistung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten kann.4 b) Anwendungsbereich Im Arbeitsrecht wird die Vorschrift nur in seltenen Ausnahmefällen re- 14 levant werden. Denkbar ist dies, wenn der Arbeitgeber Sachleistungen schuldet. Hat sich der Arbeitgeber eine Nachfrist vorbehalten, sind seine und die Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen und zu bestimmen, ob die vorbehaltene Nachfrist noch angemessen ist.5 Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die fällige Vergütung nicht, für deren Leistung i.d.R. eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, wird der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber regelmäßig keine Nachfrist setzen, sondern gemäß § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen beanspruchen.

1 DBD/Bonin, § 308 Nr. 1 Rz. 4; a.A. Bratz, S. 327. 2 Vgl. zur Insolvenzsicherung von Wertguthaben Wolf, FS Buchner (2009), S. 996 (1005 ff.); Cisch/Ulbrich, BB 2009, 550 (553 ff.); Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2252 (2255 ff.). 3 MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 2 Rz. 1. 4 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 2 Rz. 1. 5 DBD/Bonin, § 308 Nr. 2 Rz. 2.

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§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

3. § 308 Nr. 3 BGB (Rücktrittsvorbehalt) a) Ausnahmeregelung für Dauerschuldverhältnisse 15 Die Vorschrift verbietet Klauseln, die dem Verwender ein Lösungsrecht einräumen, ohne dass dafür ein sachlich gerechtfertigter und im Vertrag angegebener Grund vorliegt. Sie gilt ausdrücklich nicht für Dauerschuldverhältnisse. Die Ausnahme gilt auch für Dauerschuldverhältnisse geringer Dauer.1 Als Dauerschuldverhältnis fällt das Arbeitsverhältnis damit nicht in den Verbotsbereich. Dauerschuldverhältnisse sind ausgenommen, weil sie nicht durch Rücktritt, sondern durch Kündigung beendet werden.2 Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, muss er grundsätzlich Kündigungsfristen einhalten und Kündigungsschutzvorschriften beachten, so dass der Arbeitnehmer des Schutzes der Vorschrift regelmäßig nicht bedarf. b) Anwendungsbereich im Arbeitsrecht 16 Aufgrund der Ausnahmeregelung für Dauerschuldverhältnisse hat die Vorschrift im Arbeitsrecht keine große praktische Bedeutung. Sie ist z.B. anwendbar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Waren verkauft.3 Über den Rücktrittsvorbehalt hinaus erfasst sie alle rechtstechnisch möglichen Lösungsmöglichkeiten.4 Obwohl das Verbot ausdrücklich nicht für Dauerschuldverhältnisse gilt, findet die Vorschrift auch bei diesen Anwendung, wenn das Lösungsrecht für die Zeit vor Beginn der Vertragsabwicklung vorbehalten ist.5 aa) Rücktrittsvorbehalt des Arbeitgebers im Vorvertrag 17 Bei einem auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Vorvertrag wird noch kein Dauerschuldverhältnis begründet.6 Das Lösungsrecht des Arbeitgebers richtet sich deshalb bei einem Vorvertrag, der die Parteien zum späteren Abschluss eines Arbeitsvertrags verpflichtet, 1 WLP/Dammann, § 308 Nr. 3 Rz. 6; a.A. Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 3 Rz. 35. 2 Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 3 Rz. 29; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 785. 3 Eckert/Wallstein, S. 147. 4 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 488/04 – NZA 2006, 539; Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 3 Rz. 3; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 3 Rz. 2; Stoffels, AGBRecht, Rz. 773. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 785; zur Anwendung von § 10 Nr. 3 AGBG vor Überlassung der Mietsache vgl. BGH 10.12.1986 – VIII ZR 349/85 – NJW 1987, 831. 6 WLP/Dammann, § 308 Nr. 3 Rz. 3.

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Die einzelnen Klauselverbote

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nach § 308 Nr. 3 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Der Vorbehalt des Arbeitgebers, dass über die endgültige Einstellung des Arbeitnehmers erst nach Prüfung seiner Nachweise und Qualifikation entschieden werden soll, ist ein Rücktrittsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 3 BGB.1 bb) Anforderungen an das Lösungsrecht des Arbeitgebers Bei § 308 Nr. 3 BGB handelt es sich um einen besonders geregelten Unterfall des Bestimmtheitsgrundsatzes, der im Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB seinen Ausdruck gefunden hat. § 308 Nr. 3 BGB gestaltet dieses Gebot aus.2 Ein Rücktrittsvorbehalt in einem Vorvertrag über den Abschluss eines Arbeitsvertrags ist deshalb nur wirksam, wenn ein sachlich gerechtfertigter Grund für das Lösungsrecht vorliegt und dieser Grund mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist.

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Der Grund für die Lösung muss im Vertrag so konkret angegeben wer- 19 den, dass der Durchschnittsarbeitnehmer ohne Schwierigkeiten feststellen kann, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber den Vorbehalt ausüben darf.3 Fehlt es daran, besteht kein Lösungsrecht. Ob ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt, ist anhand einer Abwä- 20 gung der beiderseitigen Interessen zu ermitteln.4 § 308 Nr. 3 BGB bindet die sachliche Rechtfertigung an ein überwiegendes oder zumindest anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Lösungsmöglichkeit.5 Erstreckt sich der Vorbehalt auf Umstände, die der Arbeitgeber bereits kannte oder bei gebotener Sorgfalt schon vor dem Vertragsschluss hätte erkennen können, fehlt ein schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers. 4. § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) a) Allgemeines § 308 Nr. 4 BGB konkretisiert § 307 BGB. Die Vorschrift ist als explizite Regelung für die Zulässigkeit von Änderungsvorbehalten, insbesondere

1 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 488/04 – NZA 2006, 539. 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (63). 3 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 488/04 – NZA 2006, 539; Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 3 Rz. 5. 4 WLP/Dammann, § 308 Nr. 3 Rz. 24. 5 BAG 27.7.2005 – 7 AZR 488/04 – NZA 2006, 539; Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 3 Rz. 7.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

Widerrufsvorbehalten, gegenüber dieser Bestimmung lex specialis.1 Allerdings sind in ihrem Anwendungsbereich die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen.2 Die Norm bindet die Wirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte des Verwenders an die Zumutbarkeit für den Verwendungsgegner. Im Arbeitsverhältnis schränkt sie vor allem die Zulässigkeit von auf die Vergütung des Arbeitnehmers bezogenen Widerrufsvorbehalten erheblich ein, die zum typischen Erscheinungsbild in Arbeitsverträgen gehören.3 22 Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten hindern die Anwendung der Vorschrift auf Widerrufsvorbehalte nicht. Gegen das Verständnis, die Norm sei auf einmalige Warenaustauschverträge zugeschnitten, während Arbeitsverhältnisse auf Dauer angelegt seien und daher nicht denselben Anforderungen unterworfen werden dürften,4 spricht schon, dass § 308 Nr. 4 BGB Dauerschuldverhältnisse im Gegensatz zu § 308 Nr. 3 BGB nicht ausnimmt,5 sondern diese Bestimmung konkretisiert und ergänzt.6 Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind („pacta sunt servanda“), gilt auch für Dauerschuldverhältnisse und damit auch für Arbeitsverträge.7 23 Als Dauerschuldverhältnis bedurfte das Arbeitsverhältnis von jeher der Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen.8 Die Unternehmen sind aufgrund des durch die Internationalisierung der Märkte verstärkten Wettbewerbsdrucks stärker denn je an flexiblen Arbeitsbedingungen in-

1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943; Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (392). 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 38; Franzen, GS Zachert (2010), S. 386. 4 Vgl. Hromadka, FS Dieterich (1999), S. 251 (266 f.); Lingemann, NZA 2002, 181 (190); Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (75); Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (327); Söllner, ZfA 2003, 145 (158 f.). 5 Kriebitzsch, S. 169; Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. 6 v. Westphalen, FS Schlosser (2005), S. 1103 (1116). 7 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – ZTR 2010, 658; zu den historischen Wurzeln dieses Grundsatzes eingehend Raab, FS Birk (2008), S. 659 (662 ff.). 8 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 1; Raab, FS Birk (2008), S. 659; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634.

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teressiert.1 Flexible Arbeitsbedingungen können auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Eine interne Flexibilität stabilisiert das Arbeitsverhältnis.2 Sein Fortbestand wird bei der Ausübung eines vorbehaltenen Leistungsänderungsrechts anders als beim Ausspruch einer Änderungskündigung nicht gefährdet. Die Anpassung der Vertragsbedingungen an geänderte Umstände ist im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses kein Widerspruch zur Vertragstreue, weil das Vertragsversprechen keine Ewigkeitsgarantie beinhaltet und der Widerrufsvorbehalt Teil der Parteivereinbarung ist.3 aa) Änderung und flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen Der Gesetzgeber hat das Interesse des Arbeitnehmers an einer veränderten Dauer und Lage der Arbeitszeit in den §§ 8, 9 TzBfG, in § 15 BEEG und in § 3 PflegeZG ausdrücklich anerkannt. Mit der in § 12 TzBfG geregelten Arbeit auf Abruf hat er die Flexibilisierung der Arbeitszeit bezweckt.4 Die Änderung oder flexible Gestaltung der Arbeitszeit führt bei Anwendung des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG normierten Pro-rata-temporis-Grundsatzes allerdings nicht zu einer Änderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung.

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Dies ist bei auf die Vergütung des Arbeitnehmers bezogenen Flexibilisie- 25 rungsklauseln anders. Macht der Arbeitgeber von einem Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch, verringert sich die Vergütung des Arbeitnehmers, seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung ändert sich jedoch nicht. Das Bedürfnis für Änderungsvorbehalte beim Arbeitsentgelt ist groß. Ohne die Vereinbarung eines solchen Vorbehalts ist es dem Arbeitgeber kaum möglich, einseitig das Entgelt an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.5 Eine Änderungskündigung zur Absenkung des Entgelts ist oft nicht zulässig oder führt aufgrund ihrer hohen Anforderungen häufig nicht zum Ziel.6 Eine klare Aussage des Gesetzgebers zur Entgeltflexibilisierung fehlt.7 Das BAG hat das Bedürfnis, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch 1 Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (380). 2 Isenhard, FS Hanau (1999), S. 221 (222); BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 3 Raab, FS Birk (2008), S. 559 (677). 4 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – NZA 2006, 423. 5 Lunk/Leder, NZA 2008, 504. 6 Reiserer, NZA 2007, 1249; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 1. 7 Waas, RdA 2007, 76 (80).

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

ohne Änderungskündigung veränderten Umständen anpassen zu können, im Grundsatz stets anerkannt. Nach seiner Rechtsprechung sind Flexibilisierungsinstrumente wie die Befristung von Arbeitsbedingungen,1 Widerrufsvorbehalte bei Entgeltabreden2 und Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sondervergütungen3 grundsätzlich zulässig. bb) Änderungsvorbehalt und Direktionsrecht 27 § 308 Nr. 4 BGB findet keine Anwendung auf das in § 106 GewO geregelte Weisungsrecht des Arbeitgebers.4 Auch Klauseln, die dieses Recht erweitern, erfasst die Vorschrift nicht.5 Behält sich der Arbeitgeber vor, den Inhalt, den Ort oder die zeitliche Lage der Arbeitsleistung zu ändern, betrifft der Vorbehalt nicht die Änderung der von ihm versprochenen Leistung, sondern die Gegenleistung des Arbeitnehmers. An § 308 Nr. 4 BGB sind nach der Rechtsprechung des BAG nur Änderungsvorbehalte des Arbeitgebers zu messen, die sich auf die mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsvergütung beziehen. Wenn das BAG die Norm nicht auf Versetzungsklauseln anwendet,6 folgt daraus nicht, dass solche Klauseln keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Das BAG überprüft sie am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.7 cc) Änderungsvorbehalt und Änderungskündigung 28 Auch bei der Änderungskündigung steht der Vertragsinhaltsschutz im Vordergrund.8 Obwohl sie auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen zielt, ist sie doch eine „echte“ Kündigung. Sie führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitnehmer unter den geänderten Arbeitsbedingungen nicht weiterarbeiten will und gegen die Kündigung nicht oder ohne Erfolg vorgeht. Demgegenüber 1 BAG 8.8.2007 – 7 AZR 855/06 – NZA 2008, 229; BAG 14.1.2004 – 7 AZR 213/03 – NZA 2004, 719. 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 3 BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576; BAG 30.7.2008 –10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 11.4.2000 – 9 AZR 255/99 – NZA 2001, 24. 4 Stoffels, ZfA 2009, 861 (866). 5 Annuß, BB 2002, 458 (462); a.A. Däubler, NZA 2001, 1329 (1336). 6 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805; BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355. 7 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149. 8 KR/Rost/Kreft, § 2 KSchG Rz. 7.

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wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage gestellt, wenn der Arbeitgeber von einem Vorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB Gebrauch macht. b) Sinn und Zweck der Regelung § 308 Nr. 4 BGB enthält kein generelles Verbot, Vergütungsbestandteile 29 unter dem Vorbehalt der Änderung zu versprechen. Ein bestimmter Teil der Vergütung darf grundsätzlich widerruflich vereinbart werden. Insoweit erkennt die Vorschrift das Interesse des Arbeitgebers an, die von ihm zu erbringende Leistung flexibel auszugestalten.1 Der zu den Grundelementen des Vertragsrechts gehörende Satz, dass Verträge bindend sind („pacta sunt servanda“), würde jedoch ausgehöhlt, wenn Widerrufsvorbehalte unbegrenzt zulässig wären und der Arbeitgeber sein Wirtschaftsrisiko weitgehend auf den Arbeitnehmer verlagern dürfte. § 308 Nr. 4 BGB will die Vertragsbindung grundsätzlich erhalten und nur in Ausnahmefällen eine Abweichung zulassen.2 Der Arbeitnehmer muss die zugesagten Dienste nur dann weiterhin leisten, ohne die ihm versprochene Vergütung beanspruchen zu können, wenn ihm das zumutbar ist. Wird dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, einseitig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine höhere Vergütung zu begründen, fällt dieser Vorbehalt der Erhöhung der eigenen Leistung nicht in den Schutzbereich des § 308 Nr. 4 BGB.3 aa) Kontrolle der Gestaltung der Klausel § 308 Nr. 4 BGB bezweckt und gewährleistet, dass bereits die Vor- 30 behaltsklausel im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle und nicht erst die Ausübung des Vorbehalts inhaltlich überprüft wird.4 Bei dieser Kontrolle ist grundsätzlich auf die Möglichkeiten abzustellen, die der Änderungsvorbehalt dem Arbeitgeber einräumt.5 Das Klauselverbot in § 308 Nr. 4 BGB missbilligt bereits das Stellen eines inhaltlich zu weit gehenden Vorbehalts und nicht erst den unangemessenen Gebrauch der Vorbehaltsklausel im konkreten Einzelfall. Rechtsunwirksam sind auch solche Änderungsvorbehalte, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstan1 2 3 4 5

BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. WLP/Dammann, § 308 Nr. 4 Rz. 1. BAG 9.11.2005 – 5 AZR 351/05 – DB 2006, 1061. Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 Rz. 1. BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

dender Weise ein Risiko regeln, das sich nicht realisiert hat.1 Ist eine Widerrufsklausel zu weit gefasst, kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch den Widerruf die Austauschbeziehung grundlegend gestört wird und dies für den Arbeitnehmer unzumutbar ist (zu denkbaren Ausnahmen vgl. Rz. 58). bb) Vertragsinhaltsschutz (1) Rechtslage vor der Schuldrechtsreform 31 Schon unter der Geltung der Bereichsausnahme zum AGB-Recht2 war anerkannt, dass der Arbeitgeber eine versprochene Leistung nicht nach freiem Ermessen oder gar nach Belieben widerrufen darf.3 Kontrolliert wurde, ob die Ausübung des Änderungsvorbehalts sich als Umgehung des Vertragsinhaltsschutzes nach § 2 KSchG darstellte. Auch durften die Grenzen der Billigkeit nach § 315 BGB nicht überschritten werden.4 Damit waren Widerrufsvorbehalte grundsätzlich zulässig. Das BAG hat in dem Widerruf einer übertariflichen Leistungszulage i.H.v. knapp 25 % des Tarifstundenlohns noch keine Umgehung des Kündigungsschutzes gesehen.5 Auch den Widerruf einer tätigkeitsgebundenen Zulage i.H.v. 15 % der Gesamtbezüge hat es nicht beanstandet.6 Eine Umgehung des Schutzes vor einer Änderungskündigung wurde angenommen, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen sollten, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wurde und somit der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betroffen war. Bei Arbeitnehmern in Spitzenpositionen mit entsprechenden Verdiensten konnte ein größerer Teil der Vergütung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden als bei Durchschnittsverdienern.7 Verlässliche Grundsätze dafür, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt, hatte die Rechtsprechung nicht aufgestellt.8 Darauf, ob die Änderungsmöglichkeit die vom Arbeitgeber versprochene 1 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042. 2 Zu Änderungsvorbehalten vor der Schuldrechtsreform vgl. Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (387 f.). 3 BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86 – NZA 1988, 95. 4 BAG 15.11.1995 – 2 AZR 521/95 – NZA 1996, 603; BAG 7.10.1982 – 2 AZR 455/80 – DB 1983, 1368. 5 BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86 – NZA 1988, 95. 6 BAG 15.11.1995 – 2 AZR 521/95 – NZA 1996, 603. 7 BAG 28.5.1997 – 5 AZR 125/96 – NZA 1997, 1160. 8 Kriebitzsch, S. 167.

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Vergütung oder die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung betraf, kam es nicht an. (2) Schutzbereich der Vorschrift § 308 Nr. 4 BGB bezweckt, dass der Verwender der AGB sich der einge- 32 gangenen Verpflichtung nicht entzieht, wenn dies für seinen Vertragspartner nicht zumutbar ist.1 Da dies vor der Schuldrechtsreform auch die auf die Umgehung des Kündigungsschutzes bezogene Kontrolle verhindern wollte, konnte der 5. Senat des BAG in seinem wegweisenden Urteil vom 12.1.20052 an diese Überprüfung anknüpfen.3 Der Vertragsinhaltsschutz nach § 2 KSchG ist insofern weiterhin für die Zulässigkeit des Eingriffs in den Arbeitsvertrag von Bedeutung. Allerdings kommt es bei der Kontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB nicht auf die Anwendbarkeit des KSchG und damit nicht auf eine Umgehung des Vertragsinhaltsschutzes nach § 2 KSchG an. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 4 BGB dürfe nur erfolgen, wenn eine Kündigung durch den Arbeitgeber den Beschränkungen der §§ 1, 2 KSchG unterliege, weil es ein erheblicher Widerspruch wäre, wenn der Arbeitgeber in der Möglichkeit, einen Widerrufsvorbehalt zu vereinbaren, eingeschränkt wäre, andererseits aber das Arbeitsverhältnis jederzeit kündigen könnte, wenn der Arbeitnehmer sich weigere, einem Änderungsvertrag zuzustimmen.4 § 308 Nr. 4 BGB bindet die Inhaltskontrolle jedoch nicht daran, dass der Klauselverwender sich nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag lösen kann. Mit Recht hat der 5. Senat des BAG deshalb für die Inhaltskontrolle nicht darauf abgestellt, ob im Laufe des Arbeitsverhältnisses schon oder noch Kündigungsschutz eingreift. Bezüglich des von § 308 Nr. 4 BGB verfolgten Vertragsinhaltsschutzes hat der 5. Senat des BAG5 in Bezug auf Widerrufsvorbehalte des Arbeitgebers konkrete Angaben dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Allerdings sind die aufgezählten Widerrufsgründe noch entwicklungsfähig.6 Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist nur zulässig, wenn der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25–30 % liegt 1 2 3 4 5 6

Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 Rz. 2. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. Zur Bedeutung dieses Urteils vgl. Hümmerich, BB 2007, 1498 f. So Raab, FS Birk (2008), S. 559 (679). BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. Hümmerich, BB 2007, 1498 (1499).

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und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Im Urteil vom 11.10.20061 ist dieser Grundsatz bestätigt und klargestellt worden, dass der widerrufliche Teil der Vergütung, sofern er im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen muss. Sind darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes. c) Erfasste Klauseln 34 § 308 Nr. 4 BGB erfasst Leistungsänderungs- und Leistungsabweichungsvorbehalte des Verwenders und damit nur Vorbehalte des Arbeitgebers, die sich auf eine Änderung oder Abweichung, nicht aber eine bloße Konkretisierung der Leistung beziehen. Da nach § 107 Abs. 1 GewO das Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist, bedarf es in der Regel keiner Konkretisierung der vom Arbeitgeber zugesagten Arbeitsvergütung. Um eine bloße Konkretisierung der versprochenen Leistung des Arbeitgebers kann es sich allerdings handeln, wenn Sachbezüge i.S.v. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO als Teil der Vergütung des Arbeitnehmers vereinbart sind, z.B. die Überlassung eines Fahrzeugs einer bestimmten Klasse. Zur versprochenen Leistung zählen nicht nur die Art und die Höhe der Leistung. Auch Leistungsmodalitäten werden erfasst, nicht jedoch die Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht. So beinhaltet eine Verweisungsklausel nur dann ein Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, wenn sie externe Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, die der Arbeitgeber als solcher einseitig aufstellen oder ändern kann.2 aa) Leistungen des Arbeitgebers 35 Ob dem Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB nur die vom Verwender versprochene Leistung unterfällt3 oder auch auf die vom Verwen-

1 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 2 BAG 14.12.2011 – 5 AZR 457/10 – NZA 2012, 663. 3 So UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 4 Rz. 4; Ebeling, S. 133 ff.; Hofmann, S. 149; WLP/Dammann § 308 Nr. 4 Rz. 6; Benecke, Anm. zu BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17; Lindemann, ArbuR 2004, 201 (204); Annuß, BB 2002, 458 (462); Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2124).

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dungsgegner geschuldete Gegenleistung,1 ist im Schrifttum umstritten. Das BAG hält die Vorschrift nur hinsichtlich der vom Arbeitgeber zugesagten Vergütung für anwendbar (vgl. Rz. 27). Der Wortlaut ist nicht völlig eindeutig.2 Die Vorschrift spricht von der 36 Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Es ist damit nur von „der“ versprochenen Leistung und nicht „von der vom Verwender versprochenen Leistung“ die Rede. Hätte auch die dem Verwender zustehende Gegenleistung dem Anwendungsbereich der Bestimmung unterfallen sollen, hätte es allerdings nahe gelegen, auf „eine der versprochenen Leistungen“ oder auf „die vom Verwender oder dem anderen Vertragsteil versprochene Leistung“ abzustellen. Hinzu kommt, dass die Norm inhaltlich der Regelung in § 10 Nr. 4 AGBG a.F. entspricht und die Gesetzesmaterialien zum AGB-Gesetz3 ausschließlich Beispiele für Änderungen der Leistungen des Klauselverwenders nennen.4 Der Schutzzweck der Norm gibt kein anderes Ergebnis vor. Wenn die Vorschrift als lex specialis zu § 307 BGB nur Änderungsvorbehalte bezüglich der vom Verwender versprochenen Leistung erfasst, hat dies nicht zur Folge, dass Änderungsvorbehalte bezüglich der Leistungspflicht des Arbeitnehmers, die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stören, keiner Kontrolle unterliegen. Die Inhaltskontrolle erfolgt in diesem Fall nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Rz. 27). In der Praxis werden die Prüfungsmaßstäbe nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, zumal im Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen sind (vgl. Rz. 21).

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(1) Art der Leistungen § 308 Nr. 4 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle nicht auf bestimmte Vorbehalte. Die Vorschrift erfasst damit alle Änderungs- und Abweichungsvorbehalte, die sich auf Haupt- oder Nebenleistungen des Verwenders beziehen. Im Arbeitsverhältnis begrenzt sie damit die Möglichkeit des Arbeitgebers, sich einseitig der Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung zu entziehen. Sie greift nicht nur bei in Euro zu 1 So Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 Rz. 5; Däubler, NZA 2001, 1329 (1336); Kriebitzsch, S. 170 f. 2 Benecke, Anm. zu BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – AP BGB § 307 Nr. 17; a.A. Ebeling, S. 134; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2124). 3 BT-Drucks. 7/3919 S. 15. 4 BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149.

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berechnendem und auszuzahlendem Arbeitsentgelt ein. Änderungs- und Abweichungsvorbehalte unterfallen dem Anwendungsbereich der Norm auch dann, wenn sie sich auf vom Arbeitgeber versprochene Naturalleistungen beziehen. In der Praxis ist dies vor allem bei der Dienstwagenüberlassung der Fall.1 Auch die Gewährung weiterer Urlaubstage zusätzlich zum gesetzlichen Urlaub kann grundsätzlich unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden.2 (2) Höhe der Leistungen 39 Das Ausmaß der unter Vorbehalt gestellten Leistungen ist von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Änderung oder Abweichung für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die absolute Höhe der Leistungen an, auf die sich der Änderungsvorbehalt bezieht. Maßgebend für die Frage der Zumutbarkeit ist vielmehr, inwieweit sich die vorbehaltene Änderung oder Abweichung auf die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung auswirkt. Dies hat zur Folge, dass bei hohen Vergütungen grundsätzlich ein dem absoluten Betrag nach höherer Teil der Arbeitsvergütung mit einem Änderungsvorbehalt verbunden werden kann. (3) Tarifniveau als Untergrenze 40 Der 5. Senat des BAG3 bindet die Zulässigkeit eines Widerrufsvorbehalts daran, dass der Tariflohn nicht unterschritten wird. Der Arbeitgeber ist danach nur dann bis zur Grenze der Willkür frei ist, die Voraussetzungen des Anspruchs festzulegen und dementsprechend auch den Widerruf zu erklären, wenn er dem Arbeitnehmer zusätzlich zum üblichen Entgelt eine Leistung verspricht. 41 Dies ist im Schrifttum unterschiedlich verstanden worden. Dass alle Vergütungsbestandteile oberhalb des Tarifniveaus frei widerruflich sind, kann aus den Entscheidungen des 5. Senats des BAG nicht gefolgert werden.4 Dieser Annahme steht bereits entgegen, dass der 5. Senat des BAG die Zulässigkeit eines Widerrufs nicht ausschließlich an die Einhaltung 1 Vgl. BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756. 2 Linck/Schütz, FS Leinemann (2006), S. 171 (179 f.). 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 4 So aber wohl Preis/Lindemann, AuR 2005, 227 (230).

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des Tarifniveaus als Untergrenze, sondern auch daran geknüpft hat, dass der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25–30 % liegt.1 Die Urteilsbegründung lässt zwar offen, ob die Tarifgrenze auch für nicht tarifgebundene Parteien gelten soll. Davon ist jedoch auszugehen.2 Es kann nicht angenommen werden, dass der 5. Senat des BAG mit der Bindung der Zulässigkeit des Widerrufs an das Tarifniveau als Untergrenze nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen wollte, dass Rechtsnormen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ordnen, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG zwischen den beiderseits Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend gelten. Gegen ein solches Verständnis spricht auch, dass der 5. Senat des BAG auf eine vom Arbeitgeber zusätzlich zum üblichen Entgelt versprochene Leistung abgestellt hat. Der Schutzzweck des § 308 Nr. 4 BGB erfordert es allerdings nicht, dass 42 bei der Ausübung des Vorbehalts der Tariflohn nicht unterschritten wird. Für den Grundsatz, dass bei der Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen dem Arbeitnehmer stets eine tariflich vorgesehene Vergütung verbleiben muss,3 gibt es keine ausreichende rechtliche Grundlage, wenn ein tarifliches Vergütungssystem mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit, Allgemeinverbindlichkeit oder gesetzlicher Erstreckung keine Anwendung findet.4 Selbst wenn keine „kalte“, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Tarifbindung angenommen wird,5 liegt die Tarifgrenze doch auch nicht ausschließlich im Interesse von Arbeitnehmern. Sie hindert einen Arbeitgeber, untertarifliches Entgelt unter dem Vorbehalt des Widerrufs über das Tarifniveau anzuheben. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass in einem Betrieb nicht nur ein tarifliches Vergütungssystem Anwendung findet und angesichts der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen die Feststellung, ob „das“ Tarifniveau unterschritten wird, jedenfalls mit Schwierigkeiten verbunden ist. Die Einschränkung, dass das Tarifniveau nicht unterschritten werden darf, sollte aufgegeben werden.6 (4) Übertarifliche Leistungen Ein nicht zulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses kann aber auch vorliegen, wenn das Tarifniveau gewahrt bleibt.7 Dies 1 2 3 4 5 6 7

Bayreuther, ZIP 2007, 2009 (2010). Benecke, AuR 2006, 337 (339). So Preis/Lindemann, NZA 2006, 632 (635). Abl. auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (53). Bayreuther, ZIP 2007, 2009 (2010). Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (394). Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1.

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ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes nicht unter 25 % liegt.1 Für „Spitzenverdiener“ gelten keine anderen Grundsätze,2 insbesondere kann nicht anhand des Tarifniveaus definiert werden, wann ein Spitzenverdienst vorliegt. Maßgebend ist, dass die Arbeitsvertragsparteien, wenn sie übertarifliche Leistungen des Arbeitgebers vereinbaren, die gesamte Vergütung einschließlich ihrer übertariflichen Bestandteile als marktgerechte Vergütung auffassen.3 bb) Versprochene Leistung 44 Große Bedeutung für den Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB hat der Begriff der versprochenen Leistung. Im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen hat das Wort „versprechen“ die Bedeutung von „verbindlich erklären“, „zusagen“, „zusichern“. Beim Abschluss eines Arbeitsvertrags verspricht der Arbeitgeber die Zahlung der vereinbarten Vergütung. (1) Unter Vorbehalt versprochene Leistung 45 Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bestimmte Vergütungsbestandteile unter einem Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt, fehlt es nicht an einer versprochenen Leistung des Arbeitgebers. Der Vorbehalt hindert nicht die Entstehung eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf die ihm zugesagten Vergütungsbestandteile. (2) Freiwilligkeitsvorbehalt 46 Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist kein Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB.4 Der 5. Senat des BAG5 hat die Wertungen dieser Vorschrift im Rahmen der Inhaltskontrolle eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei einer monatlich zu zahlenden Leistungszulage gemäß § 307 Abs. 1 und

1 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 2 Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1139); a.A. Thüsing/Mengel, Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen und Entgelt, 2005, S. 22. 3 Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1; Preis, FS BAG (2004), S. 123 (142). 4 Zu Freiwilligkeitsvorbehalten im Lichte von allgemeiner Rechtsgeschäftslehre und AGB-Kontrolle eingehend Krause, FS Bauer (2010), S. 577 ff. 5 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853.

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Abs. 2 BGB allerdings herangezogen. Mit einem klar und verständlich formulierten Vorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf künftige Leistungen ausschließt, artikuliert der Arbeitgeber seinen fehlenden Rechtsfolgewillen.1 Es fehlt deshalb für die Zukunft ein Leistungsversprechen. Freiwilligkeitsvorbehalte zeichnen sich damit im Gegensatz zu Widerrufsvorbehalten dadurch aus, dass es eine geschuldete Leistung des Arbeitgebers von vornherein nicht gibt.2 Mangels eines Anspruchs des Arbeitnehmers ist kein Raum für eine Kontrolle der Einstellung oder Änderung einer Leistung.3 Da ohne Rechtspflicht gezahlt wurde, kann der Arbeitnehmer nicht auf Einhaltung einer Rechtspflicht klagen.4 Der 10. Senat des BAG5 kontrolliert auf Sonderzahlungen bezogene Freiwilligkeitsvorbehalte des Arbeitgebers deshalb nicht am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB und hält sie grundsätzlich für zulässig, während nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BAG6 Freiwilligkeitsvorbehalte bei laufenden Zahlungen des Arbeitgebers unwirksam sind. Mangels eines Leistungsversprechens scheidet ein Verstoß gegen den 47 Grundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) von vornherein aus.7 Die Erklärung des Arbeitgebers, dass die Leistung freiwillig erfolgt und mit ihr kein Rechtsanspruch auf künftige Leistungen begründet wird, kann als einheitlicher Erklärungstatbestand nicht in ein unbedingtes Vertragsangebot einerseits und eine Rechtsbindungsausschlussklausel andererseits aufgespalten werden.8 Nach allen Gesetzen

1 Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (584); Sprenger, BB 2007, 1902 (1903); Hümmerich, BB 2007, 1498 (1501). 2 Franzen, Gedächtnisschrift Zachert, S. 386 (395); Wank, NZA-Beilage 2/2012, 41 (44). 3 Vgl. Leder, RdA 2010, 93 (96); Schrader/Müller, RdA 2007, 145 (149). 4 Thüsing/Mengel, S. 19. 5 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 10.1.2008 – 10 AZR 1/08 – DB 2009, 684; BAG 18.3.2009 – 10 AZR 289/08 – NZA 2009, 535; BAG 20.1.2010 – 10 AZR 914/08 – NZA 2010, 445. 6 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853. 7 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; so auch ein Großteil des Schrifttums, vgl. Gaul, FS Hromadka (2008), S. 99 (100); Hanau, ZIP 2005, S. 1661 (1666); Hanau/Hromadka, NZA 2005, S. 73; Hümmerich, BB 2007, 1498 (1501); Junker, FS Buchner (2009), S. 369 (382); Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (584); Kriebitzsch, S. 169; Ricken, DB 2006, 1372 (1373); Sprenger, BB 2007, 1902 (1903); Schmitt-Rolfes, AuA 2008, 71; Thüsing, Rz. 268; Thüsing/ Leder, BB 2005, 1563 (1567 f.); Ulrici, BB 2005, 1902 (1903); Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23 (29 f.). 8 Krause, FS Bauer (2010), S. 577 (584).

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der Logik kann es keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Vertragsbindung darstellen, wenn der Erklärende lediglich den Umfang seines Bindungswillens klarstellen und damit die Entstehung vertraglicher Bindungen infolge einer Fehlinterpretation seines tatsächlichen Verhaltens verhindern will.1 48 Das Argument, die Flexibilisierungsinstrumente Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt müssten zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen harmonisiert werden und Freiwilligkeitsvorbehalte seien daher hinsichtlich der Inhaltskontrolle wie Widerrufsvorbehalte zu behandeln,2 vermag die von § 308 Nr. 4 BGB vorausgesetzte versprochene Leistung des Arbeitgebers nicht zu ersetzen. Für eine Angemessenheitskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten anhand dieser Vorschrift gibt es deshalb keine rechtliche Grundlage. Widerrufsvorbehalte bei zugesagten Leistungen und Freiwilligkeitsvorbehalte, die jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers für künftige Bezugszeiträume ausschließen, sind unterschiedliche, auch rechtsdogmatisch nicht vergleichbare Flexibilisierungsinstrumente.3 Wenn die Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB, ob dem Arbeitnehmer der Widerruf einer ihm vom Arbeitgeber versprochenen Leistung zumutbar ist, einen Widerruf der Leistung nach freiem Ermessen des Arbeitgebers ausschließt, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch die Einstellung einer nicht versprochenen Leistung nach dieser Norm auf Angemessenheit überprüft werden muss. Dies würde nicht nur eine Überdehnung des AGB-Rechts bedeuten, sondern auch den Grundsätzen der Privatautonomie zuwiderlaufen.4 49 Nach der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 14.9.20115 benachteiligt allerdings ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Damit hat der 10. Senat des BAG zwar die Anforderungen an einen Freiwilligkeitsvorbehalt erheblich verschärft und letztlich den vertraglichen Frei1 Raab, FS Birk (2008), S. 659 (684). 2 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 46; DBD/Bonin, § 307 Rz. 198; Greiner, JbArbR, Bd. 45, S. 97 (106); wohl auch Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2006, S. 22 f.; Singer, RdA 2008, 246 (247 f.); Strick, NZA 2005, 723 (725); Wiedemann, RdA 2009, 186 (189). 3 Maties, DB 2005, 2689 (2694). 4 Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (75); Maties, Anm. zu BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – AP BGB § 308 Nr. 7. 5 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 10; zust. Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (701 f.).

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willigkeitsvorbehalt insgesamt in Frage gestellt.1 Jedoch hat der 10. Senat des BAG im Urteil vom 14.9.2011 ausdrücklich daran festgehalten, dass es an einer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB fehlt und der Arbeitgeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei bleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will, wenn es einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt gibt.2 Allerdings muss nach der neuen Rechtsprechung des 10. Senats des BAG zusätzlich auf den Vorrang einer Individualabrede gemäß § 305b BGB hingewiesen werden.3 Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass mit wiederholten Leistungen des Arbeitgebers stets die konkludente Erklärung verbunden ist, sich auch für die Zukunft verpflichten zu wollen.4 Für die Annahme eines solchen stillschweigenden, in die Zukunft gerichteten Verpflichtungswillens des Arbeitgebers fehlt freilich auch aus der Sicht des Arbeitnehmers eine ausreichende Grundlage, wenn der Arbeitgeber diesem ausdrücklich erklärt hat, dass auch wiederholte Leistungen keinen Rechtsanspruch begründen.5 Der Hinweis auf den Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Damit könnte jede Klausel zu Fall gebracht werden, die den Vorrang der Individualabrede nicht ausdrücklich vorsieht. § 305b BGB wäre damit eine „Allzweckwaffe“ gegen unliebsame Klauseln.6 Im Arbeitsvertrag enthaltene Hinweise und getroffene Abreden müssen zu ihrer Wirksamkeit auch nicht ständig wiederholt werden.7 Deshalb ist es unerheblich, wielange freiwillige Leistungen erbracht wurden. Da der 10. Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung,8 wonach es ohne Bedeutung war, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt schon aus Beweisgründen im Arbeitsvertrag oder vor der jeweiligen Auszahlung der Sondervergütung erfolgt ist, nicht festzuhalten scheint, sollte der Arbeitgeber, der sicher gehen will, es nicht bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag belassen, sondern den Arbeitnehmer vor jeder Sonderzahlung erneut auf die Ein-

1 Hromadka, DB 2012, 1037; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Schmitt-Rolfes, AuA 2012, 199. 2 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 10. 3 Vgl. zur berechtigten Kritik an diesem Erfordernis Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1282). 4 So auch Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (701). 5 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (47). 6 Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1282). 7 Hromadka, DB 2012, 1037 (1040). 8 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173.

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maligkeit der Leistung so hinweisen, dass er den Freiwilligkeitsvorbehalt auch beweisen kann.1 cc) Abänderung oder Abweichung von Leistungen 50 Wird mit der Rechtsprechung des BAG (vgl. Rz. 27) angenommen, dass § 308 Nr. 4 BGB nur vom Arbeitgeber versprochene Leistungen erfasst, hat die Unterscheidung zwischen dem Vorbehalt der Abänderung und dem Vorbehalt der Abweichung im Arbeitsverhältnis keine große Bedeutung. Unter einer Leistungsänderung wird eine andere Beschaffenheit oder Menge der versprochenen Leistung verstanden, unter einer Abweichung von der versprochenen Leistung eine andere Leistung überhaupt.2 In aller Regel wird sich der Vorbehalt des Arbeitgebers auf den Umfang und das Ausmaß seiner Vergütungspflicht und damit auf bestimmte Bestandteile der Vergütung beziehen. In diesem Fall handelt es sich um einen Änderungsvorbehalt. Allerdings ist auch denkbar, dass sich ein Arbeitgeber im Wege des Abweichungsvorbehalts das Recht einräumen lässt, statt einer vereinbarten Naturalvergütung als Teil des Arbeitsentgelts eine höhere Arbeitsvergütung in Euro zu gewähren. 51 Ein Anrechnungsvorbehalt, der dem Arbeitgeber das Recht gibt, eine Leistung, z.B. eine Zulage, bei einer Erhöhung des Tarifentgelts maximal im Umfang der Anhebung der tariflichen Vergütung zu kürzen, führt nicht zu einer Änderung der vom Arbeitgeber versprochenen Leistung. Es verschiebt sich nur das Verhältnis der tariflichen zu den übertariflichen Entgeltbestandteilen. Gewährt der Arbeitgeber eine Leistung unter dem Vorbehalt der Anrechnung, ohne dass Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, ist die Anrechnungsklausel deshalb nicht gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.3 d) Befugnis zur einseitigen Leistungsänderung aa) Dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung 52 Wird im Arbeitsvertrag dynamisch auf einseitig vom Arbeitgeber ausgestaltete AGB verwiesen, soll durch eine solche Jeweiligkeitsklausel dem Arbeitgeber eine umfassende Kompetenz zur Vertragsänderung ein-

1 Mikosch, FS Düwell (2012), S. 115 (126); Boemke, JuS 2011, 835 (836). 2 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 4 Rz. 4. 3 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – NZA 2006, 688.

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geräumt werden.1 Das BAG2 hat einen solchen „Megawiderrufsvorbehalt“3 an § 308 Nr. 4 BGB gemessen und angenommen, dieser sei unwirksam. Darauf, dass nach der Berechnung des beklagten Arbeitgebers die geänderten vergütungsrelevanten Leistungen das Maß von 25 % der Gesamtvergütung nicht erreichten, kam es aufgrund der zu weit gefassten Änderungsklausel nicht an. bb) Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge Wird im Arbeitsvertrag im Wege der Globalverweisung dynamisch auf 53 ein gesamtes einschlägiges Tarifwerk und damit auch auf das tarifliche Vergütungssystem verwiesen, kann dies dazu führen, dass sich die Vergütung des Arbeitnehmers verringert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit angeschlagener Unternehmen Kosten reduziert werden sollen und dazu Sanierungstarifverträge abgeschlossen werden, die eine Verringerung oder Aussetzung bestimmter Leistungen vorsehen. Da nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Tarifverträge Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen, findet keine Inhaltskontrolle der Tarifvorschriften statt.4 Auch die Bezugnahmeklausel5 im Arbeitsvertrag unterliegt grundsätzlich keiner Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Die Bezugnahme bedeutet eine Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht, die von § 308 Nr. 4 BGB nicht erfasst wird. Eine Verweisungsklausel beinhaltet nur dann ein Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, wenn sie externe Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, die der Arbeitgeber als solcher einseitig aufstellen oder ändern kann.6 Der Ausschluss jeder Inhaltskontrolle setzt allerdings voraus, dass auf 54 einen einschlägigen und keinen branchenfremden Tarifvertrag verwiesen wird. Ausreichend ist die Bezugnahme auf jeden Tarifvertrag, der bei Tarifbindung anwendbar wäre.7 Weitere Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der einschlägige Tarifvertrag insgesamt und auf Dauer in Be-

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Vgl. Gaul/Ludwig, BB 2010, 55 (56 ff.). BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428. So Preis, NZA 2010, 361 (362). BAG 23.9.2004 – 6 AZR 442/03 – NZA 2005, 475; BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – NZA 2007, 875; Reinecke, BB 2006, 2637 (2643). 5 Zur AGB-Kontrolle von Tarifwechselklauseln vgl. Bayreuther, FS Kreutz (2010), S. 29 ff. 6 BAG 14.12.2011 – 5 AZR 457/10 – NZA 2012, 663. 7 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 14.

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zug genommen wird.1 Zweifelhaft ist die Rechtslage bei einer Verweisung auf Teile eines Tarifvertrags.2 cc) Dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen (1) Bedeutung 55 Aufgrund der großen Zahl der in den Einrichtungen des Caritasverbandes und des Diakonischen Werks Beschäftigten kommt die Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen oft vor. Dies liegt auch daran, dass der Arbeitgeber i.d.R. kirchenrechtlich verpflichtet ist, im Arbeitsvertrag dynamisch auf die einschlägigen Arbeitsvertragsregelungen zu verweisen. Angesichts der veränderten Wettbewerbssituation im Markt der Wohlfahrtspflege und des Zwangs der kirchlichen Einrichtungen zur Kostensenkung hatten sich die Arbeitsgerichte in jüngster Zeit häufig mit von Arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossenen Entgeltreduzierungen zu befassen.3 (2) Kontrolle der Bezugnahmeklausel 56 Der 4. Senat des BAG4 hat die dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen nur einer Einbeziehungs- und Transparenzkontrolle unterzogen. Demgegenüber hat der 10. Senat des BAG5 eine dynamische Bezugnahmeklausel, die nicht auf Rechtsvorschriften oder auf Rechtsvorschriften gleichstehende kollektive Regelungen verweist, als Änderungsvorbehalt verstanden und die Klausel einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle unterzogen. Auch der 6. Senat des BAG, der seit 2010 generell für Arbeitsrechtsregelungen der Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen zuständig ist, nimmt eine Vertragskontrolle der Verweisungsklausel nach den §§ 305 ff. BGB vor.6 Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen sind AGB, die vom jeweiligen Arbeitgeber gestellt werden.7 Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des Rechts der AGB 1 BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – NZA 2007, 875; Reinecke, BB 2006, 2637 (2643). 2 Schaub, PersV 2010, 95 (99). 3 Z.B. BAG 26.1.2005 – 4 AZR 171/03 – NZA 2005, 1059; BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – ZTR 2009, 375; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 4 BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – ZTR 2009, 375. 5 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428. 6 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 7 St. Rspr., vgl. BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634; BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – ZTR 2009, 375.

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in Kenntnis der Rechtsprechung zur Rechtsqualität kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen diese nicht in die Formulierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aufgenommen.1 Allerdings hat der Gesetzgeber das kirchliche Arbeitsrecht als Fall der 57 im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten genannt,2 die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BAG3 bewirkt dies bei einer dynamischen arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen werden, dass die Verweisungsklausel jedenfalls dann, wenn kirchenrechtlich kein Letztentscheidungsrecht einer Synode oder eines Bischofs vorgesehen ist, den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB nicht genügen muss. Ist ein solches Letztentscheidungsrecht vorgesehen, auf das die Deut- 58 sche Bischofskonferenz auf der Frühjahrs-Vollversammlung 2012 verzichtet hat,4 könnte die Verweisungsklausel zu weit gefasst und damit insgesamt unwirksam sein, wenn sie sprachlich nicht teilbar ist und deshalb nicht im Wege des sog. blue-pencil-Tests auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden kann.5 Allerdings kommt auch in Betracht, dass als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit berücksichtigt werden muss, dass die Kirchen mit dem Dritten Weg für den überbetrieblichen Bereich ein eigenständiges kollektives Arbeitsrecht geschaffen haben, dessen Verfassungsmäßigkeit, insbesondere dessen Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG, außer Frage steht.6 Ohne eine wirksame Dynamik aufgrund der Bezugnahmeklauseln würde der Dritte Weg nicht funktionieren und wäre gescheitert.7 Dies könnte dazu führen, dass die Dynamik auf nicht auf einem Letztentscheidungsrecht beruhende Leistungsänderungen beschränkt wird, die nicht den formellen 1 Eingehend zur AGB-Kontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 159 ff. 2 BT-Drucks. 14/7052, S. 189. 3 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 4 Statement Nr. 10 des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, beim Pressegespräch zum Kirchlichen Arbeitsrecht am 28.2.2012 in Regensburg anlässlich der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. 5 Vgl. BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 159 (165). 6 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07– NZA 2011, 634. 7 Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 159 (165).

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB genügende, zu weit gefasste Verweisungsklausel aber ausnahmsweise aufgrund der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht insgesamt unwirksam ist. Zu denken ist an eine ergänzende Vertragsauslegung1 bzw. objektive richterliche Vertragsfortbildung.2 Eine vollständige Eliminierung der Dynamik liegt aufgrund der dadurch entstehenden Vertragslücke nicht im Interesse der Arbeitnehmer, die an der im Regelfall positiven Entwicklung der Arbeitsbedingungen teilhaben wollen.3 (3) Maßstab der Inhaltskontrolle 59 Der 4. Senat des BAG4 hat kirchliche Arbeitsvertragsregelungen im Falle ihrer Änderung auch nach der Schuldrechtsreform am Maßstab des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen und nur daraufhin überprüft, ob die Änderung offenbar unbillig ist. Demgegenüber unterzieht der 6. Senat des BAG kirchliche Arbeitsvertragsregelungen im Falle ihrer Änderung5 ebenso wie bei ihrer Einbeziehung in den Arbeitsvertrag6 grundsätzlich einer AGB-Kontrolle. Dieser steht nicht entgegen, dass in aller Regel nicht der Arbeitgeber, sondern eine Arbeitsrechtliche Kommission die Änderung beschlossen hat.7 Das paritätische Rechtsetzungsverfahren stellt die Qualität kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen als AGB nicht in Frage.8 Eine AGB-Kontrolle wird auch der Funktion kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen besser gerecht, die einheitliche Arbeitsbedingungen bezwecken. 60 Die Frage, an Hand welchen Maßstabs die Kontrolle erfolgt, ist für die Praxis von Relevanz. Eine fallbezogene Abwägung der Umstände und Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gemäß § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB zielt auf die individuelle Situation der Arbeitsvertragsparteien. Demgegenüber kommt es bei der Angemessenheitskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB auf die individuellen Verhältnisse beim jeweiligen Ar-

1 Zur ergänzenden Vertragsauslegung im Rahmen der AGB-Kontrolle eingehend Schlewing, RdA 2011, 92 ff. 2 Vgl. Bieder, RdA 2011, 142 (152 f.). 3 Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 159 (166). 4 BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – ZTR 2009, 375. 5 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 6 BAG 17.11.2005 – 6 AZR 160/05 – NZA 2006, 872. 7 Reichold, NZA 2009, 1377; Reichold, Anm. zu BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52. 8 Deinert, ZTR 2005, 461 (474).

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beitgeber und seinen Arbeitnehmern grundsätzlich nicht an.1 Die Arbeitsrechtliche Kommission steht außerhalb der konkreten Vertragsbeziehung der Parteien. Sie regelt für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen den Inhalt und die Änderung von Arbeitsbedingungen, die erst über die Verweisungsklausel für das konkrete Arbeitsverhältnis wirksam werden. Dieser Regelungsmechanismus unterscheidet sich grundlegend von den Sachverhalten, auf die eine Billigkeitskontrolle zugeschnitten ist.2 (4) Eingeschränkte Kontrolle der Leistungsänderung Von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten 61 Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossene Änderungen kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen werden nach der Rechtsprechung des seit 2010 generell für die Arbeitsrechtsregelungen der Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen zuständigen 6. Senats des BAG unabhängig davon, ob einschlägige tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernommen werden, wie Tarifregelungen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle unterzogen.3 Sie werden auch dann, wenn sie die Verminderung oder den Wegfall von Vergütungsbestandteilen regeln, nur daraufhin untersucht, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen. e) Angemessenheitskontrolle Welche Voraussetzungen für einen nach AGB-Recht wirksamen Ände- 62 rungsvorbehalt erfüllt sein müssen, ist durch die Entscheidungen des 5. Senats des BAG4 weitgehend geklärt. Der Vorbehalt muss zunächst einer Inhalts- oder Angemessenheitskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhalten.

1 Deinert, ZTR 2005, 461 (477). 2 Vgl. Thüsing, Anm. zu BAG 17.4.1996 – 10 AZR 558/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24. 3 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 4 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756.

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aa) Formelle Anforderungen an die Änderungsbefugnis 63 Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle wird der Inhalt des Vorbehalts an § 308 Nr. 4 BGB gemessen. Diese Überprüfung ist nicht auf die Kontrolle beschränkt, ob der Umfang der vorbehaltenen Änderung seiner Vergütung dem Arbeitnehmer zuzumuten ist. Auch die durch den Änderungsvorbehalt geschaffene Ungewissheit muss ihm zumutbar sein.1 Dies ist nur dann der Fall, wenn der Vorbehalt den vom 5. Senat des BAG genannten formellen Anforderungen genügt. (1) Kalkulierbarkeit der Änderung 64 Die Vorbehaltsklausel muss transparent gefasst, also klar und verständlich sein, und die Angemessenheit und Zumutbarkeit der Änderung erkennen lassen. Ein vorbehaltener Widerruf darf nicht grundlos erfolgen.2 Für den Arbeitnehmer muss ein gewisses Mindestmaß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung bestehen.3 In dieser Anwendung des Transparenzgebots liegt die entscheidende Rechtsänderung gegenüber dem früheren Rechtszustand.4 Bereits die Vorbehaltsklausel muss dem Arbeitnehmer deutlich machen, was unter welchen Voraussetzungen auf ihn zukommen kann. Erforderlich ist deshalb, dass die Klausel präzise die unter dem Vorbehalt des Widerrufs versprochenen Vergütungsbestandteile beschreibt und damit den Umfang der vorbehaltenen Änderung konkretisiert.5 Eine Klausel, die sich nur an den Text des § 308 Nr. 4 BGB anlehnt, ist unzureichend. Unerheblich ist, ob objektiv betrachtet Widerrufsgründe in Betracht kommen, die für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sind. Entscheidend ist allein, was der Arbeitgeber im Text der Klausel zum Ausdruck gebracht hat.6 (2) Angabe von Gründen 65 Die Kalkulierbarkeit der Leistungsänderung setzt an sich voraus, dass der Arbeitnehmer weiß, an welche konkreten Voraussetzungen die Än1 Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 4 Rz. 6. 2 So auch BGH 17.2.2004 – XI ZR 140/03 – NJW 2004, 1588. 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796. 4 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 20. 5 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 6 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943.

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derung gebunden ist. Die Anforderungen an den Widerrufsgrund sind allerdings noch nicht abschließend geklärt.1 Der 5. Senat des BAG hält es grundsätzlich für ausreichend, dass die Vorbehaltsklausel die Richtung angibt, aus der der Widerruf möglich sein soll.2 Dies legt nahe, dass jeder einigermaßen nachvollziehbare Grund ausreicht und der Verweis auf allgemeine wirtschaftliche Gründe genügt.3 Freilich darf der Arbeitgeber wohl auch nach der Rechtpsrechung des 5. Senats des BAG keine Formulierung wählen, die zur Folge hat, dass er selbst bestimmen kann, was als „wirtschaftlicher Grund“ angesehen wird.4 Der 9. Senat des BAG hat demgegenüber einen anzuerkennenden Sachgrund verlangt.5 Danach muss die Vorbehaltsklausel (typisierte) Sachgründe für die Leistungsänderung nennen.6 Die in der Änderungsklausel beschriebenen Gründe sollten durch die Aufzählung von Beispielen so weit wie möglich erläutert und konkretisiert werden.7 Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn die Änderung der Vergütung des Arbeitnehmers an wirtschaftliche Gründe geknüpft wird. Da nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG8 ein anzuerkennender sachlicher Grund für die Änderung einer vom Arbeitgeber versprochenen Leistung ist, sollte auch der Grad der Störung näher beschrieben werden, zumal auch der 5. Senat des BAG die Anforderungen an den Widerrufsgrund zum Umfang der widerruflichen Leistung ins Verhältnis zu setzen scheint.9 § 308 Nr. 4 BGB bindet die Zumutbarkeit der Änderung der versproche- 66 nen Leistung nicht an bestimmte Gründe. Außer wirtschaftlichen Gründen kommen auch Gründe in Betracht, die in der Leistung oder in

1 Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (394). 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756; gegen eine Überdehnung der Anforderungen an die Widerrufsgründe auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (55). 3 Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (394). 4 Gaul/Kaul, BB 2011, 181 (183). 5 BAG 19.12.2006 – 294/06 – NZA 2007, 809. 6 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943; abl. Hunold, NZA 2010, 1276 (1277). 7 Ebenso Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (77); Hümmerich, BB 2007, 1498 (1499); Günther/Günther, ArbR 2011, 107 (108); Polloczek/Pruksch, DStR 2011, 1764 (1765); a.A. Bayreuther, SAE 2011, 81 (83). 8 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 9 Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (395).

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dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Ein Widerruf kann auch an den Wegfall des Zwecks einer versprochen Leistung geknüpft werden.1 (3) Wirtschaftliche Gründe 67 Nennt die Vertragsklausel allgemein wirtschaftliche Gründe als Voraussetzung für den Widerruf, kann der Arbeitnehmer angesichts der Vielzahl möglicher wirtschaftlicher Entwicklungen in der Regel nicht erkennen, was aus welchem Anlass auf ihn zukommen kann. Dies wird bereits aus den vom BAG2 genannten Beispielen für wirtschaftliche Gründe deutlich. Danach zählen zu den wirtschaftlichen Gründen u.a. eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis einer Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, verstärktes Gewinnstreben und Kostensenkungsmaßnahmen. 68 Die Anforderungen, die von der Rechtsprechung an die Konkretisierung der Widerrufsgründe gestellt werden, werden teilweise als zu großzügig oder sogar als mit dem Transparenzgebot nicht vereinbar angesehen.3 Würde die Angabe typisierter Sachgründe jedoch nicht ausreichen und wäre eine noch weitergehende Konkretisierung erforderlich, wäre ein Widerruf von Vergütungsbestandteilen nicht mehr oder nur noch in seltenen Ausnahmefällen wirksam. Die Vorbehaltsklausel wäre kein taugliches Flexibilisierungsinstrument mehr. Aufgrund der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse, die der Vorbehalt voraussetzt, dürfen deshalb auch im Hinblick auf das Transparenzgebot keine noch höheren Anforderungen an die Spezifizierung der Sachgründe gestellt werden. Die Vorbehaltsklausel muss den Grund für die Leistungsänderung nicht so konkret bezeichnen, dass dieser als Grund für eine Änderungskündigung bestehen könnte.4 (4) Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers 69 Auch hier reicht es aus, wenn die Vorbehaltsklausel die Richtung angibt, z.B. unterdurchschnittliche Leistungen oder schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers als Voraussetzung für die Ausübung des Vorbehalts nennt.5 Eine präzise Beschreibung der Leistung oder des Ver1 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 21. 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 3 DBD/Bonin, § 308 Nr. 4 Rz. 33. 4 A.A. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. 5 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465.

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haltens des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur Ausübung des Widerrufsvorbehalts berechtigen soll, ist dem Arbeitgeber in aller Regel auch nicht möglich. Die Differenzierung zwischen der Leistung und dem Verhalten des Arbeitnehmers1 legt nahe, dass eine unterdurchschnittliche Leistung grundsätzlich auch dann als Grund für den Widerruf in Betracht kommt, wenn diese nicht auf dem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, sondern auf Gründe in seiner Person zurückzuführen ist. Zwischen der vom Arbeitgeber versprochenen Vergütung und dem 70 Grund für die Änderung dieser Vergütung muss ein Zusammenhang bestehen.2 Ein Verhalten des Arbeitnehmers, das sich nicht auf seine Arbeitsleistung auswirkt, berechtigt den Arbeitgeber daher grundsätzlich nicht zum Widerruf einer Leistungszulage. Da der Arbeitgeber eine Schlechtleistung des Arbeitnehmers häufig nicht nachweisen kann, besteht für ihn auch bei einer widerruflichen Leistungszulage die Gefahr, die Zulage weiter gewähren zu müssen.3 Aufgrund der erforderlichen Korrelation zwischen der versprochenen Leistung und dem Widerrufsgrund kann eine zugesagte leistungsunabhängige Arbeitsmarktzulage nicht wegen Schlechtleistung des Arbeitnehmers widerrufen werden.4 (5) Wegfall des Leistungszwecks Wird in der Widerrufsklausel der Zweck der versprochenen Leistung 71 konkret genannt und fällt dieser Zweck weg, ergibt sich schon aus dieser Zweckbestimmung, unter welchen Voraussetzungen ein Widerruf zulässig ist. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer z.B. eine Zulage für eine besondere Erschwernis unter dem Vorbehalt des Widerrufs zugesagt, kann vereinbart werden, dass die Zahlung der Zulage vom Arbeitgeber widerrufen werden kann, wenn die besondere Erschwernis wegfällt. So bestehen gegen den Widerruf einer Wechselschichtzulage grundsätzlich dann keine Bedenken, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in Wechselschicht arbeitet.5

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BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 21. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 24. BAG 16.12.1982 – 2 AZR 147/81 – n.v. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 23.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

(6) Konkrete Begrenzung der Änderungsbefugnis 72 Da zu weit gefasste Vorbehaltsklauseln grundsätzlich unwirksam sind (vgl. Rz. 30), bedarf es der Einschränkung der Änderungsbefugnis. Aus dem Wortlaut der Klausel muss deutlich werden, dass sie den Vorgaben der Rechtsprechung genügt. Die übertarifliche Vergütungsbestandteile, auf die sich der Änderungsvorbehalt nur erstrecken darf (zur Kritik an diesem Erfordernis vgl. Rz. 42), müssen präzise bezeichnet und so abgegrenzt werden, dass sie weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen. Sollen darüber hinaus Leistungen widerruflich sein, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, müssen auch diese so konkret beschrieben werden, dass kein Zweifel bleibt, dass der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung insgesamt nicht mehr als 30 % des Gesamtverdienstes beträgt. (7) Zeitlicher Umfang der Änderung 73 § 308 Nr. 4 BGB bindet dem Wortlaut nach die Zumutbarkeit der Änderung der versprochenen Leistung nicht an die Dauer der Änderung. Dies schließt es jedoch nicht aus, die Wirksamkeit der Änderung daran zu knüpfen. Regelt z.B. eine Klausel, dass eine bestimmte Zulage für eine besondere Erschwernis gewährt wird und die Zulage bei einem Wegfall der Erschwernis widerrufen werden kann, kann der Wegfall der Zulage auf Dauer dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sein, wenn absehbar ist, dass die Erschwernis nur vorübergehend wegfällt. (8) Ankündigungsfrist 74 Eine Frist für die Wirkung des Widerrufs muss die Vertragsklausel nicht vorsehen. Für eine solche Frist gibt es keinen Ansatz im Gesetz.1 Allenfalls bei der Ausübungskontrolle kommt die Einräumung einer Auslauffrist in Betracht.2 Allerdings kann sich der Arbeitnehmer auf die verminderte Vergütung besser einstellen, wenn der Widerruf von Vergütungsbestandteilen an eine Frist gebunden wird.3 Dass die Vertragsklausel keine Ankündigungsfrist enthalten muss, bedeutet nicht, dass vom Arbeitgeber versprochene Vergütungsbestandteile auch wirksam mit Rückwirkung widerrufen werden können.

1 BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756. 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756. 3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22.

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bb) Materielle Anforderungen an die Änderungsbefugnis (1) Erforderlichkeit der Anpassung Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle ist, dass eine Befugnis des Arbeit- 75 gebers zur Verminderung der versprochenen Vergütung nur in Betracht kommt, wenn dieses Recht als Instrument der Anpassung notwendig ist.1 Stellt die Vorbehaltsklausel nicht auf ungewisse Entwicklungen, sondern auf bekannte Tatbestände ab, die konkret geregelt werden können, ist die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB nicht zumutbar.2 (2) Beurteilung der Zumutbarkeit Maßgebend für die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers ist 76 eine typische Betrachtungsweise.3 Bei der Beurteilung, ob der Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer zumutbar ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Der generalisierende, überindividuelle Maßstab zielt darauf, diejenigen Klauseln herauszufiltern, die dem Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht gewähren, das unabhängig von der Interessenlage im konkreten Einzelfall als ein für den Arbeitnehmer nicht hinnehmbarer Eingriff in das Vertragsgefüge und das von den Parteien bei Vertragsschluss bestimmte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung anzusehen ist.4 Es kommt auf die Art und Höhe der Leistung an, die widerrufen werden soll, auf die Höhe des verbleibenden Verdienstes und die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen.5 Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte muss der angegebene Änderungsgrund die Änderung der Vergütung des Arbeitnehmers typischerweise rechtfertigen. Ein Widerrufsvorbehalt darf das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers nicht auf den Arbeitnehmer verlagern.6 Dies ist bei einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags der Fall.7

1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943; BGH 19.10.1999 – XI ZR 8/99 – NJW 2000, 651. 2 BGH 19.10.1999 – XI ZR 8/99 – NJW 2000, 651. 3 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 4 Rz. 9. 4 Raab, FS Birk (2008), S. 559 (681). 5 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. 6 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. 7 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465.

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(3) Synallagmatische Leistungen 77 Ob ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des BAG1 auch davon ab, ob die Vorbehaltsklausel eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflicht erfasst oder eine nicht synallagmatische Leistung. Der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes muss unter 25 % liegen und der Tariflohn darf nicht unterschritten werden (zur Kritik an letzterem Erfordernis vgl. Rz. 42). (4) Nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen 78 Sind darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes.2 Dieser Differenzierung liegt wohl die Erwägung zugrunde, dass im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflichten einen höheren Vertrauens- und Bestandsschutz verdienen.3 Allerdings kann die Klärung der Frage, ob eine übertarifliche Leistung des Arbeitgebers mit der Leistung des Arbeitnehmers im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, mit Schwierigkeiten verbunden sein.4 In aller Regel erbringt ein Arbeitgeber jede Leistung im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung der versprochenen Dienste.5 Auch aus der Sicht des Arbeitnehmers dürfte es wirtschaftlich keinen großen Unterschied machen, ob eine übertarifliche Zulage oder ein Fahrtkostenzuschuss in gleicher Höhe wegfällt. Bei jedem geldwerten Vorteil, den der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis versprochen hat, handelt es sich letztlich um Arbeitsentgelt.6

1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 2 BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 3 So auch Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 25. 4 Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. 5 Vgl. Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23 (31). 6 DBD/Bonin, § 308 Nr. 4 Rz. 41.

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f) Ausübungskontrolle aa) Voraussetzungen Die Überprüfung, ob die Ausübung des vorbehaltenen Rechts, die Ver- 79 gütung des Arbeitnehmers zu ändern, im Einzelfall billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB entsprochen hat, setzt voraus, dass der Änderungsvorbehalt wirksam vereinbart wurde.1 Ist dies nicht der Fall, wird nicht kontrolliert, ob das Handeln des Arbeitgebers im konkreten Einzelfall Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beachtet und billiges Ermessen i.S.v. § 315 BGB gewahrt hat.2 bb) Bedeutung Das Ergebnis der Ausübungskontrolle ist für die endgültige Beurteilung der Zumutbarkeit der Änderung der versprochenen Leistung maßgebend. Die Ausübungskontrolle hat allerdings erheblich an Bedeutung verloren, weil bereits im Rahmen der Angemessenheitskontrolle eine Interessenabwägung stattfindet.3 Ob die Ausübung des Änderungsvorbehalts wirksam ist, wird jedoch nicht abschließend durch objektive Beurteilungsmaßstäbe festgelegt. Neben der Angemessenheitskontrolle steht weiterhin die auf den Einzelfall bezogene Ausübungskontrolle.4

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cc) Gegenstand der Kontrolle Im Rahmen der Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob die in der Klausel 81 genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, also zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorbehalts der in der Klausel beschriebene Grund tatsächlich vorlag. Hauptanwendungsfall einer unbilligen Ausübung des Vorbehalts ist die Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.5 Der Arbeitgeber darf sich grundsätzlich nicht einzelne Arbeitnehmer herausgreifen und ihnen ein Sonderopfer abverlangen.6

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BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 – NZA 2007, 87. 5 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 27; Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. 6 Thüsing/Mengel, S. 23.

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dd) Interessenabwägung 82 Die mit der Ausübung des Vorbehalts verbundene Änderung der Vergütung des Arbeitnehmers muss billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB entsprechen.1 Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat.2 In seine Ermessensentscheidung darf er grundsätzlich alle sachlichen Gründe einstellen. 83 Aus der Formulierung „unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders“ wird deutlich, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterzahlung der ihm vom Arbeitgeber versprochenen Vergütung grundsätzlich Vorrang vor dem Änderungsinteresse des Arbeitgebers hat. Der Wegfall oder die Verminderung dem Arbeitnehmer versprochener Vergütungsbestandteile ist diesem deshalb nur dann zumutbar, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Änderung das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.3 84 Nennt die Vorbehaltsklausel wirtschaftliche Gründe für die Änderung, dient sie der Anpassung des Arbeitsentgelts an veränderte Rahmenbedingungen, insbesondere an eine verminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers. Das Interesse des Arbeitgebers geht dann dahin, durch die Kürzung oder Streichung von tariflich nicht vorgesehenen Leistungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens flexibel reagieren zu können. Soll der Widerruf dazu dienen, den Gewinn des wirtschaftlich gesunden Unternehmens weiter zu steigern, wird ein anzuerkennendes Leistungsänderungsinteresse des Arbeitgebers regelmäßig fehlen.4 Auch ein pauschaler Hinweis des Arbeitgebers auf eine allgemein schlechte Wirtschaftslage reicht zur Darlegung eines Leistungsänderungsinteresses nicht aus. Änderungen der Kalkulationsgrundlage und Kostensteigerungen scheiden dagegen nicht von vornherein aus, um ein Interesse des Arbeitgebers an der Leistungsänderung zu begründen.5 Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei einer auftretenden wirtschaftlichen Notlage der Arbeitgeber plausibel darlegt, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gefährdet ist und durch die Leistungsänderung gerettet werden kann.

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DBD/Bonin, § 308 Nr. 4 Rz. 51. St. Rspr., vgl. BAG 25.8.2010 – 10 AZR 275/09 – NZA 2010, 1355. Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. A.A. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 4 Rz. 9.

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Im Interesse des Arbeitnehmers liegt die Weiterzahlung der vereinbarten 85 Vergütung. Der Arbeitnehmer darf in dem als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Arbeitsverhältnis trotz des Widerrufsvorbehalts grundsätzlich auf die Beständigkeit der ihm vom Arbeitgeber versprochenen Arbeitsvergütung vertrauen, wenn diese nicht an besondere Voraussetzungen, z.B. das Erreichen bestimmter Ziele, geknüpft ist. Er erbringt im Hinblick auf die zugesagte Vergütung seine Arbeitsleistung und stellt auch regelmäßig sein Leben darauf ein.1 Allerdings kann bei einer Existenzgefährdung des Unternehmens auch der Arbeitnehmer am Widerruf von Leistungen des Arbeitgebers ein Interesse haben, wenn der Arbeitgeber sein Widerrufsrecht auch gegenüber anderen Arbeitnehmern ausübt und aufgrund der Entgeltsenkung die Arbeitsplätze der vom Widerruf Betroffenen nicht verloren gehen.2 ee) Ankündigungsfrist Zwar muss die Vorbehaltsklausel keine Frist für die Wirkung des Wider- 86 rufs vorsehen (vgl. Rz. 74). Bei der Ausübungskontrolle kommt die Einräumung einer Auslauffrist jedoch in Betracht.3 Wird die Ausübung des Vorbehalts vom Arbeitgeber angekündigt, kann sich der Arbeitnehmer auf die verminderte Vergütung besser einstellen. Die Einräumung einer angemessenen Ankündigungs- oder Auslauffrist kann deshalb aus Gründen der Billigkeit geboten sein.4 So kann die Interessenabwägung im Einzelfall dazu führen, dass ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer die Nutzung eines Dienstwagens auch zu Privatzwecken ermöglicht hat, den Dienstwagen nur unter Einräumung einer Auslauffrist zurückfordern darf.5 g) Widerrufsvorbehalt bei Sondervergütungen aa) Praktische Bedeutung Viele Arbeitnehmer erhalten neben dem laufenden monatlichen Arbeitsentgelt in jährlichen oder anderen Abständen Zahlungen, mit denen der Arbeitgeber Betriebstreue honorieren oder die Arbeitsleistung 1 BAG 25.4.2007 – 5 AZR 627/06 – NZA 2007, 853. 2 Vgl. zur Kürzung zugesagter Leistungen durch Kündigung bei Existenzgefährdung für das Unternehmen KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 203. 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756. 4 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22; DBD/Bonin, § 308 Nr. 4 Rz. 46. 5 BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NZA 2012, 1756.

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des Arbeitnehmers während eines bestimmten Zeitraums zusätzlich vergüten will. Oft verfolgt der Arbeitgeber mit Sonderzahlungen auch mehrere Zwecke. Häufig werden solche Zahlungen in einem Formulararbeitsvertrag zugesagt, jedoch mit einem Freiwilligkeits- und/oder Widerrufsvorbehalt verbunden. Die in einer Vielzahl vorformulierter Arbeitsverträge im Zusammenhang mit Sonderzahlungen verwendete Klausel, dass es sich um eine „freiwillige, stets widerrufliche Leistung des Arbeitgebers handelt“, war wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung.1 bb) Transparente Fassung der Widerrufsklausel 88 Die Auslegung der Formulierung „freiwillige, stets widerrufliche Leistung, auf die – auch künftig – kein Rechtsanspruch besteht“ als ein auf die Sonderzahlung bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt lässt das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu. Auch eine Auslegung als Widerrufsvorbehalt ist ausgeschlossen.2 Der Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus, den der Arbeitgeber gerade ausschließen wollte. Der 10. Senat des BAG3 hat diese Klausel für widersprüchlich und deshalb unwirksam gehalten.4 Will der Arbeitgeber sich vorbehalten, eine versprochene Sonderzahlung einzuschränken oder einzustellen, muss die Klausel ebenso wie bei einer laufenden Leistung präzise die unter dem Vorbehalt der Änderung versprochenen Vergütungsbestandteile beschreiben und den Grund für die Änderung hinreichend konkret nennen. cc) Angemessenheits- und Ausübungskontrolle 89 Bezüglich der Kontrolle der Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, die Leistung zu kürzen oder ganz einzustellen, gelten bei Sonderzahlungen keine anderen Grundsätze als bei laufenden Leistungen. § 308 Nr. 4 BGB stellt nur darauf ab, ob der Arbeitgeber eine Leistung versprochen hat, nicht darauf, ob es sich um eine laufende Zahlung oder

1 Vgl. BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 10; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 26.3.1997 – 10 AZR 612/96 – NZA 1997, 1007. 2 Bayreuther, BB 1209, 102 (103). 3 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 10; BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173. 4 So auch Waltermann, SAE 2009, 98; a.A. Zöllner, ZfA 2010, 637 (647 f.).

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eine Sonderzahlung handelt. Dies hat zur Folge, dass Widerrufsvorbehalte bei Sonderzahlungen denselben formellen und materiellen Anforderungen genügen und einer einzelfallbezogenen Ausübungskontrolle standhalten müssen. Die entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des BAG1 zu laufenden Zahlungen aufgestellten Grundsätze führt dazu, dass der Arbeitgeber nur übertarifliche Sondervergütungen mit einem Widerrufsvorbehalt verbinden darf und dies auch nur dann, wenn die vom Vorbehalt erfassten Sondervergütungen weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen. Bei einem Widerrufsvorbehalt ist die Differenzierung zwischen Sondervergütungen und laufendem Arbeitsentgelt anders als beim Freiwilligkeitsvorbehalt2 deshalb von wesentlich geringerer Bedeutung. h) Beweislast aa) Unwirksamkeitsvermutung Die AGB-Kontrolle erfolgt durch die Gerichte von Amts wegen. Der Ar- 90 beitnehmer muss nicht darlegen und beweisen, dass die Vereinbarung der Änderungsklausel für ihn nicht zumutbar ist. Aus der Fassung des § 308 Nr. 4 BGB sowie aus dem das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatz der Bindung beider Vertragspartner an eine von ihnen getroffene Vereinbarung ergibt sich, dass es sich beim Änderungsvorbehalt um einen Ausnahmetatbestand handelt und gegen die Vereinbarung der Änderung die Vermutung der Unwirksamkeit spricht.3 bb) Entkräftung der Unwirksamkeitsvermutung Es ist daher Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu entkräften. 91 Ihm obliegt es, darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen, an die seine Änderungsbefugnis geknüpft ist, vorliegen. Insoweit obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit des Änderungsvorbehalts.4

1 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465. 2 Vgl. BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23, (31 f.). 3 BGH 17.2.2004 – XI ZR 140/03 – NJW 2004, 1588. 4 Vgl. WLP/Dammann, § 308 Nr. 4 Rz. 32.

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i) Folgen der Klauselunwirksamkeit 92 Ist der Änderungsvorbehalt unwirksam, fällt die Änderungsklausel grundsätzlich gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersatzlos weg, wenn sie sich nicht aufteilen lässt. Eine Aufrechterhaltung einer unwirksamen Änderungsklausel mit einer auf das materielle Schutzniveau beschränkten Geltung kommt grundsätzlich nicht in Betracht,1 so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die ihm vom Arbeitgeber versprochene Leistung hat. Ob aufgrund der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, etwa bei der dynamischen Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen (vgl. Rz. 58), Ausnahmen von diesem Grundsatz gerechtfertigt sein können, ist noch nicht abschließend geklärt. 93 Auf bis zum 31. Dezember 2001 begründete Arbeitsverhältnisse, sog. Altfälle, findet § 308 Nr. 4 BGB gemäß Art. 229 § 5 EGBGB seit dem 1. Januar 2003 Anwendung. Vertrauensschutz hat das Gesetz für Altfälle damit nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt. Gleichwohl hat der 5. Senat des BAG2 für Altfälle angenommen, dass ein unwirksamer Änderungsvorbehalt nicht stets ersatzlos wegfällt. Er hat den Vertrauensschutz bei Altfällen daran geknüpft, dass eine Bindung des Arbeitgebers an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen würde und der Änderungsvorbehalt nur deshalb unwirksam ist, weil er in formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BAG eine verfassungskonforme Abmilderung der Rückwirkung durch eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Eine den formellen Anforderungen nicht gerecht werdende Widerrufsklausel ist danach mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, den die Arbeitsvertragsparteien bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen vereinbart hätten. Eine Bindung der ergänzenden Vertragsauslegung in Altfällen an die Einhaltung einer Verhandlungsobliegenheit lehnt der 5. Senat des BAG3 ausdrücklich ab.4 94 Ein Altfall liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsvertrag vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurde. Haben die Arbeitsvertragsparteien nach diesem Tag andere Abmachungen getroffen, z.B. über

1 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428. 2 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465; BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796. 3 BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796. 4 Zust. Uffmann, Anm. zu BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9 und Schlewing, NZA Beilage 2/2012, 33 (37); abl. Bieder, RdA 2011, 142 (153).

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die Vergütung des Arbeitnehmers, und im Übrigen vereinbart, dass alle anderen Abreden unberührt bleiben, hindert dies die Annahme eines Altfalles und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.1 Dem Vertrauensschutz des Arbeitgebers hat der Gesetzgeber nach der 95 Rechtsprechung des 9. Senats des BAG2 und wohl auch nach Ansicht des 10. Senats des BAG3 durch die Einräumung der Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2002 genügt.4 Bei Altfällen kann danach eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann zu Gunsten des Arbeitgebers in Betracht kommen, wenn dieser versucht hat, die nicht mehr den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB entsprechende Vertragsklausel der neuen Gesetzeslage anzupassen, und dies am Widerstand des Arbeitnehmers gescheitert ist.5 Der Auffassung, auch Neuregelungen seien grundsätzlich einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich, es sei kein Grund ersichtlich, gerade bei Altfällen strengere Maßstäbe anzulegen,6 hat der 9. Senat des BAG7 entgegen gehalten, eine ergänzende Vertragsauslegung würde dem Arbeitgeber das Risiko einer unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und wäre eine Vertragshilfe allein zu seinen Gunsten.8 Die Grundsatzfrage, ob in Altfällen eine ergänzende Vertragsauslegung 96 voraussetzt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem 1. Januar 2003 eine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat, ist angesichts der divergierenden Rechtsprechung des 5. und des 9. Senats des BAG weiterhin offen. Auch im Schrifttum besteht keine Einigkeit.9

1 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173; BAG 18.11.2009 – 4 AZR 514/08 – NZA 2010, 170. 2 BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809. 3 BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428; BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – NZA-RR 2009, 576. 4 So auch Bieder, RdA 2011, 142 (153). 5 So im Ergebnis auch Bergwitz, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. 6 Linck, FS Bauer (2010), S. 645 (657 f.). 7 BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943. 8 Zust. Coester, FS Löwisch (2007), S. 57 (69 ff.). 9 Vgl. die Nachweise bei Uffmann, Anm. zu BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – AP BGB § 308 Nr. 9.

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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

5. § 308 Nr. 5 BGB (Fingierte Erklärungen) a) Allgemeines 97 Arbeitsvertragsklauseln, wonach kraft einer Fiktion oder einer unwiderlegbaren Vermutung1 eine Erklärung des Arbeitnehmers als abgegeben oder nicht abgegeben gilt, sind gefährlich, wenn sich damit für den Arbeitnehmer Nachteile verbinden.2 Dies gilt umso mehr, als Arbeitnehmer den Inhalt solcher Klauseln oft nicht zur Kenntnis nehmen und daher von den ihnen unterstellten Erklärungen nichts wissen.3 § 308 Nr. 5 BGB verbietet jedoch nicht generell Erklärungsfiktionen in vorformulierten Arbeitsverträgen. Die Vorschrift knüpft die Wirksamkeit der Fiktion nur an Mindestvoraussetzungen4 und untersagt die Fiktion für den Fall, dass dem Arbeitnehmer die drohende Fiktionswirkung nicht bewusst gemacht und ihm keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird.5 Im Arbeitsrecht spielte die Norm bisher keine große Rolle. Weitaus verbreiteter als Erklärungsfiktionen sind hier Schriftformklauseln, die besonders strenge Voraussetzungen für eine Änderung des Arbeitsvertrags aufstellen. b) Anwendungsbereich aa) Erklärungen des Arbeitnehmers 98 Die Vorschrift erfasst ausschließlich Erklärungsfiktionen, die an das Verhalten des Verwendungsgegners und damit des Arbeitnehmers anknüpfen.6 Sie ist auch auf die unwiderlegliche Vermutung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitnehmers anwendbar. Klauseln, wonach Erklärungen des Arbeitgebers als abgegeben oder nicht abgegeben gelten, können nach § 307 BGB unwirksam sein.7 Für die Anwendung von § 308 Nr. 5 BGB ist ohne Bedeutung, ob die Klausel die Erklärungsfiktion an ein Untätigbleiben oder an ein positives Verhalten des Arbeitnehmers knüpft.

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v. Westphalen, FS Schlosser (2005), S. 1103 (1105). Vgl. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 2. Vgl. Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 5 Rz. 1. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 2. MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 5 Rz. 1. Bamberger/Roth/Becker § 308 Nr. 4 Rz. 5. Vgl. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 6.

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bb) Schweigen als Willenserklärung Bei Erklärungsfiktionen geht es vor allem um Fälle, in denen ein Unter- 99 lassen des Arbeitnehmers, insb. sein Schweigen, die Bedeutung haben soll, dass er eine Maßnahme des Arbeitgebers billigt oder sich mit einer ihm angetragenen Änderung des Arbeitsvertrags einverstanden erklärt.1 Der Grundsatz, dass Schweigen i.d.R. keine Willenserklärung ist, gehört jedoch zu den wesentlichen Prinzipien des Privatrechts.2 Er ist aber dispositiv. Den Arbeitsvertragsparteien steht es deshalb frei, von diesem Grundsatz abzuweichen und zu vereinbaren, welche Rechtsfolgen ein Schweigen des Arbeitnehmers hat.3 § 308 Nr. 5 BGB verbietet damit nicht eine Klausel, nach der das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Antrag des Arbeitgebers als Annahmeerklärung gilt.4 Das Erfordernis einer Abmachung, dass Schweigen als Willenserklärung gilt, ergibt sich nicht aus § 308 Nr. 5 BGB, sondern aus dem allgemeinen Zivilrecht.5 Nur eine Abrede über eine Erklärungsfiktion kann gegen § 308 Nr. 5 BGB verstoßen.6 Etwas anderes folgt auch nicht aus des Entscheidung des BAG vom 100 18.3.2009,7 mit der die Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben wurde.8 Die Aufgabe dieser im arbeitsrechtlichen Schrifttum9 ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßenen Rechtsprechung wurde nicht mit einer unmittelbaren Anwendung des § 308 Nr. 5 BGB begründet. Vielmehr wurde auf den Schutzzweck dieser Vorschrift abgestellt.10 Mit diesem ist die Annahme nicht zu vereinbaren, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber 1 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 3; vgl. auch Staudinger/CoesterWaltjen § 308 Nr. 5 Rz. 3. 2 Vgl. BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601. 3 Hromadka, FS Richardi (2007), S. 257 (262); Hofmann, S. 156. 4 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601. 5 DBD/Bonin, § 308 Nr. 5 Rz. 1. 6 Vgl. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 6. 7 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601. 8 Zur gegenläufigen betrieblichen Übung vgl. BAG 26.3.1997 – 10 AZR 612/96 – NZA 1997, 1007; BAG 4.5.1999 – 10 AZR 290/98 – NZA 1999, 1162. 9 Vgl. nur Henssler, FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht (2004), S. 643 (704 ff.); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 235; Schaub/Koch, § 110 Rz. 28; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 225; Speiger, NZA 1998, 510; Kettler, NJW 1998, 435; Franzen, Anm. zu BAG 26.3.1997 – 10 AZR 612/96 – SAE 1997, 344 (346 ff.); Goertz, AuR 1999, 463; Waltermann, RdA 2006, 257 (268 f.); kritisch auch Bepler, RdA 2004, 226 (238 ff.). 10 Zutr. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 6; a.A. Roeder, NZA 2009, 883 und DBD/Bonin, § 308 Nr. 5 Rz. 1.

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ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde eine bestehende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet.1 Haben die Arbeitsvertragsparteien schon nicht vereinbart, dass das Schweigen des Arbeitnehmers eine Fiktionswirkung auslöst, kann aus dem Schweigen des Arbeitnehmers erst recht keine Annahme eines Antrags des Arbeitgebers abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht darauf hinweist, welche Bedeutung er seinem Schweigen beimisst.2 cc) Widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit 101 § 308 Nr. 5 BGB erfasst nicht konkludente Erklärungen des Arbeitnehmers, die aus seinem Verhalten, insbesondere einer widerspruchslosen Fortsetzung seiner Tätigkeit nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers, abgeleitet werden.3 In diesem Fall ist das Verhalten des Arbeitnehmers i.V.m. den sonstigen Umständen als Ausdruck seines zwar nicht ausdrücklich, jedoch konkludent geäußerten rechtsgeschäftlichen Willens anzusehen. c) Anforderungen an Erklärungsfiktionen aa) Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung 102 Soll eine an ein Schweigen geknüpfte Fiktionswirkung eintreten, muss dies vereinbart worden sein. Ist dies der Fall, knüpft § 308 Nr. 5 Buchst. a BGB den Eintritt der Fiktion daran, dass dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist. Diese Frist muss schon bei der Abrede über die Fiktionswirkung vorgeschrieben werden, jedoch nicht schon dort konkret beziffert werden.4 Ob die Dauer der Frist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab5 und richtet sich nach einer objektiv generalisierenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der bei Vereinbarungen der vorliegenden Art typischen Umstände.6 1 So auch Waltermann, SAE 2010, 193 (194). 2 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 225. 3 Vgl. dazu BAG 1.8.2001 – 4 AZR 129/00 – NZA 2003, 924; Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 5 Rz. 11. 4 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 5; UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 11; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 5 Rz. 13; a.A. Bamberger/Roth/ Becker, § 308 Nr. 5 Rz. 17. 5 DBD/Bonin, § 308 Nr. 5 Rz. 5. 6 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 6.

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Da im Arbeitsverhältnis im Interesse einer schnell herzustellenden 103 Rechtssicherheit relativ kurze Fristen gelten, z.B. eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann und der Arbeitnehmer nach § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben muss, wird in der Regel eine Frist von zwei Wochen angemessen sein, bei Erklärungen, die einiger Überlegung bedürfen, jedenfalls eine Frist von drei Wochen.1 Ist die Frist zu kurz bemessen, wird nicht eine angemessene Frist in Lauf gesetzt.2 Vielmehr tritt die Erklärungsfiktion nicht ein.3 Um angemessen zu sein, muss nicht nur die Länge der Frist angemessen sein, sondern auch ihre Ausgestaltung.4 Fristbeginn und Fristende müssen so gelegt und bestimmt werden, dass der Arbeitnehmer ohne Schwierigkeiten den Eintritt der Fiktion abwenden kann. bb) Hinweispflicht Weitere Voraussetzung des Eintritts der Fiktionswirkung ist nach § 308 104 Nr. 5 Buchst. b BGB, dass der Arbeitgeber sich verpflichtet, bei Beginn der Frist den Arbeitnehmer auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Dieser Hinweis muss auch tatsächlich in einer Form erfolgen, die unter normalen Umständen eine Kenntnisnahme des Arbeitnehmers verbürgt.5 Gibt der Arbeitgeber den Hinweis, hat er sich dazu aber vertraglich nicht verpflichtet, tritt die Erklärungsfiktion nicht ein.6 6. § 308 Nr. 6 BGB (Fiktion des Zugangs) a) Allgemeines Die Vorschrift erfasst vor allem Klauseln, die nicht auf den tatsächlichen Zugang einer Willenserklärung des Arbeitgebers abstellen, sondern den Zugang fingieren, und damit von der Regelung in § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichen. Sie findet nicht nur bei Willenserklärungen, son1 Ebeling, S. 147 f.; UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 11. 2 A.A. Hromadka, FS Richardi (2007), S. 257 (262), der bei der Änderung umfangreicher Klauselwerke annimmt, dass sich die Frist von drei Wochen verlängert. 3 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 5 Rz. 14. 4 WLP/Dammann, § 308 Nr. 5 Rz. 42. 5 BAG 18.3.2009 – 10 AZR 281/08 – NZA 2009, 601. 6 Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 5 Rz. 19; MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 5 Rz. 14.

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§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

dern auch bei anderen Erklärungen des Arbeitgebers Anwendung, z.B. bei Mitteilungen oder Hinweisen.1 Die Erklärung muss nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern kann auch von einem Dritten stammen. Es reicht aus, wenn sie dem Arbeitgeber zuzurechnen ist oder der Arbeitgeber aus ihrem Zugang für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will.2 106 Die Zugangsfiktion ist eine besondere Art der Tatsachenfiktion.3 § 308 Nr. 6 BGB verbietet zum Schutz des Verwendungsgegners, dass der Verwender sich bei bestimmten Erklärungen von dem ihm obliegenden Nachweis des Zugangs entlastet. Die Norm schließt Klauseln, die eine Zugangsfiktion oder eine vergleichbare widerlegbare oder unwiderlegbare Vermutung des Zugangs einer Erklärung des Verwenders beinhalten, jedoch nicht generell aus. Als Sonderregelung zu § 309 Nr. 12 BGB4 erfasst sie nur Erklärungen von besonderer Bedeutung. b) Anwendungsfälle 107 § 308 Nr. 6 BGB ist auch im Arbeitsverhältnis von Bedeutung.5 In den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen Klauseln, nach denen Erklärungen des Arbeitgebers mit ihrer Bekanntmachung am Schwarzen Brett oder an einem anderen Ort, z.B. in sog. Hausmitteilungen, als dem Arbeitnehmer zugegangen gelten.6 Auch die Abrede, dass eine Erklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer bereits mit der Aufgabe zur Post zugeht,7 wird von der Vorschrift ebenso erfasst wie die Klausel, dass die Erklärung als zugegangen gilt, wenn sie an die letzte bekannte Adresse des Arbeitnehmers versandt wurde, auch wenn sie als unzustellbar zurückkommt, bzw. wenn als Zugangszeitpunkt derjenige festgelegt wird, der bei nicht geänderter Adresse gegolten hätte.8

1 Vgl. Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 6 Rz. 9; UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 6 Rz. 4. 2 Vgl. Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 6 Rz. 9. 3 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 6 Rz. 1. 4 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 6 Rz. 5; DBD/Bonin, § 308 Nr. 6 Rz. 2. 5 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 294; Hofmann, S. 156. 6 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 7; DBD/Bonin, § 308 Nr. 6 Rz. 6; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 101. 7 So im Fall des BAG 13.10.1976 – 5 AZR 638/75 – DB 1977, 638. 8 Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 294; BayObLG 18.12.1979 – BReg 2 Z 11/79 – DB 1980, 442.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 308

c) Erklärungen von besonderer Bedeutung Die Beurteilung, ob eine Erklärung besonderer Bedeutung vorliegt, hängt 108 wesentlich davon ab, ob sie für den Arbeitnehmer nachteilige Folgen hat oder haben kann.1 Einigkeit besteht, dass Kündigungserklärungen oder Abmahnungen des Arbeitgebers Erklärungen von besonderer Bedeutung sind.2 Auch andere Erklärungen, wie z.B. Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalte, können aber diese Voraussetzung erfüllen. Von besonderer Bedeutung sind i.d.R. auch Erklärungen, die Pflichten des Arbeitnehmers begründen sollen.3 Nicht allen Erklärungen, die sich nur mittelbar nachteilig auswirken, 109 kommt aber besondere Bedeutung zu. So kann der Hinweis des Arbeitgebers, welche Mitarbeiter Personalvollmacht haben, zwar eine spätere Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ausschließen. Dies macht diesen Hinweis aber noch nicht zu einer Erklärung von besonderer Bedeutung.4 d) Unwirksamkeit Bezieht sich eine Fiktionsklausel auf alle oder eine Vielzahl von Erklä- 110 rungen des Arbeitgebers, ist sie insgesamt unwirksam, wenn sie sich aufgrund ihrer pauschalen Formulierung auch auf Erklärungen des Arbeitgebers von besonderer Bedeutung erstreckt.5 Klauseln, die eine generelle Zugangsfiktion formulieren und diesen lediglich durch den salvatorischen Zusatz „soweit es sich nicht um Erklärungen von besonderer Bedeutung handelt“ einschränken, genügen dem Bestimmtheitsgebot nicht und sind deshalb unwirksam.6

1 Hofmann, S. 156; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 101. 2 DBD/Bonin, § 308 Nr. 6 Rz. 4; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 294; Hofmann S. 156; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 101. 3 Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 6 Rz. 17. 4 Jacobs, Schwerpunktkommentar Arbeitsrecht, 2008, BGB, § 308 Nr. 6 Rz. 25. 5 UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 6 Rz. 8. 6 Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 6 Rz. 20; MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 6 Rz. 5; a.A. UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 6 Rz. 8.

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§ 308

Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

7. § 308 Nr. 7 BGB (Abwicklung von Verträgen) a) Allgemeines 111 Die Vorschrift ergänzt § 309 Nr. 5 BGB und schützt dessen Regelungsgehalt vor Umgehungsversuchen.1 Sie betrifft Rückabwicklungsansprüche, die, wie z.B. die Regelungen in § 628 BGB,2 dispositiv und damit grundsätzlich auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen abdingbar sind. Werden zugunsten des Verwenders Rückabwicklungsansprüche großzügig pauschaliert, kommen sie Schadensersatzansprüchen sehr nahe. 112 Durch die Angemessenheitskontrolle soll verhindert werden, dass sich die Rückabwicklung des Vertrags für den Verwender als die wirtschaftlich günstigere Alternative darstellt und so für ihn ein Anreiz besteht, sich vom Vertrag zu lösen.3 § 308 Nr. 7 BGB bezweckt darüber hinaus, dass der Verwendungsgegner infolge der Ausübung der ihm zustehenden Rücktritts- oder Kündigungsrechte keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet, die de facto zu einer empfindlichen Einschränkung der Beendigungsfreiheit bei Schuldverhältnissen führen würden.4 113 Die Bedeutung der Vorschrift für Arbeitsverhältnisse ist gering. Ein in Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis wird nicht durch Rücktritt in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet. Für die Dauer des vollzogenen Arbeitsverhältnisses gelten grundsätzlich auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht wirksam begründet oder der Arbeitsvertrag wirksam angefochten wurde, die gleichen Rechte und Pflichten wie bei einem wirksamen Arbeitsvertrag.5 b) Anwendungsbereich aa) Ansprüche des Arbeitgebers bei Kündigung 114 Die Vorschrift erfasst nur Klauseln, die Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers infolge der Vertragsauflösung regeln.6 Nach verbreiteter Ansicht soll § 308 Nr. 7 BGB über den Wortlaut hinaus in allen Fällen einer vorzeitigen Vertragsbeendigung durch Rechts1 Staudinger/Coester-Waltjen § 308 Nr. 7 Rz. 1. 2 BGH 16.10.1986 – III ZR 67/85 – NJW 1987, 315; ErfK/Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 46. 3 Bamberger/Roth/Becker, § 308 Nr. 7 Rz. 2. 4 BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. 5 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 147. 6 BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 308

geschäft gelten, also z.B. auch bei einer Anfechtung des Vertrags.1 Abreden über Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags soll die Vorschrift dagegen nicht erfassen.2 Umstritten ist, ob sich § 308 Nr. 7 BGB nur auf Klauseln bezieht, die ge- 115 setzlich geregelte Ansprüche betreffen3 oder auch auf gesetzlich nicht vorgesehene, durch Vertrag begründete Vergütungs- und Aufwandsersatzansprüche.4 Das BAG5 kontrolliert vertragliche Aufwandsersatzansprüche des Arbeitgebers aufgrund einer mit dem Arbeitnehmer getroffenen Rückzahlungsvereinbarung über Ausbildungskosten nicht am Maßstab des § 308 Nr. 7 Buchst. b BGB, sondern des § 307 Abs. 1 BGB. Die Wertungen des § 308 Nr. 7 BGB sind angesichts der vergleichbaren Interessenlage jedoch auch dann heranzuziehen, wenn ein Vergütungsoder Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitgebers nicht an die Vertragsauflösung geknüpft ist6 oder ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers ausschließlich auf einer vertraglichen Abrede beruht. bb) Arten der Abwicklungsansprüche (1) Vergütungsansprüche Klauseln, die dem Arbeitgeber nach § 308 Nr. 7 Buchst. a BGB das Recht 116 einräumen, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen einräumen, sind kaum denkbar. In Betracht kommen Fälle, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Sachen, z.B. ein Fahrzeug oder Wohnraum, überlassen hat. Die Fälle, die der Gesetzgeber mit dem Begriff „Vergütung für erbrachte Leistungen“ im Auge gehabt hat, orientieren sich bei Dienstverträgen zwar an § 628 BGB. Jedoch wird die Dienstleistung vom Arbeitnehmer erbracht und nicht vom Arbeitgeber, dessen Ansprüche die Vorschrift ausschließlich erfasst.

1 MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 7 Rz. 4; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 7 Rz. 14; UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 7 Rz. 6. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 308 Nr. 7 Rz. 5; Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 7 Rz. 14. 3 So UBH/H. Schmidt, § 308 Nr. 7 Rz. 1; DBD/Bonin, § 308 Nr. 7 Rz. 3. 4 So Palandt/Grüneberg, § 308 Rz. 40. 5 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2009, 342. 6 BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

(2) Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers 117 Etwas häufiger dürften Klauseln sein, die einen Anspruch des Arbeitgebers auf eine Ablösungsentschädigung regeln. Hat der Arbeitgeber im Rahmen der Durchführung des Arbeitsvertrags z.B. Räume in der Wohnung des Arbeitnehmers mit Betriebsmitteln ausgestattet,1 zu deren Rückgabe der Arbeitnehmer nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, findet § 308 Nr. 7 Buchst. b BGB auf eine vorformulierte Klausel Anwendung, in der dem Arbeitgeber ein Anspruch auf eine Ablösungsentschädigung eingeräumt wird. Das BAG2 hält zu Recht die Vereinbarung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes ungeachtet der Höhe der Pauschale für unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer nicht der Nachweis gestattet wird, dass Aufwendungen gar nicht getätigt wurden oder wesentlich niedriger waren als die Pauschale. 8. § 308 Nr. 8 BGB (Nichtverfügbarkeit der Leistung) 118 Die Vorschrift beinhaltet für eine Gruppe von Lösungsrechten eine Ergänzungsregelung zu § 308 Nr. 3 BGB.3 Da sich ihr Anwendungsbereich auf Vereinbarungen beschränkt, die dem Verwender ein Lösungsrecht einräumen, findet sie aufgrund der Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen in § 308 Nr. 3 Halbs. 2 BGB auf Arbeitsverträge keine Anwendung.4 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

309

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam 1. (Kurzfristige Preiserhöhungen) eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden;

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So im Fall des BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 8 Rz. 2. DBD/Bonin, § 308 Nr. 8 Rz. 1.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

(2) Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers 117 Etwas häufiger dürften Klauseln sein, die einen Anspruch des Arbeitgebers auf eine Ablösungsentschädigung regeln. Hat der Arbeitgeber im Rahmen der Durchführung des Arbeitsvertrags z.B. Räume in der Wohnung des Arbeitnehmers mit Betriebsmitteln ausgestattet,1 zu deren Rückgabe der Arbeitnehmer nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, findet § 308 Nr. 7 Buchst. b BGB auf eine vorformulierte Klausel Anwendung, in der dem Arbeitgeber ein Anspruch auf eine Ablösungsentschädigung eingeräumt wird. Das BAG2 hält zu Recht die Vereinbarung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes ungeachtet der Höhe der Pauschale für unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer nicht der Nachweis gestattet wird, dass Aufwendungen gar nicht getätigt wurden oder wesentlich niedriger waren als die Pauschale. 8. § 308 Nr. 8 BGB (Nichtverfügbarkeit der Leistung) 118 Die Vorschrift beinhaltet für eine Gruppe von Lösungsrechten eine Ergänzungsregelung zu § 308 Nr. 3 BGB.3 Da sich ihr Anwendungsbereich auf Vereinbarungen beschränkt, die dem Verwender ein Lösungsrecht einräumen, findet sie aufgrund der Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen in § 308 Nr. 3 Halbs. 2 BGB auf Arbeitsverträge keine Anwendung.4 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

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Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam 1. (Kurzfristige Preiserhöhungen) eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden;

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So im Fall des BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. BAG 27.7.2010 – 3 AZR 777/08 – NZA 2010, 1237. Staudinger/Coester-Waltjen, § 308 Nr. 8 Rz. 2. DBD/Bonin, § 308 Nr. 8 Rz. 1.

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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

§ 309

2. (Leistungsverweigerungsrechte) eine Bestimmung, durch die a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird; 3. (Aufrechnungsverbot) eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen; 4. (Mahnung, Fristsetzung) eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen; 5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; 6. (Vertragsstrafe) eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird; 7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder Schlewing 435

§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; b) (Grobes Verschulden) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; die Buchstaben a und b gelten nicht für Haftungsbeschränkungen in den nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr, soweit sie nicht zum Nachteil des Fahrgastes von der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27. Februar 1970 abweichen; Buchstabe b gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für staatlich genehmigte Lotterie- oder Ausspielverträge; 8. (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) a) (Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen) eine Bestimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem Mangel der Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt; dies gilt nicht für die in der Nummer 7 bezeichneten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften unter den dort genannten Voraussetzungen; b) (Mängel) eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen aa) (Ausschluss und Verweisung auf Dritte) die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden; bb) (Beschränkung auf Nacherfüllung) die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung be436 Schlewing

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

§ 309

schränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten; cc) (Aufwendungen bei Nacherfüllung) die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen; dd) (Vorenthalten der Nacherfüllung) der Verwender die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig macht; ee) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige) der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem Doppelbuchstaben ff zulässige Frist; ff) (Erleichterung der Verjährung) die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 erleichtert oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird; 9. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags, b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer;

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§ 309

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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen, für Versicherungsverträge sowie für Verträge zwischen den Inhabern urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche und Verwertungsgesellschaften im Sinne des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten; (Wechsel des Vertragspartners) eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird a) der Dritte namentlich bezeichnet oder b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen; (Haftung des Abschlussvertreters) eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen Vertragsteil abschließt, a) ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene Haftung oder Einstandspflicht oder b) im Falle vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 hinausgehende Haftung auferlegt; (Beweislast) eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt; Buchstabe b gilt nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind; (Form von Anzeigen und Erklärungen) eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden.

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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Praktische Bedeutung des § 309 BGB für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Vorrang der Auslegung vor der Inhaltskontrolle . . . . . . . .

5

IV. Besonderheiten des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. § 309 Nr. 1 BGB (Kurzfristige Preiserhöhungen) . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 1 BGB . 2. § 309 Nr. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrechte) . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB . 3. § 309 Nr. 3 BGB (Aufrechnungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 3 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 3 BGB . 4. § 309 Nr. 4 BGB (Mahnung, Fristsetzung) . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 4 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB .

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§ 309 5. § 309 Nr. 5 BGB (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pauschalierung von Schadensersatz- und Wertminderungsansprüchen . . . . . . . . . . . . bb) Höhe der Pauschale . . . cc) Ausdrückliche Zulassung des Gegenbeweises. . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB . 6. § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB . 7. § 309 Nr. 7 BGB (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden). . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . aa) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB . bb) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB . cc) Global gefasste Ausschlussklauseln . . . . . .

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c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB . § 309 Nr. 8 BGB (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 8 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 8 BGB im Arbeitsrecht . . . . . § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) . . § 309 Nr. 10 BGB (Wechsel des Vertragspartners) . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 10 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 10 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 309 Nr. 11 BGB (Haftung des Abschlussvertreters). . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 11 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der formularmäßigen Mithaftung, § 309 Nr. 11a BGB . . . . bb) Abbedingung des § 179 BGB, § 309 Nr. 11b BGB . . . . . . . . . . . . . . . .

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b) Bedeutung des § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . 12. § 309 Nr. 12 BGB (Beweislast) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12a BGB. . . . . . . . . . bb) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12b BGB . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 12 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. § 309 Nr. 13 BGB (Form von Anzeigen und Erklärungen) . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 13 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 13 BGB im Arbeitsrecht. . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 13 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einführung 1 § 309 BGB entspricht im Wesentlichen dem ehemaligen § 11 AGBG. Abgesehen von einigen sprachlichen Änderungen, die auf die Schuldrechtsreform zurückzuführen sind, wurde allerdings auch der Einleitungssatz geändert. Durch den Hinweis, „auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist“, wurde klargestellt, dass die Kontrolle nach § 309 BGB nur dort eingreift, wo das Gesetz die privatautonome Gestaltung grundsätzlich zulässt.1 Wurmnest2 hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Hinweis in § 309 BGB

1 BT-Drucks. 14/6040, S. 154 f. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Rz. 1.

440 Schlewing

Einführung

§ 309

deplaziert ist, da er nicht nur für § 309 BGB, sondern ebenso für §§ 307 und 308 BGB gilt. § 309 BGB ergänzt den Katalog des § 308 BGB um eine Reihe typischer 2 Klauseln, die wegen ihrer besonders benachteiligenden Wirkung für den Vertragspartner des Verwenders „ohne Wertungsmöglichkeit“ unwirksam sind.1 Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass im Rahmen des § 309 BGB auf Wertungen völlig verzichtet werden könnte.2 § 309 BGB enthält zwar – anders als die in § 308 aufgeführten „Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit“ – grundsätzlich keine unbestimmten Rechtsbegriffe, die Raum für eine richterliche Wertung lassen. Dieser Grundsatz wird jedoch in der Regelung selbst mehrfach durchbrochen, wie die Begriffe „wesentlich“ in Nr. 5b, „erforderlich“ in Nr. 8b cc und „unverhältnismäßig“ in Nr. 8b dd belegen.3 Richterliche Wertungen sind zudem unumgänglich, soweit es um die Konkretisierung der einzelnen Klauselverbote im Wege der Auslegung geht. Damit geht der Zweck des § 309 BGB dahin, richterliche Wertentscheidungen bei seiner Auslegung und Anwendung so weit wie möglich entbehrlich zu machen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur unzulässig, die Spezialtat- 3 bestände des § 309 BGB „mittels einer Interessenabwägung einzuschränken, obwohl im Bereich dieser Vorschrift eine Wertungsmöglichkeit nicht eröffnet ist“.4 Zugleich darf einer Klausel, die wegen Verstoßes gegen § 309 BGB unwirksam ist, nicht über eine Prüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Wirksamkeit verholfen werden. Folgt die Unwirksamkeit einer Klausel bereits aus einem speziellen Klauselverbot des § 309 BGB, findet § 307 BGB keine Anwendung mehr.5 Eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB kommt jedoch dort in Betracht, wo die besonderen Klauselverbote des § 309 BGB nicht eingreifen. Da § 309 BGB – ebenso wie § 308 BGB – keinen abschließenden Charakter hat, behält die Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch gegenüber dieser Bestimmung die Funktion einer Auffangvorschrift.6 Der Rückgriff auf den Auffangtatbestand hat allerdings im Lichte des § 309 BGB zu erfolgen; er darf nicht dazu führen, dass die in den 1 2 3 4

MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Rz. 1. WLP/Dammann, Vor §§ 308, 309 Rz. 4. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Rz. 2. BGH 8.7.1998 – VIII ZR 1/98 – NJW 1998, 3119 zu § 11 Nr. 3 AGBG, der Vorgängerbestimmung zu § 309 Nr. 3 BGB. 5 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8; Erman/Roloff, Vor §§ 307–309 Rz. 2. 6 UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8.

Schlewing 441

§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Klauselverboten des § 309 BGB enthaltenen Wertungen konterkariert werden.1 Eine Klausel in AGB, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit dem in Betracht kommenden Einzelverbot aber nicht kollidiert, kann deshalb nur aus besonderen, vom Einzelverbot nicht erfassten Gründen nach § 307 BGB unwirksam sein.2 II. Praktische Bedeutung des § 309 BGB für das Arbeitsrecht 4 Ein Blick in den Katalog des § 309 BGB zeigt, dass die meisten Klauselverbote auf Kauf- und Werkverträge ausgerichtet sind.3 Dennoch sollte die praktische Bedeutung der Bestimmung für arbeitsvertragliche Abreden keinesfalls unterschätzt werden. So betreffen insbesondere das Aufrechnungsverbot (§ 309 Nr. 3 BGB), die Schadenspauschalierungen (§ 309 Nr. 5), die Vertragsstrafenabreden (§ 309 Nr. 6), der Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7) und schließlich die Beweislaständerungen und Formerfordernisse (§ 309 Nr. 12 und Nr. 13) das gesamte Vertragsrecht und haben nicht nur Relevanz für bestimmte Vertragstypen. III. Vorrang der Auslegung vor der Inhaltskontrolle 5 Ob vorformulierte Vertragsbedingungen den in § 309 BGB aufgeführten Klauselverboten unterfallen, kann erst beurteilt werden, wenn der Inhalt der Bestimmungen geklärt ist. Aus diesem Grund hat der Kontrolle nach § 309 BGB – ebenso wie der Kontrolle nach den §§ 307 und 308 BGB – eine sorgfältige Auslegung vorauszugehen. Die Auslegung bestimmt den Prüfungsgegenstand der Inhaltskontrolle4 und entscheidet damit maßgeblich mit über „Wohl“ und „Wehe“ einer Klausel.5 6 Daran ändert die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nichts. Nach dieser Bestimmung gehen Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders. Zwar bedeutet dies nach herrschender Meinung, dass in einem ersten Schritt unter verschiedenen Auslegungsvarianten die kundenfeindlichste, also diejenige zugrunde zu legen ist, die einer Rechtskontrolle nicht standhält, etwa weil sie gegen §§ 307–309 BGB verstößt und 1 2 3 4 5

UBH/Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 9. BGH 4.12.1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 95. So ausdrücklich WLP/Lindacher, § 305c Rz. 102. Vgl. hierzu Schlewing, NZA, Beilage 2/2012, 33 (34).

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Vorrang der Auslegung

§ 309

sich erst in einem zweiten Schritt, wenn nämlich keine der möglichen Auslegungsvarianten der Rechtskontrolle zum Opfer gefallen ist, diejenige Variante durchsetzt, die den „Kunden“ am meisten begünstigt.1 Allerdings stellt § 305c Abs. 2 BGB den Vorrang der Auslegung nicht in Abrede. Die Unklarheitenregel ist kein „Instrument“, das bereits dann zur Anwendung kommt, wenn der Vertragswortlaut nicht eindeutig ist oder sich die Auslegung schwierig gestaltet.2 § 305c Abs. 2 BGB enthält keine Auslegungsmethode, sondern eine subsidiäre Entscheidungsregel.3 Diese Entscheidungsregel kommt erst dann zur Anwendung, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt,4 was wiederum voraussetzt, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen.5 Damit kann auf die Unklarheitenregel erst dann zurückgegriffen werden, wenn die Auslegung abgeschlossen ist. Der Vorrang der Auslegung ist auch bei global gefassten Klauseln, also 7 bei solchen Klauseln zu beachten, die ihrem Wortlaut nach auch Fallgestaltungen erfassen, deren formularmäßige Regelung nach § 309 BGB unwirksam wäre. Hier sind insb. Ausschlussklauseln zu erwähnen, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden.6 Sind derartige Bestimmungen sprachlich nicht teilbar, was bei generell gefassten Vertragsklauseln die Regel ist, könnte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen eines der Klauselverbote des § 309 BGB die (Total)Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung zur Folge haben. Zwar ist die Prävention eines der

1 Vgl. BAG 12.12.2006 – 3 AZR 388/05 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67; st. Rspr. des BGH, vgl. BGH 29.4.2008 – KZR 2/07 – NJW 2008, 2172; BGH 9.6.2009 – VIII ZR 284/09 – NJW 2010, 2877; BGH 16.6.2009 – XI ZR 145/08 – NJW 2009, 3422; BGH 23.9.2009 – VIII ZR 344/08 – NJW 2009, 3716; BGH 14.7.2010 – VIII ZR 246/08 – NJW 2011, 50; MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rz. 35 m.w.N.; UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 64. 2 Schlewing, FS Höfer (2011), S. 246. 3 UBH/Ulmer/Schäfer, § 305c Rz. 61 sprechen von „Entscheidungshilfe“. 4 Vgl. BAG 29.4.2008 – 3 AZR 266/06 – NZA 2008, 1417; BAG 2.7.2009 – 3 AZR 501/07 – NZA-RR 2010, 205; BAG 18.5.2010 – 3 AZR 373/08 – NZA 2010, 935. 5 Vgl. BAG 23.2.2011 – 10 AZR 101/10 – AP BGB § 305c Nr. 15. 6 Vgl. dazu BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

grundlegenden Ziele des AGB-Kontrollrechts,1 der Klauselverwender soll dazu anzuhalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren, der Rechtsverkehr soll von unangemessenen AGB freigehalten werden; auch würde dieser Zweck durch eine Nichtigkeit der gesamten Bestimmung unzweifelhaft erreicht.2 Allerdings ist die Lösung über die Totalnichtigkeit dann nicht überzeugend, wenn die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit der gesamten Klausel auslöst, eine Ausnahmesituation beschreibt, die von den Parteien nicht bedacht oder nicht für regelungsbedürftig gehalten wurde. Hier drängt sich die Frage auf, ob man nicht über das Ziel der AGB-Kontrolle hinausschießt, wenn man bei der Auslegung nach dem Wortlaut halt macht und vom Klauselverwender verlangt, dass er jede denkbare Ausnahmesituation in der Weise berücksichtigt, dass er sie ausdrücklich aus der Bestimmung herausnimmt. Der Informationsgewinn für den Ausnahmefall würde mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesamtklauselwerks u.U. sehr teuer erkauft,3 der Zugewinn an materieller Transparenz würde zu einer deutlichen Einbuße an formeller Transparenz führen.4 Vor diesem Hintergrund hat der BGH in einer Reihe von Entscheidungen erkannt, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer globalen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der erkennbar nicht bedacht wurde oder, so klingt es in einer anderen Entscheidung an, in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst.5 1 St. Rspr. des BGH seit der grundlegenden Entscheidung vom 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – NJW 1982, 2309; vgl. auch BGH 25.1.2006 – VIII ZR 3/05 – NJW 2006, 1059. Dem hat sich das BAG angeschlossen, vgl. grundlegend BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NZA 2006, 149; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, 1042; BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 809; BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666. 2 Vgl. WLP/Lindacher, § 305c Rz. 120. 3 Vgl. WLP/Lindacher, § 305c Rz. 120. 4 Vgl. WLP/Lindacher, § 305c Rz. 120. 5 Vgl. BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506; BGH 9.7.1991 – XI ZR 72/90 – WM 1991, 1452; BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91 – WM 1992, 395; BGH 20.10.1992 – X ZR 74/91 – NJW 1993, 657; BGH 10.2.1993 – XII ZR 74/91 – NJW 1993, 1133; BGH 10.5.1994 – XI ZR 65/93 – NJW 1994, 1798; BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056; BGH 17.2.2011 – III ZR 35/10

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Besonderheiten des Arbeitsrechts

§ 309

Auch ein großer Teil des Schrifttums befürwortet für diese Ausnahmefälle eine einschränkende Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne.1 IV. Besonderheiten des Arbeitsrechts Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die Bestimmungen des Abschnitts 8 2 des Buches 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, also die §§ 305 ff. BGB, keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Dabei zählen zu diesen im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach inzwischen als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des BAG mit guten Gründen nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens.2 Gefordert ist nämlich die Beachtung aller dem Arbeitsverhältnis innewohnenden Besonderheiten. Im Übrigen ist eine Abgrenzung der rechtlichen von den tatsächlichen Umständen häufig nicht möglich; sie wäre vor dem Hintergrund, dass zwischen den rechtlichen und tatsächlichen Umständen regelmäßig nur ein schmaler Grad liegt, auch wenig sinnvoll.3 Im Schrifttum umstritten ist, ob und in welchem Umfang die im Ar- 9 beitsrecht geltenden Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB auch beim Klauselverbot „ohne Wertungsmöglichkeit“ nach § 309 BGB zu berücksichtigen sind.4 Das BAG vertritt seit der grundlegenden Entscheidung des 8. Senats vom 4.3.20045 in ständiger Rechtspre-

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– NJW 2011, 2122; BGH 9.6.2011 – III ZR 157/10 – WM 2011, 1678; so auch BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738. Vgl. WLP/Lindacher, § 305c Rz. 120; MünchKommBGB/Basedow, § 306 Rz. 15, 16; Palandt/Grüneberg, § 306 Rz. 9; UBH/Schmidt, § 306 Rz. 15a. So ausdrücklich BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 11.4.2006 – 9 AZR 557/05 – NZA 2006, 1149; BAG 13.3.2007 – 9 AZR 433/06 – AP BGB § 307 Nr. 26; BAG 14.8.2007 – 9 AZR 18/07 – NZA 2008, 1194; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – NZA 2009, 666; BAG 29.9.2010 – 3 AZR 557/08 – NZA 2011, 206. So UBH/Fuchs, § 310 Rz. 173; vgl. auch Morgenroth/Leder, NJW 2004, 2797 ff. Vgl. Nachweise bei UBH/Fuchs, § 310 Rz. 171 ff. und bei BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; in dieser Entscheidung hatte der 8. Senat es noch ausdrücklich offengelassen, ob gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nur rechtliche, oder auch tatsächliche Besonderheiten Berücksichtigung finden. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

chung1 die Auffassung, dass auch bei der Inhaltskontrolle nach § 309 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen Berücksichtigung finden. Dem steht der Wortlaut der Überschrift „ohne Wertungsmöglichkeit“ bereits deshalb nicht entgegen, weil auch § 309 BGB, wie die Begriffe „wesentlich“ in Nr. 5b, „erforderlich“ in Nr. 8b cc und „unverhältnismäßig“ in Nr. 8b dd belegen,2 unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und richterliche Wertungen zudem insoweit erforderlich sind, als es um die Konkretisierung der einzelnen Klauselverbote im Wege der Auslegung geht (vgl. Erl. Rz. 2). Dass § 309 BGB einen Rückgriff auf § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht sperrt, folgt im Übrigen nicht nur aus dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, wonach der gesamte Abschnitt 2 des Buches 2 des BGB, mithin auch § 309 BGB in Bezug genommen wird, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte. Die Bundesregierung, auf deren Intervention hin – entgegen der ursprünglichen Absicht – die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht aufgegeben wurde, hat in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts3 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen“ sollen. „Vielmehr sollen“ gerade „hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können“. Damit kann die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten dazu führen, dass ein Klauselverbot des § 309 BGB überhaupt nicht zur Anwendung kommt.4 V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB 1. § 309 Nr. 1 BGB (Kurzfristige Preiserhöhungen) 10 Nach § 309 Nr. 1 BGB ist in AGB unwirksam eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden. 1 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 519; BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6; BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49; BAG 23.10.2010 – 8 AZR 897/08 – NZA 2011, 89. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Rz. 2. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 4 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 182.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 1 BGB § 309 Nr. 1 BGB untersagt Klauseln, mit denen sich der Verwender die 11 Möglichkeit einer Erhöhung des vom Vertragspartner zu bezahlenden Entgelts vorbehält. Diese Regelung dient auf der einen Seite dem Schutz des Kunden; dieser soll Klarheit über den von ihm zu zahlenden Preis haben und vor für ihn nicht absehbaren Preissteigerungen bewahrt werden.1 Auf der anderen Seite werden auch die Interessen der Allgemeinheit geschützt, indem die Möglichkeit eines Preisvergleichs im Markt als Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb gesichert wird.2 § 309 Nr. 1 BGG greift nur bei kurzfristig abzuwickelnden Verträgen ein. Es muss sich um Verträge handeln, bei denen die vertragliche Hauptleistung, für die das Entgelt zu zahlen ist, innerhalb von vier Monaten zu erbringen ist. Abzustellen ist hier nur auf den Zeitpunkt, bis zu dem der Verwender seine Leistung spätestens zu erbringen hat; darauf, wann tatsächlich geleistet wurde, kommt es demgegenüber nicht an. Aus diesem Grund bleibt § 309 Nr. 1 BGB anwendbar, wenn die Lieferung erst nach Ablauf von vier Monaten erfolgt, aber früher geschuldet war.3 Ausgenommen vom Verbot des § 309 Nr. 1 BGB sind alle Dauerschuldverhältnisse. Hierzu zählen in erster Linie regelmäßig4 Miet-, Pacht- und Versicherungsverträge sowie Dienst- und Darlehensverträge und – selbstverständlich – Arbeitsverhältnisse. Aber auch Wiederkehrschuldverhältnisse sowie alle Bezugs- und Sukzessivlieferungsverträge sind Dauerschuldverhältnisse i.S.d. § 309 Nr. 1 BGB.5 Mit der Beschränkung des Klauselverbots auf kurzfristig abzuwickelnde Verträge und dem Ausschluss der Dauerschuldverhältnisse hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass der Verwender bei längerfristigen Vertragsbeziehungen ein berechtigtes Interesse an einer Preisanpassung wegen zwischenzeitlich (erheblich) gestiegener Kosten haben kann.6

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UBH/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rz. 1. UBH/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rz. 1 m.w.N. Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Rz. 12. Miet- und Versicherungsverträge werden jedoch von § 309 Nr. 1 BGB erfasst, wenn sie auf eine Abwicklung in kurzer Zeit angelegt sind, vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 6. 5 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rz. 26. 6 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rz. 1.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

b) Bedeutung des § 309 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht 12 Auf Arbeitsverträge findet § 309 Nr. 1 BGB schon deshalb keine Anwendung, da im Arbeitsverhältnis der Verwender, also der Arbeitgeber zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist. 13 Neben dem Arbeitsvertrag können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch weitere Verträge bestehen (sog. Parallelverträge1), die der Kontrolle nach § 309 Nr. 1 BGB unterliegen. § 309 Nr. 1 BGB kann vor allen Dingen Bedeutung haben bei Einkäufen mit Personalrabatt und den sog. Jahreswagen.2 Kauft also der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber gegen Gewährung eines Personalrabatts ein, so darf sich der Arbeitgeber eine Erhöhung des zu zahlenden Entgelts dann nicht vorbehalten, wenn die Lieferung innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss erfolgen soll. Unerheblich ist dabei, ob die Klausel eine Preiserhöhung in der Gestalt eines geringeren Rabatts oder vorsieht, dass eine Preiserhöhung bei Veränderung bestimmter Rahmenbedingungen oder Referenzwerte automatisch eintritt.3 Indirekte Verteuerungen, etwa durch den Vorbehalt, bei gleich bleibenden Preisen eine geringere Leistung als ursprünglich vereinbart zu erbringen, fallen hingegen nicht unter § 309 Nr. 1 BGB, sondern unter § 308 Nr. 4 BGB. Verträge, die auf der einen Seite zwar keine Dauerschuldverhältnisse begründen, auf der anderen Seite jedoch keine Erfüllung innerhalb von vier Monaten, sondern eine längerfristige Abwicklung vorsehen, werden vom absoluten Klauselverbot des § 309 Nr. 1 BGB nicht erfasst, sondern unterliegen einer Kontrolle nach § 307 BGB. Hierbei sind die Wertungen des § 309 Nr. 1 BGB zu beachten (s. Erl. Rz. 3). c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 1 BGB 14 Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 1 BGB, so führt dies zu ihrem Wegfall unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Gemäß § 306 Abs. 2 BGB greift sodann der Grundsatz „pacta sunt servanda“ ein. Damit wird der ursprünglich vereinbarte Preis bzw. der für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbare Preis geschuldet. Vor diesem Hintergrund ist für eine ergänzende Vertragsauslegung von vornherein kein Raum.

1 So die Bezeichnung von DBD/Däubler, s. beispielsweise § 309 Nr. 5 Rz. 11. 2 DBD/Däubler, § 309 Nr. 1 Rz. 2. 3 DBD/Däubler, § 309 Nr. 1 Rz. 2; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 1 Rz. 12; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 1 Rz. 19.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

2. § 309 Nr. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrechte) Nach § 309 Nr. 2 BGB ist in AGB eine Bestimmung unwirksam, durch die a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird.

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 2 BGB § 309 Nr. 2 BGB verbietet den Ausschluss und die Einschränkung der 16 Leistungsverweigerungsrechte nach den §§ 320, 273 BGB in AGB. Für das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gilt dies allerdings nur insoweit, als dieses „auf demselben Vertragsverhältnis“ beruht. Der Begriff „desselben Vertragsverhältnisses“ in § 309 Nr. 2 BGB ist enger als der Begriff „desselben Rechtsverhältnisses“ i.S.d. § 273 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt „dasselbe Rechtsverhältnis“ i.S.d. § 273 BGB lediglich Konnexität voraus und ist bereits dann zu bejahen, wenn beiden Forderungen ein inhaltlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt, wofür ein solcher natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang genügt, dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht werden könnte.1 Damit werden frühere und laufende Geschäfte aus laufender Geschäftsverbindung zwar von § 273 BGB, nicht jedoch von § 309 Nr. 2b BGB erfasst. Ausweislich der Gesetzesbegründung erschien es dem Gesetzgeber überzogen, den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des § 273 BGB in AGB generell zu verbieten.2 § 309 Nr. 2 BGB trägt dem Grundgedanken Rechnung, dass eine Leistung regelmäßig um der Gegenleistung willen erbracht wird3 und sichert so den Standard des dispositiven Rechts.4 Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob eine Klausel wirksam ist, wenn der Vertragspartner des Verwenders sich bereits nach den allgemeinen Regeln, insbesondere

1 BGH 27.9.1984 – IX ZR 53/83 – NJW 1985, 189; BGH 3.7.1991 – VIII ZR 190/90 – NJW 1991, 2645; BGH 3.7.1997 – IX ZR 244/96 – NJW 1997, 2944. 2 BT-Drucks. 7/3919, S. 28 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 830; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 2 Rz. 9. 3 Vgl. UBH/Schäfer, § 309 Nr. 2 Rz. 1. 4 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 102; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 2 Rz. 9.

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nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf das Leistungsverweigerungsrecht i.S.d. § 309 Nr. 2 BGB nicht berufen kann.1 b) Bedeutung des § 309 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht 17 Da der Arbeitnehmer nach § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist, ist § 309 Nr. 2a BGB regelmäßig nicht einschlägig. Von großer praktischer Bedeutung ist hingegen § 309 Nr. 2b BGB, wonach ein dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zustehendes Zurückbehaltungsrecht in AGB nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern auch nicht eingeschränkt werden darf. Dabei ist von einer Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts immer dann auszugehen, wenn die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird oder das Zurückbehaltungsrecht sich nur auf bestimmte Ansprüche beziehen soll. 18 Ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nach § 273 Abs. 1 BGB kann einem Arbeitnehmer insbesondere zustehen, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt.2 Dies kann während des laufenden Arbeitsverhältnisses, aber auch nach dessen Beendigung im Rahmen der Abwicklung der Fall sein. 19 So hat der Arbeitnehmer nach § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht nicht erfüllt.3 Allerdings muss der Arbeitnehmer dieses Zurückbehaltungsrecht gemäß § 242 BGB unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Verhältnismäßigkeit ausüben.4 Deshalb darf er u.a. die Arbeit nicht verweigern, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig geringfügig ist, nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist, wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen kann oder wenn der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist.5 Ebenso kann der Arbeitnehmer berechtigt sein, seine Arbeitsleistung zu verweigern, wenn der Arbeitgeber seine vertraglich geschuldete Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dadurch 1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 102; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 2 Rz. 9. 2 BAG 13.3.2008 – 2 AZR 88/07 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87. 3 BAG 25.10.2007 – 8 AZR 917/06 – NZA-RR 2008, 367; BAG 9.5.1996 – 2 AZR 387/95 – NZA 1996, 1085; BAG 25.10.1984 – 2 AZR 417/83 – NZA 1985, 355. 4 Vgl. BAG 26.9.2007 – 5 AZR 870/06 – NZA 2008, 1063. 5 BAG 25.10.1984 – 2 AZR 417/83 – NZA 1985, 355.

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verletzt, dass er oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist.1 Allerdings gilt auch hier, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden darf.2 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers kann auch im Zusam- 20 menhang mit der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses nach dessen Beendigung oder während des Laufs der Kündigungsfrist in Betracht kommen. Praktisch bedeutsam sind hier die Fälle, dass der Arbeitnehmer die Herausgabe ihm vom Arbeitgeber überlassener Gegenstände, wie beispielsweise Unterlagen, Dienstwagen,3 Handy oder Laptop verweigert.4 Hier ist vor der Kontrolle der Klausel nach § 309 Nr. 2b BGB stets sorgfältig zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht überhaupt zusteht.5 Nicht unter § 309 Nr. 2 BGB fallen hingegen Konstellationen, in denen 21 der Arbeitgeber ohne die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats einseitig eine Maßnahme, beispielsweise eine Versetzung, durchführt oder dem Arbeitnehmer eine Stelle unter Überschreitung seines Direktionsrechts zuweist.6 Zwar ist die Maßnahme in einem solchen Fall gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam mit der Folge, dass er der Weisung oder Versetzung nicht nachkommen muss.7 Ebenso hat der Arbeitnehmer das Recht, die unter Überschreitung des Direktionsrechts ihm zugewiesene Arbeit zu verweigern. Das Zurückbehaltungsrecht i.S.d. § 309 Nr. 2 BGB setzt – wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB – jedoch voraus, dass sich – wie bei der Aufrechnung – zwei Forderungen gegenüberstehen: die Forderung des Gläubigers (Arbeitgebers) gegen den Schuldner (Arbeitnehmer), der gegenüber das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, und die Forderung des Schuldners (Arbeitnehmers) gegen den Gläubiger (Arbeitgeber), auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird.8 Hieran fehlt es in den zuvor beschriebenen Fällen. Hier ist das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers nicht Folge einer eige1 Vgl. BAG 19.2.1997 – 5 AZR 982/94 – NZA 1997, 821; vgl. auch BAG 8.5.1996 – 5 AZR 315/95 – NZA 1997, 86; BAG 2.2.1994 – 5 AZR 273/92 – NZA 1994, 610. 2 BAG 13.3.2008 – 2 AZR 88/07 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87. 3 Vgl. hierzu BAG 24.4.1970 – 3 AZR 324/69 – DB 1970, 1645. 4 Vgl. hierzu DBD/Däubler, § 309 Nr. 2 Rz. 7. 5 Vgl. hierzu BAG 25.2.2009 – 7 AZR 954/07. 6 A.A. wohl DBD/Däubler, § 309 Nr. 2 Rz. 6. 7 Vgl. BAG 5.4.2001 – 2 AZR 580/99 – NZA 2001, 893. 8 Vgl. Palandt/Krüger, § 273 Rz. 6.

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nen Forderung des Arbeitnehmers, sondern ergibt sich vielmehr daraus, dass bereits die Maßnahme des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam ist. Eine Klausel, die ein solches Leistungsverweigerungsrecht ausschließt oder einschränkt, ist deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 2 BGB, sondern allein am Maßstab des § 307 BGB zu messen. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB 22 Ist eine Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB unwirksam, so führt dies zu ihrem Wegfall unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Sodann kommen entsprechend dem Zweck des § 309 Nr. 2 BGB, den Standard des dispositiven Rechts zu sichern, gemäß § 306 Abs. 2 BGB die §§ 320, 273 BGB zur Anwendung.1 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt wegen ihrer Subsidiarität gegenüber der Lückenfüllung nach § 306 Abs. 2 BGB nicht in Betracht (vgl. dazu Erl. zu § 306 Rz. 55 und 56). 23–26 Einstweilen frei. 3. § 309 Nr. 3 BGB (Aufrechnungsverbot) 27 Nach § 309 Nr. 3 BGB ist in AGB eine Bestimmung unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 3 BGB 28 Nach § 389 BGB bewirkt die unter den Voraussetzungen des § 387 BGB erklärte Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erlöschen, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Damit hat die Aufrechnung eine doppelte Funktion:2 Sie bewirkt die Tilgung der Hauptforderung und ist Erfüllungssurrogat.3 Sie gibt dem Schuldner aber auch die Möglichkeit, seine Gegenforderung im Wege der Selbsthilfe ohne das Risiko eines von ihm zu führenden Aktivprozesses durchzusetzen und ermöglicht einen der Zwangsvollstreckung ähnlichen Zugriff auf die Hauptforderung.

1 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 839. 2 Palandt/Grüneberg, § 387 Rz. 1; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 844. 3 Vgl. auch UBH/Schäfer, § 309 Nr. 3 Rz. 1.

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Insoweit dient sie der Befriedigung der Gegenforderung.1 Diese Funktion der Aufrechnung ist vor allem in der finanziellen Krise des Aufrechnungsgegners von Bedeutung.2 Hier vermeidet die Aufrechnung nicht nur einen vom Vertragspartner des Verwenders andernfalls zu führenden Aktivprozess, sondern zudem, dass der Aufrechnende ggf. etwas leisten müsste, wegen absehbarer Insolvenz seines Vertragspartners aber seinerseits leer ausgehen würde.3 Nach § 309 Nr. 3 BGB ist nicht jeglicher Ausschluss der Aufrechnung in 29 AGB unwirksam; nur die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen kann formularmäßig nicht ausgeschlossen werden. Unbestritten sind Forderungen, die nach Grund und Höhe außer Streit stehen, der Schlüssigkeit der Forderung darf kein erhebliches Gegenvorbringen mehr entgegenstehen. Dabei stellt der BGH hohe Anforderungen an das Gegenvorbringen des Verwenders. Will sich der Verwender gegen die Aufrechnung erfolgreich verteidigen, so muss er die zur Aufrechnung gestellte Forderung seinerseits durch substantiierte Einwendungen bestreiten.4 Rechtskräftig festgestellt ist eine Forderung, wenn ein entsprechender Titel in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen ist (§§ 704, 794 ZPO). Da eine rechtskräftig festgestellte Forderung nicht mehr rechtswirksam bestritten werden kann, ist sie nichts anderes als ein Unterfall der unbestrittenen Forderung.5 Über seinen Wortlaut hinaus findet § 309 Nr. 3 BGB aber auch Anwendung auf entscheidungsreife Forderungen,6 d.h. auf solche Forderungen, die im Rechtsstreit ohne Beweisaufnahme zugesprochen werden können. Eine in diesem Sinne entscheidungsreife und begründete Gegenforderung muss als unbestritten gelten. Das Klauselverbot in § 309 Nr. 3 BGB wurzelt in dem Grundverständnis 30 von Treu und Glauben.7 Ein Ausschluss der Aufrechnung mit Forderun-

1 2 3 4 5 6

So BGH 16.8.2007 – IX ZR 63/06 – ZIP 2007, 1717. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 844. DBD/Däubler, § 309 Nr. 3 Rz. 1. BGH 26.1.1984 – VIII ZR 217/83 – NJW 1985, 1556. BGH 18.4.1989 – X ZR 31/88 – NJW 1989, 3215. BGH 17.2.1986 – II ZR 285/84 – NJW 1986, 1757; 18.6.2002 – XI ZR 160/01 – NJW 2002, 2779; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 3 Rz. 7; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 17; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 3 Rz. 4; WLP/Dammann, § 309 Nr. 3 Rz. 33. 7 So BGH 16.1.2003 – IX ZR 171/00 – NJW 2003, 1521 zur Vorgängervorschrift des § 309 Nr. 3 BGB, § 11 Nr. 3 AGBG.

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gen i.S.d. § 309 Nr. 3 BGB wäre rechtsmissbräuchlich1 und stellt vor diesem Hintergrund eine unangemessene Benachteiligung dar. b) Bedeutung des § 309 Nr. 3 BGB im Arbeitsrecht 31 Das an den Verwender gerichtete Klauselverbot des § 309 Nr. 3 BGB, dem Vertragspartner die Befugnis zu nehmen, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftigen Forderung aufzurechnen, gilt auch im Arbeitsrecht. Zwar sind bei der Anwendung des § 309 BGB gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; im Hinblick auf § 309 Nr. 3 BGB sind indes keine Besonderheiten des Arbeitsrechts erkennbar, die zu einer von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Anwendung dieser Bestimmung führen könnten.2 32 Im laufenden Arbeitsverhältnis kann sich unter unterschiedlichsten Aspekten eine Aufrechnungslage ergeben. So kann insbesondere dem auf Zahlung gerichteten Anspruch des Arbeitgebers (z.B. auf Schadensoder Aufwendungsersatz oder auf Rückzahlung überzahlter Vergütung oder von Aus- bzw. Fortbildungskosten) ein Entgeltzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüberstehen. Praktische Bedeutung hat § 309 Nr. 3 BGB vor allem in Verträgen mit Mitarbeitern, die zum Inkasso berechtigt sind.3 Mit dem Aufrechnungsausschluss soll diesen die Möglichkeit genommen werden, ihre noch ausstehenden Entgeltansprüche dadurch zu befriedigen, dass sie gegen den Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe der vereinbarten Summen aufrechnen. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 3 BGB 33 Wird die Aufrechnung in AGB in vollem Umfang ausgeschlossen, ohne die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung ausdrücklich auszunehmen, so führt dieser Verstoß gegen § 309 Nr. 3 BGB nicht nur zur Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung, sondern zur uneingeschränkten Zulässigkeit der Aufrechnung.4 Die Klausel entfällt insgesamt bei Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Eine derart global gefasste Klausel kann we1 UBH/Schäfer, § 309 Nr. 3 Rz. 3. 2 WLP/Dammann, § 309 Nr. 3 Rz. 65–69. 3 DBD/Däubler, § 309 Nr. 3 Rz. 2; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II A 110 Rz. 18; WLP/Dammann, § 309 Nr. 3 Rz. 86. 4 BGH 31.10.1985 – IX ZR 175/84 – NJW-RR 1986, 1281.

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der einschränkend dahin ausgelegt werden, dass sie die in § 309 Nr. 3 BGB angeführten Verbotstatbestände nicht erfasst. Dass ein global gefasster Aufrechnungsausschluss sich auch auf unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen erstreckt, ist keinesfalls eine nur fernliegende Möglichkeit.1 Die Klausel lässt sich zudem nicht in mehrere sprachlich und inhaltlich abtrennbare Teile teilen (zur Teilbarkeit von AGB s. Erl. zu § 306 BGB Rz. 19–37). Problematisch ist, wie Klauseln zu behandeln sind, die nur eine der in 34 § 309 Nr. 3 BGB genannten Varianten vom Aufrechnungsausschluss ausdrücklich ausnehmen. Der BGH hat mit Urteil vom 18.4.19892 entschieden, dass eine Bestimmung in AGB, die nach ihrem Wortlaut nur die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen zulässt, sinngemäß auch die Zulässigkeit der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen erfasst. Diese Entscheidung hat er damit begründet, dass rechtskräftig festgestellte Forderungen nur einen Unterfall der unbestrittenen Forderungen darstellen, weil sie mit präkludierten Einwendungen nicht mehr bestritten werden können. Für den anderen Fall, in dem die Klausel nur die rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt, kann jedoch nicht das gleiche gelten. Die ausdrückliche Ausnahme der rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss kann der Vertragspartner des Verwenders typischerweise nur so verstehen, er müsse seine Forderung – auch wenn sie unbestritten ist – erst noch titulieren lassen.3 Unschädlich ist es demgegenüber, wenn die Klausel nicht ausdrücklich die ent1 Zum Ausschluss fernliegender Auslegungsmöglichkeiten bei der Auslegung vgl. BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506; BGH 9.7.1991 – XI ZR 72/90 – WM 1991, 1452; BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91 – WM 1992, 395; BGH 20.10.1992 – X ZR 74/91 – NJW 1993, 657; BGH 10.2.1993 – XII ZR 74/91 – NJW 1993, 1133; BGH 10.5.1994 – XI ZR 65/93 – NJW 1994, 1798; BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056; BGH 17.2.2011 – III ZR 35/10 – NJW 2011, 2122; BGH 9.6.2011 – III ZR 157/10 – WM 2011, 1678; so auch BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738. 2 BGH 18.4.1989 – X ZR 31/88 – NJW 1989, 3215. 3 So auch UBH/Schäfer, § 309 Nr. 3 Rz. 11; a.A. BGH 27.1.1993 – XII ZR 141/91 – NJW-RR 1993, 519, wonach es sinnwidrig wäre anzunehmen, dass hinsichtlich unstreitiger Forderungen die Aufrechnung ausgeschlossen sein soll, da insoweit Einwendungen nicht nur durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung abgeschnitten sind, sondern gar nicht erhoben werden. Der Fall der unbestrittenen Forderungen werde daher sinngemäß mitumfasst; ebenso a.A. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 3 Rz. 8; Palandt/Grüneberg § 309 Rz. 18; WLP/Dammann, § 309 Nr. 3 Rz. 50.

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scheidungsreifen Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt. § 309 Nr. 3 BGB findet über seinen Wortlaut hinaus Anwendung auf entscheidungsreife Forderungen.1 Wenn der Verwender die Klausel aber in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut formuliert, so darf ihm daraus kein Nachteil erwachsen.2 Auf der anderen Seite muss ein wirksamer Aufrechnungsausschluss in AGB nicht notwendig dem Wortlaut des § 309 Nr. 3 BGB entsprechen und ausdrücklich unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnehmen. Es reicht vielmehr aus, wenn eine Fassung gewählt wird, wonach die Aufrechnung mit bestrittenen Forderungen unzulässig ist.3 Unwirksam ist jedoch eine Klausel, die zwar die rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt, zugleich aber bestimmt, dass die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen nur zulässig sein soll, wenn der Verwender zustimmt.4 35 Die Unwirksamkeit der Klausel hängt im Übrigen nicht davon ab, ob die Gegenforderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.5 Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener ABG, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen demnach auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfalle nicht realisiert hat.6 36–39 Einstweilen frei. 4. § 309 Nr. 4 BGB (Mahnung, Fristsetzung) 40 Mit § 309 Nr. 4 BGB hat der Gesetzgeber einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der vom BGB aufgestellten Ordnungsgrundsätze geleistet.7 Danach ist in AGB unwirksam eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen. 1 BGH 15.2.1978 – VIII ZR 242/76 – WM 1978, 620; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 3 Rz. 7; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 17; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 3 Rz. 4; WLP/Dammann, § 309 Nr. 3 Rz. 33. 2 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 853. 3 Vgl. BGH 18.4.1989 – X ZR 31/88 – NJW 1989, 3215. 4 BGH 27.6.2007 – XII ZR 54/05 – NJW 2007, 3421. 5 BGH 16.1.2003 – IX ZR 171/00 – NJW 2003, 1521. 6 Vgl. BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 876; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 4 Rz. 1.

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 4 BGB § 309 Nr. 4 BGB hat nicht nur Bedeutung für den Anspruch des Verwen- 41 ders auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach den §§ 280, 286 Abs. 1 BGB, sondern auch für seine Rechte aus §§ 280, 281, 321, 323 etc. BGB.1 Der Ersatz des Verzögerungsschadens setzt voraus, dass der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug geraten ist, § 280 Abs. 1 und 2 BGB. Nach § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner in Verzug, wenn er trotz Fälligkeit und grundsätzlich erforderlicher Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Nach den §§ 280, 281, 321 und 323 BGB kann der Verwender nur dann vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er seinem Vertragspartner die erforderliche Frist für die Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist, ohne dass der Vertragspartner geleistet hat. Von beiden Obliegenheiten, der Mahnung und der Fristsetzung, kann sich der Verwender nach § 309 Nr. 4 BGB nicht formularmäßig befreien. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 11 Nr. 4 AGBG2 sind Mahnung und Fristsetzung nicht nur „formalrechtlicher Natur, sondern dienen in besonderer Weise dem Schutz des Schuldners“. Dieser sei auch im Falle seiner Säumnis schutzbedürftig. Deshalb müsse er vor den Folgen der Säumnis ausdrücklich gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, diese Folgen durch Nachholen der geschuldeten Leistung abzuwenden. Damit dient § 309 Nr. 4 BGB in erster Linie dem Erhalt der Warnfunktion von Mahnung und Fristsetzung und bewahrt den Vertragspartner des Verwenders davor, dass er allein durch Fristablauf schadensersatz- und zinspflichtig wird.3 § 309 Nr. 4 BGB setzt nicht voraus, dass die Klausel den Verwender 42 ausdrücklich vom Erfordernis der Abmahnung oder Fristsetzung befreit.4 Die Freistellung kann auch konkludent5 bzw. verdeckt6 geschehen, indem der Verwender für sich eine Rechtsfolge in Anspruch nimmt, die nach dem Gesetz erst aufgrund Mahnung oder Fristsetzung eintritt.7 Deshalb verbietet § 309 Nr. 4 BGB z.B. auch sog. Verzugszins1 Neben §§ 280, 281, 321 und 323 BGB fallen auch die Fristsetzungen nach §§ 250 Satz 1, 637 Abs. 1 Satz 1, 651c Abs. 3 Satz 1 und 651e Abs. 2 Satz 1 unter § 309 Nr. 4 BGB, vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 876; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 4 Rz. 7; WLP/Dammann, § 309 Nr. 4 Rz. 20. 2 BT-Drucks. 7/3919, S. 29. 3 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 4 Rz. 2; WLP/Dammann, § 309 Nr. 4 Rz. 1. 4 BGH 26.1.1983 – VIII ZR 342/81 – NJW 1983, 1320. 5 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 4 Rz. 7. 6 UBH/Schäfer, § 309 Nr. 4 Rz. 8. 7 BGH 8.10.1987 – VII ZR 185/86 – NJW 1988, 258.

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klauseln, wonach der Vertragspartner des Verwenders bei bloßer Fristüberschreitung bankübliche Zinsen schuldet oder sich dazu verpflichtet, auch die Kosten des ersten Mahnschreibens zu tragen.1 Demgegenüber fallen nach Auffassung des BGH sog. Fälligkeitszinsklauseln nicht unter § 309 Nr. 4 BGB, sondern sind am Maßstab des § 307 BGB zu messen.2 b) Bedeutung des § 309 Nr. 4 BGB im Arbeitsrecht 43 § 309 Nr. 4 BGB ist auch im Arbeitsrecht uneingeschränkt anwendbar. Dem stehen im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten nicht entgegen. 44 Da die Arbeitspflicht Fixschuldcharakter hat und es vor diesem Hintergrund keiner Mahnung oder Fristsetzung durch den Arbeitgeber bedarf, kommt § 309 Nr. 4 BGB praktische Bedeutung vor allem in den Fällen zu, in denen der Arbeitnehmer etwas anderes als die Arbeitsleistung schuldet.3 Hier kommen Schadensersatz- und Herausgabeverpflichtungen des Arbeitnehmers in Betracht. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB 45 Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 4 BGB, so führt dies zu ihrem Wegfall und es verbleibt bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Mahnung und Fristsetzung erfordern. Die Folgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB sind demnach eindeutig. 46 Nicht so einfach zu beantworten ist demgegenüber, ob jede Freistellung vom Mahnungs- oder Fristsetzungserfordernis die o.g. Folgen zeitigt, also zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Die Anwendung des § 309 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass den Verwender eine gesetzliche Obliegenheit zur Mahnung oder Fristsetzung trifft. Ist dies nicht der Fall, weil Mahnung und/oder Fristsetzung im konkreten Fall aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung, z.B. nach §§ 286 Abs. 2, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 321 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. 323 Abs. 2 BGB entbehrlich sind, findet

1 BGH 11.12.1997 – IX ZR 46/97 – NJW 1998, 991; BGH 31.10.1984 – VIII ZR 226/83 – NJW 1985, 320. 2 BGH 11.12.1997 – IX ZR 46/97 – NJW 1998, 991. 3 DBD/Däubler, § 309 Nr. 4 Rz. 2. Unklar insoweit ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 4, der darauf hinweist, dass die praktische Bedeutung des § 309 Nr. 4 BGB für Entgeltforderungen des Arbeitnehmers gering sei. Dem Wortlaut des § 309 Nr. 4 BGB nach geht es indes nicht um die Mahnung und Fristsetzung durch den Arbeitnehmer, sondern um die durch den Arbeitgeber. Dieser darf sich nicht formularmäßig von seinen Obliegenheiten befreien.

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eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 4 BGB nicht statt.1 § 309 Nr. 4 BGB lässt eine gesetzliche Regelung, nach der Abmahnung und/ oder Fristsetzung ausnahmsweise nicht erforderlich sind, unberührt.2 Damit gibt eine Klausel, die den Verwender nur in den vom Gesetz genannten Fällen vom Erfordernis der Abmahnung oder Fristsetzung befreit, lediglich den Gesetzestext wieder und ist nicht gemäß § 309 Nr. 4 BGB zu beanstanden. Davon zu unterscheiden sind indes die Fälle, in denen eine Klausel, die Mahnung bzw. Fristsetzung für entbehrlich erklärt, auch solche Fälle zu erfassen geeignet ist, in denen Mahnung bzw. Fristsetzung nicht nach dem Gesetz entbehrlich sind.3 Das bedeutet, dass auch dann, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls Mahnung und/oder Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sind, eine zu weit gefasste – weil sich nicht nur auf diesen Fall beschränkende – Klausel gegen § 309 Nr. 4 BGB verstößt und unwirksam ist.4 Dasselbe gilt für eine Klausel, die die Ausnahmen vom Erfordernis von Abmahnung und Fristsetzung erweitert.5 Einstweilen frei.

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5. § 309 Nr. 5 BGB (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) Häufig anzutreffen sind in AGB Bestimmungen, durch die Schadens- 51 ersatzansprüche des Verwenders, die ihm im Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages durch seinen Vertragspartner zustehen, im Voraus auf eine bestimmte Höhe festgelegt werden, ohne dass es darauf ankommen soll, ob der Verwender die Entstehung eines konkreten Schadens nachweisen kann. Den Gefahren, die mit derartigen Klauseln verbunden sind, wirkt § 309 Nr. 5 BGB entgegen. Diese Regelung verbietet die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz der Wertminderung, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. § 309 1 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 4 Rz. 9. 2 Vgl. zur Entbehrlichkeit des Abmahnungserfordernisses: BGH 19.11.1991 – X ZR 28/90 – NJW 1992, 1628. 3 WLP/Dammann, § 309 Nr. 4 Rz. 12. 4 BGH 26.1.1983 – VIII ZR 342/81 – NJW 1983, 1320; UBH/Schäfer, § 309 Nr. 4 Rz. 10. 5 Vgl. BGH 15.2.1995 – VIII ZR 93/94 – NJW 1995, 1488.

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Nr. 5 BGB entspricht im Wesentlichen der Vorgängerregelung in § 11 Nr. 5 AGBG, verschärft jedoch im Hinblick auf Buchst. b) die Anforderungen an eine wirksame Klausel insoweit, als dem anderen Teil, also dem Vertragspartner des Verwenders „ausdrücklich“ der Nachweis gestattet sein muss, das Fehlen des Schadens/der Wertminderung oder das Vorliegen eines geringeren Schadens/einer geringeren Wertminderung nachzuweisen.1 a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 5 BGB 52 § 309 Nr. 5 BGB will Schadens- und Wertminderungspauschalierungen nicht generell verbieten, sondern insoweit zulassen, als dafür ein berechtigtes Bedürfnis besteht. § 309 Nr. 5 BGB berücksichtigt zum einen, dass die Pauschalierung derartiger Ansprüche einem praktischen Bedürfnis nach vereinfachter und Kosten sparender Durchsetzung dient, trägt auf der anderen Seite aber zugleich dem Umstand Rechnung, dass Schadens- und Wertminderungspauschalierungen für den Schuldner die Gefahr bergen, dass dieser in Bezug auf den tatsächlich eingetretenen Schaden bzw. die tatsächlich eingetretene Wertminderung unverhältnismäßig in Anspruch genommen wird und setzt deshalb der Pauschalierung in zweierlei Hinsicht Grenzen:2 Zum einen darf die Pauschale nicht generell überhöht sein, zum anderen soll dem Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit des Beweises erhalten bleiben, dass in seinem Fall ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden ist oder wesentlich niedriger ist als die Pauschale.3 Ausweislich der Gesetzesbegründung4 lehnt sich die Bindung der Pauschalierung an den gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Möglichkeit des Gegenbeweises an die Regelung des § 252 Satz 2 BGB an.5 53 § 309 Nr. 5 BGB erfasst nur solche Klauseln, die Ansprüche auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung regeln. Dabei führt nicht bereits die ausdrückliche Bezeichnung als Schadens- oder Wertminderungsersatz zur Anwendung der Bestimmung. Vielmehr ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die Ansprüche tatsächlich auf Schadensersatz oder Wertminderung gerichtet sind oder ob die Klausel – entgegen

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DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 1. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 29 f. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 30. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 30. WLP/Dammann, § 309 Nr. 5 Rz. 2.

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ihrem ausdrücklichen Wortlaut – auf den Ersatz anderer Ansprüche abzielt.1 aa) Pauschalierung von Schadensersatz- und Wertminderungsansprüchen Unter § 309 Nr. 5 BGB fallen Schadensersatzansprüche aller Art, insb. die aus den §§ 280 und 281 BGB, nicht aber Klauseln, mit denen eine Pauschalierung der gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugebenden Nutzungen begründet werden soll.2 Hier kommt vielmehr § 308 Nr. 7 BGB zur Anwendung. Auf die Rückabwicklung in Folge einer Kündigung oder eines Rücktritts ist deshalb § 308 Nr. 7 BGB anwendbar. Soweit der Rücktritt oder die Kündigung eine Schadensersatzpflicht begründet, gilt hingegen § 309 Nr. 5 BGB.3

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Seinem Wortlaut nach erfasst § 309 Nr. 5 BGB sowohl im Gesetz vor- 55 gesehene als auch von den Parteien neu geschaffene Ansprüche auf Schadensersatz. Damit findet § 309 Nr. 5 BGB nicht nur Anwendung auf Klauseln, die einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch lediglich im Hinblick auf seine Höhe regeln, indem sie eine Pauschale vorsehen, sondern auch auf AGB, die einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch im Hinblick auf seine Tatbestandsvoraussetzungen modifizieren, indem der Anspruch vom Vorliegen weniger strenger Voraussetzungen abhängig gemacht wird, als dies im Gesetz vorgesehen ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei Klauseln, die eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz auch bei schuldloser Verletzung bestimmter Nebenpflichten vorsehen. Darüber hinaus ist § 309 Nr. 5 BGB seinem Wortlaut nach anwendbar auf Klauseln, mit denen über das dispositive Gesetzesrecht hinausgehende Ansprüche zunächst geschaffen und sodann pauschaliert werden. Da eine Schadensersatzpauschale i.S.d. § 309 Nr. 5 BGB jedoch voraus- 56 setzt, dass überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen kann,4 ist bei all denjenigen Klauseln, die nicht einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch lediglich im Hinblick auf dessen Höhe re1 Vgl. hierzu BGH 8.10.1998 – III ZR 278/97 – NJW-RR 1999, 125; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 2. 2 BGH 8.10.1987 – VII ZR 185/86 – NJW 1988, 258; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 17. 3 Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 25. 4 BGH 8.3.2005 – XI ZR 154/04 – NJW 2005, 1645; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 25.

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geln, zudem zu prüfen, ob die erweiterte Schadensersatzhaftung des Vertragspartners einer Inhaltskontrolle – regelmäßig am Maßstab des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – standhält.1 57 Wie bereits unter Geltung des AGBG ist auch unter Geltung der §§ 305 ff. BGB die Abgrenzung der Schadenspauschalierung von der Vertragsstrafe von großer praktischer Bedeutung. Der Gesetzgeber hat auch im „neuen Recht“, nämlich durch die in § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB getroffenen Regelungen zum Ausdruck gebracht, dass Schadenspauschalierungen und Vertragsstrafeversprechen unterschiedliche Rechtsinstitute sind,2 für deren AGB-Kontrolle unterschiedliche Maßstäbe gelten. 58 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erfolgt die Abgrenzung (in erster Linie) nach dem Zweck der Klausel: So soll die Schadenspauschalierung lediglich der einfacheren Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruchs dienen. Demgegenüber sei die Vertragsstrafe vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zweckrichtung geschaffen worden: Sie solle einmal als Zwangsmittel den Schuldner zur Erbringung der geschuldeten Leistung anhalten, zum anderen aber auch dem Gläubiger im Verletzungsfalle die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen. Dabei stehe die Sicherung der Vertragserfüllung und die Ausübung eines wirkungsvollen Drucks auf den Vertragspartner, sich vertragstreu zu verhalten, allerdings im Vordergrund.3 Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch von einer Schadenspauschalierung ein mittelbarer Erfüllungsdruck und damit ein gewisser Druck zu vertragsgerechtem Verhalten ausgehen kann; das ändert jedoch nichts daran, dass bei der Schadenspauschalierung der Rationalisierungszweck und beim Vertragsstrafeversprechen der Erfüllungsdruck, und damit jeweils andere Zwecke im Vordergrund stehen. 59 Ob das eine oder das andere gewollt ist, ist durch Auslegung der Klausel nach den für die Auslegung von AGB geltenden Kriterien zu ermitteln.4 Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen – anders als Individualvereinbarungen – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ein1 Erman/Roloff, § 309 Rz. 44; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 8; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 17. 2 Vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 5. 3 BGH 6.11.1967 – VIII ZR 81/65 – BGHZ 49, 84; BGH 27.11.1974 – VIII ZR 9/73 – BGHZ 63, 256; BGH 25.11.1982 – III ZR 92/81 – NJW 1983, 1542; BGH 30.6.1987 – KZR 7/86 – NJW-RR 1988, 39. 4 Zur Kritik an den Abgrenzungskriterien des BGH und den Lösungsvorschlägen in der Literatur vgl. nur MünchKommBGB/Kieninger, § 309 Nr. 5 Rz. 6; UBH/ Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 11 f.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 5 Rz. 33 ff.

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heitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ausgangspunkt der Auslegung ist und bleibt selbstverständlich der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis ist aber auch der von den Vertragsparteien intendierte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck.1 Ebenso eine Rolle spielt die typische Interessenlage der Beteiligten.2 Bei der Auslegung sind sämtliche Umstände einschließlich der den Vertragsschluss begleitenden Umstände, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, heranzuziehen und zu würdigen. Zwar ist es eine Folge der objektiven, typisierten Auslegung, dass Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt waren oder die den besonderen Einzelfall kennzeichnen, bei der Auslegung von AGB keine Berücksichtigung finden dürfen. Dies findet seine Bestätigung in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach die den Vertragsschluss begleitenden Umstände nur bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen sind. Ausgeschlossen ist danach allerdings nur die Heranziehung konkret-individueller Umstände. Demgegenüber sind Begleitumstände des Vertragsschlusses, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten, bei der Auslegung zu berücksichtigen.3 Danach wird es für die Abgrenzung im wesentlichen darauf ankommen, ob eine vorweggenommene Schadensschätzung vorliegt, mithin ein bestehender Anspruch nur ausgestaltet wird (dann Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 BGB) oder ob die Verpflichtung zur Zahlung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im wesentlichen unabhängig von der Entstehung des Schadens sein soll, also eine neue Anspruchsgrundlage geschaffen wird (dann Vertragsstrafe nach § 309 Nr. 6 BGB).4 Im ersten Fall steht der Rationalisierungszweck, im zweiten Fall der Erfüllungsdruck im Vordergrund. Auch die formularmäßige Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs auf Ersatz einer Wertminderung unterliegt der Kontrolle nach § 309 Nr. 5 BGB. Im Hinblick auf die Pauschalierung von Wertminderungs-

1 Vgl. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NZA 2010, 935. 2 Vgl. BAG 18.11.2008 – NZA-RR 2009, 153; BAG 18.5.2010 – NZA 2010, 935; BAG 15.6.2010 – NZA-RR 2011, 260. 3 BAG 15.2.2011 – 3 AZR 35/09 – NZA-RR 2011, 541; BAG 4.8.2011 – 6 AZR 436/10 – DB 2011, 2552. 4 DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 2.

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ansprüchen dürfte der Anwendungsbereich des § 309 Nr. 5 BGB allerdings gering sein. Der Pauschalierung zugängliche Wertersatzansprüche dürften insb. nach § 357 Abs. 3 BGB bei der Vertragsabwicklung nach Ausübung eines Widerrufs- oder Rückgaberechts durch den Verbraucher entstehen.1 bb) Höhe der Pauschale 61 Die Pauschale darf den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden bzw. die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eintretende Wertminderung nicht übersteigen. Dies erfordert eine generalisierende, von den Umständen des konkreten Falles unabhängige2 Betrachtung. Das bedeutet, dass der in der Klausel festgesetzte Betrag mit dem Durchschnittsschaden zu vergleichen ist, der nach der Schätzung eines informierten Beobachters in der betreffenden Branche normalerweise entsteht, wenn die Voraussetzungen, an die die Zahlungspflicht des Vertragspartners des Verwenders geknüpft ist, erfüllt sind (branchenüblicher Durchschnittsschaden).3 Für den Fall der Pauschalierung einer Wertminderung ist Vergleichsgröße die im Durchschnitt der Fälle eintretende Wertminderung.4 62 Im Rahmen des § 309 Nr. 5a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die für die Frage des Verhältnisses von Pauschalbetrag und gewöhnlich zu erwartendem Schaden bzw. gewöhnlich zu erwartender Wertminderung von Bedeutung sind, beim Verwender.5 Dieser hat die Tatsachen darzutun und ggfls. zu beweisen, aus denen das Gericht die Überzeugung gewinnen kann, dass der Pauschalbetrag den branchenüblichen Durchschnittsschaden bzw. die branchenübliche Wertminderung nicht wesentlich übersteigt, also angemessen ist.

1 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 19. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 12. 3 BGH 7.10.1981 – VIII ZR 229/80 – NJW 1982, 331; BGH 16.1.1984 – II ZR 100/83 – NJW 1984, 2093. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 891. 5 So wohl BGH 10.11.1976 – VIII ZR 115/75 – NJW 1977, 381; so auch MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 16; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 29; differenzierend UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 22; WLP/Dammann, § 309 Nr. 5 Rz. 85; offengelassen in BGH 7.10.1981 – VIII ZR 229/80 – NJW 1982, 331 und BGH 3.11.1999 – VIII ZR 35/99 – NJW-RR 2000, 719.

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cc) Ausdrückliche Zulassung des Gegenbeweises Nach § 309 Nr. 5b BGB muss die Pauschalierungsabrede, um wirksam 63 zu sein, dem anderen Vertragsteil ausdrücklich den Nachweis gestatten, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.1 Mit dem Erfordernis der „ausdrücklichen“ Gestattung hat § 11 Nr. 5b AGBG im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eine Klarstellung erfahren, die die Rechtsanwendung erleichtern dürfte.2 Erforderlich ist ein klarer, für den rechtsunkundigen Vertragspartner des Verwenders ohne weiteres verständlicher Hinweis, dass ihm der Nachweis offensteht, es sei kein oder ein geringerer Schaden oder keine oder eine geringere Wertminderung eingetreten.3 Der vom Vertragspartner des Verwenders darzulegende und ggf. zu beweisende Schaden bzw. die von ihm darzulegende und ggf. zu beweisende Wertminderung muss wesentlich niedriger sein als die in den AGB festgelegte Pauschale. Hiervon ist regelmäßig bei einer Abweichung in Höhe von 10 % auszugehen.4 Bei sehr niedrigen Pauschalbeträgen oder sehr hohen Pauschalen kann allerdings auch eine andere Bewertung in Betracht kommen.5

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b) Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht Die in § 309 Nr. 5 BGB formulierten Vorgaben für die Pauschalierung 65 von Schadensersatz- und Wertminderungsansprüchen sind auch im Arbeitsrecht anzuwenden.6 Arbeitsrechtliche Besonderheiten stehen dem nicht entgegen. Dennoch dürfte die praktische Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht eher gering sein. Erbringt der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung 66 überhaupt nicht und beruht die Nichtleistung auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit, so haftet er nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen auf Schadensersatz. Eine Klausel, die für diesen Fall eine Pauschale vorsieht, dürfte häufig nicht an den Maßstäben des § 309 Nr. 5 BGB, sondern an denen des § 309 Nr. 6 BGB zu messen sein. In vielen

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Vgl. BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 892. Vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 30. Erman/Roloff, § 309 Rz. 49; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 30; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 29. 5 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 29. 6 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 99.

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Fällen dürfte die Auslegung der Bestimmung ergeben, dass in Ermangelung eines konkret greifbaren Schadens1 die Sicherung der Vertragserfüllung und die Ausübung eines wirkungsvollen Drucks auf den Vertragspartner, sich vertragstreu zu verhalten, im Vordergrund steht und deshalb keine Schadenspauschalierung, sondern eine Vertragsstrafe vereinbart ist.2 Anders kann es sich in den Fällen verhalten, in denen der zu ersetzende Schaden in der Klausel näher spezifiziert wird, so z.B. als Ersatz für die an andere Arbeitnehmer geleisteten Überstundenzuschläge3 und diesbezüglich eine Pauschale vereinbart wird. 67 Hat der Arbeitnehmer in Folge einer sonstigen Vertragspflichtverletzung beim Arbeitgeber einen Schaden verursacht, ist zu berücksichtigen, dass in diesem Fall die von der Rechtsprechung des BAG entwickelten und nunmehr in § 619a BGB vorausgesetzten Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Anwendung finden. Danach hat ein Arbeitnehmer, sofern das Handeln betrieblich veranlasst war, vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen. Dabei ist die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen. Hierbei spielen insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen sowie Billigkeitsund Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.4 Da die Regeln über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach der Rechtsprechung des BAG einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht

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Vgl. LAG Düsseldorf 8.1.2003 – 12 Sa 1301/02 – NZA 2003, 382. Vgl. DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 5. S. Beispiel bei DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 6. BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09 – NZA 2011, 345.

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sind,1 folgt die Unwirksamkeit einer allgemein gehaltenen Pauschalierungsabrede bereits aus den allgemeinen Grundsätzen. Sieht eine Klausel demgegenüber ausdrücklich eine Pauschalierung eines Schadens vor, der nicht aufgrund einer betrieblich veranlassten Handlung entstanden ist, so z.B., dass der Arbeitnehmer bei erlaubter Privatnutzung eine Sache des Arbeitgebers beschädigt, ist die Klausel nicht von vornherein nach den allgemeinen Grundsätzen unwirksam, sondern an den Maßstäben des § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Demgegenüber spricht viel dafür, dass eine Mankoabrede,2 nach der der 68 Arbeitnehmer nur bis zur Höhe einer vereinbarten Mankovergütung haften soll, auf ihre Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 5 BGB zu überprüfen sein kann.3 Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Begründung einer Haftung des Arbeitnehmers für Fehlbeträge in einer Kasse oder einem Warenlager nämlich nur zulässig, wenn die Haftung auf die Höhe einer vereinbarten Mankovergütung begrenzt ist und der Arbeitnehmer daher im Ergebnis allein die Chance einer zusätzlichen Vergütung für die erfolgreiche Verwaltung eines Waren- oder Kassenbestandes erhält. In einem solchen Fall tritt eine Verschärfung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nicht ein.4 Die Vereinbarung einer so begrenzten Mankohaftung führt im Ergebnis nicht zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers und berührt nicht das Privileg des Arbeitnehmers auf beschränkte Haftung bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten.5 Sieht eine so begrenzte Mankoabrede beispielsweise vor, dass ein Fehlbetrag mit einem bestimmten Prozentsatz zu verzinsen ist, so muss die Abrede den Anforderungen des § 309 Nr. 5 BGB standhalten. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Schadenspauschalierungen 69 in Vereinbarungen, die neben dem Arbeitsverhältnis bestehen, so z.B. in einem Kauf-, Darlehens- oder Mietvertrag (Parallelverträge), so kommt auf derartige Vereinbarungen § 309 Nr. 5 BGB ohne weiteres zur Anwendung. Als Vertragspartner derartiger Verträge hat der Arbeitnehmer dieselbe Stellung wie jeder andere Käufer, Darlehensnehmer oder Mieter.6 1 BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715. 2 Zur Mankohaftung im Einzelnen vgl. Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II M 10. 3 So DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 7. 4 BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715; BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03 – NZA 2004, 649. 5 BAG 5.2.2004 – 8 AZR 91/03 – NZA 2004, 649. 6 Vgl. DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 11, der von sog. Parallelverträgen spricht.

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c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB 70 Im Fall eines Verstoßes einer Pauschalierungsabrede gegen § 309 Nr. 5 BGB ist die Klausel insgesamt unwirksam.1 Eine zu hohe Pauschale kann nicht auf eine angemessene Höhe zurückgeführt werden. Ebenso wenig kann die Klausel mit der Möglichkeit des Gegenbeweises aufgefüllt werden. Eine solche Rechtsfolge sieht § 306 BGB nicht vor. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstandene Vertragslücke ist nicht ergänzungsbedürftig,2 da der Arbeitgeber seinen materiellen Schadensersatzanspruch nicht verliert und diesen nach den allgemeinen Regeln verfolgen kann. 71–73 Einstweilen frei. 6. § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafe) 74 Nach § 309 Nr. 6 BGB, der wörtlich mit § 11 Nr. 6 AGBG übereinstimmt, ist in AGB (ohne Wertungsmöglichkeit) unwirksam, eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 6 BGB 75 Mit § 309 Nr. 6 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass vorformulierte Vertragsstrafevereinbarungen erhebliche Gefahren für den Versprechenden bergen: Zum einen sind Vertragsstrafen von der Entstehung eines tatsächlichen Schadens unabhängig und können deshalb dazu missbraucht werden, dem Verwender einen nicht gerechtfertigten Gewinn zu verschaffen; zum anderen können bei einseitiger Festlegung durch den Verwender die Voraussetzungen für die Verwirkung einer Vertragsstrafe zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders denkbar niedrig gehalten werden. Es kommt hinzu, dass mit vorformulierten Vertragsstrafeversprechen in der Regel nur die Verletzung von 1 Allg. Meinung, vgl. nur DBD/Däubler, § 309 Nr. 5 Rz. 12; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 893; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 Rz. 26; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 26; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 5 Rz. 32; WLP/Dammann, § 309 Nr. 5 Rz. 110–119. 2 Zu der Voraussetzung der ausfüllungsbedürftigen Lücke vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (94).

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Pflichten des Vertragspartners des Verwenders unter Strafe gestellt wird.1 Dennoch hat der Gesetzgeber sich nicht veranlasst gesehen, Vertragsstrafeversprechen in AGB generell zu verbieten; er hat sie nur in den in § 309 Nr. 6 BGB ausdrücklich aufgeführten Fällen der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs und der Lösung vom Vertrag untersagt. Nur in diesen Fällen sei ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders für ihre formularmäßige Vereinbarung von vornherein nicht ersichtlich; zudem sei die Vertragsstrafe in den Fällen der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung sowie im Falle des Zahlungsverzugs nicht notwendig, um den Kunden zum vertragsgemäßen Verhalten anzuhalten. Derartige Vertragsverletzungen lösten, sofern sie vom Vertragspartner des Verwenders schuldhaft begangen wurden, Schadensersatzansprüche des Verwenders aus. Die Durchsetzung solcher Ansprüche könne sich der Verwender zudem durch eine Pauschalierung in den Grenzen des § 309 Nr. 5 BGB erleichtern (zur Abgrenzung der Vertragsstrafe von der Schadenspauschalierung s. Erl. Rz. 57).2 Wird eine Vertragsstrafe für Pflichtverletzungen vorgesehen, die inhaltlich nicht dem Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB unterfallen (sonstige Pflichtverletzungen), so ist diese zwar nicht gemäß § 309 Nr. 6 BGB verboten, ihre Unwirksamkeit kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.3 § 309 Nr. 6 BGB hat den Regelfall im Auge, dass der Verwender eine Sachleistung schuldet und der Vertragspartner des Verwenders dafür zu zahlen hat, wie dies beim Kauf von Waren zutrifft. Stört der Vertragspartner des Verwenders die Vertragsabwicklung dadurch, dass er die Leistung nicht oder verspätet abnimmt, so darf er nicht formularmäßig mit einer Vertragsstrafe belegt werden.4 Auf den Grund für die Nichtabnahme oder verspätete Abnahme kommt es nicht an.5

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§ 309 Nr. 6 BGB untersagt auch solche Vereinbarungen, die eine Ver- 77 tragsstrafe für den Fall des Zahlungsverzugs, d.h. des Verzugs mit einer Geldschuld6 vorsehen. § 309 Nr. 6 BGB ist deshalb bereits seinem Wort1 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 2 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 3 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34 m.w.N. auch auf abweichende Meinungen in der Literatur, wonach über den Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB hinaus im Arbeitsrecht sämtliche Vertragsstrafenabreden unwirksam sind. 4 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 21. 5 Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 34. 6 Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 35.

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laut nach auf Vertragsstrafen wegen Leistungspflichten, die nicht auf die Zahlung von Geld gerichtet sind, nicht anwendbar.1 In diesem Fall kommt eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB in Betracht. Nach § 309 Nr. 6 BGB sind allerdings nicht nur solche Klauseln verboten, die die Verwirkung der Vertragsstrafe ausdrücklich vom Eintritt des Verzugs abhängig machen. Vielmehr reicht es für die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB aus, dass die Klausel die Vertragsstrafe von einer nicht fristgemäßen Zahlung abhängig macht.2 Dies folgt bereits daraus, dass eine Bestimmung in AGB, wonach die Vertragsstrafe schon bei bloßer Verspätung verwirkt sein soll, für den Vertragspartner des Verwenders belastender ist als eine Klausel, die an den Verzug anknüpft. Gleiches gilt, wenn die Bestimmung nicht auf den Verzug, sondern auf die schlichte Nichtzahlung abstellt.3 Nicht anwendbar ist § 309 Nr. 6 BGB hingegen auf Bestimmungen in AGB, die nicht den Zahlungsverzug oder die nicht fristgerechte Zahlung mittels einer Vertragsstrafe sanktionieren, sondern auf anderen Motiven beruhen. Dies gilt z.B. für das erhöhte Beförderungsentgelt, das dem „Schwarzfahrer“ mit den Beförderungsbedingungen auferlegt wird. Grund dieser Vertragsstrafe ist nicht der Zahlungsverzug, sondern das Erschleichen der Fahrleistung.4 78 Von der „Lösung vom Vertrag“ werden all die Fälle erfasst, in denen der Vertragspartner des Verwenders ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass er nicht mehr an den Vertrag gebunden sein will oder dass er nicht mehr zur Erfüllung des Vertrages bereit ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob dies ausdrücklich als Rücktritt, Kündigung, Widerruf oder Abstandnehmen vom Vertrag etc. bezeichnet wird, oder ob der Verwendungsgegner anderweitig zum Ausdruck bringt, dass er nicht mehr zur Erfüllung des Vertrages bereit ist.5 Vor diesem Hintergrund hat das BAG eine Lösung vom Vertrag auch in den Fällen angenommen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit gar nicht erst antritt.6 Nach dem Wortlaut von § 309 Nr. 6 BGB kommt es nicht darauf an, ob 1 WLP/Dammann, § 309 Nr. 6 Rz. 37. 2 BGH 29.3.1994 – XI ZR 69/93 – NJW 1994, 1532; WLP/Dammann, § 309 Nr. 6 Rz. 38. 3 Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 35; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 22. 4 BT-Drucks. 7/5422, S. 6; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rz. 11; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 35; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 906; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rz. 23 m.w.N.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 6 Rz. 39–40. 5 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rz. 12; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 907; UBH/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rz. 24 m.w.N.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 6 Rz. 42. 6 Vgl. BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49.

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eine berechtigte oder unberechtigte Lösung vom Vertrag vorliegt.1 Dass nicht nur die unberechtigte, sondern auch die berechtigte Lösung vom Vertrag in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB fällt,2 entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers. Dieser wollte in erster Linie Klauseln verhindern, nach denen der Vertragspartner des Verwenders gegen Zahlung einer „Abstandssumme“ oder dergleichen aus dem Vertrag entlassen wird.3 Vor diesem Hintergrund hat das BAG eine Lösung vom Vertrag auch in dem Fall angenommen, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch beharrliche Arbeitsverweigerung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung veranlasste.4 b) Bedeutung des § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht Vertragsstrafenabreden sind im Arbeitsrecht weit verbreitet. Häufig soll 79 eine Vertragsstrafe das Bedürfnis des Arbeitgebers sichern, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Ebenso soll die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 626 BGB) verhindert werden. Auch kann es darum gehen, Wettbewerbsverstöße oder Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht durch den Arbeitnehmer zu vermeiden. Dennoch kommt § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht keine Bedeutung zu. Abgesehen davon, dass für arbeitsvertragliche Abreden ohnehin allein 80 das Tatbestandsmerkmal der „Lösung vom Vertrag“ relevant sein dürfte, vertritt das BAG in inzwischen ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Vertragsstrafenvereinbarungen in vorformulierten Arbeitsbedingungen, sofern sie dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB überhaupt unterfallen, nicht bereits nach dieser Bestimmung unwirksam sind, da insoweit die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB im Arbeitsrecht geltenden, angemessen zu berücksichtigenden Besonderheiten entgegenstünden. Dies führe zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden. Eine Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede könne sich allenfalls aus § 307 BGB ergeben.5 1 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 344/03 –. 2 So auch WLP/Dammann, § 309 Nr. 6 Rz. 43; a.A. wohl MünchKommBGB/ Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rz. 12; Staudinger/Coester-Waltjen, § 309 Nr. 6 Rz. 14. 3 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 4 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 344/03 –. 5 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 344/03 –; BAG 4.3.2004 – 8 AZR 328/03 –; BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04 – NZA 2005, 1053; BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05 – NZA 2006, 34; BAG

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81 Begründet hat das BAG seine Auffassung zum einen mit der Regelung des § 888 Abs. 3 ZPO, die es ausschließt, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu vollstrecken.1 Im Gegensatz zu anderen Gläubigern fehle dem Arbeitgeber die Möglichkeit, seinen vertraglichen Primäranspruch auf Leistung der Arbeit durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Bedürfnis an Sanktionsinstrumenten, um den Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Hauptpflicht anzuhalten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei einer Vertragslösung durch den Arbeitnehmer regelmäßig erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sei, die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden und dessen Höhe nachzuweisen. Diesen und den speziell arbeitsrechtlichen Umstand mangelnder Vollstreckungsmöglichkeiten hatte das BAG im Übrigen bereits unter Geltung der alten Rechtslage zur Begründung der grundsätzlichen Wirksamkeit von formularmäßigen Vertragsstrafenabreden herangezogen.2 82 Zwar ist die Literatur dem BAG keineswegs uneingeschränkt gefolgt;3 allerdings dürfte der insoweit bestehende Meinungsstreit deutlich dadurch entschärft worden sein, dass das BAG Vertragsstrafenabreden an den Maßstäben des § 307 BGB misst und der Vereinbarung von Vertragsstrafen in diesem Rahmen deutliche Grenzen gezogen hat (s. hierzu im Einzelnen Erl. zu § 307 Rz. 258).4 83 Da § 309 Nr. 6 BGB allerdings auf vorformulierte Vertragsstrafeversprechen Anwendung findet, auf die sich die Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht auswirken oder die nicht im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung der Arbeit stehen, bleibt die Bestimmung für sog. „Parallelverträge“ weiterhin von Bedeutung. Hier

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25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370; BAG 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49; BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/08 – NZA 2011, 89; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – NZA-RR 2009, 2269, in dieser Entscheidung spricht das BAG davon, dass § 309 Nr. 6 BGB „gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht anwendbar“ sei, „weil die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten dem entgegenstehen“; ebenso BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – AP BGB § 306 Nr. 6. Auf die Problematik der unterschiedlichen Behandlung von Dienstverträgen und von Verträgen mit arbeitnehmerähnlichen Personen auf der einen Seite und von Arbeitsverträgen auf der anderen Seite hat zutreffend Oetker in AcP 2012, 202 (243) hingewiesen. Vgl. insb. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – NZA 2004, 727 m.w.N. Vgl. DBD/Däubler, § 309 Nr. 6 Rz. 9 und 10 sowie 6 m.w.N. Vgl. DBD/Däubler, § 309 Nr. 6 Rz. 6 m.w.N. und Rz. 12 ff.; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 204 ff.

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kommen insb. Kauf- und Mietverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Betracht c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB Verstößt eine Vertragsstrafenabrede gegen § 309 Nr. 6 BGB, so ist sie 84 grundsätzlich insgesamt unwirksam. Eine Ausnahme von der Gesamtunwirksamkeit kommt nach § 306 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Klausel inhaltlich und sprachlich teilbar ist. Dann beschränkt sich die Unwirksamkeit auf den gegen § 309 Nr. 6 BGB verstoßenden Teil der Bestimmung. Die Darlegungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 309 Nr. 6 BGB trifft den Vertragspartner des Verwenders.1 Einstweilen frei.

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7. § 309 Nr. 7 BGB (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) Während § 276 Abs. 3 BGB für individuelle Vertragsabreden einen Haf- 89 tungsausschluss nur für Vorsatz des Schuldners verbietet, wobei § 278 Satz 2 BGB im Falle des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen und des gesetzlichen Vertreters sogar eine Freizeichnung für Vorsatz zulässt, setzen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB der Zulässigkeit vorformulierter Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse engere Grenzen. Dabei differenzieren sie nach dem Haftungsmaßstab, nach der Person, die den Schaden verursacht hat und nach den betroffenen Rechtsgütern:2 Geht es um die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit, so ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden unwirksam, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen (§ 309 Nr. 7a BGB). Geht es um sonstige Schäden, so ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden unwirksam, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen (§ 309 Nr. 7b BGB).

1 UBH/Fuchs, § 309 Nr. 6 Rz. 26. 2 Vgl. WLP/Dammann, § 309 Nr. 7 Rz. 1.

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 7 BGB 90 Die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB beruhen auf dem Gedanken, dass die Durchsetzbarkeit der vom Verwender übernommenen Leistungspflichten unangemessen geschwächt würde, wenn man es ihm gestatten würde, sich von den Folgen etwaiger Pflichtverletzungen ohne erhebliche Haftungsrisiken formularmäßig freizuzeichnen.1 Zudem soll der Vertragspartner des Verwenders, sofern es zu einer Vertragspflichtverletzung durch den Verwender kommt, hinsichtlich seiner Sekundäransprüche vor einer erheblichen Verschiebung der Risiken zu seinen Lasten bewahrt werden.2 91 § 309 Nr. 7 BGB betrifft nur Klauseln, die sich mit der Haftung für Schäden, also mit Schadensersatzverpflichtungen befassen. Erfasst werden alle Arten schuldhafter Leistungsstörungen, aus denen Schadensersatzansprüche erwachsen.3 Hierzu zählen zunächst die positive Vertragsverletzung, der Verzug und die anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit (§§ 280–284, 286, 311a BGB). § 309 Nr. 7 BGB gilt zwar auch für Ansprüche aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB). Für derartige Ansprüche scheitert der Haftungsausschluss regelmäßig allerdings schon deshalb, weil sie bereits entstanden sind, wenn der Vertrag unter Einbeziehung der AGB zustande kommt.4 Da der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu eingeführte Begriff der „Pflichtverletzung“ ohne inhaltliche Änderung an den der „Vertragsverletzung“ des § 11 Nr. 7 AGBG anknüpft,5 findet § 309 Nr. 7 BGB auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung keine (direkte) Anwendung. Dies ist unproblematisch, sofern die Auslegung der Freizeichnungsklausel ergibt, dass diese sich nicht auf die Haftung des Verwenders aus unerlaubter Handlung bezieht.6 Andernfalls, sollen also durch die Bestimmung auch deliktsrechtliche Ansprüche des Vertragspartners des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt werden, so ist § 309 Nr. 7 BGB auf die Haftung aus unerlaubter Handlung, welche bei Gelegenheit der Vertragsabwicklung begangen wird, zumindest entsprechend anwendbar.7 § 309 Nr. 7 BGB 1 2 3 4

Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 31. UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 2. UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 11. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 7 Rz. 7; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 40; BGH 13.9.2004 – II ZR 276/02 – NJW 2004, 3706. 5 BT-Drucks. 14/6040, S. 156. 6 Vgl. BGH 5.5.1992 – VI ZR 188/91 – NJW 1992, 2016. 7 BGH 15.2.1995 – VIII ZR 93/84 – NJW 1995, 1488; für eine Anwendung darüber hinaus Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 41; UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 15; WLP/Dammann, § 309 Nr. 7 Rz. 16–19.

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greift demgegenüber nicht, auch nicht analog ein, wenn durch die Freizeichnungsklausel nicht der Verwender selbst, sondern seine Arbeitnehmer oder andere sozial abhängige Hilfspersonen von deliktsrechtlicher Haftung freigestellt werden sollen, die Freizeichnungsklausel also einen Haftungsausschluss zugunsten Dritter enthält.1 § 309 Nr. 7a BGB verbietet die Begrenzung und den Ausschluss der Haf- 92 tung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit,2 die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen. Damit kann sich der Verwender insoweit selbst für einfachste Fahrlässigkeit nicht freizeichnen. Im Hinblick auf Schäden an sonstigen Rechtsgütern verbietet § 309 Nr. 7 BGB demgegenüber lediglich Haftungsbegrenzungen für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen. Eine formularmäßige Freizeichnung von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist damit zwar unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht auf die Haftung für Schäden an den in § 309 Nr. 7a BGB genannten Rechtsgütern erstreckt, nach § 309 Nr. 7 BGB nicht zu beanstanden. Sie ist jedoch an den Maßstäben des § 307 BGB zu messen.3 § 309 Nr. 7 BGB will in seinem Anwendungsbereich die volle gesetzliche Schadensersatzhaftung sichern.4 Folgerichtig verbietet die Regelung nicht nur den Haftungsausschluss, sondern auch die Haftungsbegrenzung.

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§ 307 Nr. 9 BGB erfordert keinen ausdrücklichen Haftungsausschluss. Vielmehr reicht es aus, dass die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck den Eindruck eines Haftungsausschlusses erweckt. Ein Haftungsausschluss i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB liegt deshalb auch dann vor, wenn die objektive Pflicht, die Grundlage der Haftung ist, ausgeschlossen und ein bestimmtes Risiko allein dem Vertragspartner auferlegt wird.5

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Der Begriff der Haftungsbegrenzung ist nach Sinn und Zweck des § 309 Nr. 7 BGB weit auszulegen.6 Eine Haftungsbegrenzung i.S.d. § 309 Nr. 7

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1 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 7 Rz. 10. 2 Die Begriffe „Leben“, „Körper“ und „Gesundheit“ sind ebenso auszulegen wie in § 823 BGB, vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 43. 3 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 7 Rz. 25 m.w.N.; UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 32; WLP/Dammann, § 309 Nr. 7 Rz. 82 m.w.N. 4 UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 26. 5 BGH 12.12.2000 – XI ZR 138/00 – NJW 2001, 751 m.w.N. 6 Erman/Roloff, § 309 Rz. 68.

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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

BGB liegt ohne weiteres vor, wenn die dem Vertragspartner des Verwenders zustehenden Schadensersatzansprüche durch die Klausel eine inhaltliche Schmälerung erfahren.1 Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn ein bestimmter Höchstbetrag der Haftung festgelegt wird, sondern auch dann, wenn bestimmte Schäden, z.B. mittelbare Schäden, Folgeschäden, unvorhersehbare Schäden oder Schäden an bestimmten Sachen ausgeschlossen werden.2 Ferner kann eine unzulässige Haftungsbegrenzung darin liegen, dass eine Klausel positiv die Fälle umschreibt, in denen der Verwender haftet und hierdurch der Eindruck erweckt wird, in anderen Fällen hafte der Verwender selbst dann nicht, wenn ihn grobe Fahrlässigkeit trifft.3 96 Vor dem Hintergrund, dass den Klauselverboten des § 309 Nr. 7 BGB der Gedanke zugrunde liegt, dass die Durchsetzbarkeit der vom Verwender übernommenen Leistungspflichten unangemessen geschwächt würde, wenn man es ihm gestatten würde, sich von den Folgen etwaiger Pflichtverletzungen ohne erhebliche Haftungsrisiken formularmäßig freizuzeichnen und der Vertragspartner des Verwenders hinsichtlich seiner Sekundäransprüche vor einer erheblichen Verschiebung der Risiken zu seinen Lasten bewahrt werden soll,4 unterfallen auch Klauseln, die die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erschweren oder zeitlich begrenzen, dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 7 BGB.5 Deshalb ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen eine Begrenzung bzw. eine Beschränkung der Haftung i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB.6 Gleiches dürfte für eine Subsidiaritätsklausel gelten, mit welcher der Vertragspartner des Verwenders darauf verwiesen wird, die Schadensersatzansprüche i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB zunächst bei anderen, evtl. mithaftenden Personen geltend machen zu müssen.7 97 Es spricht viel dafür, dass auch vorformulierte Ausschlussklauseln, die ausdrücklich die in § 309 Nr. 7 BGB geregelten Tatbestände in Bezug nehmen und bestimmen, dass diese verfallen, wenn sie vom Vertrags1 2 3 4 5 6

Stoffels, AGB-Recht, Rz. 974 m.w.N. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 7 Rz. 23 m.w.N. BGH 14.7.1987 – X ZR 38/86 – NJW 1987, 2818. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 31. Vgl. Erman/Roloff, § 309 Rz. 69; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 975 m.w.N. BGH 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 – NJW 2007, 674; BGH 26.2.2009 – Xa ZR 141/07 – NJW 2009, 1486; vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 156 (159). 7 Vgl. BGH 15.5.1991 – VIII ZR 123/90 – NJW-RR 1991, 1120; BGH 19.11.2009 – III ZR 108/08 – NJW 2009, 1277; a.A. Erman/Roloff, § 309 Rz. 69.

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partner des Verwenders nicht innerhalb der in der Klausel geregelten Frist geltend gemacht werden, nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam sind.1 Einzelvertragliche Ausschlussfristen sind nicht nur einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, §§ 308 und 309 BGB zu unterziehen, denn sie stellen von Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelungen i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Gesetzlich gilt nämlich nur das Verjährungsrecht.2 Zwar unterscheiden sich Ausschlussfristen und Verjährungsfristen in ihrer Rechtswirkung; während die Verjährung dem Schuldner eine Einrede gibt und damit die Durchsetzung einer rechtlich fortbestehenden Forderung hindert, hat der – zudem von Amts wegen zu berücksichtigende – Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung. Ausschlussfristen betreffen demnach den zeitlichen Bestand einer Forderung und haben im Verhältnis zur Verjährung für den Betroffenen eine nachteiligere Wirkung.3 In der Praxis finden sich nicht selten global gefasste Klauseln, die ihrem Wortlaut nach auch Fallgestaltungen erfassen, deren formularmäßige Regelung unwirksam wäre. Das gilt auch für Ausschlussklauseln, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden. Sind derartige Bestimmungen sprachlich nicht teilbar, was bei generell gefassten Vertragsklauseln die Regel ist, könnte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen § 309 Nr. 7 BGB zur (Total)Unwirksamkeit der gesamten Klausel führen. Diese Rechtsfolge könnte der Verwender nur dadurch vermeiden, dass er die nach § 309 Nr. 7 BGB zu missbilligenden Fallgestaltungen ausdrücklich aus der Klausel herausnimmt. Allerdings ist auch bei global gefassten Klauseln der Vorrang der Auslegung und bei der Auslegung selbst sodann zu 1 Vgl. BGH 21.1.1999 – III ZR 289/97 – NJW 1999, 1031; BGH 2.12.1999 – III ZR 132/98 – NJW-RR 2000, 648; DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 6a; Erman/Roloff, § 309 Rz. 69; Matthiesen, NZA 2007, 361 (364); Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (146); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 975; UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rz. 28; a.A. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NJW 2005, 3305; BAG 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – NJW 2006, 795, wonach die Obliegenheit einer schriftlichen Geltendmachung keinen Haftungsausschluss und keine Haftungsbegrenzung i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB enthält. Von derartigen, konkret die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche betreffenden Verfallklauseln zu unterscheiden sind die Ausschlussklauseln, wonach sämtliche Ansprüche verfallen sollen und bei denen erst durch Auslegung zu ermitteln ist, ob sie die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Ansprüche überhaupt erfassen, siehe dazu Erl. Rz. 62. 2 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NJW 2005, 3305. 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NJW 2005, 3305; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 214.

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beachten, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer globalen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der vom Verwender erkennbar nicht bedacht wurde oder in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst1 (zum Vorrang der Auslegung und zur Eliminierung fernliegender Auslegungsergebnisse s. Erl. Rz. 5–7; zu global gefassten Ausschlussklauseln im Arbeitsrecht s. Erl. Rz. 105 ff.). Das bedeutet, dass in jedem Fall zunächst durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die Klausel die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Tatbestände überhaupt erfasst. b) Bedeutung des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht 99 § 309 Nr. 7 BGB findet auch im Arbeitsverhältnis Anwendung. Besonderheiten des Arbeitsrechts, die einer Anwendung der Bestimmung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.2 Allerdings liegt der praktische Anwendungsbereich des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht nicht bei der Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden nach § 309 Nr. 7a BGB, sondern bei seiner Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB.3 aa) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB 100 Geht es um die Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB, wirkt sich aus, dass der Arbeitnehmer nach §§ 104 ff. SGB VII grundsätzlich keinen Ersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat.4 Nach § 104 Abs. 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unter1 Vgl. BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506; BGH 9.7.1991 – XI ZR 72/90 – WM 1991, 1452; BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91 – WM 1992, 395; BGH 20.10.1992 – X ZR 74/91 – NJW 1993, 657; BGH 10.2.1993 – XII ZR 74/91 – NJW 1993, 1133; BGH 10.5.1994 – XI ZR 65/93 – NJW 1994, 1798; BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056; BGH 17.2.2011 – III ZR 35/10 – NJW 2011, 2122; BGH 9.6.2011 – III ZR 157/10 – WM 2011, 1678; so auch BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 2 Vgl. DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 4 m.w.N.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 7 Rz. 134. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 84; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (284); UBH/Fuchs, § 310 Rz. 185. 4 Schaub/Linck, § 54 Rz. 1.

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nehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nämlich nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des SGB X findet nicht statt. Ebenso sind nach § 105 Abs. 1 SGB VII Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Für einen Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung unterhalb der Schwelle des Vorsatzes besteht für den Arbeitgeber im Hinblick auf die von §§ 104 ff. SGB VII erfassten Versicherungsfälle deshalb in der Regel von vornherein kein Bedürfnis. Anders verhält es sich hingegen mit einem Haftungsausschluss oder ei- 101 ner Haftungsbegrenzung für Personenschäden, die nicht aus einem Versicherungsfall i.S.d. §§ 104 ff. SGB VII resultieren. Dies gilt insbesondere für arbeitsbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen, die nicht als Berufskrankheit anerkannt sind. Hier sind in erster Linie Ansprüche auf Schadensersatz wegen übermäßiger Inanspruchnahme der Arbeitskraft1 und wegen Mobbings zu erwähnen.2 bb) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB Sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB können dem Arbeitnehmer insbesondere an ihm gehörenden Sachen entstehen, die dieser in den Betrieb bzw. auf das Betriebsgelände mitbringt.3 Denn der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, die berechtigterweise in den Betrieb bzw. auf das Betriebsgelände mitgebrachten Sachen des Arbeitnehmers durch zumutbare Maßnahmen vor Verlust und Beschädigungen zu schützen. Sonstige Vermögensnachteile kann der Arbeitnehmer beispielsweise dadurch erleiden, dass der Arbeitgeber ihn 1 Vgl. hierzu BAG 27.2.1970 – 1 AZR 258/69 – AP BGB § 618 Nr. 16. 2 DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 5. 3 DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 7; vgl. auch BAG 25.5.2000 – 8 AZR 518/99 – NZA 2000, 1052.

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treffende Aufklärungspflichten verletzt oder die Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abführt1 oder über den Arbeitnehmer eine nicht zutreffende Auskunft gegenüber der Bank gibt.2 103 § 309 Nr. 7b BGB hat ferner Bedeutung im Rahmen sog. Parallelverträge,3 also innerhalb von Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die neben dem Arbeitsverhältnis bestehen. Hier kommen insbesondere Kauf- und Mietverträge in Betracht. 104 Obgleich § 309 Nr. 7b BGB nur den Ausschluss und die Begrenzung der Haftung für Schäden verbietet, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers und auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen, bedeutet dies nicht, dass die Haftung für Schäden, die auf einfacher Fahrlässigkeit beruhen, jederzeit unproblematisch abbedungen oder beschränkt werden könnte. Hier greift vielmehr als Kontrollmaßstab § 307 Abs. 1 BGB ein.4 cc) Global gefasste Ausschlussklauseln 105 Problematisch ist, ob global gefasste Ausschlussklauseln, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden und die die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Tatbestände nicht ausdrücklich ausnehmen, nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam sind.5 Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 25. Mai 20056 betont, eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung ergebe, dass die Klausel die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten besonderen Ansprüche nicht erfasse. Die Parteien hätten die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche nicht eigens erwähnt und offenbar auch nicht bedacht. Zudem liege es nahe, dass sie Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht einbezogen hätten. Diese Rechtsprechung überzeugt.

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Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II H 10 Rz. 1. DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 7. So die Bezeichnung von DBD/Däubler, beispielsweise § 309 Nr. 5 Rz. 11. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 84; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 7 Rz. 2. 5 Für eine Unwirksamkeit z.B.: DBD/Däubler, § 309 Nr. 7 Rz. 6a; Matthiesen, NZA 2007, 361 (364); Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 150 Rz. 18. 6 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19.

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Da generell gefasste Ausschlussklauseln im Hinblick auf die von ihr er- 106 fassten Tatbestände nicht teilbar sind,1 hätte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB die (Total)Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung zur Folge. Auch für global gefasste Ausschlussklauseln gilt indes, dass die Auslegung den Prüfungsgegenstand der Inhaltskontrolle bestimmt.2 Ob vorformulierte globale Ausschlussklauseln dem Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB unterfallen, kann demnach erst beurteilt werden, wenn der Inhalt der Bestimmungen durch Auslegung geklärt ist (zum Vorrang der Auslegung im Einzelnen vgl. Erl. Rz. 5–7). Dabei darf nicht bei der Auslegung nach dem Wortlaut „sämtliche Ansprüche“ halt gemacht und vom Arbeitgeber gefordert werden, dass er die Fallgestaltungen, die gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB verstoßen, ausdrücklich aus der Bestimmung herausnimmt. Beschreibt die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit der gesamten Klausel auslöst, lediglich eine Ausnahmesituation, die von den Parteien erkennbar nicht bedacht und nicht für regelungsbedürftig gehalten wurde bzw. in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, so findet diese Auslegungsmöglichkeit als fernliegend bei der Auslegung nach Sinn und Zweck keine Berücksichtigung.3 So liegt der Fall bei pauschal gefassten Ausschlussklauseln, nach denen 107 sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden: Der Arbeitgeber hat aufgrund des Haftungsprivilegs der §§ 104 ff. SGB VII (s. hierzu Erl. Rz. 100) – für den Arbeitnehmer typischerweise erkennbar – regelmäßig kein Interesse daran, die Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB in die Ausschlussklausel einzubeziehen. Die Haftungsprivilegierung des Arbeitgebers rechtfertigt sich nicht nur durch seine alleinige Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Betriebsfriedens. Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen gerade vermieden 1 Anders wohl BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19. 2 So ausdrücklich WLP/Lindacher, § 305c Rz. 102. 3 Vgl. BGH 25.3.1987 – VIII ZR 71/86 – NJW 1987, 2506; BGH 9.7.1991 – XI ZR 72/90 – WM 1991, 1452; BGH 11.2.1992 – XI ZR 151/91 – WM 1992, 395; BGH 20.10.1992 – X ZR 74/91 – NJW 1993, 657; BGH 10.2.1993 – XII ZR 74/91 – NJW 1993, 1133; BGH 10.5.1994 – XI ZR 65/93 – NJW 1994, 1798; BGH 23.11.2005 – VIII ZR 154/04 – NJW 2006, 1056; BGH 17.2.2011 – III ZR 35/10 – NJW 2011, 2122; BGH 9.6.2011 – III ZR 157/10 – WM 2011, 1678; so auch BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111; BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738.

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werden.1 Für einen Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung unterhalb der Schwelle des Vorsatzes besteht für den Arbeitgeber im Hinblick auf die von §§ 104 ff. SGB VII erfassten Versicherungsfälle deshalb in der Regel von vornherein kein Bedürfnis. Ebenso kann nicht angenommen werden, die Parteien hätten Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen in die Ausschlussklausel einbeziehen wollen. Eine Klausel mit einem solchen Inhalt wäre, da § 202 Abs. 1 BGB nicht nur auf Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch auf solche über Ausschlussfristen Anwendung findet,2 bereits nach § 202 Abs. 1 BGB unwirksam. Danach kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Damit ist die Gefahr, ein Arbeitgeber werde sich außergerichtlich gegenüber rechtsunkundigen Arbeitnehmern auf den Ausschluss der in § 309 Nr. 7 BGB angeführten Tatbestände berufen, zu fernliegend, um die Gesamtunwirksamkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB rechtfertigen zu können. 108 Aus dem Urteil des BGH vom 15.11.20063 kann bereits deshalb nichts anderes abgeleitet werden, weil der BGH sich in dieser Entscheidung nicht mit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel, sondern mit einer Bestimmung zu befassen hatte, die u.a. vorsah, dass die Gewährleistungsrechte des Käufers innerhalb von 12 Monaten nach Gefahrübergang verjähren. Des ungeachtet ist die Entscheidung des BGH aus anderen Gründen kritisch zu sehen. Nicht überzeugend ist nicht nur, dass der BGH die einschränkende Auslegung einer Klausel von ihrer sprachlichen Teilbarkeit abhängig gemacht und so den Vorrang der Auslegung missachtet hat. Ebenso massiven Bedenken ausgesetzt ist das Urteil insoweit, als sich danach das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ als Grenze der Auslegung darstellen soll, was zur Folge hätte, dass bei pauschal gefassten AGB der Wortlaut das alleinige Auslegungskriterium wäre.4 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB 109 Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen § 309 Nr. 7 BGB, so ist sie grundsätzlich im Ganzen unwirksam.5 Eine Ausnahme von der Gesamt1 2 3 4 5

LPK-SGB VII/Rapp, § 104 Rz. 3; Schmitt, § 104 Rz. 2. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. BGH 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 – NJW 2007, 647. Siehe hierzu im Einzelnen Schlewing, NZA, Beilage 2/2012, 33 (35 ff.). Vgl. BGH 20.1.1983 – VII ZR 105/81 – NJW 1983, 1322; BGH 24.9.1985 – VI ZR 4/84 – NJW 1986, 1610; BGH 19.2.1998 – I ZR 233/95 – NJW-RR 1998,

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unwirksamkeit kommt nach § 306 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Klausel inhaltlich und sprachlich teilbar ist. Dann beschränkt sich die Unwirksamkeit auf den gegen § 309 Nr. 7 BGB verstoßenden Teil der Bestimmung.1 Ist eine Klausel nicht inhaltlich und sprachlich teilbar, weil nur eine einzige homogene Regelung vorliegt, so verbleibt es bei der Unwirksamkeit der gesamten Klausel. An ihre Stelle tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung der §§ 276, 278 BGB.2 Eine Rückführung der inkriminierten Klausel auf einen Inhalt, der der Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 7 BGB standhält, ist im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht vorgesehen.3 Einstweilen frei.

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8. § 309 Nr. 8 BGB (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) Zwar ist § 309 Nr. 8 BGB mit „Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzungen“ überschrieben. Dennoch geht es bei dieser Regelung nicht nur um Haftungsausschlüsse, sondern allgemein um Beschränkungen der Ansprüche und Rechte, die dem Kunden bei Pflichtverletzungen des Verwenders zustehen.4

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 8 BGB § 309 Nr. 8a BGB bezweckt, dem Vertragspartner im Falle einer Pflicht- 115 verletzung durch den Verwender die Möglichkeit zu erhalten, sich vom Vertrag zu lösen.5 Verboten sind deshalb Klauseln, die das gesetzliche Rücktritts- und das gesetzliche Kündigungsrecht ausschließen oder Einschränkungen unterwerfen. Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann auch in der Form erfolgen, dass eine Haftung für die Erfüllung der Pflicht ausgeschlossen wird.6 Erschwert wird die Ausübung des Rücktritts- bzw. Kündigungsrechts durch Klauseln, die die Vorausset-

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1426; BGH 21.1.1999 – III ZR 289/97 – NJW 1999, 1031; BGH 14.11.2000 – X ZR 211/98 – NJW-RR 2001, 342; BGH 12.12.2000 – XI ZR 138/06 – NJW 2001, 751. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 54. Vgl. Erman/Roloff, § 309 Rz. 71. Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 985. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 58. Erman/Roloff, § 309 Rz. 80. BGH 20.3.2003 – I ZR 225/00 – NJW-RR 2003, 1056.

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zungen für den Rücktritt bzw. die Kündigung abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen regeln.1 116 Der Regelungszweck des § 309 Nr. 8b BGB besteht demgegenüber darin, den Vertragspartner des Verwenders vor dem Ausschluss oder der Einschränkung seiner Mängelansprüche zu schützen. Das Verbot gilt nur für Lieferungs- und Werklieferungsverträge. Dabei sind unter Lieferungsverträgen nicht nur Kauf- und Werkverträge zu verstehen, sondern auch sonstige atypische und gemischte Verträge, die die Übereignung von Sachen zum Gegenstand haben. Voraussetzung ist lediglich, dass dem Vertragspartner des Verwenders Mängelansprüche überhaupt zustehen können.2 Zudem muss sich die Lieferung auf neu hergestellte Sachen beziehen. Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Zustand gebrauchter Sachen individuellen Unterschieden unterliegt und der Verwender deshalb ein anerkennenswertes Interesse daran haben kann, sich durch Ausschluss oder Einschränkung seiner Gewährleistung – in der Regel verbunden mit einem Preisnachlass – von seiner Haftung jedenfalls teilweise zu befreien.3 b) Bedeutung des § 309 Nr. 8 BGB im Arbeitsrecht 117 § 309 Nr. 8a BGB kommt in den Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine völlig untergeordnete Rolle zu. Dies hat seinen Grund darin, dass § 626 BGB, der das Recht zur außerordentlichen Kündigung regelt, beiden Vertragsparteien das unverzichtbare Recht garantiert, sich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus dem Arbeitsverhältnis lösen zu können. Das außerordentliche Kündigungsrecht ist unabdingbar. Es kann weder einzelvertraglich noch kollektivvertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.4 Deshalb ist die Vereinbarung einer Abfindung, Vertragsstrafe o.ä. Leistung für den Fall der außerordentlichen Kündigung bereits nach § 134 BGB unwirksam, weil sie das Recht zur Kündigung des Vertrags aus einem wichtigen Grund unzumutbar einschränkt.5 118 § 309 Nr. 8b BGB, der einen Vertrag über die Lieferung neu hergestellter Sachen oder einen Werkvertrag voraussetzt, ist bereits aufgrund seiner tatbestandlichen Voraussetzungen auf ein Arbeitsverhältnis nicht an1 2 3 4 5

Erman/Roloff, § 309 Rz. 82. Erman/Roloff, § 309 Rz. 86; UBH/Christensen, § 309 Nr. 8 Rz. 22. UBH/Christensen, § 309 Nr. 8 Rz. 23. ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 1 und 194. Vgl. BGH 17.3.2008 – II ZR 239/06 – NJW-RR 2008, 1488.

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wendbar.1 Bedeutung kann § 309 Nr. 8b BGB lediglich bei den sog. Parallelverträgen haben. Bei Personaleinkäufen wirkt sich allerdings aus, dass diese regelmäßig einen Verbrauchsgüterkauf nach den §§ 474 ff. BGB zum Gegenstand haben, so dass die Gewährleistungsansprüche bereits nach § 475 Abs. 1 BGB grundsätzlich zwingend sind.2 9. § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) Anders als es die Überschrift der Bestimmung „Laufzeit von Dauer- 119 schuldverhältnissen“ vermuten lässt, betrifft § 309 Nr. 9 BGB nicht alle Dauerschuldverhältnisse, sondern setzt nur für bestimmte Dauerschuldverhältnisse zeitliche Höchstgrenzen für die Laufzeit der Verträge, für stillschweigende Vertragsverlängerungen sowie für Kündigungsfristen. Es muss sich um ein Vertragsverhältnis handeln, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat. Damit werden die typischen Dauerschuldverhältnisse wie Miete, Pacht und Leasing nicht erfasst.3 Aber auch das Arbeitsverhältnis fällt nicht unter § 309 Nr. 9 BGB, da hier nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die „Dienste“ schuldet. Bedeutung kann § 309 Nr. 9 BGB daher nur bei den sog. Parallelverträgen, so beispielsweise dann haben, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer längerfristige Lieferpflichten vereinbart wurden. Dies dürfte in der Praxis allerdings nur selten der Fall sein. 10. § 309 Nr. 10 BGB (Wechsel des Vertragspartners) § 309 Nr. 10 BGB ordnet in seinem ersten Halbsatz die Unwirksamkeit 120 einer Bestimmung an, die dem Verwender das Recht gibt, seine Pflichten aus einem Kauf-, Darlehens, Dienst- oder Werkvertrag auf einen Dritten zu übertragen und normiert in seinem 2. Halbsatz sodann hiervon zwei Ausnahmen. Unwirksam ist die Klausel dann nicht, wenn in ihr a) der Dritte namentlich bezeichnet oder b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen. Hierdurch verliert das Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB deutlich an Schärfe.4

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DBD/Däubler, § 309 Nr. 8 Rz. 2. DBD/Däubler, § 309 Nr. 8 Rz. 2. UBH/Christensen, § 309 Nr. 9 Rz. 6. Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 741 m.w.N.

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 10 BGB 121 § 309 Nr. 10 BGB soll es dem Betroffenen in erster Linie ermöglichen, sich vor Vertragsabschluss oder doch jedenfalls innerhalb einer ihm etwa zustehenden Widerrufsfrist über die Zuverlässigkeit und Solvenz des Dritten Gewissheit zu verschaffen.1 Die Regelung will verhindern, dass dem Vertragspartner des Verwenders ein neuer, unbekannter Vertragspartner aufgezwungen werden kann.2 Das Klauselverbot erfasst Kauf-, Darlehens-, Dienst- und Werkverträge. Dem Kaufvertrag gleichzustellen ist der in § 651 geregelte Werklieferungsvertrag.3 Zum Dienstvertrag i.S.d. § 309 Nr. 10 BGB rechnet auch der Arbeitsvertrag.4 122 § 309 Nr. 10 BGB erfasst von seinem Wortlaut die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Vertrag, mithin die volle Ersetzung des Verwenders durch einen Dritten und damit in erster Linie die befreiende Vertragsübernahme.5 Die Regelung ist jedoch ebenso anwendbar auf die befreiende Schuldübernahme nach §§ 414, 415 Abs. 1 BGB.6 Aus dem Zweck des § 309 Nr. 10 BGB folgt, dass die Regelung nicht eingreift, wenn die Schuldnerstellung des Verwenders nicht berührt wird. Bereits aus diesem Grund wird der Vorbehalt der Abtretung einzelner Ansprüche des Verwenders nicht vom Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB erfasst, zumal die Abtretung auch nach der gesetzlichen Regelung des § 398 BGB nicht an eine Zustimmung des Vertragspartners des Verwenders geknüpft ist.7 Ebenso wenig hindert das Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB den Einsatz von Subunternehmern und Erfüllungsgehilfen zur Vertragserfüllung.8 Da es auch bei einem Schuldbeitritt und einer Erfüllungsübernahme, §§ 329, 415 Abs. 1 BGB, nicht zu einem Wechsel des Vertragspartners kommt, werden weder der Schuldbeitritt noch die Erfüllungsübernahme von § 309 Nr. 10 BGB erfasst. Streitig ist, ob § 309 Nr. 10 BGB nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Wechsel des Vertragspartners nicht die Vertragsstellung im Ganzen betrifft, sondern nur hinsichtlich einzelner Leistungspflichten aus dem Vertrag erfolgen soll.9 1 2 3 4 5 6

Vgl. BGH 11.6.1980 – VIII ZR 174/79 – NJW 1980, 2511. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 97. UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 5 m.w.N. UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 5. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 744; UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 6. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 98; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 745; UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 6. 7 Vgl. z.B. Erman/Roloff, § 309 Rz. 135; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 98. 8 Vgl. z.B. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 745 m.w.N. 9 Vgl. hierzu UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 7 m.w.N.

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§ 309 Nr. 10 BGB setzt voraus, dass der Vertragspartnerwechsel auf dem 123 Vertrag beruht, die Klausel mithin konstitutiven Charakter hat.1 Folgt der Vertragspartnerwechsel hingegen aus dem Gesetz, so zum Beispiel aus § 613a BGB oder dem Umwandlungsrecht, und beschränkt sich die Klausel darauf, die gesetzliche Bestimmung zu wiederholen, so findet § 309 Nr. 10 BGB bereits aufgrund der in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB getroffenen Regelung keine Anwendung.2 b) Bedeutung des § 309 Nr. 10 BGB im Arbeitsrecht Zwar ist § 309 Nr. 10 BGB auf Dienstverträge und damit grundsätzlich 124 auch auf Arbeitsverträge anwendbar; regelmäßig scheitert eine Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB allerdings an den nach § 310 Abs. 4 BGB zu beachtenden Besonderheiten des Arbeitsrechts. Die in § 309 Nr. 10 BGB normierten Anforderungen an die Wirksamkeit einer Klausel (namentliche Bezeichnung des Dritten nach § 309 Nr. 10a BGB und Einräumung eines Lösungsrechts nach § 309 Nr. 10b BGB) sind mit grundlegenden Wertungen des Arbeitsrechts unvereinbar. Würde schon die namentliche Bezeichnung des neuen Arbeitgebers nach § 309 Nr. 10a BGB ausreichen, um der Klausel zur Wirksamkeit zu verhelfen, so stünde dies im Widerspruch zum zwingenden Kündigungsrecht hinsichtlich des Vertrages mit dem alten Arbeitgeber. Und die Einräumung eines Lösungsrechts vom Vertrag nach § 309 Nr. 10b BGB ist mit dem Bestandsschutzbedürfnis des Arbeitnehmers, wie es auch in § 613a BGB zum Ausdruck gekommen ist, nicht vereinbar. Aus diesem Grund findet das Klauselverbot auf sog. „Konzernverset- 125 zungsklauseln“, die auf einen Wechsel des Arbeitgebers abzielen, wegen arbeitsrechtlicher Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung. Solche Klauseln sind vielmehr an den Maßstäben der §§ 305c Abs. 1, 307 BGB zu messen.3 Hierfür spricht im Übrigen auch, dass Versetzungsklauseln und damit auch Konzernversetzungsklauseln für den Arbeitnehmer nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile mit sich brin-

1 UBH/Habersack, § 309 Nr. 10 Rz. 8. 2 WLP/Dammann, § 309 Nr. 10 Rz. 19. 3 DBD/Däubler, § 309 Nr. 10 Rz. 2; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 86; HWK/ Gotthardt, § 309 BGB Rz. 13; MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 438; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 186; a.A. WLP/Dammann, § 309 Nr. 10 Rz. 50; offengelassen in BAG 13.4.2010 – 9 AZR 36/09 – DB 2010, 2805.

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gen können1 und eine sachgerechte Kontrolle daraufhin, ob die Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung für den Arbeitnehmer führt, ohnehin nur am Maßstab der Generalklausel des § 307 BGB erfolgen kann. 126 Da § 613a BGB einen Übergang von Verbindlichkeiten gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bereits aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer ausgeschieden sind, nicht vorsieht, geht auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dann nicht gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber über, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits ausgeschieden war, das Wettbewerbsverbot zu diesem Zeitpunkt also bereits in Kraft getreten war. Da ein Verbleib des Wettbewerbsverbots beim Veräußerer nicht nur für diesen, sondern insbesondere für den Erwerber nachteilig sein kann, sehen die Vertragsbedingungen von Arbeitgebern nicht selten vor, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf einen künftigen Betriebsübernehmer übergeht. Ähnliche Bestimmungen werden auch für den Fall vereinbart, dass es zu Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns kommt.2 Hier stellt sich die Frage, ob derartige Klauseln den Anforderungen des § 309 Nr. 10 BGB genügen müssen. Bejaht man eine analoge Anwendung von § 613a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsabreden, wofür die besseren Argumente sprechen,3 so sind die Klauseln bereits deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB, sondern allein an § 307 BGB zu messen, weil sie insoweit keinen konstitutiven Charakter haben (zum Erfordernis des konstitutiven Charakters s. Erl. Rz. 123). Aber auch dann, wenn man eine analoge Anwendung von § 613a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsabreden ablehnt, scheitert eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB. Dies folgt aus den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung des § 309 Nr. 10 BGB auf Arbeitsverträge angemessen zu berücksichtigen sind. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind übliche Erscheinungen des Arbeitslebens. Sie werden regelmäßig bei Abschluss eines Arbeitsvertrages oder im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses, also zu einem Zeitpunkt vereinbart, zu dem der spätere Betriebserwerber noch nicht feststeht und deshalb namentlich nicht benannt werden kann. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gerade für den Fall vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen

1 Vgl. hierzu im Einzelnen Lingemann, NZA 2002, 181 (191 m.w.N.). 2 Vgl. Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1615). 3 Vgl. MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 613a Rz. 102 m.w.N.

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Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet ist, mithin ein Dienstvertrag i.S.d. § 309 Nr. 10 BGB nicht mehr besteht.1 Einstweilen frei.

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11. § 309 Nr. 11 BGB (Haftung des Abschlussvertreters) Wer im Namen eines anderen mit Vertretungsmacht eine Willenserklärung abgibt, verpflichtet nicht sich, sondern den Vertretenen. Nur diesen treffen die Wirkungen des Rechtsgeschäfts. Handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht, so richtet sich seine Haftung nach § 179 BGB.

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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 11 BGB Für den Verwender kann ein berechtigtes Bedürfnis nach einer Mitverpflichtung bzw. Mithaftung des Vertreters seines Vertragspartners bestehen. Ein solches Bedürfnis ist insbesondere dann anzuerkennen, wenn der Vertretene – was der Verwender weiß – minderjährig und/oder vermögens- oder einkommenslos ist.2 Eine formularmäßige Begründung einer solchen Mitverpflichtung bzw. Mithaftung ist jedoch nur in den Grenzen des § 309 Nr. 11 BGB möglich. Dabei unterscheidet § 309 Nr. 11 BGB zwei Fallgruppen: Während es in § 309 Nr. 11a BGB um die Haftung bzw. Einstandspflicht des Vertreters mit Vertretungsmacht geht, betrifft § 309 Nr. 11b BGB die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht.

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aa) Verbot der formularmäßigen Mithaftung, § 309 Nr. 11a BGB Der Verbotstatbestand des § 309 Nr. 11a BGB setzt das Handeln eines Vertreters mit Vertretungsmacht voraus. Dabei kann die Vertretungsmacht sowohl rechtsgeschäftlichen als auch gesetzlichen Ursprungs sein. Vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 11a BGB erfasst wird auch der Vertreter ohne Vertretungsmacht, sofern der Vertretene die Vertretung nachträglich genehmigt hat, § 177 BGB.3 Unter § 309 Nr. 11a BGB fallen nicht nur Bestimmungen, die eine Mithaftung des Vertreters begründen, sondern auch solche, die die Begründung einer Einstandspflicht zum Inhalt haben. Mit dem Merkmal „Einstandspflicht“ hat das 1 Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1615); a.A. WLP/Dammann, § 309 Nr. 10 Rz. 51–59. 2 Vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 11 Rz. 1. 3 Erman/Roloff, § 309 Rz. 140; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 11 Rz. 3.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass jegliche Eigenverpflichtung des Vertreters vom Klauselverbot erfasst werden soll, so z.B. auch der Schuldbeitritt, die Garantie oder Bürgschaft.1 § 309 Nr. 11a BGB ist eine besondere Ausprägung des Verbots überraschender Klauseln. Es ist Sinn und Zweck der Vorschrift, den Vertreter davor zu schützen, dass er durch eine Mithaftungserklärung „gewissermaßen übertölpelt“ wird.2 Aus diesem Grund kann sich der Verwender die Haftung des Abschlussvertreters oder dessen Einstandspflicht nicht ohne weiteres formularmäßig ausbedingen. Vielmehr sind die Erfordernisse des § 309 Nr. 11a BGB zu wahren. Danach bedarf es einer auf eine entsprechende Haftung oder Einstandspflicht gerichteten ausdrücklichen und gesonderten Erklärung des Vertreters. 134 Der Begriff der „gesonderten Erklärung“ entspricht dem der „gesonderten Unterschrift“ in § 309 Nr. 12 letzter Halbs. BGB; er ist einheitlich auszulegen, weil damit jeweils eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Inhalt des Formulars bewirkt und dem anderen Teil auf diese Weise Inhalt und Bedeutung des Rechtsgeschäfts klar vor Augen geführt werden sollen.3 Die mit § 309 Nr. 11a BGB bezweckte Warnung des Abschlussvertreters erfordert es zwar nicht, dass die Erklärung des Vertreters zur eigenen Haftung oder Einstandspflicht in einer vom Hauptvertrag getrennten Urkunde abgegeben wird; allerdings müssen der Text der Haftungserklärung4 sowie die sich darauf beziehende Unterschrift deutlich von dem Wortlaut des Vertrages abgesetzt sein, um dem Vertreter Inhalt und Wirkung seiner eigenen Erklärung deutlich zu machen.5 Deshalb ist die Urkunde äußerlich so zu gestalten, dass sie dem Vertreter die Rechtslage unübersehbar vor Augen führt. Bereits aus dem äußeren Aufbau der Urkunde muss der Doppelcharakter der Verpflichtung – Rechtsgeschäft für den Vertretenen auf der einen Seite und eigene Haftungserklärung auf der anderen Seite – klar hervortreten. Deshalb muss der Vertreter, da zwei Rechtsgeschäfte vorliegen, auch zweimal unterschreiben, wobei auch die Unterschriften klar und unmissverständlich voneinander abgesetzt sein müssen.6

1 Vgl. BGH 19.7.2001 – IX ZR 411/00 – NJW 2001, 3186. 2 BGH 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – NJW 2006, 996. 3 Erman/Roloff, § 309 Rz. 141; BGH 19.7.2001 – IX ZR 411/00 – NJW 2001, 3186. 4 Dass die gesonderte Erklärung schriftlich abzugeben ist, ergibt sich demnach von selbst, vgl. UBH/Habersack, § 309 Nr. 11 Rz. 10. 5 BGH 19.7.2001 – IX ZR 411/00 – NJW 2001, 3186. 6 Erman/Roloff, § 309 Rz. 141; UBH/Habersack, § 309 Nr. 11 Rz. 11.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

§ 309 Nr. 11a BGB erfordert ein Handeln eines Vertreters. Hat der Han- 135 delnde den Vertrag im eigenen Namen abgeschlossen, so findet § 309 Nr. 11a BGB grundsätzlich keine Anwendung.1 Schließt der Vertreter den Vertrag sowohl im eigenen als auch im fremden Namen ab, so ist zu differenzieren: Liegt ein Fall einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 427 BGB vor, greift der über § 309 Nr. 11a BGB vermittelte Schutz bereits deshalb nicht ein, weil die die Mithaftung begründende Klausel nur das wiedergibt, was kraft Gesetzes ohnehin gilt. Eine solche Klausel ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen und nur darauf zu überprüfen, ob sie den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt. Ist der Handelnde zwar nicht zusammen mit dem Vertretenen Vertragspartner geworden, haftet er jedoch für die Verbindlichkeit des Vertretenen aus einem zusätzlichen, im eigenen Namen abgeschlossenen Vertrag, z.B. einem Garantievertrag, so findet ebenfalls keine Kontrolle der Klausel am Maßstab des § 309 Nr. 11a BGB statt.2 In einem solchen Fall bedarf der Vertreter nicht des Schutzes nach dieser Bestimmung. bb) Abbedingung des § 179 BGB, § 309 Nr. 11b BGB Nach § 309 Nr. 11b BGB ist jede formularmäßige Erweiterung der Haf- 136 tung des Vertreters ohne Vertretungsmacht über den durch § 179 BGB gesteckten Rahmen hinaus unwirksam. Das bedeutet, dass die dem Vertreter ohne Vertretungsmacht zugute kommenden Haftungsgrenzen des § 179 Abs. 2 und 3 formularmäßig nicht abbedungen werden können. Derartige Klauseln sind unwirksam. An ihre Stelle tritt das Gesetzesrecht, mithin § 179 BGB. b) Bedeutung des § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht § 309 Nr. 11 BGB findet grundsätzlich auch beim Abschluss von Ar- 137 beitsverträgen Anwendung. Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Da Arbeitnehmer beim Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen regelmäßig nicht vertreten werden, sondern den Vertrag selbst abschließen und auch in anderen Fällen regelmäßig kein Arbeitgeberinteresse an einer Mithaftung be-

1 WLP/Dammann, § 309 Nr. 11 Rz. 12. 2 WLP/Dammann, § 309 Nr. 11 Rz. 12; BGH 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – NJW 2006, 996.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

steht, wird § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht praktisch nur selten zum Tragen kommen.1 12. § 309 Nr. 12 BGB (Beweislast) 138 Nach § 309 Nr. 12 BGB ist eine Bestimmung unwirksam, wonach der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragspartners ändert, insbesondere wenn er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Teil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 12 BGB 139 Ob Ansprüche erfolgreich geltend gemacht werden können, hängt oftmals entscheidend von der Verteilung der Beweislast ab. § 309 Nr. 12 BGB liegt die Erwägung zugrunde, dass sowohl die gesetzlich verankerten als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastregeln nicht nur Ausdruck formal-verfahrensrechtlicher Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern „typische Ausprägungen“ materieller Gerechtigkeitsgebote sind.2 Deshalb verbietet § 309 Nr. 12 BGB alle beweisrechtlichen Abreden, die den Vertragspartner im Vergleich zur gesetzlichen oder richterrechtlichen Regelung schlechter stellen. § 309 Nr. 12 BGB will verhindern, dass späteres gegenteiliges Vorbringen des Verwendungsgegners „erschwert oder unmöglich“ gemacht wird.3 Die Regelung nennt zwar unter den Buchstaben a) und b) zwei Fälle unzulässiger Beweislastvereinbarungen; dabei handelt es sich jedoch, wie aus dem Wort „insbesondere“ folgt, lediglich um Beispielsfälle, die der Gesetzgeber für typisch und wichtig gehalten hat.4 140 Der Begriff der „Änderung der Beweislast“ in § 309 Nr. 12 BGB ist weit zu verstehen. Erfasst werden nicht nur alle Abweichungen von den gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Verteilung der objektiven Beweislast sowie subjektiven Beweisführungslast.5 1 DBD/Däubler, § 309 Nr. 11 Rz. 1. 2 Erman/Roloff, § 309 Rz. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1034; BT-Drucks. 7/3919, S. 38. 3 BT-Drucks. 7/3919, S. 39; Vgl. BGH 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 – ZIP 1987, 448. 4 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 12 Rz. 1. 5 WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 10–12.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

Für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB genügt vielmehr schon der „Versuch des Verwenders, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern“.1 Deshalb sind auch Klauseln, die lediglich eine Änderung der Darlegungslast vorsehen, am Maßstab des § 309 Nr. 12 BGB zu messen.2 Auch Klauseln, die die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins ändern,3 die die Anforderungen an die Beweisführung verschärfen, die die Beweisführung faktisch – durch Tatsachenbestätigungen mit Indizwirkung – erschweren oder die dem Verwendungsgegner den Nachweis einer ihm günstigen Tatsache durch unwiderlegliche Vermutungen oder Fiktionen im engeren Sinne gänzlich versperren, fallen unter das Verbot des § 309 Nr. 12 BGB.4 Nach Auffassung des BGH ist § 309 Nr. 12 BGB allerdings nur dann anwendbar, wenn der Inhalt der Klausel noch Raum für eine den Vertragspartner des Verwenders treffende Beweislast lässt. Alle durch einen (Gegen-)Beweis nicht mehr änderbaren inhaltlichen Interessenverschiebungen durch AGB sind deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 12 BGB zu überprüfen, sondern im Rahmen der Kontrolle nach § 307 BGB zu würdigen.5 Demgegenüber ist es für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB unerheblich, ob der Verwender die Möglichkeit gehabt hätte, seine Haftung vollständig auszuschließen und stattdessen lediglich die Beweislast umgekehrt hat. Eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 12 BGB kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.6 Nicht unter § 309 Nr. 12 BGB fallen das formularmäßige abstrakte 141 Schuldanerkenntnis und das formularmäßige abstrakte Schuldversprechen.7 Durch das abstrakte Schuldversprechen bzw. das abstrakte Schuldanerkenntnis wird neben der originären Verbindlichkeit ein selbständiger materieller Schuldgrund geschaffen. Wird der Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis bzw. dem Schuldversprechen geltend gemacht, 1 2 3 4

Vgl. BGH 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 – ZIP 1987, 448. WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 13 m.w.N. BGH 8.10.1987 – VII ZR 185/86 – NJW 1988, 258. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1039; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 14–20 m.w.N. 5 BGH 8.10.1987 – VII ZR 185/86 – NJW 1988, 258; a.A. UBH/Habersack, § 309 Nr. 12 Rz. 12 m.w.N. 6 Vgl. Erman/Roloff, § 309 Rz. 148 m.w.N.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1045 m.w.N.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12, Rz. 21; a.A. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 107 m.w.N. 7 BGH 18.12.1986 – IX ZR 11/86 – NJW 1987, 904; BGH 5.3.1991 – XI ZR 75/90 – NJW 1991, 1677; Erman/Roloff, § 309 Rz. 148; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 107; UBH/Habersack, § 309 Nr. 12 Rz. 13; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 23.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

muss zwar der Schuldner im Wege der Bereicherungseinrede das Nichtentstehen oder Erlöschen seiner Schuld beweisen. Diese Beweislastverteilung beruht jedoch nicht auf einer die Beweislast zum Nachteil des Schuldners abändernden Klausel, sondern ist Folge der rechtlich möglichen Vereinbarung eines abstrakten Schuldgrundes und damit gesetzlichen Ursprungs. Keine verbotene Beweislaständerung ist ebenso anzunehmen bei der Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.1 Beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis liegt die Anerkenntniswirkung allein in der Feststellung des Ausgangsschuldverhältnisses. Damit hat sich keine Beweislast der Parteien verlagert, sondern es sind mögliche Beweisfragen durch das materielle Recht beseitigt worden. aa) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12a BGB 142 Nach § 309 Nr. 12a BGB sind ausdrücklich Klauseln untersagt, die dem Vertragspartner die Beweislast für Umstände auferlegen, die im „Verantwortungsbereich des Verwenders“ liegen, soweit darin eine Abweichung von den Beweislastregeln des dispositiven Rechts liegt. Deshalb muss es sich um Umstände handeln, die im alleinigen Verantwortungsbereich des Verwenders liegen. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn eine schadensursächliche Tätigkeit des Verwenders sich öffentlich und wahrnehmbar abspielt.2 bb) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12b BGB 143 Von großer praktischer Bedeutung sind die in § 309 Nr. 12b BGB besonders erwähnten Tatsachenbestätigungen. Dabei sind nach dem Schutzzweck des § 309 Nr. 12 BGB Tatsachenbestätigungen nicht nur in dem praktisch äußerst seltenen Fall unzulässig, dass sie die Beweislast umkehren, sondern bereits dann, wenn sie die Beweislast faktisch zum Nachteil des Kunden verschieben. Nach § 309 Nr. 12 BGB reicht für eine Änderung der Beweislast schon der Versuch des Verwenders aus, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern. Bereits dann, wenn die formularmäßige Klausel zur Folge haben kann, dass der Richter die Anforderungen an den Beweis zum Nachteil des Kunden erhöht – bei dessen Beweislast – oder aber ermäßigt – bei Beweislast des Verwenders –, liegt eine für § 309 Nr. 12 BGB maßgebliche Änderung des Anwen-

1 BGH 3.4.2003 – IX ZR 113/02 – NJW 2003, 2386; BAG 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 – NJW 2005, 3164; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 26. 2 Erman/Roloff, § 309 Rz. 149; UBH/Habersack, § 309 Nr. 12 Rz. 16.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

dungsbereichs der Beweislast vor.1 Hierzu zählen insbesondere Tatsachenbestätigungen, die rechtlich relevante Umstände beschreiben (z.B. die Aushandelnsbestätigung oder die Erklärung des Einverständnisses der Eltern durch den Minderjährigen), Wissenserklärungen, wenn sie sich zum Nachteil des Kunden auswirken können und Erklärungen über tatsächliche Vorgänge. Zu den Erklärungen über tatsächliche Vorgänge gehört auch das Emp- 144 fangsbekenntnis. Erteilt eine Person bei Empfang einer Leistung ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung, § 368 BGB), so muss sie fortan beweisen, dass sie die Leistung nicht empfangen hat, dass die Quittung also unrichtig ist. Damit wäre ein vorformuliertes Empfangsbekenntnis als beweislaständernde Tatsachenbestätigung i.S.d. § 309 Nr. 12b BGB stets unwirksam. Diese Rechtsfolge hat der Gesetzgeber mit § 309 Nr. 12 BGB indes nicht angeordnet. Ihm erschien es vielmehr ausreichend, den Vertragspartner des Verwenders vor den Folgen vorformulierter Empfangsbekenntnisse nur dann zu schützen, wenn sich diese in den AGB des Verwenders an versteckter Stelle befinden.2 Deshalb nimmt § 309 Nr. 12b BGB in seinem letzten Halbsatz Empfangsbekenntnisse dann vom strikten Klauselverbot aus, wenn sie gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten elektronischen Signatur versehen sind. Dass das Empfangsbekenntnis „gesondert“ zu unterschreiben ist, bedeu- 145 tet nicht, dass hierüber eine gesonderte Urkunde erstellt werden müsste; es genügt vielmehr, dass es getrennt vom sonstigen Vertragstext erteilt wird, räumlich und drucktechnisch vom sonstigen Vertragstext deutlich abgehoben ist und sich die Unterschrift bzw. elektronische Signatur erkennbar nur auf das Empfangsbekenntnis bezieht3 (zur gesonderten Unterschrift s. auch Erl. Rz. 134). Zwar ist eine Klausel, wonach mündliche Abreden nicht getroffen sind, eine Tatsachenbestätigung i.S.d. § 309 Nr. 12b BGB.4 Dennoch wird sie nicht von der in der Bestimmung angeordneten Unwirksamkeitsfolge erfasst. Eine Bestimmung, wonach mündliche Nebenabreden nicht bestehen, gibt nämlich lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der 1 BGH 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 – NJW 1987, 1634; BGH 9.11.1989 – IX ZR 269/87 – NJW 1990, 761. 2 MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 12 Rz. 19. 3 BGH 24.3.1988 – III ZR 21/87 – NJW 1988, 2106; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 12 Rz. 20; UBH/Habersack, § 309 Nr. 12 Rz. 24; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 62. 4 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 39.

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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Vollständigkeit der Vertragsurkunde wieder und lässt dem AGB-Kunden den Gegenbeweis offen.1 b) Bedeutung des § 309 Nr. 12 BGB im Arbeitsrecht 147 § 309 Nr. 12 BGB gilt grundsätzlich auch im Arbeitsrecht. Zwar sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Soweit es um die Beweislastverteilung geht, sind solche Besonderheiten aber gerade nicht zu erkennen.2 Sowohl die gesetzlich verankerten als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastregeln sind nicht nur Ausdruck formal-verfahrensrechtlicher Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern „typische Ausprägungen“ materieller Gerechtigkeitsgebote.3 Vor diesem Hintergrund besteht im Arbeitsrecht kein geringeres Schutzbedürfnis der Betroffenen als im sonstigen Zivilrecht.4 148 Von besonderer Bedeutung im Arbeitsrecht sind Klauseln, die die Beweislast im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung abweichend von § 619a BGB regeln. Hier gilt Folgendes: Geht man mit der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil des Schrifttums davon aus, dass die Regeln über die Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind, von denen weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann und erstreckt den einseitig zwingenden Charakter nicht nur auf die Elemente dieses spezifischen Haftungssystems, sondern auch auf die nunmehr in § 619a BGB niedergelegte Verteilung der Beweislast, so folgt die Unwirksamkeit einer zu Lasten des Arbeitnehmers abweichenden Bestimmung bereits aus § 619a BGB selbst.5 Andernfalls wäre die Klausel an den Maßstäben des § 309 Nr. 12 BGB zu messen, was allerdings ebenfalls deren Unwirksamkeit zur Folge hätte.

1 BGH 14.10.1999 – III ZR 203/98 – NJW 1987, 1634. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 80; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 82. 3 Erman/Roloff, § 309 Rz. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1034; BT-Drucks. 7/3919, S. 38. 4 WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 82. 5 Vgl. BAG 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 – NZA 1999, 141; BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98 – NZA 2000, 715; DBD/Däubler, § 309 Nr. 12, Rz. 5; a.A. WLP/ Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 81.

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Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

In der Praxis finden sich nicht selten Mankoklauseln,1 die mit Blick auf die Haftung für Fehlbestände die Beweislast zu Lasten des Arbeitnehmers verändern.

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Beschränkt sich die Mankoabrede auf die Begründung einer Garantiehaf- 150 tung gegen Gewährung des Mankogeldes, so hat zunächst der Arbeitgeber den behaupteten Fehlbetrag oder Fehlbestand substantiiert darzulegen und zu beweisen. Ferner trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität.2 Zuweilen verzichten Mankoabreden aber auch auf eine generelle Haftungsüberwälzung auf den Arbeitnehmer, unterwerfen diesen jedoch hohen Beweislastanforderungen.3 Insoweit sehen die Klauseln regelmäßig vor, dass der Arbeitnehmer sich zu entlasten habe. Das BAG hat derartige Klauseln vor der Schuldrechtsreform grundsätzlich für zulässig erachtet, sofern sie eine sinnvolle, den Eigenarten des Betriebes und der Beschäftigung angepasste Beweislastverteilung enthielten.4 Ob an dieser Rechtsprechung auch unter Geltung der §§ 305 ff. BGB festgehalten werden kann oder ob derartige Mankoklauseln nach § 309 Nr. 12 BGB unwirksam sind, wird unterschiedlich beurteilt.5 Obgleich der Arbeitnehmer durch eine vollständige Haftungsüberwälzung stärker betroffen wird als durch eine Beweislastabrede zu seinen Lasten, spricht alles für eine Unwirksamkeit einer solchen Bestimmung nach § 309 Nr. 12 BGB. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 12 BGB, dass der Inhalt der Klausel noch Raum für eine den Vertragspartner des Verwenders treffende Beweislast lässt, ist hier ohne weiteres erfüllt. Zudem ist es für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB gerade unerheblich, dass der Verwender die Möglichkeit gehabt hätte, seine Haftung vollständig auszuschließen und er stattdessen lediglich die Beweislast umgekehrt hat. Eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 12 BGB kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.6 Hintergrund ist, dass die Risiken, die mit einer Ände1 2 3 4

Zur Mankohaftung allgemein vgl. Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II M 10. Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 13. Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 14. BAG 13.2.1974 – 4 AZR 13/73 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 77; BAG 29.1.1985 – 3 AZR 570/82 – NJW 1986, 856. 5 Für eine Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 12 BGB z.B.: Deinert, RdA 2000, 22 (35); ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 90; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 14 und 15; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 83; a.A. Schwirtzek, NZA 2005, 437 (442). 6 Vgl. Erman/Roloff, § 309 Rz. 148 m.w.N.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1045 m.w.N.; WLP/Dammann, § 309 Nr. 12, Rz. 21 m.w.N.; a.A. Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 107 m.w.N.

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§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

rung der Beweislast einhergehen, für den Vertragspartner des Verwenders bei Vertragsschluss häufig schwerer einzuschätzen sind als die Gefahren, die mit einer Änderung des materiellen Rechts im engeren Sinne verbunden sind. Deshalb wird sich der Vertragspartner bei einer Bestimmung, die lediglich die Beweislast ändert, eher zu einem erfolglosen und daher kostspieligen Rechtsstreit entschließen.1 151 Dass Empfangsbekenntnisse, um der Unwirksamkeitsfolge nach § 309 Nr. 12 BGB zu entgehen, gesondert unterschrieben werden müssen, gilt auch im Arbeitsrecht. Das BAG hat diese Frage vor der Schuldrechtsreform zwar nicht ausdrücklich entschieden; in seinem Urteil vom 16. März 1994,2 in dem es um die Rückzahlung von Ausbildungskosten ging, hat es jedoch in der Bestätigung des Arbeitnehmers, ihm sei bekannt, dass die Ausbildung teurer sei als der Betrag, den der Arbeitgeber zurückfordere, eine unzulässige Beweislaständerung gesehen und sich dabei ausdrücklich auf den Rechtsgedanken der Vorgängerregelung des § 309 Nr. 12 BGB (§ 11 Nr. 15 AGBG) bezogen. Allgemein wird deshalb für die Praxis empfohlen, Empfangsbekenntnisse vom übrigen Vertragstext deutlich abzugrenzen und sie vom Vertragspartner gesondert unterzeichnen zu lassen. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB 152 Klauseln, die die Beweislast i.S.d. § 309 Nr. 12 BGB ändern, sind unwirksam und entfallen ersatzlos. Gemäß § 306 Abs. 2 BGB richtet sich die Beweislast nun nach der gesetzlichen Beweislastverteilung und den von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastgrundsätzen. Eine unwirksame Klausel darf auch nicht im Rahmen der Beweiswürdigung als Indiz zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders verwertet werden.3 13. § 309 Nr. 13 BGB (Form von Anzeigen und Erklärungen) 153 Die letzte Bestimmung im Katalog der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit erklärt Klauseln in AGB für unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden.

1 So ausdrücklich WLP/Dammann, § 309 Nr. 12 Rz. 21. 2 BAG 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 – NJW 1994, 937. 3 Erman/Roloff, § 309 Rz. 153.

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§ 309

Die einzelnen Klauselverbote

a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 13 BGB § 309 Nr. 13 BGB lässt sich als „Gegenstück“ zu § 309 Nr. 6 BGB begrei- 154 fen.1 Während § 309 Nr. 6 BGB Nachweiserleichterungen für den Zugang von Erklärungen des Verwenders in Form von Zugangsfiktionen einschränkt, betrifft § 309 Nr. 13 BGB gerade den umgekehrten Fall und will verhindern, dass Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders gegenüber dem Verwender erschwert werden und der Vertragspartner des Verwenders hierdurch Rechtsnachteile erleidet.2 Die Vorschrift soll den Vertragspartner vor Klauseln schützen, die ihm die Durchsetzung seiner Rechte durch Bindung von Anzeigen oder Erklärungen an übersteigerte Form- oder Zugangserfordernisse erschweren.3 Von § 309 Nr. 13 BGB werden alle Arten von Erklärungen des Kunden 155 erfasst, die die Abwicklung, Durchführung und Beendigung des Vertragsverhältnisses betreffen. Damit fallen nicht nur Willenserklärungen, wie Anfechtungs-, Rücktritts- und Kündigungserklärungen unter die Bestimmung, sondern auch Erklärungen geschäftsähnlicher oder tatsächlicher Art, die für die Rechtsausübung oder Rechtswahrnehmung bedeutsam sind, wie Mahnung, Mängelanzeigen, Schadensmeldungen und Abtretungsanzeigen.4 Es muss sich um Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders han- 156 deln. Hierzu gehören nicht nur Erklärungen, die der Kunde selbst abgibt, sondern auch solche, die dem Vertragspartner des Verwenders zugerechnet werden. Nicht von § 309 Nr. 13 BGB erfasst werden demnach Erklärungen des Verwenders. Ebenso fallen vertragliche Abreden zwischen den Parteien nicht unter das Klauselverbot. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, wonach die Erklärungen vom Vertragspartner des Verwenders „abzugeben sind“. Bestätigt wird dieses Verständnis der Bestimmung auch durch die Entstehungsgeschichte. Das im Regierungsentwurf zum AGB-Gesetz5 noch enthaltene Verbot eines Schriftformerfordernisses für alle vertraglichen Abreden ist nach den Beratungen des Bundestagsrechtsausschusses nicht Gesetz geworden.6

1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 672 m.w.N. 2 Erman/Roloff, § 309 Rz. 156; MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 13 Rz. 1; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 111; UBH/Habersack, § 309 Nr. 13 Rz. 1; WLP/ Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 1. 3 So zu § 11 Nr. 16 AGBG: BGH 24.3.1999 – IV ZR 90/98 – NJW 1999, 2279. 4 UBH/Habersack, § 309 Nr. 13 Rz. 4; WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 10. 5 BT-Drucks. 7/3919, § 9 Nr. 17. 6 UBH/Habersack, § 309 Nr. 13 Rz. 1.

Schlewing 499

§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

157 Die Erklärungen müssen gegenüber dem Vertragspartner des Verwenders oder einem Dritten gegenüber abzugeben sein. Damit kommen als Erklärungsempfänger nicht nur der Verwender sowie seine Vertreter und andere Hilfspersonen, sondern auch Dritte in Betracht. Praktisch bedeutsam wird letzteres insbesondere dann, wenn ein Dritter den Vertrag übernimmt (§ 309 Nr. 10a BGB) oder nach § 309 Nr. 8b bb BGB vorrangig haftet. 158 § 309 Nr. 13 BGB erklärt eine strengere Form als die Schriftform für unwirksam. Eine von § 309 Nr. 13 BGB verbotene strengere Form als die Schriftform ist in jeder Anforderung zu sehen, die über die in §§ 126, 127 BGB aufgestellten Anforderungen hinausgehende Vorgaben enthält.1 Damit verstößt ein einfaches Schriftformerfordernis nicht gegen dieses Klauselverbot. Unwirksam sind demgegenüber Vorgaben, die für Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) oder die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB) vorsehen.2 Aber auch sonstige Erschwerungen sind verboten. Damit stellt sich auch die Beschränkung auf bestimmte Übermittlungsarten, z.B. Telefax oder die Pflicht zur Verwendung bestimmter Formulare als Verschärfung der gewöhnlichen Schriftform dar.3 159 Eine Klausel ist auch dann gemäß § 309 Nr. 13 BGB unwirksam, wenn der Verwender in AGB besondere Zugangserfordernisse für Erklärungen und Anzeigen seines Vertragspartners aufstellt. Als besondere Zugangserfordernisse sind dabei solche anzusehen, die über die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen für empfangsbedürftige Willenserklärungen (§§ 130, 131 BGB) hinausgehen.4 Vor diesem Hintergrund darf der Verwender nicht den Zugang per Post, per Einschreiben5 oder gar gegen Quittung fordern. Nach § 309 Nr. 13 i.V.m. § 130 BGB muss es zudem genügen, dass eine Erklärung in den Machtbereich des Verwenders gelangt. Die Vorgabe einer bestimmten Stelle oder Verwaltungseinheit aus diesem Bereich (z.B. Vorstand, Geschäftsleitung, Kundendienststelle, Personalbüro) ist demzufolge nicht möglich.6 Demgegenüber fallen Re-

1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 674. 2 WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 23, 24 m.w.N. 3 Erman/Roloff, § 309 Rz. 157; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 112; Stoffels, AGBRecht, Rz. 674 m.w.N. 4 BGH 10.2.1999 – IV ZR 324/97 – NJW 1999, 1633. 5 BGH 28.2.1985 – IX ZR 92/84 – NJW 1985, 2585. 6 WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 8 m.w.N.

500 Schlewing

Die einzelnen Klauselverbote

§ 309

gelungen der Empfangsbevollmächtigung nicht unter § 309 Nr. 13 BGB.1 Derartige Regelungen gestalten und bestimmen erst den Zugangsbereich des Adressaten und schaffen deshalb grundsätzlich noch kein „besonderes“ Zugangserfordernis im Sinne des § 309 Nr. 13 BGB. b) Bedeutung des § 309 Nr. 13 BGB im Arbeitsrecht § 309 Nr. 13 BGB findet auch auf Arbeitsverträge grundsätzlich Anwen- 160 dung. Deshalb sind auch im Arbeitsrecht Bestimmungen, die Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Dritten abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse binden, grundsätzlich unzulässig.2 Mithin können in Formulararbeitsverträgen für die Kündigung keine über § 623 BGB hinausgehenden Anforderungen aufgestellt werden. Ebenso darf der eingeschriebene Brief nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung gemacht werden. Auf der anderen Seite folgt aus § 309 Nr. 13 BGB, dass der Arbeitgeber die wirksame Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen von Ausschlussfristen auf der ersten Stufe von der Schriftform abhängig machen darf.3 Häufig finden sich in arbeitsvertraglichen Abreden sog. doppelte Schriftformklauseln, wonach Änderungen und Ergänzungen des Vertrages, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam sind, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet wurden und dass dies auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis gelten soll. Da nicht nur Änderungen und Ergänzungen des Vertrages, sondern auch der Verzicht auf das Schriftformerfordernis nur durch Verzichtserklärung durch die eine Partei und Annahme der Verzichtserklärung durch die andere Partei zustande kommen und vertragliche Abreden zwischen den Parteien nicht unter das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 BGB fallen (s. hierzu Erl. Rz. 156), werden doppelte Schriftformklauseln nicht von § 309 Nr. 13 BGB erfasst. Zudem werden die Erklärungen des Arbeitnehmers von vornherein nicht an eine strengere Form 1 H.M., vgl. nur BGH 10.2.1999 – IV ZR 324/97 – NJW 1999, 1633; BGH 24.3.1999 – IV ZR 90/98 – NJW 1999, 2279; Erman/Roloff, § 309 Rz. 158; Palandt/Grüneberg, § 309 Rz. 113; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 676; WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 9; a.A. wohl MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 13 Rz. 5. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 83; Reinecke, NZA Beilage 3/2000, 23 (27); Reinecke, DB 2002, 583 (586); UBH/Fuchs, § 310 Rz. 212. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 83; vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 13 Rz. 4; BGH 18.1.1989 – VIII ZR 142/88 – NJW-RR 1989, 625.

Schlewing 501

161

§ 309

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

als die Schriftform gebunden.1 Ein doppeltes Schriftformerfordernis kann allerdings nach § 307 BGB unwirksam sein.2 162 Umstritten ist, ob § 309 Nr. 13 BGB der Wirksamkeit von in Arbeitsverträgen häufig verwendeten zweistufigen Ausschlussklauseln entgegensteht, die vom Arbeitnehmer nicht nur verlangen, dass er seine Ansprüche innerhalb einer ersten Frist mündlich oder schriftlich beim Arbeitgeber geltend macht, sondern zudem für den Fall der Ablehnung durch den Arbeitgeber bzw. für den Fall, dass der Arbeitgeber sich innerhalb einer bestimmten Frist nicht äußert, die gerichtliche Geltendmachung vorsehen.3 Die Befürworter der Unwirksamkeit einer solchen Klausel argumentieren überwiegend damit, dass die Klage als eine Erklärung des Arbeitnehmers zu werten sei, die an eine strengere Form als die Schriftform bzw. an besondere Zugangserfordernisse gebunden werde. Das BAG hat es in seinem Urteil vom 25.5.20054 nicht nur dahinstehen lassen, ob mit dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche eine strengere Form als die Schriftform oder ein besonderes Zugangserfordernis verbunden ist; ebenso offen gelassen hat es der 5. Senat des BAG in der Entscheidung, ob die Klage überhaupt eine Erklärung oder Anzeige darstellt, die dem Arbeitgeber als Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben ist. Jedenfalls gebiete es die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB), zweistufige Ausschlussfristen zuzulassen. Ausschlussklauseln seien im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie dienten der seit langem dort anerkanntermaßen raschen Klärung von Ansprüchen und der Bereinigung offener Streitpunkte. Es spricht viel dafür, dass Ausschlussklauseln, die eine gerichtliche Geltendmachung zwingend vorsehen, von vornherein nicht unter § 309 Nr. 13 BGB fallen. Zum einen wird die Erklärung oder Anzeige des Arbeitnehmers nicht an eine bestimmte Form gebunden; vielmehr wird das Schicksal des Anspruchs mit der gerichtlichen Geltendmachung verknüpft.5 Es kommt 1 BAG 20.5.2008 – 9 AZR 384/07 – NZA 2008, 1233. 2 Vgl. UBH/Fuchs, § 310 Rz. 218. 3 Für eine Unwirksamkeit z.B. Annuß, BB 2002, 458 (463); Däubler, NZA 2001, 1329 (1336); DBD/Däubler, § 309 Nr. 13 Rz. 6 m.w.N.; Hönn, ZfA 2003, 325 (340); Lakies, NZA 2004, 569 (575); Singer, RdA 2003, 194 (201); gegen eine Anwendung von § 309 Nr. 13 BGB auf doppelte Schriftformklauseln z.B. ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 83 und §§ 194–218 BGB Rz. 45; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (145); UBH/Habersack, § 309 Nr. 13 Rz. 212; WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69. 4 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – NZA 2005, 1111. 5 ErfK/Preis, §§ 194–218 BGB Rz. 45.

502 Schlewing

Anwendungsbereich

§ 310

hinzu, dass der Arbeitnehmer stets gezwungen sein kann, Klage zu erheben1 und dass nach § 253 ZPO Klagen stets schriftlich zu erheben sind und insofern keine weitergehende Anforderung bestimmt wird. Im Übrigen – und das dürfte entscheidend sein – kommt es dem Arbeitgeber nicht darauf an, die Klageschrift zugestellt zu erhalten.2 Dem Arbeitgeber geht es vielmehr darum, eine endgültige Klärung offener Ansprüche innerhalb einer Frist herbeizuführen, die kürzer ist als die Verjährungsfrist. Im Hinblick auf die Verjährung ist in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt, dass die Verjährung u.a. durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt wird. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 13 BGB Eine AGB-Klausel, die eine strengere Form als die Schriftform oder ein besonderes Zugangserfordernis vorsieht, ist unwirksam. An ihre Stelle treten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regeln. Sofern das Gesetzesrecht spezielle Formerfordernisse enthält, gelten diese. Andernfalls kann können Erklärungen und Anzeigen des Vertragspartners des Verwenders formfrei abgegeben werden.

163

Ob die Klausel stets insgesamt unwirksam ist, ist eine Frage des Einzel- 164 falls. Ist der unwirksame Teil inhaltlich und sprachlich vom Rest der Klausel teilbar, so kann der Fall eintreten, dass nicht nur der Vertrag im Übrigen, sondern auch der nicht zu beanstandende Klauselteil erhalten bleibt, § 306 Abs. 1 BGB. Sieht beispielsweise eine AGB-Bestimmung eine Vertragsverlängerung für den Fall vor, dass der Vertrag „nicht mindestens 3 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist … durch Einschreibebrief gekündigt wird“, so kann die Klausel nach Streichung des Teils „durch Einschreibebrief“ als Verlängerungsklausel dann aufrechterhalten werden, wenn eine reine Verlängerungsklausel mit entsprechendem Inhalt zulässig ist.3 Anwendungsbereich

310

(1) § 305 Abs. 2 und 3 und die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet

1 WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69. 2 ErfK/Preis, §§ 194–218 BGB Rz. 45. 3 Beispiel nach WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69.

Kreft 503

Anwendungsbereich

§ 310

hinzu, dass der Arbeitnehmer stets gezwungen sein kann, Klage zu erheben1 und dass nach § 253 ZPO Klagen stets schriftlich zu erheben sind und insofern keine weitergehende Anforderung bestimmt wird. Im Übrigen – und das dürfte entscheidend sein – kommt es dem Arbeitgeber nicht darauf an, die Klageschrift zugestellt zu erhalten.2 Dem Arbeitgeber geht es vielmehr darum, eine endgültige Klärung offener Ansprüche innerhalb einer Frist herbeizuführen, die kürzer ist als die Verjährungsfrist. Im Hinblick auf die Verjährung ist in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt, dass die Verjährung u.a. durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt wird. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 13 BGB Eine AGB-Klausel, die eine strengere Form als die Schriftform oder ein besonderes Zugangserfordernis vorsieht, ist unwirksam. An ihre Stelle treten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regeln. Sofern das Gesetzesrecht spezielle Formerfordernisse enthält, gelten diese. Andernfalls kann können Erklärungen und Anzeigen des Vertragspartners des Verwenders formfrei abgegeben werden.

163

Ob die Klausel stets insgesamt unwirksam ist, ist eine Frage des Einzel- 164 falls. Ist der unwirksame Teil inhaltlich und sprachlich vom Rest der Klausel teilbar, so kann der Fall eintreten, dass nicht nur der Vertrag im Übrigen, sondern auch der nicht zu beanstandende Klauselteil erhalten bleibt, § 306 Abs. 1 BGB. Sieht beispielsweise eine AGB-Bestimmung eine Vertragsverlängerung für den Fall vor, dass der Vertrag „nicht mindestens 3 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist … durch Einschreibebrief gekündigt wird“, so kann die Klausel nach Streichung des Teils „durch Einschreibebrief“ als Verlängerungsklausel dann aufrechterhalten werden, wenn eine reine Verlängerungsklausel mit entsprechendem Inhalt zulässig ist.3 Anwendungsbereich

310

(1) § 305 Abs. 2 und 3 und die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet

1 WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69. 2 ErfK/Preis, §§ 194–218 BGB Rz. 45. 3 Beispiel nach WLP/Dammann, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69.

Kreft 503

§ 310

Anwendungsbereich

werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in den §§ 308 und 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 findet § 307 Abs. 1 und 2 auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung. (2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser. (3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; 2. § 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; 3. bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. (4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarif-

504 Kreft

§ 310

Allgemeines, Entstehungsgeschichte

verträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich. I. Allgemeines, Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Die Einschränkungen in § 310 Abs. 1 und Abs. 2 BGB . 10 III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . 1. Arbeitnehmer als Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen der Verbrauchereigenschaft . . . . . . . . . . . . a) Die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen . . b) „Einmalige Verwendung“ . c) „Berücksichtigung der Begleitumstände“ . . . . . . . . . . IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge. . . . . . . . . . . . . . 1. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen . . . . . . 2. Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden . . . . . . . . . . . . . . 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtskontrolle der Kollektivverträge . . . . . . . . . . . . . . . .

13 14 21 22 25 38 41 42

46 47

V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Arbeitsverträge“. . . . . . . . . . . 2. „Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten“ . . . . . . . . . . . . . . 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien im Besonderen . . .

49 50 51 59

VI. Ausschluss der Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 VII. Die Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Globalverweisungen . . . . . . . . 2. Verweisung auf einzelne tarifliche Regelungen . . . . . . . . . . . 3. Verweisung auf abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe . . . . . . 4. Verweisung auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen . . . . . . .

67 69 75 76 78

VIII. Kollektivverträge als eigener Maßstab der Inhaltskontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

48

I. Allgemeines, Entstehungsgeschichte Aufgrund ihrer Einbeziehung in die Regelungen des Allgemeinen Teils 1 des Schuldrechts gelten die §§ 305 ff. BGB grundsätzlich für alle privatrechtlichen Schuldverhältnisse. § 310 Abs. 1, Abs. 2 BGB schränkt den damit eröffneten Anwendungsbereich hinsichtlich bestimmter Vorschriften für Verträge zwischen bestimmten Partnern ein. Abs. 3 der Bestimmung sieht für Verträge zwischen einem Unternehmer und Verbraucher bestimmte Modifikationen vor. § 310 Abs. 4 BGB nimmt bestimmte Rechtsgebiete – das Erb-, das Familien- und das Gesellschaftsrecht – sowie private Rechtssetzung durch bestimmte Kollektivverträge – Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen – von einer Anwendung der §§ 305 ff. BGB gänzlich aus. Die genannten Kollektivverträge werden in Abs. 4 Satz 3 außerdem Rechtsvorschriften im Sinne Kreft 505

§ 310

Anwendungsbereich

von § 307 Abs. 3 BGB gleichgestellt. Eine besondere Modifikation enthält § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB: Bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge „sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“. 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Bestimmung haben Vorbilder in § 23 Abs. 2 und § 24 AGBG. § 310 Abs. 3 BGB deckt sich weitgehend mit dem bisherigen § 24a AGBG. Die Herausnahme der Rechtsgebiete in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entspricht § 23 Abs. 1 AGBG. Dort war allerdings auch das Gebiet des Arbeitsrechts noch aufgeführt. Die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 20011 am 1. Januar 2002 entfallen. Für Arbeitsverträge, die vor diesem Datum geschlossen worden waren, galt der alte Rechtszustand gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ein Jahr lang übergangsweise weiter. Seit dem 1. Januar 2003 sind nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch solche „Altverträge“ der Geltung der §§ 305 ff. BGB unterworfen.2 Zu den damit verbundenen Übergangsproblemen vgl. Einf. Rz. 116 ff. 3 Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 11. Mai 20013 lautete § 310 Abs. 4 BGB noch: „Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeits-, Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts“. Dies entsprach der durch § 23 Abs. 1 AGBG geschaffenen, bestehenden Rechtslage (vgl. Einf. Rz. 15 ff.). In der Begründung des Gesetzesentwurfs4 heißt es dazu lapidar: „Abs. 4 entspricht wörtlich dem bisherigen § 23 Abs. 1 AGBG“. Auch soweit sich das Schrifttum seinerzeit mit den Auswirkungen der geplanten Schuldrechtsreform auf das Arbeitsverhältnis befasste, wurde die Herausnahme des Arbeitsrechts aus dem Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB nicht thematisiert.5 4 Dagegen empfahlen der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats diesem, darum zu bitten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren „zu prüfen, ob die Ausnahme für das Arbeitsrecht in § 310 Abs. 4 BGB-E … noch sachgerecht ist“.6 Zur Begründung heißt es:

1 BGBl. I, S. 3138. 2 Zur Problematik eines möglichen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vgl. BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1 mit Anm. Herresthal. 3 BR-Drucks. 338/01, S. 30. 4 BR-Drucks. 388/01, S. 369. 5 Vgl. etwa Löwisch, NZA 2001, 465; Joussen, NZA 2001, 745. 6 BR-Drucks. 338/01, S. 32.

506 Kreft

Allgemeines, Entstehungsgeschichte

§ 310

„§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz bestimmt gegenwärtig, dass das AGB-Gesetz insgesamt auf Arbeitsverträge keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass sowohl die Vorschriften des AGB-Gesetzes über die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch die Vorschriften über ihre Kontrolle nicht auf Arbeitsvertragsbedingungen anzuwenden sind. Hieraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass eine AGB-Kontrolle im Bereich des Arbeitsrechts nicht stattfindet. § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz wird nämlich einhellig so ausgelegt, dass die Vorschrift nur speziell die Anwendung des AGB-Gesetzes, nicht aber die Vornahme einer AGBKontrolle an sich untersage. Das Bundesarbeitsgericht geht deshalb derzeit so vor, wie der Bundesgerichtshof vor Schaffung des AGB-Gesetzes. Auf der Grundlage von §§ 242 und 315 BGB werden Arbeitsvertragsbedingungen im Prinzip so überprüft, als fände jedenfalls § 9 ABG-Gesetz auf sie Anwendung. Damit stellt sich die Frage, ob die Herausnahme des Arbeitsgerichts insgesamt aus dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes und der dieses insoweit ersetzenden §§ 305 ff. BGB-E sachlich gerechtfertigt ist.“

In der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf der Bundesregierung sind Bitte und Begründung der beiden Ausschüsse wortgleich aufgeführt.1

5

Die Bundesregierung ist den Anregungen des Bundesrats gefolgt. Sie legte eine Neufassung des § 310 Abs. 4 mit folgendem Wortlaut vor:2

6

„(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei Arbeitsverträgen sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.“

Zur Begründung heißt es:3

7

„Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Bereichsausnahme des Arbeitsrechts hinsichtlich des AGB-Gesetzes im Grundsatz aufzuheben ist. Trotz des Schutzes durch zwingende gesetzliche Vorschriften und kollektive Vereinbarungen besteht auch im Arbeitsrecht ein Bedürfnis nach richterlicher Kontrolle der einseitig vom Arbeitgeber festgesetzten Arbeitsbedingungen; dies ist gerade vor dem Hintergrund des existentiellen Angewiesenseins auf einen Arbeitsplatz von besonderer Bedeutung. Das Fall-Material der Rechtsprechung des BAG zu den Arbeitsvertragsmodalitäten zeigt, dass eine „sich selbst überlassene“ Vertragsfreiheit nicht in der Lage war, insgesamt einen ausreichenden Schutz der Arbeitnehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen zu gewährleisten. … Die aus dieser uneinheitlichen Rechtsprechung entstehende Rechtsunsicherheit sollte durch die Streichung der Bereichsausnahme beseitigt werden. Dadurch wird auch dafür gesorgt, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibt. Allerdings sollten vor al1 BR-Drucks. 338/01 (Beschluss), S. 28. 2 BT-Drucks. 14/6857, S. 53. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 53.

Kreft 507

§ 310

Anwendungsbereich

lem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können.“

8 Der Rechtsausschuss des Bundestags folgte wiederum bis auf eine – Gesetz gewordene – redaktionelle Präzisierung dem Vorschlag der Bundesregierung. In seinem Bericht heißt es:1 „Die teilweise Zurücknahme der Ausnahme für Arbeitsverträge entspricht der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 50 der Stellungnahme des Bundesrates. Die dort dargestellten Gründe teilt der Ausschuss. Klarzustellen war in redaktioneller Hinsicht, dass sich Satz 2 nicht unmittelbar auf Arbeitsverträge beziehen und deren besondere Ausgestaltung fördern soll, sondern auf die Anwendung der Vorschriften auf Arbeitsverträge. Der Ausschuss verbindet mit der vorgesehenen Formulierung die Erwartung, dass den Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts, wie z.B. dem kirchlichen Arbeitsrecht, angemessen Rechnung getragen werden kann. Der Ausschuss ist darüber hinaus der Ansicht, dass mit der Ausweitung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht gleichermaßen eine Ausweitung im Verfahrensrecht einhergehen sollte, sondern dass im Unterlassungsklagengesetz eine Ausnahme vom Anwendungsbereich für das Arbeitsrecht vorgesehen werden sollte … Das System der Unterlassungsansprüche erscheint nämlich im Bereich des Arbeitsrechts in der im Unterlassungsklagengesetz vorgesehenen Form in zweierlei Hinsicht nicht zweckmäßig zu sein: … Daher soll das Gesetz nicht für das Arbeitsrecht gelten. Dass ändert an dem Bestehen der Klagemöglichkeiten der Gewerkschaften nichts und steht auch der richterlichen Rechtsfortbildung nicht entgegen.“

9 Der Bundestag folgte dem Vorschlag des Rechtsausschusses in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht. Gemäß § 15 seiner Vorschriften findet das Unterlassungsklagengesetz „auf das Arbeitsrecht keine Anwendung“. II. Die Einschränkungen in § 310 Abs. 1 und Abs. 2 BGB 10 § 310 Abs. 1 BGB ist für das Arbeitsrecht ohne Bedeutung. Satz 1 der Vorschrift modifiziert die Geltung der §§ 305 ff. BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen, „die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden“. Der Arbeitnehmer ist kein Unternehmer. Unternehmer ist nach § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder 1 BT-Drucks. 14/7052, S. 189.

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Einschränkungen in Abs. 1 und Abs. 2

§ 310

selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Der Arbeitnehmer handelt bei Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht in Ausübung einer „selbständigen beruflichen Tätigkeit“. Der Arbeitsvertrag begründet vielmehr definitionsgemäß eine Privatrechtsbeziehung, innerhalb derer sich der eine Teil zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter und gerade nicht selbständiger Arbeit verpflichtet. Dies steht einem Status als Unternehmer entgegen. Zwar ist der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags noch „frei“ und in diesem Sinne „selbständig“. Es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, der Abschluss von Arbeitsverträgen sei Gegenstand der „beruflichen Tätigkeit“ des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer- und Unternehmerstatus schließen sich aus. Arbeitnehmerähnliche Personen sind dagegen weisungsunabhängige 11 Selbständige, wenn auch in wirtschaftlicher Abhängigkeit und vergleichbar einem Arbeitnehmer schutzbedürftig (§ 12a Abs. 1 TVG, § 5 Satz 2 ArbGG). Sie schließen keine Arbeitsverträge. Auf sie fand deshalb schon das AGB-Gesetz Anwendung.1 Gehen arbeitnehmerähnliche Personen die als Grundlage für ihr Tätigwerden typische Rechtsbeziehung – Dienstvertrag oder Werkvertrag – ein, handeln sie in Ausübung selbständiger beruflicher Tätigkeit2 und sind – jedenfalls formal – als Unternehmer im Sinne von § 14, § 310 Abs. 1 BGB anzusehen. Damit finden § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB – dies gilt gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB freilich auch für Arbeitnehmer – sowie §§ 308 und 309 BGB auf Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen keine Anwendung.3 Im Rahmen von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist allerdings auf die besondere soziale Schutzbedürftigkeit dieser „Unternehmer“-Gruppe besonders zu achten.4 Auch sind die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ nicht zu berücksichtigen, weil arbeitnehmerähnliche Personen keine „Arbeitsverträge“ im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB schließen. Im Ergebnis wird deshalb für Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen ein annähernd gleiches Schutzniveau bestehen.5

1 Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 55 m.w.N. 2 HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 3. 3 DBD/Däubler, Einleitung Rz. 75; demgegenüber geht ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 10 offenbar von der Geltung des § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB für die Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen aus, ohne auf den Unternehmerbegriff und § 310 Abs. 1 BGB einzugehen. 4 Vgl. UBH/Fuchs, § 310 BGB Rz. 147. 5 So auch MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 105; Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 90; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 10.

Kreft 509

§ 310

Anwendungsbereich

12 § 310 Abs. 2 BGB nimmt Verträge auf dem Gebiet der Energie- und Wasserversorgung mit „Sonderabnehmern“ von der Anwendung der §§ 308, 309 BGB aus. Konsequenzen für Arbeitsverträge folgen daraus nicht. III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB 13 Für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten gemäß § 310 Abs. 3 BGB zum Schutz des Letzteren bestimmte Besonderheiten. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten regelmäßig als vom Unternehmer gestellt; § 305c Abs. 2, § 306, §§ 307, 308, 309 BGB und Art. 46b EGBGB finden in der Regel auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind; schließlich sind im Rahmen von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. 1. Arbeitnehmer als Verbraucher 14 Mit Blick auf das Arbeitsrecht stellte sich bei Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB von Beginn an die Frage, ob Arbeitnehmer bei Abschluss von Arbeitsverträgen als „Verbraucher“ im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB handeln. Gemäß § 13 BGB ist „Verbraucher … jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann“. Da die Bestimmung nicht den Ausdruck „berufliche Tätigkeit“ verwendet, sondern von „selbständiger beruflicher Tätigkeit“ spricht, und da der Zweck des Arbeitsvertrags nicht darin besteht, die Grundlage für eine selbständige berufliche Tätigkeit zu schaffen, werden Arbeitnehmer – anders als arbeitnehmerähnliche Personen – von ihrem Wortlaut erfasst. 15 Auf diese Weise weitet § 13 BGB den Verbraucherbegriff über den der ihm zugrunde liegenden Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen1 aus. Nach Art. 2 Buchst. b Richtlinie 93/13/EWG ist Verbraucher „eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Danach sind Arbeitnehmer keine Verbraucher. Ihrer (unselbständigen) beruflichen Tätigkeit kann der Abschluss eines Arbeitsvertrags allemal zugerechnet werden – aber eben 1 ABl. Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29 ff.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

§ 310

nicht einer „selbständigen“ beruflichen Tätigkeit. Die Erweiterung des Verbraucherbegriffs und damit des Verbraucherschutzes über das Mindestmaß der Richtlinie hinaus ist dabei – schon wegen Art. 8 der Richtlinie selbst – unionsrechtlich unbedenklich.1 War trotz des Wortlauts von § 13 BGB mit dem Wegfall der Bereichsaus- 16 nahme der AGB-Kontrolle für das Arbeitsrecht anfangs hoch umstritten, ob Arbeitnehmer bei Abschluss von Arbeitsverträgen zugleich als Verbraucher handeln,2 so kann die Diskussion nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Mai 20053 als mehr oder weniger beendet angesehen werden. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat sich der Gesetzgeber mit der Definition in § 13 BGB vom allgemeinen Sprachgebrauch gelöst und einen rechtstechnischen Oberbegriff geschaffen, der einen konsumtiven Geschäftszweck nicht voraussetzt und den Abschluss von Arbeitsverträgen erfasst.4 In der Entstehungsgeschichte von § 13 und § 310 Abs. 3 BGB sieht das Bundesarbeitsgericht mit Recht klare Hinweise darauf, dass dies dem Gesetzgeber bewusst gewesen ist. In der Begründung zum Regierungsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heißt es mit Blick auf den Verbrauchsgüterkauf:5 „(Die) Definition (in § 13) deckt sich mit derjenigen in Art. 1 Abs. II Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nahezu vollständig, weicht allerdings in einem Punkt hiervon ab: Anders als nach der Richtlinie nimmt § 13 nur die selbständige berufliche Tätigkeit aus dem Verbraucherbegriff aus. Das ist sachlich gerechtfertigt. Die Erwähnung der beruflichen neben der gewerblichen Tätigkeit hat in erster Linie den Zweck, auch die freien Berufe zu erfassen, die traditionell nicht als Gewerbe angesehen werden (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.). Es sollen aber nicht die Personen aus dem Verbraucherbegriff ausgenommen werden, die als abhängig Beschäftigte eine Sache zu einem Zweck kaufen, der (auch) zu ihrer beruflichen Tätigkeit dient, z.B. der Lehrer, der sich einen Computer anschafft, um damit Klassenarbeiten zu entwerfen, oder der Angestellte, der eine Kaffeemaschine für sein Büro kauft. Das gilt auch für die Rechtsbeziehungen des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Solche Fälle sind nicht mit denjenigen vergleichbar, in denen selbständig als Unternehmer am Wirtschaftsleben Beteiligte Verträge abschließen. Sie sollen deshalb den besonderen Vorschriften über Verbrauchergeschäfte unterstellt werden.“

Für das Bundesarbeitsgericht bedeutet die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers gleichwohl nicht, dass unbesehen sämtliche Schutzvor1 DBD/Däubler, Einleitung Rz. 69; Erman/Roloff, § 310 Rz. 11. 2 Vgl. die über 30 Schrifttumsnachweise bei DBD/Däubler, Einleitung Rz. 61, 62. 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. 4 So auch Preis, NZA 2003, Beilage zu Heft 16, 19 (22 f. m.w.N.). 5 BT-Drucks. 14/6050 S. 241.

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§ 310

Anwendungsbereich

schriften zugunsten des Verbrauchers auch auf den Arbeitnehmer Anwendung fänden. Es ist für jede einzelne dieser Vorschriften zu prüfen, ob ihr telos eine Erstreckung auf Arbeitnehmer verlangt.1 So hat das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 27. November 2003 und 23. Februar 2005 noch dahinstehen lassen, ob der Arbeitnehmer als Verbraucher anzusehen ist. Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, bestehe ein Recht zum Widerruf eines am Arbeitsplatz geschlossenen Aufhebungsvertrags nach § 312 Abs. 1 BGB nicht,2 und selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, sei ein Arbeitsvertrag angesichts des Zwecks der Vorschrift kein „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB, so dass der Verzugszinssatz für Geldforderungen aus einem Arbeitsverhältnis nicht acht, sondern gemäß § 288 Abs. 1 BGB nur fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage.3 18 Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Zwar verlangt nicht etwa die Richtlinie 93/13/EWG nach der Unterstellung von Arbeitnehmern unter den Verbraucherbegriff – dies hätte ansonsten auch spätestens zum 1. Januar 1995 und nicht erst zum 1. Januar 2002 geschehen müssen. Erwägungsgrund Nr. 10 spricht vielmehr ausdrücklich davon, dass die Vorschriften der Richtlinie „für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten (sollten) und von ihr (daher) ausgenommen sind insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Wirtschaftsrechts“. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ging aber – unionsrechtlich unbedenklich – ersichtlich weiter. 19 Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat sich seit dem Jahr 2005 verfestigt. Sämtliche Senate sind der Entscheidung des Fünften Senats vom 25. Mai 20054 gefolgt.5 Im Schrifttum sind nur wenige Stimmen weiterhin anderer Ansicht.6 Die überwiegende Anzahl hat sich

1 2 3 4 5

BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – AP BGB § 312 Nr. 1. BAG 23.2.2005 – 10 AZR 602/03 – EzA InsO § 209 Nr. 4. BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. Vgl. BAG 15.2.2007 – 6 AZR 286/06 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 35; dazu BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – AP BGB 307 Nr. 21, zu II 2b aa (1) der Gründe; BAG 8.8.2007 – 7 AZR 855/06 – EzA TzBfG § 14 Nr. 42; BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12; BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28; BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36; BAG 23.9.2010 – 8 AZR 897/98 – EzA BGB 2002 § 309/Nr. 6. 6 So MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 33.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

§ 310

dem Bundesarbeitsgericht angeschlossen.1 Von der Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers ist deshalb zumindest für die Rechtspraxis als feststehend auszugehen. Unabhängig davon, ob er zugleich als Arbeitnehmer anzusehen ist, ist mangels Selbständigkeit zumindest auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH Verbraucher i.S.v. § 310 Abs. 3, § 13 BGB.2 Weder der Abschluss des Anstellungsvertrags – sei dieses ein Dienst-, sei es ein Arbeitsvertrag – noch die tatsächliche Führung der Geschäfte einer GmbH stellt eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit dar.3 Die Geschäftsführung für eine GmbH ist keine selbständige, sondern eine „angestellte“, d.h. unselbständige berufliche Tätigkeit.4 Eine berufliche Tätigkeit ist nur dann als selbständig anzusehen, wenn sie nicht nur weitgehend frei von Weisungen erbracht, sondern im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird.5 Das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit muss unmittelbar vom Selbständigen selbst getragen werden. Das ist beim Geschäftsführer einer GmbH nicht der Fall. Er übt seine Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft aus. Überdies unterliegt er im Innenverhältnis den Weisungen der Gesellschafter. Wenn demnach die tatsächliche Führung der Geschäfte einer GmbH keine selbständige Tätigkeit nach § 13 BGB darstellt, so gilt dies erst recht für den Abschluss des ihr zugrunde liegenden Anstellungsvertrags, jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer nicht zugleich Gesellschafter ist und als solcher zumindest über eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.6 Auch ein „Volontariatsvertrag“, in dem sich der „Volontär“ gegen Gewährung einer „Ausbildungsvergütung“ verpflichtet, an den Vorlesungen und Prüfungen seines Studiengangs teilzunehmen und in der vorlesungsfreien Zeit die ihm übertragenen Auf-

1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 23; PWW/Berger, § 310 Rz. 7; Staudinger/ Schlosser, § 310 Rz. 48, 92; K. Schmidt, JuS 2006, 1 ff.; jurisPK-BGB/Lapp/Salamon, § 310 Rz. 48; Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 46 ff.; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 169; DBD/Deinert, § 310 Rz. 3; HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 2; AnwK/ Hümmerich/Ebeling, § 310 BGB Rz. 4 f.; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 89. 2 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; zum möglichen Arbeitnehmerstatus des Fremdgeschäftsführers EuGH 11.11.2010 – C-232/09 [Danosa] – NZA 2011, 143; BAG 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 – EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 76; Kreft NZA 2012, Beilage zu Heft 9, S. 60. 3 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 4 Hümmerich NZA 2006, 710. 5 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 6 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; Hümmerich NZA 2006, 710 ff.

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§ 310

Anwendungsbereich

gaben zu erfüllen, ist ein Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB; er regelt die unselbständige berufliche Tätigkeit des „Volontärs“.1 20 Ein Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB verlangt freilich nicht nur, dass der eine Vertragspartner Verbraucher, sondern auch, dass der andere Vertragsteil „Unternehmer“ ist. Als solcher wird ein Arbeitgeber bei Eingehung eines Arbeitsvertrags zwar in der Regel anzusehen sein. Zwingend ist dies jedoch nicht. Unternehmer- und Arbeitgeberbegriff sind nicht synonym. Ein Arbeitgeber handelt, anders als in § 14 BGB verlangt, z.B. dann nicht „in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit“, wenn er mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag zum Zweck privater Haushaltshilfe schließt.2 2. Rechtsfolgen der Verbrauchereigenschaft 21 Nach § 310 Abs. 3 BGB finden die §§ 305 ff. BGB bei Verbraucherverträgen mit bestimmten Maßgaben Anwendung. Diese sind ohne Einschränkung auch für Arbeitsverträge zu beachten. Es gibt keinen sachlichen Grund, die besonderen gesetzlichen Maßgaben für Verbraucherverträge mit Blick auf Arbeitsverträge generell zu modifizieren. a) Die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen 22 Nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB „gelten“ Allgemeine Geschäftsbedingungen bei Verbraucherverträgen „als vom Unternehmer gestellt“, wenn sie nicht der Verbraucher selbst in den Vertrag eingeführt hat. Die Bestimmung erleichtert dem Verbraucher auf diese Weise den gemäß § 305 Abs. 1 BGB grundsätzlich von ihm zu führenden Nachweis,3 dass die andere Vertragspartei die vorformulierten Bedingungen bei Abschluss des Vertrags „gestellt“ hat.4 Damit sind zwei Aspekte verbunden. Zum einen gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann als „vom Unternehmer“ gestellt, wenn sie auf Veranlassung eines Dritten in den Vertrag einbezogen wurden. Zum anderen gelten sie allemal als „gestellt“, d.h. mit derjenigen Intensität in den Vertrag eingebracht, wie § 305 Abs. 1 BGB sie verlangt. Etwas anderes gilt nur, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – die für eine Vielzahl von Verträgen

1 BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36. 2 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 74. 3 BGH 14.5.1992 – VII ZR 204/90 – BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160; UBH/Ulmer/Habersack, § 305 Rz. 60. 4 BGH 15.4.2008 – X ZR 126/06 – BGHZ 176, 140 = NJW 2008, 2250.

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vorformulierte Vertragsbedingungen – durch den Verbraucher eingeführt wurden. Für das Arbeitsverhältnis ist § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB damit ohne große 23 praktische Bedeutung.1 Es ist weder üblich – wenn auch immerhin denkbar –, dass nicht der Arbeitgeber, sondern ein Dritter – etwa ein Rechtsberater – den Einbezug vorformulierter Vertragsbedingungen veranlasst, noch ist es üblich, dass der Arbeitnehmer seinerseits Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einführt. Im Regelfall dürfte deshalb der Arbeitnehmer auch ohne die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen keine Schwierigkeiten haben nachzuweisen, dass der Arbeitgeber diese Bedingungen „gestellt“ hat. Das nämlich ist nach herrschender Meinung schon dann der Fall, wenn einer der Vertragspartner ihren Einbezug vorgeschlagen und verlangt hat, ohne dass er sie gegenüber dem anderen Vertragspartner kraft Verhandlungsstärke und ohne wirkliche Verhandlungsbereitschaft einseitig durchgesetzt haben müsste.2 § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB enthebt den Arbeitnehmer jedenfalls jeglichen Nachweises. Er hat ggf. nur die Voraussetzungen für das Eingreifen der Fiktion – das Vorliegen vorformulierter Vertragsbedingungen3 und die Unternehmereigenschaft des Arbeitgebers – darzulegen und zu beweisen. Bei letzterem kommt ihm § 344 Abs. 1 HGB zugute. Danach gelten die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. Beim Nachweis der Vorformulierung kommen dem Arbeitnehmer Beweiserleichterungen zustatten, die sich insbesondere aus dem äußeren Gesamteindruck des Vertragstextes ergeben können; vgl. im Einzelnen die Erläuterungen zu § 305 Rz. 22. Kann der Arbeitgeber demnach nicht mit Erfolg vorbringen, die All- 24 gemeinen Geschäftsbedingungen seien ohne Aktivitäten seinerseits Vertragsinhalt geworden, so bleibt ihm die Möglichkeit unbenommen darzulegen, dass die Klausel im Einzelnen ausgehandelt und damit gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vorformuliert wurde. Dies hat nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB schon wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Richtlinie

1 Ähnlich schon Preis, NZA 2003, Beilage zu Heft 16, S. 26. 2 BGH 22.7.2009 – IV ZR 74/08 – NJW-RR 2010, 39 = NZG 2009, 1224; BGH 24.5.1995 – XII ZR 172/94 – BGHZ 130, 50 = NJW 1995, 2034; UBH/Ulmer/Habersack, § 305 Rz. 26, Rz. 27 m.w.N.; UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 70. 3 HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 4; Erman/Roloff § 310 Rz. 19; AnwK/Hümmerich/Ebeling § 310 Rz. 8; zum Merkmal „für eine Vielzahl von Verträgen“ vgl. unten Rz. 25.

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§ 310

Anwendungsbereich

93/13/EWG allerdings der Arbeitgeber zu beweisen.1 Für ein „Aushandeln“ genügt dabei nicht, dass der Inhalt der fraglichen Klausel erläutert und erörtert wurde. Vielmehr muss der Verwender/Arbeitgeber die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt und seinem Vertragspartner Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahrnehmung der eigenen Interessen eingeräumt haben. Der Verbraucher/Arbeitnehmer muss die reale Möglichkeit besessen haben, die fragliche Vertragsbedingung inhaltlich mitzugestalten.2 b) „Einmalige Verwendung“ 25 Voraussetzung für die Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB ist wegen § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich, dass der anderen Vertragspartei Vertragsbedingungen gestellt worden sind, die „für eine Vielzahl von Verträgen“ – nach allgemeiner Meinung also für mindestens drei Verträge3 – vorformuliert wurden. Bei Verbraucherverträgen wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB finden bei Verbraucherverträgen die Vorschriften des § 305c Abs. 2, des § 306, der §§ 307, 308, 309 BGB und des Art. 46b EGBGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Das gilt jedenfalls soweit, wie der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. 26 Der gesetzliche Verzicht auf das Kriterium der Verwendung für eine Vielzahl von Verträgen, das eine „Allgemeine“ Geschäftsbedingung eigentlich ausmacht, ist in gewisser Weise systemfremd. Er ist gleichwohl nötig. Andernfalls stünde die Richtlinienkonformität des deutschen Verbraucherschutzrechts in Frage. Die Richtlinie 93/13/EWG kennt das Kriterium der „Vielzahl“ als konstitutive Voraussetzung für die Kontrolle missbräuchlicher Vertragsklauseln nicht. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist Voraussetzung einer Kontrolle nur, dass die fragliche Vertragsklausel „nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde“. Schon § 24a Nr. 2 AGBG 1996 sah deshalb eine § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entsprechende Regelung vor. Im Übrigen impliziert auch die Absicht der nur einmaligen Verwendung nicht, dass die Vertragsbedingungen „ausgehan-

1 MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 55; UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 77. 2 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48 m.w.N.; vgl. ferner Erläuterungen zu § 305 Rz. 46 ff. 3 BAG 1.3.2006 – 5 AZR 363/05 – EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48; BGH 11.12.2003 – VII ZR 31/03 – NJW 2004, 1454.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

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delt“ worden sein müssen. Sie wären deshalb auch ohne die Regelung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB jedenfalls einer Inhaltskontrolle gem. §§ 138, 242 BGB unterworfen. Ob vorformulierte Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwen- 27 dung bestimmt sind, hängt nicht von der Absicht des konkreten Verwenders, sondern von der Absicht desjenigen ab, der die Bedingungen formuliert hat. Deshalb liegen „für eine Vielzahl von Verträgen“ vorformulierte Vertragsbedingungen vor, wenn zwar der konkrete Arbeitgeber nur dieses eine Mal von ihnen Gebrauch machen will, dazu aber etwa den vom Arbeitgeberverband formulierten Standardvertragstext benutzt.1 Erforderlich für die Anwendung der in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB aufgezähl- 28 ten Bestimmungen ist aber auch bei der nur für einen Fall beabsichtigten Verwendung, dass die fraglichen Vertragsbedingungen vom Unternehmer/Arbeitgeber „vorformuliert“ wurden. Dafür gelten dieselben Anforderungen wie in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB; zu diesen vgl. § 305 Rz. 20 ff. Eine Vertragsbedingung ist danach „vorformuliert“, wenn sie schon vor dem Vertragsabschluss in einer vom Unternehmer/Arbeitgeber oder einem Dritten hergestellten fertigen sprachlichen Fassung vorliegt, ohne dass auf sie bezogene Vorverhandlungen mit dem Verbraucher/Arbeitnehmer stattgefunden hätten.2 Der Verbraucher/Arbeitnehmer darf überdies „auf Grund der Vorformulierung auf (den) Inhalt (der Vertragsbedingungen) keinen Einfluss“ haben nehmen können. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts entspricht die Möglichkeit eines „Einflussnehmens“ in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der eines „Aushandelns“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Auch die Möglichkeit einer Einflussnahme setzt danach voraus, dass der Verwender die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung von dessen eigenen Interessen einräumt.3 Demgegenüber wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, an die Möglichkeit der Einflussnahme seien geringere Anforderungen als an ein Aushandeln zu stellen. Es müsse ausreichen, dass 1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 22; BGH 16.11.1990 – V ZR 217/89 – NJW 1991, 843. 2 Vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 69; Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 62; Erman/Roloff, § 310 Rz. 19. 3 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; so auch ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24; HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 6; Bamberger/ Roth/Becker, § 310 Rz. 17; Erman/Roloff, § 310 Rz. 20; Palandt/Grünberg, § 310 Rz. 17.

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der Unternehmer die ernsthaft gemeinte Bereitschaft signalisiere, auf Änderungswünsche des Verbrauchers einzugehen, auch wenn der Verbraucher von ihr keinen Gebrauch mache.1 30 Soweit damit eine Differenzierung zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangt wird, überzeugt das nicht. Zum einen sind die praktischen Unterschiede zwischen „Einfluss nehmen können“ und „aushandeln können“ kaum auszumachen. Zwischen einer Haltung, bei der der Verwender die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit einräumt, und einer solchen, bei der der Verwender die ernsthafte Bereitschaft zu erkennen gibt, auf Änderungswünsche einzugehen, lassen sich empirisch fassbare Unterschiede schwerlich feststellen.2 Zum anderen ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 93/13/EWG „eine Vertragsklausel … immer (schon) dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte“. Die Richtlinie setzt folglich „nicht aushandeln“ gleich mit „wegen Vorformulierung keinen Einfluss nehmen können“. Positiv formuliert bedeutet dann „Einfluss nehmen können“ das gleiche wie „aushandeln können“. Folglich verlangt auch ein richtlinienkonformes Verständnis von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB mit dem Bundesarbeitsgericht, an die Möglichkeit der Einflussnahme die gleichen Anforderungen wie an ein „Aushandeln“ im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zu stellen.3 Die Möglichkeit der Einflussnahme muss für gerade die Klausel bestanden haben, um deren Kontrolle es geht. Das folgt aus dem Gebrauch des Ausdrucks „soweit“ in § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.4 31 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, d.h. für die Vorformulierung und das Fehlen einer auf ihr beruhenden Möglichkeit zur Einflussnahme, trägt der Verbraucher/Arbeitnehmer.5 Das folgt daraus, dass er es ist, der sich auf die für ihn günstige Anwendbarkeit der aufgeführten 1 UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 85. 2 Ähnlich Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 64; WLP/Pfeiffer, § 310 Abs. 3 Rz. 21; DBD/Deinert, § 310 Rz. 13. 3 So auch Erman/Roloff, § 310 Rz. 20; WLP/Pfeiffer, § 310 Abs. 3 Rz. 20. 4 BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; BGH 12.6.1985 – IVa ZR 261/83 – BB 1986, 21; Stoffels, AGB-Recht § 6 Rz. 149. 5 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – AP BGB § 309 Nr. 4; Erman/Roloff, § 310 Rz. 21; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 23; UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 89; MünchKommBGB/ Basedow, § 310 Rz. 72.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

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Vorschriften beruft, obwohl die Vertragsbedingungen entgegen § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und damit das Fehlen der Möglichkeit einer Einflussnahme nicht im gleichen Maße indiziert ist wie bei der Vielfach-Verwendung.1 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Richtlinie 93/13/EWG steht dem nicht entgegen. Danach trägt der Unternehmer die Beweislast dafür, dass eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, nur bei einer „Standardvertragsklausel“, d.h. bei einer Klausel in einem vorformulierten Standardvertrag. Ein Standardvertrag ist ein Vertrag zur Mehrfachverwendung durch den konkreten Unternehmer selbst, wie sich aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 93/13/EWG ergibt.2 Allerdings gilt zu Gunsten des Verbrauchers/Arbeitnehmers eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.3 Der Verbraucher/ Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt dadurch, dass er die Vorformulierung der Vertragsbedingungen und das Fehlen einer Einflussmöglichkeit – ggf. unter Angabe entsprechender Indizien – behauptet. Es ist dann Sache des Verwenders/Arbeitgebers, im Einzelnen und substantiiert darzulegen, dass es keine vorformulierten Bedingungen und/oder sehr wohl Möglichkeiten der Einflussnahme gab. Dem muss der Verbraucher/Arbeitnehmer substantiiert entgegentreten und hat letztlich die Richtigkeit seiner Version zu beweisen. Soweit demgegenüber im Schrifttum zu Gunsten des Verbrauchers auf die Figur des Anscheinsbeweises verwiesen wird,4 führt dies in der Regel zwar zum gleichen Ergebnis, stellt aber wohl an die Darlegungslast des Verbrauchers/Arbeitnehmers jedenfalls im ersten Schritt höhere Anforderungen. Die im Arbeitsrecht auch im Zusammenhang mit Informationsdefiziten des Arbeitnehmers geläufige Figur der abgestuften Darlegungsund Beweislast trägt den Schwierigkeiten der Darlegung und des Beweises negativer Tatsachen – dem Fehlen einer Einflussmöglichkeit – besser Rechnung. Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 32 BGB ist die Anwendbarkeit der in der Bestimmung genannten Vorschriften. Nach der in Bezug genommenen Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der vorformulierten Vertragsbedingungen zu Lasten des Verwenders/Arbeitgebers. Bei nicht auszuräumenden Verständnisproblemen gilt deshalb die für den Verbrau1 Ähnlich DBD/Deinert, § 310 Rz. 14. 2 So auch MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 72. 3 BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 4 Vgl. UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 86 f.; DBD/Deinert, § 310 Rz. 15.

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§ 310

Anwendungsbereich

cher/Arbeitnehmer günstigste Version. Ferner gelten die Regelungen des § 306 BGB über die Rechtsfolgen von (Teil-)Unwirksamkeit oder (teilweise) fehlgeschlagener Einbeziehung der Vertragsbedingungen. Vor allem aber finden die §§ 307 bis 309 BGB Anwendung. Auch die nur zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsbedingungen unterliegen damit der uneingeschränkten Inhaltskontrolle. Kollisionsrechtlich ist außerdem Art. 46b EGBGB zu beachten. Die Bestimmung unterstellt einen Vertrag, der auf Grund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt, aber einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten aufweist, den im Gebiet dieses Staates geltenden Bedingungen zur Umsetzung der Verbraucherschutz-Richtlinien, also u.a. der Richtlinie 93/13/EWG. 33 § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB verweist nicht auf § 305 BGB. Das ist hinsichtlich des § 305 Abs. 1 BGB unproblematisch. Dort geht es um die Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dass solche nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vorliegen, soweit die Vertragsbedingungen ausgehandelt worden sind, kehrt in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB mit dem Erfordernis des Fehlens einer Einflussmöglichkeit wieder. Problematischer erscheint – auch für das allgemeine Zivilrecht – das Ausbleiben einer Verweisung auf § 305 Abs. 2 BGB. Die Bestimmung regelt, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestand des Vertrags werden. Zwar wird das Erfordernis der dortigen Nr. 1 bei der Einmalverwendung regelmäßig erfüllt sein. Die in Nr. 2 verlangte Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Vertragsbedingungen Kenntnis zu nehmen, ist aber auch bei einer Einmalverwendung nicht notwendig gegeben. Manche Stimmen halten deshalb eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch im Rahmen von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB1 oder dessen entsprechende „richtlinienkonforme Auslegung“2 für geboten. Soweit sie sich dabei auf das Transparenzgebot in Art. 5 Satz 1 Richtlinie 93/13/EWG beziehen, erscheint dies freilich nicht naheliegend. Art. 5 der Richtlinie bestimmt, dass Klauseln, falls sie schriftlich niedergelegt worden sind, „stets klar und verständlich abgefasst sein (müssen)“. Dem entspricht § 307 Abs. 1 BGB. Dass die Klauseln überhaupt Vertragsinhalt geworden sind, ist dabei in der gesamten Richtlinie vorausgesetzt. Der Weg dorthin ist dagegen nicht ihr Gegenstand.3 Allerdings heißt es in Erwägungs1 So UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 91. 2 So DBD/Deinert, § 310 Rz. 9; Erman/Roloff, § 310 Rz. 21. 3 Insoweit zutreffend Erman/Roloff, § 310 Rz. 21; vgl. auch Michalski, DB 1999, 677.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

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grund 20 immerhin, der Verbraucher müsse „tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen“. Für das Arbeitsrecht ist das Fehlen der Verweisung auf § 305 Abs. 2 BGB insofern ohne Bedeutung, als § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ohnehin ausdrücklich bestimmt, dass „§ 305 Abs. 2 und 3 (auf Arbeitsverträge) nicht anzuwenden ist“. Freilich ist damit das sachliche Problem als solches nicht gelöst; dazu unten Rz. 63 ff. Es dürfte sich aber auch im Arbeitsrecht in der Regel durch strikte Anwendung der Rechtsgeschäftslehre nach §§ 145 ff. BGB klären.

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Das Fehlen einer Verweisung auf § 305b BGB – Vorrang der Individualabrede – hat in der Sache keine Auswirkungen, weil dieser Vorrang auch ohne die – nur klarstellende – Regelung des § 305b BGB gilt.1

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Weiter fehlt eine Verweisung auf § 305c Abs. 1 BGB. Im Regierungsent- 36 wurf zur Anpassung des AGB-Gesetzes an das Unionsrecht2 war sie noch enthalten, wurde aber vom Rechtsausschuss gestrichen, weil die Richtlinie 93/13/EWG die Einbeziehung von Vertragsbedingungen nicht regele.3 Das ist richtig, gilt aber auch mit Blick auf Klauseln zur Mehrfach-Verwendung. Plausibler ist die Begründung, dass es bei § 305c Abs. 1 BGB um inhaltlich ungewöhnliche und überraschende Klauseln geht, die danach zwar bei Bestimmung zur Mehrfach-Verwendung schon gar nicht erst Vertragsbestandteil werden, die aber auch bei nur einmaliger Verwendung zwanglos als unklar im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden können. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 31. August 20054 bei der Beurteilung der Angemessenheit eines Nachtzuschlags gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG die Vorschrift des § 305c Abs. 1 BGB auf eine Klausel zur Mehrfach-Verwendung angewendet und zugleich geprüft, ob die fragliche Klausel – „wäre sie Vertragsinhalt geworden“ – dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhielte – um dies sodann zu verneinen.5 Die Nichterwähnung von § 305c Abs. 1 BGB in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB dürfte sich deshalb im Ergebnis nicht gravierend auswirken.6

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Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 67; DBD/Deinert, § 310 Rz. 18. BT-Drucks. 13/2713, S. 7. BT-Drucks. 13/4699, S. 6. BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – EzA ArbZG § 6 Nr. 6. Vgl. auch BAG 28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45. Vgl. auch UBH/Ulmer/Schäfer, § 310 Rz. 91, DBD/Deinert, § 310 Rz. 20 und Erman/Roloff, § 310 Rz. 21, die sämtlich – soweit die Transparenzkontrolle nach § 307 BGB „nicht ausreichen“ sollte – eine analoge Anwendung bzw.

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§ 310

Anwendungsbereich

37 Das Fehlen einer Verweisung auf § 306a BGB – Umgehungsverbot – ist systematisch konsequent. § 306a BGB gilt auch mit Blick auf Vertragsbedingungen zur einmaligen Verwendung ohnehin. Die Regelung bestimmt, dass „die Vorschriften dieses Abschnitts … auch Anwendung (finden), wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden“. Nach § 310 Abs. 3 BGB wiederum finden bei Verbraucherverträgen „die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung: …“. Das bedeutet, dass diejenigen Vorschriften, die nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen trotz nur einmaliger Verwendung Anwendung finden, wegen § 306a BGB auch dann anzuwenden sind, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. c) „Berücksichtigung der Begleitumstände“ 38 Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB „auch die den Vertragsschluss begleitenden Umständen zu berücksichtigen“. Die darin liegende Erweiterung des im Rahmen von § 307 BGB ansonsten geltenden abstrakt-generellen Beurteilungsmaßstabs bei Verbraucherverträgen beruht auf der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/13/EWG. Nach dieser Bestimmung wird die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel u.a. unter Berücksichtigung „aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände“ beurteilt. Die Erweiterung des Prüfungsmaßstabs gilt dabei nicht nur bei Vertragsbedingungen zur einmaligen Verwendung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, sondern für alle Verbraucherverträge.1 Die Formulierung von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, der zufolge die konkreten Begleitumstände „auch“ zu berücksichtigen sind, legt dabei eine zweistufige Prüfung nahe. Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung ist zunächst anhand des abstrakt-generellen Maßstabs vorzunehmen. Ist bei dessen Anwendung eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers/Arbeitnehmers nicht festzustellen, sind die den Vertragsabschluss begleitenden Umstände in den Blick zu nehmen. 39 Fraglich ist, ob die Einzelumstände nur zu Gunsten oder auch zu Lasten des Verbrauchers/Arbeitnehmers Berücksichtigung finden können. Die wohl überwiegende Auffassung bejaht eine Korrekturmöglichkeit in beirichtlinienkonforme Auslegung von § 305c Abs. 1 bzw. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB befürworten. 1 Erman/Roloff, § 310 Rz. 23; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 81; UBH/ Fuchs, § 307 Rz. 405; DBD/Deinert, § 307 Rz. 83.

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Verbraucherverträge nach Abs. 3

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de Richtungen. Die Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände könne sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generellabstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen.1 Das überzeugt nicht. Die Vorstellung, dass eine Klausel, die im Rechtsverkehr zweier Unternehmer nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB unwirksam wäre, im Verhältnis von Unternehmer und Verbraucher anhand von den Vertragsschluss begleitenden Umständen als wirksam anzusehen ist, verträgt sich nicht mit dem Grundanliegen des Verbraucherschutzes.2 Dieses geht dahin, die Rechtsstellung des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer zu verbessern, nicht sie im Vergleich zu der eines anderen Unternehmers zu relativieren. Ein solches Ergebnis wäre mit Blick auf Art. 4 Abs. 1, Art. 8 Richtlinie 93/13 nicht zuletzt unionsrechtlich bedenklich.3 Auch wenn die Richtlinie nach ihrem Selbstverständnis auf Arbeitsverträge keine Anwendung findet, gilt sie jedenfalls für Verbraucher. Unterstellt der nationale Gesetzgeber Arbeitnehmer dem Verbraucherbegriff, gilt sie auch für diese. Im Übrigen spricht auch die Anlehnung des Wortlauts von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB an den des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen ein solches Ergebnis. In der letztgenannten Regelung heißt es, eine unangemessene Benachteiligung könne sich „auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB formuliert in gewisser Weise parallel dazu, dass „bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 … auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (sind)“. In § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich das, was „auch“ in den Blick zu nehmen ist, nur zum Nachteil des Unternehmers auswirken. Der Umstand, dass nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die den Vertragsschluss begleitenden Umstände „auch zu berücksichtigen“ sind und das gerade in Richtung auf die Beurteilung „der unangemessenen Benachteiligung“, spricht dafür, dass sich auch diese nur zu Lasten des Unternehmers auswirken können.

1 BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – EzA ArbZG § 6 Nr. 6; BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28; Erman/Roloff, § 310 Rz. 24; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 81; WLP/Pfeiffer, § 310 Abs. 3 Rz. 34; Staudinger/Schlosser, § 310 Rz. 70; PWW/Berger, § 310 Rz. 12; DBD/Deinert, § 307 Rz. 87, Rz. 92; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 410; Preis, NZA 2003 Beilage zu Heft 16, S. 27; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 98, Rz. 332; so auch oben Klumpp, § 307 Rz. 46. 2 Ähnlich Michalski, DB 1999, 679 f. 3 Ähnlich Bamberger/Roth/Becker, § 310 Rz. 20: teleologische Reduktion von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu Gunsten des Verbrauchers.

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Anwendungsbereich

40 Dafür, was die den Vertragsschluss begleitenden Umstände sein können, gibt die Richtlinie 93/13/EWG einige Anhaltspunkte. Nach ihrem Erwägungsgrund 16 ist u.a. „besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand (und) ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben“. Auch wenn erneut zu beachten ist, dass die Richtlinie laut ihrem Erwägungsgrund 10 gar nicht davon ausgeht, dass sie Arbeitsverträge erfasst, kann daraus für § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB mit Blick auf die Parteien des Arbeitsvertrags gefolgert werden, dass neben der stets zu berücksichtigenden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers die geschäftliche Erfahrenheit des konkreten Arbeitnehmers, die Besonderheiten der konkreten Situation bei Vertragsschluss, etwa in Form von „Überrumpelung“1 oder (Falsch)Belehrung, und mögliche Sonderinteressen der Vertragsparteien von Bedeutung sein können.2 IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge 41 Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden §§ 305 ff. BGB keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts. Dies entspricht dem Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 93/13/EWG und galt gleichermaßen bereits nach § 23 Abs. 1 AGBG. Die ursprüngliche Herausnahme auch des gesamten Arbeitsrechts aus dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes ist mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1. Januar 2002, für seinerzeit schon bestehende Verträge zum 1. Januar 2003 weggefallen. Geblieben ist der Anwendungsausschluss für Tarifverträge, für Betriebsvereinbarungen nach dem BetrVG und für Dienstvereinbarungen nach den Personalvertretungsgesetzen.

1 Preis, NZA 2003 Beilage zu Heft 16, S. 27. 2 BAG 15.9.2009 – 3 AZR 173/08 – EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13; BAG 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 – EzA ArbZG § 6 Nr. 6; HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 9; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 407, § 310 Rz. 181; DBD/Deinert, § 307 Rz. 89 f.; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 98; zu einem möglichen außergewöhnlichen Umstand, der zur Unangemessenheit einer Befristung eine Arbeitszeiterhöhung i.S.v. § 307 Abs. 3 Nr. 3, § 307 Abs. 1 BGB hätte führen können, vgl. BAG 2.9.2009 – 7 AZR 233/08 – EzA TzBfG § 14 Nr. 61.

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Bereichsausnahme für Kollektivverträge

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1. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen Die im Gesetz aufgeführten Arten der Kollektivvereinbarungen zeich- 42 nen sich dadurch aus, dass sie nicht von Unternehmens-/Arbeitgeberseite einseitig vorformuliert wurden, sondern in der Regel nach durchaus langwierigen Verhandlungen zweier gleichermaßen durchsetzungsmächtiger Parteien zustande kommen.1 Wegen der damit verbundenen „Richtigkeitsgewähr“ spricht das Gesetz Tarifverträgen bei Tarifbindung in § 4 Abs. 1 TVG und Betriebs- und Dienstvereinbarungen in § 77 Abs. 4 BetrVG bzw. personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen unmittelbare – normative – Wirkung in den Arbeitsverhältnissen zu. Ihre Regelungen werden deshalb auch nicht „gestellt“, sondern gelten bei beidseitiger Tarifbindung bzw. bei Belegschaftsangehörigkeit von Gesetzes wegen.2 Es besteht damit schon vom Ansatz her ein grundlegender Unterschied zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, der eine Herausnahme dieser Kollektivverträge aus der Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB wenn nicht geradezu verlangt, so doch jedenfalls rechtfertigt. Es besteht kein Bedürfnis nach Schutz durch eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.3 Hinzu kommt, dass die Überprüfung von Tarifverträgen nach den Maßstäben des AGBRechts sich wie eine Tarifzensur auswirken und deshalb in Konflikt mit der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie geraten könnte.4 Das ändert freilich nichts daran, dass vorformulierte Vertragsbedingun- 43 gen, auch wenn sie vor ihrer Verwendung kollektiv – etwa von den Betriebsparteien – ausgehandelt worden sind, Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.5 Gelten sie nicht normativ und stehen auch § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 BGB dem nicht entgegen, sind sie deshalb einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB durchaus zugänglich.6 Erst recht gilt dies für vom Arbeitgeber einseitig aufgestellte Regelungen in einer „Arbeitsordnung“ o.Ä. Sie sind weder Tarifvertrag noch Betriebsoder Dienstvereinbarung, sondern in jeder Hinsicht „normale“ Allge-

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Ähnlich zu Recht Richardi, FS Picker (2010), S. 1105. Zutreffend Witt NZA 2004, 136. BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – EzA InsO § 113 Nr. 19. Vgl. die Äußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats in BT-Drucks. 14/6867, S. 53 (54); vgl. ferner Witt, NZA 2004, 137. 5 BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; BAG 19.3.2009 – 6 AZR 557/07 – EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17; BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – EzA InsO § 113 Nr. 19; Richardi, NZA 2002, 1058; Willemsen/Mehrens, FS Bepler (2012), S. 624; Deinert, ZTR 2005, 474. 6 BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – EzA InsO § 113 Nr. 19; vgl. unten Rz. 48.

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Anwendungsbereich

meine Geschäftsbedingungen. Sie fallen weder unter § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB noch unter Satz 3 der Bestimmung.1 44 Voraussetzung für den Anwendungsausschluss nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ist, dass die betreffenden Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen normative Geltung für das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG bzw. § 77 Abs. 4 BetrVG und dem Personalvertretungsrecht besitzen.2 Das ist bei Betriebs- und Dienstvereinbarungen die Regel, weil auf Arbeitnehmerseite dafür die Zugehörigkeit zur Belegschaft des Betriebs bzw. der Dienststelle ausreicht. Zu Betriebsvereinbarungen im Sinne der Bestimmung zählen dabei sowohl solche, die auf einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht beruhen, als auch freiwillige Betriebsvereinbarungen i.S.v. § 88 BetrVG. Beide Arten gelten nach § 77 Abs. 4 BetrVG normativ. Unerheblich ist auch, ob sie vom örtlichen Betriebsrat, vom Gesamt- oder vom Konzernbetriebsrat geschlossen wurden. Bei Tarifverträgen tritt deren normative Wirkung dagegen nur bei gleichzeitiger Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien ein, wenn nicht der betreffende Tarifvertrag nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Auf Arbeitnehmerseite setzt dies zwingend die Mitgliedschaft in gerade der Gewerkschaft voraus, die den fraglichen Tarifvertrag geschlossen hat, auf Arbeitgeberseite die Mitgliedschaft im entsprechenden Arbeitgeberverband oder den Status als eigene Partei des Tarifvertrags, § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TVG. Die Bereichausnahme von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt deshalb auch für Haus-/Firmentarifverträge, die nicht vom Arbeitgeberverband für ein bestimmtes Mitgliedsunternehmen, sondern von der Gewerkschaft und einem Unternehmen selbst geschlossen worden sind.3 Sind Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht normativ verbindlich, sondern nur kraft einzelvertraglichen Einbezugs, folgt ein Ausschluss der Inhaltskontrolle nicht aus § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, sondern allenfalls aus Satz 3 der Bestimmung (dazu unten Rz. 67 ff.). Das Gleiche gilt für den gewiss seltenen Fall, dass eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung nicht bereits normative Wirkung besitzt, sondern allein kraft einzelvertraglichen Einbezugs zu beachten ist. In diesem Zusammenhang ist etwa vorstellbar, dass der Arbeitgeber in einem seiner betriebsratslosen Betriebe auf die in einem anderen Betrieb geltenden Be1 Vgl. etwa BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9. 2 HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 16; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 95; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 145. 3 BAG 26.4.2006 – 5 AZR 403/05 – EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 185; ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 13.

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Bereichsausnahme für Kollektivverträge

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triebsvereinbarungen verweist.1 Im Übrigen kann eine Verweisung auf die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen (des eigenen Betriebs) dahin auszulegen sein, dass der Arbeitsvertrag insoweit auch in Richtung auf eine Verschlechterung der bestehenden Vertragsbedingungen als „betriebsvereinbarungsoffen“ verstanden werden soll, etwa was bestimmte Vergütungsbestandteile oder die Lage der Arbeitszeit angeht.2 Die Vorschrift des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt dabei nur für Tarifverträ- 45 ge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen als solche, nicht auch für individual-vertragliche Klauseln, die auf sie Bezug nehmen.3 Einer Inhaltskontrolle sind vielmehr auch formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen zu unterziehen, die auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen.4 Ob auch sog. schuldrechtliche Koalitionsvereinbarungen5 – etwa zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern und einer Gewerkschaft –, die nicht-normativ wirkende Vergünstigungen für die Arbeitnehmer i.S.v. § 328 BGB vorsehen, unter die Bestimmung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB fallen, hat das Bundesarbeitsgericht bislang offen gelassen.6 2. Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden In § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB sind weder Richtlinien nach § 28 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 SprAuG noch bloße Regelungsabreden der Betriebsparteien genannt. Letzteres ist systematisch konsequent. Bloße Regelungsabreden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entfalten keine normative Wirkung im Arbeitsverhältnis nach § 77 Abs. 4 BetrVG. Sie binden nur die Betriebsparteien selbst. Da § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB die Überprüfung des Inhalts von Kollektivverträgen gerade insoweit ausschließen will, wie dieser kraft normativer Wirkung der Kollektivverträge Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist – das Verhältnis der Parteien des Kol1 Richardi, NZA 2002, 1058. 2 Vgl. Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 224; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 19a; näher Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II O 10. 3 BAG 15.4.2008 – 9 AZR 159/07 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; BAG 9.5.2007 – 4 AZR 319/06 – AP BGB § 305c Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 12; jurisPK-BGB/Lapp/Salamon, § 310 Rz. 45; vgl. unten Rz. 72 ff. 4 BAG 20.4.2012 – 9 AZR 504/10; BAG 3.4.2007 – 9 AZR 283/06 – AP BAT SR 2l § 2 Nr. 21; BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18. 5 Zum Begriff BAG 5.11.1997 – 4 AZR 872/95 – BAGE 87, 45; vgl. ferner BAG 26.1.2011 – 4 AZR 159/09 – EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6. 6 BAG 13.6.2012 – 7 AZR 669/10 –; BAG 19.10.2011 – 7 AZR 743/10 –; BAG 9.2.2011 – 7 AZR 91/10 – EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2.

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lektivvertrags zueinander steht nicht im Fokus1 –, bedarf es keiner Erwähnung von Regelungsabreden. Die Nichterwähnung von normativ wirkenden – nicht die von „unverbindlichen“ – Richtlinien nach § 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SprAuG ist dagegen sachlich nicht begründet.2 Auch sie sind deshalb in analoger Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB einer Anwendung von §§ 305 ff. BGB entzogen.3 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien 47 Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien sind in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ebenso wenig erwähnt. Auch dies ist systematisch konsequent. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten keine normative Wirkung.4 Sie sind auch insoweit Tarifverträgen im Sinne von § 1, § 4 Abs. 1 TVG nicht gleichzustellen. Sie können nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden.5 Unbeschadet der Frage, inwieweit eine auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommene Regelung die Gewähr inhaltlicher „Richtigkeit“ bietet, wäre deshalb der gänzliche Ausschluss der Anwendung von §§ 305 ff. BGB auf kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gerechtfertigt.6 Sie sind im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags im Fall ihrer wirksamen Einbeziehung Allgemeine Geschäftsbedingungen. Da der Gesetzgeber kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien in Kenntnis der

1 Missverständlich deshalb Staudinger/Coester, § 310 Rz. 87. 2 So auch Löwisch, FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 f. 3 So wohl auch MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 95; a.A. – ohne freilich zwischen Richtlinien nach § 28 Abs. 1 und solchen nach § 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SprAuG zu differenzieren – ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 9; a.A. wegen Fehlens der „Richtigkeitsgewähr“ solcher Richtlinien auch DBD/Däubler, § 310 Rz. 36. 4 Zur Diskussion und anderen Meinungen im Schrifttum vgl. Willemsen/Mehrens, FS Bepler (2012), S. 619 ff.; vgl. zudem Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 160 f. 5 BAG 16.2.2012 – 6 AZR 573/10 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18 m.w.N.; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; BAG 8.6.2005 – 4 AZR 412/04 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6; Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 160 f. 6 HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 18; DBD/Däubler, § 310 Rz. 40; Staudinger/ Coester, § 310 Rz. 89; für eine analoge Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB dagegen van Endern, Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, 2011, S. 133 ff.

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Bereichsausnahme für Kollektivverträge

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Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fehlen ihrer Tarifvertragsqualität1 nicht in den Katalog des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aufgenommen hat, hat er zu erkennen gegeben, dass solche Richtlinien grundsätzlich der Kontrolle nach Maßgabe von §§ 305 ff. BGB nicht entzogen sein sollen.2 Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ist dadurch nicht in Frage gestellt. Es ist vielmehr im Rahmen der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ zu berücksichtigen.3 4. Rechtskontrolle der Kollektivverträge Die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf normativ wirkende Tarif- 48 verträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen und verbindliche Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz führt nicht dazu, dass diese Kollektivverträge außerhalb einer Inhaltskontrolle stünden. Eine solche Kontrolle ist vielmehr als Rechtskontrolle – nicht als „Billigkeitskontrolle“ im Sinne von § 315 BGB4 – durchzuführen: für Tarifverträge anhand des nicht-dispositiven Gesetzesrechts und Art. 3 GG,5 für Betriebsund Dienstvereinbarungen anhand von § 75 Abs. 1 BetrVG6 bzw. vergleichbaren personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen und für Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz anhand von § 27 Abs. 1 SprAuG. Dabei können sich in Betriebsvereinbarungen mit Blick auf § 75 Abs. 1 BetrVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG durchaus unangemessene Benachteiligungen der Arbeitnehmer herausstellen.7 Die mögliche Unwirksamkeit kann von den Betriebsparteien selbst, kann aber auch von 1 BAG 6.11.1996 – 5 AZR 334/95 – EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 16. 2 BAG 17.11.2005 – 6 AZR 160/05 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7. 3 BAG 17.11.2005 – 6 AZR 160/05 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; vgl. auch BT-Drucks. 14/7052, S. 189, wo das kirchliche Arbeitsrecht als Beispiel für arbeitsrechtliche Besonderheiten ausdrücklich genannt wird. 4 BAG 16.7.1996 – 3 AZR 398/95 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 21; Richardi, NZA 2002, 1057 (1060). 5 BAG 27.5.2004 – 6 AZR 129/03 – EzA GG Art. 3 Nr. 101. 6 BAG 7.6.2011 – 1 AZR 807/09 – EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; BAG 12.4.2011 – 1 AZR 412/09 – EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 2. 7 Vgl. etwa BAG 12.4.2011 – 1 AZR 412/09 – EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 2 für das Erfordernis, dass zur Auszahlung einer variablen Erfolgsvergütung das Arbeitsverhältnis noch einige Zeit über den Bezugszeitraum hinaus ungekündigt bestehen müsse; BAG 12.12.2006 – 1 AZR 96/06 – EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1 für Ausschlussfristen; BAG 18.7.2006 – 1 AZR 578/05 – EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 4 für die Überbürdung der Kosten von Lohn- und Gehaltspfändungen.

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Anwendungsbereich

jedem Betroffenen im Individualprozess geltend gemacht werden. Daneben zählt es zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, die in Formulararbeitsverträgen enthaltenen Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Nachweisgesetzes sowie mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überwachen. Das Überwachungsrecht besteht in Gestalt einer Rechtskontrolle der in den Formulararbeitsverträgen enthaltenen Vertragsklauseln.1 Dabei mag sich durchaus beobachten lassen, dass das Bundesarbeitsgericht auf der Basis von § 75 Abs. 1 BetrVG Betriebsvereinbarungen einer Rechts-/Inhaltskontrolle unterzieht, „die in ihrer Intensität derjenigen nach § 307 BGB gleichkommt“.2 V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten 49 Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB „auf Arbeitsverträge … die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“. 1. „Arbeitsverträge“ 50 Für den Begriff „Arbeitsvertrag“ gilt zunächst die allgemeine Definition. Arbeitsverträge sind Dienstverträge im Sinne von § 611 BGB zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.3 Danach sind arbeitnehmerähnliche Personen keine Arbeitnehmer, weil es an der persönlichen – nicht wirtschaftlichen – Abhängigkeit vom Vertragspartner fehlt. Für sie gelten §§ 305 ff. BGB ohne Modifikation, sie sind auch nicht „Verbraucher“ im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB (s.o. Rz. 11, Rz. 14). „Arbeitsverträge“ im Sinne der Bestimmung sind nicht nur Verträge, die ein Arbeitsverhältnis (erstmals) begründen. Zu ihnen zählen vielmehr alle vertraglichen Absprachen und (Gesamt-)Zusagen, die die Vertragsparteien gerade in ihrer Rolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen. Dazu gehören grundsätzlich auch Änderungs- und Aufhebungsverträge.4 Bei der Inhalts-

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BAG 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 4. So Preis, Arbeitsrecht – Kollektivarbeitsrecht, 3. Aufl., 2012, § 152 I 9 (S. 686). BAG 16.2.2000 – 5 AZB 71/99 – EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 49 m.w.N. AnwK/Hümmerich/Ebeling BGB § 310 Rz. 30; vgl. zu Einzelheiten oben Einf. Rz. 104 ff.

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Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten

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kontrolle solcher Verträge nach §§ 305 ff. BGB sind also – soweit diese Kontrolle denn reicht1 – ebenfalls die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu beachten. 2. „Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten“ Was unter den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu verstehen ist, liegt nicht unmittelbar auf der Hand. In der Begründung zum Regierungsentwurf des § 310 Abs. 4 BGB2 heißt es in diesem Zusammenhang, zwar solle die aus der uneinheitlichen Rechtsprechung entstandene Rechtsunsicherheit im Arbeitsrecht durch die Streichung der Bereichsausnahme beseitigt und dadurch auch dafür gesorgt werden, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter dem des Zivilrechts zurückbleibe. Es sollten aber

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„vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können“.

Im Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesvorschlag der Bundesregierung3 heißt es dazu, der Ausschuss verbinde mit der vorgesehenen Formulierung die Erwartung,

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„dass den Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts wie z.B. des kirchlichen Arbeitsrechts angemessen Rechnung getragen werden kann“.

Daraus wurde im Schrifttum teilweise geschlossen, die Besonderheiten 53 des Arbeitsrechts seien nur innerhalb der in den Materialien genannten Unterbereiche des Rechtsgebiets zu berücksichtigen, etwa im kirchlichen Arbeitsrecht, oder es seien – wie aus der Formulierung der „im“ Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten folge – nur spezielle Gegebenheiten innerhalb des Arbeitsrechts gemeint, etwa Befristungen, Arbeitsverhältnisse mit Tendenzunternehmen und Ähnliches.4 Zudem wurde aus der Formulierung, es sei auf die „im Arbeitsrecht geltenden“ Besonderheiten Bedacht zu nehmen, abgeleitet, dass nur rechtliche, nicht auch

1 Für die Begrenzung bei Aufhebungsverträgen – keine Kontrolle des Synallagma und der „essentialia negotii“ – vgl. BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03 – EzA BGB 2002 § 312 Nr. 1 mit zust. Anm. Krause; Reinecke, NZA 2004, Beilage zu Heft 18, 36; Preis, NZA 2003, Beilage zu Heft 16, S. 31. 2 BT-Drucks. 14/6857, S. 53. 3 BT-Drucks. 14/7052, S. 189. 4 Vgl. Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 178; Birnbaum, NZA 2003, 944.

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§ 310

Anwendungsbereich

tatsächliche Spezifika, die das Arbeitsrecht von anderen Rechtsgebieten unterschieden, Berücksichtigung finden könnten.1 54 Diesen Einschränkungen des Verständnisses der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass die spezifischen Besonderheiten nur in Teilbereichen des Arbeitsrechts oder bei speziellen Gegebenheiten innerhalb des Gesamtbereichs zu berücksichtigen seien.2 Im Übrigen seien – inhaltlich betrachtet – arbeitsrechtliche Besonderheiten solche Regelungen, die von den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts und des Prozessrechts abwichen. Das sei nicht nur dann der Fall, wenn die abweichenden Regelungen ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse Anwendung fänden. Dass sie – wie etwa § 888 Abs. 3 ZPO – auch für Dienstverträge mit freien Mitarbeitern gälten, schließe ihre Berücksichtigung als Besonderheit des Arbeitsrechts nicht aus; es genüge, dass sich die abweichende Regelung besonders auf dem Gebiet des Arbeitsrechts auswirke.3 55 Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind außerdem neben rechtlichen auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Es gehe um die Beachtung der dem Arbeitsverhältnis innewohnenden Besonderheiten.4 Dies wird im Schrifttum kritisiert.5 Dem Bundesarbeitsgericht ist indessen auch insoweit zuzustimmen. Zum einen spricht die Begründung zum Regierungsentwurf6 davon, dass „die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses“ berücksichtigt werden sollen. Dies schließt tatsächliche Gesichtspunkte zwanglos ein. Zum anderen ist zwischen normativen und tatsächlichen

1 Thüsing, NZA 2002, 592; anders in AGB-Kontrolle Rz. 109; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 11; umfassend DBD/Deinert, § 310 Rz. 64–86. 2 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1 mit insoweit zust. Anm. Thüsing/Leder; so auch Staudinger/Coester, § 310 Rz. 103. 3 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1; so auch Bamberger/ Roth/Becker, § 310 Rz. 37; Reichenbach, NZA 2003, 311; DBD/Deinert, § 310 Rz. 71. 4 BAG 14.1.2009 – 3 AZR 900/07 – EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12; BAG 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; so auch Joost, FS Ulmer (2003), S. 1203 f.; Erman/Roloff, § 310 Rz. 34; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 100; jurisPK-BGB/Lapp/Salamon, § 310 Rz. 49; Jesgarzewski ArbuR 2011, 13; Bamberger/Roth/Becker, § 310 Rz. 37. 5 DBD/Deinert, § 310 Rz. 64; ErfK/Preis, BGB §§ 305–310 Rz. 11; WLP/Stoffels, Anhang zu § 310 Rz. 17; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 391; wohl auch AnwK/Hümmerich/Ebeling BGB § 310 Rz. 38. 6 BT-Drucks. 14/6857, S. 53.

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Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten

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Besonderheiten im Einzelfall schwer zu unterscheiden: Ist es ein rechtlicher oder ein tatsächlicher Umstand, dass der Unternehmer/Arbeitgeber einen durch den Nichtantritt der Arbeit entstandenen Schaden schwerlich genau darlegen kann oder die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens schwer vorhersehbar ist?1 Es erscheint nicht gerechtfertigt, die Berücksichtigung dieser Umstände von ihrer denkbaren begrifflichen Einordnung als normative oder empirische Besonderheiten abhängig zu machen.2 Zwar können tatsächliche Umstände nicht eigentlich „gelten“, wie § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB von den Besonderheiten im Arbeitsrecht verlangt, sondern sind gegeben oder nicht. Der Gesetzgeber hat jedoch auch in § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auf diese semantische Feinheit keine Rücksicht genommen. Dort ist die Rede von „geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen“ – und damit empirischen Umständen –, auf die Rücksicht zu nehmen sei. Umgangssprachlich können tatsächliche Besonderheiten ohnehin nicht nur „gegeben sein“ oder „bestehen“, sondern auch „gelten“.3 Neben rechtlichen Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht sind deshalb auch spezifische Interessenlagen und Bedürfnisse, die mit der Rolle des Unternehmers/Arbeitgebers auf der einen und des Arbeitnehmers auf der anderen Seite einhergehen, bei der Anwendung von §§ 305 ff. BGB angemessen zu berücksichtigen.4 Dabei ist allerdings zwischen „tatsächlichen Besonderheiten“ im darge- 56 legten Sinn einerseits und bloßen kautelarvertraglichen „Üblichkeiten“ und verbreiteten „Usancen“ des Arbeitslebens andererseits zu unterscheiden. Letztere sind gerade Gegenstand der Inhaltskontrolle und rechtfertigen nicht etwa unbesehen ihre Fortgeltung als arbeitsrechtliche „Besonderheiten“.5 „Angemessen“ ist die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden 57 Besonderheiten, wenn sie ein mit diesen einhergehendes, sachlich nachvollziehbares Verlangen nach einer Aufrechterhaltung der fraglichen Vertragsbedingung in einen sachgerechten Ausgleich mit den allgemei1 Vgl. dazu BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1; Staudinger/Coester, § 310 Rz. 103; Herresthal Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1. 2 So i.E. wohl auch Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 109. 3 So auch Herresthal, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1. 4 Ähnlich auch Staudinger/Coester, § 310 Rz. 103; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 173; Bamberger/Roth/Becker, § 310 Rz. 37; Morgenroth/Leder, NJW 2004, 2797 f.; ausführlich Herresthal, Anm. zu BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1. 5 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 11; Preis, NZA 2003, Beilage zu Heft 16, S. 26.

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nen Grundsätzen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB bringt. Dies kann – selbstverständlich – dazu führen, dass sich die fragliche Klausel trotz der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten im Ergebnis als unwirksam erweist. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. September 20081 die seit der Entscheidung vom 4. März 20042 trotz des Klauselverbots in § 309 Nr. 6 BGB wegen § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB für grundsätzlich zulässig erachtete Vereinbarung einer Vertragsstrafe im konkreten Fall wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam gehalten, weil die für jeden Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehene Höhe der Vertragsstrafe von drei Brutto-Monatsgehältern die Arbeitnehmerin wegen „Übersicherung“ des Arbeitgebers unangemessen benachteilige. 58 Bei der Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten ist folglich in drei Stufen vorzugehen. In einem ersten Schritt ist die fragliche Vertragsbedingung an den allgemeinen Grundsätzen zu messen. Sodann ist die Interessenlage der Vertragsparteien im allgemeinen Zivilrecht mit derjenigen im Arbeitsrecht zu vergleichen und zu prüfen, ob eine Abweichung im Arbeitsrecht (noch) gerechtfertigt ist. Abschließend ist zu fragen, wie eine solche Besonderheit, die nach einer Abweichung verlangt, „angemessen“ berücksichtigt werden kann.3 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien im Besonderen 59 Bei der grundsätzlich eröffneten und gebotenen Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen (vgl. oben Rz. 47) ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit zu berücksichtigen, dass diese Regelungen auf dem „Dritten Weg“ entstehen und von einer paritätisch und mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Kommission beschlossen werden.4 Dies kann dazu führen, dass in ihnen Gestaltungen zulässig sind, die von allgemeinen Grundsätzen abweichen.5 60 Wird auf die kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen – wie zu deren Beachtlichkeit im Arbeitsverhältnis erforderlich (vgl. oben Rz. 47) – im Ar1 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 7. 2 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03 – EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1. 3 Vgl. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 92; Preis, NZA 2004, 1015; HWK/ Gotthardt, § 310 BGB Rz. 22; Staudinger/Coester, § 310 Rz. 7; Jesgarzewski, ArbuR 2011, 13; Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114. 4 BAG 19.11.2009 – 6 AZR 561/08 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12. 5 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15.

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Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten

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beitsvertrag Bezug genommen, unterliegt zunächst diese Bezugnahmeklausel selbst der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, falls es sich denn um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, ggf. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt und nachdem ihr genauer Inhalt durch Auslegung geklärt ist.1 Die Verweisungsklausel muss klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und darf nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB sein – soweit diese Vorschrift Anwendung findet. Sieht eine Klausel eine dynamische Verweisung auf die „jeweils geltenden“ kirchlichen Regelungen oder auf ein bestimmtes Regelungswerk „nebst Änderungen oder Ergänzungen“ vor, ist dies nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts weder überraschend noch liegt darin eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB oder ein unwirksamer Änderungsvorbehalt im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB.2 Zwar stellt ein Änderungsvorbehalt eine von „Rechtsvorschriften“ im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB abweichende Regelung dar, weil zu diesen Vorschriften auch allgemeine Grundsätze – wie etwa das Prinzip des „pacta sunt servanda“ – zählen,3 mit denen eine „Jeweiligkeitsklausel“ oder ein Einbezug künftiger Änderungen nicht vereinbar ist. Wenn Jeweiligkeitsklausel und/oder Änderungsvorbehalt sich aber auf kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsregelungen des Dritten Weges beziehen, die paritätisch ausgehandelt wurden, stellt dies keine unzumutbare Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. einen zumutbaren Änderungsvorbehalt im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB dar. Es wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis nach einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verlangen kann, ohne dass die vertraglichen Rechte des Arbeitnehmers so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre und damit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstoßen würde.4 Wenn eine Verweisungsklausel dagegen nicht nur auf paritätisch zustande gekommene, sondern auch auf einem Letztentscheidungsrecht von Synode oder Bischof beruhende Regelungen des Dritten Wegs Bezug nimmt, gilt diese Bewertung nicht. Vielmehr 1 Vgl. BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; Willemsen/Mehrens, FS Bepler (2012), S. 622; Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 161. 2 BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; vgl. dazu Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 162 ff. 3 BAG 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 – EzA TzBfG § 12 Nr. 2; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 31. 4 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15.

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§ 310

Anwendungsbereich

spricht Einiges dafür, dass eine solche Klausel unwirksam ist, wenn sie auch einem „blue-pencil-Test“ nicht standhält.1 61 Generell ist mit dem Bundesarbeitsgericht festzuhalten, dass die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht von der Notwendigkeit befreit, Gründe für eine Abänderung vertraglicher Bedingungen zu nennen und diese ggf. inhaltlich zu überprüfen. Auch wenn grundsätzlich Bezugnahmen auf andere Regelungswerke in Arbeitsverträgen möglich und zulässig sind und insbesondere dynamische Bezugnahmeklauseln einer üblichen Regelungstechnik im Arbeitsvertrag entsprechen und den Interessen beider Parteien dienen können,2 sind sie nicht ohne Weiteres der Inhaltskontrolle entzogen. Stets ist zu prüfen, ob die Interessen beider Vertragspartner angemessen berücksichtigt werden. Soweit es sich dabei um kollektiv ausgehandelte Vereinbarungen handelt, wird dies bei Parität der Verhandlungspartner allerdings weitgehend der Fall sein.3 62 Von der Kontrolle der Bezugnahmeklausel ist die Kontrolle der in Bezug genommenenen Regelungen zu unterscheiden. Hat das Bundesarbeitsgericht, was diese betrifft, die kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen als solche im Änderungsfall auch nach Inkrafttreten der §§ 305 bis 310 BGB zunächst anhand von §§ 317 ff. BGB gemessen und die Änderung daraufhin überprüft, ob sie offenbar unbillig im Sinne von § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist,4 hält es neuerdings die §§ 305 ff. BGB für allein einschlägig.5 Anders als noch in der Entscheidung vom 19. November 20096 überprüft es mittlerweile paritätisch zustande gekommene kirchenrechtliche Vertragsbedingungen außerdem auch dann nur noch an Ver1 BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23 – dort auch zur ergänzenden Vertragsauslegung für diesen Fall; BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; kritisch dazu Willemsen/Mehrens, FS Bepler (2012), S. 623; vgl. aber Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 164 ff. 2 BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 18. 3 BAG 24.9.2008 – 6 AZR 76/07 – EzA BGB 2002 § 305c Nr. 15; BAG 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 – EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9. 4 BAG 19.8.2008 – 3 AZR 383/06 – NZA 2009, 1275; BAG 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10. 5 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; BAG 24.3.2011 – 6 AZR 796/09 – NZA 2011, 698; vgl. Fischermeier, FS Bepler (2012), S. 166 ff. 6 BAG 19.11.2009 – 6 AZR 561/08 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12.

536 Kreft

§ 310

Ausschluss von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB

fassung, höherrangigem zwingenden Recht und den guten Sitten, wenn sie nicht lediglich einschlägige tarifliche Regelungen für den öffentlichen Dienst ganz oder mit im Kern gleichem Inhalt übernehmen.1 Vorauszugehen hat der Kontrolle der kirchenrechtlichen Regelungen – wie stets (vgl. Vor § 307 Rz. 25) – die Feststellung ihres genauen Inhalts. Dabei sind kirchliche Arbeitsrechtsregelungen – obwohl keine Tarifverträge – nach den Grundsätzen der Gesetzes- und Tarifinterpretation auszulegen.2 VI. Ausschluss der Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Der – in der Sache überraschende – Ausschluss der Anwendbarkeit von 63 § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auf Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht bedeutet, dass der Unternehmer/Arbeitgeber als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen weder den Arbeitnehmer ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang auf diese hinweisen noch ihm die Möglichkeit verschaffen muss, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen, damit diese Vertragsbestandteil werden. Auch das in § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB verlangte Einverständnis der anderen Vertragspartei mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist damit auf den ersten Blick für das Arbeitsrecht entfallen. Auf den zweiten Blick zeigt sich freilich, dass dieses Erfordernis in § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB über § 147 BGB – das erforderliche Einverständnis mit dem Angebot nach § 145 BGB – nicht hinausgeht, welches seinerseits selbstverständlich auch für den Abschluss des Arbeitsvertrags gilt. § 305 Abs. 3 BGB schafft, was die Annahmeerklärung als solche angeht, kein Sonderrecht.3 In der Regierungsbegründung zum Entwurf des § 310 BGB heißt es zur Erläuterung: „Des Weiteren sind die Erfordernisse des § 305 Abs. 2 und 3 BGB-E bei Arbeitsverträgen nicht einzuhalten. Insoweit bestimmt nämlich § 2 Abs. 1 Satz 1 des 1 BAG 22.7.2010 – 6 AZR 847/07 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; BAG 24.3.2011 – 6 AZR 796/09 – NZA 2011, 698; so wohl auch Staudinger/Coester, § 310 Rz. 89. 2 BAG 28.6.2012 – 6 AZR 217/11 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG 16.2.2012 – 6 AZR 573/10 – EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; zu diesen Auslegungsgrundsätzen BAG 3.5.2006 – 1 ABR 2/05 – BAGE 118, 141. 3 BGH 1.3.1982 – VIII ZR 63/81 – WM 1982, 445 zu § 2 AGBG; UBH/Ulmer/Habersack, § 305 Rz. 161.

Kreft 537

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§ 310

Anwendungsbereich

Nachweisgesetzes vom 20. Juli 1995 …, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die wesentlichen Vertragsbestimmungen auszuhändigen hat. Dies kann durch einen entsprechenden Hinweis auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ähnliche für das Arbeitsverhältnis geltende Regelungen ersetzt werden (§ 2 Abs. 3 des Nachweisgesetzes).“

65 Die Begründung verfängt ersichtlich nicht. Das Nachweisgesetz regelt nicht, wie bestimmte Bedingungen zum Vertragsinhalt werden, sondern nur, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Bedingungen, die – auf dem Weg der §§ 145 ff. BGB – zum Vertragsinhalt geworden sind, spätestens einen Monat nach Vertragsbeginn schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat. Dem Anliegen von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, nämlich einen lediglich konkludenten Einbezug von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Geltung ohne die – schon bei Vertragsschluss gegebene – praktikable Möglichkeit, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, auszuschließen,1 wird § 2 NachwG nicht gerecht. 66 Gleichwohl scheidet angesichts des unmissverständlichen Wortlauts des Gesetzes eine Auslegung von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die ein anderes Ergebnis zur Folge hätte, aus. Angesichts des ebenso klaren – wenn auch irrig gebildeten – Willens des Gesetzgebers scheidet auch eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB auf Arbeitsverträge aus.2 Inwieweit sich dieses Versäumnis des Gesetzgebers in der Praxis zu Lasten des Arbeitnehmers auswirkt, ist allerdings nicht ausgemacht. Zum einen bleibt es bei der Geltung von §§ 145 ff. BGB auch für Arbeitsverträge. Danach ist ein übereinstimmender entsprechender Wille beider Vertragsparteien Voraussetzung für die Geltung des Vertragsinhalts. Nach §§ 133, 157 BGB ist deshalb genau zu prüfen, ob die fraglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen tatsächlich wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. So muss es auch für einen konkludenten Einbezug erkennbare Anhaltspunkte geben. Zum anderen sind vertragliche Verweisungen auf andere Regelungswerke als Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien eher die Ausnahme. Die Regelungen solcher kollektiv ausgehandelter Vereinbarungen wiederum sind in der Regel – falls denn wirksam vertraglich einbezogen – nicht unangemessen, soweit sie überhaupt überprüfbar sind. Falls die fraglichen Bedingungen im Vertragstext selbst 1 Vgl. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 83. 2 I.E. ebenso BAG 14.3.2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 26; DBD/Deinert, § 305 Rz. 40 m.w.N.; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 84; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 96.

538 Kreft

Gleichstellung von Kollektiverträgen mit Rechtsvorschriften

§ 310

enthalten sind – wie in Arbeitsverträgen recht häufig –, sind die Voraussetzungen von § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB ohnehin erfüllt. VII. Die Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen den „Rechtsvorschriften“ im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB gleich. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wird dadurch

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„klargestellt, dass Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB-RE gleichstehen. Daraus folgt, dass auch Einzelarbeitsverträge, die Bezug auf einen Tarifvertrag nehmen, ohne dass eine beiderseitige Tarifbindung besteht, oder die mit Kollektivverträgen übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle unterliegen, sondern nur am Transparenzgebot zu messen sind“.

§ 310 Abs. 4 Satz 3 BGB ergänzt damit Satz 1 der Bestimmung, weil 68 sonst – jedenfalls bei deren nicht-normativer Geltung – mittelbar doch eine Inhaltskontrolle von Tarifverträgen und der übrigen Kollektiverträge anhand von §§ 305 ff. BGB stattfinden könnte.1 Dies wird durch ihre Gleichstellung mit Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung unterliegen nur solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB, „die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen“, nicht aber solche, die inhaltlich dem Gesetz entsprechen. Die Gleichstellung der Kollektivverträge mit Rechtsvorschriften bewirkt nunmehr, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den einschlägigen Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen entsprechen, keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB unterzogen werden können. Unabhängig davon, ob auf die Regelungen der Kollektivverträge individualrechtlich Bezug genommen wird oder ob diese ausformuliert in den Arbeitsvertrag übernommen werden, sind sie in ihrem materiellen Inhalt als bloß „rechtsdeklaratorische“ Klauseln einer solchen Kontrolle entzogen.2 Das entspricht zugleich dem hinter der Bezugnahme liegenden Standardisierungsinteresse des Arbeitgebers, der die Tarifverträge, an die er gegenüber gewerkschaftsangehörigen Belegschaftsmitgliedern normativ gebunden ist, auch im Verhältnis zu nichtorganisierten Arbeitnehmern in gleicher Weise anwenden können 1 Joost, FS Ulmer (2003), S. 1199; Witt, NZA 2004, 137. 2 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – EzA BGB 2002 § 310 Nr: 8; DBD/Däubler, § 310 Rz. 45 m.w.N.; Witt, NZA 2004, 136.

Kreft 539

§ 310

Anwendungsbereich

will. Unterlägen die nur schuldrechtlich geltenden Tarifregelungen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, wäre dies zumindest nicht garantiert. Außerdem wären nicht-organisierte Arbeitnehmer dann wegen der Überprüfung der vertraglich in Bezug genommenen Tarifregelungen anhand von §§ 307 ff. BGB möglicherweise besser gestellt als organisierte.1 1. Globalverweisungen 69 Werden mit einer – ihrerseits wirksamen, d.h. nicht überraschenden und transparenten – Vertragsklausel jeweils in toto sämtliche Tarifverträge in den Arbeitsvertrag einbezogen, die auf das Arbeitsverhältnis normativ Anwendung fänden, wenn die Vertragsparteien Mitglieder der betreffenden Tarifvertragsparteien wären, findet damit wegen § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keine Inhaltskontrolle der – nur schuldrechtlich – geltenden einbezogenen tariflichen Regelungen statt. Darüber besteht Einigkeit.2 Das Gleiche gilt, wenn zwar nicht auf sämtliche bei normativer Bindung einschlägigen Tarifwerke, aber jedenfalls auf einen einzelnen einschlägigen Tarifvertrag in Gänze verwiesen wird. Dessen Regelungen verlieren nicht dadurch ihre „Richtigkeitsgewähr“, dass nur auf sie und nicht auch auf die Regelungen in anderen Tarifverträgen der Branche verwiesen wird – selbst wenn nicht auszuschließen ist, dass bestimmte Regelungen im Tarifwerk A mit Rücksicht auf bestimmte Regelungen im Tarifwerk B getroffen worden sind. Es käme vielmehr weiterhin einer Tarifzensur gleich, wenn die Bestimmungen des als solchen komplett einbezogenen Tarifvertrags nur deshalb einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterzogen würden, weil nicht sämtliche anderen einschlägigen Tarifverträge vertraglich ebenfalls für anwendbar erklärt worden sind.3 70 Etwas anderes gilt, wenn auf einen nicht einschlägigen, also das Arbeitsverhältnis selbst bei unterstellter Tarifbindung örtlich, fachlich oder personell nicht erfassenden Tarifvertrag verwiesen wird. In diesem Fall greift auch bei einer Bezugnahme auf den gesamten Tarifvertrag weder 1 DBD/Däubler, § 310 Rz. 44. 2 BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5; BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 63; AnwK/Hümmerich/Ebeling, BGB § 310 Rz. 24; Richardi, NZA 2002, 1062; Witt, NZA 2004, 138; UBH/ Fuchs, § 310 Rz. 161, Rz. 163; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 189; jurisPK-BGB/ Lapp/Salamon, § 310 Rz. 45; DBD/Däubler, § 310 Rz. 144; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 200. 3 So die vorstehend zitierten Stimmen, die insoweit nicht differenzieren.

540 Kreft

Gleichstellung von Kollektiverträgen mit Rechtsvorschriften

§ 310

der Gedanke der Richtigkeitsgewähr noch das Verbot der Tarifzensur, um eine Inhaltskontrolle auszuschließen. Die institutionelle Vermutung der „Angemessenheit“ und materialen „Richtigkeit“ ist vielmehr mit Blick auf Tarifregelungen nur insoweit berechtigt, wie diese – im Rahmen der Tarifzuständigkeit der Beteiligten – auf diejenigen Arbeitsverhältnisse Anwendung finden, für die sie sich selbst Geltung beimessen. (Nur) in eben diesem Umfang garantiert die Sachkunde und Sachnähe der Tarifvertragsparteien die Ausgewogenheit der tariflichen Bestimmungen und ist deshalb eine Angemessenheitskontrolle unter dem Regime von Art. 9 Abs. 3 GG ausgeschlossen.1 Tarifverträge im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB sind deshalb nur solche, denen das Arbeitsverhältnis bei Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien unterfallen würde.2 Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Es ergibt sich aber aus dem dargelegten Sinn und Zweck von § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB und aus der systematischen Gleichstellung von Tarifverträgen mit „Rechtsvorschriften“ i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Rechtsvorschriften gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind – selbstredend – nur solche Gesetze und allgemeine Rechtsgrundsätze, die auf das fragliche Rechtsverhältnis Anwendung finden.3 Das spricht dafür, auch Tarifverträge nur dann als Rechtsvorschriften im Sinne der Bestimmung anzusehen, wenn sie bei unterstellter Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. Ist das nicht der Fall, unterliegen sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund sie keine Anwendung fänden. Auch wenn sie nur örtlich nicht einschlägig sind, schließt das eine Inhaltskontrolle nicht aus.4 Das Gleiche gilt, wenn auf einen nur zeitlich nicht mehr einschlägigen Tarifvertrag verwiesen wird (a.A. Klumpp, § 307 Rz. 166). War der örtlich, fachlich und personell durchaus einschlägige Tarifvertrag im Zeit1 UBH/Fuchs, § 310 Rz. 161; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 14; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; DBD/Däubler, § 310 Rz. 50; Richardi, NZA 2002, 1062; Witt, NZA 2004, 137. 2 Richardi, NZA 2002, 1062; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 186; wohl auch BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – EzA BGB 2002, § 310 Nr. 8. 3 BGH 10.5.1979 – VII ZR 30/78 – BGHZ 74, 258, 269 = NJW 1979, 2207: kein Ausschluss der Inhaltskontrolle, wenn ein Werkvertrag nach Kaufrecht behandelt werden soll; BGH 23.10.1996 – XII ZR 55/95 – NJW 1997, 193: keine Kontrollfreiheit bei Anwendung von mietvertraglichen Regelungen zur Zahlungspflicht auch bei unterbliebener Nutzung auf Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio; UBH/Fuchs, § 307 Rz. 30. 4 HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; Witt, NZA 2004, 137; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 161; Annuß, BB 2002, 460; DBD/Däubler, § 310 Rz. 50.

Kreft 541

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§ 310

Anwendungsbereich

punkt des Vertragsschlusses durch einen nachfolgenden Tarifvertrag bereits abgelöst, hätte er selbst bei Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien seine normative Geltung verloren. Mit ihm als nunmehr bloßer Vorläuferregelung ist deshalb gerade nicht mehr die Vermutung materialer Richtigkeit verbunden, seine Regelungen sind nicht mehr Ausdruck der aktualisierten Tarifautonomie im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG. Sie sind einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB damit nicht mehr entzogen.1 Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Tarifvertrag, nachdem er wegen Zeitablaufs geendet hat, schon durch eine neue Tarifvereinbarung abgelöst worden ist. Auch wenn ein neuer Tarifabschluss noch nicht zustande gekommen ist, hat der bisherige Tarifvertrag seine – zeitlich befristete – Richtigkeitsgewähr verloren; mit einer möglichen Kontrolle ist ein Verstoß gegen die Tarifautonomie nicht verbunden, wie schon § 4 Abs. 5 TVG zeigt. Da außerdem tarifliche Nachfolgeregelungen häufig rückwirkend bis zum Ablauf der Vorgängerregelung in Kraft gesetzt werden, ist auch ein in der Zwischenzeit vertraglich in Bezug genommener, zeitlich abgelaufener Tarifvertrag der Inhaltskontrolle nicht entzogen.2 72 Ob auf einen bei Vertragsschluss in jeder Hinsicht einschlägigen Tarifvertrag statisch oder dynamisch, d.h. auch in seiner jeweils geltenden künftigen Fassung verwiesen wird – beides ist grundsätzlich zulässig –, ist durch Auslegung der einzelvertraglichen Verweisungsklausel zu ermitteln. Handelt es sich bei dieser um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, ist sie nach den dafür in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätzen auszulegen.3 Ergibt die Auslegung – ggf. über die Zweifelsregelung in § 305c Abs. 2 BGB4 – dass auf die fraglichen Tarifregelungen in dynamischer Weise Bezug genommen wurde, ist zu prüfen, ob diese Bezugnahme als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, insbesondere nach dem Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, standhält. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass arbeitsvertragliche Verweisungen auf Tarifverträge einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik entsprechen, die Dynamisierung wegen des Zukunftsbezugs des Ar1 DBD/Däubler, § 310 Rz. 50; Witt, NZA 2004, 137; Diehn, NZA 2004, 131. 2 So auch Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 186; im Ergebnis ebenso Witt, NZA 2004, 137. 3 Vgl. zu diesen Grundsätzen nur BAG 20.4.2012 – 9 AZR 504/10 – BAG 19.10.2011 – 7 AZR 672/10 – EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10 und BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – AP BGB 242 Betriebliche Übung Nr. 91 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51. 4 Vgl. dazu etwa BAG 9.11.2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4.

542 Kreft

Gleichstellung von Kollektiverträgen mit Rechtsvorschriften

§ 310

beitsverhältnisses den Interessen beider Seiten entspricht, die einbezogenen künftigen Regelungen hinreichend bestimmbar sind und all dies für einen wirksamen Einbezug genügt.1 Hält die dynamische Bezugnahme auf den jeweils geltenden Tarifvertrag als solche der Inhaltskontrolle stand, sind in Bezug genommene örtlich, fachlich und personell einschlägige Tarifverträge ihrerseits der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen, weil sie dann stets auch in zeitlicher Hinsicht einschlägig sind. Bei einer statischen Bezugnahme auf den bei Vertragsschluss in jeder 73 Hinsicht einschlägigen Tarifvertrag entfällt dagegen mit dessen Ablösung durch eine Nachfolgeregelung seine normative Wirkung auch bei unterstellter Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien. Der Arbeitsvertrag nimmt nunmehr auf einen in zeitlicher Hinsicht nicht mehr einschlägigen Tarifvertrag Bezug. Damit ist die Inhaltskontrolle eröffnet. Es kann dafür keinen Unterschied machen, ob ein Tarifvertrag schon bei Vertragsschluss nicht mehr galt oder ob er seine Geltung während der Vertragslaufzeit verloren hat.2 Eine andere Frage ist es, ob nicht nur die Verweisungsklausel, sondern 74 auch die in Bezug genommenen einschlägigen Tarifregelungen zwar wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht materiell nach §§ 307 ff. BGB zu überprüfen, aber – obwohl es sich um Bestimmungen handelt, die nicht von Rechtsvorschriften abweichen – über § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen sind. Der Wortlaut der Bestimmungen und die Begründung zum Regierungsentwurf legen dies nahe.3 Das Bundesarbeitsgericht hat eine solche Transparenzkontrolle zumindest für den Fall der Tarifbindung des Arbeitgebers gleichwohl abgelehnt. Da in diesem Fall der Tarifvertrag gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB jeglicher Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB – also auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – entzogen ist, hätte eine solche Kontrolle 1 BAG 15.3.2007 – 5 AZR 630/06 – EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; BAG 23.3.2011 – 10 AZR 831/09 -; BAG 20.4.2012 – 9 AZR 504/10; zustimmend HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 21; Lakies, Vertragsgestaltung, Rz. 152; vgl. ferner Preis/ Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 40 Rz. 77, Rz. 78, Rz. 90 und – eingrenzend – Rz. 80. 2 A.A. offenbar Witt, NZA 2004, 137. 3 Bejahend deshalb Witt, NZA 2004, 138; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 15; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 40 Rz. 85 – ohne dann zwischen Transparenzkontrolle der Vertragsklausel und Transparenzkontrolle der in Bezug genommenen Tarifregelungen klar zu unterscheiden; Stoffels, ZfA 2009, 861; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 162; Lakies, Vertragsgestaltung 1, Rz. 163 ff., Rz. 207.

Kreft 543

§ 310

Anwendungsbereich

im Verhältnis zu nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmern die mögliche Folge, dass einzelne Vorschriften desselben Tarifvertrags bei demselben Arbeitgeber gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern zur Anwendung kommen, gegenüber nicht-tarifgebundenen bei Intransparenz dagegen nicht. Das sei mit Sinn und Zweck des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren.1 Soweit das Bundesarbeitsgericht andernfalls eine mittelbare Tarifzensur befürchtet, überzeugt dies zwar nicht, weil die betreffenden Regelungen nicht auf ihre materiale Angemessenheit, sondern auf ihre Bestimmtheit und Verständlichkeit hin überprüft würden. Das Argument der gespaltenen Anwendbarkeit derselben Tarifbestimmung ist dagegen nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen; allerdings verlangt eine auf den ersten Blick möglicherweise unklare Tarifregelung für ihre Anwendbarkeit auch gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern zuvor nach einer Auslegung, die Klarheit schafft. Die Frage, ob eine Transparenzkontrolle stattzufinden hat, wenn in dem Arbeitsvertrag mit einem nicht-tarifgebundenen Arbeitgeber auf einen einschlägigen Tarifvertrag in Gänze verwiesen wird, hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen.2 Sie ist angesichts von Wortlaut und gesetzgeberischer Begründung von § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 BGB zu bejahen. 2. Verweisung auf einzelne tarifliche Regelungen 75 Wird im Arbeitsvertrag nur auf einzelne Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags verwiesen, liegt ein Fall des § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor. Weder die Richtigkeitsvermutung noch das Verbot der Tarifzensur greifen ein, wenn nicht das gesamte Ensemble der Tarifregelungen, sondern nur einzelne Vorschriften – etwa die Regelung über Ausschlussfristen – in Bezug genommen werden.3 Erst die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags begründet die Vermutung, dass diese die divergierenden Interessen der ihnen Unterworfenen angemessen ausgleichen.4 Zumindest setzt eine solche Vermutung die vollständige Übernahme eines abgrenzbaren Sachbereichs des einschlägigen Tarifvertrags voraus.5

1 BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5. 2 BAG 28.6.2007 – 6 AZR 750/06 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5. 3 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 16; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 164; Thüsing, AGBKontrolle, Rz. 189; Witt, NZA 2004, 138; Diehn, NZA 2004, 130; Henssler, RdA 2002, 136; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 212. 4 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8. 5 BAG 15.7.2009 – 5 AZR 867/08 – EzA ArbzG § 6 Nr. 7.

544 Kreft

Gleichstellung von Kollektiverträgen mit Rechtsvorschriften

§ 310

3. Verweisung auf abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe Weniger eindeutig ist die Rechtslage deshalb bei Verweisungen nicht 76 nur auf einzelne Regelungen, sondern auf bestimmte abgrenzbare Teilkomplexe eines einschlägigen Tarifwerks, etwa auf sämtliche Bestimmungen zum Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer oder zu Kündigungsfristen und Unkündbarkeiten. Teilweise wird aus den Regelungen etwa in § 622 Abs. 4 BGB, § 4 Abs. 4 EFZG, § 13 Abs. 1 BUrlG, § 7 Abs. 3 ArbZG, in denen Abweichungen vom gesetzlichen Regelungskomplex durch Tarifvertrag und in dessen Geltungsbereich wiederum auch für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber zugelassen werden, geschlossen, dass der Inhaltskontrolle entzogene Verweisungen auf solche Teilkomplexe zulässig sein müssen.1 Das Gesetz erlaubt in diesen Fällen zwar in der Tat die einzelvertragliche Übernahme bestimmter Teilregelungen aus Tarifverträgen und entzieht diese damit der Angemessenheitskontrolle. Dabei ist ersichtlich auch nicht etwa vorausgesetzt, dass nicht nur der betreffende Teilkomplex, sondern darüber hinaus jeweils der gesamte Tarifvertrag einzelvertraglich in Bezug genommen wird – besonders deutlich ablesbar in § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG. Dennoch lässt sich aus dieser gesetzlichen Gestattung nicht ableiten, dass ein sachlich in sich geschlossener Teilbereich eines einschlägigen Tarifvertrags einzelvertraglich einbezogen werden könnte, ohne auch nur vom Ansatz her einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu unterliegen. Die „Richtigkeit“ der Regelungen des betreffenden Teilkomplexes lässt sich bedenkenfrei nur bei Geltung auch der übrigen Regelungen des Tarifwerks vermuten. Weniger günstige Regelungen im Bereich A mögen erst durch gleichzeitig zur Anwendung gelangende Zugeständnisse der Gegenseite im Bereich B „ausgewogen“ sein, nicht aber ohne diese. Ein Verweis bloß auf Sachbereich A würde dieses Gleichgewicht womöglich unterlaufen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, einen Sachbereich und Teilkomplex inhaltlich exakt zur bloßen Einzelverweisung abzugrenzen. Auch bei vollständiger Verweisung auf in sich abgeschlossene Teilbereiche des einschlägigen Tarifvertrags ist deshalb eine Inhaltskontrolle der betreffenden Regelungen nicht wegen § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von vornherein ausgeschlossen.2 Dies liegt auf der Linie der Recht-

1 So wohl Diehn, NZA 2004, 131; Witt, NZA 2004, 138; Henssler, RdA 2002, 136. 2 So auch UBH/Fuchs, § 310 Rz. 165; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; DBD/ Däubler, § 310 Rz. 51, Rz. 52; jurisPK-BGB/Lapp/Salamon, § 310 Rz. 77; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 218 f.; wohl auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 18.

Kreft 545

§ 310

Anwendungsbereich

sprechung des Bundesgerichtshofs zur nicht vollständigen Übernahme der Regelungen der VOB-B.1 77 In den erwähnten Fällen einer gesetzlichen Gestattung der vertraglichen Übernahme tariflicher Regelungen zu Teilkomplexen ist aber im Rahmen der grundsätzlich eröffneten Inhaltskontrolle von der Angemessenheit der betreffenden Regelungen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ohne weitere Prüfung auszugehen. Eben dies ist der Inhalt und die Folge der gesetzlichen Gestattung.2 In den anderen Fällen der Übernahme von Teilkomplexen ist dagegen zwar eine sachliche Prüfung anhand von § 307 Abs. 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB prinzipiell möglich, wird aber aufgrund der Parität der Verhandlungspartner in der Regel nicht zu Beanstandungen führen.3 4. Verweisung auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen 78 Für die vertragliche Bezugnahme auf Betriebs- oder Dienstvereinbarungen gelten dieselben Grundsätze wie bei Verweisungen auf Tarifverträge. Bei der Verweisung auf eine „einschlägige“ Betriebsvereinbarung, d.h. auf eine den Betrieb erfassende (Gesamt-, Konzern-)Betriebsvereinbarung, werden deren Regelungen aber gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG regelmäßig schon normativ gelten. Sie sind deshalb bereits wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen. Das gilt für Gesamtund Konzern-Betriebsvereinbarungen auch dann, wenn sie auf einer Mandatierung durch den örtlichen Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG bzw. durch den Gesamtbetriebsrat nach § 58 Abs. 2 BetrVG beruhen. Für ihre normative Wirkung nach § 77 Abs. 4 BetrVG ist das unerheblich.4 79 Wird eine nicht-einschlägige Betriebsvereinbarung in Bezug genommen – eine Betriebsvereinbarung für einen anderen Betrieb, eine bereits abgelaufene oder eine in personeller Hinsicht nicht anwendbare Betriebsvereinbarung – liegt ein Fall von § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor, so dass sie der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterfällt.5 Dabei wird sich aber auch hier der Umstand, dass ihre Regelun1 BGH 20.1.2004 – VII ZR 419/02 – BGHZ 157, 346 = NJW 2004, 1597. 2 So wohl auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 18; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; UBH/Fuchs, § 310 Rz. 165. 3 Ähnlich DBD/Däubler, § 310 Rz. 53; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 18, Rz. 19. 4 A.A. ohne nähere Begründung DBD/Däubler, § 310 Rz. 55a. 5 Diehn, NZA 2004, 131; DBD/Däubler, § 310 Rz. 55, Rz. 56.

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§ 310

Kollektivverträge als eigener Maßstab?

gen kollektiv ausgehandelt worden sind, bei der Angemessenheitskontrolle regelmäßig zu Gunsten ihrer Wirksamkeit auswirken.1 VIII. Kollektivverträge als eigener Maßstab der Inhaltskontrolle? Von der Frage, ob Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarun- 80 gen über § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen sind, ist die Frage zu unterscheiden, ob sie wegen ihrer Gleichsetzung mit „Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3“ ihrerseits als Maßstab für die Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Regelungen in Betracht kommen.2 Die Frage ist trotz des dies zulassenden Wortlauts von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verneinen. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB soll nach der Begründung zum Regierungsentwurf verhindern, dass Kollektivverträge beim Fehlen normativer Geltung mittelbar dennoch einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Dazu wurde aus rechtstechnischen Gründen die Gleichstellung mit Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB gewählt. Die wegen dieser Gleichsetzung dem Wortlaut nach nicht ausgeschlossene Möglichkeit, die Kollektivverträge nicht nur als Objekt vor der Inhaltskontrolle zu schützen, sondern selbst zum Maßstab und Subjekt der Inhaltskontrolle zu machen, ist angesichts dessen völlig überschießend. An keiner Stelle geben die Gesetzesmaterialien zu erkennen, dass eine solche brisante Verkürzung der vertraglich zulässigen Regelungsbandbreite beabsichtigt worden wäre. Aus der intendierten Verhinderung von Tarifzensur wäre in gewisser Weise eine Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ganz außerhalb des Verfahrens nach § 5 TVG geworden. Zudem wäre gerade das vertragliche Synallagma und als dessen Teil die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers – obwohl über § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB „eigentlich“ einer Kontrolle gerade entzogen – einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen, nicht am Maßstab von § 138 BGB, sondern am durchaus engeren Maßstab des einschlägigen Tariflohns. Ein solches Ergebnis war von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ersichtlich nicht gewollt. Es hätte anderenfalls auch nahegelegen, Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen den (gesetzlichen) Rechtsvorschriften nicht nur „im Sinne von § 307 Abs. 3“, sondern generell „im Sinne von § 307“ gleichzustellen. Diese Überlegungen gelten erst recht mit Blick auf Be-

1 Vgl. nur BAG 25.4.2007 – 6 AZR 622/06 – AP InsO § 113 Nr. 23. 2 Dies bejahend Däubler, NZA 2001, 1334 f.; DBD/Däubler, § 307 Rz. 279 f.; Lakies, NZA-RR 2002, 344; etwas unklar Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 342.

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§ 310

Anwendungsbereich

triebs- und Dienstvereinbarungen als möglichem Maßstab der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen. 81 § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ist deshalb dahin auszulegen oder – bei Annahme eines dies nicht zulassenden eindeutigen Textsinns – teleologisch zu reduzieren, dass die genannten Kollektivverträge Rechtsvorschriften nur insofern gleichgestellt sind, als vertragliche Regelungen, die von ihnen nicht abweichen, keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Die Gleichstellung bedeutet dagegen nicht, dass sich eine Abweichung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von den Regelungen eines einschlägigen Kollektivvertrags nach §§ 307 ff. BGB nunmehr nicht nur an Gesetz und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, sondern gerade auch an diesen kollektiven Regelungen zu messen lassen hätte.1

1 So die ganz h.M. vgl. nur Preis, NZA 2003, Beilage zu Heft 16, S. 31, 32; ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Henssler, RdA 2002, 136; MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 103; Annuß, BB 2002, 460; Staudinger/Coester, § 310 Rz. 110; Reinecke, NZA 2004, Beilage zu Heft 18, 29; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 11; Diehn, NZA 2004, 135.

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Anhang Besondere Regelwerke Besondere Vergütungsbestandteile I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4.

Jahressonderzahlungen. . . . . . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten . . . . . . . . . . . . . . 5. Stichtagsklauseln . . . . . . . . . . a) Sonderzahlung mit Entgeltcharakter . . . . . . . . . . . . b) Sonderzahlung mit Mischcharakter . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderzahlung ausschließlich für Betriebstreue . . . . . 6. Rückzahlungsklauseln . . . . . .

III. 1. 2. 3.

Bonuszahlungen . . . . . . . . . . . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielfestlegung . . . . . . . . . . . . . Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten . . . . . . . . . . . . . . 4. Stichtagsklauseln . . . . . . . . . . a) Bonus ausschließlich Gegenleistung für erbrachte Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bonus mit Mischcharakter

1 3 4 5 6 7 11 12 13 14 15 19 20 22 23 24

25 26

c) Bonus ausschließlich für Betriebstreue? . . . . . . . . . . . 5. Rückzahlungsklauseln . . . . . . 6. Besondere Bonusformen . . . . . a) Retentionbonus . . . . . . . . . . b) Transaktionsbonus . . . . . . . IV. Tantiemen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebliche Berechnungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten . . . . . . . . . . . . . . 3. Stichtagsklauseln. . . . . . . . . . . 4. Rückzahlungsklauseln . . . . . .

30 31 33 34 35 36 36 39 40 41

V. Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . 43 VI. 1. 2. 3.

Aktienbasierte Vergütung. . . . Mitarbeiteraktien. . . . . . . . . . . Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . Restricted Stock/Restricted Stock Units . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Phantom Shares/Stock Appreciation Rights. . . . . . . . .

46 47 48 50 51

VII. Managementbeteiligungsprogramme/Carried Interest . . . . 53

I. Einführung In diesem Abschnitt werden die AGB-rechtlichen Aspekte beleuchtet, 1 die bei der Gewährung besonderer Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen sind, die zusätzlich zum laufenden Festgehalt von Arbeitnehmern gewährt werden. Dabei geht es um Jahressonderzahlungen (insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld), Bonuszahlungen, Tantiemen, aktienbasierte Vergütungsleistungen sowie Provisionszahlungen. Für die verschiedenen Vergütungsbestandteile hat sich in den letzten Jahren in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine umfangreiche, zum Teil nicht immer konsistent erscheinende Kasuistik entwickelt, Hoefs 549

2

Anhang

Besondere Vergütungsbestandteile

bei der unter anderem nach dem Zweck des jeweiligen Vergütungsbestandteils, dem prozentualen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers und der rechtlichen Ausgestaltung unterschieden wird. Die folgende Darstellung bemüht sich um eine klare, typologische Einteilung der verschiedenen Vergütungsbestandteile mit einer typbezogenen Lösung der sich im AGB-Kontext stellenden Probleme: II. Jahressonderzahlungen 3 Unter Jahressonderzahlungen sind Zahlungen zu verstehen, die typischerweise einmal im Jahr an alle oder eine Gruppe von Arbeitnehmern erbracht werden, ohne dass es für die Ermittlung der Höhe der Leistung (auch) auf die Bewertung der individuellen Leistung des Arbeitnehmers ankommt. Klassische Beispiele sind Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, (Jahres-)Gratifikation oder (Jahres-)Abschlusszahlung. Derartige Jahressonderzahlungen bewegen sich regelmäßig in einer Größenordnung zwischen geringen dreistelligen Eurobeträgen und maximal ein bis zwei Bruttomonatsgehältern. Spielt demgegenüber für das Ob und die Höhe der Zahlung auch die individuelle Leistung des Mitarbeiters eine Rolle, handelt es sich nicht um eine Jahressonderzahlung in diesem Sinne, sondern um einen leistungsabhängigen Bonus (siehe hierzu näher Rz. 19 ff.). 1. Zweck 4 Jahressonderzahlungen können verschiedene Zwecke verfolgen, wobei wie folgt zu differenzieren ist: Die Jahressonderzahlung kann ausschließlich den Zweck verfolgen, die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung zu belohnen (Sonderzahlung mit Entgeltcharakter). Alternativ kann mit einer Jahressonderzahlung auch ausschließlich bezweckt sein, die Betriebstreue des Mitarbeiters zu honorieren (Sonderzahlung zur Belohnung der Betriebstreue). Schließlich können mit einer Jahressonderzahlung auch beide Zwecke gemeinsam verfolgt werden, also Belohnung der erbrachten Arbeitsleistung und Honorierung der Betriebstreue (Sonderzahlung mit Mischcharakter).1 Welcher Typ einer Jahressonderzahlung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung ist davon auszugehen, dass Sonderzahlungen, die einen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen, zumindest auch Entgeltcharakter haben.2 Soll eine Sonderzah1 Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 ff. Vgl. zu den verschiedenen Zwecken im Einzelnen Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 20 ff., der der Differenzierung nach Zwecken allerdings ablehnend gegenübersteht. 2 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620 (621 f.).

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Jahressonderzahlungen

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lung demgegenüber allein der Honorierung der Betriebstreue dienen, muss sich dieser Zweck deutlich aus der Vereinbarung ergeben, die Zahlung muss sich im üblichen Rahmen von Treueprämien bewegen und darf keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen.1 Ergibt sich kein eindeutiges Auslegungsergebnis, ist im Zweifel von einer Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter auszugehen,2 wobei jedoch in der Praxis Sonderzahlungen mit Mischcharakter am weitesten verbreitet sind. Von wesentlicher Bedeutung ist die Unterscheidung anhand des Zwecks der jeweiligen Sonderzahlung für die Beurteilung der Zulässigkeit von Kürzungen der Zahlung sowie von Bindungs- und Rückzahlungsklauseln. 2. Freiwilligkeitsvorbehalt Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt bezweckt der Arbeitgeber, das Ent- 5 stehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung zu verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG ist ein klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag auch in AGB möglich und führt dazu, dass kein Rechtsanspruch auf die Leistung entsteht.3 Ein Freiwilligkeitsvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist jedoch nur wirksam, wenn die Regelungen des Vertrages transparent und widerspruchsfrei sind. Aus der Formulierung muss sich klar ergeben, dass dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf die Leistung zustehen soll. Der bloße Hinweis, dass es sich um eine „freiwillige Leistung“ handelt, genügt hierfür ebenso wenig4 wie der Hinweis, die Zahlung erfolge „ohne jede rechtliche Verpflichtung“.5 Auch wenn ein Freiwilligkeitsvorbehalt mit dem Hinweis auf das Nichtbestehen eines Anspruchs klar gefasst ist, ist er gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn er in Widerspruch zu anderen Regelungen des Vertrages steht, z.B. wenn dem Arbeitnehmer an anderer Stelle ein Anspruch auf die Leistung oder ein Teilnahmerecht eingeräumt wird6 oder 1 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620 (621 f.); Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1283). 2 Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1573). 3 BAG 21.1.2009 – 10 AZR 219/08 – NZA 2009, 310 (311 f.); BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628 (630); zweifelnd BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81 (83 f.). 4 BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173 (1178); vgl. bereits BAG 23.10.2002 – 10 AZR 48/02 – NZA 2003, 557 (558 f.). 5 BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628 (630 f.). 6 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (42); BAG 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173 (1178).

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Anhang

Besondere Vergütungsbestandteile

wenn ein Freiwilligkeitsvorbehalt und ein Widerrufsvorbehalt bezüglich derselben Leistung kombiniert werden.1 Darüber hinaus hat das BAG jüngst Zweifel angedeutet, ob ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt überhaupt geeignet ist, dauerhaft einen Anspruch auszuschließen, auch wenn eine bestimmte Zahlung nach Vertragsschluss wiederholt geleistet wird, ohne dass bei der jeweiligen Leistung wiederum ein Freiwilligkeitsvorbehalt erfolgt.2 Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend, wenn Freiwilligkeitsvorbehalte bei den weiteren, in diesem Anhang beschriebenen besonderen Vergütungsbestandteilen verwendet werden. Vgl. ausführlich zu Freiwilligkeitsvorbehalten § 307 BGB Rz. 186 ff. 3. Widerrufsvorbehalt 6 Mit einem Widerrufsvorbehalt will der Arbeitgeber sich die Möglichkeit offen halten, eine Sonderleistung, auf die der Arbeitnehmer zunächst unbefristet einen Anspruch haben soll, zu einem späteren Zeitpunkt einseitig zu widerrufen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Widerrufsvorbehalt auch in einem Formulararbeitsvertrag wirksam, wenn Art und Höhe der widerruflichen Leistung eindeutig geregelt sind, der widerrufliche Teil der Gesamtvergütung unter 25 bis 30 % der Gesamtvergütung liegt und in der Vertragsklausel bereits die Gründe angegeben sind, aus denen ein Widerruf möglich sein soll.3 Wie genau der Widerrufsgrund in der Vertragsklausel angegeben sein muss, ist nicht abschließend geklärt.4 Für Widerrufsvorbehalte bei den weiteren, in diesem Anhang beschriebenen besonderen Vergütungsbestandteilen gilt Vorstehendes entsprechend. Vgl. ausführlich zu Widerrufsvorbehalten § 308 Nr. 4 BGB Rz. 21 ff. 1 BAG 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 – NZA 2011, 628 (631); BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81 (83). 2 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 – NZA 2012, 81 (83 f.); zu Recht ablehnend Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 f. sowie Hromadka, DB 2012, 1037 (1040 f.). 3 BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465 (467 f.). 4 Nach BAG 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465 (468) und BAG 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 – NZA 2011, 796 ist es zumindest nötig, die Richtung anzugeben, aus der die möglichen Widerrufsgründe stammen müssen (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Demgegenüber lässt z.B. BAG 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – NZA-RR 2010, 457 (459) für den Widerruf der Dienstwagennutzung einen bloßen Hinweis auf wirtschaftliche Gründe nicht genügen, sondern verlangt, dass der Sachgrund in der Klausel in einer Weise konkretisiert ist, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was ggf. auf ihn zukommt.

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Jahressonderzahlungen

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4. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten Wenn ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Jahres seine Ar- 7 beitsleistung erbringt, sondern vorübergehend krankheitsbedingt ausfällt oder es zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses kommt, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber zu einer Kürzung der Jahressonderzahlung berechtigt ist. Bestehen und Voraussetzungen einer Kürzungsmöglichkeit hängen davon ab, welcher Zweck mit der Jahressonderzahlung verfolgt wird: Bei Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter handelt es sich um eine 8 Leistung, die im synallagmatischen Austauschverhältnis mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers steht. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht und besteht auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, kann die Sonderzahlung für die Fehlzeiten auf Basis der §§ 275, 326 Abs. 1 BGB anteilig gekürzt werden. Eine solche Kürzung ist ohne ausdrückliche Kürzungsvereinbarung möglich,1 und zwar auch, wenn es sich bei der Zusage der Sonderzahlung um AGB handelt.2 Dasselbe gilt für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses.3 Eine Kürzung auch für Fehltage, an denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG besteht, ist bei einer Sonderzahlung mit Entgeltcharakter nicht möglich, da dies dem ausschließlichen Entgeltcharakter und den Vorschriften des EFZG widerspräche.4 Bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter ist eine anteilige Kürzung für 9 Fehlzeiten, für die kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, ebenso wie für Ruhenszeiten zulässig, aber nur wenn ausdrücklich eine Kürzung vereinbart worden ist.5 Auch für Zeiten, in denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht, kann wirksam eine Kürzung vorgesehen werden, wenn bei der Vereinbarung die Grenzen des § 4a EFZG beachtet werden.6 Bei Sonderzahlungen, die ausschließlich zur Belohnung der Betriebstreue erfolgen, ist demgegenüber ohne besondere Vereinbarung keine 1 BAG 21.3.2001 – 10 AZR 28/00 – NZA 2001, 785 (786); HWK/Schliemann, § 4a EFZG Rz. 8; Vossen, NZA 2005, 734 (735 f.). 2 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 68. 3 BAG 19.4.1995 – 10 AZR 49/94 – NZA 1995, 1098 (1099 f.). 4 § 4a EFZG ist insofern nicht einschlägig, da es sich bei einer Sonderzahlung mit Entgeltcharakter nicht um eine Sondervergütung im Sinne des § 4a EFZG handelt, vgl. ErfK/Dörner, § 4a EFZG Rz. 8. 5 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 66. 6 ErfK/Dörner, § 4a EFZG Rz. 8.

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Besondere Vergütungsbestandteile

Kürzung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten möglich, auch wenn die Fehlzeiten den Entgeltfortzahlungszeitraum überschreiten.1 Auch während einer längeren Erkrankung wahrt der Arbeitnehmer die Betriebstreue. Möglich ist aber die Vereinbarung einer Kürzung unter Beachtung der Grenzen des § 4a EFZG, und zwar sowohl für Fehlzeiten im Entgeltfortzahlungszeitraum als auch für Fehlzeiten nach Beendigung des Entgeltfortzahlungszeitraums.2 Zum Teil wird vertreten, eine ausschließlich zur Belohnung der Betriebstreue erfolgende Sonderzahlung könne auch für Zeiträume des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht gekürzt werden.3 Diese Ansicht führt zu dem absurden Ergebnis, dass auch ein Mitarbeiter, dessen Arbeitsverhältnis das ganze Jahr ruht und bei dem völlig unklar ist, ob das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert wird, Anspruch auf die volle Jahressonderleistung hätte, und ist daher abzulehnen. Zur Erfüllung der erforderlichen Betriebstreue bedarf es vielmehr eines aktiven Arbeitsverhältnisses, ein bloßes ruhendes Arbeitsverhältnis genügt nicht, sofern dies bei der Vereinbarung der Sonderzahlung klar und verständlich geregelt wurde. 5. Stichtagsklauseln 11 Bindungs- oder Stichtagsklauseln, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Voraussetzung für die Zahlung des Bonus machen, können Arbeitnehmer aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung davon abhalten, von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Sie können also in die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit eingreifen und unterliegen daher einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.4 Vor diesem Hintergrund ist bezüglich der Wirksamkeit von Stichtagsklauseln wie folgt zu unterscheiden: a) Sonderzahlung mit Entgeltcharakter 12 Wenn eine Sonderzahlung ausschließlich Entgeltcharakter hat, kommt es für den Anspruch auf die Sonderzahlung nur darauf an, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Bindungsklauseln sind bei ei1 BAG 26.1.2005 – 10 AZR 215/04 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 260; Hanau/ Vossen, DB 1992, 213 (218); Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 65; Schaub, ZIP 1994, 921 (926). 2 A.A. Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 65. 3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 84; wohl auch Hanau/Vossen, DB 1992, 213 (218). 4 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (42 ff.); BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784 f.).

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Jahressonderzahlungen

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ner Sonderzahlung mit Entgeltcharakter in AGB unzulässig.1 Bei unterjährigem Ausscheiden hat der Arbeitnehmer Anspruch auf zeitanteilige Gewährung der Sonderzahlung.2 b) Sonderzahlung mit Mischcharakter Soweit ersichtlich hat sich das BAG in jüngerer Zeit nicht mit der Frage 13 der Zulässigkeit von Stichtagsklauseln bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter auseinandergesetzt. Insofern ist fraglich, wie Stichtagsklauseln bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter zu behandeln sind. Einerseits könnten die strengen Maßstäbe angewendet werden, die das BAG für Stichtagsklauseln bei Bonuszahlungen aufgestellt hat, vgl. Rz. 26 ff. Das würde jedoch zu Wertungswidersprüchen mit der Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln führen, da jeder nach dem Ende der Bemessungsperiode liegende Stichtag unzulässig wäre, auch wenn es sich um einen Stichtag handelt, bis zu dem eine Rückzahlungsverpflichtung nach der (bisherigen) Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln wirksam begründet werden könnte. Um diesen Wertungswiderspruch zu vermeiden, ist bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter davon auszugehen, dass Stichtagsklauseln in demselben Umfang zulässig sind, wie eine Rückzahlungsverpflichtung wirksam begründet werden könnte, vgl. Rz. 17. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung von Stichtagsklauseln bei Sonderzahlungen und Bonuszahlungen ist darin zu sehen, dass bei einer Bonuszahlung aufgrund der Anknüpfung an die individuelle Leistung des Arbeitnehmers der Entgeltcharakter stärker ausgeprägt ist als bei (nicht von der individuellen Leistung abhängenden) Sonderzahlungen. Zudem machen Bonuszahlungen typischerweise einen größeren Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus. Daher sind die Interessen des Arbeitnehmers bei der Ermittlung der Angemessenheit von Stichtagsklauseln bei Bonuszahlungen stärker zu gewichten als bei Sonderzahlungen. c) Sonderzahlung ausschließlich für Betriebstreue Bei Sonderzahlungen, die ausschließlich zur Honorierung der Betriebstreue gewährt werden, ist es auch in Formulararbeitsverträgen zulässig, 1 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620 (621); Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1573). 2 BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – NZA 2007, 687 (688); vgl. auch LAG Düsseldorf 27.6.1996 – 12 Sa 505/96 – NZA-RR 1996, 441 f.; Henssler, FS Bepler (2012), 207 (213).

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Besondere Vergütungsbestandteile

den Anspruch auf Auszahlung der Sonderzahlung vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses im Auszahlungszeitpunkt abhängig zu machen. Dabei ist es nicht erforderlich, in der Stichtagsklausel zwischen verschiedenen Gründen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu differenzieren.1 6. Rückzahlungsklauseln 15 Mit einer Rückzahlungsklausel will der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Arbeitnehmer eine ihm gewährte Sonderzahlung an den Arbeitgeber zurückzuzahlen hat, wenn der Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum nach Erhalt der Sonderzahlung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ähnlich wie Bindungsklauseln können Rückzahlungsklauseln Arbeitnehmer vom Ausspruch einer Kündigung abhalten und damit die gemäß Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigen. Mit Blick auf die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln ist vor diesem Hintergrund wie folgt zu differenzieren: 16 Bei Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter sind Rückzahlungsklauseln unzulässig.2 Der Arbeitnehmer hat eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter durch die Erbringung seiner Arbeitsleistung verdient, unabhängig davon, ob und wann er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt daher nicht in Betracht. 17 Bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter sind demgegenüber Rückzahlungsklauseln in den folgenden Grenzen zulässig (wobei die folgenden Zeiträume auf einen Auszahlungszeitpunkt im November oder Dezember des Jahres abstellen und bei anderen Auszahlungszeitpunkten entsprechend zu verschieben sind), wenn sie eindeutig und klar formuliert sind:3 – Bei einem ausgezahlten Betrag von bis zu 100 Euro ist eine Rückzahlungsklausel unzulässig.4 1 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620 (621); vgl. auch BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – NZA 2007, 687 (688); Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1283). 2 BAG 13.9.1974 – 5 AZR 48/74, NJW 1975, 278 f.; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1573); Schaub/Linck, § 78, Rz. 62. 3 Ob das BAG an diesen Grenzwerten für Rückzahlungsklauseln weiterhin festhält und damit zum Teil unterschiedliche Maßstäbe für Stichtagsklauseln einerseits und Rückzahlungsklauseln andererseits anwendet, bleibt abzuwarten. Vgl. diese Frage offen lassend BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (43). 4 BAG 21.5.2003 – 10 AZR 390/02 – NZA 2003, 1032 (1033). Schaub/Linck, § 78, Rz. 66 plädiert für eine Anhebung der Mindestgrenze auf 150 Euro.

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Jahressonderzahlungen

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– Beläuft sich die Sonderzahlung auf mehr als 100 Euro, aber weniger als ein Bruttomonatsgehalt, kann eine Rückzahlung für den Fall vorgesehen werden, dass der Arbeitnehmer vor dem oder zum 31.3. des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.1 – Entspricht der Betrag der Sonderzahlung einem Bruttomonatsgehalt, ist eine Bindung über den 31.3. des Folgejahres hinaus bis zum nächsten darauf folgenden Beendigungstermin zulässig.2 – Liegt der Betrag der Sonderzahlung zwischen einem und zwei Bruttomonatsgehältern, kann eine Rückzahlung für den Fall vorgesehen werden, dass der Arbeitnehmer vor dem oder zum 30.6. des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.3 – Wenn die Sonderzahlung zwei Bruttomonatsgehältern entspricht, kann eine wie folgt gestaffelte Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden: 1,5 Bruttomonatsgehälter bei einem Ausscheiden bis zum 31.3. des Folgejahres, 1,0 Bruttomonatsgehälter bei einem Ausscheiden bis zum 30.6. des Folgejahres und 0,5 Bruttomonatsgehälter bei einem Ausscheiden bis zum 30.9. des Folgejahres.4 – Beträgt eine Sonderzahlung mehr als zwei Bruttomonatsgehälter, ist sorgfältig zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine von der Leistung des einzelnen Arbeitnehmers unabhängige Sonderzahlung oder nicht vielmehr um einen leistungsabhängigen Bonus handelt. Handelt es sich trotz der Höhe der Zahlung um eine nicht leistungsabhängige Sonderzahlung, spricht vieles dafür, die Grenzen der vorherigen Stufe entsprechend anzuwenden.5 Maßgeblich für die Ermittlung, in welche Fallgruppe die Rückzahlungsklausel fällt, ist die Höhe des Bruttomonatsgehalts des Arbeitnehmers im Auszahlungsmonat der Sonderzahlung.6 Zusätzlich zu der Einhaltung der vorstehenden Grenzen ist es bei Sonderzahlungen mit Misch1 BAG 21.5.2003 – 10 AZR 390/02 – NZA 2003, 1032 (1033); BAG 25.4.2007 – 10 AZR 634/06 – NZA 2007, 875 (876 f.). 2 BAG 21.5.2003 – 10 AZR 390/02 – NZA 2003, 1032 (1033); BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (43). 3 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Krause, § 59, Rz. 45. Nach BAG 27.10.1978 – 5 AZR 754/77 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 99 sowie BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (43) gilt das jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bis zum 30.6. mehrere Kündigungsmöglichkeiten hat. 4 BAG 13.11.1969 – 5 AZR 232/69 – NJW 1970, 582 f.; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Krause, § 59, Rz. 46. 5 So auch Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1573). 6 BAG 28.1.1981 – 5 AZR 846/78 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 106; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Krause, § 59, Rz. 47.

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Besondere Vergütungsbestandteile

charakter erforderlich, dass in der Rückzahlungsklausel nach den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterschieden und der Fall der vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der Rückzahlungsklausel ausgenommen wird.1 Rückzahlungsklauseln, die über die vorgenannten Grenzen hinausgehen, sind gemäß § 307 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß ist nicht möglich.2 18 Bei Sonderzahlungen, die ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue dienen, sind Rückzahlungsklauseln in demselben Umfang möglich wie bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter. Anders als bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter ist es bei Sonderzahlungen, die ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue dienen, nicht erforderlich, in der Rückzahlungsklausel zwischen verschiedenen Arten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unterscheiden. Vielmehr kann eine Rückzahlungsverpflichtung für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem maßgeblichen Stichtag vorgesehen werden. III. Bonuszahlungen 19 Bonuszahlungen sind Sonderzahlungen, bei denen es für das Ob und die konkrete Höhe der Zahlung jedenfalls auch auf die individuelle Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers ankommt. Ihre Auszahlung erfolgt typischerweise jährlich, ist aber auch in kürzeren oder längeren Zeitabschnitten denkbar. Während Jahressonderzahlungen üblicherweise einen Betrag von ein bis zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreiten, fallen Bonuszahlungen häufig (deutlich) höher aus. 1. Zweck 20 Ebenso wie mit Jahressonderzahlungen können auch mit Bonuszahlungen verschiedene Zwecke verfolgt werden: Zum einen kann ein Bonus ausschließlich als Gegenleistung für die individuelle Leistung des Arbeitnehmers dienen. Zum anderen kann auch eine Bonuszahlung Mischcharakter haben, d.h. sowohl eine Gegenleistung für die individuelle Leistung des Arbeitnehmers darstellen als auch zusätzlich der Ho-

1 So auch Lakies, ArbRAktuell 2012, 306 (308); vgl. auch Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509 (512). 2 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 547; Schaub/Linck, § 78, Rz. 65.

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Bonuszahlungen

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norierung der Betriebstreue des Arbeitnehmers dienen.1 Aufgrund des in jedem Fall erforderlichen Bezugs zur individuellen Leistung des Arbeitnehmers ist es demgegenüber ausgeschlossen, dass eine Bonuszahlung ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue dient. Welchen Zweck der Arbeitgeber mit einer Bonuszahlung verfolgt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Für eine Bonuszahlung mit Mischcharakter muss erkennbar sein, dass mit der Zahlung zumindest auch die Betriebstreue honoriert werden soll.2 Dafür muss es genügen, wenn in der Bonuszusage geregelt ist, dass es Voraussetzung der Bonuszahlung ist, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag noch besteht. Auch in AGB ist es zulässig, eine Bonuszusage so auszugestalten, dass 21 ein Anspruch auf Bonuszahlung neben der Erreichung der persönlichen Ziele voraussetzt, dass das Unternehmen in dem maßgeblichen Geschäftsjahr Gewinn macht.3 2. Zielfestlegung Bei der Festlegung der für die Ermittlung der Bonuszahlung relevanten 22 Ziele ist zwischen Systemen zu unterscheiden, bei denen die Ziele turnusgemäß einseitig vom Arbeitgeber festgelegt (Zielvorgabe) oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden (Zielvereinbarung).4 Während einseitige Zielvorgaben nur im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB auf die Einhaltung billigen Ermessens hin überprüft werden können, handelt es sich bei Zielvereinbarungen, soweit sie nicht individuell ausgehandelt sind, um AGB. Als Entgeltregelung unterliegt eine Zielvereinbarung zwar keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, ist aber am Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen, muss also klar und verständlich sein.5 Insbesondere muss daher in einer Zielvereinbarung klar geregelt sein, welches die für den Arbeitnehmer maßgeblichen Ziele sind, wie diese gewichtet sind und in welcher Höhe 1 A.A. offenbar Henssler, FS Bepler (2012), 207 (211 f.), der von reinem Entgeltcharakter ausgeht, sobald ein Zahlungsversprechen (auch) an persönliche Ziele der Arbeitnehmers geknüpft ist. 2 Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1575 f.). 3 LAG Hessen 1.2.2010 – 7 Sa 923/09 – NZA-RR 2010, 401 (402) mit zust. Anm. Becker. 4 Vgl. Preis/Preis/Lindemann, Der Arbeitsvertrag, Teil II Z 5, Rz. 2; Schaub/ Linck, § 77, Rz. 4 f. 5 BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07 – NZA 2008, 409 (411); Schaub/Linck, § 77, Rz. 4.

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Besondere Vergütungsbestandteile

dem Arbeitnehmer bei welcher Zielerreichung ein Bonus zusteht. Etwaige Zweifel gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.1 Neben der Vereinbarung sog. „harter“, also objektiv messbarer Ziele (z.B. Verkaufszahlen, Gewinnbeitrag, etc.), ist auch eine Vereinbarung sog. „weicher“, also der subjektiven Beurteilung durch den Arbeitgeber unterliegender Ziele (z.B. Führungsverhalten, Teamgeist, etc.), zulässig, ohne dass hierin ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegen würde.2 Auch die Vereinbarung von Team- oder Gruppenzielen ist möglich, soweit dies klar und verständlich geschieht.3 3. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten 23 Für die Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten gelten die Ausführungen zu Jahressonderzahlungen entsprechend, vgl. Rz. 7 ff. 4. Stichtagsklauseln 24 Ebenso wie bei Jahressonderzahlungen unterliegen Stichtagsklauseln, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Voraussetzung für die Zahlung des Bonus machen, einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.4 Diese Inhaltskontrolle führt zu folgender Unterscheidung bezüglich der Wirksamkeit von Stichtagsklauseln bei Bonuszahlungen: a) Bonus ausschließlich Gegenleistung für erbrachte Arbeit 25 Handelt es sich um eine Bonuszusage, deren ausschließlicher Zweck es ist, die individuelle Leistung des jeweiligen Mitarbeiters zu belohnen, sind Bindungsklauseln unzulässig.5 In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer die für die Bonusgewährung maßgebliche Leistung erbracht, und zwar unabhängig davon, ob und wann er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Bei unterjährigem Ausscheiden hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine zeitanteilige Auszahlung des Bonus.

1 LAG Hessen 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; HWK/Gotthardt, § 305c BGB Rz. 10; Salamon, NZA 2010, 314 (315 f.). 2 Bittmann/Mujan, AUA 2010, 366 f.; a.A. DBD/Däubler, Anhang zu § 307 Rz. 78. 3 LAG Hamm 30.8.2011 – 9 Sa 259/11. 4 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (42 ff.); BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784 f.). 5 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561 (562).

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Bonuszahlungen

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b) Bonus mit Mischcharakter In der Praxis ist es häufig der Fall, dass Bonuszusagen nicht ausschließlich die individuelle Leistung des Mitarbeiters belohnen sollen, sondern zumindest auch die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen bezwecken. Bei derartigen Bonuszusagen mit Mischcharakter sind Bindungsklauseln zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen beachtet werden:

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Eine Stichtagsregelung ist wirksam, wenn der maßgebliche Stichtag, an dem das Arbeitsverhältnis für eine Bonusberechtigung noch bestehen muss, innerhalb des Zeitraums liegt, der für die Ermittlung des Bonus relevant ist.1 Bei einem sich auf das Kalenderjahr beziehenden Bonus ist also der 31. Dezember des Jahres der spätest zulässige Stichtag. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Bonuszahlung und ihres Anteils an der Gesamtvergütung des Mitarbeiters. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Bonus mehr als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters ausmacht oder nicht.2

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Eine Einschränkung besteht allerdings insofern, als nur der Bestand 28 eines Arbeitsverhältnisses an dem Ende des maßgeblichen Bonuszeitraums verlangt werden darf, nicht jedoch der Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses.3 Eine Klausel, die einen ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnis am Ende des maßgeblichen Bezugszeitraums verlangt, ist jedoch nicht vollständig unwirksam, sondern in Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ mittels Streichung des Wortes „ungekündigt“ teilweise gemäß § 306 Abs. 1 BGB aufrechtzuerhalten, mit der Folge, dass weiterhin der Bestand des Arbeitsverhältnisses an dem Ende des Bezugszeitraums erforderlich ist.4 1 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784 f.); bestätigt von BAG 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 – NZA 2012, 620 (621); LAG Köln 8.2.2010 – 5 Sa 1204/09. Ebenso Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659), die allerdings Zweifel äußern, ob das BAG an dieser Rechtsprechung festhalten wird. 2 Vgl. BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784 f.), wo der Bonus des Mitarbeiters deutlich mehr als 25 % der Gesamtvergütung ausmachte. Zustimmend Henssler, FS Bepler (2012), 207 (217 f.) sowie Salamon, NZA 2010, 314 (318). 3 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784 f.); vgl. auch BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561 (562 f.) zur Unwirksamkeit einer Stichtagsklausel, die die Bonuszahlung vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt nach Beendigung des maßgeblichen Bezugszeitraums abhängig macht. Differenzierend Henssler, FS Bepler (2012), 207 (218 f.), der nach der Länge der Kündigungsfrist und der Sphäre, aus der die Kündigung stammt, unterscheiden will. 4 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08 – NZA 2009, 783 (784).

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Besondere Vergütungsbestandteile

29 Demgegenüber sind Stichtage, die erst nach Ablauf des für den Bonus maßgeblichen Zeitraums liegen, unzulässig, jedenfalls wenn die Stichtagsregelung nicht danach unterscheidet, auf wessen Veranlassung und aus welchem Grund der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.1 Inwieweit eine Stichtagsregelung mit einem Stichtag nach Ablauf der Bonusperiode zulässig ist, wenn von der Regelung nur eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen erfasst wird, ist bislang noch nicht abschließend geklärt, aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen noch vor dem regulären Auszahlungszeitpunkt des Bonus erfolgt. c) Bonus ausschließlich für Betriebstreue? 30 Eine Bonuszahlung hängt nach dem hier verwendeten Verständnis immer zumindest auch von der individuellen Leistung des Arbeitnehmers ab. Die Gewährung eines Bonus ausschließlich für Betriebstreue ist daher nicht möglich. Falls eine Zahlung ausschließlich zur Honorierung der Betriebstreue erfolgt, handelt es sich vielmehr um eine Jahressonderzahlung in Form einer Gratifikation; siehe Rz. 14 für die Beurteilung der Wirksamkeit von Stichtagsklauseln bei Jahressonderzahlungen, mit denen ausschließlich die Betriebstreue belohnt werden soll. 5. Rückzahlungsklauseln 31 Für Klauseln, die eine Rückzahlung für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einem bestimmten Zeitpunkt vorsehen, gelten bei Bonuszahlungen dieselben Regelungen wie bei Jahressonderzahlungen, siehe Rz. 15 ff. Der Umstand, dass damit Rückzahlungsklauseln bei Bonuszahlungen mit Mischcharakter eine zeitlich etwas weiterreichende Bindung ermöglichen als Stichtagsklauseln, rechtfertigt sich dadurch, dass Rückzahlungsklauseln aufgrund der betragsmäßigen Einschränkung eine geringere Belastung für den Arbeitnehmer bedeuten. Dies gilt insbesondere auch, weil die betragsmäßige Beschränkung bereits in der Rückzahlungsklausel enthalten sein muss, so dass der Arbeitnehmer

1 BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – NZA 2008, 40 (43); BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 – NZA 2012, 561 (562); LAG Berlin-Brandenburg 31.8.2010 – 16 Sa 491/10. Anders noch zu Rückzahlungsklauseln BAG 28.3.2007 – 10 AZR 261/06 – NZA 2007, 687 (688).

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Bonuszahlungen

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den maximal zurückzuzahlenden Betrag kennt.1 Häufig übersteigen Bonuszahlungen ohnehin die für zulässige Rückzahlungsklauseln maßgeblichen Höchstbeträge, so dass Rückzahlungsklauseln bei Bonuszusagen in der Praxis eine deutlich geringere Rolle spielen als bei Jahressonderzahlungen. Von Rückzahlungsklauseln für den Fall der Beendigung des Arbeitsver- 32 hältnisses zu unterscheiden sind Klauseln, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall vorsehen, dass sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen für die Zahlung tatsächlich gar nicht vorlagen (sog. „Claw Back Klauseln“). Das gilt insbesondere für den Fall, dass sich im Nachhinein zeigt, dass die Leistung des Arbeitnehmers schlechter war als sie ursprünglich beurteilt worden war (z.B. weil vom Arbeitnehmer verantwortete Geschäfte mit Kunden später rückabgewickelt werden müssen oder weil ein Kunde aufgrund eines erst nachträglich erkannten Fehlverhaltens des Arbeitnehmers einen Gewährleistungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat). Solche Claw Back Klauseln sind auch in AGB zulässig, wenn sie die Voraussetzungen und den Umfang der Rückzahlungspflicht klar und verständlich regeln2 und die Rückzahlungspflicht nicht über den vom Arbeitnehmer zu verantwortenden Schaden des Arbeitgebers hinausgeht. 6. Besondere Bonusformen Neben den regelmäßigen Bonuszahlungen, die typischerweise jährlich erfolgen, gibt es auch einmalige Bonuszahlungen, die im Zusammenhang mit bestimmten Sondersituationen zugesagt werden:

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a) Retentionbonus Von Bedeutung ist insbesondere die Zusage sog. Retentionboni, bei denen wichtigen Mitarbeitern eine Sonderzahlung zugesagt wird, wenn sie an einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt noch bei dem Arbeitgeber 1 Ähnlich Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509 (511 ff.), die vor diesem Hintergrund allerdings bei Bonuszahlungen auch Stichtagsklauseln über das Ende der Bemessungsperiode hinaus für möglich halten, wenn die für Rückzahlungsklauseln entwickelten Grenzen eingehalten werden. 2 So auch Dzida/Naber, BB 2011, 2613 (2615 f.), die allerdings zu Unrecht von einer Beschränkung der Rückzahlungsverpflichtung auf 25 % der Gesamtvergütung, die in dem maßgeblichen Auszahlungszeitraum von dem Arbeitnehmer bezogen worden ist, ausgehen.

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Besondere Vergütungsbestandteile

beschäftigt sind. Für Retentionboni gelten die allgemeinen Regelungen für Stichtags- und Rückzahlungsklauseln nicht. Retentionzahlungen werden zusätzlich zur üblichen Vergütung des Arbeitnehmers zugesagt. Ihr Sinn und Zweck ist es gerade, den Mitarbeiter für einen bestimmten, teilweise mehrjährigen Zeitraum an das Unternehmen zu binden. Dem Arbeitnehmer würde im Falle der vorzeitigen Eigenkündigung kein Anspruch genommen, von dem er nicht von Anfang an wusste, dass der Anspruch vor allem von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. In der langfristigen Bindung des Arbeitnehmers liegt daher keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB, jedenfalls wenn in der Zusage geregelt ist, dass dem Arbeitnehmer auch dann ein Anspruch auf eine (zeitanteilige) Retentionbonuszahlung zusteht, wenn er auf Veranlassung des Arbeitgebers aus Gründen, die nicht in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, vor Ablauf der Retentionperiode aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch dann nicht vor, wenn für das Ob und die Höhe der Retentionbonuszahlung neben dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag auch auf die individuelle Leistung des Arbeitnehmers abgestellt wird, jedenfalls wenn bei der Zusage erkennbar der Zweck der Bindung des Arbeitnehmers im Vordergrund steht. b) Transaktionsbonus 35 Eine weitere Sonderform ist der sog. Transaktionsbonus, bei dem einem Arbeitnehmer für den Fall der erfolgreichen Durchführung eines Unternehmenskaufs oder Unternehmensverkaufs eine einmalige Sonderzahlung zugesagt wird. Bei derartigen Transaktionsboni ist es zur Wahrung des Transparenzgebots erforderlich, konkret festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Transaktionsbonus in welcher Höhe ausgezahlt wird. IV. Tantiemen 1. Maßgebliche Berechnungsparameter 36 Bei einer Tantieme handelt es sich um eine Gewinnbeteiligung, also eine Zahlung, die an einen bestimmten Gewinn des Unternehmens anknüpft, z.B. in Form eines bestimmten Prozentsatzes des Gewinns oder

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Tantiemen

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eines bestimmten Betrages bei Erreichen eines bestimmten Gewinns.1 Anstelle einer Anknüpfung an den Gewinn des Unternehmens kann für die Ermittlung einer Tantieme z.B. auch an die Höhe der an die Aktionäre ausgeschütteten Dividende angeknüpft werden.2 Bei der Zusage einer Tantieme handelt es sich um eine Festlegung eines Teils der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, die gemäß § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegt.3 Eine Inhaltskontrolle erfolgt jedoch für Bedingungen und andere Nebenregelungen, die im Zusammenhang mit der Tantiemezusage stehen. Mit dem BAG ist allerdings davon auszugehen, dass es keine unangemessene Benachteiligung darstellt, wenn die Auszahlung der Tantieme von der Ausschüttung einer Dividende an die Gesellschafter abhängig gemacht wird.4 Auch Tantiemeregelungen unterliegen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB 37 einer Transparenzkontrolle. Für eine transparente Tantiemeregelung ist insbesondere eine klare Festlegung der folgenden Aspekte erforderlich: Welcher Gewinn ist maßgeblich (Konzern- oder Unternehmensgewinn, vor oder nach Steuern, vor oder nach Abschreibungen, nach welchen (Bilanzierungs-)Regeln ermittelt)? Wie werden Sondereffekte behandelt (z.B. Kauf oder Verkauf eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils während des Bemessungszeitraums)? Welcher Betrag oder Prozentsatz des maßgeblichen Gewinns steht dem Arbeitnehmer als Tantieme zu? Regelt der Arbeitgeber demgegenüber lediglich, dass dem Arbeitnehmer „bei einem guten Ergebnis“ eine Tantieme zusteht, handelt es sich um eine unklare Regelung, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des Arbeitnehmers auszulegen ist.5 Ist einem Arbeitnehmer eine bestimmte Mindesttantieme zugesagt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Arbeitgeber die Zahlung der Mindesttantieme auch dann schuldet, wenn das Unternehmen gar keinen Gewinn macht. Etwaige Unklarheiten gehen bei dieser Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers, so dass die Mindest1 In der Praxis wird der Begriff Tantieme – unpräzise – zum Teil auch für andere Vergütungsformen verwendet, z.B. für Sonderzahlungen, die (auch) von der Erreichung bestimmter individueller Leistungsziele abhängig sind. In einem solchen Fall handelt es sich jedoch nicht um eine Tantieme im eigentlichen Sinn, sondern um einen Bonus (vgl. insofern die Darstellung in Rz. 19 ff.). 2 Vgl. BAG 12.2.2003 – 10 AZR 392/02 – NZA-RR 2003, 459 f., wonach in einem solchen Fall eine zusätzlich zur Dividende an die Aktionäre erfolgte Sonderausschüttung nicht für die Berechnung der Tantieme maßgeblich sein soll. 3 DBD/Däubler, Anhang zu § 307 Rz. 48. 4 BAG 18.1.2012 – 10 AZR 670/10 – NZA 2012, 499 (500). 5 LAG Hamm 23.2.2001 – 15 Sa 1572/00 – NZA-RR 2001, 525 (526).

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Besondere Vergütungsbestandteile

tantieme im Zweifel auch dann geschuldet ist, wenn kein Gewinn gemacht wird.1 2. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten 39 Bei einer Tantieme handelt es sich um eine Erfolgsvergütung. Der Anspruch auf Zahlung der Tantieme erlischt gemäß §§ 275, 326 Abs. 1 BGB für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann, sowie für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht.2 Dies folgt aus den allgemeinen Regelungen über Leistungsstörungen, ohne dass es hierfür einer besonderen Regelung in der Tantiemezusage bedarf. Einer Regelung bedarf es für eine Kürzung nur, wenn die Tantiemezusage Mischcharakter hat, weil sie auch die Honorierung der Betriebstreue des Mitarbeiters bezweckt. 3. Stichtagsklauseln 40 Für die Wirksamkeit von Stichtagsklauseln gelten bei Tantiemezahlungen dieselben Regeln wie bei Bonuszahlungen,3 vgl. Rz. 24 ff. 4. Rückzahlungsklauseln 41 Bezüglich der Verpflichtung zur Rückzahlung von Tantiemen ist nach dem Grund für die Rückzahlung zu unterscheiden: Ist eine vollständige oder teilweise Rückzahlung vorgesehen, weil der Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, gelten dieselben Schranken wie für die Rückzahlung von Bonuszahlungen, siehe Rz. 31. 42 Uneingeschränkt zulässig sind demgegenüber Rückzahlungsklauseln, die eine Rückzahlung für den Fall vorsehen, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass der der Tantiemezahlung zugrunde gelegte Unternehmensgewinn nachträglich nach unten korrigiert werden muss. In diesem Fall besteht ohnehin ein gesetzlicher Rückzahlungsanspruch gegen den Arbeitnehmer gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 BGB.

1 So auch LAG Berlin 7.12.1975 – 4 Sa 62/75 – DB 1976, 636; kritisch hierzu DBD/Däubler, Anhang zu § 307 Rz. 49. 2 So für krankheitsbedingte Fehlzeiten auch BAG 8.9.1998 – 9 AZR 273/97 – NZA 1999, 824 f., jedenfalls wenn der Arbeitnehmer das gesamte Geschäftsjahr über erkrankt ist; kritisch hierzu DBD/Däubler, Anhang zu § 307 Rz. 49. 3 Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg 31.8.2010 – 16 Sa 491/10.

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Provisionen

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Jedenfalls wenn die Rückzahlungsverpflichtung auf den Fall einer nachträglich erforderlich werdenden Korrektur des Unternehmensergebnisses beschränkt ist, stellt der in der vertraglichen Rückzahlungsverpflichtung enthaltene Ausschluss des Einwands der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar,1 so dass eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung auch in AGB vereinbart werden kann. V. Provisionen Eine Provisionsvereinbarung liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Ar- 43 beitnehmer für jedes von ihm während des Anstellungsverhältnisses abgeschlossene oder vermittelte Geschäft einen bestimmten Betrag (oder Prozentsatz vom Wert des Geschäftes) zusagt. Wird demgegenüber an das Ergebnis oder den Umsatz des Unternehmens oder einer Teileinheit angeknüpft, handelt es sich nicht um eine Provisionsvereinbarung, sondern um eine Tantiemevereinbarung.2 Bei Provisionsvereinbarungen geht es um eine Festlegung einer Haupt- 44 leistungspflicht des Arbeitgebers, die gemäß § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegt. Eine Inhaltskontrolle erfolgt jedoch für Bedingungen und andere Nebenregelungen, die im Zusammenhang mit der Provisionszusage stehen. Zudem unterliegt die Provisionsvereinbarung einer Transparenzkontrolle. Aus der Provisionsvereinbarung muss insbesondere klar hervorgehen, (i) auf welche Art von Geschäften in welcher Region sich die Provisionszusage bezieht, (ii) ob es um eine Vermittlungs- oder Abschlussprovision geht, (iii) wie der für die Ermittlung der Provision maßgebliche Wert des Geschäftes ermittelt wird und (iv) wie hoch die Provision betragsmäßig oder prozentual ist. Ist arbeitsvertraglich eine Garantieprovision vereinbart, ist eine Rege- 45 lung in den allgemeinen Provisionsbedingungen des Arbeitgebers, die eine Saldoverrechnung mit dem nachfolgenden Abrechnungszeitraum vorsieht, eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, die nicht Bestandteil der Vereinbarung wird.3 Demgegenüber ist eine

1 Ob der generelle Ausschluss des Einwands der Entreicherung in allgemeinen, für den Fall der Lohnüberzahlung vorgesehenen Rückzahlungsklauseln wirksam ist, hat das BAG zuletzt offen gelassen, vgl. BAG 13.10.2010 – 5 AZR 648/09 – NZA 2011, 219. 2 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg 31.8.2010 – 16 Sa 491/10. 3 ArbG Düsseldorf 29.11.2011 – 2 Ca 4258/11.

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Besondere Vergütungsbestandteile

Vereinbarung, die die Rückzahlung eines nicht verdienten Provisionsvorschusses vorsieht, auch in AGB nicht zu beanstanden.1 VI. Aktienbasierte Vergütung 46 Aktienbasierte Vergütungen sind alle Vergütungen, die unmittelbar – wenn auch nicht notwendigerweise ausschließlich – an den Aktienkurs eines Unternehmens anknüpfen. Häufigste Formen aktienbasierter Vergütung sind die Gewährung von Mitarbeiteraktien, Aktienoptionen, Restricted Stock oder Restricted Stock Units sowie sog. Phantom Shares. 1. Mitarbeiteraktien 47 Wenn für die Gewährung von Mitarbeiter- oder Belegschaftsaktien an alle Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern allgemeine Planbedingungen aufgestellt werden, handelt es sich um AGB, die am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu prüfen sind. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der Ausschluss überraschender Klauseln gemäß § 305c Abs. 1 BGB, die Auslegung mehrdeutiger Bestimmungen zu Lasten des Arbeitgebers gemäß § 305c Abs. 2 BGB sowie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für den Mitarbeiter muss aus den Planbedingungen klar erkennbar sein, wie viele Mitarbeiteraktien er zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditionen erwerben kann und ob die Aktien irgendwelchen Restriktionen unterliegen. 2. Aktienoptionen 48 Auch die für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Ausübungsbedingungen von Aktienoptionen, also dem Recht, Aktien des begebenden Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten Kurs zu erwerben,2 unterliegen der AGB-Kontrolle.3 Das bedeutet – neben einer Prüfung anhand von § 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB4 – insbesondere, dass auch die Regelungen zur Ausübung von Aktienoptionen 1 LAG Berlin-Brandenburg 26.3.2010 – 13 Sa 321/10; LAG Schleswig-Holstein 6.12.2011 – 1 Sa 13a/11. 2 Vgl. zu der Frage, gegen welche Gesellschaft sich der Anspruch aus dem Aktienoptionsprogramm richtet BAG 12.2.2003 – 10 AZR 299/02 – BAGE 104, 324 sowie BAG 16.1.2008 – 7 AZR 887/06 – NZA 2008, 836. 3 BAG 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 – AP BGB § 307 Nr. 34; Mauroschat, Aktienoptionsprogramme, S. 167 f.; Reim, ZIP 2006, 1075 f. 4 Vgl. dazu Reim, ZIP 2006, 1075 (1076 ff.).

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Aktienbasierte Vergütung

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hinreichend transparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein müssen. Für den Begünstigten muss vor allem klar erkennbar sein, wann und unter welchen Voraussetzungen er wie viele Optionen zu welchem Preis ausüben kann.1 Nach der Rechtsprechung des BAG gelten für Aktienoptionen aber nicht 49 die für andere Sondervergütungen entwickelten Grundsätze für Bindungs- und Verfallklauseln, sondern Bindungs- und Verfallklauseln sind bei der Gewährung von Aktienoptionen in weitergehendem Umfang zulässig. Insbesondere ist es zulässig, für eine wirksame Ausübung des Optionsrechts zu verlangen, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der Wartezeit und bei Ausübung des Bezugsrechts noch ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Differenzierung nach der Art und Weise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dabei nicht erforderlich. Entscheidend für diese Unterscheidung gegenüber anderen, nicht aktienbasierten Sondervergütungen sind nach Ansicht des BAG vor allem der im Gegensatz zu anderen Sondervergütungen spekulativere Charakter von Aktienoptionen und die gesetzliche Regelung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, die eine Mindestwartezeit für das Recht zur erstmaligen Ausübung von Aktienoptionen vorsieht.2 An dieser Argumentation ändert auch die inzwischen erfolgte Änderung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, mit der die Mindestwartezeit von zwei auf vier Jahre verlängert wurde, nichts. Eine Höchstfrist für Wartezeiten und Verfallklauseln gibt es bei Aktienoptionsprogrammen nach richtiger Ansicht nicht, insbesondere auch nicht in analoger Anwendung von § 624 BGB.3 3. Restricted Stock/Restricted Stock Units Insbesondere in deutschen Tochtergesellschaften von US-amerika- 50 nischen Gesellschaften ist auch die Gewährung von Restricted Stock (also Aktien, die noch verschiedenen Restriktionen wie insbesondere Veräußerungsbeschränkungen und Verfallsregelungen unterliegen) sowie Restricted Stock Units (konzeptionell vergleichbar mit Optionen) gebräuchlich. Soweit es sich bei den Planbedingungen für Restricted 1 Vgl. auch Reim, ZIP 2006, 1075 (1076). 2 BAG 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 – AP BGB § 307 Nr. 34, allerdings noch auf Basis der Altfassung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, der eine Mindestwartezeit von zwei Jahren vorsah. 3 So auch Staake, NJOZ 2010, 2494 (2499 f.); a.A. z.B. Baeck/Diller, DB 1998, 1405 (1408), Maletzky, NZG 2003, 715 (716 f.) sowie Schanz, NZA 2000, 626 (634), die sich in entsprechender Anwendung des § 624 BGB für eine maximal zulässige Wartefrist von fünf Jahren aussprechen.

Hoefs 569

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Besondere Vergütungsbestandteile

Stock und Restricted Stock Units um AGB handelt, auf die deutsches Recht anwendbar ist, gelten auch für sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und die weiteren Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Auch wenn § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG auf Restricted Stock und Restricted Stock Units an US-amerikanischen Gesellschaften nicht anwendbar ist, sind der Zweck und die Interessenlage mit denen bei der Gewährung von Aktienoptionen vergleichbar. Daher lässt sich die Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit von Wartezeiten und Verfallklauseln bei Aktienoptionen auf Restricted Stock und Restricted Stock Units übertragen.1 4. Phantom Shares/Stock Appreciation Rights 51 Anstelle von Aktienoptionen oder anderen unmittelbar auf Aktien ausgerichteten Vergütungsbestandteilen gibt es auch Vergütungsbestandteile, die Aktienoptionen oder Aktienbezugsrechten lediglich schuldrechtlich nachgebildet sind (häufig als Phantom Shares oder Stock Appreciation Rights bezeichnet). Die Vergütung erfolgt bei diesen Modellen nicht in Aktien, sondern in bar, die Höhe der Vergütung richtet sich aber – zumindest auch – nach der Entwicklung des Aktienkurses. 52 Nach der Ansicht des BAG gelten für derartige Nachbildungen dieselben Grundsätze für Bindungs- und Verfallsregelungen wie für Aktienoptionen, da sie ebenso wie Aktienoptionen eine sich im Aktienkurs widerspiegelnde Wertsteigerung bezwecken und dieselben Ziele bezüglich der Motivation und Bindung der bezugsberechtigten Mitarbeiter verfolgen.2 Dieser Rechtsprechung ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings ist im jeweiligen Einzelfall genau zu prüfen, ob tatsächlich ein Vergütungsmodell vorliegt, das Aktienoptionen oder ähnlichen aktienbasierten Rechten nachgebildet ist. Das ist der Fall, wenn die Gewährung der Vergütung ausschließlich oder zumindest im Wesentlichen von der Entwicklung des Aktienkurses des Unternehmens (ggf. zusätzlich gemessen an der Entwicklung von Vergleichsindizes) abhängt. Ist die Entwicklung des Aktienkurses demgegenüber nur eines von mehreren Kriterien für die Festlegung der Vergütung, kann das Vergütungssystem auch als Bonussystem einzustufen sein, für das die (strengeren) Maßstäbe für nicht-aktienbasierte Bonussysteme gelten.

1 Vgl. zur Vergleichbarkeit von Restricted Stock Units mit Aktienoptionen auch LAG München 12.2.2009 – 3 Sa 833/08 – NZG 2009, 1238 f., allerdings nicht zur Zulässigkeit von Verfallklauseln, sondern zur Ermittlung der verpflichteten Partei. 2 BAG 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 – AP BGB § 307 Nr. 34.

570 Hoefs

Managementbeteiligungsprogramme

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VII. Managementbeteiligungsprogramme/Carried Interest Beim Erwerb von Unternehmensbeteiligungen durch Finanzinvestoren 53 ist es üblich, dem Management des erworbenen Unternehmens (typischerweise der Geschäftsführung und der ersten und ggf. zweiten Führungsebene unter der Geschäftsführung) die Möglichkeit einzuräumen, sich durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen indirekt über eine Beteiligungsgesellschaft an dem Unternehmen zu beteiligen und im Falle eines erfolgreichen Börsengangs oder einer erfolgreichen Veräußerung der Gesellschaft an dem Erlös beteiligt zu werden (sog. Managementbeteiligungsprogramme). Auch den Mitarbeitern des Finanzinvestors wird regelmäßig die Möglichkeit eingeräumt, Gesellschafter einer separaten Beteiligungsgesellschaft zu werden, zum Teil sogar mit einer potentiell überproportionalen Ausschüttung im Falle der erfolgreichen Veräußerung (sog. Carried Interest). Managementbeteiligungsprogrammen und Carried Interest ist gemein, dass sich die Ansprüche nicht aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sondern aus der Gesellschafterstellung, die den Arbeitnehmern in der separaten Beteiligungsgesellschaft eingeräumt worden ist. Diese Aufteilung in verschiedene, voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse ist rechtlich nicht zu beanstanden.1 Die rechtliche Unabhängigkeit von Arbeitsverhältnis einerseits und Gesellschafterstellung andererseits wird insofern durchbrochen, als das rechtliche Schicksal der Gesellschafterstellung und seine wirtschaftliche Bewertung typischerweise vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Art seiner Beendigung abhängt. Diese so genannten LeaverKlauseln, die je nach Art und Zeitpunkt des Ausscheidens zwischen Good Leaver (z.B. Tod, Alter, Berufsunfähigkeit, Kündigung durch die Gesellschaft ohne wichtigen oder verhaltensbedingten Grund) und Bad Leaver (insbesondere Eigenkündigung des Mitarbeiters) unterscheiden, sind AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie klar und verständlich ausgestaltet sind.

1 So im Ergebnis auch BAG 3.5.2006 – 10 AZR 310/05 – NZA-RR 2006, 582 ff. für einen Carried-Interest-Plan; Hohenstatt/Stamer, BB 2006, 2413 (2414).

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54

Betriebliche Altersversorgung

I. Versorgungszusage . . . . . . . . . 1. Begriff der Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versorgungszusagen als AGB . a) Individualrechtliche Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollektivrechtliche Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung und Unklarheitenregel . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . 5. Inhaltskontrolle. . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Regelungen . . . aa) Verweisung . . . . . . . . . . bb) Änderungsvorbehalt/ Widerrufsvorbehalt/ Reduzierungsvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen zur Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung . . . . . aa) Gewährung und Umfang der Hinterbliebenenversorgung . . . . . . . bb) Altersabstandsklauseln. . . . . . . . . . . . . cc) Spätehenklausel . . . . . . dd) Mindestehedauerklausel . . . . . . . . . . . . . . ee) Mindestaltersklausel . . ff) Wiederverheiratungsklauseln. . . . . . . . . . . . . gg) Scheidungsklausel/Getrenntlebensklausel . . . d) Regelungen zur Versorgung bei Invalidität. . . . . . .

2 2 4 5 7 9 14 17 22 22

26 29 30

31 32 33 34 35 36 37 39

II. Durchführungsweg Direktzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Durchführungsweg Direktversicherung . . . . . . . . . . . . . . 41

572 Clemenz

1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Direktversicherung . . . . . . . . . a) Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) . . . . . . . . b) Versicherungsverhältnis (Deckungsverhältnis) . . . . . c) Bezugsrechtsverhältnis. . . . 2. Auslegung des Versicherungsvertrags im Deckungs- und im Bezugsrechtsverhältnis . . . a) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . b) Unklarheitenregel . . . . . . . . 3. Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . IV. Durchführungsweg Pensionskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionskasse. . . . . . . . . . . . . . a) Versorgungsverhältnis . . . . b) Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse . . . . . . . . . . . c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse . . . . . . . 2. Auslegung und Inhaltskontrolle von Satzung und Versicherungsbedingungen. . . . . . V. Durchführungsweg Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionsfonds, Eröffnung AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versorgungsverhältnis . . . . b) Deckungsverhältnis . . . . . . c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds . . . . . . . 2. Auslegung und Inhaltskontrolle des Pensionsplans . .

42 43 44 45

47 48 49 50 51

52 52 53 55

56 58

60 60 61 62 63

VI. Durchführungsweg Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . 65

Versorgungszusage 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Unterstützungskassen . . . . . . . . . 66 2. Eröffnung der AGB-Kontrolle im Begünstigungsverhältnis . 69 3. Auslegung und Inhaltskontrolle von Regelungen der Unterstützungskasse . . . . . . . 70

Anhang VII. Vereinbarung von Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . . . 72 VIII. Versorgung im Öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IX. Versorgung im Konditionenkartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Das Recht der betrieblichen Altersversorgung ist im Betriebsrentenge- 1 setz (BetrAVG) geregelt. Grundlage der betrieblichen Altersversorgung ist die Versorgungszusage über Leistungen betrieblicher Altersversorgung. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung i.S.d. BetrAVG erfolgt entweder unmittelbar durch den Arbeitgeber selbst oder über einen Versorgungsträger auf einem der mittelbaren Durchführungswege, die das Gesetz in § 1b BetrAVG enumerativ aufzählt. Für die AGBKontrolle der Regelungen ist streng zwischen den einzelnen Rechtsverhältnissen zu unterscheiden. I. Versorgungszusage 1. Begriff der Versorgungszusage Das BetrAVG definiert die betriebliche Altersversorgung in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Betriebliche Altersversorgung i.S.d. BetrAVG liegt danach vor, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zusagt. Zu den Zusagen betrieblicher Altersversorgung gehören auch die beitragsorientierte Leistungszusage, die Beitragszusage mit Mindestleistung sowie die Entgeltumwandlung (§ 1 Abs. 2 BetrAVG).

2

Die Versorgungszusage bestimmt die Verpflichtung über Leistungen der 3 betrieblichen Altersversorgung im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, d.h. im Versorgungs- oder Valutaverhältnis. Sie liegt in diesem Verhältnis stets auch der Zusage mittelbarer Versorgung über externe Versorgungsträger zu Grunde. Bei den mittelbaren Versorgungswegen ist die Versorgungszusage im Valutaverhältnis daher zu unterscheiden von den Regelungen zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger im Deckungsverhältnis und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Versorgungsträger. Diese Unterscheidung ist von wesentlicher Bedeutung, da Vereinbarungen im Rahmen der Versorgungszusage im VerClemenz 573

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Betriebliche Altersversorgung

hältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse zwischen Versorgungsträger und Arbeitgeber sowie Versorgungsträger und Arbeitnehmer übertragen werden können. Die Versorgungszusage ist in ihrem Bestand unabhängig von Regelungen in den weiteren Rechtsverhältnissen und verpflichtet den Arbeitgeber auch bei einer mittelbaren Versorgung ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Deckung der zugesagten Versorgung durch einen Versorgungsträger. 2. Versorgungszusagen als AGB 4 Eine Versorgungszusage beruht stets auf einem Rechtsbegründungsakt.1 Dabei sind individualrechtliche Zusagen und kollektivrechtliche Zusage zu unterscheiden. Besonderheiten gelten für individualrechtliche Zusagen, die auf kollektivrechtliche Regelungen verweisen. a) Individualrechtliche Zusagen 5 Zu den individualrechtlichen Zusagen gehören die Zusagen aus Einzelvertrag (Einzelzusage), aus Gesamtzusage und vertraglicher Einheitsregelung. Diesen stehen Zusagen gleich, die auf betrieblicher Übung oder dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Nur die Einzelzusage bezieht sich auf einen einzelnen Arbeitnehmer. Die weiteren Zusagen erstrecken sich gleichförmig auf eine Gruppe von Arbeitnehmern. 6 Ob es sich bei einer Versorgungszusage um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handelt, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. insoweit § 305 Rz. 3 ff.). Für das Betriebsrentenrecht gelten insoweit keine Besonderheiten. Aufgrund der Komplexität der betriebsrentenrechtlichen Materie dürfte es sich allerdings im Regelfall um AGB handeln. b) Kollektivrechtliche Zusagen 7 Kollektivrechtliche Zusagen sind Versorgungszusagen aufgrund von normativ geltenden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen.2 Für derartige Regelungen ist der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht eröffnet (vgl. § 310 Rz. 42).3

1 Höfer, BetrAVG, ART, Rz. 207. 2 Höfer, BetrAVG, ART, Rz. 20. 3 BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326.

574 Clemenz

Versorgungszusage

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Von der Inhaltskontrolle sind außerdem kollektivrechtliche Versorgungs- 8 regeln ausgenommen, auf die die Versorgungszusage individualrechtlich ohne Einschränkungen verweist.1 Die Verweisungsklausel selbst bleibt dabei kontrollfähige Vertragsbedingung (vgl. § 307 Rz. 154). 3. Auslegung und Unklarheitenregel Die Auslegung der Versorgungszusage, die als AGB erteilt worden ist, 9 folgt den allgemeinen Bestimmungen. Grundsätzlich sind Versorgungsregeln als AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.2 Zur Auslegung können auch Begleitumstände herangezogen werden, die Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung des Vertrages geben, sofern es Umstände sind, die nicht ausschließlich den individuellen Vertragsabschluss betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede; dies gilt etwa für allgemeine Informationsschreiben.3 Die Rechtsprechung wendet die Unklarheitenregel (§ 305c BGB) bei Ver- 10 sorgungsregeln, die vom Arbeitgeber vorgegeben sind, seit jeher, also auch vor Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht an.4 Sie gilt daher ohne weiteres auch für „Altregelungen“. Auf die Unklarheitenregel ist zurückzugreifen, wenn trotz der Ausschöpfung anerkannter Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben.5 Gerade im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung können die Regelungen zur Berechnung einer Betriebsrente sehr komplex und abstrakt sein. Dieser Umstand allein führt allerdings noch nicht dazu, dass von einer Unklarheit ausgegangen werden kann.6 Der Arbeitgeber muss in der Versorgungsregelung grundsätzlich nicht 11 auf geltendes Gesetzesrecht hinweisen. Mögliche Irrtümer, die auf der Unkenntnis des Gesetzes beruhen, machen die Versorgungsregeln nicht 1 BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326. 2 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342. 3 BAG v. 15.2.2011 – 3 AZR 35/09, BB 2011, 3068. 4 BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, AP Nr. 67 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. 5 BAG v. 11.2.2008 – 3 AZR 719/06, AP Nr. 6 zu § 308 ZPO. 6 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294.

Clemenz 575

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Betriebliche Altersversorgung

unklar. So bedarf es keines Hinweises, dass ein Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden keinen Vollanspruch erwirbt, sondern seine Anwartschaft einer zeitratierlichen Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG unterliegt. Dies gilt auch dann, wenn die Versorgungsregelung vorsieht, dass die Betriebsrente bei Erreichung eines bestimmten Steigerungsfaktors nicht weiter anwächst.1 12 Mehrdeutige Begriffe in Versorgungsregelungen können zu einer Unklarheit i.S.d. § 305c BGB führen. Typisch sind Unklarheiten bei Regelungen, die bei Berechnung einer Betriebsrente verschiedene Vergütungsbestandteile unter einem Oberbegriff einbeziehen. So können bei den Begriffen „Gehalt“,2 „Monatsgehalt“,3 „Bruttoverdienst“,4 „Bruttomonatsverdienst“5 oder „Jahresbruttoarbeitsverdienst ohne außertarifliche Sondervergütungen“6 Zweifel bestehen, ob damit die Einbeziehung von Sachbezügen, verschiedenartigen Zulagen oder variablen Bestandteilen ausgeschlossen ist. Auch die Definition der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen kann unklar sein. Das BAG hat den Begriff des „Lebensgefährten“ im Zusammenhang einer Hinterbliebenenversorgung jedenfalls insoweit als hinreichend klar ausgelegt, als ein Anspruchsteller dann nicht Lebensgefährte des Verstorbenen sein kann, wenn der Anspruchsteller selbst mit einem eigenen Ehepartner in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt.7 13 Ebenso wie einzelne Begrifflichkeiten können grammatikalisch mehrdeutige Sätze8 oder systematische Widersprüche der Versorgungsregelung zu Unklarheiten führen. Systematische Widersprüche können entstehen, wenn die Versorgungsregelung teilweise auf Abschnitte anderer Versorgungsordnungen verweist, die nicht auf die Ausgangsregelung zugeschnitten sind, etwa bei Anrechnungsbestimmungen.

1 LAG Köln v. 14.7.2000 – 11 Sa 582/00, NZA-RR 2001, 546. 2 BAG v. 14.8.1990 – 3 AZR 321/89, DB 1991, 343; LAG Köln v. 9.2.2006 – 10 Sa 1027/05, n.v. 3 LAG Hessen v. 8.9.2004 – 8 Sa 2110/03, n.v. 4 BAG v. 21.8.2001 – 3 AZR 746/00, NZA 2002, 394. 5 ArbG Frankfurt – 4 Ca 4708/07, n.v.; LAG Hessen v. 12.11.2008 – 8 Sa 188/08, NZA-RR 2009, 444. 6 OLG Oldenburg v. 30.4.1996 – 12 U 1/96, OLGR Oldenburg 1996, 205. 7 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. 8 LAG Köln v. 8.5.2006 – 2 Sa 940/05, AE 2006, 242.

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Versorgungszusage

4. Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) Überraschend sind Regelungen in Versorgungszusagen, die dem Versorgungscharakter als dem definitorischen Wesensmerkmal einer Betriebsrente erheblich zuwider laufen. Daher können weit reichende Vorbehalte des zusagenden Arbeitgebers, die Versorgung zu reduzieren, überraschend sein; sie widersprechen der Versorgungserwartung des Rentenanwärters.1

14

Klauseln einer Versorgungszusage sind hingegen grundsätzlich nicht un- 15 gewöhnlich, wenn das BetrAVG sie ohne weiteres zulässt. Dazu gehörte bis zum 31.12.2004 eine Regelung zur Abfindung der Betriebsrente.2 Auch längere Wartezeiten sind nicht überraschend;3 etwas anderes kann gelten, wenn die Wartezeiten einen Anspruch des Arbeitnehmers von vorneherein ausschließen, weil er sie nicht erfüllen kann. Eine Überraschung kann sich nach allgemeinen Grundsätzen aber durch 16 die Position einer Regelung im Text der Versorgungszusage ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Versorgungszusage insgesamt unübersichtlich ist und die fragliche Regelung außerhalb ihres Sachzusammenhangs im Text positioniert ist.4 5. Inhaltskontrolle AGB unterliegen grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. 17 BGB. Nicht der Inhaltskontrolle unterworfen sind dabei die jeweiligen Hauptleistungspflichten der Parteien. Für die betriebliche Altersversorgung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber frei ist, bestimmte Teilbereiche einer möglichen betrieblichen Altersversorgung von vorneherein nicht zu gewähren, etwa eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung,5 oder nur Teile des Gehalts als versorgungsfähig zu charakterisieren.6 Inhaltlich zu prüfen sind allerdings Klauseln, die ihrerseits das Versorgungsversprechen als Hauptleistung einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (vgl. § 307 Rz. 30).7 Es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber bei Leistungen der betrieblichen 18 Altersversorgung als freiwillige zusätzliche Leistungen einen von den 1 2 3 4 5 6 7

BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP Nr. 93 zu § 77 BetrVG 1972. LAG Rheinland-Pfalz v. 12.9.2007 – 11 Sa 78/07, n.v. Schaub, GS Blomeyer (2003), S. 334 (343). BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP Nr. 93 zu § 77 BetrVG 1972. BAG 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. LAG Rheinland-Pfalz v. 4.11.2011 – 9 Sa 319/11. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164.

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Betriebliche Altersversorgung

Gerichten zu respektierenden Spielraum bei der Ausgestaltung hat.1 Bei einer Inhaltskontrolle der Versorgung ist daher insbesondere auch dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung zu tragen, die Versorgungsrisiken nach sachlichen Kriterien zu begrenzen.2 Dies betrifft z.B. die Begrenzung von Steigerungsbeträgen oder Grenzen der Hinterbliebenenversorgung. 19 Bei der Beurteilung von Klauseln im Kontext der betrieblichen Altersversorgung ist den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass im Regelfall der betrieblichen Altersversorgung Klauseln getroffen werden, die erst viele Jahre später ihre eigentliche Wirkung entfalten. Das BAG berücksichtigt diesen Umstand als eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Zu Recht nimmt es daher ein berechtigtes Grundinteresse des Arbeitgebers an, Regeln flexibel auszugestalten, etwa durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.3 20 Versorgungszusagen an Dienstnehmer wie Geschäftsführer und Vorstände können wie bei Tarifvertragsparteien Abweichungen von ansonsten zwingenden Vorschriften des BetrAVG vorsehen (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrAVG).4 Wenn es sich bei einer solchen Zusage an Dienstnehmer um kontrollfähige AGB handelt, ist zu beachten, dass die zwingenden Regelungen des BetrAVG auch bei der ausnahmsweisen Zulässigkeit abweichender Regeln dennoch gesetzliches Leitbild bleiben. Wesentliche Abweichungen von den ansonsten zwingenden Regelungen des BetrAVG werden daher häufig eine unangemessene Benachteiligung bedeuten. 21 Unangemessen ist eine Regelung auch dann, wenn sie intransparent ist. Das BAG prüft dabei, ob die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer oder Betriebsrentner wegen der unklar gefassten Regelungen seine Rechte nicht wahrnimmt. Diese Gefahr soll noch nicht bestehen, wenn Begriffe verwendet werden, die der Konkretisierung bedürfen, wie etwa der Verweis auf versicherungsmathematische Grundsätze.5 1 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 194/07, BAGE 127, 260; BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 656/00, BAGE 99, 53; BAG v. 22.12.1970 – 3 AZR 52/70, DB 1971, 729. 2 BAG v. 17.6.2006 – 3 AZR 352/05 (A), BAGE 118, 340. 3 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 2 AZR 557/08, BAGE 135, 334. 4 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, AP Nr. 20 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung. 5 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 2 AZR 557/08, BAGE 135, 334.

578 Clemenz

Versorgungszusage

Anhang

a) Allgemeine Regelungen aa) Verweisung Die dynamische Verweisung auf ein anderes Regelungswerk („Jeweiligkeitsklausel“)1 ist im Bereich der betrieblichen Altersversorgung verbreitet. Eine derartige Verweisung ist nicht als Änderungsvorbehalt einzuordnen und unterliegt daher nicht dem Regime des § 308 Nr. 4 BGB, da sie nicht selbst Änderungen vorsieht, sondern auf die Geltung eines anderen Regelungswerks verweist.2 Als dynamische Verweisung entspricht die Klausel den Interessen der Parteien, eintretende Veränderungen angemessen zu berücksichtigen.

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Die Verweisungsklausel als solche unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 23 BGB regelmäßig keiner weiteren Inhaltskontrolle, da sie nicht von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt; maßgeblich sind vielmehr die Regelungen des in Bezug genommenen Regelungskomplexes, deren Änderungen den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz entsprechen müssen.3 Die Verweisung ist allerdings der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB unterworfen. Eine Verweisung wird durch die dynamische Inbezugnahme anderer Regelungen nicht intransparent, solange der Inhalt des in Bezug genommenen Regelungswerks jeweils bestimmbar ist.4 Eine Verweisungsklausel legitimiert selbst keinen Eingriff in die Versor- 24 gungszusage. Sie kommt allerdings einem Änderungsvorbehalt gleich, wenn die Verweisung nicht auf ein drittes, sondern auf ein jeweiliges eigenes Regelungswerk des Arbeitgebers erfolgt, und ist daher in diesem Fall an § 308 Abs. 4 BGB zu messen. Unproblematisch ist hingegen die Verweisung auf eine Betriebsvereinbarung,5 deren Änderung einer Inhaltskontrolle nach den allgemeinen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes unterliegt.6 Gleiches gilt für die dynamische Verweisung auf Tarifregeln, deren Änderung ebenfalls den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz unterliegt.7 1 BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 2 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221. 3 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 4 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 5 ArbG Dortmund v. 30.1.2008 – 5 Ca 4805/07, n.v. 6 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 674/07, NZA-RR 2009, 548. 7 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221.

Clemenz 579

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Betriebliche Altersversorgung

25 Sofern bei einem Verweis auf Versorgungsbestimmungen aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Inhaltskontrolle nicht ohnehin bereits ausgeschlossen ist, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese die Interessen der Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen.1 Zu beachten ist allerdings, dass ein Verweis auf Regelungen, die in einem wesentlich anderen, etwa anders gelagerten branchenspezifischen Zusammenhang stehen, eine unangemessene Benachteiligung darstellen kann. Gleiches gilt bei einem isolierten Verweis auf einzelne Bestimmungen aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, die dadurch in einen anderen Kontext gestellt werden. bb) Änderungsvorbehalt/Widerrufsvorbehalt/Reduzierungsvorbehalt 26 Ein Änderungsvorbehalt ist den Regeln des § 308 Nr. 4 BGB unterworfen. Danach ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Versorgungsleistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes gilt nur, wenn die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Änderungen einer Versorgungszusage sind nach der Rechtsprechung des BAG nur insoweit zulässig, „wie billigerweise mit einer Neuregelung gerechnet werden kann, diese sich also [ihrerseits] im Bereich des Angemessenen hält“.2 Dies konkretisiert sich in einem ausdifferenzierten Bestandsschutz für Versorgungszusagen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.3 Diese komplexen Regeln, die eine Vielzahl von potentiellen Sachverhalten erfassen, lassen sich in einem Änderungsvorbehalt kaum transparent abbilden. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich derartige Vorbehalte, soweit sie nicht lediglich deklaratorisch Störungen der Geschäftsgrundlage umschreiben (§ 313 BGB), steuerschädlich auswirken (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG). 27 Auch ein Widerrufsvorbehalt ist als Änderungsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB zu behandeln.4 Demgemäß müssen die Widerrufsgründe in der Regelung selbst hinreichend konkretisiert sein.5 Relevant ist die exakte Umschreibung der Widerrufsgründe. Dies kann bei einer betrieb-

1 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326. 2 BAG v. 2.2.1988 – 3 AZR 115/86, DB 1988, 173. 3 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 4 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 5 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221.

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Versorgungszusage

lichen Altersversorgung in Form von Deputaten und Sachleistungen etwa der Wegfall der Eigenproduktion sein.1 Ohne Bedeutung ist § 308 Nr. 4 BGB hingegen für die bei Betriebsrenten weit verbreiteten, sog. steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte, die nur den Wegfall der Geschäftsgrundlage umschreiben2 und damit deklaratorisch sind. Selbst wenn diese Widerrufsvorbehalte in ihrer Regelung nicht hinreichend konkretisiert sind, kann der Arbeitgeber auf die allgemeinen Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zurückgreifen.

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b) Regelungen zur Altersversorgung Das BAG erlaubt bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Betriebsrente 29 versicherungsmathematische Abschläge, die die längere Bezugsdauer der Betriebsrente berücksichtigen. Eine Regelung verstößt dabei nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie die Möglichkeit, einen versicherungsmathematischen Abschlag vorzunehmen, nicht aber dessen Höhe bestimmt.3 c) Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung Durch das Verbot der Diskriminierung wegen Alters nach AGG rückt auch bei der AGB-Kontrolle zunehmend die Hinterbliebenenversorgung in den Fokus, die häufig durch einschränkende Klauseln geprägt ist.

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aa) Gewährung und Umfang der Hinterbliebenenversorgung Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, überhaupt eine Hinterbliebenen- 31 versorgung anzubieten.4 Deshalb kann er auch den Kreis der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen einengen und etwa Geschwister ausnehmen.5 Damit weicht er nicht von den wesentlichen Grundgedanken des BetrAVG ab, da dieses den Umfang einer betrieblichen Altersversorgung nicht regelt.

1 BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, 597. 2 BAG v. 17.1.2012 – 3 AZR 555/09; BAG v. 17.6.2003 – 3 ABR 43/02, BAGE 106, 301. 3 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, BAGE 135, 334. 4 BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BAGE 115, 317. 5 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294.

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Betriebliche Altersversorgung

bb) Altersabstandsklauseln 32 Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse, die finanziellen Risiken einer Versorgung von Hinterbliebenen nach sachlichen Kriterien zu begrenzen und so besser kalkulierbar zu machen. Eine Maßnahme zur Risikobegrenzung ist die Vereinbarung einer Altersabstandsklausel. Altersabstandsklauseln schließen Ansprüche von hinterbliebenen Ehegatten aus, die wesentlich jünger als ihr Ehepartner sind. Je größer der Altersabstand ist, desto länger ist statistisch auch der Zeitraum, in dem Versorgungsleistungen zu erbringen sind. Das BAG erkennt die Begrenzung des Altersabstands als sachgerechtes Mittel der Risikobegrenzung an, soweit davon kein zwischen Ehegatten „üblicher Altersabstand“ erfasst wird. Als „üblich“ sieht es jedenfalls nicht mehr einen Altersunterschied von 15 Jahren an.1 cc) Spätehenklausel 33 Genau wie eine Altersabstandsklausel dient eine Spätehenklausel dem Interesse des Arbeitgebers an einer Risikobegrenzung. Die Klausel verhindert die Entstehung eines Versorgungsrisikos zu einem späten Zeitpunkt.2 Verbreitet ist die Variante einer Spätehenklausel, die nur greift, wenn bei Eingehung der Ehe ein Höchstalter des Arbeitnehmers überschritten ist und die Ehe beim Versorgungsfall keine bestimmte Mindestdauer aufweist. Das BAG hält eine Spätehenklausel, die bei Heirat erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres greift, sofern die Ehe vor dem Versorgungsfall keine zehn Jahre bestand, für zulässig.3 Angemessen ist auch eine Klausel, die die Versorgung von hinterbliebenen Ehegatten für den Fall ausschließt, dass die Ehe erst nach Beendigung des die Versorgung begründenden Arbeitsverhältnisses geschlossen worden ist4 oder nach Eintritt des Versorgungsfalls.5 dd) Mindestehedauerklausel 34 Die Klausel setzt eine bestimmte Mindestdauer der Ehe voraus. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, sowohl reine „Versorgungsehen“ auszuschließen, als auch in typisierender Weise zu honorieren, dass Ehegatten ihren Partner während des Arbeitsverhältnisses über eine nennenswerte 1 2 3 4 5

BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 352/05, BAGE 118, 340. BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BAGE 115, 317. BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BAGE 115, 317. BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, DB 2010, 2000. LAG Baden-Württemberg v. 12.11.2009 – 11 Sa 41/09, NZA-RR 2010, 315.

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Versorgungszusage

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Zeit begleitet haben. Die Zulässigkeit derartiger Klauseln bemisst sich nach der vorausgesetzten Ehedauer. Eine Mindestdauer von nicht mehr als zehn Jahren dürfte interessengerecht sein. ee) Mindestaltersklausel Ebenfalls der Risikobegrenzung dienen Klauseln, die eine Hinterblie- 35 benenversorgung nur gewähren, wenn der hinterbliebene Ehepartner zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ein definiertes Mindestalter erreicht hat. Derartige Mindestaltersklauseln sind nach der Rechtsprechung im Grundsatz zulässig, da sie sowohl das Interesse des Versorgungsberechtigten an der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung, als auch die Interessen des Arbeitgebers an einer Risikobegrenzung dieser Versorgung berücksichtigen. Eine Mindestaltersgrenze für eine Hinterbliebenenversorgung von 50 Jahren ist bisher anerkannt.1 Anders als Spätehen- oder Altersabstandsklauseln weist die Mindestaltersklausel allerdings ein stark zufälliges Moment auf – Erleben eines bestimmten Mindestalters –, das die Versorgung für den Arbeitnehmer kaum kalkulierbar macht. Die Klauseln sind daher kritisch zu bewerten. ff) Wiederverheiratungsklauseln Anders als Altersabstandsklauseln, die primär das finanzielle Risiko des Arbeitgebers begrenzen und seine Kalkulation absichern, entfällt bei Wiederverheiratungsklauseln typischerweise das Versorgungsinteresse des Hinterbliebenen. Mit Wechsel des „Familienverbands“2 entfällt bei der gebotenen typisierenden Betrachtung der Versorgungsbedarf.

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gg) Scheidungsklausel/Getrenntlebensklausel Scheidungs- und Getrenntlebensklauseln lassen den Versorgungs- 37 anspruch des Hinterbliebenen entfallen. Dies ist bei Scheidungsklauseln wenig problematisch, da bei Scheidung ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist und der geschiedene Ehegatte selbst Anwartschaften erwirbt. Darüber hinaus steht in diesen Fällen zu vermuten, dass das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers für den geschiedenen Partner nicht mehr gegeben ist.

1 BAG v. 19.2.2002 – 3 AZR 99/01, NZA 2002, 1286. 2 BAG v. 16.4.1997 – 3 AZR 28/96, DB 1997, 1575.

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Betriebliche Altersversorgung

38 Anders sind Getrenntlebensklauseln zu bewerten. Bei Trennung befindet sich der Ehepartner in einer Art Zwischenstadium – er ist nicht mehr in der ehelichen Lebensgemeinschaft, die einen Hinterbliebenenanspruch begründen würde, aber auch noch nicht geschieden, so dass kein Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Wirksamkeit von Getrenntlebensklauseln jedenfalls dann in Zweifel zu ziehen, wenn nicht die gesetzliche Vermutung des Scheiterns der Ehe greift. Dieses gilt unwiderlegbar nach drei Jahren der Trennung (§ 1566 Abs. 2 BGB) oder bereits nach einem Jahr, wenn beide Ehegatten die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt haben (§ 1566 Abs. 1 BGB). Das BAG sah ein Erfordernis für Härtefallregelungen.1 d) Regelungen zur Versorgung bei Invalidität 39 Genau wie die Hinterbliebenenversorgung ist die Invaliditätsversorgung kein notwendiger Bestandteil einer betrieblichen Altersversorgung. Das BetrAVG regelt den Umfang der betrieblichen Altersversorgung nicht. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ist daher nicht eröffnet, wenn keine Invaliditätsversorgung gewährt wird. Wenn der Arbeitgeber eine Rente wegen Invalidität zusagt, ist bei Bezugnahme auf Begriffe des Sozialversicherungsrechts wie Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung von einer Anknüpfung an die Voraussetzungen des Sozialversicherungsrechts auszugehen; diese Anknüpfung bewertet das BAG als zulässig und hinreichend transparent.2 II. Durchführungsweg Direktzusage 40 Die Direktzusage oder unmittelbare Versorgungszusage ist in Abgrenzung zur mittelbaren Versorgungszusage der gesetzliche Grundfall einer Versorgungszusage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Eine Direktzusage liegt vor, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Versorgungsleistungen ohne Zwischenschaltung eines selbständigen Versorgungsträgers selbst an den Versorgungsberechtigten zu erbringen.3 Für die Direktzusage kann auf die Ausführungen zur Versorgungszusage verwiesen werden. Neben das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeit-

1 BAG v. 6.9.1979 – 3 AZR 358/78, AP Nr. 183 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Höfer, BetrAVG, ART Rz. 643. 2 BAG v. 11.10.2011 – 3 AZR 795/09; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 83/99, EzA Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Invalidität. 3 Höfer, BetrAVG, ART, Rz. 117.

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Direktversicherung

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nehmer treten keine weiteren Rechtsverhältnisse zu einem dritten Versorgungsträger. III. Durchführungsweg Direktversicherung Die Versorgung über die Direktversicherung erfolgt nach § 1b Abs. 2 41 Satz 1 BetrAVG durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen auf das Leben des Arbeitnehmers. Für die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag müssen der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise als bezugsberechtigt benannt sein. Der Versicherungsvertrag ist daher ein Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB). 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Direktversicherung Bei der Zusage einer Direktversicherung sind mehrere Rechtsverhältnis- 42 se zu unterscheiden. Neben die Versorgungszusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) tritt das Versicherungsverhältnis zwischen Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und Versicherer (Deckungsverhältnis) sowie das Bezugsrechtsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer als versicherter Person und Versicherer. Die jeweiligen Rechtsverhältnisse unter den Beteiligten sind streng zu unterscheiden. So ist etwa die Zuordnung einer Forderung gegen das Versicherungsunternehmen auf Versicherungsleistungen zum Vermögen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers nicht von den Regelungen der Versorgungszusage, sondern allein von der versicherungsrechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs abhängig.1 a) Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) Wenn der Arbeitgeber eine Versorgungszusage im Durchführungsweg Di- 43 rektversicherung erteilt, nimmt er dazu im Regelfall die Versicherungsbedingungen in Bezug, die für ihn im Verhältnis zum Versicherungsunternehmen gelten. Dies entspricht seinem Interesse an einem möglichst umfassenden Gleichlauf von Versorgungszusage und Deckungsgeschäft. Der Arbeitgeber wird bei einem solchen Verweis im Verhältnis zum Arbeitnehmer zum Verwender der Versicherungsbedingungen, die die zugesagte Versorgung abbilden. Dabei ist unerheblich, ob die Versicherungsbedingungen dem Arbeitgeber seinerseits vom Versicherungsun-

1 LAG Berlin-Brandenburg v. 4.3.2009 – 23 Sa 2149/08, n.v.

Clemenz 585

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Betriebliche Altersversorgung

ternehmen gestellt oder individuell ausgehandelt worden sind. Als Versorgungszusage unterliegen die in Bezug genommenen Versicherungsbedingungen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den dazu dargestellten Maßstäben bei Auslegung und Inhaltskontrolle (Rz. 9 ff., 17 ff.). b) Versicherungsverhältnis (Deckungsverhältnis) 44 Vom Versorgungsverhältnis ist das Versicherungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen zu unterscheiden. In diesem Verhältnis tritt der Arbeitgeber dem Versicherungsunternehmen im Regelfall als Unternehmer gegenüber, was sich auf die Qualifizierung der Bedingungen als AGB sowie die Maßstäbe der Inhaltskontrolle auswirkt; insbesondere kommen in diesem Fall die §§ 308, 309 BGB nicht zur Anwendung. Denkbar ist es im Einzelfall auch, dass die Versicherungsbedingungen ausgehandelt werden. c) Bezugsrechtsverhältnis 45 Aus dem Versicherungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen leitet sich das Forderungsrecht des Arbeitnehmers gegen das Versicherungsunternehmen ab. Im Bezugsrechtsverhältnis zum Versicherungsunternehmen kann sich der Arbeitnehmer daher nur auf das aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Forderungsrecht stützen, nicht auf Vereinbarungen zwischen ihm und dem Arbeitgeber. 46 Nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH kommt es für die Qualifizierung der für die Leistung maßgeblichen Regeln des Deckungsverhältnisses als AGB im Verhältnis von Versprechendem (hier: Versicherungsunternehmen) zum Bezugsberechtigten nicht zwingend darauf an, dass die Bedingungen auch im Deckungsverhältnis als AGB zu bewerten sind. Es kann genügen, wenn sich der Bezugsberechtigte den im Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger noch ausgehandelten Bedingungen selbst wie bei einem unmittelbaren Vertragsschluss mit dem Versicherungsunternehmen ausgeliefert sieht. Dies soll bei einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter allerdings wegen eines Gleichlaufs der Interessen von Versprechensempfänger und Bezugsberechtigtem typischerweise nicht der Fall sein.1 Es bedarf daher konkreter Anhaltspunkte, dass der Arbeitgeber als Versprechensempfänger – ggf. auch nur für einzelne Klauseln – eine vom bezugsberechtigten 1 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, DB 2009, 2778.

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Direktversicherung

Arbeitnehmer divergierende Interessenlage verfolgt. Im Regelfall decken sich die Interessen, da der Arbeitgeber erreichen will, dass die dem Arbeitnehmer zugesagten Leistungen von der Versicherung möglichst vollständig abgedeckt sind. 2. Auslegung des Versicherungsvertrags im Deckungs- und im Bezugsrechtsverhältnis Die Auslegung des Versicherungsvertrags ist sowohl im Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber als Vertragspartner des Versicherers als auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer als bezugsberechtigtem Dritten von Bedeutung.

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a) Auslegung Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen kommt es darauf an, 48 wie sie aus Sicht eines verständigen und durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu verstehen sind. Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen im Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherer berücksichtigt das BAG1 in Anlehnung an den BGH2 neben den Interessen des Arbeitgebers von vornherein ganz wesentlich die Interessen des versicherten Arbeitnehmers, obwohl dieser nicht Vertragspartner des Versicherungsunternehmens, sondern nur versicherte Person ist. Regelmäßig ist nämlich davon auszugehen, dass der Arbeitgeber mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags eine Parallelität von Versorgungsverhältnis und Versicherungsverhältnis erreichen will.3 Es liegt im gesteigerten Interesse des Arbeitgebers, die von ihm erteilte Zusage durch das Versicherungsverhältnis möglichst vollständig abzudecken, da er anderenfalls für die nicht gedeckten Leistungen eintreten müsste. Die beabsichtigte Parallelität setzt eine weitgehende Berücksichtigung der Wertungen voraus, die im Verhältnis zwischen Arbeitgeber zum Arbeitnehmer maßgeblich sind. Versicherungsverträge, die der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung dienen, sind daher maßgeblich nach den betriebsrentenrechtlichen Wertungen auszulegen.4 Dies gilt bei Bezugnahme auf den Eintritt gesetzlicher Unverfallbarkeit der 1 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659. 2 BGH v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, NJW-RR 2006, 1258. 3 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32. 4 BAG v. 17.1.2012 – 3 AZR 776/09; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659.

Clemenz 587

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Betriebliche Altersversorgung

Versorgungszusage1 genauso wie für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Versicherungsbedingungen beendet ist.2 b) Unklarheitenregel 49 Unklarheiten können z.B. auftreten, wenn Regelungen des Versicherungsvertrags wie etwa Anzeigepflichten nicht eindeutig nur den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer, sondern möglicherweise auch den Arbeitnehmer als versicherte Person und Bezugsberechtigten betreffen.3 Bei Unklarheiten gilt im Zweifel die für den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer als versicherte Person günstigere Auslegung; danach können etwa Anzeigeerfordernisse nur für den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer gelten.4 3. Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags 50 Da der Versicherungsvertrag den Regeln des VVG folgt, bilden dessen Regelungen und nicht die Bestimmungen des BetrAVG den Maßstab der Kontrolle nach § 307 BGB. Bei der Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags ist aber zu berücksichtigen, dass der Versicherungsvertrag dazu bestimmt ist, die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eingegangen ist, zu erfüllen. Der danach regelmäßig bezweckte Gleichlauf zum Versorgungsverhältnis rechtfertigt nicht nur bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen, sondern auch bei ihrer Inhaltskontrolle eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer. Zugleich ist es nicht unangemessen, spezifisch betriebsrentenrechtliche Regelungen im Versicherungsvertrag zu berücksichtigen und z.B. ein unwiderrufliches Bezugsrecht an den Eintritt gesetzlicher Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG zu knüpfen.5 IV. Durchführungsweg Pensionskasse 51 Die Pensionskassenversorgung nach § 1b Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ist die Versorgung über eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die dem Ar1 2 3 4 5

BAG v. 17.1.2012 – 3 AZR 776/09. BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659. OLG Karlsruhe v. 1.6.2006 – 12 U 21/06, VersR 2007, 341. OLG Karlsruhe v. 1.6.2006 – 12 U 21/06, VersR 2007, 341. BGH v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, DB 2006, 1488; BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32; BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, NJW 1991, 717; LAG Baden-Württemberg v. 13.5.2009 – 10 Sa 37/08, n.v.

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Pensionskasse

beitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistung gewährt. Die grundsätzlichen Anforderungen an eine Pensionskasse werden in § 118a VAG definiert. Es ist weiter zwischen regulierten und deregulierten Pensionskassen zu unterscheiden. Erstere unterliegen als sog. „Firmenpensionskassen“ einer umfassenden Versicherungsaufsicht, genießen dafür aber Privilegien bei den Zinsvorschriften. Bei den durchweg als VVaG (vgl. §§ 15 ff. VAG) organisierten regulierten Pensionskassen (§ 118b Abs. 3 VAG) begründet der Arbeitnehmer ein (evtl. fakultatives) Mitgliedschafts- und (zumeist) ein Versicherungsverhältnis, ist also selbst Versicherungsnehmer und auch Versicherter. Bei den als AG betriebenen, nicht regulierten Pensionskassen (sog. „Wettbewerbspensionskassen“) fällt die Rolle des Versicherungsnehmers wie bei der Direktversicherung dem Arbeitgeber zu; der Versicherungsvertrag ist hier als Vertrag zu Gunsten Dritter zu qualifizieren. 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionskasse a) Versorgungsverhältnis Wie bei jeder Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung be- 52 steht auch bei der Pensionskassenzusage zunächst ein Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es liegt deshalb auch bei diesem Durchführungsweg für den Arbeitgeber nahe, die Versicherungsbedingungen der Pensionskasse im Verhältnis zum Arbeitnehmer in Bezug zu nehmen, um einen Gleichlauf von Versorgungszusage und Deckungsgeschäft zu gewährleisten. Damit wird der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zum Verwender der Versicherungsbedingungen als Versorgungszusage. Bleiben die von der Pensionskasse festgelegten Versicherungsbedingungen hinter der Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Versorgungsverhältnis zurück, hat der Arbeitgeber diese Deckungslücke zu schließen.1 b) Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und regulierter Pensionskasse wird maßgeblich durch die Satzung der Pensionskasse, ggf. durch ergänzende schuldrechtliche Vereinbarungen bestimmt. Die Satzung der Pensionskasse in Form eines VVaG unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, soweit sie nicht das gesellschaftsrechtlich zu qualifi1 BAG v. 23.3.1999 – 3 AZR 631/97 (A), BAGE 91, 155; BAG v. 23.3.2004 – 3 AZR 279/03, NZA 2005, 375.

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Betriebliche Altersversorgung

zierende Organisationsrecht des Vereins (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB), sondern Versicherungsbedingungen enthält.1 Die satzungsmäßige Regelung von Versicherungsbedingungen ändert also nichts an ihrer grundsätzlichen Kontrollfähigkeit. 54 Bei deregulierten Pensionskassen ist der Arbeitgeber alleiniger Vertragspartner und Versicherungsnehmer der Pensionskasse, der Vertrag ein Vertrag zu Gunsten des Arbeitnehmers (§ 328 BGB). Dies entspricht der Situation im Durchführungsweg „Direktversicherung“ (vgl. Rz. 44). c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse 55 Bei der regulierten Pensionskasse ist der Arbeitnehmer regelmäßig sowohl Mitglied als auch Versicherungsnehmer. Der Arbeitnehmer wird üblicherweise mit Aufnahme der Tätigkeit für den Arbeitgeber Mitglied der Pensionskasse in der Rechtsform der VVAG; die Mitgliedschaft endet oder wird – je nach Satzung – in eine außerordentliche Mitgliedschaft umgewandelt, wenn der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Soweit die Satzung des VVaG das Versicherungsverhältnis regelt (§ 10 Abs. 2 VAG), unterliegt sie der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.2 Für die deregulierten Pensionskassen, in denen der Arbeitnehmer nicht Versicherungsnehmer ist, kann auf die Ausführungen zur Direktversicherung verwiesen werden (vgl. Rz. 45 f.). 2. Auslegung und Inhaltskontrolle von Satzung und Versicherungsbedingungen 56 Da die Pensionskasse den Regeln von VVG und VAG folgt, sind diese Vorschriften Maßstab der Kontrolle des Versicherungsvertrags nach § 307 BGB. Bei regulierten Pensionskassen ist der Arbeitnehmer selbst Versicherungsnehmer, so dass es anders als bei der Direktversicherung und der deregulierten Pensionskasse keiner (nur) mittelbaren Beachtung seiner Interessen über ein gleichlaufendes Interesse des Arbeitgebers bedarf (siehe Rz. 48), sondern seine Interessen unmittelbar berücksichtigt werden. 57 Es ist nicht unangemessen, dass ein Teil der einem Arbeitnehmer zufließenden Leistungen von Überschüssen der Pensionskasse abhängt.3 1 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414. 2 BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414. 3 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414.

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Pensionsfonds

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Rechtlich unbedenklich ist auch, wenn Betriebsrentner kein Stimmrecht haben, weil die Mitgliedschaft in der regulierten Pensionskasse und damit die Möglichkeit, in der Mitgliederversammlung mitzustimmen, satzungsgemäß mit dem Versorgungsfall endet (§ 20 Satz 3 VAG). Für die Pensionskasse gilt nämlich das Gebot der Gleichbehandlung (§ 21 VAG), das sicherstellt, dass keine Benachteiligung der ausgeschiedenen gegenüber noch aktiven Mitgliedern erfolgt.1 V. Durchführungsweg Pensionsfonds Der Pensionsfonds (§§ 112 ff. VAG) ist eine rechtsfähige Versorgungsein- 58 richtung in Gestalt einer Aktiengesellschaft oder eines Pensionsfondsvereins auf Gegenseitigkeit (PVaG), die über ihre Deckungspläne dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Leistungen gewährt. Der Vertrag zum Pensionsfonds als AG kommt mit dem Arbeitgeber zu 59 Stande und ist als Vertrag zu Gunsten Dritter (des Arbeitnehmers) zu qualifizieren.2 Etwas anderes gilt für den PVaG, in dem wie bei der regulierten Pensionskasse regelmäßig der Arbeitnehmer Mitglied und Vertragspartner ist. 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionsfonds, Eröffnung AGB-Kontrolle a) Versorgungsverhältnis Wie in den anderen Durchführungswegen besteht bei der Zusage einer 60 Versorgung über einen Pensionsfonds zunächst das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Versorgungszusage in diesem Verhältnis ist unter den dargestellten Voraussetzungen als AGB zu qualifizieren. Es liegt nahe, dass der Arbeitgeber auf die bei der Pensionskasse geltenden Pensionspläne und die darin geregelten Allgemeinen Bestimmungen3 verweist, um einen Gleichlauf von Versorgungs- und Deckungsverhältnis zu gewährleisten. b) Deckungsverhältnis Im Deckungsverhältnis ist der Pensionsfonds Vertragspartner des Arbeitgebers, soweit es sich nicht um einen PVaG handelt. Für die AGB-Kon1 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414. 2 Höfer, BetrAVG, ART Rz. 1529. 3 Prölss/Weigel, VAG, § 112 Rz. 57.

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Betriebliche Altersversorgung

trolle gelten dann die Ausführungen zur Direktversicherung entsprechend (Rz. 44). Im PVaG kann der Arbeitnehmer regelmäßig Mitglied und damit auch Versicherungsnehmer werden. Dafür ist auf die Ausführungen zur regulierten Pensionskasse in Form des VVaG zu verweisen (Rz. 54). c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds 62 Der Arbeitnehmer ist bezugsberechtigt, ihm steht also das Recht zu, Leistungen im eigenen Namen zu fordern (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VAG).1 Die Versorgungsvereinbarung des Arbeitgebers mit dem Pensionsfonds im Deckungsverhältnis, auf Grund derer sich das Forderungsrecht des Arbeitnehmers bestimmt, ist grundsätzlich maßgeblich dafür, ob es sich um AGB handelt; insoweit ist auf die Ausführungen zur Direktversicherung zu verweisen (vgl. Rz. 45 f.). Im PVaG gelten die Ausführungen zur regulierten Pensionskasse entsprechend (vgl. Rz. 55). 2. Auslegung und Inhaltskontrolle des Pensionsplans 63 Anders als Pensionskasse und Direktversicherung unterliegt der Pensionsfonds nicht unmittelbar dem VVG, da es sich nicht um ein Versicherungsunternehmen handelt. Es gelten allerdings die Regeln des VAG zum Pensionsfonds, die einen Maßstab der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB darstellen. 64 Eine Beschränkung der Leistungen des Pensionsfonds auf Arbeitnehmer, die die vereinbarte Altersgrenze als aktive Arbeitnehmer erleben, ist nach verbreiteter Auffassung inhaltlich unangemessen und daher unzulässig.2 VI. Durchführungsweg Unterstützungskasse 65 Im Gegensatz zur Pensionskasse und zum Pensionsfonds gewährt die Unterstützungskasse, die in diversen Rechtsformen betrieben werden kann, qua definitionem keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistung. Dieser gesetzliche Grundsatz ist durch die Rechtsprechung dazu allerdings

1 Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG, Anh § 1 Rz. 904. 2 Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG, § 1 Rz. 242; Höfer, BetrAVG, ART Rz. 1559.

592 Clemenz

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Unterstützungskasse

weitgehend obsolet; der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist danach nur als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht zu verstehen.1 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Unterstützungskassen Bei der Unterstützungskasse besteht zunächst das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Versorgungszusage. Wie schon zu den anderen mittelbaren Durchführungswegen ausgeführt, gilt auch bei der Unterstützungskasse, dass die Regelungen in diesem Verhältnis den Versorgungsanspruch des Arbeitnehmers definieren.

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Hinzu tritt das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Unterstützungskasse (Deckungsverhältnis). Innerhalb dieses Verhältnisses hat der Arbeitgeber die Finanzierung der Unterstützungskasse sicherzustellen; es bestehen Ansprüche der Unterstützungskasse auf Vorschuss und Aufwendungsersatz (§§ 669, 670 BGB).2

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Der Arbeitnehmer selbst steht in einem Begünstigungsverhältnis zur Unterstützungskasse, für das der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage auch bei Ausfall der Unterstützungskasse einzustehen hat.3 Ein eigenes Forderungsrecht der Arbeitnehmer gegen die Unterstützungskasse wird aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer so lange abgeleitet, wie das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Unterstützungskasse intakt ist.4

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2. Eröffnung der AGB-Kontrolle im Begünstigungsverhältnis Ob die AGB-Kontrolle im Verhältnis zum Arbeitnehmer für die Satzungs- 69 bestimmungen oder den Leistungsplan einer Unterstützungskasse eröffnet sind, bestimmt sich insbesondere danach, ob diese auf eine Betriebsvereinbarung beim Arbeitgeber verweisen (dann § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) oder ohne solche Vorgaben Regelungen treffen. Keine Einschränkung der Inhaltskontrolle bedeutet es, wenn es sich nur um ein „kollektives Regelungswerk von Kassenmitgliedern“ handelt.5 Wenn der Leistungs1 BAG v. 17.5.1973 – 3 AZR 381/72, BAGE 25, 194; BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 3/02, BAGE 104, 205. 2 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701. 3 BAG v. 25.7.1969 – 3 AZR 73/69, DB 1970, 640; BAG v. 3.2.1987 – 3 AZR 208/85, BAGE 54, 176. 4 BAG v. 14.8.1980 – 3 AZR 437/79, AP Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen. 5 Anders: LAG Saarland v. 29.7.2009 – 1 Sa 29/09, n.v.

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Betriebliche Altersversorgung

plan der Unterstützungskasse die Versorgungsleistungen inhaltlich bestimmt und vom Arbeitgeber durch Verweis vorgegeben wird, unterliegt er ohne weiteres der Inhaltskontrolle. 3. Auslegung und Inhaltskontrolle von Regelungen der Unterstützungskasse 70 Arbeitnehmer, denen eine Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt wird, müssen aufgrund des dort typischen Ausschlusses eines Rechtsanspruchs stets mit einer Abänderung der Versorgungsordnung rechnen. Ein solcher dynamischer Verweis ist weder überraschend, noch inhaltlich unangemessen oder intransparent.1 Der Verweis eröffnet dabei keine eigenständige Legitimation, Änderungen vorzunehmen. 71 Aufgrund der Nähe der Unterstützungskassen zum Arbeitgeber gelten die Ausführungen zur Direktzusage entsprechend (vgl. Rz. 40). VII. Vereinbarung von Entgeltumwandlung 72 Der Entgeltumwandlung kommt eine Sonderstellung im Recht der betrieblichen Altersversorgung zu. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG), so dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung, eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren, nicht mehr frei ist. Der Anspruch ist durch Abschluss einer Vereinbarung über die Durchführung der Entgeltumwandlung zu erfüllen. Diese Vereinbarung ist eine Versorgungszusage, die den Arbeitgeber genau wie bei Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung ohne Entgeltumwandlung bindet. Die Versorgungszusage unterliegt keinen Besonderheiten, soweit es ihre Qualifizierung als AGB i.S.d. § 305 BGB betrifft. Auch für das Zusammenspiel der Versorgungszusage mit mittelbaren Durchführungswegen kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rz. 41 ff.). 73 Für die Entgeltumwandlung gelten verschiedene gesetzliche Besonderheiten, die maßgeblich dadurch begründet sind, dass eigenes Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers in eine Altersversorgung umgewandelt wird. So ist eine Anwartschaft aus Entgeltumwandlung sofort unverfallbar (§ 1b Abs. 5 BetrAVG); es gilt außerdem eine besondere Ermittlung der Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden (§ 2 Abs. 5a BetrAVG), eine erhöhte Portabilität (§ 4 Abs. 3 BetrAVG) sowie eine Verpflichtung zu 1 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691.

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Öffentlicher Dienst

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einer Mindestanpassung der Betriebsrente zum Kaufkrafterhalt (§ 16 Abs. 5 BetrAVG). Aus diesen Besonderheiten leitet das BAG ein gesetzliches Leitbild ab, wonach der Versorgungsberechtigte auch in Störfällen wie der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Versorgungsleistung von ausreichendem wirtschaftlichem Wert erhalten muss.1 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligen wesentliche Abweichungen von diesem gesetzlichen Leitbild den Versorgungsberechtigten unangemessen. Eine wesentliche Abweichung zum gesetzlichen Leitbild der Ent- 74 geltumwandlung kann bei der Zusage von Direktversicherungen mit gezillmerten Tarifen bestehen.2 Bei einer Zillmerung werden die bei Vertragsabschluss anfallenden Abschluss und Vertriebskosten mit den Sparanteilen der Versicherungsprämien verrechnet. Bei einem (voll) gezillmerten Tarif führt dies bei frühzeitiger Beitragsfreistellung, etwa wegen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, zu Nullleistungen oder sehr geringen Leistungen der Versicherung. Das BAG hält zwar eine Kostentragung durch den Arbeitnehmer für grundsätzlich zutreffend. Es befürwortet jedoch einen Zeitraum zur Verrechnung der Kosten von jedenfalls fünf Jahren, um den vorbezeichneten Effekt zu vermeiden.3 Die Zeitspanne orientiert sich in sachlich zutreffender Weise an § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG. Auch andere Regelungen im Zusammenhang der Entgeltumwandlung werden sich am oben dargestellten gesetzlichen Leitbild messen lassen müssen. VIII. Versorgung im Öffentlichen Dienst Die Versorgung im öffentlichen Dienst wird wesentlich über Pensionskassen, sog. Zusatzversorgungskassen sichergestellt. Deren Leistungsbestimmungen sind als AGB zu qualifizieren, wie für das Statut der Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassen (EZVKS)4 und die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS)5 bereits entschieden wurde.

1 BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164; Deist/Lange, BetrAV 2008, 26, 31 f. 2 BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164. 3 BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164. 4 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847; BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 214/06, NZA-RR 2008, 438. 5 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847.

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Betriebliche Altersversorgung

76 Grundsätzlich unterliegen EZVKS, VBLS und vergleichbare Regeln der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Dies gilt nur insoweit nicht, als tarifvertragliche Regelung unverändert übernommen oder umgesetzt sind.1 Auch in diesem Fall sind aber im Rahmen eines abgeschwächten Kontrollmaßstabs die objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die Grundrechte zu berücksichtigen.2 77 Von der Rechtsprechung sind mehrfach Satzungsänderungen der VBLS bewertet und für angemessen befunden worden. Die Umstellung der Dynamik von einer Anpassung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts nach der Entwicklung beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge zu einer jährlichen Anpassung der Renten um 1 % ist nach Auffassung des BAG nicht unangemessen.3 Auch die Einführung einer nettoentgeltbezogenen Gesamtversorgungsobergrenze ist angemessen.4 IX. Versorgung im Konditionenkartell 78 Die Versorgung im Konditionenkartell betrifft den sog. Bochumer Verband, Essener Verband und Mühlheimer Verband. Diese Verbände erbringen die Versorgung nicht selbst, koordinieren aber die Bedingungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie legen insbesondere die Leistungsordnung fest, nach der die Versorgung in den Mitgliedsunternehmen erfolgt. In der Rechtsprechung spielte die Versorgung nach den Leistungsordnungen dieser Verbände eine größere Rolle. 79 Schon immer hat das BAG auf die Bestimmungen der Leistungsordnung sowie auf Beschlüsse des Bochumer Verbandes, etwa zur Anpassung von Betriebsrenten, die Unklarheitenregel angewendet. Danach müssen etwa Einschränkungen und Modifizierungen einer Anpassungsentscheidung im Beschluss selbst oder in den vollzogenen Regelungen, d.h. Leistungsordnung oder Satzung, enthalten sein. Eine Kürzung des Anpassungssatzes bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden; es ist auch anzugeben, auf welche Art und Weise gekürzt werden soll, anderenfalls kann keine Kürzung vorgenom-

1 BGH v. 28.3.2007 – IV ZR 145/06, BetrAV 2007, 578; BGH v. 14.9.2005 – IV ZR 198/04, MDR 2006, 445. 2 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847. 3 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847. 4 BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 214/06, NZA-RR 2008, 438.

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Konditionenkartell

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men werden.1 Bei geteilten Anpassungsentscheidungen für Mitgliedsunternehmen, die unterschiedlichen Branchen angehören, muss erkennbar sein, welcher Gruppe die jeweiligen Unternehmen zuzuordnen sind; anderenfalls gilt für die Mitarbeiter im Zweifel der höhere Anpassungssatz.2

1 BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 83/06, BAGE 123, 91; BAG v. 21.8.2007 – 3 AZR 330/06, DB 2007, 2720. 2 BAG v. 19.2.2001 – 3 AZR 299/01, NZA-RR 2004, 368.

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Stichwortverzeichnis Fette Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren Zahlen auf die Randziffern. Abfindung – Aufhebungsvertrag 307 129 Abführungsklausel – bei Nebentätigkeit 307 205 Abrufarbeit – BAG Vor 307 5 Abrufklausel – Inhaltskontrolle 307 99 ff. Abschlusstransparenz – Zivilrecht/Arbeitsrecht Einf. 56 Abschlussvertreterhaftung – allgemein 309 131 ff. – Anwendungsbereich/§ 309 Nr. 11 BGB 309 132 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 137 – Doppelcharakter der Urkunde 309 134 – eigener Name 309 135 – Gesamtschuldner 309 135 – gesonderte Erklärung 309 134 – Handeln eines Vertreters 309 135 – Verbot der formularmäßigen Mithaftung 309 133 – Vertreter ohne Vertretungsmacht 309 136 Absenkungsklausel – BAG 307 179 Abtretung – Vertragspartnerwechsel 309 122 Abtretungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. – Wirksamkeit 307 39 Abwerben Einf. 5 Abwicklung von Verträgen – allgemein 308 111 ff. – Angemessenheitskontrolle 308 112 – Anwendungsbereich 308 114 f. – Arten von Abwicklungsansprüchen 308 116 f. – Aufwendungsersatz des Arbeitgebers 308 117 – Inhaltskontrolle 307 127 ff. – Vergütungsansprüche 308 116

AGB siehe auch Formulararbeitsverträge – allgemeine Rechtsgedanken Einf. 17 – Auslegungsmaßstab 305 5 – beidseitiges Stellen 305 34 – Bereichsausnahme Einf. 19 – Einbeziehung 305 3 – Einbeziehungsvoraussetzungen 305 57 f. – Funktionen Einf. 7 ff. – geltungserhaltende Reduktion Einf. 21 – Haupt-/Nebenleistungspflichten 305 7 – Inhaltskontrolle siehe Inhaltskontrolle AGB – Legaldefinition 305 3 – Qualifikation als Norm Einf. 28 ff. – race to the bottom Einf. 39 – Rahmenvereinbarung 305 59 – salvatorische Klauseln 306 77 ff. – unwirksame 306 18 – Vermeidung von Reputationsgedanken Einf. 55 – Vertragsbedingungen 305 6 ff. – Vertragstheorie Einf. 29 – Zwecksetzung 305 7 AGB-Gesetz Einf. 15 – vor Inkrafttreten Einf. 16 AGB-Kontrolle siehe Inhaltskontrolle AGB; siehe Transparenzkontrolle AGB-Recht – Durchsetzung Einf. 131 ff. Aktienbasierte Vergütung – Aktienoptionen Anh. Vergü 48 f. – Mitarbeiteraktien Anh. Vergü 47 – Phantom Shares Anh. Vergü 51 – restricted Stock Anh. Vergü 50 – restricted Stock Units Anh. Vergü 50 – Stock Appreciation Rights Anh. Vergü 51

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Stichwortverzeichnis – Transparenzgebot Anh. Vergü 47 Aktienoptionen – aktienbasierte Vergütung Anh. Vergü 48 f. – Konzernmutter/Inhaltskontrolle Einf. 109 – Transparenzgebot Anh. Vergü 48 All-Klauseln – Stillschweigen 307 253 Allgemeinverbindlichkeit – Anwendungsausschluss 310 44 Altersabstandsklauseln Anh. BetrAV 32 Altersgrenze – überraschende Klauseln 305c 19 Altersteilzeitvereinbarung – überraschende Klauseln 305c 20 Altfälle – Anpassung an neue(s) Recht/Rechtsprechung Einf. 119 f. – Inhaltskontrolle AGB Einf. 115 ff. Altverträge – ergänzende Vertragsauslegung 306 67 f. Änderungskündigung – Änderungsvorbehaltsklausel 308 28 – Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen 308 27 Änderungsverträge – Formulararbeitsverträge Einf. 104 Änderungsvorbehalt – Abänderung/Abweichung von Leistungsänderung 308 50 f. – Änderung der Arbeitgeberleistung 308 51 – Änderungskündigung 308 28 – Angemessenheitskontrolle 308 30, 62 – Arbeitgeberleistungen 308 35 ff. – Direktionsrecht 308 27 – dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung 308 52 – dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 55 ff. – dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge 308 53

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– einseitige Leistungsänderung 308 52 ff. – Freiwilligkeitsvorbehalt 308 46 ff. – Inhalt des Vorbehalts 308 63 – Leistungsänderungs-/Leistungsabweichungsklauseln 308 34 – pacta sunt servanda 308 47 – Schutzbereich der Vorschrift 308 32 f. – Schutzzweck der Norm 308 42 – Tarifniveau als Untergrenze 308 40 ff. – Transparenzgebot 308 64 – übertarifliche Leistungen 308 43 – Vergütung 308 29 – versprochene Leistungen 308 44 ff. – Widerrufsgrund 308 65 ff. – wirtschaftliche Gründe 308 67 f. – Zumutbarkeit der Änderung 308 66 Änderungsvorbehaltsklausel siehe auch Widerrufsvorbehalt – AGB-Kontrolle von Amts wegen 308 90 – Änderungskündigung 308 28 – Änderungszusammenhang 308 70 – Angemessenheitskontrolle 308 62 ff., 89 – Ankündigungsfrist 308 74, 86 – Anpassung der Klausel 308 96 – Arbeitnehmerinteresse 308 85 – Ausübungskontrolle 308 79 ff., 89 – BAG 306 65 – Befugnis zu einseitiger Änderung 308 52 ff. – Begrenzung der Änderungsbefugnis 308 72 – Beweislast 308 90 ff. – Direktionsrecht 308 27 – Entkräftung der Unwirksamkeitsvermutung 308 91 – erfasste Klauseln 308 34 ff. – Erforderlichkeit 308 75 – flexible Gestaltung 308 24 ff. – Folgen der Unwirksamkeit 308 92 ff. – Gestaltungskontrolle 308 30 – Interessenabwägung 308 82 ff.

Stichwortverzeichnis – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 21 ff. – Kontrollgegenstand 308 81 – Leistung des Arbeitnehmers 308 69 f. – ohne unmittelbare Gegenleistung 308 78 – Sinn/Zweck 308 29 ff. – Sondervergütungen 308 87 ff. – synallagmatische Leistung 308 77 – typische Betrachtungsweise 308 76 – Unwirksamkeitsfolgen 308 92 ff. – Unwirksamkeitsvermutung 308 90 – Verhalten des Arbeitnehmers 308 69 f. – Vertragsinhaltsschutz 308 31 ff. – Vertrauensschutz des Arbeitgebers 308 95 – Vorrang der Arbeitgeberinteressen 308 83 – Wegfall des Leistungszwecks 308 71 – Widerrufsklausel 308 87 ff. siehe auch dort – Widerrufsvorbehalt 308 87 ff. siehe auch dort – wirtschaftliche Gründe 308 84 – zeitlicher Umfang der Änderung 308 73 – Zumutbarkeit der Änderung 308 80 Angemessenheit – Inhaltskontrolle AGB Einf. 14 – Leitgedanken im Arbeitsrecht Einf. 69 Angemessenheitskontrolle – Änderungsvorbehaltsklausel 308 30 – arbeitsrechtlicher Schwerpunkt Vor 307 4 ff. – Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche 308 60 – gesetzliche Schutznorm Einf. 82 f. – Hauptleistung 307 28 – Kurzzeitkonten 308 11 – Langzeitkonten 308 12 – Regelwerke 307 161 ff. – Spannungsverhältnis §§ 309/306 BGB Vor 307 8

– tarifvertragliche Wertungen Einf. 100 – Transparenzgebot 307 77 ff. – Verhältnis zu anderen Kontrollmechanismen Vor 307 1 ff. – Wertevorstellung Vor 307 6 Annahmefrist 308 5 ff. Anrechnungsklausel – Inhaltskontrolle 307 96 – Transparenzgebot 307 89 Anrechnungsvorbehalte – überraschende Klauseln 305c 39 Anscheins-/Duldungsvollmacht – Arbeitsvertragsabreden 305b 8 ff. Anscheinsbeweis – abgestufte Beweislast 310 31 Anschlussarbeitsverhältnis – Kündigung 307 141 Anspruchsverfall – Ausschlussklauseln, globale 309 105 ff. Anspruchsverzicht – Inhaltskontrolle 307 134 Antragsbindungsdauer 308 5 Anwendungsausschluss – § 305 Abs. 2 und 3 BGB 310 63 ff. – Haus-/Firmentarifverträge 310 44 – Tarifverträge/Betriebs-/Dienstvereinbarungen 310 41 ff. Anwendungsbereich AGB siehe auch Verbraucherverträge – § 305b BGB 305b 3 – § 306 BGB 306 11 ff. – allgemein 310 1 ff. – arbeitnehmerähnliche Personen 310 11 – Arbeitsverträge 310 1 – Aushandeln 310 24, 29 – Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht 310 2 – Berücksichtigung der Begleitumstände 310 38 ff. – Darlegungs-/Beweislast der Einflussnahme 310 31 – Einfluss nehmen/Aushandeln 310 30 – einmalige Verwendung 310 27

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Stichwortverzeichnis – Einschränkungen für das Arbeitsrecht 310 10 ff. – Energie-/Wasserversorgungsverträge 310 12 – Entstehung 310 3 ff. – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 47 – Rechtsfolgen bei Verstoß 310 32 – Schutzbedürftigkeit 310 11 – Standardvertragstext 310 27 – Verbraucherschutz 310 39 – vorformulierte Bedingungen 310 28 Anzeigen-/Erklärungsform 309 153 ff. – alle Erklärungsarten 309 155 – Anwendungsbereich 309 154 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 160 ff. – besondere Zugangserfordernisse 309 159 – doppelte Schriftform 309 161 – Empfängerkreis 309 157 – Empfangsvollmacht 309 159 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 163 f. – Schriftform 309 158 – Teilbarkeit 309 164 – Vertragspartnererklärungen 309 156 Anzeigepflichten – formularmäßig vorgegebene 307 202 Äquivalenzprinzip Einf. 72 – unangemessene Benachteiligung 307 64 Äquivalenzverhältnis – Störung 306 5 Arbeitgeber – Flexibilität durch AGB Einf. 72 – Rücktrittsvorbehalt 308 21 ff. – Unternehmer 305 3 Arbeitgeberdarlehen 305c 60 Arbeitgeberinteressen – Nebentätigkeit 307 198 ff. Arbeitgeberkündigung – Rückzahlungsklauseln 307 213 Arbeitgeberleistung – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 187 Arbeitgeberseite – Formulararbeitsverträge Einf. 4

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Arbeitgeberverbände – vorformulierte Regelungen Einf. 4 Arbeitgeberwechsel – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 125 Arbeitnehmer – Verbraucher 310 14 ff. Arbeitnehmerähnliche Personen – Berufsausbildungsverhältnisse Einf. 113 Arbeitnehmerbeweislast – AGB 305 54 ff. Arbeitnehmerhaftung – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 148 – eingeschränkte Vor 307 9 – Schranken der Inhaltskontrolle 307 19 Arbeitnehmermitverschulden – Schadensersatz Vor 307 35 Arbeitnehmerschutz – Inhaltskontrolle 307 10 Arbeitsentgelt – Leistungszeit 308 9 – Stichtagsregelung 307 238 – Stillschweigen 307 254 Arbeitsort – Inhaltskontrolle 307 177 Arbeitsrecht – abgestufte Beweislast 310 31 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 4 ff. – Anwendbarkeit von § 305b BGB 305b 4 – Einbeziehungskontrolle Einf. 62 ff. – Einbeziehungsvoraussetzungen 306 16 f. – Inhaltskontrolle AGB Einf. 44 ff. – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 65 ff. – Reichweite des zwingenden Rechts Vor 307 4 – Schadensersatz Vor 307 35 – Verbandsklageverfahren Vor 307 3 Arbeitsverhältnis – Annahmefrist 308 5 ff. – Kräfteverhältnis 307 11

Stichwortverzeichnis – Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen 309 119 Arbeitsverträge – Anwendungsbereich AGB 310 1 – Arbeitnehmer als Verbraucher 310 14 ff. – Begriff 310 50 – Bezugnahme auf Betriebsvereinbarung 307 169 ff. – doppelte Schriftform 309 161 – Flexibilität 307 11 – Individualabrede 305 46 ff. – Kontrolle Einf. 103 ff. – Rahmenvereinbarung 305 59 – richtlinienkonforme Auslegung 307 9 – verminderte Kontrolldichte Vor 307 33 Arbeitsvertragsabschlussstatut – Inhalts-/Einbeziehungskontrolle Einf. 123 ff. Arbeitsvertragsaufhebung – Angemessenheitskontrolle 307 33 Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche – Angemessenheitskontrolle 308 60 – Anwendungsbereich AGB 310 47 – Bedeutung 308 55 – Bezugnahme 308 55 ff. – dynamische Bezugnahmeklausel 310 60 – gesetzlicher Sonderfall 308 57 – gute Sitten 310 62 – Inhaltskontrolle/nach Schuldrechtsreform 308 59 – Inhaltskontrollmaßstab 308 59 ff. – Jeweiligkeitsklauseln 310 60 – Kontrolle der Bezugnahme 308 56 ff. – Letztentscheidungsrecht 308 57 f.; 310 60 – pacta sunt servanda 310 60 – Überprüfung an höherrangigem Recht 310 62 Arbeitszeit – Absenkungsumfang 307 106 Arbeitszeit-Richtlinie – Urlaubsverfall 307 249

Arbeitszeiterhöhung – BAG 307 146 – Flexibilität Einf. 77 Arbeitszeitgrenzen 307 101 Arbeitszeitklausel – Inhaltskontrolle 307 98 Arbeitszeitkontingent – überraschende Klauseln 305c 21 Arbeitszeitlage – Betriebsrat 307 110 Arbeitszeitmodelle – Leistungsfrist 308 10 ff. Arbeitszeitregelung – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 27 Ärztliches Attest – überraschende Klauseln 305c 22 Auffangtatbestand – Inhaltskontrolle 307 14 Aufhebungsvereinbarung – Transparenzkontrolle 307 139 Aufhebungsvertrag – Ausgleichsquittung 307 130 ff. – ergänzende Regelungen 307 130 – Inhaltskontrolle 307 127 ff.; Einf. 110 Aufrechnungsverbot 309 27 ff. – Anwendungsbereich 309 28 – Aus-/Fortbildungskosten 309 32 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 31 f. – Doppelfunktion 309 28 – entscheidungsreife Forderungen 309 34 – Inkasso 309 32 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 33 – rechtskräftige Forderungen 309 29 – Schadensersatz 309 32 – Teilbarkeit 309 33 – Treu und Glauben 309 30 – unbestrittene Forderungen 309 29 – Unwirksamkeit 309 35 Aus-/Fortbildungskosten – Art der Qualifikation 307 211 – Dauer 307 210 – geldwerter Vorteil 307 209 – Inhaltskontrolle 307 208 f.

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Stichwortverzeichnis – Nichterreichen des Ausbildungsziels 307 214 – Rückzahlung 307 207 ff. – verhaltensbedingte Kündigung 307 213 Ausgleichsinteresse – Vertragsstrafenklausel 307 259 Ausgleichsklausel – BAG 307 135 – Inhaltskontrolle 307 131 ff. Ausgleichsquittung – überraschende Klausel 305c 32 – Zweigliederung 307 132 Aushandeln – Anwendungsbereich AGB 310 24, 29 – Verhandeln 305 51 ff. Auslauffrist – Änderungsvorbehaltsklausel 308 74 Auslegung – Angemessenheitskontrolle Vor 307 25 Auslegungsgrundsätze – AGB 305 5 Auslegungsmöglichkeiten – BGH 306 76 Auslegungszweifel – zu Lasten des Verwenders 310 32 Auslösungsklausel siehe Aus-/Fortbildungskosten; siehe Rückzahlungsklauseln Ausnahmetatbestand § 307 Abs. 3 BGB – Umgehungsverbot 306a 16 Ausnahmevorschrift – § 306 Abs. 3 BGB 306 84 Ausschlussfristen 305c 61 – Anzeigen-/Erklärungsform 309 160 – Arbeitnehmerinteresse 307 118 – Diskrepanz BAG/BGH Einf. 21 – ein-/zweistufig 307 112 – einseitige Einschränkung 307 122 f. – Fristbeginn 307 119 f. – geltungserhaltende Reduktion 307 126 – Inhaltskontrolle 307 112 ff. – Rechtsprechung 307 115 f.

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– Transparenzgebot 307 125 – überraschende Klauseln 305c 23 – unerlaubte Handlung 307 121 – Verjährungsregelungen 307 113 Ausschlussklauseln siehe Ausschlussfristen – Anzeigen-/Erklärungsform 309 162 – Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit 309 7 – zweistufige/Teilbarkeit 306 27 Ausschlussklauseln, globale – Anspruchsverfall aus dem Arbeitsverhältnis 309 107 – BAG 309 105 – BGH/Verjährung nach Gefahrübergang 309 108 – Frist 309 105 – Inhaltskontrolle 309 106 – Teilbarkeit 309 106 – Totalunwirksamkeit 309 106 Ausübungskontrolle – Bestimmungsrecht des Arbeitgebers Vor 307 21 – Inhaltskontrolle Vor 307 15 – Maßstab Vor 307 20 BAG – 2/3-Grenze Vor 307 12 – Abrufarbeit Vor 307 5 – Abrufarbeit/Inhaltskontrolle 307 100 – Absenkung des Entgelts 307 179 – Aktienoptionen/-bezugsrechte Anh. Vergü 51 f. – Änderungsvorbehalt 306 65 – Arbeitszeit/Inhaltskontrolle 307 98 – Aufgabe des Grundsatzes Tarifeinheit bei Tarifpluralität 307 157 – Ausgleichsklausel 307 135 – Aushandeln von Vertragsbedingungen 305 46 – Ausschlussfristen 307 115 f. – Ausübungs-/Inhaltskontrolle Vor 307 15, 22 – befristete Arbeitszeiterhöhung 307 144 – Bestandsklauseln 307 237 – Billigkeitskontrolle Vor 307 18 ff.

Stichwortverzeichnis – blue pencil test 307 268 – eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung Vor 307 9 – Einheitsregelungen Vor 307 32 – einseitige Ausschlussfristen Vor 307 6 – Entwicklung der Inhaltskontrolle Einf. 15 f. – ergänzende Vertragsauslegung für Altverträge 306 68 – Freistellungsklauseln 307 183 – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 234 – Gerechtigkeitsgebot 307 69 – Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung 309 67 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 21 – Inhaltskontrolle auch im Arbeitsrecht 310 16 ff. – Inhaltskontrolle von Amts wegen Einf. 131 ff. – Inhaltskontrolle/Hauptleistungspflicht 307 28 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 56; 310 62 – Klageverzichtsvereinbarung 307 137 ff. – Klauseltypen Einf. 22 – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 1 – Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 309 9 – Konkretisierung der Widerrufsgründe bei Vorbehaltsklausel 308 67 f. – Lebensgefährte/Hinterbliebenenversorgung Anh. BetrAV 12 – Megawiderrufsvorbehalt 308 52 – pacta sunt servanda 307 64 – pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 188 ff. – Probezeitregelung 307 25 – Prognoserisiko Einf. 95 ff. – rechtliche und tatsächliche Besonderheiten im Arbeitsrecht 310 53 ff. – Rückzahlung von Ausbildungskosten Einf. 21 – Rückzahlung von Fortbildungskosten 306 64

– Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 ff. – Sondervergütungen Anh. Vergü 49 – Standardarbeitsverträge Vor 307 28 – Stichtagsklausel 306 65 – Systematik der Prüfungsreihenfolge bei Inhaltskontrolle Einf. 130 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 20 ff. – Teilbarkeit/Nichtteilbarkeit 306 26 ff. – Teilzeit- und Befristungsgesetz Vor 307 5 – Transparenzgebot 307 84 – Transparenzkontrolle/Tarifbindung 310 74 – Überraschungsklauseln in Formulararbeitsverträgen 305c 2 – ungleiche Verhandlungsstärke Vor 307 29 – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 10 – unterschiedliche Kontrollmaßstäbe Vor 307 31 – Urlaubsklauseln 307 242 – Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers 310 17 – Versetzungsklauseln Einf. 78 – vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt 308 49 – Widerrufsvorbehalt Anh. Vergü 6 – Zulässigkeit von Wartezeiten/Verfallklauseln Anh. Vergü 50 – Zweckmäßigkeitsnorm 307 69 Beendigungsklausel – Inhaltskontrolle 307 127 ff. Beendigungsvereinbarungen – überraschende Klauseln 305c 24 Befristungen 305c 62 – Direktionsrecht des Arbeitgebers 307 147 – Erheblichkeitsschwelle 307 145 – Inhaltskontrolle 307 143 ff. – Teilzeit- und Befristungsgesetz 307 144 – überraschende Klauseln 305c 25 Befristungsgrund – Sachgrund 307 145

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Stichwortverzeichnis Begleitumstände – Anwendungsbereich AGB 310 38 – Richtlinie 93/13/EWG 310 38 Bereichsausnahme 305 1; Einf. 3, 132 – Anwendungsbereich AGB 310 2 – Aufgabe 307 6 – für Kollektivverträge 310 41 ff. – vor Schuldrechtsreform 308 31 Berichterstattungspflichtsklausel – private Belange 307 257 Berufsausbildungsverhältnisse – Inhaltskontrolle AGB Einf. 113 Berufsfreiheit – bei Inhaltskontrolle AGB 307 49 – Nebentätigkeit 307 198 – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 11 Beschäftigungsrisiko – unangemessene Benachteiligung 307 52 Besonderheiten, arbeitsrechtliche – angemessen, sachgerecht 310 57 – BAG/Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche 310 62 – Begriff 310 51 ff. – dreistufige Prüfung 310 58 – Dritter Weg 310 59 – dynamische Bezugnahmeklausel 310 60 – Inhaltskontrolle, § 310 BGB 310 49 ff. – Jeweiligkeitsklauseln 310 60 – kirchliche Besonderheiten 310 52, 59 ff. – Letztentscheidungsrecht 310 60 – rechtliche und tatsächliche 310 53 ff. – übliche, tatsächliche 310 56 Bestandsklauseln – Abgrenzungsschwierigkeiten 307 239 – Betriebstreue 307 236, 240 – Gratifikation 307 238 – Inhalt/Inhaltskontrolle 307 236 ff. – Synallagma 307 237 – Teilbarkeit 306 28 – ungekündigtes Arbeitsverhältnis 307 240 f. – Unwirksamkeit 307 240

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– Vergütungsleistungen/Unternehmenserfolg 307 237 Bestimmtheitsgebot – Transparenzgebot 307 85 Bestimmungsbefugnis – Arbeitgeber Vor 307 20 Bestimmungsrecht – Ausübung Vor 307 21 Betriebliche Altersversorgung Anh. BetrAV 1 ff. Betriebliche Mitbestimmung – Inhaltskontrolle Einf. 101 Betriebliche Übung – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 187 – Individualabrede 305 17 f.; 305b 11 ff. – Inhaltskontrolle AGB 305 17 f. – Schriftformklauseln 307 234 Betriebs-/Dienstvereinbarungen – Bereichsausnahme 305 12 – unangemessene Benachteiligung 307 67 Betriebsgeheimnis – Verschwiegenheitsklauseln 307 252 Betriebsrat – Arbeitszeitlage 307 110 – Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers 309 21 – Rechtmäßigkeitskontrolle von Formulararbeitsverträgen Einf. 133 Betriebstreue – Bestandsklauseln 307 236 – Rückzahlungsklauseln 307 213; Anh. Vergü 18 – Sondervergütungen Anh. Vergü 4, 10 – Zusatzurlaub 307 246 Betriebsübergang – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 123 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 Betriebsvereinbarung – Angemessenheitskontrolle 307 169 – dynamische Verweisung 307 171 – Günstigkeitsprinzip 307 171 – Inhaltskontrolle 307 169 ff.

Stichwortverzeichnis – konstitutive Bezugnahme 307 170 – Prüfungsmaßstab Vor 307 14 BetrVG – Normsetzungskompetenz Einf. 29 Beweislast siehe Darlegungs-/Beweislast Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 138 ff. – Änderung der Beweislast 309 140 – Anwendungsbereich 309 139 ff. – Arbeitnehmerhaftung 309 148 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 147 ff. – Empfangsbekenntnis 309 144 f. – Mankoabreden 309 149 f. – mündliche Abreden 309 146 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 152 – Schuldanerkenntnis 309 141 – Tatsachenbestätigung 309 143 – Verantwortungsbereich 309 142 – Verbot des § 309 Nr. 12a BGB 309 142 – Verbot des § 309 Nr. 12b BGB 309 143 Beweislastvereinbarung – Inhaltskontrolle 307 149 Bezugnahmeklauseln – Bereichsausnahme 305 12 – Direktionsrechtserweiterung 307 175 ff. – Direktionsrechtsklauseln 307 174 – dynamische ~ 307 152 – dynamische Verweisung auf externe Regelwerke 307 160 – Einbeziehungs-/Transparenzkontrolle 308 56 – einzelne Bereiche eines Tarifvertrages 307 163 – externes Regelwerk 307 150 – große/kleine Dynamik 307 152 – Inhaltskontrolle 307 150 ff. – Intensität 307 152 – kirchliche Arbeitsbedingungen 307 173 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 55 – kirchliche Besonderheiten 310 60 – Kontrolle 307 153

– Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes 307 161 ff. – örtlich nicht zuständiger Tarifvertrag 307 165 – Partizipation an dynamischer Entwicklung 307 151 – Richtlinien nach § 28 SprAuG 307 172 – Sanierungstarifverträge 307 167 – statische Bezugnahme 307 159 – Teilbarkeit 306 29 ff. – Teilbereichsbezugnahmen 307 164 – Transparenzgebot 307 156 – unwirksames Regelwerk 307 158 – zeitlich ungültiger Tarifvertrag 307 166 – Zweck der Bezugnahme 307 151 BGH – Aushandeln von Vertragsbedingungen 305 46 – Ausschlussfristen 307 116 – bewusst abschließende Regelung 306 61 – Direktversicherung Anh. BetrAV 46 – Fristbeginn bei Ausschlussfrist 307 120 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 21 – Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 19 – transparente Nebenbedingungen Einf. 50 – unangemessene Benachteiligung Vor 307 3 – Unzumutbarkeit bei § 306 Abs. 3 BGB 306 59 – Verjährungsklausel 306 75 – Verstöße gegen zwingendes Recht Vor 307 3 Billigkeitskontrolle 307 28 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 18 ff. Bindungsklauseln – Bonuszusage Anh. Vergü 25 ff. – Sondervergütungen Anh. Vergü 11 ff.

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Stichwortverzeichnis blue pencil test 306 72 – Ausschlussfristen 307 126 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 23 – Vertragsstrafenklausel 307 268 Bonuszahlungen – allgemein Anh. Vergü 19 – besondere Formen Anh. Vergü 33 ff. – Betriebstreue Anh. Vergü 30 – Gegenleistung Anh. Vergü 25 – Kürzungen Anh. Vergü 23 – mit Mischcharakter Anh. Vergü 26 – Rückzahlungsklauseln Anh. Vergü 31 – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 24 – ungekündigtes Arbeitsverhältnis 306 28 – Zielsetzung Anh. Vergü 22 – Zweck Anh. Vergü 20 f. Branche – Inhaltskontrolle Einf. 90 Bundesrahmentarifvertrag – Baugewerbe Einf. 1 Bundesurlaubsgesetz – Leitbild der Inhaltskontrolle 307 244 ff. Bürgschaften – überraschende Klauseln 305c 26 Bürgschafts-Entscheidung – BVerfG Vor 307 28 f.; Einf. 58 BVerfG – Ausschlussfristen 307 120 – Bürgschafts-Entscheidung Vor 307 28 f. – Entwicklung der Inhaltskontrolle Einf. 16 – Inhaltskontrolle Einf. 57 ff. – verfassungsrechtlich gebotene Inhaltskontrolle Einf. 58 f. – Vertragskontrolle Vor 307 33 Carried Interest – besondere Vergütungsbestandteile Anh. Vergü 53 f. Claw Back Klauseln Anh. Vergü 32

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Darlegungs-/Beweislast – abgestufte Beweislast 310 31 – Änderungsvorbehaltsklausel 308 90 ff. – Arbeitnehmer 305 54 ff. – des Aushandelns 305 48 – des Stellens in Arbeitsverträgen 305 34 ff. – Individualabrede 305b 24 – Klauselunwirksamkeit 307 91 – mehrdeutige Klauseln 305c 57 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 62 – Rückkehrrecht 307 141 – überraschende Klauseln 305c 17 – Umgehungsverbot 306a 13 – vorformulierte Bedingungen 310 31 Datenverarbeitung – überraschende Klauseln 305c 27 Dauerschuldverhältnisse – Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen 308 23 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 117 – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 3 Deklaratorische Klauseln 307 17 – Befristungen 307 147 – Dienstwagen 307 174 ff. Dienstwagenübernahmevereinbarung – Inhaltskontrolle 307 142, 174c Direktionserweiterungen – echte/unechte Einf. 76 f. Direktionsrecht – Absenkung des Entgelts 307 179 – Änderungsvorbehalt 308 27 – Arbeitsort 307 177 f. – geringwertige Tätigkeit 307 179 – höherwertige Tätigkeit 307 180 – Konzernversetzungsklausel 307 181 – Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers 309 21 Direktionsrechtserweiterung – echte/konstitutive ~ 307 176 – echte/unechte Vor 307 21 – unechte 307 175 – Unwirksamkeit 307 182

Stichwortverzeichnis Direktversicherung – Bezugsrechtsverhältnis Anh. BetrAV 45 f. – Deckungsverhältnis Anh. BetrAV 44 – Durchführung Anh. BetrAV 41 ff. – Valutaverhältnis Anh. BetrAV 43 Direktzusage – Versorgungszusage Anh. BetrAV 40 Doppelverwertungsverbot Vor 307 15 Doppelzuständigkeit – zivilrechtliche/arbeitsrechtliche Rechtsprechung bei AGB Einf. 21 Dritter Weg 308 57 f. – kirchliche Besonderheiten 310 59 Drittinteressen – Interessenabwägung 307 50 Drittwirkung – Grundrechte 307 49 Durchschnittsschaden – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 61 f. EG-Klausel-Richtlinie 306 6 ff. Einbeziehung – überraschende Klauseln 306 17 Einbeziehungskontrolle 305 4 – Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. – im Arbeitsrecht Einf. 62 ff. – Inhaltskontrolle Einf. 126 ff. Einbeziehungsvoraussetzungen – AGB 305 57 f. – Arbeitsrecht 306 16 f. Eingriffsrecht, einseitiges – Befristungsregelungen 307 147 Einheitsregelungen – BAG Vor 307 32 Einmalverwendung – Anwendungsbereich AGB 310 27 – Inhaltskontrolle 310 32 – Umgehungsverbot 310 37 Einzelverweisungen – abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe 310 76 f. – Inhaltskontrolle 307 163 – tarifliche Regelungen 310 75

Empfängerhorizont – Vertragsinhalt 305 6 Empfangsbekenntnis – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 144 f., 151 Entgeltabsenkung – doppelt negativ 307 179 Entgeltbereich – Transparenzkontrolle Einf. 79 ff. Entgeltflexibilisierung 308 26 Entgeltumwandlung – gesetzliche Besonderheiten Anh. BetrAV 73 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 72 ff. – Zillmerung Anh. BetrAV 74 Enthaltungsklausel 306 78 Entlastungsfunktion – AGB Einf. 7 Entsendungs-/Abordnungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 181 Erfolgsvergütung siehe Tantiemen Erfüllungsgehilfen – Vertragspartnerwechsel 309 122 Erfüllungsübernahme – Vertragspartnerwechsel 309 122 Ergänzende Vertragsauslegung – Altverträge 306 67 f. – fehlende Anhaltspunkte 306 65 – geltungserhaltende Reduktion 306 64 – intransparente Klausel 306 66 – Lücke 306 63 ff. – Maßstab 306 64 – Prognoserisiko Einf. 95 ff. – Schriftform 306 62 – Subsidiarität 306 55 ff. – unangemessene Benachteiligung 307 65 – unzumutbare Härte 306 60 – Voraussetzungen 306 54 ff. Erheblichkeitsschwelle – Befristungen 307 145 Erholungsurlaub – Nebentätigkeit 307 206 Erklärungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 252 ff.

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Stichwortverzeichnis Erlassvertrag – Ausgleichsklausel 307 131 Erlaubnisvorbehalt – absolut/eingeschränkt 307 203 – Transparenzgebot 307 204 Ersetzungsklauseln – salvatorische Klauseln 306 80 essentialia negotii – Vertragswirksamkeit 306 14 EU-Recht – Verbraucherbegriff 310 15 – Verbrauchervertragsrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/EWG EuGH – missbräuchliche Klauseln 306 10 – Schutzsystem der Klausel-Richtlinie Einf. 42 – Trennungsklauseln 307 243 – Unionrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB 306 9 – Urlaubsverfall 307 249 Fahrlässigkeit – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 104 Fehlzeiten – Urlaubskürzungen 307 247 Fiktion des Zugangs – allgemein 308 105 ff. – Anwendungsfälle im Arbeitsrecht 308 107 – Kündigung 308 108 – mittelbar nachteilig 308 109 – nachteilige Folgen 308 108 f. – Tatsachenfiktion 308 106 – Unwirksamkeit 308 110 Fingierte Erklärungen – Abgabefrist für Erklärung 308 102 – allgemein 308 97 – Anforderungen an die Fiktion 308 102 f. – Anwendungsbereich 308 98 – Erklärungsfiktion 308 98 – Fiktion des Zugangs 308 105 ff. – Fortsetzung der Tätigkeit 308 101 – Hinweispflicht 308 104 – konkludente Erklärung des Arbeitnehmers 308 101

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– Schweigen als Willenserklärung 308 99 f. Flexibilisierung – Arbeitszeit 308 24 Flexibilisierungsklauseln – Vergütung 308 25 Flexibilisierungsregelung – Befristungsregelungen 307 147 – Inhaltskontrolle 307 98 Flexibilität – Arbeitgeberseite Einf. 72 ff. – auf Tätigkeitsebene Einf. 74 ff. – tarifliche/außertarifliche Angestellte Einf. 88 Flexibilitätsinteresse – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 192 Form – Anzeigen/Erklärungen 309 153 ff. Formulararbeitsverträge Einf. 1 ff.; siehe auch Inhaltskontrolle AGB – als Verhandlungsbasis Einf. 5 – Altersteilzeitvereinbarung 305c 20 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 13 – Anrechnungsvorbehalte 305c 39 – Arbeit auf Abruf 305c 59 – Arbeitgeberdarlehen 305c 60 – Ausgleichsquittung 305c 32 – Ausschlussfristen 305c 61 – äußeres Erscheinungsbild 305c 12 – Beendigungsvereinbarungen 305c 24 – Befristungen 305c 25, 62 – betriebsorganisatorische Notwendigkeit Einf. 11 – Bezugnahmeklausel 305c 63 – Bürgschaften 305c 26 – Datenverarbeitung 305c 27 – Freiwilligkeitsvorbehalt 305c 64 – Führungskräfte Einf. 2 – Funktionen Einf. 7 ff. – Geschäftsführervertrag 305c 65 – Gleichbehandlung Einf. 11 – Jeweiligkeitsklauseln 305c 28 – Klageverzicht 305c 66 – Kopplungsklauseln 305c 29 – Kündigungsfristen 305c 30 – Lückenausfüllfunktion Einf. 10

Stichwortverzeichnis – – – –

mehrdeutige Klauseln 305c 41 ff. Nebentätigkeit 305c 31 Nettolohnvereinbarung 305c 67 Nichteinbeziehung von Klauseln siehe Nichteinbeziehung – Probearbeitsverhältnis 305c 68 – Regelungsumfang Einf. 3 – Risikoverlagerungsfunktion Einf. 12 – Tarifbezugnahme 305c 33 – überraschende Klauseln 305c 3 ff. – Überstundenabgeltung 305c 34 – Urlaub/Urlaubsgeld 305c 69 – Verheimlichungsfunktion Einf. 13 – Versetzungsklausel 305c 35 – Vertragsstrafe 305c 36, 70 – Vertraulichkeitspflicht 305c 37 – Verzichtserklärung 305c 32 – Wettbewerbsverbote 305c 38, 71 – Widerrufsrecht 305c 72 – Zielvereinbarungen 305c 40, 73 Fortbildungskosten – BAG 306 64 – Teilbarkeit 306 34 Freistellungsklauseln 307 183 ff. – inhaltliche Anforderungen 307 184 – Ruhensvereinbarungen 307 185 Freiwilligkeitsvorbehalt – Abgrenzung 307 192 – Abwägung 307 191 – Änderungsvorbehalt 308 46 ff. – BAG 307 64, 188 ff., 234; Einf. 80, 84 ff. – Begrenzung durch Transparenzgebot 307 193 – betriebliche Übung 307 187 – Inhaltskontrolle 307 186 ff. – intransparenter ~ 307 195 – Kombination mit Widerrufsvorbehalt 307 194 – konkreter ~ 307 187 – laufende Arbeitgeberzahlungen 307 189 – pauschaler ~ 307 188 – Synallagma 307 192 – Teilbarkeit 306 32 – Transparenzgebot Anh. Vergü 5 – Umgehungsverbot 306a 17

– Vermeidung von Wertungswidersprüchen 308 48 – vertraglicher ~/BAG 308 49 – Vertragsbedingung 305 8 ff. – Weihnachtsgratifikation 307 189 – wiederkehrende Arbeitgeberleistungen 307 187 Fremdgeschäftsführer 310 19 Führungskräfte – Formulararbeitsverträge Einf. 2 Fürsorgepflicht – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 102 Garantiehaftung – Mankoabreden 309 150 Geltungserhaltende Reduktion – ergänzende Vertragsauslegung 306 64 – inhaltliche Veränderung 306 75 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 21, 116 – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 – Problematik 306 73 ff. – salvatorische Klauseln 307 225 f. – Teilbarkeit 306 76 – Unwirksamkeit 307 221 – Verbot 306 69 ff. – Verstoß gegen Verbotsgesetz Vor 307 8 – Vertragsstrafe Vor 307 23 Generalklausel – Abweichen von Rechtsvorschriften 307 16 – Anwendungsbereich 307 16 – Auffangtatbestand 307 14 – Benachteiligung 307 37 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 58 – Interessenabwägung 307 36 – Rechtslagenvergleich 307 38 – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 235 – Unwirksamkeit 307 35 – Vor-/Nachteile 307 11 Gerechtigkeitsgebot – BAG 307 69 Gesamtschuldner – Abschlussvertreterhaftung 309 135

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Stichwortverzeichnis Gesamtunwirksamkeit – nach § 306 BGB 306 83 ff. – Teilunwirksamkeit Vor 307 8 – ultima ratio 306 5 Gesamtzusage – Inhaltskontrolle AGB Einf. 105 Geschäftsanteile – Managementbeteiligungsprogramme Anh. Vergü 53 f. Geschäftsgeheimnis – Freistellungsklauseln 307 184 – Verschwiegenheitsklauseln 307 252 Gesetzesverweisende Klauseln – Transparenzgebot 306 79 – Unwirksamkeit 307 227 Gesetzliche Verbote – Angemessenheitskontrolle Vor 307 1 ff. Getrenntlebensklausel Anh. BetrAV 38 Gewerkschaft – Tarifvertrag Einf. 6 Gewohnheitsrecht – Lückenschließung 306 4 Gleichbehandlung – Inhaltskontrolle AGB Einf. 91 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz – Individualabreden Einf. 11 Globalvertragsstrafe 307 262 Globalverweisung – Inhaltskontrolle 310 69 ff. – keine Angemessenheitskontrolle 307 22 – statische/dynamische Bezugnahme 310 72 f. – Transparenzgebot 310 72 – zeitliche Begrenzung 310 71 Gratifikation – Arbeitsentgelt 307 238 Grundrechte – bei Inhaltskontrolle AGB 307 49 – Werte für Inhaltskontrolle Einf. 81 Grundrechtseingriff – Bestandsklauseln 307 236 Grundsatz der Privatautonomie Einf. 57

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Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 67 Günstigkeitsprinzip – Betriebsvereinbarung 307 171 – internationaler Anwendungsbereich Inhaltskontrolle AGB Einf. 124 Günstigkeitsvergleich – mehrdeutige Klauseln 305c 54 Haftung – des Abschlussvertreters siehe Abschlussvertreterhaftung – verschuldensunabhängige 307 197 Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7 BGB 309 89 ff. – Anschlussklauseln 309 97 f. – Anwendungsbereich 309 90 ff. – Auslegung von Haftungsbegrenzung 309 95 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 99 ff. – Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen 309 96 – Begrenzungsverbot 309 92 – global gefasste Klauseln 309 98 – Haftungsbegrenzung 309 93 ff. – konkludent 309 94 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 109 – Schadensersatzverpflichtungen 309 91 – Sinn und Zweck 309 94 – Verjährung 309 97 Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7a BGB 309 100 f. Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 102 ff. – Fahrlässigkeit 309 104 – grobe Fahrlässigkeit 309 104 – Parallelverträge 309 103 Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8 BGB 309 114 ff. – Anwendungsbereich 309 115 Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8a BGB – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 117

Stichwortverzeichnis Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8b BGB – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 118 – Mängelansprüche 309 116 – Vertragsinhalt 309 116 Haftungsregelungen – Inhaltskontrolle 307 196 f. Handelsrecht – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 Hauptleistung – Abgrenzung Nebenleistung 307 30 ff. – Arbeit auf Abruf 307 104 – Inhaltskontrolle 307 28 ff. – Überprüfung im Rahmen der Inhaltskontrolle 307 29 Haus-/Firmentarifverträge – Anwendungsausschluss 310 44 Hinterbliebenenversorgung – Versorgungszusage Anh. BetrAV 30 ff. Individualabrede 305b 1 ff. – Abweichen von AGB 305b 13 ff. – Aufhebungsvertrag 307 128 f. – aushandeln/verhandeln 305 51 ff. – Befristung im laufenden Arbeitsverhältnis 307 147 – Begriff 305b 5 – Betriebliche Übung 305b 11 ff. – erschleichen/Umgehungsverbot 306a 15 – Inhaltskontrolle AGB 305 44 ff.; Vor 307 31 – Kontrolle Vor 307 27 ff. – qualifizierte Schriftformklausel 307 232 – Treu und Glauben Vor 307 14 – Verdrängung der konkurrierenden AGB 305b 16 ff. – Vorrang der ~ 310 35 – Wirksamkeit 305b 6 ff. Informationsasymmetrie Einf. 33 – Arbeitsrecht Einf. 47 ff. – BVerfG Einf. 59 Inhaltskontrolle AGB 305 4; siehe auch Überraschende Klauseln; sie-

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he auch Unangemessene Benachteiligung Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung Vor 307 25 Abgrenzung zur Rechtskontrolle §§ 134 - 138 BGB 307 10 Abrufklausel 307 99 ff. Abweichen/Ergänzen von Rechtsvorschriften 307 26 f. allgemeiner Arbeitsbedingungen 307 6 ff. Änderungs-/Abweichungsvorbehalte 308 38 anhand Tarifvertrag 307 34 f. Anpassungsleistung des Vertrages Einf. 71 Anspruchsverzicht 307 134 Äquivalenzprinzip Einf. 72 Arbeitsort 307 177 Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis Einf. 70 ff. Arbeitsverträge 305 1, 29 Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. Art des Vertrages 307 48 Auffangvorschrift 307 72 Aufhebungsverträge Einf. 110 Aus-/Fortbildungskosten 307 208 f. ausgehandelte Arbeitsverträge Vor 307 29 Aushandeln 305 46 Aushandelnsbestätigungen/Ausgleichsquittungen 305 15 Auslegungsvorrang 307 13 ff. Ausschluss jeglicher ~ 308 54 Ausübungskontrolle Vor 307 15 ff. Bedeutung des Verfassungsrechts Einf. 57 ff. Bedeutung für das Arbeitsrecht 307 6 ff. Bedeutung gesetzlicher Schutznormen Einf. 82 f. Befristungen 307 143 ff. Bereichsausnahme 305 12 Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten siehe Besonderheiten, arbeitsrechtliche

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Stichwortverzeichnis – Bestimmungsrecht des Arbeitgebers Vor 307 21 – Betriebliche Übung 305 17 f. – betriebliche Verbundenheit der Arbeitnehmer Einf. 92 – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 307 169 ff.; 310 80 ff. – Bezugnahme auf einseitig gestellte Regelungen 305 14 f. – Bezugnahme auf Tarifvertrag 310 45 – Bezugnahmeklauseln 307 150 ff.; 308 56 – Billigkeitskontrolle Vor 307 18 ff. – branchenspezifische Differenzierungen Einf. 90 – Dienstwagenübernahmevereinbarung 307 142 – Differenzierung nach Verkehrskreisen Einf. 87 ff. – Direktionsrechtsklauseln 307 174 – Doppelverwertungsverbot Vor 307 15 – Doppelzuständigkeit Einf. 21 – dreimalige Verwendung 305 28 – Dritter Weg 308 57 f. – Drittinteressen 307 50 – Einbeziehungskontrolle Einf. 126 ff. – Einbeziehungskontrolle/Inhaltskontrolle Einf. 62 ff. – Eingriffsschwelle 307 2 – einmalige Verwendung 310 32 – Einordnung einer Direktionsrechtsklausel 307 175 – einseitige Erklärungen des Verwenders 305 16 – einzelne Klauseln 307 92 ff. – Einzelverweisungen 310 75 ff. – Entwicklungen Einf. 14 ff. – Form/Art/Weise 305 21 – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 186 ff.; 308 46; Einf. 80 – geltungserhaltende Reduktion Einf. 21 – Generalklauseln Einf. 58 – generell-typisierende Betrachtung 307 45 ff.

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Gesamtzusage 305 19 Gleichbehandlung Einf. 91 ff. Globalverweis 307 22; 310 69 ff. Grundlagen Einf. 62 ff. Grundparameter für ~ 307 45 ff. Grundrechtsbezug 307 49; Einf. 81 Grundsatz der Privatautonomie Einf. 25 Haftung 307 196 f. Höhe der Leistungen 308 39 im Arbeitsrecht 310 16; Einf. 20 ff., 44 ff., 62 ff., 103 ff. Individualabrede 305 44 ff. individueller/überindividueller Schutzzweck Einf. 27 Informationsasymmetrie Einf. 33, 38 internationaler Anwendungsbereich Einf. 123 ff. Kernbereich des Arbeitsvertrages Einf. 72 kirchliche Arbeitsbedingungen 307 173 kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 47 Klageverzichtsvereinbarung 307 136 ff. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 1 ff. kollektivrechtliche Wertungen Einf. 98 ff. Kollektivvereinbarungen 305 1, 13; 310 48, 80 ff.; Vor 307 10 Kombination von Freiwilligkeits-/ Widerrufsvorbehalt 307 194 Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 kontrollfreie Vertragspflichten 307 32 f. Konventionalstrafe Vor 307 23 Konzernversetzungsklausel 307 181 Korrektiv für unangemessene Klauseln Einf. 35 Leaver Klauseln Anh. Vergü 54 Leitbild arbeitsvertraglicher Schutzregelungen 307 7 Leitbildfunktion 307 59

Stichwortverzeichnis – Leitgedanken Einf. 69 ff. – Machtungleichgewicht Einf. 32 – Mankoabreden 307 196 f. – Maßstab 307 2 – materielle Anknüpfungspunkte 305 39 ff. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 – Nebenbedingungen Einf. 32 – Nebentätigkeit 307 198 ff. – negative betriebliche Übung Einf. 106 – nicht bei Individualvereinbarung Vor 307 27 ff. – nichtarbeitsrechtliche Verträge Einf. 112 – normausfüllende Klauseln 307 25 – Normentheorie Einf. 28 ff. – Organmitglieder Einf. 114 – pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 188 ff. – Pensionskasse Anh. BetrAV 56 ff. – Prozessökonomie Vor 307 17 – Rationalisierungsfunktion Einf. 91 ff. – Rechtsfolgen 307 2 – Rechtssicherheit/-klarheit Einf. 102 – rechtsverhältnisbezogen Einf. 30 – rechtsverhältnisüberschreitende Konzeption Einf. 37 ff. – Reichweite von Rechtsvorschriften 307 20 – Relativierung der generell-typisierenden Betrachtung 307 46 – Richterrecht 307 19 – Richtlinie 93/13/EWG Einf. 41 ff. – Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz 307 172 – Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden 310 46 – Rückkehrrecht 307 141 – Rückzahlungsklauseln 307 207 ff. – sachlicher/persönlicher Anwendungsbereich Einf. 103 ff. – Sanierungstarifverträge 307 167

– Sanktionierung von Pflichtverletzungen Einf. 94 – Schranken 307 4 – Schriftform 305 42 f. – Schriftformklauseln 307 230 ff. – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 235 – Schuldrechtsmodernisierungsgesetz/Altverträge Einf. 115 ff. – Schutzzweck AGB-Kontrolle Vor 307 26; Einf. 25 ff. – seit Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 ff. – selbständige Sondertatbestände 307 57 ff. – serielle Verwendung 305 26 – situative Unterlegenheit Einf. 33 – Sondertatbestände 307 3 – Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. – Stellen als Fiktion 305 35 ff. – Stichtagsregelung 307 236 ff. – Stillschweigen über Arbeitseinkommen 307 254 – Systematik Einf. 126 ff. – Tarifautonomie 310 42 – Tariflohn 307 34 – Tarifniveau als Untergrenze 308 40 ff. – Textbausteine 305 24 – Transparenzgebot 307 3 – Trennungsklauseln 307 243 – Treu und Glauben 307 2 – typisierbare Situationen Vor 307 16 – Umgang mit Altverträgen Einf. 116 ff. – Umgehungsfälle, einzelne 306a 14 ff. – unangemessene Benachteiligung 307 35 ff. – unerhebliche Umstände 305 39 ff. – Urlaubsklauseln 307 242 ff. – Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Vor 307 19 – verdeckte Inhaltskontrolle Vor 307 25 – Verhältnis zu anderen Kontrollmechanismen Vor 307 1 ff. – Versetzungsklauseln 308 27

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Stichwortverzeichnis – Versorgungszusage Anh. BetrAV 17 ff. – Vertragsgestaltungsmacht 305 30 f.; 307 127 – Vertragsstrafe Vor 307 23 – Vertragsstrafenklausel 307 258 ff. – vertragstheoretischer Ansatz Einf. 29 – Verwenderbeweislast 305 22 – vor Anwendung der ~ 307 8 ff. – vor Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 18 f. – vorformuliert 305 20 ff. – Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht Einf. 41 ff. – Wertungsgrundlagen Einf. 25 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich Einf. 115 ff. – Zeitpunkt 305 37 – Zentralkontrollnorm 307 1 ff. – Zielvorgaben Anh. Vergü 22 – Zivilrecht/Arbeitsrecht Einf. 56 ff. – Zweckbestimmung 307 5 – zwingendes Recht 307 12 Interessenabwägung – Vertragslücke 306 61 Interessenausgleich – unangemessene Benachteiligung 307 41 ff. Internationaler Anwendungsbereich – Inhaltskontrolle AGB Einf. 123 ff. Internet – Formulararbeitsverträge Einf. 4 Intransparenz – Klauselunwirksamkeit 307 80 ff. Invalidität – Versorgungszusage Anh. BetrAV 39 Jahressonderzahlungen – allgemein Anh. Vergü 3 – Freiwilligkeitsvorbehalt Anh. Vergü 5 – Kürzungen Anh. Vergü 7 ff. – Rückzahlungsklauseln Anh. Vergü 15 ff. – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 11 ff. – Widerrufsvorbehalt Anh. Vergü 6 – Zweck Anh. Vergü 4

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Jeweiligkeitsklauseln 308 52 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 – überraschende Klauseln 305c 28 Katalogtatbestände – Generalklausel 307 15 Klageverzichtsklausel – Ausgleichsquittung 307 140 – Inhaltskontrolle 307 136 ff. – isoliert 307 139 – Kompensation 307 138 – Kündigungsschutzgesetz 307 139 – Zeitpunkt 307 139 Klauselkombination 306 82 Klauselkontrolle – Transparenzgebot 307 78 Klauselrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/EWG Klauseltypen – zulässige Einf. 22 Klauselverbote – BAG Einf. 17 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit siehe auch Änderungsvorbehaltsklausel; siehe auch Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche; siehe auch Fiktion des Zugangs; siehe auch fingierte Erklärungen – Bedeutung für das Arbeitsrecht 308 2 f. – Einführung 308 1 – einzelne ~ 308 4 ff. – fingierte Erklärungen 308 97 ff. – Nichtverfügbarkeit der Leistung 308 118 – Rücktrittsvorbehalt 308 15 ff. – Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. – unbestimmter Rechtsbegriff 308 1 – Vertragsabwicklung 308 111 ff. – Zugangsfiktion 308 105 ff. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit siehe auch Abschlussvertreterhaftung; siehe auch Anzeigen-/Erklärungsform; siehe auch Aufrechnungsverbot; siehe auch Ausschlussklauseln, globale; siehe auch Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB;

Stichwortverzeichnis siehe auch Haftungsausschluss; siehe auch kurzfristige Preiserhöhungen; siehe auch Leistungsverweigerungsrechte; siehe auch Mahnung, Fristsetzung; siehe auch Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen; siehe auch Vertragspartnerwechsel; siehe auch Vertragsstrafe – Auffangfunktion 307 15; 309 3 – Auslegung vor Inhaltskontrolle 309 5 ff. – Ausschlussklauseln 309 7 – BAG 309 9 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 4 – Besonderheiten im Arbeitsrecht 309 8 f. – BGH 309 7 – Einführung 309 1 ff. – einzelne Verbote 309 10 ff. – Prüfgegenstand 309 5 – richterliche Bewertung 309 2 – Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. – Teilbarkeit 309 7 – unbestimmter Rechtsbegriff 309 9 – Unklarheitenregelung 309 6 – Ziel der AGB-Kontrolle 309 7 Klauselverwender – Schadensersatz Vor 307 34 ff. Kollektivnormen – Inhaltskontrolle 307 21 Kollektivvereinbarungen – Gleichstellung mit Rechtsvorschriften 310 67 ff. – Rechtskontrolle 310 48 – Verhandlung Gleichstarker 310 42 Kollektivverträge – Angemessenheitskontrolle Vor 307 10 Kombination – von Klauseln bei § 306 BGB 306 82 Konditionenkartell – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 79 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 78 f. Kontrolle – Individualabrede Vor 307 27 ff.

Kontrollfreiheit – Hauptleistung 307 30 Konventionalstrafe – AGB Vor 307 23 Konzernversetzungsklausel – Inhaltskontrolle 307 181 Kopplungsklauseln – überraschende Klauseln 305c 29 Kündigungsfristen – überraschende Klauseln 305c 30 Kündigungsschutz – Inhaltskontrolle Einf. 70 Kündigungsschutzgesetz – Rückzahlungsklauseln 307 213 Kündigungsschutzklage – Klageverzicht 307 136 ff. – Rückkehrrecht 307 141 Kurzarbeitsklausel – Inhaltskontrolle 307 105 f. Kurzfristige Preiserhöhungen 309 10 ff. – Anwendungsbereich 309 11 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 12 f. – Dauerschuldverhältnisse 309 11 – Kundenschutz 309 11 – kurzfristig abzuwickelnde Verträge 309 11 – pacta sunt servanda 309 14 – Parallelverträge 309 13 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 14 Kurzzeitkonten 308 11 Langzeitkonten 308 12 Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen – Anwendungsbereich 309 119 Leaver Klauseln Anh. Vergü 54 Lebensgefährte – BAG Anh. BetrAV 12 Legaldefinition – AGB 305 3 Leistungsänderungs-/Leistungsabweichungsklauseln – Änderungsvorbehalt 308 34 Leistungsfrist 308 4 ff.

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Stichwortverzeichnis Leistungsverweigerungsrechte 309 15 ff. – Abwicklung des Arbeitsverhältnisses 309 20 – Anwendungsbereich 309 15 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 17 ff. – Betriebsrat 309 21 – Direktionsrecht 309 21 – ergänzende Vertragsauslegung 309 22 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 22 – selbiges Vertragsverhältnis 309 16 – Vorleistungspflicht 309 17 – während Kündigungsfrist 309 20 – Zurückbehaltungsrecht an Arbeitsleistung 309 18 f. Leistungszeit – Arbeitszeitmodelle 308 10 Leitbild – Tarifverträge 307 66 – vertraglich vorgegebene ~er 307 72 – Zweckmäßigkeitsnorm/Gerechtigkeitsgebot 307 69 Letztentscheidungsrecht 308 57 f. – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 Lohnabtretungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. Lohnwucher – BAG Vor 307 12 Lösungsrecht – Arbeitgeberanforderungen 308 18 ff. – Interessenabwägung 308 20 – Rücktrittsvorbehalt 308 15 Mahnung, Fristsetzung 309 40 ff. – Anwendungsbereich 309 41 f. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 43 f. – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 45 f. – verdeckte Freistellung 309 42 – Warnfunktion 309 41 Managementbeteiligungsprogramme – Carried Interest Anh. Vergü 53 – Leaver-Klauseln Anh. Vergü 54

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Mängelansprüche – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8b BGB 309 116 Mankoabreden – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 149 f. – Inhaltskontrolle 307 196 f. – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 68 – vorformuliert Vor 307 11 Mankogeld 307 197 Mehrdeutige Klauseln – Anwendungsbereich 305c 42 – Auslegungsmaßstab 305c 41 ff. – Darlegungs-/Beweislast 305c 57 – einzelne Beispiele 305c 58 ff. – ergänzende Vertragsauslegung 305c 48 – Fachausdrücke 305c 47 – Grundsatz objektiver Auslegung 305c 44 ff. – Günstigkeitsvergleich 305c 54 – inhaltlich widersprüchlich 305c 51 – nicht behebbare Zweifel 305c 50 – Rechtsfolgen 305c 52 ff. – restriktive Vertragsauslegung 305c 49 – Verhältnis Bezugnahmeklauseln 305c 55 – Voraussetzungen 305c 43 – Wortlaut 305c 45 Mehrfachverwendung – Inhaltskontrolle AGB 305 22 f. – ungewöhnliche/überraschende Klauseln 310 36 Meinungsäußerungsfreiheit – Whistleblowing 307 255 Mindestaltersklausel Anh. BetrAV 35 Mindestehedauerklausel Anh. BetrAV 34 Mindesttantieme Anh. Vergü 38 Missbräuchliche Klauseln – keine Abänderungsbefugnis 306 10 Mitarbeiteraktien – aktienbasierte Vergütung Anh. Vergü 47 Musterverträge – Inhaltskontrolle AGB 305 23 ff.

Stichwortverzeichnis Nachfrist 308 13 f. – Anwendungsbereich 308 14 – Bedeutung 308 13 Nationales Recht – Richtlinie 93/13/EWG Einf. 41 Nebenleistung – Abgrenzung/Hauptleistung 307 30 ff. – Auswirkung auf Hauptleistung 307 29 Nebentätigkeit – Abführungsklausel 307 205 – absolutes Verbot 307 200 – Anzeigepflichten 307 202 – Definition 307 198 – Erlaubnisvorbehalt 307 203 – Inhaltskontrolle 307 198 ff. – relatives Verbot 307 201 – überraschende Klauseln 305c 31 – Urlaub 307 206 Nebentätigkeitsverbotsklausel – Grundrechtsschutz 307 49 Nichtarbeitsrechtliche Verträge – Inhaltskontrolle AGB Einf. 112 Nichteinbeziehung – Überblick 306 1 ff. – überraschende Klauseln 306 17 Nichtigkeit – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – Rechtsfolgen 307 10 Nichtverfügbarkeit von Leistungen 308 118 Normentheorie – Inhaltskontrolle AGB Einf. 28 ff. Normwiederholende Klauseln 307 18 ff. Öffentlicher Dienst Einf. 1 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 75 ff. pacta sunt servanda – BAG Einf. 80 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 – kurzfristige Preiserhöhungen 309 14

– pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 188 ff. – unangemessene Benachteiligung 307 64 Parallelverträge – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 103 – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8a BGB 309 118 – Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen 309 119 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 69 – Vertragsstrafe 309 83 Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 51 ff. – 10%ige Abweichung 309 64 – Abgrenzung zur Vertragsstrafe 309 57 – Anwendungsbereich 309 52 ff. – Auslegung 309 53, 59 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 65 ff. – berechtigtes Bedürfnis 309 52 – Darlegungs-/Beweislast 309 62 – ergänzende Vertragsauslegung 309 70 – Ersatz einer Wertminderung 309 60 – Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung 309 67 – Höhe der Pauschale 309 61 f. – Interessenabwägung 309 59 – Mankoabreden 309 68 – Parallelverträge 309 69 – Pauschale 309 56 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 70 – Schadensersatz jeglicher Art 309 54 ff. – sonstige Pflichtverletzung 309 67 – vertraglich geschuldete Arbeitsleistung 309 66 – vorweggenommene Schadensschätzung 309 59 – Zulassung des Gegenbeweises 309 63 f. – Zweck der Klausel 309 58

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Stichwortverzeichnis Pensionsfonds – Auslegung/Inhaltskontrolle des Pensionsplans Anh. BetrAV 63 f. – Deckungsverhältnis Anh. BetrAV 61 – Durchführung Anh. BetrAV 58 ff. – Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds Anh. BetrAV 62 – Versorgungsverhältnis Anh. BetrAV 60 Pensionskasse – Auslegung/Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 56 ff. – Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse Anh. BetrAV 53 f. – Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse Anh. BetrAV 55 – Versorgungsverhältnis Anh. BetrAV 52 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 51 ff. Personenschäden – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7a BGB 309 100 f. Persönlichkeitsrecht – Eingriff durch Nebentätigkeitsanzeigepflicht 307 202 Pfändungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. Pflichtverletzungen – Inhaltskontrolle AGB Einf. 94 Praktikanten siehe Berufsausbildungsverhältnisse Präventionsinteresse – Vertragsstrafenklausel 307 259 Probearbeitsverhältnis – mehrdeutige Klauseln 305c 54 Probezeit – Inhaltskontrolle 307 25 Probezeitkündigung – Angemessenheit 307 264 Prognoserisiko Einf. 95 ff. Provisionen Anh. Vergü 43 ff. – Zurückzahlung des Vorschusses Anh. Vergü 45

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Rahmenvereinbarung 305 59 Rangverhältnis – Arbeitsrecht /AGB-Kontrolle Vor 307 5 Rationalisierungsfunktion – AGB Einf. 7 Rechtsfolge – Gesamtunwirksamkeit 306 83 ff. Rechtsgrundsätze – unangemessene Benachteiligung 307 64 Rechtskontrolle – Inhaltskontrolle 310 48 Rechtslagenvergleich – bei fraglicher Klausel 307 70 – Generalklausel 307 38 Rechtsordnung, ausländische – Wahl/Umgehungsverbot 306a 14 Rechtsprechung – Abgrenzungskriterien für Inhaltskontrolle 307 31 – einzelne vorformulierte Bedingungen 306 23 ff. – verdeckte Inhaltskontrolle Vor 307 25 Reduktionsklauseln – salvatorische Klauseln 306 81 Restvertragswirksamkeit 306 11 f. Retentionbonus Anh. Vergü 34 Richterrecht – Angemessenheitskontrolle Vor 307 9 – Inhaltskontrolle 307 19 – Lückenschließung 306 4 – unangemessene Benachteiligung 307 62 f. Richtlinie 93/13/EWG 310 14 ff., 26 – Anwendungsbereich 310 41 – Berücksichtigung der Begleitumstände Einf. 43; 310 38 ff. – Klausel-Richtlinie Einf. 41 ff. – Machtungleichgewicht Einf. 43 – Missbräuchlichkeit einer Klausel Einf. 41 – Transparenzgebot 310 33

Stichwortverzeichnis Risikoverteilung – unangemessene Benachteiligung 307 52 Rom-I-VO – Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. Rückabwicklungsansprüche – Inhaltskontrolle/Abwicklung von Verträgen 308 111 ff. Rückkehrrecht – Aufhebungsvertrag 307 141 – Konzernversetzungklausel 307 181 – Teilbarkeit 306 33 Rücksichtnahmepflicht – Schadensersatz Vor 307 34 Rücktrittsvorbehalt siehe auch Lösungsrecht – Arbeitsrecht 308 16 – Ausnahmeregelungen für Dauerschuldverhältnisse 308 15 – Bedeutung für das Arbeitsrecht 308 16 ff. – Vorvertrag 308 17 Rückzahlungsklauseln – Abschlusszeitpunkt 307 216 – Art der Qualifikation 307 211 – Aus-/Fortbildungskosten 307 207 ff. – Betriebstreue 307 213 – Claw Back Klauseln Anh. Vergü 32 – Dauer 307 210 – Fallgruppen Anh. Vergü 17 – geltungserhaltende Reduktion 307 218 – Höhe 307 212 – Kündigungsschutzgesetz 307 213 – salvatorische Klauseln 307 224 ff. – sonstige 307 223 – Transparenz 307 217 – überbezahltes Entgelt 307 222 – Umzugskosten 307 219 ff. – unangemessene 307 215 – verschiedene 307 207 ff. Rückzahlungsverpflichtung – Sondervergütungen Anh. Vergü 13 ff. Ruhensvereinbarungen – Inhaltskontrolle 307 185

Salvatorische Klauseln 306 77 ff. – Enthaltungsklausel 306 78 – Ersetzungsklausel 307 80, 225 – gesetzesverweisende ~ 307 79, 227 – hypothetischer Parteiwille 307 228 – Kombination von Klauseln 306 82 – Rechtswirkungen 307 224 ff. – Reduktionsklausel 307 81, 225 – Teilunwirksamkeitsklausel 306 78 Schäden, sonstige – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 102 ff. Schadensersatzanspruch – Nachfrist 308 13 – Vertragsstrafenklausel 307 259 Schadensersatzpflicht – Arbeitsrecht Vor 307 35 – unwirksame AGB Vor 307 34 ff. Scheidungsklausel Anh. BetrAV 37 Schranken – Inhaltskontrolle 307 4 Schrankenregelung – deklaratorische Klauseln 307 17 ff. – Inhaltskontrolle 307 16 ff. – normwiederholende Klauseln 307 18 – Rechtslagenvergleich 307 26 f. – scheindeklaratorische Regelungen 307 23 Schriftform – ergänzende Vertragsauslegung 306 62 Schriftformklauseln – allgemein 305b 18 f. – doppelte Schriftform 309 161 – einfache Schriftform 307 230 – gewillkürte Schriftform 307 234 – Intransparenz 307 231 – Prüfschema 305b 20 ff. – qualifizierte 307 230 – Unwirksamkeit 307 233 – Wirkung 307 231 Schuldanerkenntnis, konstitutives – Generalklausel 307 235 – Transparenzgebot 307 235 Schuldanerkenntnis, negatives – überraschende Klauseln 305c 32

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Stichwortverzeichnis Schuldbeitritt – Vertragspartnerwechsel 309 122 Schuldnerschutz – Mahnung, Fristsetzung 309 41 f. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – BAG Einf. 20 ff. – BGH Einf. 21 – Vertrauensschutz für Altverträge Einf. 120 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle Einf. 115 ff. Schuldrechtsreform – Inhaltskontrollnorm 307 1 ff. – Vertragsinhaltsschutz 308 31 ff. Schuldübernahme, befreiende – Vertragspartnerwechsel 309 121 ff. Schuldversprechen – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 141 – mit Einwendungsverzicht/Teilbarkeit 306 35 Schutznormen – Angemessenheitskontrolle Einf. 82 f. Schutzpflichten – Grundrechte 307 49 Schweigen – fingierte Erklärungen 308 99 f. Selbstbestimmung – Inhaltskontrolle AGB Vor 307 29 Selbstbestimmungsrecht – vorformulierte Arbeitsverträge Einf. 61 Sittenwidrigkeit – Angemessenheitskontrolle Vor 307 11 ff. Sockelarbeitszeit – BAG 307 103 Sondervergütungen – Widerrufsvorbehalt 308 87 ff. Sondervorschriften – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 Sonderzahlungen – Entgeltcharakter Anh. Vergü 4 – Freiwilligkeitsvorbehalte Einf. 84 ff. – Kürzungen Anh. Vergü 7 ff.

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Spätehenklausel Anh. BetrAV 33 Sprachrisiko – Transparenzgebot 307 90 Standardarbeitsverträge – Inhaltskontrolle AGB Vor 307 27 ff. Stichtagsklausel – BAG 306 65 Stichtagsregelung siehe Bestandsklauseln Stillschweigen – All-Klauseln 307 253 – Arbeitsentgelt 307 254 – externes Whistleblowing 307 255 – internes Whistleblowing 307 257 – nachträgliche Verschwiegenheitspflicht 307 256 – private Belange 307 257 Strafhöhe – Pflichtverletzung 307 264 Subunternehmer – Vertragspartnerwechsel 309 122 Synallagma – Bestandsklauseln 307 237 Tantiemen – allgemein Anh. Vergü 36 – Berechnungsparameter Anh. Vergü 36 ff. – Kürzungen Anh. Vergü 39 – Rückzahlungsklauseln Anh. Vergü 41 – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 40 Tantiemeregelung – Transparenzgebot Anh. Vergü 37 Tarifautonomie – Inhaltskontrolle AGB 310 42 f. Tarifbezugnahme – überraschende Klauseln 305c 33 Tarifbindung – Transparenzkontrolle 310 74 Tariflohn – Angemessenheitskontrolle 307 34 Tarifschutz – nachlassender Einf. 22 Tarifvertrag – Bezugnahmeklauseln 307 151

Stichwortverzeichnis – dynamische Bezugnahmeklausel 307 154 ff. – Einzelbezugnahmen 307 163 – gesetzliches Leitbild 307 66 – keine Zweiklassenkontrolle 307 161 – Prüfungsmaßstab Vor 307 14 – Teilbereichsbezugnahmen 307 164 – Werte für Inhaltskontrolle Einf. 100 Tarifvertragsparteien – schuldrechtliche Absprachen außerhalb von Tarifverträgen Einf. 6 Tarifzensur – Inhaltskontrolle 310 69, 80 Täuschungsverbot – Transparenzgebot 307 86 Teilunwirksamkeit 306 19 ff. – nach BGH 306 20 ff. – personale/BAG 306 25 – personale/BGH 306 22 – Rechtsfolgen 306 1 ff. – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 21 Teilunwirksamkeitsklausel 306 78 Teilzeit- und Befristungsgesetz 307 144 – BAG Vor 307 5 Teleologische Reduktion – von § 310 Abs. 4 BGB 310 81 Torsovertrag – Wirksamkeit 306 15 Transaktionsbonus Anh. Vergü 35 Transparenzgebot – Aktienoptionen Anh. Vergü 48 – allgemeines 307 77 – anderes Arbeitsgebiet 307 178 – Änderungsvorbehalt 308 64 – Anrechnungsklausel 307 89 – Arbeitsort 307 177 – Aufhebungsvereinbarung 307 139 – Aufhebungsvertrag 307 130 – Auslegung/Intransparenz 307 88 – Ausschluss überraschender Klauseln 305c 3 – Ausschlussklauseln 307 125 – Befristungsregelungen 307 148 – Bestimmtheitsgebot 307 85

– – – –

Beurteilungsmaßstab 307 83 Bezugnahmeklauseln 307 156 Direktionsrechtsklauseln 307 175 ergänzende Vertragsauslegung 306 66 – Erholungsurlaub/Nebentätigkeit 307 206 – Freistellungsklauseln 307 184 – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 193 – gesetzesverweisende Klauseln 306 79 – Globalverweisung 310 74 – Grenzen 307 87 ff. – grundsätzliche Ausprägungen 307 84 – Höhe der Vertragsstrafe 307 267 – Inhaltskontrolle 307 3 – isolierte Ausgleichsregelung 307 133 – isolierte Klageverzichtsvereinbarung 307 140 – Mitarbeiteraktien Anh. Vergü 47 – Nebentätigkeit 307 204 – Richtlinie 93/13/EWG 310 33 – Rückzahlungsklauseln 307 217 – salvatorische Klauseln 307 226 f. – Schriftformklauseln 307 231 – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 235 – Sprachrisiko 307 90 – Systematik Einf. 130 – Tantiemeregelung Anh. Vergü 37 – tarifliche/außertarifliche Angestellte Einf. 88 – Tatbestand 307 81 ff. – Täuschungsverbot 307 86 – Übersichtlichkeit der Vertragsregelung 307 87 – Urlaub/Mehrurlaub 307 250 – vermeidbare Unklarheit 307 88 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 23 – Vertragsstrafe 307 263 – Weihnachtsgratifikation 307 189 – Widerrufsklausel 307 89 – Zusatzurlaub 307 242 – Zweck 307 77 Transparenzkontrolle 305 4 – Entgeltbereich Einf. 79 ff.

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Stichwortverzeichnis Trennungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 243 Treu und Glauben 305 5 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 14 ff. – Arbeitsrecht Vor 307 14 – Individualabrede Vor 307 31 – Vertragsgestaltungsmacht 307 10 – Vertragslücke 306 61 – zweiteiliger Prüfungsmaßstab bei Angemessenheitskontrolle Vor 307 28 Treueprämie – Stichtagsregelung 307 238 Übermaßverbot – Aufrechnungsverbot 309 35 Überraschende Klauseln – allgemeine Voraussetzungen 305c 6 – Anwendungsbereich 305c 4 f. – Bewertungsmaßstab 305c 14 – Darlegungs-/Beweislast 305c 17 – einzelne Beispiele 305c 18 ff. – Entstehung 305c 1 ff. – Hinweis 305c 13 – objektiv ungewöhnlich 305c 7 ff. – Rechtsfolgen 305c 15 f. – subjektiv überraschend 305c 10 f. – Unbilligkeit 305c 9 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 14 ff. – Verstecken 305c 12 – Zweck 305c 2 Überstundenabgeltung – überraschende Klauseln 305c 34 Überstundenklausel – Inhaltskontrolle 307 107 ff. Umgehungsfälle, AGB-Kontrolle – einzelne, mögliche 306a 14 ff. Umgehungsverbot 310 37 – Anwendungsbereich 306a 3 ff. – Darlegungs-/Beweislast 306a 13 – Einführung 306a 1 f. – mögliche Umgehungsfälle 306a 14 ff. – Rechtsfolgen 306a 11 f.

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– Tarifverträge/Betriebs- und Dienstvereinbarungen 306a 6 – Voraussetzungen 306a 7 ff. Umzugskosten – Rückzahlungsklauseln 307 219 ff. Unangemessene Benachteiligung siehe auch Transparenzgebot – Abweichen von wesentlichen Grundgedanken 307 69 ff. – allgemeine Rechtsgrundsätze 307 64 – angemessener Ausgleich 307 54 – Ausschlussfristen 307 123 – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 307 67 – Bewertungszeitpunkt 307 44 – BGH Vor 307 3 – Darlegungs-/Beweislast 307 91 – Definition 307 37 – Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten 307 75 – ergänzende Vertragsauslegung 307 65 – Erheblichkeit der Benachteiligung 307 40 – Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB 307 58 ff. – Freistellungsklauseln 307 68 – gesetzliche Regelungen 307 60 ff. – gesetzliches Verbot 307 61 – Grundrechte 307 49 – Inhaltskontrolle 307 3, 35 ff. – Kompensation 307 54 – Kontrolle von Klausel und Gesamtvertrag 307 53 ff. – Richterrecht 307 62 f. – Risikoverteilung 307 52 – sachlicher Zusammenhang 307 54 – Sondertatbestände 307 56 ff. – Summierung 307 55 – Tarifverträge 307 66 – Transparenzgebot 307 77 ff. – Treu und Glauben 307 41 ff. – Unangemessenheit 307 41 ff. – Unvereinbarkeit 307 71 – Verhältnismäßigkeit 307 42 – Verkehrssitte 307 43

Stichwortverzeichnis – Vertragszweck 307 72 – Wertevorstellung Vor 307 6 Ungewöhnliche Klauseln siehe Überraschende Klauseln Unklarheitenregelung – BAG Anh. BetrAV 10 – Zweifel bei der Auslegung 310 32 Unmöglichkeit – ergänzende Vertragsauslegung 306 65 Unternehmereigenschaft – Verbraucherverträge 310 23 Unterstützungskasse – Durchführungsweg Anh. BetrAV 65 ff. – Inhaltskontrolle AGB Anh. BetrAV 69 ff. – Rechtsverhältnisse Anh. BetrAV 66 ff. Unwirksamkeit – Anzeigen-/Erklärungsform 309 163 f. – Aufrechnungsverbot 309 35 – Ausschlussfristen 307 126 Unwirksamkeitsfolgen – Änderungsvorbehaltsklausel 308 92 ff. – Fiktion des Zugangs 308 110 Unwirksamkeitsgründe – bei § 306 BGB 306 18 Unwirksamkeitsvermutung – Änderungsklausel 308 90 ff. Unzumutbare Härte – Festhalten am Vertrag 306 58 – Voraussetzungen 306 5 Urlaubsklauseln – Inhaltskontrolle 307 242 ff. Urlaubskürzungen – Fehlzeiten 307 247 Urlaubssummierung – Arbeitszeit-Richtlinie 307 249 Verbandsklageverfahren – Arbeitsrecht Vor 307 3 Verbot – Nebentätigkeit 307 198 ff.

Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 306 69 ff. – Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung 306 72 – BAG/BGH 306 69 – Grundlagen 306 70 – Kritik 306 71 Verbot der Gesetzesumgehung 306a 1 ff. Verbotsgesetze – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – geltungserhaltende Reduktion Vor 307 8 Verbrauchereigenschaft – Begriff 310 15 – Fremdgeschäftsführer 310 19 – Rechtsfolgen 310 21 ff. Verbraucherschutz – Anwendungsbereich AGB 310 39 Verbraucherschutzgedanke – Richtlinie 93/13/EWG Einf. 41 ff. Verbraucherverträge 310 13 ff. – Arbeitnehmer als Verbraucher 310 14 ff. – Aushandeln 310 24 – Auslegungsmaßstab 305 5 – Beweiserleichterung 310 23 – EG-Richtlinie 306 6 ff. – einmalige Verwendung 310 25 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten 310 24 – Klauselverwendungsabsicht 310 27 – nicht einzeln ausgehandelt 310 26 – Richtlinie 93/13/EWG 310 26 – Stellen bei Vertragsschluss 310 22 – Unternehmereigenschaft 310 23 – Vielzahl von Verträgen 310 25 Verbrauchervertragsrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/EWG Verfallklausel siehe Ausschlussfristen Verfassungsrecht – Fundament für Inhaltskontrolle Einf. 60 ff. Vergütung siehe auch Aktienbasierte Vergütung; siehe auch Bonuszahlungen; siehe auch Carried Interest;

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Stichwortverzeichnis siehe auch Jahressonderzahlungen; siehe auch Managementbeteiligungsprogramme; siehe auch Provisionen; siehe auch Tantiemen – Überstunden 307 108 f. Verhältnismäßigkeitsprinzip – unangemessene Benachteiligung 307 64 Verhandeln – Aushandeln 305 51 ff. Verjährung – Anzeigen-/Erklärungsform 309 162 Verkehrssitte 305 5 Verschuldensgrundsatz – unangemessene Benachteiligung 307 64 Verschwiegenheitsklauseln – Inhaltskontrolle 307 252 ff. Versetzungsklauseln – BAG Vor 307 22; Einf. 78 – Inhaltskontrolle 308 27 – überraschende Klauseln 305c 35 Versicherungsvertrag – Auslegung Anh. BetrAV 47 ff. – Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 50 – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 49 Versorgungszusage Anh. BetrAV 30 ff.; siehe auch Versicherungsvertrag; siehe auch Zusagen – als AGB Anh. BetrAV 4 ff. – Änderungsvorbehalt Anh. BetrAV 26 – Arbeitgeberinteresse an flexibler Gestaltung Anh. BetrAV 19 – Auslegung des Versicherungsvertrages Anh. BetrAV 47 ff. – Auslegung und Unklarheitenregel Anh. BetrAV 9 ff. – Begriff Anh. BetrAV 2 f. – Direktversicherung Anh. BetrAV 41 ff. – Direktzusage Anh. BetrAV 40 – dynamische Verweisung Anh. BetrAV 22 ff. – Entgeltumwandlung Anh. BetrAV 72 ff.

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– Geschäftsführer/Vorstände Anh. BetrAV 20 – Hinterbliebenenversorgung Anh. BetrAV 30 ff. – Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 17 ff. – Invalidität Anh. BetrAV 39 – Konditionenkartell Anh. BetrAV 78 f. – mehrdeutige Begriffe Anh. BetrAV 12 – Öffentlicher Dienst Anh. BetrAV 75 ff. – Pensionsfonds Anh. BetrAV 58 ff. – Pensionskasse Anh. BetrAV 51 ff. – Reduzierungsvorbehalt Anh. BetrAV 29 – spezielle Klauseln Anh. BetrAV 31 ff. – Transparenzkontrolle bei Verweisungen Anh. BetrAV 23 – überraschende Klauseln Anh. BetrAV 14 ff. – Widerrufsvorbehalt Anh. BetrAV 27 ff. Vertragsabschluss – Inhaltskontrolle Einf. 56 – Rationalisierungsfunktion Einf. 8 Vertragsauslegung – Angemessenheitskontrolle Vor 307 25 Vertragsbedingungen – Abgrenzung 305 6 ff. – Ausgleichsklausel 307 131 ff. Vertragsbedingungen, vorformulierte – Teil-/Unwirksamkeit 310 32 Vertragsbruch – Vertragsstrafenklausel 307 268 Vertragsdurchführung – Rationalisierungsfunktion Einf. 9 Vertragserhaltungsfunktion – § 306 BGB 306 3 Vertragsfreiheit – Inhaltskontrolle AGB Einf. 25 Vertragsgestaltungsmacht – fehlende Einf. 105 – Inhaltskontrolle AGB 307 5; Vor 307 26

Stichwortverzeichnis Vertragsimparität – Verwender 305 34 Vertragsinhalt – Freiwilligkeitsvorbehalt 305 8 ff. – kollektive Regelungen 305 13 – Prüfung nach § 306 BGB 306 16 f. – unwirksame AGB 306 18 – Widerrufsvorbehalt 305 11 – Zwecksetzung 305 7 Vertragsinhaltsschutz – vor Schuldrechtsreform 308 31 ff. – Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers 308 33 Vertragskontrolle – BVerfG Vor 307 33 – Rangverhältnis der Kontrollmechanismen Vor 307 5 Vertragslücke – Angemessenheit 306 61 – Ausfüllbedürftigkeit 306 57 – Ausfüllung 306 63 ff. – Interessenabwägung 306 61 – Schließung nach § 306 Abs. 2 BGB 306 49 ff. Vertragsparität – gestörte Einf. 16 – Wiederherstellung über § 306 Abs. 2 BGB 306 49 ff. Vertragspartnerwechsel 309 120 ff. – Anwendungsbereich 309 121 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 124 ff. – Konzernversetzungsklausel 309 125 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 Vertragsstrafe 309 74 ff. – Anwendungsbereich 309 75 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 79 ff. – geltungserhaltende Reduktion Vor 307 23 – Grenzen durch BAG 309 81 f. – Herabsetzung Vor 307 23 – Leistungsabnahme verspätet oder gar nicht 309 76

– Lösung vom Vertrag 309 78, 80 – Parallelverträge 309 83 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 84 – überraschende Klauseln 305c 36 – Zahlungsverzug 309 77 Vertragsstrafenabreden – Teilbarkeit 306 36 Vertragsstrafenklauseln – Abwägung 307 264 – Einkommensorientierung 307 264 – Formulierung 307 262 – Globalvertragsstrafe 307 262 – Höchstgrenze 307 265 – Inhaltskontrolle 307 59, 258 ff. – Interessenabwägung 307 51, 259 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 57 – Reduktion auf das Wesentliche 307 268 – Schadensnachweis 307 260 – Transparenzgebot 307 263, 267 – Verletzung von Nebenpflichten 307 266 – Verschulden 307 263 – Vertragstreue 307 261 Vertragsstrafenkontrolle – Angemessenheitskontrolle Vor 307 23 ff. Vertragsstrafenversprechen Vor 307 23 Vertragstheorie – AGB Einf. 29 Vertragstreue – Vertragsstrafe 307 261 Vertragsübernahme – Vertragspartnerwechsel 309 121 ff. Vertragsunwirksamkeit – ultima ratio 306 83 ff. Vertrauensschutz – für Altverträge Einf. 120 Vertraulichkeitspflicht – ungewöhnliche Klauseln 305c 37 Vertreter ohne Vertretungsmacht – Abschlussvertreterhaftung 309 136 Vertriebsmitarbeiter – komplexe Vergütung Einf. 5

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Stichwortverzeichnis Verweisungen – abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe 310 76 f. – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 310 78 ff. – Versorgungszusage Anh. BetrAV 22 ff. Verweisungsklauseln 306 79 – Bereichsausnahme 305 12 Verwender siehe Klauselverwender Verwenderrolle 305 32 ff. Verwendungsgegner – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 4 Verzichtserklärung – ungewöhnliche Klauseln 305c 32 Volontariat siehe Berufsausbildungsverhältnisse Vorbehaltsklausel siehe auch Änderungsvorbehaltsklausel Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen – Flexibilität des Arbeitgebers Einf. 72 Vorrang – Individualabrede 310 35 Vorvertragspflichten – Schadensersatz Vor 307 34 Wechsel des Vertragspartners siehe Vertragspartnerwechsel Weihnachtsgratifikation siehe auch Gratifikation – Transparenzgebot 307 189 Werklieferungsvertrag – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8b BGB 309 116 Wettbewerbsrecht – Verschwiegenheitsklauseln 307 252 Wettbewerbsverbote 307 269 f. – Angemessenheitskontrolle Vor 307 24 – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 126 – Kontrolle von ~n Vor 307 24 – mehrdeutige Klauseln 305c 54 – überraschende Klauseln 305c 38

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– Vertragsstrafenklausel 307 266 Whistleblowers-Hotline – keine Inhaltskontrolle 307 257 Whistleblowing 307 255 ff. Widerrufsklausel – Auslauffrist Vor 307 22 – Freiwilligkeitsvorbehalt 308 88 – Risikoverlagerung zuungunsten des Arbeitnehmers 308 76 – Sonderzahlungen 308 87 ff. – transparente Fassung 308 88 – Transparenzgebot 307 89 – Wegfall des Leistungszwecks 308 71 Widerrufsvorbehalt 305 11 – Änderungsvorbehalt 308 21 – Arbeitsrecht 308 22 – Kombination mit Freiwilligkeitsvorbehalt 307 194 – Teilbarkeit 306 32, 37 – Vermeidung von Wertungswidersprüchen 308 48 Wiederverheiratungsklausel Anh. BetrAV 36 Wirksamkeit – mangelnde Bestimmbarkeit der essentialia negotii 306 14 – Restvertrag 306 13 Zeitpunkt – Stellen der Vertragsbedingungen 305 37 Zentralvorschrift – Inhaltskontrolle 307 1 ff. Zielvereinbarungen – Inhaltskontrolle Anh. Vergü 22 – überraschende Klauseln 305c 40 Zielvorgaben – Inhaltskontrolle Anh. Vergü 22 Zugangserfordernis – Anzeigen-/Erklärungsform 309 163 f. Zusagen – Auslegung und Unklarheitenregel Anh. BetrAV 9 ff. – individualrechtliche Anh. BetrAV 5 f.

Stichwortverzeichnis – kollektivrechtliche Anh. BetrAV 7 f. Zusatzleistungen – Freiwilligkeitsvorbehalte Einf. 84 ff. Zusatzurlaub – BAG 307 242 – Betriebstreue 307 246 – Kürzungen 307 247 – Leitbild Bundesurlaubsgesetz 307 244 ff. – Quotenregelungen 307 245 – Trennungsklauseln 307 243 – Verwirkung 307 251

Zustimmungsfiktionen 308 97 ff. Zweckmäßigkeitsnorm – BAG 307 69 Zwecksetzung – Vertragsinhalt 305 7 Zweistufige Ausschlussklauseln – Teilbarkeit 306 27 Zwingendes Recht – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – Inhaltskontrolle 307 12 – Nichtigkeit Vor 307 3 – Reichweite Vor 307 4

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