Geschmack, Kunst und Konsum: Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und in Württemberg (1805-1845) 9783666357749, 3525357745, 9783525357743

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Geschmack, Kunst und Konsum: Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und in Württemberg (1805-1845)
 9783666357749, 3525357745, 9783525357743

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 111

V&R

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Peter Ulimann, Hans-Ulrich Wehler

Band 111 Inge borg Cleve Geschmack, Kunst und Konsum

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Geschmack, Kunst und Konsum Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und Württemberg ( 1 8 0 5 - 1 8 4 5 )

von

Ingeborg Cleve

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Cleve, Ingeborg: Geschmack, Kunst und Konsum: Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und Württemberg ( 1 8 0 5 - 1 8 4 5 ) / von Ingeborg Cleve. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 111) Zugl.: Diss., 1992 ISBN 3-525-35774-5 NE: GT

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, der LG Stiftung und der Stiftung der Württembergischen Hypothekenbank für Kunst und Wissenschaft, beide ebenfalls in Stuttgart.

© 1996, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Pohle. Druck und Bindung: Guide-Druck GmbH, Tübingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt Vorwort

7

I.

Einleitung: Geschmacksbildung als Gewerbeförderung?

9

1.

Fragestellung

9

2.

Forschungsstand

15

3.

Vorgehensweise

21

4.

Quellen

25

II.

Musealisierung und Industrialisierung das französische Modell

29

Moderner Geschmack als Element der französischen Qualitätsindustrie

29

Die Französische Revolution und der Beginn der modernen Konsumgesellschaft

42

1. 2. 3.

Kunst, Industrie und instruction publique 53 3.1. Kunstöffentlichkeit als Warenöffentlichkeit das Spektakel von 1 7 9 8 53 3.2. Die programmatische Vereinnahmung der Schönen Künste 6 3 3.3. Die Verzeichnung der Wahrnehmung 68 3.4. Die anschauliche Präsentation des Wissens 78

4.

Kunsditeratur und Kunstinteresse

87

5.

Kulturelle Hegemonie und wirtschaftliche Entwicklung

99

III. Musealisierung und Industrialisierung in Württemberg

115

1.

Konturen einer modernen Landeshauptstadt 1.1. Stuttgart im Blick von Reisenden 1.2. Ausbau und Modernisierung der Königstadt 1.3. Die Residenzstadt als Hort der Kunst, des Geschmacks und der Geschäfte 1.4. Öffentliche Bibliothek und Kunsditeratur

115 115 130

Die Ästhetisierung des modernen Blicks 2.1 Kunsterfahrung in der Provinz

155 155

2.

136 145

5

3.

4.

5.

IV.

2 . 2 Die Verschönerung der Wirklichkeit 2.3. Kunstpflege als bildungsbürgerliches Projekt 2 . 4 . Die Differenzierung der häuslichen Dingwelt

168 183 197

Künstler, Kunsthandwerker und Kunstindustrielle 3.1 Hofkünstler, Hofhandwerker und Meister des Alten Handwerks 3.2. Künstler für den Kunstkonsum und fabrizierende Künstler 3.3 Zeichenlehrer 3.4. Kunstindustrielle

207

»Moderner Geschmack« als Motor und als Hindernis gewerblicher Entwicklung in Württemberg 4 . 1 . Das Industrieprodukt als Ausstellungsobjekt und als Kunstgegenstand 4 . 2 . »Moderner Geschmack«, industrielle Entwicklung und Kunstindustrie 4 . 3 . »Moderner Geschmack«, modernes Konsumieren und Alte Gewerbe 4 . 4 . »Moderner Geschmack«, Handwerksbewußtsein und die alte Ordnung der Dinge

207 216 227 232 248 248 263 278 288

Die Verzweckung des Museums durch die Industrie 5.1. Württemberger auf Frankreichreise 5.2. Ornament und Polytechnik — die Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule 5.3. Kunstkanon und Vorbilderwesen - ein Kunstmuseum für die Industrie 5.4. Gewerbeförderungsprojekte und die Popularisierung des musealisierten Vorbilderkanons

296 296

331

Schluß: Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik

345

305 320

Abkürzungen Anmerkungen

352 352

Quellen und Literatur 1. Archivalische Quellen 2. Gedruckte Quellen 3. Zeitgenössische Periodika 4. Literatur

405 405 406 419 420

Abbildungsverzeichnis Ortsregister Personenregister

442 443 449

6

Vorwort Die vorliegende Untersuchung erhellt einen bislang übersehenen Aspekt europäischer Kulturgeschichte der Moderne. Zugleich werden einige Problemfelder und methodische Grundlagen der Disziplin, welche gegenwärtig von verschiedenen Seiten her neu entworfen und abgesteckt werden, ausgelotet. Sie entsprang einer Alltagsphänomenen zugewandten, sozialhistorisch und gesellschaftstheoretisch interessierten Kulturwissenschaft. Das Buch beruht auf meiner 1992 eingereichten Dissertation. Für den Druck wurde der Text überarbeitet und dabei teilweise stark gekürzt. Der Forschungsstand wurde aktualisiert. Kapitel wurden umgruppiert und einige weggelassen. Weggelassen wurden auch die meisten Abbildungen. Gestrichen wurden ferner zahlreiche Fußnoten mit Erläuterungen und mit Verweisen auf entlegene Quellen und Literatur. Auch die Originalfassungen fremdsprachiger Zitate wurden gestrichen. Bei den deutschsprachigen Zitaten ist die von heutigen Konventionen abweichende Orthographie der Quelle beibehalten worden. Die Bibliographie wurde um weitere Titel ergänzt, dafür entfielen andere. Das Werk ist durch diese Umarbeitung jetzt schmaler im Umfang und leichter zu lesen, aber inhaltlich in allem Wesentlichen unverändert. Forschenden stehen dreibändige Originalfassungen im Deutschen Historischen Institut Paris, in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und im baden-württembergischen Wirtschaftsarchiv in Hohenheim zur Verfügung. Die Arbeit ist meiner Familie gewidmet, ohne deren groß- und langmütige Unterstützung ich sie nicht zustande gebracht hätte. Aber auch ohne den Rat und die Hilfe zahlloser freundlicher und kluger Menschen wäre sie nicht geschrieben worden. Die meisten kenne ich nicht oder kaum - die Bibliothekarinnen, die Bücher finden halfen, die Magaziner, die sie karrenweise heranschafften, die Archivare, die die Quellensuche erleichterten, und viele andere mehr. Ihnen und all denen, die wichtige Informationen zugänglich machten, Irrwege kritisierten, Kontakte herstellten, Geld beschafften, Forschungsreisen ermöglichten, Thesen debattierten, Korrekturen vorschlugen oder einfach zuhörten, danke ich herzlich. Viele ihrer Hinweise wurden berücksichtigt. Auch wurde, wo möglich, auf Vorarbeiten anderer zurückgegriffen. Für die Ergebnisse ebenso wie für Fehler und Irrtümer aber ist die Autorin verantwortlich. 7

Unter allen hilfreichen und anregenden Menschen möchte ich insbesondere Professor Ulrich Herrmann sowie den Professoren Dieter Langewiesche, Konrad Hoffmann und Karl-Erich Born danken, die mir Denkwege ihrer Disziplinen zugänglich machten und sie mich zugleich überschreiten ließen, und die mancherlei Probleme lösen halfen. Besonderen Dank schulde ich auch der Robert-Bosch-Stiftung für ein großzügiges Dissertationsstipendium sowie dem Deutschen Historischen Institut London und dem Deutschen Historischen Institut Paris für gastlichen Beistand. Danken möchte ich ferner den Herausgebern der Kritischen Studien dafür, daß sie diese Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben. Die Drucklegung wurde ermöglicht durch einen ABB-Wissenschaftspreis, verliehen durch das Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim, sowie durch namhafte Zuschüsse der Robert-Bosch-Stiftung, der Geschwister Boehringer Ingeheim Stiftung für Geisteswissenschaften sowie der LG-Stiftung und der Stiftung der Württembergischen Hypothekenbank für Kunst und Wissenschaft. Auch diesen Stiftungen sei herzlich gedankt. Berlin, im November 1995

8

Ingeborg Cleve

I. Einleitung: Geschmacksbildung als Gewerbeförderung?

1. Fragestellung Kunst- und Industrieausstellungen und Museen für Kunst und Kunstgewerbe wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zuerst in Frankreich, England, Belgien und in den deutschsprachigen Ländern und dann im übrigen Europa und in Nordamerika zu einem Hauptbestandteil gewerbepädagogischer Bemühungen. Sie gründeten überall auf die Uberzeugung, den Geschmack eines Publikums bilden zu müssen, welches sich aus Gewerbetreibenden und Konsumenten zusammensetzte, um auf diese Weise Gewerbe zu fördern. Darunter wurden ebenso Konsumgüterindustrien wie Verlagsgewerbe und Handwerke verstanden. Vorlagen- und Mustersammlungen, kunstorientierter Zeichenunterricht für heranwachsende Handwerker, Arbeiter und gewerblich arbeitende Frauen sollten diese Geschmacksbildung auf Seiten der Produzierenden vertiefen, während denkmalgeschmückte, mit architektonischen Meisterwerken umsäumte Stadtzentren, Journale und Einrichtungsratgeber für Geschmacksbildung auf Seiten der Konsumenten sorgen sollten. In der Einrichtung von Institutionen zur Geschmacksbildung wetteiferten die einzelnen Staaten miteinander in dem Maße, wie sie technischen Fortschritt förderten, und sie taten beides in der Absicht, die Position der Landesindustrien in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu verbessern.1 Von heute aus betrachtet scheint die Rolle von Technik für industrielle Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum unbestritten, während unklar geworden ist, wie beide damals, wenn überhaupt je, mit Geschmacksbildung durch Bildende Kunst zusammenhingen. Warum erschien es jenen, welche technische, naturwissenschaftliche und ökonomische Rationalität in einer unerhörten Weise zu Produktivkräften zusammenspannten, als selbstverständlich, daß Bildende Kunst als Mittel der Geschmacksbildung dazu gehörte? Warum wurde sie auf bestimmte Weise für diese Entfesselung vereinnahmt? Und warum ist diese Rolle heute vergessen? Industrieausstellungen, gewerblicher Unterricht und Museen werden heute 9

jedenfalls nicht mehr im Kontext von Geschmacksbildung und Gewerbeförderung zusammen gesehen, sondern sie erscheinen je für sich als Beitrag zur industriellen Entwicklung, zur gewerblich-technischen Bildung und zur Entfaltung einer bürgerlichen Kultur. Dabei sind sie Antworten auf eine Frage, die verloren ging. Bislang ist nämlich nicht geklärt worden, wie im Prozeß der Industrialisierung Hersteller von fabrikmäßig und massenhaft hergestellten Konsumgütern sich der Vorlieben ihrer Kunden zu versichern vermochten. Die Luxusgewerbe des Ancien Regime hatten eine enge Verbindung mit höfischen Zirkeln und höfischem Zeremoniell gepflegt. Das städtische Handwerk hatte einen festen Kundenstamm nach individuellen und zugleich durch das Herkommen bestimmten Vorgaben beliefert. Die Produkte der alten Verlagsgewerbe schließlich waren den traditionalen Lebenswelten ihrer Abnehmer angepaßt. Allmählich entstanden daneben neue Gewerbe und Industrien, welche fur einen Weltmarkt und für eine verstreute Kundschaft produzierten. Diese Kundschaft entledigte sich in eben dem Maße herkömmlicher Vorstellungen über die Gestalt von Dingen, wie sie selber in den industriellen Herstellungsprozeß integriert war und über Geld verfügte. Zusammen damit mußte sich ein Verständigungszusammenhang entwickelt haben, der Kundenwünsche formulierte und signalisierte und den Herstellern Vorannahmen über Warengestaltung erlaubte, bevor an der Wende zum 20. Jahrhundert Marketing, Marktforschung und Design diese Aufgabe übernahmen. Ein solcher Verständigungszusammenhang war und ist notwendig fiir die Verklammerung von Industrialisierung und moderner Konsumgesellschaft. Welche Antwort fanden frühindustrielle Unternehmer für dieses Problem? Die These der vorliegenden Untersuchung ist, daß seit Anfang des 19. Jahrhunderts durch Kunst- und Industrieausstellungen, durch Museen und Sammlungen für Kunst und Kulturgeschichte, durch die Institutionen der Geschmacksbildung ein Verständigungszusammenhang zwischen Produzenten und Konsumenten über Warenästhetik und Sachkultur systematisch hergestellt wurde. Im Zentrum der Bemühungen stand die Erarbeitung eines museal geordneten und ständig ergänzten Kanons von Meisterwerken Bildender Kunst. Dieser Kanon wurde durch technisch moderne Reproduktionen verbreitet und als Basis des gesuchten Verständigungszusammenhanges rezipiert. Er wurde zur Norm des Guten Geschmacks erklärt. Verkörpert in Kunstwerken, durchdrang er öffentliche Stadträume, Warenarrangements und bürgerliche Interieurs, wodurch sich deren Gestaltung musealen Sammlungen allmählich anglich. Die Herausbildung eines solchen Verständigungszusammenhangs stellte eine notwendige Voraussetzung für den Fortgang der Industrialisierung und die Entstehung der modernen Konsumgesellschaft dar, während der Rekurs auf Bildende 10

Kunst als Maßstab für Geschmack und auf das Museum als Ordnungsprinzip für Kunstwerke und Industrieprodukte für diesen Zweck sich aus dem zeitgenössischen Erkenntnishorizont heraus zwangsläufig ergeben mußte. Insofern gehörten Industrialisierung, Entstehung der Konsumgesellschaft und Musealisierung notwendig zusammen. Der Begriff Verständigungszusammenhang wird dabei zur Umschreibung eines Sachverhalts gebraucht, der hinter der zeitgenössischen und heute unverständlichen Formel von »Geschmacksbildung als Gewerbeförderung« steckte. Er wurde gewählt, weil er weder impliziert, daß es klar definierte Sender, Medien, Botschaften und Empfanger gab, noch eine Grammatik und ein Korpus lexikalisch definierbarer Bedeutungszuschreibungen voraussetzt. Viele Erscheinungen im Untersuchungsfeld erwiesen sich als sperrig gegenüber solchen vorgängigen Interpretationen. Der Begriff »Verständigungszusammenhang« soll vielmehr der Komplexität und der Vagheit eines Phänomens gerecht werden, welches sich nicht ohne weiteres als Kommunikationssystem oder als Sprache auffassen ließ. Erst in der Rekonstruktion seiner Entstehung, seiner Begründung, seines Gebrauchs und seines Funktionierens werden die Grundzüge der »Geschmacksbildung als Gewerbeförderung« deutlich werden. Sie umfaßten einen Sachverhalte deutenden und verändernden Diskurs, eine anschaulich wirkenden Pädagogik des Konsums, eine »Kunde« von Konsummustern der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und schließlich ein Ensemble kultureller Praktiken des Konsumierens. Hier muß auf die Kultur- und Gesellschaftstheorie des französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu hingewiesen werden, in der solch praktische Kunde, nämlich das gleichsam instinktive Wissen um den eigenen, richtigen Geschmack und den der anderen, integrierender Bestandteil des Habitus ist, durch den sich die Gesellschaftsmitglieder gemäß ihrer Verfügungsmöglichkeiten über Kapital symbolisch miteinander verständigen und sich als Mitglieder einer soziokulturellen Gruppe zueinander gesellen oder voneinander abgrenzen. 2 Für Bourdieu stellen Museen Bestandteile des kulturellen Produktionsfeldes einer Gesellschaft dar. Sie unterliegen einer Ökonomie der symbolischen Güter,3 deren Ziele - Produktion gesuchter, Verteilung knapper und Konsum gewünschter Güter - denen der materiellen Ökonomie analog sind, während ihre Erscheinungsformen und Mittel den Regeln der relativ autonomen Kultursphäre unterliegen.4 Bourdieus Modell der symbolischen Ökonomie zufolge sind Sammelobjekte, Sammlungen und Museen bloße Attribute der Macht, weil sie das Vermögen gesellschaftlicher Eliten ausdrücken, bestimmte Objekte als kulturell wertvoll anderen Gruppen gegenüber oder gar als gesellschaftlich verbindlichen Kanon durchzusetzen. Dieses Vermögen faßt Bourdieu in ökonomischen Termini und begreift es als Ausdruck wirtschaftlichen, poli11

tischen oder kulturellen Kapitals. Seine Verteilung, anteilsmäßige Zusammensetzung und Gebrauchsweise folgt dem, was Bourdieu als Habitus bezeichnet - Strukturen, welche die Unterschiedlichkeit sozialer Gruppen konstitutieren und sich im Wahrnehmen und Handeln der einzelnen Gruppenmitglieder reproduzieren. Auf diese Weise schlägt sich der Habitus einer Gruppe in deren Lebensstil nieder, einem bruchlosen, der objektiven Lebenslage korrespondierenden Insgesamt von finanziellen Optionen, politischen Einstellungen und kulturellen Äußerungsformen, welche von Nahrungspräferenzen bis zum Kunstkonsum alle ästhetischen Dimensionen des Lebens umspannen. 5 Sachwissen um Sammelobjekte, Sammeln und Museumsbesuch gehören je nach gesellschaftlicher Gruppe in unterschiedlichen Anteilen zu diesen kulturellen Äußerungsformen eines die einzelnen Gruppenangehörigen untereinander und nach außen kennzeichnenden Lebensstils, und sie beeinflussen wiederum mehr oder weniger weitere Aspekte dieses Lebensstils, etwa Bildungspräferenzen oder Wohnungseinrichtungen. Letztere wie überhaupt praktisch sämtliche Accessoires des täglichen Lebens bezeichnen im Struktur- und Handlungsmodell des Kultursoziologen in erster Linie den Lebensstil und stellen damit die dingliche Entsprechung eines Habitus dar. Demgegenüber sind sowohl der bloße Gebrauchsnutzen als auch Bedeutungsgehalte der Dinge sekundär. Vielmehr verkörpern Sammlungsstücke wie zum Beispiel Antiquitäten oder Designermöbel ebenso wie eine Vorliebe für Museumsbesuche oder für bestimmte Künstler oder ein kulturwissenschaftliches Diplom allesamt bloße Elemente kulturellen Kapitals ihres jeweiligen Eigners. Sammlungen und Museen wird also eine Ordnungs- und Vermittlungsfunktion zugesprochen, aber bei Bourdieu kommt ihnen kein Vorrang vor anderen Instanzen zu, sondern die unterschiedlichen Institutionen des kulturellen Produktionsfeldes wirken in gleichgerichteter Weise auf die Reproduktion von Habitus und Lebensstilen ein, weil sie selber zur Gänze Produkt des Systems der gesellschaftlichen Differenzierung nach Maßgabe der Verfügung über materielles, politisches und symbolisches Kapital und von dessen Validität abhängig sind, das sie zugleich mit bedingen. Bourdieus Modell tendiert insgesamt dazu, kulturelle Wandlungen ebenso wie Industrialisierungsprozesse überhaupt nur auf Variationen in der Kapitalstruktur zu reduzieren. Insofern nähert er sich, darin dem Denken der klassischen Ökonomie und zugleich dem der klassischen Kulturanthropologie vergleichbar, einem nicht bloß ahistorischen, sondern antihistorischen Gesellschaftsmodell an. So läßt sich mit Bourdieus Modell der Prozeß der Musealisierung und dessen Zusammenhäge mit der Industrialisierung ebenso wie das Phänomen Geschmacksbildung als Gewerbeförderung nur schlecht erklären, weil 12

beide darauf gerichtet waren, kulturelle Güter nicht zu verknappen, sondern sie durch Ausweitung von Öffentlichkeit und durch massenhafte Reproduktion zu popularisieren - was sich einer Kapitalentwertung durch Inflation vergleichen und mit dem expliziten Ziel einer Gewerbeförderung, nach Bourdieu zu verstehen als politisch-administratives Handeln zur absoluten Vergrößerung industriellen Kapitals, dann nur schwer in Übereinstimmung bringen läßt, abgesehen davon, daß hier im kulturellen Feld gerade nicht mit scheinbarer Interesselosigkeit operiert und Geschmacksbildung innerhalb dieses Projekts nicht als Modus gesellschaftlicher Distinktion gehandhabt, sondern zum Zwecke höherer Volksbildung pädagogisiert wurde. Schließlich bleibt auch die Betonung überlieferten Sammelguts im Verhältnis zur künstlerischen Neuproduktion in diesen epochalen Vorgängen ebenso offen wie eine Bestimmung von dessen Rolle für die Entwicklung der modernen Gesellschaft, der Bourdieu ein Funktionsmodell geliefert hat. Alles das scheint der Ordnungs- und Vermittlungsfunktion, wie Bourdieu sie dem Museum zugedacht hat, zu widersprechen. Auch aus diesem Grund kann eine historische Untersuchung der Genese des Verständigungszusammenhanges zwischen Produzenten und Konsumenten nicht direkt an Bourdieus Modell anknüpfen, wohl aber zu Fragestellungen an das Quellenmaterial inspirieren und Interpretationen anregen. Jedenfalls kann sein Modell plausibel machen, daß seit den ersten Anfängen der Industrialisierung die exponentielle Vermehrung der Dinge selbst, welche das Anwachsen der neuen Produktionsweise hervorbrachte, einer Ordnung im Hinblick auf Lebensstile bedurft haben mußte. Dies um so mehr, als eben jene Produktionsweise neue Wirtschafts- und Arbeitsformen hervorbrachte, welche durch Geld, Markt und wachsende Verstädterung die traditionelle O r d n u n g der Dinge zerstörte. Plausibel machen kann es auch, daß es politisch wie wirtschaftlich begründete Interessen gegeben haben mußte, eine solche Ordnung zu etablieren und damit die Entstehung des Verständigungszusammenhangs zu steuern. Zu zeigen ist dann, auf welche Weise die Musealisierung von Kunstwerken mit der Formulierung von Kulturmustern des Konsums zusammengebracht wurden, und von welcher Seite dies aus welchen Gründen geschah. Die Musealisierung von Kulturmustern muß nicht ohne weiteres heißen, daß diese, wie Bourdieus Theorie es postuliert, den Interessen von Industrie und Bourgeoisie ohne Rest subsumiert werden. Es läßt sich auch vorstellen, daß Museen im Staatsinteresse als Mittel dienen konnten, Bedürfnisse zu formulieren. Ebenso läßt sich vermuten, daß sie kollektive Vorstellungen von Sachkultur zum Ausdruck brachten, wenn sie Sachkultur im emphatischen Sinn von Kunst und Angewandter Kunst öffentlich machten - und zwar über das Bürgertum hinaus. Das Museum lieferte mit 13

seinen Exponaten die Voraussetzung, Luxusreproduktionen massenhaft konsumierbar und sie zugleich dem eigenen Lebensstil kompatibel zu machen - mit Hilfe nach musealen Vorbildern gestalteter Konsumgüter, welche die Industrie in großen Mengen herstellte. In der modernen Konsumkultur steckt ein massenhaft; gewordener Anspruch auf Schönheit, Stil und Luxus und damit ein Erbe der Revolution, das seither allen Diskursen über Bedürfnis, Entfremdung und Funktion trotzt. In der Untersuchung wird, erstens, nach den Umständen gefragt, die dazu führten, daß ein Verständigungszusammenhang zwischen Produzenten und Konsumenten um einen Kanon musealisierter Meisterwerke Bildender Kunst herum organisiert und durch Museen, Ausstellungen, Zeichenfertigkeit und städtisches Ambiente garantiert werden sollte. Welche ökonomische, politische und kulturelle Konstellation führte zu der Strategie, museal geordnete und präsentierte Kunst als Medium der Verständigung über Warenästhetik zu nutzen? Welche Theorien und Erfahrungen über den Zusammenhang von Kunst, Geschmack und Ware lagen dieser Strategie zugrunde? Welche Wirkung sollte Kunst in den Institutionen der Geschmacksbildung entfalten? Gefragt wird, zweitens, nach Wirkungen, welche sich aus der Etablierung des Verständigungszusammenhangs für Gewerbe im Industrialisierungsprozeß tatsächlich ergaben. Diese Wirkungen betrafen zum einen die Gestaltung von Konsumgütern. Inwiefern wurde Bildende Kunst benutzt, um den Geschmack von Konsumenten zu antizipieren? Darüberhinaus muß nach der Rolle ästhetischer Qualität und Differenzierung von Produkten für den Industrialisierungsprozeß gefragt werden. Technisierung mußte nicht nur auf die Herstellung größerer Produktquantitäten hinauslaufen, sondern konnte auch größere Variationsbreite und kleinteilige Serialität bedeuten. Marktkonkurrenz war nicht nur durch Preise möglich, sondern auch durch Angebotsvielfalt und dadurch, daß der Geschmack der Konsumenten gegen deren Preisbewußtsein ausgespielt wurde. In diesem Zusammenhang rückt auch die Frage nach der Rolle von Handwerk, Kleingewerbe und Mischformen zwischen diesen und Verlag, Manufaktur und Fabrik sowohl für den Industrialisierungsprozeß wie auch für die Durchsetzung der Konsumgesellschaft ins Blickfeld. Inwiefern konnten sie, indem sie sich auf die Differenzierung und modische Zurichtung von fabrikindustriell hergestellten Halbfabrikaten konzentrierten, neben der Industrie behaupten oder sogar davon profitieren? Die Technisierung der Produktion erstreckte sich zum großen Teil auf Halbfabrikate, die erst durch handwerkliche oder manufakturmäßig organisierte Veredelungsprozesse zu Endprodukten wurden, wobei viele dieser Veredelungsverfahren das Aussehen, also die Zurichtung der Produkte auf den Geschmack von Konsumenten betrafen. Andererseits konnte neben der 14

technisch bedingten Konkurrenz der Fabrikindustrie auch der bessere Geschmack von Gewerbeprodukten zu einer existentiellen Bedrohung fur Gewerbe werden, welche sich an überkommenen Mustern fiir ihre Produkte orientierten und die Konstruktionsweise des modernen, kunstbezogenen Geschmacks nicht begriffen. Drittens wird nach der Wirkung des Verständigungszusammenhangs auf das Konsumieren im Entstehungsprozeß der Konsumgesellschaft gefragt. Inwiefern wurde ein an Bildender Kunst orientierter Geschmack zum Maßstab für Kulturmuster des Konsumierens? Welche Rolle spielten in diesem Zusammenhang Kunstmuseem, Kunstvereine und andere bürgerliche Kulturprojekte? Dabei interessieren zum einen Zusammenhänge zwischen dem Entstehen moderner Bürgerlichkeit als Lebenstil und der Herausbildung von Kulturkonsum und Konsumkultur. Zum anderen geht es um die Rolle von Kunst-und Warenöffendichkeit für die Entstehung der modernen Konsumgesellschaft. Wie sah das Ineinander von Kunst- und Warenöffentlichkeit aus? Wie weit reichten die Wirkungen der Geschmacksbildung? Wie unterschieden sich Rezeptionsbedingungen fiir unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen? Wie vertrugen sich in diesem Zusammenhang Strategien gesellschaftlicher Abgrenzung mit der zunehmenden Verbreitung von Konsummöglichkeiten? Das Fragenspektrum deutet auf den Umfang der historiographisch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts relevanten Konstellationen, Strukturen, Prozesse, Ideen, Bewußtseinslagen und Milieus, die in eine Untersuchung der Genese, Gestalt und Rolle des Verständigungszusammenhangs zwischen Produzenten und Konsumenten Berücksichtigung finden müssen. Zugleich verspricht eine solche Untersuchung, zu deren besseren Verstehen beizutragen und bisher übersehene Zusammenhänge zwischen ihnen deutlich werden zu lassen.

2. Forschungsstand Die Frage nach der Genese, Gestalt und Rolle eines Verständigungszusammenhangs zwischen Produzenten und Konsumenten über die Ästhetik von Produkten fiir den Konsum wurde in den Geschichtswissenschaften bisher im Zusammenhang mit dem Industrialisierungsprozeß nicht gestellt. So konnten auch die Bemühungen um Geschmacksbildung von Produzenten und Konsumenten im 19. Jahrhundert nicht als Antworten auf diese Frage begriffen werden. Stattdessen wurden Industrie- und Weltausstellungen als Transfermedien technischer Innovationen, als Medien industriebürgerlicher Selbstdarstellung oder als Vorläufer des modernen Kunstmarkts untersucht, 6 Zeichenschulen in die Geschichte allgemeiner 15

oder berufsbildender Pädagogik integriert 7 und Kunstgewerbemuseen als Mischform fiir beides angesehen.8 Kunst- und kulturgeschichtliche Museen wurden wie die Denkmalpflege als Bestandteile bürgerlicher Selbstdarstellung und kollektiver Sinnfindung oder als Institutionen kultureller Nationwerdung aufgefaßt.9 Industrieprodukte des 19. Jahrhunderts galten als Zeugnisse des Verfalls ästhetischer Qualitätsnormen und handwerklichen Könnens im Zuge der Auflösung ständischer Kulturformen und des entstehenden Massenkonsums, dem erst mit der Durchsetzung fiinktionalistischer Gestaltungsnormen seit der Jahrhundertwende eine eigene, genuin industriell-technische Ästhetik zukam.10 Vor diesem Hintergrund mußte die Entstehung moderner Formen von Reklame, Werbung und Marketing als Phänomen des 20. Jahrhunderts erscheinen.11 Daß die Frage nach dem Verständigungszusammenhang bislang nicht gestellt wurde, hängt vor allem damit zusammen, daß die Wirtschaftsgeschichte sich in erster Linie für wachstumsfördernden Faktoren auf der Seite der Produktion interessierte. Allerdings beginnen seit einiger Zeit historische Forschungen zur Industrialisierung sich mit der Frage zu beschäftigen, wie neue Kulturmuster des Konsums entstanden und ins Marktgeschehen hineinwirkten, auf denen der Erfolg industriell hergestellter Produkte und damit Industrie selbst beruhte. 12 Hätten Schuhschnallen zum Beispiel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keinen Anklang bei den Käufermassen Britanniens und beider Kontinente gefunden, Boulton hätte keinen Grund gehabt, Watts Dampfmaschine in Betrieb zu setzen.13 Die Geschichtsforschung interessierte sich fiir die historische Dimension dieser Zusammenhänge zwischen kulturell bestimmten Gegebenheiten und ökonomischer Entwicklung.14 Industrialisierung ließe sich ihnen zufolge nicht nur aus der Entwicklung eines kapitalistischen Welt-Systems heraus oder aus den Beziehungen zwischen industriellen Zentren und agrarischen Peripherien,15 sondern ebenso aus spezifischen kulturellen Faktoren wie beispielsweise Familienstrukturen, Generationenund Geschlechterbeziehungen16 oder aus Formen der Religiosität17 erklären. Zu diesen Faktoren waren auch Kulturmuster von Bedürfnissen und deren Wandel zu zählen.18 Forschungen zum Prozeß der Kommerzialisierung geht es darum, den Prozeß der Industrialisierung von Struktur und Wandel der Nachfrage her genauer in den Blick zu nehmen. 19 So befaßten sich Forschende beispielsweise mit den Kulturformen modischen Verhaltens bei Kleidung und Mobiliar und mit deren Verbreitung, mit frühindustriellen Reklamemethoden, mit dem Angebot auf Märkten und in Kaufläden. Das Gefundene erlaubt die Entstehung von Konsumgesellschaften genauer zu beschreiben.20 Entsprechend beschäftigten sich Forschungen zur Industrialisierung mit der Bedeutung Kleiner Industrien und spezialisierter Werkstätten gegen16

über der Großen Industrie und betonten deren positive, wichtige Rolle im Industrialisierungsprozeß.21 In vielen Fällen scheinen sie besser in der Lage gewesen zu sein, den Anforderungen an modischen Wandel und Formendiversifizierung zu entsprechen oder gar die Lust auf Mode zu beflügeln als die Großen Industrien. Viele technische Innovationen dienten der Adaptation der Kleinen Industrien an den modischen Wandel; vielfach ergänzten sich die Produktionsformen von Großer und Kleiner Industrie, etwa in der Textilindustrie.22 Indem sie die Nachfrage nach modischen Dingen befriedigten, damit zur Schaffung neuer Konsummuster für industriell Hergestelltes wesentlich beitrugen, vermehrten sie die Absatzchancen für die Großen Industrien insgesamt, machten sie Große Technik rentabel, ermöglichten nicht zuletzt durch die modeinduzierten technischen Innovationsprozesse ein Reservoir an technischem Wissen, das neue Erfindungen und deren Durchsetzung möglich machen half.23 In diesen Forschungen werden die Umrisse eines Modells von Qualitätsindustrie für den Massenmarkt als eigenständiger Weg in die Industrialisierung deutlich - regionale Agglomerationen kleiner Firmen, hochqualifizierte Arbeiter, dichte Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern, qualitätsstützende Technologie, differenzierte Angebotspalette, modische Orientierung. Beispiele dafür ließen sich insbesondere in Frankreich leicht finden: die Lyoner Seidenindustrie, elsässischer Textildruck, Metallwaren aus Saint-Etienne. In England ist das insbesondere die Sheffielder Metallwarenindustrie, aber auch Möbelindustrie, Töpfereiwaren etc. werden dazu gerechnet. 24 In Deutschland ließen sich als entsprechende Beispiele etwa die Krefelder Seidenindustrie, Pforzheimer Schmuckwaren oder die Offenbacher Lederindustrie nennen. Die Existenz solcher Gewerbe neben der Großen Industrie widerspricht der klassischen, am angelsächsischen Vorbild formulierten Theorie, wonach Große Industrie dank Arbeitsteilung und Maschinerie und dank besseren Bedingungen bei der Durchsetzung am Markt Kleine Qualitätsindustrie gemäß der Logik des Marktes und der Einlinigkeit der technologischen Entwicklung zwangsläufig in Nischen und in die Diensdeistung zurückgedrängt haben müßte, das Überleben Kleiner Industrie also ein Indiz für die Rückständigkeit einer Volkswirtschaft sei. Eine solche Annahme läßt sich insbesondere am Beispiel des französischen Wegs in die Industrialisierung in Frage stellen.25 Aber nicht nur unter Berufung auf diese Beispiel läßt sich fragen, ob neben ökonomischen und technischen politische und kulturelle Faktoren dafür verantwordich gemacht werden können, wenn Kleine Industrien gegen die Große Industrie bestehen oder nicht. 26 Weiter kann gefragt werden, inwieweit technische Innovationen geschmacksabhängig waren, inwieweit also die Dynamik der Industrialisierung auch von kulturell bestimmten Faktoren wie Geschmack, Mode oder Stil und deren 17

Wandlungen abhing. 27 Untersuchungen und Überlegungen zu Kommerzialisierung und Kleiner Industrie können also dazu fuhren, die Rolle von Kulturmustern des Konsums wie auch die von Gewerbeförderung im Prozeß der Industrialisierung genauer bestimmen zu wollen. Kleine Industrie, Kulturmuster von Bedürfnissen und politische Prozesse könnten nämlich dann möglicherweise als Faktoren in Theorien industrieller Entwicklung nicht mehr, wie bisher geschehen, vernachlässigt oder negativ eingeschätzt werden. In diesen historischen Kontexten gewinnt die Frage nach dem Verständigungszusammenhang an Plausibilität und Dringlichkeit. In der Kulturgeschichte ist dieser Verständigungszusammenhang zwischen Produzenten und Konsumenten über die Ästhetik von Waren bislang ebenfalls nicht thematisiert worden. Das hat seinen Grund wohl vor allem darin, daß die Gegenstände der Kulturgeschichte bislang durch einen emphatischen konventionell-ästhetischen Kulturbegriff eingegrenzt wurden, welcher Kultur und deren Vermittlungsinstanzen als Bereich autonomer ästhetischer Ideen begriff und gegen die Sphären des Kommerzes und der gewerblichen Produktion abschloß, so daß die Popularisierung von Bildender Kunst bloß als Verzerrung und Vulgarisierung von Kultur wahrgenommen werden konnte, aber nicht als Untersuchungsgegenstand. An kulturellen Objektivationen wurden Industrieprodukte oder Kunstreproduktionen ausgeklammert, im Gegensatz zu Kunstwerken und zum höfischen und patrizischen Luxusmobiliar mit künstlerischem Anspruch und von unangefochtener ästhetischer Qualität. Das 19. Jahrhundert als Epoche der historistischen Adaptation überkommener Stilformen wurde nur zögernd Gegenstand kulturhistorischer Untersuchungen, die sich zunächst auf die Herausarbeitung genuin künstlerischer Leistungen konzentrierten, 28 um dann die Umrisse moderner Industriekultur vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte herauszuarbeiten, dem Zeitalter der Weltausstellungen und Warenhäuser, des Durchbruchs von fabrikindustrieller Produktion, von Urbanisierung, von Technisierung des Transportwesens und von Massenmedien.29 Schon seit längerem wurde in der Kulturgeschichte mit dem Bedeutungsgehalt gearbeitet, der im Ancien Regime im höfischen demonstrativen Konsum von Luxusartikeln und in der Palastarchitektur steckte.30 Herrschaft und symbolische Dingordnung waren untrennbar miteinander verbunden, und im Zentrum dieser Ordnung standen der französische Hof, die Römische Kirche und die Meisterwerke Bildender Kunst, über die beide verfugten und deren Hervorbringungsmodalitäten sie kontrollierten.31 Sie besaß bindende soziale Macht als Maßstab für standesgemäßen Konsum und adelige Selbstdarstellung. Damit verband sich eine beträchtliche ökonomische Bedeutung, die sich am klarsten in merkantilistischer 18

Wirtschaftspolitik äußerte. In diesem Zusammenhang muß an die exotisch gebliebene These Sombarts vom Ursprung der Industrialisierung im höfischen Luxus erinnert werden. 32 Die wachsende ökonomische Bedeutung Großbritanniens äußerte sich seit dem 18. Jahrhundert darin, daß im Bereich der Luxusprodukte ein goüt anglais, der sich an der griechischen Antike orientierte, in Konkurrenz zur französischen Hegemonie in Geschmacksdingen trat. 33 Die politische Macht dieser symbolischen Ordnung zeigte sich nicht zuletzt darin, daß sie zeitweise ein wichtiges Angriffsziel der Französischen Revolution bildete und Kunstwerke in adeligem und kirchlichem Besitz zu Opfern dieses Angriffs wurden. 34 Neuere kulturhistorische Arbeiten haben gezeigt, wie seit dem Verlauf des späteren 18. Jahrhunderts Kunstwerke systematisch als Symbole benutzt wurden, um breiteren Schichten der Bevölkerung politische Positionen zu verdeutlichen und so deren Verhalten zu beeinflussen. 35 Dies galt seit der Revolution insbesondere flir die Idee der Nation als politischstaatlicher Einheit, deren Legitimation mit Hilfe von Kunstdenkmälern befestigt werden sollte. 36 Untersuchungen zur Entstehung und Rolle des Kunstmuseums als zentraler Institution der Revolution betonten den engen Zusammenhang zwischen Kunstwerken, ästhetischer Geschichtsphilosophie und nationalpolitischer Pädagogik. 37 Auch in Untersuchungen zu kulturhistorischen Museen in Deutschland kommt dieser Aspekt zum Ausdruck. 38 Überhaupt ist die kulturelle Dimension bei der Konstruktion nationalen Bewußtseins immer deutlicher hervorgetreten. 39 Besondere Beachtung fand die Rolle von ästhetischer Geschichtsphilosophie, Bildender Kunst, Pflege des künstlerischen Erbes und ästhetischer Bildung für die Konstitutierung des Bürgertums im 19. Jahrhundert. Kunst- und Altertumsvereine, Kunst- und kulturgeschichtliche Museen und die Beschäftigung mit Literatur über Kunst und Geschichte diente nicht nur der Vergewisserung über eine nationale Geschichte und der Verknüpfung nationalen Bewußtseins mit Kunst-Monumenten, sondern auch der Vermittlung von Lebenssinn jenseits des Praktisch-Nützlichen und der Pflichten. Durch sie schuf sich das Bürgertum außerdem einen Raum jenseits des Praktisch-Nützlichen und der Pflichten, in dem sich Bürgerlichkeit als kultureller Habitus entfaltete und die Gesellschaft der Bürger sich jenseits beruflicher und ständisch überkommener Unterschiede gesellig machte. Indem Bildende Kunst im Kontext des Ancien Regime, der Revolution, der Entstehung moderner Nationen und eines modernen Bürgertums mit politischen und sozialen Bedeutungen aufgeladen wurde, ließen sich mit Hilfe von Kunstwerken politische oder soziale Ansprüche symbolisch ausdrücken und Auseinandersetzungen fuhren. Auch Konsumgüter konnten, das haben neuere Forschungen zur Konsumgeschichte gezeigt, mit politischen Bedeutungen aufgeladen und zu 19

Symbolen in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden.40 Mit ihrer Hilfe konnten kollektive Vorstellungen über soziale Zusammengehörigkeit und politischen Anspruch Ausdruck finden und Botschaften übermittelt werden. Aber Konsum läßt sich sowenig auf solche Auseinandersetzungen reduzieren wie auf die preis- und funktionsrationale Befriedigung von Grundbedürfnissen. Die Kulturanthropologie lehrt, daß durchgängig Kulturmuster Erwerb von und Umgang mit Sachen bestimmen, weil sie Bedürfnissen gesellschaftliche Bedeutung in der Lebenswelt verleihen.41 So gesehen, sind alle Dinge im lebensweltlichen Gebrauch innerhalb einer Gesellschaft Symbole. Sie teilen denen, die sie gebrauchen, etwas mit, ebenso sagen sie anderen etwas über die, die sie gebrauchen. Was das jeweils ist, hängt von Interpretationen im Rahmen der Deutungsmuster ab, die zusammen Kultur ausmachen.42 Das wiederum heißt, daß die Kulturmuster, in denen solche Dinge stehen, einer kulturellen Logik folgen, 43 welche durch die Dinge selbst vermittelt wird. Anders gesagt: was ein Bedürfnis darstellt und wie es befriedigt werden kann, bestimmen kulturelle Deutungsmuster, die in einem regelhaften Zusammenhang stehen.44 Die Kulturanthropologie versucht, Regeln herauszufinden, die in jeder Gesellschaft hinter Kulturmustern im Umgang mit Dingen stehen, sie in ein System zu bringen und dieses System mit den anderen Dimensionen des Gesellschaftlichen, mit Herrschaftsstruktur und Produktionsweise in eine intelligible Beziehung zu setzen.45 Wenn dem so ist, dann müssen sich diese Regeln im Verlauf des Industrialisierungsprozesses in einer praktisch verstehbaren Weise transformiert haben. Ohne ein solches System läßt sich praktisch keine Verständigung zwischen Käufern auf einem anonymen Markt und industrieller Herstellung von Produkten vorstellen. Eine willkürliche Änderung der Gestalt von Dingen hätte diese Verständigung über ihre Bedeutung schwierig oder unmöglich gemacht, als die Nachfrage nach Konsumgütern - vor allem Einrichtungsgegenständen und Kleidermodensachen - sich aus traditionellen Kulturmustern herauslöste, sich für die Menge und Vielgestaltigkeit des industriell Hergestellten öffnete und diese Nachfrage gleichzeitig in praktisch gesellschaftlich verständlicher Weise formte. Die Entgrenzung der Nachfrage bei Konsumgütern war nicht allein Sache geringeren Preises von Industriewaren. Im Rahmen traditioneller Konsummuster wäre nämlich das jeweils Gesparte nicht unbedingt in weitere Konsumgüter gesteckt worden, während viele der industriell hergestellten Dinge durchaus neu oder andersartig als das Überkommene waren. Die Suche nach einem Verständigungszusammenhang zwischen Produzenten und Konsumenten über Warenästhetik einerseits und nach dem Sinn von Institutionen zur Geschmacksbildung als Gewerbeförderung andererseits stößt genau in die Lücke, die die kulturhistorischen Annähe 20

rungen an Konsumgeschichte bisher offengelassen haben: Wenn Bildende Kunst im Ancien Regime einen Orientierungsrahmen für die Ästhetik der Gebrauchsdinge der Oberschicht vorgab und sich darin zugleich deren sozialen Rang wie Herrschaftsanspruch ausdrückte, wenn sowohl Kunstwerke als auch Gebrauchsdinge in unterschiedlichen Kontexten politisch im Sinne von Nation und Bürgertum aufgeladen wurden, dann liegt es nahe, den Transformationsprozeß, den Kulturmuster des Konsums im Industrialisierungsprozeß durchgemacht haben müssen, mit Wandlungen im Umgang mit und in der Aneignung von Bildender Kunst in Beziehung zu setzen und zu fragen, welche Bezüge zwischen ihr und Gebrauchsdingen übrigblieben, welche sich veränderten und welche neu gestiftet wurden. Gehörte eine relative Demokratisierung des Luxus und der Kunst, die beide ihren angestammten Ort nach der Französischen Revolution verloren hatten, mit zu den Voraussetzungen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert statt zu deren Folgen? Damit gerät unweigerlich die Institution des Kunstmuseums unter einer neuen Perspektive in den Blick, kam diesem doch die Aufgabe zu, eine Kunstöffentlichkeit jenseits der ständischen Einbindung von Kunst zu stiften. Inwiefern sollte es den Geschmack dieser Öffentlichkeit bilden und damit zugleich den gesuchten Verständigungszusammenhang garantieren?

3. Vorgehensweise Die Untersuchung beginnt mit der Identifikation der Umstände, unter denen dem ersten modernen Kunstmuseum, dem Pariser Louvre, die Aufgabe von Geschmacksbildung als Gewerbeförderung übertragen wurde, auch wenn sowohl das Programm, Gewerbe durch Bildung des Geschmacks zu fördern, als auch die bald damit betrauten weiteren Institutionen, also Museen, Ausstellungen, Vorlagensammlungen oder Zeichenunterricht schon eine längere Vorgeschichte hatten und auch an anderen Orten verbreitet waren. Aber erst um 1800 wurden in Paris das Programm der Geschmacksbildung als Gewerbeförderung und der Louvrepalast samt einem Ensemble solcher Institutionen kultur- und wirtschaftspolitisch so hergerichtet, daß sie bald als Modell für andere europäische Staaten im Industrialisierungsprozeß galten. Daran, wie sie aufeinander abgestimmt wurden, läßt sich zum einen erkennen, inwiefern, in welchem internationalen industrialisierungs- und gesellschaftsgeschichtlichen Kontext, für wen und in welcher Form sich das Problem des Verständigungszusammenhanges stellte. Zum anderen wird deutlich, warum dieser durch die Definition eines Kunstkanons, durch die Popularisierung von Kunst durch Museen und durch eine Angleichung von Industrie21

Produkten an Kunstwerke im Rahmen von Kunst- und Industrieausstellungen etabliert werden sollte. Die vielfältigen Bezüge zwischen Kunst und Industrie im nachrevolutionären Paris und unter den nachfolgenden Regimes bis zur Julimonarchie bilden daher den einen Schwerpunkt der Untersuchung. Der andere Schwerpunkt ergab sich aus der Frage, warum und auf welche Weise das Pariser Modell in anderen Ländern Europas zum Vorbild genommen wurde. Statt dieser Verbreitung insgesamt nachzugehen, wurde die Rezeption des Pariser Modells im Königreich Württemberg erforscht, einer Frankreich relativ nahen Region Deutschlands, deren Gewerbe sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem krisenhaften Prozeß ökonomischer Umstrukturierung und industrieller Entwicklung befanden, während sich zugleich neue Kulturmuster des Konsums in der Bevölkerung verbreiteten. Dabei wurde versucht, den Prozeß der Verbreitung modernen Geschmacks an der Ästhetisierung und Musealisierung öffentlicher Stadträume und Landschaften einerseits, an der Herausbildung moderner Formen der Kunstrezeption im Bürgertum andererseits, sowie schließlich an der Ausformung und Verbreitung neuer, kunstorientierter Formen des Konsums abzulesen und nachzuzeichnen. Sodann wurde aus unterschiedlichen Perspektiven versucht, die Rolle modernen Geschmacks und musealisierter Kunst für Gewerbe und Industrien herauszuarbeiten. An möglichst zahlreichen Zeugnissen sollte deutlich werden, was modernen Geschmack in unterschiedlichen Zusammenhängen ausmachte, welche Wirkungen er im Prozeß der Industrialisierung und der Herausbildung einer modernen Konsumgesellschaft im einzelnen entfalten konnte und inwiefern ihm daher tatsächlich eine große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukam. An der Institutionalisierung der Geschmacksbildung als Gewerbeförderung in Württemberg ließ sich schließlich zeigen, wie der Verständigungszusammenhang zwischen Gewerbetreibenden und konsumierendem Publikum als zentrales Problem wirtschaftlicher Entwicklung begriffen werden konnte, welche Konsequenzen daraus gezogen und wie sie konkret umgesetzt wurden. Es zeigte sich aber auch, warum der Versuch, durch die Einrichtung eines Kunstmuseums, die Förderung von kunstorientiertem Zeichenunterricht, durch Kunst- und Industrieausstellungen, durch Vorbilder- und Mustersammlungen und durch die Subvention von Kunstgewerben an der Ungleichzeitigkeit von Erfahrungen, Gewohnheiten und Überzeugungen zunächst scheitern mußte. Inwiefern läßt sich die Rezeption des französischen Modells von Geschmacksbildung als Gewerbeförderung in Württemberg zumindest in Deutschland als exemplarisch einstufen? Ohne vergleichbare Regionalstudien muß diese Einschätzung eine vorläufige bleiben. Allerdings waren die wirtschaftlichen Probleme und Chancen, die sich durch den modernen

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Geschmack ergaben, überall mehr oder weniger die gleichen, nämlich Anschluß an den Verständigungszusammenhang zu gewinnen und sich auch auf diese Weise in den Weltmarkt zu integrieren, gegen dessen Vorgaben kein Gewerbe sich auf Dauer abschotten wollte und keine Konsumbedürfnisse sich auf Dauer erhalten ließen. Die Institutionen von Geschmacksbildung verbreiteten sich deshalb auch anderswo, sie hatten die gleiche Form und sie wurden explizit zum Zwecke der Gewerbeförderung eingerichtet.46 Nicht nur in Württemberg gab es Instanzen, welche die einschlägigen Aktivitäten des Auslands beobachteten und kommentierten, wie etwa Gewerbevereine, Gewerbezeitschriften und Reisende, welche Berichte veröffentlichten. Dabei waren die gewerblichen, politischen und kulturellen Verhältnisse unterschiedlich und das württembergische Beispiel zeigte, daß die Rezeption von sehr konkreten einzelnen Umständen, Ressourcen und Interessen abhing. Für eine Konzentration auf das Königreich Württemberg sprachen zunächst vor allem forschungspragmatische Gründe. Anhand einschlägiger Literatur wurden im Vorfeld der Untersuchung die Aktivitäten in anderen deutschen Ländern mit denen in Württemberg verglichen. Während die Institutionen dort - Kunst- und Industrieausstellungen, Zeichenschulen, Vorbildersammlungen und Museen - im wesentlichen die gleichen waren, stellte sich eine Untersuchung der konkreten Voraussetzungen und Wirkungen des entstehenden Verständigungszusammenhanges zwischen Produzenten und Konsumenten als mindestens ebenso schwierig heraus. Das Königreich Württemberg schien demgegenüber vergleichsweise klein und einfach zu überblicken. Schließlich: während der zweiten Jahrhunderthälfte sollten die württembergischen Bemühungen um die Geschmacksbildung von Gewerbetreibenden und Publikum auf Weltausstellungen und in einschlägigen Publikationen als beispielhaft herausgestellt werden.47 Das muß besondere Gründe gehabt haben. Es lag auch von daher nahe, gerade der Genese dieser Bemühungen genauer nachzugehen. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung ist durch die Konzentration auf das Königreich Württemberg abgesteckt. Das Kapitel über Frankreich zeigt, daß dort Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik auf historischen Voraussetzungen beruht hat, die ins 18. Jahrhundert zurückreichten und keinen nationalen, sondern einen europäischen Rahmen hatten. Werden die internationalen Verzweigungen dieser Vorgeschichte nicht erhellt, bleibt das Geschmacksbildungsprojekt unverständlich. Auch in der Untersuchung Württembergs wird, wo notwendig, einzelnen Strängen dieser Vorgeschichte nachgegangen. Das Königreich enstand erst 1805 im Gefolge der napoleonischen Neuordnung Europas. Mit dem Regierungsantritt König Wilhelms I. wurde 1816 Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik explizit formulierbar und zeitigte institutionelle Konsequenzen. Die krisenhafte 23

Entwicklung der württembergischen Wirtschaft in den vierziger Jahren entzog dann einer solchen Politik zunächst die Grundlage. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, als die Konsumgüterindustrie im Lande allmählich Fuß faßte, wurden dauerhafte Einrichtungen der Gewerbeförderung geschaffen, in denen Geschmacksbildung eine herausragende Rolle spielte. Aber das ist eine andere Geschichte. 48 Der zeitliche Schwerpunkt der Darstellung liegt daher auf dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, wobei aber zur Klärung vieler Vorgänge ins 18. Jahrhundert ausgegriffen wurde und wobei das Wissen um die weitere Entfaltung und Wirkung des Grundmusters in der Moderne den Gang der Untersuchung ebenso wie die Darstellung mit bestimmten. Diese orientiert sich zumeist an Beispielen, welche aus dem disparaten Material als Fälle ragten, an denen sich unter je verschiedenen Aspekten die entstehende Grundkonstellation von Kunst und Industrie, Produktion und Konsum, Musealisierung und Geschmacksbildung auf eine besonders prägnante Art verdichtete. Das methodische Hauptproblem bei der Rekonstruktion der Arbeit am Verständigungszusammenhang bestand darin, Balance zu halten zwischen der Formulierung eines epochalen Kulturphänomens und dessen Ausformungen einerseits, der Vielzahl von verstreuten, oft unscheinbaren Einzelheiten andererseits. Nur mit ihrer Hilfe ließen sich Orte, Akteure und deren Medien identifizieren und dadurch herausfinden, ob und wie mit dem Verständigungszusammenhang umgegangen wurde. Ziel war nicht, eine im herkömmlichen Sinn institutionelle, eine Wirtschafts-, Sozial- oder Geistesgeschichte der Bemühungen um Geschmacksbildung als Gewerbeförderung zu schreiben, sondern das im Umkreis dieser Bemühungen auffindbare Material - Ausstellungsberichte, Projekte für Zeichenunterricht von Handwerkern, Vorlagenwerke, Museumspläne, politische Debatten und anderes - diente als Mittel, um dem übergreifenden Verständigungszusammenhang auf die Spur zu kommen, dessen Herstellung offensichtlich Ziel jener Bemühungen war und dessen Implikationen für die Industrialisierung ebenso wie für die Entwicklung der modernen Konsumgesellschaft zu identifizieren - ein Krebsgang durch anderthalb Jahrhunderte, ein Springen von Ort zu Ort, aus der Provinz in Metropolen und zurück, ein Puzzle mit vielen Doubletten und noch viel mehr fehlenden oder disfigurierten Teilen.

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4. Quellen Die Entstehung des Verständigungszusammenhangs zwischen Produzenten und Konsumenten ist aufs Reichhaltigste dokumentiert in Ausstellungsberichten, Museumsführern, Reisejournalen, Warenkatalogen, Musterbüchern, Vorbildersammlungen, in Literatur über Kunst oder für den Fabrikanten und Kaufmann, in ästhetischen Abhandlungen, kulturpolitischen Traktaten und technischen Anweisungen, in Zeichnungen und Zeichenanleitungen, in Zeitungen, Zeitschriften und Vereinspostillen und ebenso in Behördenakten, Parlamentsprotokollen sowie nicht zuletzt in Museumsbauten, Kunstwerken und -reproduktionen, Konsumobjekten, Gerätschaften und einem von Denkmälern, Architektur, Plastiken und Warenauslagen geprägten innerstädtischen Ambiente. Diese Quellen warfen indes erhebliche Probleme auf. Zum einen war allein die schiere Masse an Publikationen erdrückend, die sich zum Thema »Geschmacksbildung als Gewerbeförderung« äußerten. Bisher wurden davon allenfalls einzelne Bestände bibliographisch oder archivalisch erfaßt und geordnet und dies nur äußerst selten in einer Weise, die auf den Verständigungszusammenhang hin bezogen war. Allein dadurch ließ sich ein festes Quellenkorpus nicht im vorhinein definieren. Ein weiteres Problem bestand darin, daß sich in dieser amorphen Masse an Publikationen die Behauptung, Geschmacksbildung fördere die Gewerbe, und zwar durch die Popularisierung von reproduzierten Meisterwerken Bildender Kunst, stets wiederholt wurde, aber weder begründet noch Evidenz beigebracht wurde, die die behauptete Wirkung empirisch stützte. Diese fehlte auch, wo es um die breit gestreuten und staatlich subventionierten Bemühungen zur Umsetzung ging, also um die Organisation von Kunst- und Industrieausstellungen, um Museumsgründungen, um Zeichenschulen für Gewerbetreibende und anderes. Die Aktivitäten selbst waren, insofern sie unter behördlicher Aufsicht standen, gut dokumentiert, aber aus den Unterlagen ließ sich kaum Genaueres über die Zielgruppe und die konkrete Wirkungsweise erkennen. Dokumente über den tatsächlichen Konsumgeschmack bestimmter Bevölkerungsgruppen und über Produktgestaltung schließlich waren sehr rar. Beides fand in privaten Sphären statt, die zwar auf ihre jeweilige Öffendichkeit bezogen gewesen sein müssen; die konkrete Gestalt dieser Öffentlichkeit aber ist nicht systematisch überliefert. Wie bürgerliche Interieurs tatsächlich aussahen (und nicht, wie sie aussehen sollten), wie die Konsumgüter tatsächlich aussahen, die in unzähligen einzelnen Kaufakten das Bild des Marktgeschehens bestimmten, (und nicht, was in den Kunst- und Industrieausstellungen präsentiert wurde), das festzustellen mangelt es an Material. Wichtige Dokumente in diesen Bereichen wurden zufällig gefunden. Was in musealen Sammlungen bewahrt worden ist, war in fragwürdige 25

Inszenierungen eingebunden, die oft noch selbst aus dem Impetus der Geschmacksbildung gespeist waren. Schwierigkeiten ergaben sich weiter daraus, daß die Geschichte von Geschmacksbildung als Gewerbeförderung in zeitgenössischen Publikationen in einer Weise tradiert wurden, die eine Rekonstruktion der Genese und Entwicklung des Verständigungszusammenhangs sehr erschwerte. Der Diskurs der Geschmacksbildung enthielt keine Erzählung dieser Art. So mußte beides, Genese und Entwicklung, in einer Art Krebsgang durch eine große Vielzahl disparater Quellen erschlossen werden. Debatten und argumentative Entwicklungen innerhalb des Diskurses selber fehlten ebenfalls. Daß die Bildung des Geschmakes von Gewerbetreibenden und Publikum die Wirtschaft fördere, erschien als ein eherner Grundsatz, und auch die Art und Weise, in der das geschehen sollte, variierte bis zur Jahrhundertmitte wenig. Daraus folgte, daß der Zugriff auf die Materialbasis einhergehen mußte mit dem Versuch, den gesuchten Verständigungszusammenhang und dessen historischen Kontext idealtypisch zu fassen und auf diese Weise zu bestimmen, welche Quellen in welchem Umfang berücksichtigt werden mußten. Modellhaft wurde er als Rekonstruktion einer Dingordnung gefaßt, die im Anden Regime ästhetisch durch Kunstwerke gemäß klassischem Ideal und sozial durch herrschaftliche Repräsentation garantiert war. Daran ließen sich Dinge messen, welche den sozialen Rang ihrer Besitzer markierten. Insofern bildeten diese Kunstwerke in ihrem höfischen Kontext die Grundlage eines Verständigungszusammenhangs über gesellschaftlichen Rang und über Warenästhetik, und Geschmacksbildung bestand darin, diese Ordnung zu erkennen und sich ihr einfügen zu können. Industrialisierung und Französische Revolution zerstörten die Grundlage dieser Ordnung. Museen, Kunst- und Industrieausteilungen und andere Institutionen der Geschmacksbildung dienten dazu, eine solche Ordnung zu rekonstruieren und dadurch die Grundlage für einen neuen Verständigungszusammenhang zu schaffen, welcher der bürgerlichen industriellen Konsumgesellschaft adäquat war. Auswahl und Bearbeitung der Quellen mußten dann so erfolgen, daß die Bemühungen um Geschmacksbildung als Gewerbeförderung als Arbeit an der Rekonstruktion dieses Verständigungszusammenhangs erkennbar wurden, also als sinnhaftes und konstruktives Handeln im zeitgenössischen Erkenntnishorizont. Dabei wurden vier Hauptlinien verfolgt. Erstens mußte der Kontext rekonstruiert werden, indem der Grundsatz in die wirtschafts- und kulturpolitische Diskussion eingebracht und umgesetzt wurde. Zweitens mußten die zeitgenössischen theoretischen Grundlagen des Grundsatzes und des darauf bauenden pädagogischen Instrumentariums geklärt werden. Drittens mußte erklärt werden, warum dieser Grundsatz

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als derart evident erscheinen konnte. Viertens war zu klären, wie er sich in der gewerblichen Produktion und im Konsum auswirkte. Bei der Verfolgung dieser Fragen bestimmte die je unterschiedliche Quellenlage die Art und die Ebene der Antwort wesentlich mit. Trotz unterschiedlicher Dichte im einzelnen haben sie doch einen derart engen Zusammenhang, daß die Ergebnisse über den Einzelfall hinausreichen, auch wenn sie manchmal nur dadurch dokumentiert sind. Weitaus öfter sind Beispiele zitiert, fur die sich auch andere, ebenfalls herangezogene Belege fanden. Zusammen ergaben sie ein dichtes Bild davon, wie jener Verständigungszusammenhang entstand, warum er sich eng an das Kunstmuseum anlehnte und warum diese Anlehnung den Zeitgenossen als notwendiges Korrelat zur industriellen Entwicklung einleuchtete.

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II. Musealisierung und Industrialisierung das französische Modell

1. Moderner Geschmack als Element der französischen Qualitätsindustrie Im Auftrage der Regierung des Vereinten Königreiches bereiste Anfang der 1830er Jahre der Engländer John Bowring ( 1 7 9 2 - 1 8 7 2 ) die Seidenstadt Lyon, um die Stärken und Schwächen der französischen Seidenindustrie und deren mögliche Auswirkungen auf die englische Handelsbilanz bei einer gegenseitigen Herabsetzung oder Aufhebung der Zölle einzuschätzen und darüber einen Bericht an das englische Parlament zu verfassen, der als Grundlage zu einer Anhörung dienen sollte. Zusammen mit dem Protokoll dieser Ausschußsitzung wurde der Bericht in einem der berühmten blue books abgedruckt, in denen die empirischen Grundlagen dokumentiert waren, auf denen im Vereinigten Königreich im 19. Jahrhundert ein Großteil der Arbeit an der Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung aufbaute. Unmittelbarer Anlaß war eine Eingabe englischer Seidenindustrieller, welche die Verantwortung für eine Krise ihrer Gewerbe, Arbeitslosigkeit und Verelendung von Arbeitern und steigende Fürsorgekosten der Freigabe französischer Importe 1826 anlasteten und jetzt neue protektive oder prohibitive Maßnahmen forderten. Kaufmännisch ausgebildet, außerordentlich sprachbegabt und literarisch ambitioniert, hatte Bowring zunächst als Angestellter, dann als selbständiger Kaufmann den Kontinent bereist und war in den Pariser Salons zur bekannten Figur und als Anhänger des englischen Utilitarismus zu einem Parteigänger der französischen Liberalen geworden. Nachdem er 1822 als Verschwörer gegen den letzten Bourbonen verhaftet und ausgewiesen worden war, arbeitete er als Redakteur und Journalist für das Organ der philosophischen Radikalen, die »Westminster Review«. Seine literarischen und politischen Ambitionen vertrugen sich mit seinen geschäftlichen Unternehmungen nur schlecht, so daß er nach einem kommerziellen Desaster sein Geschäft schließlich aufgeben mußte und sich um eine Anstellung bei der Regierung bemühte. So kam er zu seiner Gutachtertätigkeit. 1830 kehrte er als Botschafter der Bürger Londons nach Paris zurück, um zur 29

Revolution zu gratulieren. 1832 wurde er Herausgeber der Gesammelten Werke seines philosophischen Lehrers, des Utilitaristen und eifrigen Propagatoren eines praktischen Volksbildungswesens Jeremy Bentham ( 1 7 4 8 1832), und 1834 schrieb er ein illustriertes Buch für die Jugend, »Minor Morals«, in welchem die utilitaristischen Prinzipien seines Lehrers in unterhaltsame Geschichten verpackt waren. Seine Karriere beschloß Bowring als hoher Regierungsbeamter im fernöstlichen Machtbereich des British Empire.1 Bowring war ein Produkt der Epoche, die zu ihrer Zeit in England, von der Lehre Benthams und seiner Anhänger geprägt, als age of improvement2 galt, ein in die Zeitläufte eingreifender Mann zwischen den Welten der Wirtschaft und des Geistes, zwischen England und dem Kontinent, zwischen Philosophie und Politik und als solcher prädestiniert, den Beziehungen zwischen Kunst und Industrie bei seinen Beobachtungen über Stand und Entwicklung der französischen Seidenherstellung besondere Beachtung zu schenken und sie vorsichtig zu verallgemeinern. In seinem Bericht konstatierte er zunächst, daß all jene französischen Produkte, bei denen es wesentlich auf Geschmack und Schönheit ankäme, den entsprechenden englischen überlegen seien: »Ich glaube nicht, daß England im Bereich modischer Bänder und textiler Modewaren überhaupt mit Frankreich mithalten kann. Als allgemeines Prinzip stellte ich fest, daß in allen Bereichen, in denen Geschmack und Schönheit einen wesendichen Anteil an den Produktionskosten ausmachen, zur Zeit keine Chance zum Erfolg im Wettbewerb besteht; genau wegen dieser Überlegenheit aber sind diese Modewaren und Bänder hier erwünscht, nämlich als Quelle der Belehrung und Verbesserung.« 3

Und weiter bemerkte er: »Wettbewerb muß überall befürchtet werden, wo Geschmack einen wesendichen Anteil an der Produktion h a t ; . . . es herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß der Geschmack in Frankreich sehr viel weiter vorangeschritten ist als der englische.« 4

Dies trotz der Tatsache, daß die englische Industrie technisch weit besser ausgestattet und in größerem Maßstab arbeitsteilig organisiert sei. So gebe es große Stoffmanufakturen und bereits erste Maschinenspinnereien, während die französischen Seidenweber und -spinner noch hausindustriell arbeiteten und die Fabrikation der Stoffe verlagsmäßig organisiert sei.5 Aber das beschwere die Lyoner Fabrikanten nicht, da diese die Musterung ihrer Stoffe als entscheidend für den Absatz ansähen, und nicht den Herstellungsprozeß. Diese Erkenntnis ließe sich auf weitere Industrien übertragen und dahingehend verallgemeinern, daß überall da, wo Kunst Teil des Herstellungsprozesses sei, diese in Frankreich groß herausgestellt und ausgenützt werde.6 So müsse der Geschmack als entscheidender Fak30

tor nicht allein fur die Überlegenheit dieser, sondern auch anderer Konsumgüterindustrien angesehen und gefragt werden, wie diese zustande komme, wolle die englische Industrie nicht weiter zurückfallen. Die französischen Fabrikanten seien sich dieser Tatsache wohl bewußt: »allgemeine Überzeugung in Frankreich ist, daß ihr Außenhandel völlig von der überlegenen Schönheit ihrer Waren abhängt, und sie sind ängstlich darauf bedacht, alles zu tun, um das Bewußtsein dafür zu erhalten; täglich werden von überall Informationen eingeholt, und das ganze Verlangen sämtlicher Fabrikanten zielt darauf, in Dingen des Geschmacks besseres als ihre Nachbarn zustandezubringen, denn sie merken, daß sie in anderer Beziehung ziemlich zurückgeblieben sind: nachdem ein Geschmack kreiert wurde, verfugen sie über keine anderen Vorteile; ihre Webstühle zum Beispiel sind häufig in einem heruntergekommenen und zurückgebliebenen Zustand, und nichts außer ihrer Überlegenheit in Geschmacksdingen ermöglicht es ihnen, erfolgreich Geschäfte zu machen.« 7

Dieser Geschmack zeichne sich, allgemein gesprochen, dadurch aus, daß er, auf die Herstellung von Dingen angewendet, jedesmal sowohl im formalen Arrangement wie in der Farbgestaltung Schönes hervorbrächte,8 im Konsum äußere er sich darin, daß das Mischen unterschiedlicher Stilformen oder nicht zusammenpassender Musterungen keinen Anklang fände, nur das werde geschätzt, was pure and classical sei.9 Geschmack fände nicht bloß in der gewerblichen Produktion, sondern im alltäglichen Lebenszusammenhang der Bevölkerung seinen Ausdruck: »Ich denke, kein Bürger kann je durch Frankreich gereist sein, ohne wahrzunehmen, wieviel Geschmack sich schon im Herrichten eines Bettes oder in der alltäglichen Kleidung der Bevölkerung zeigt; Geschmack reicht bis zu den niedersten Klassen der Gesellschaft hinunter, und in dieser Beziehung gibt es einen bemerkenswerten Unterschied zwischen ihnen und solchen vergleichbarer Stellung in diesem Land; tatsächlich ist Geschmack in Frankreich billig, während er in England teuer ist.«10

Diese Eigenschaft sei aber kein angeborener Teil des Nationalcharakters, sondern Ergebnis einer allgemeinen Bildung: »ihre nationale Erziehung ist der Produktion von Kunstwerken unzweifelhaft günstiger als die englische; bei unserer Arbeiterklasse ist beinahe aller Genius verschüttet, während er in Frankreich produktiv ist.«11

Sie werde zuallererst dadurch bewerkstelligt, daß Kunstsammmlungen in Frankreich, gleich ob Werke der Malerei, Statuen oder Kupferstiche, von der Regierung öffentlich zugänglich gemacht worden seien, um die Entwicklung eines guten Geschmacks in der ganzen Nation zu fördern.12 Die Bevölkerung werde ausdrücklich ermutigt, sich der öffentlich zugänglichen Kunst unbefangen zu nähern, und sie nehme jede Gelegenheit gern und ausgiebig wahr. So seien alle diese Einrichtungen Sonntags gedrängt 31

voll mit Arbeitern, Kunst liege gleichsam in der Luft, und die ganze Nation werde ihr ausgesetzt. 13 Diese Art des allgemeinen Umgangs mit Kunst habe dazu gefuhrt, daß sie dort mit Ehrfurcht behandelt werde, während die englischen Arbeiter, von denen sie abgeschirmt werde, ihr gleichgültig gegenüberstünden. 14 Kunst konnte also nach Bowrings Ansicht eine zivilisatorische und gesellschaftlich integrierende Wirkung entfalten, eine Wirkung, die über das ästhetische Interesse und den gebildeten Geschmack der arbeitenden Bevölkerung mittelbar zur höheren Qualität der französischen Industrieprodukte wesentlich beitrage: »die Tatsache, welche mir in Frankreich am meisten auffiel war die Art, in welcher der Geschmack hervorgebracht wurde, und ich war außerordendich überrascht, daß die Weber, deren Kinder und überhaupt alle, welche mit der Herstellung von Musterungen beschäftigt waren, jedem Gegenstand Aufmerksamkeit schenkten, der in irgend einer Weise mit Schönheit, sei es der Form oder der Farbe, verbunden war. Ich habe die Weber immer wieder spazieren gehen und Blumen pflücken sehen, die sie in der vorteilhaftesten Weise arrangierten. Ich fand sie ihren Meistern ständig Verbesserungen in den Dessins vorschlagend; und mir wurde gesagt, daß zu fast jedem großen Erfolg eines Unternehmers einer in dessen Fabrik beigetragen hatte, der der Schöpfer schöner Dinge war; heute existiert in Lyon keine Firma von Ansehen ohne einen Mitinhaber, der seine Position seinem großen Erfolg beim Studium der Kunst verdankt«. 1 5

Die ästhetisch sensibilisierten, gewerkschaftlich organisierten und relativ gut bezahlten Arbeiter und die Kleinmeister beteiligten sich mit eigenen Vorschlägen und Kommentaren am Fabrikationsprozeß und trügen dadurch wesentlich zum geschäftlichen Erfolg der Unternehmer bei. 16 In dieser allgemeinen Geschmacksbildung der Bevölkerung und der ästhetischen Kompetenz der Arbeiter insbesondere lag für Bowring der wichtigste Grund für die Überlegenheit der französischen Industrie gegenüber der technisch hochgerüsteten, aber von ungebildeten Massen in Gang gehaltenen englischen. Die Möglichkeit für begabte junge Männer zu einem kostenlosen, geordneten Studium der Künste für die Zwecke der textilen Musterung der Seidenwaren war der zweite wichtige Grund für die Überlegenheit speziell der Lyoner Industrien. Ein fünfjähriges Curriculum umfasse Klassen in Anatomie, Botanik, Architektur, menschlicher Gestalt, Kunstgeschichte und Kunsttheorie und schließlich Angewandter Kunst und Webtechnik, die Lehrkräfte hätten sich auch als Künstler einen Namen gemacht. Die Absolventen seien nicht verpflichtet, für die Lyoner Fabrikanten zu arbeiten, da sie aber gut bezahlt würden und da ein Lebensunterhalt als freischaffender Künstler weit schwieriger zu beschaffen sei, gingen die meisten von selbst in die Industrie. Ihre Bedeutung steige mit den Ansprüchen der Konsu32

menten und mit der wachsenden Geschwindigkeit, mit der die Fabrikanten nouveautis auf den Markt brächten. 17 Bei modischen Seidenbändern wechselten nach der Aussage eines französischen Modewarenhändlers, der sich in England niedergelassen hatte und vor allem fashionable ladies bediente, die Muster und Moden inzwischen alle Monate. Zunächst würden auf speziellen Webstühlen Musterstücke angefertigt, zu Kollektionen zusammengestellt und damit Aufträge akquiriert; nach Eingang der Bestellungen würde dann mit der Produktion begonnen. Die bei einer derartig flexiblen Produktionsweise, welche zu einer ständigen Umrüstung der komplexen Jacquardstühle zwang, erforderlichen technischen Kenntnisse konnten sich angehende Webermeister auf speziellen Schulen erwerben, die außerdem ebenfalls Geschmacksbildung betrieben. 18 Bowring folgerte aus seinen Reiseeindrücken, daß es kein bloßes Vorurteil, sondern dieser allgemeinen und zugleich speziellen Geschmacksbildung zu verdanken sei, dieser Bewunderung fur schöne Dinge, aus welcher die Herstellung schöner Produkte folge, wenn die Industrieprodukte Frankreichs im Ausland so begehrt seien.19 Sollte diese Lektion beherzigt und Geschmacksbildung auch in England installiert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Die Kommentare von Industriellen und Kaufleuten zu Bowrings Bericht waren zwiespältig. So wurde bemerkt, bis 1 8 2 5 , als die Einfuhr französischer Waren offiziell gestattet wurde, habe entgegen allgemeiner Auffassung der Markt für englische Seiden besser floriert als der für Baumwollstoffe, aber der Anteil von Modewaren habe nur ein Viertel betragen, und sei seitdem wegen der französischen Konkurrenz bis auf ein Zehntel zurückgegangen. Obwohl cottons seitdem stärker am Markt seien, sei der Seidenanteil absolut weiter gewachsen. Dies trotz der Tatsache, daß mittlerweile französische Seidenbänder nicht mehr nur in großstädtischen Modeläden, sondern auch auf dem Lande verkauft würden. Die Muster der gängigsten Modewaren würden nämlich in England sehr rasch kopiert und auf engine looms in großen Stückzahlen fabriziert; die Händler bevorzugten solche englische Ware wegen ihrer Qualität und der kurzen Lieferfristen. Außerdem seien die meisten in England verlangten Stoffe und Kurzwaren von einfacher Qualität und damit modischen Wechseln weit weniger unterworfen, dafür aber besser in großen Stückzahlen preiswert herstellbar - die Stärke der englischen Industrie. 20 Andere argumentierten, der angeblich bessere Geschmack der französischen Waren beruhe auf einem Vorurteil, in Wirklichkeit seien die englischen Dessins gleichwertig und könnten sogar noch besser sein, wenn der rasche Modenwechsel nicht den Entwurf besserer, aufwendigerer Dessins verhindere.21 Dabei klang die Auffassung durch, insofern dieser rasche Modenwechsel indirekt auf Bildungsinvestitionen der französischen Regie33

rung beruhte, sei das als Subvention einzustufen und kompensatorisch Schutzzoll zu erheben. Das Hin und Her des Disputs, welcher von den Befürwortern des Freihandels, zu denen Bowring selbst gehörte, bestimmt wurde, lief schließlich darauf hinaus, daß höchstens einige Händler und Fabrikanten in der Krise steckten und das, weil sie sich von der Geschmackstyrannei modebewußter Käuferinnen zu abhängig gemacht hätten, daß die Bänderfabrikation in England im Prinzip in der Lage sei, mit den französischen Importen auch in Bezug auf Geschmack mitzuhalten, wenn sie ihre Wettbewerbsvorteile nur richtig ausnutzte und sich modischen Tendenzen nur richtig anpaßte. Investitionen in eine breite Geschmacksbildung der Arbeiter seien dafür überflüssig. Allerdings gewann in England allmählich die Einschätzung an Boden, den geschmacklichen Vorsprung der französischen Konsumgüterindustrien aufzuholen und die künstlerische Qualifikation von Arbeitern durch die Installation entsprechender Einrichtungen zu heben. 22 1835 und 1 8 3 6 beschäftigte sich ein Parlamentsausschuß, »appointed to inquire into the best means o f extending a knowledge o f the arts and o f the principles o f design among the people (especially the manufacturing population) o f the country; also to inquire into the constitution, management and effects o f institutions connected with the arts«,23 mit diesem Problem. Dessen Mitglied Bowring bestätigte noch einmal die französische Überlegenheit in Geschmacksdingen und machte die Bedingungen hierfür anschaulich: »etwas muß man dem Nationalcharakter der Franzosen zugestehen, ihre große Unruhe und Liebe zum Wechsel, ihre mobilite, ..., die ständig neue Dinge erfindet und zugleich die Nachfrage nach neuen Dingen. ... die Umstände, welche sie umgeben, sind dem Kunststudium und der Kunsdiebe sehr förderlich; ihre öffentlichen Sammlungen und Museen sind überall zugänglich und werden von der arbeitenden Bevölkerung stark frequentiert. Ihre Architektur ist sehr verschiedenartig und macht große Fortschritte. Sogar die Behausungen der Leute sind nicht nach einem einheitlichen Schema gebaut. In ihren Kirchen befinden sich schöne Gemälde, bewunderungswürdige Plastiken, gute Musik... die gewöhnlichen Betten und Möbel in ihren Häusern sind viel graziöser als hierzulande und zeigen häufig viel Geschmack und Varietät. Die Kleidung der Leute in einigen Gegenden des Landes muß jedem aufmerksamen Reisenden dadurch aufgefallen sein, daß sie in all ihrer Unterschiedlichkeit häufige und erstaunliche Beispiele einfacher und zugleich schmückender Bekleidung darstellt, was für weite Verbreitung von Geschmack und Takt spricht. Ich denke schließlich, daß das mehr nach draußen strebende Leben der Leute, ihr unmittelbarerer und beständigerer Kontakt mit solchen Kunstwerken, die überall dort vorhanden sind, wo zivilisierte Menschen sich versammeln, auf die nationale Überlegenheit in Geschmacksdingen Einfluß gehabt hat.« 24

Neben der empirischen Information, dem Stil der wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung und dem tatsächlich geleisteten Aufbau eines ge-

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werblichen Zeichenschulwesens und einer geschmacksbildenden Kunstöffendichkeit zum Zwecke der Gewerbeförderung in England 25 sind zwei Dinge an den Berichten und Debatten bemerkenswert: - zum einen die Art und Weise, wie sich dem utilitaristisch geschulten Blick des Berichterstatters Kunst und Geschmacksbildung als Produktionsfaktoren, deren Kosten und Ergebnisse kalkulierbar waren, und zugleich als Instrumente der Berechnung des Konsumentengeschmacks darstellten; darüber hinaus wurden sie als Mittel des improvement, der unablässigen zugleich gesellschaftlichen und persönlichen »Verbesserung«, einer Effektivierung des eigenen Einsatzes und einer Planung der Ergebnisse und damit als Voraussetzung des Fortschritts betrachtet, 26 während jeder Anschein des zweckfrei-ästhetischen Genusses ebenso strikt ausgeschlossen wurde wie andere Bildungsziele, etwa die anschauliche Vermittlung von Symbolen für politische Inhalte und geschichtliches Bewußtsein; - zum anderen aber strukturelle Unterschiede zwischen der französischen und der britischen Industrie, welche vom Berichterstatter und von den Kommentatoren weder als Besonderheit der Seidenindustrie noch als Stufen einer linearen Entwicklung, sondern als konkurrierende Modelle der industriellen Organisation wahrgenommen wurden. So wurde im offiziellen Bericht über die französische Industrieausstellung von 1834 ein prinzipieller Gleichstand in der Entwicklung der Textilindustrien trotz struktureller Differenzen konstatiert und in der andauernden Konkurrenz beider Typen der entscheidende Grund fur den rasanten Fortschritt in der industriellen Entwicklung gesehen: »Diese fast austarierte Gleichheit stimuliert unglaubliche Anstrengungen bei den Engländern und bei unseren Mitbügern; bei uns, um zu niedrigen Preisen die Finesse ihrer Baumwollstoffe zu erreichen; bei ihnen, um den guten Geschmack und die Schönheit unserer Seidenstoffe zu erzielen. Wenn in diesem Gleichschritt eines der Völker nur einen Moment innehielte, würde es vom anderen vernichtet. Es ist ihre jeweilige Überlegenheit, welche jedes von ihnen dazu verdammt, sich in jedem Moment selbst zu übertreffen, um nicht vom anderen übertroffen zu werden.« 2 7

Dem englischen Modell einer technisch hochgerüsteten, auf die Produktion großer Stückzahlen niedriger oder mittlerer Qualität ausgerichteten, innerhalb großer Einheiten stark arbeitsteiligen, mit unqualifizierten Arbeitskräften Basis-Artikel für den Massengeschmack produzierenden und auf Preiskonkurrenz spekulierenden Konsumgüterindustrie 28 stand das französische gegenüber, mit einer breiten Skala alter und neuerer Technik für die Herstellung einer Vielzahl differenzierter Serien ausgestattet, in kleinen Einheiten mit hochqualifizierten, flexiblen Fachkräften modische Ware einer gehobenen Qualität und einer breiteren Preisskala für den kultivierten Geschmack des modernen Bürgertums produzierend, Luxus für die Masse also. 29

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Der Unterschied zwischen beiden Modellen läßt sich am besten anhand zweier typischer Produktionstechnologien verdeutlichen. Die Textilindustrie spielte in der ersten Phase der Industriellen Revolution in beiden Ländern eine Schlüsselrolle, die mit der Mechanisierung des Spinnens begann. In England wurde sie ab 1787 mit dem maschinellen Weben von Baumwollstoffen abgesichert; durch die Koppelung von immer mehr Webstühlen an einen Dampfantrieb, deren Produktivität sich, verglichen mit der ebenfalls technisch verbesserten Handweberei, rasch erhöhte, deren Zahl sich von 1814 bis 1850 von 2.400 auf 250.000 mehr als verhundertfachte und mit denen bis 1840 vier Fünftel aller Baumwollfabriken ausgerüstet waren, wurde die Produktion von Kottonen innerhalb weniger Jahrzehnte rasant erhöht und die ganze Welt mit billigen Baumwollstoffen versorgt. 30 Dagegen verzögerte sich in Frankreich nicht nur durch Kontinentalsperre, Krieg und eine Vielzahl anderer Faktoren die Verbreitung der gleichen Produktionstechnik des maschinellen Webens - erst 1815 sollte die erste Dampfmaschine zum Maschinenantrieb eingesetzt werden -, 3 1 sondern die Industrialisierung nahm überhaupt einen anderen Weg. 32 Dessen wichtigste Technologie auf textilem Sektor war anfangs des Jahrhunderts vom Franzosen Jacquard erfunden worden: ein Webstuhl, der das Musterweben durch weitgreifende Verbesserungen so erleichterte, daß nur noch ein statt bisher zwei Arbeiter an einem Stuhl arbeitete, daß die Produktion gemusterter Stoffe sich trotzdem erhöhte und daß Musterwechsel rasch bewerkstelligt werden konnten. 33 Der Jacquardstuhl war also ein wichtiger Entwicklungsschritt der Webtechnik, genau so wie der Maschinenwebstuhl, aber der Schritt in eine andere Richtung, die der Qualitätsindustrie, welche andere Organisationsformen erforderte und der französischen Industrie ein anderes Gesicht gab. Innerhalb weniger Jahre wurde damit die während der Revolution zerstörte Lyoner Seidenindustrie ausgerüstet, wo in den 1830er Jahren rund 10.000 Stühle in Betrieb waren; 34 die Technik verbreitete sich in allen französischen Textilzentren und auch in andere Länder. Nach der Anmerkung eines Fabrikanten zu Bowrings Bericht war er 1823 in England eingeführt worden und hatte in Coventry bis 1831 alle anderen Musterwebstühle ersetzt. 35 Anders als der englische Maschinenwebstuhl jener Zeit war er nicht nur für Baumwolle, sondern für viele andere Gespinnste ebenso geeignet. Als komplexe technische Aggregate waren beide gleichermaßen Gegenstand zahlreicher Verbesserungen und Anpassungen an neue Aufgaben. Ein Gang durch die Pariser Industrieausstellung von 1834 fuhrt das von der qualitätsorientierten Konsumgüterindustrie geprägte Profil der französischen Industrie am besten von Augen. 2 4 3 7 Aussteller aus 64 Departements zeigten der in Massen strömenden in- und ausländischen Öffentlichkeit ihre Waren auf dem Place da la Concorde in vier großen Pavillons 36

Abbildung 1: Klavier und Serviceteile aus Plaque (einer Verbindung aus Kupfer- und dünnem Silberblech, welches Silbergeschirr erheblich billiger im Materialpreis und dadurch für weitere Kreise erschwinglicher machte), in: Flachat, Industrie, S. 86 rechts.

Abbildung 2: Bett von Henri und Claude-Aime Chenavard, in: Flachat, Industrie, S. 75 links.

einem für Maschinen, Werkzeuge und landwirtschaftliche Geräte, einem anderen für chemische Produkte, Farben, Steingut, Glas- und Porzellanwaren, einem dritten für Stoffe der verschiedensten Art und schließlich einem für Luxuswaren, Bronzen, Musikinstrumente, Schmuck, Möbel und anderes. 36 Die Ausstellungsbeschreibungen machen deutlich, daß die teils industrielle, teils manufakturielle, teils hausgewerbliche Herstellung differenzierter Produkte für den modernen bürgerlichen Konsum nicht eine Besonderheit der Lyoner Seidenfabrikanten, 37 sondern das vorherrschende Merkmal der französischen Industrie war, auch wenn es große Fabriken etwa im Textilbereich, für Bronze- und Silberwaren, Glas, Steingut und Porzellan gab, die billige Gebrauchsware herstellten. In der Hauptsache war diese Qualitätsindustrie auf der Ausstellung vertreten, und aus den Beschreibungen einiger Fertigungsabläufe läßt sich entnehmen, daß sie sich wie die Seidenindustrie moderner Maschinen, Verfahren, Roh- und Hilfsstoffe wie zum Beispiel Chemikalien und gleichzeitig alter handwerklicher Techniken bediente. 38 Dies galt beispielsweise für die Herstellung von Kaschmirschals, einem Hauptbestandteil weiblicher Kleidung seit der Empirezeit, seit sie als exquisiter Luxusimport aus dem Orient das Flattergewand der Damenwelt modisch ergänzten. 39 Mit Hilfe modifizierter Jacquardstühle gelang es, sie zu Preisen zu imitieren, die sie für breitere Kreise erschwinglich machten, nachdem spanische Merinoschafe, persische und kirgisische Ziegen, welche die passende, feine Wolle lieferten, in Frankreich von Fabrikanten heimisch gemacht worden waren. Guillaume-Louis Ternaux (1763-1833) war von allen Unternehmern auf diesem Gebiet derjenige, dem von den Zeitgenossen der größte Verdienst um die Etablierung dieser Fabrikation zugesprochen wurde, 40 die er systematisch aufbaute, für die er Maschinen entwickeln ließ, Fabriken in den Ardennen, im Marnetal, bei Louviers und andernorts gründete und deren Produkte er über Handelsniederlassungen in Livorno, Neapel, Cadiz und St. Petersburg praktisch auf der ganzen Welt verkaufte. 41 In den 1830er Jahren wurde sie in Lyon, Paris und Nimes in großem Ausmaß auf modifizierten Jacquardstühlen betrieben. 42 1827 wurden in Paris Waren der Branche im Wert von dreißig Millionen Francs abgesetzt, und ihr Ausfuhrwert, bei bis zu vierzig Prozent gefallenen Preisen, war zwischen 1831 und 1833 um zwei Drittel auf gut fünf Millionen Francs gestiegen. 43 Außerdem war Ternaux Pionier der Konfektionskleidung für Männer, die er in einem eigenen Magazin vertrieb. 44 Weitere wichtige Qualitätsindustrien auf dem Textilsektor waren die Herstellung von Kasimirs, einem preiswerten Modestoff aus Wollköper, 45 und von gemusterten Leinendamasten, deren Herstellungstechnik Ingenieure der napoleonischen Armee auf ihrem Durchmarsch der schlesi39

sehen Industrie abgesehen hatten.46 In den vierziger Jahren gab es allein in Paris achtzig Musterateliers, in denen angestellte Entwerfer mit künstlerischer Grundausbildung Saison fur Saison Dessins für Textilien und Tapeten entwarfen, unter denen die Fabrikanten wählen konnten, um sich Rechte daran zu erwerben.47 In der Textilbranche war deshalb vermutlich mehr als ein Fabrikant auch kunsthistorisch gebildet.48 Ein wichtiges Beispiel der Metallindustrie stellte die Bronzewarenindustrie dar, die allein schon in Paris mit zweihundert Werkstätten vertreten war, von denen fünfzehn ihre Produkte ausstellten: teilweise vergoldete Statuen, Uhrengehäuse, Möbelappliken, Leuchter und so fort, teils teure Luxusgegenstände, teils bescheidener Luxus für die mittleren Klassen, die jährlich Waren im Wert von über zwanzig Millionen Francs produzierte, wovon sieben oder acht Millionen an ausländischer Nachfrage verdient wurden, wo keine vergleichbare Industrie existierte, deren Techniken insbesondere von Forschungen für die Rüstungsindustrie Napoleons, aber auch von Untersuchungen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes für die Arbeiter profitiert hatten.49 Ein weiteres wichtiges Beispiel war die Herstellung von Papiertapeten, wobei maschinell hergestelltes Endlospapier verwendet werden konnte, die Musterungen durch gravierte, dampfgetriebene Kupferzylinder statt der umständlichen Holzmodel erzielt wurden und durch verschiedene Techniken Farbnuancierungen ohne Übergänge möglich waren. So stellte einer der größten Industriellen, Jean Zuber aus Mühlhausen, in dessen Fabrik zweihundert Arbeiter jährlich zweihunderttausend Tapetenrollen produzierten, ein Tapete mit einem Rapport von neun Metern Länge aus, eine Landschaft, auf der die Farbnuancen des Himmels und der Berge und sogar der von Pferdehufen aufgewirbelte Staub durch ein mechanisches Verfahren erzielt worden waren, und erhielt dafür eine Goldmedaille. Dem Berichterstatter schien sein Verfahren die Grundlage für eine Industrialisierung der Malerei zu eröffnen. 50 Ein anderer Aussteller bezog die Vorlagen für seine Tapeten unter anderem aus den Abbildungen der Wandmalereien von Pompeji, die sich großer Popularität im Bürgertum erfreuten, und erhielt dafür ebenfalls einen Preis.51 Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen mit der Möbelindustrie, der Blechwarenherstellung oder den Teppichmanufakturen, ohne daß sich damit wesentlich mehr über die Spezifik der französischen Gewerbe insgesamt sagen ließe. Die Ausstellung lieferte ein Bild, in tableau der nationalen Industrie, dessen Repräsentativität schwer zu überprüfen ist, welches sich aber bündig in die Beobachtungen reisender Zeitgenossen52 einfügt und durch Handelshandbücher53 und statistische Kompendien54 ergänzen läßt. Fest steht, daß Maschinen und fabrikindustrielle Massenware einerseits, kleingewerbliche Produkte andererseits neben den Konsumgütern für das 40

moderne Bürgertum und neben Luxusgütern auf den Ausstellungen nur ungenügend vertreten waren. Vor allem aber muß das tableau um Produkte ländlicher Verlagsindustrien erweitert werden, welche die Statussymbole des modernen bürgerlichen Konsums - Möbel, Besteck, Geschirr, Teppiche, Tapeten, Nippes - durch wesentliche Kleinigkeiten ergänzte: Rauchutensilien, Nähzeug, Spielzeug, Spitzen, Borten und Bänder, Korsetts und tausend Dinge mehr. Es handelte sich dabei meistens um Produkte eines seit der Revolution neu entstandenen häuslichen Gewerbefleißes,55 von welchen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts aus fast jedem Departement etwas geliefert wurde. 56 Allein im Departement Oise, nahe Paris gelegen, gab es neben der Herstellung solcher Tabletteriewaren aus Elfenbein, Holz und Perlmutt nebeneinander Fabriken für sowie häusliche Fabrikation von Woll- und Baumwollgewebe, Druckmousseline und Kaschmirschals, Strumpfwirkerei, Verfertigung von Fransen, Borten, Bändern und Garnknöpfen, Seidenspitzen, Handschuhnäherei, Teppichherstellung, Roßhaarpolsterei, Porzellan-, Steingut- und Fayenceherstellung, Buntmetallwalzwerke und Drahtzüge, Bleistiftfabrikation.57 Der württembergische Ökonom Moriz Mohl ( 1 8 0 2 - 1 8 8 8 ) mußte 1845 wie vor ihm schon Bowring erkennen, daß »in dieser Fabrikation alles auf dem persönlichen Geschicke, Geschmacke und künsderischen Talente der Fabrikanten und ihrer einzelnen Arbeiter beruht, und ... derselbe Gegenstand nicht allein in unendlich verschiedener F o r m dargestellt werden kann, sondern es auch im Interesse der Künstler liegt, ihn so verschieden, so neu und eigenthümlich als möglich darzustellen«. 58

Durch solche Reiseberichte und Landesbeschreibungen wie auch durch die Serie der Ausstellungsberichte von 1 8 1 9 - 1 8 5 0 verstärkt sich der Eindruck, den Bowring anhand der Lyoner Seidenindustrie formuliert hatte und mit anderen ökonomisch kompetenten Zeitgenossen teilte, die französische Konsumgüterindustrie sei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu England technisch rückständig, aber ein großer, in sich äußerst vielfältiger Sektor von besonderer Dynamik gewesen, auf ihre Art modern und ein zwar quantitativ weniger produktives, jedoch durch die Qualitätsorientierung durchaus konkurrenzfähiges Gegenstück zur englischen, auf einem eigenen Weg in die Industrialisierung begriffen 59 und mit einer Entwicklungsperspektive, welche sie nicht zum wenigsten der Verbindung von Kunst und Gewerbe verdankte.

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2. Die Französische Revolution und der Beginn der modernen Konsumgesellschaft Nach dem Selbstverständnis französischer Wirtschaftspolitiker rührte das spezifisch französische Modell der Konsumgüterindustrie weniger von wirtschaftsgeographischen Bedingungen oder gewachsenen Strukturen her, sondern war primär durch das politische Epochenereignis der Französischen Revolution und dessen negative ökonomische Folgen bedingt, nämlich der Zerstörung von Vermögen und Absatzwegen, welche indes durch einen kulturellen Modernisierungsschub mehr als ausgeglichen wurden. 1 Die Ausstellungsberichterstattung jedenfalls ist von dieser Anschauung durchzogen. Ausfuhrlich wurde sie in einem dem Jury-Bericht von 1834 vorangestellten Rückblick auf die französische Ausstellungsgeschichte als Wirtschafts- und Kulturgeschichte unter dem Titel »Progres de l'industrie nationale, depuis l'origine de la Revolution Fra^aise« 2 an historischen Beispielen entfaltet. Es handelte sich um einen Rückblick auf ein halbes Jahrhundert, beginnend nicht 1789, sondern schon sechs Jahre früher, als mit französischer Hilfe die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten und die Freiheit der Meere den Warenexport im großen Stil erlaubte. Verfaßt war er von Baron Charles Dupin (17841837), dem Berichterstatter und Vizepräsidenten des Ausstellungskomitees, Professor am »Conservatoire des Arts et Metiers«, einem technischen Museum und zugleich einer international renommierte Ausbildungsstätte fur Techniker und, seit der Juli-Revolution, ehemaliger Minister, Staatsrat und Pair de France. Sechs Jahre älter als Bowring, hatte der Marineingenieur aus Varzy, ehrgeiziger und fleißiger Absolvent der ersten Generation an der »Ecole Polytechnique«, der Kaderschmiede für das militärische und zivile Ingenieurwesen des napoleonischen Empire, den Höhepunkt seiner trotz der politischen Umstürze, in denen er politisch agiert hatte, nie ernsthaft gefährdeten Laufbahn erreicht. Nach seiner Rückkehr ins Vaterland 1812 arbeitete er am »Journal de l'Ecole Polytechnique« mit, in dem die französische Elite der Naturwissenschaftler und Ingenieure publizierte, und schrieb 1815 gegen die Restauration an, was ihn dann zu einem längeren Aufenthalt in England nötigte, wo er Studien über die Marine, das Militärwesen und die Wirtschaft des Königreiches betreiben konnte, bevor er 1819 von der bourbonischen Administration zum Professor ernannt wurde. Als Abgeordneter hatte er danach, zum Parteigänger der Liberalen geworden, wieder in die Politik zurückgefunden. 3 Dupin war, um es kurz zu sagen, durch Zeitumstände und Zielstrebigkeit zu Schlüsselqualifikationen gelangt, welche ihm, strategisch eingesetzt, im Laufe bewegter Jahre zu Positionen in der staatlichen Admi42

nistration, in der politischen Klasse und im intellektuellen Leben der Hauptstadt verhelfen sollten, die es ihm erlaubten, stellvertretend ein Bild der französischen Wirtschaft zu inszenieren, welches dem Selbstverständnis von Wirtschaftsbürgern und Regierung entsprach, und dieses Bild in Worte zu fassen, welche dasselbe nach innen und außen in einer offiziellen, von der »Imprimerie Royale« gedruckten Publikation gültig formulierten. Diese Publikation wiederum fügt sich ohne Bruch der Serie vorheriger und späterer Ausstellungsberichte bis zur Jahrhundertmitte ein. 4 Anders formuliert: die Darstellung des Barons, die sich nach dessen Angaben auf die Beobachtung der vorherigen Ausstellungen und ihrer tableaux stützte, läßt sich über weite Strecken als Ensemble vorgeprägter Sentenzen und kollektiver Wahrnehmungen lesen, die sich von Ausstellung zu Ausstellung, von Ausstellungsbericht zu Ausstellungsbericht weiter verfestigten. Dupin stellte die ausgestellten Waren als Produkte der nationalen Industrie dar und setzte diese nützlichen Künsten, arts utiles, gleich, worunter er konkrete Arbeit zur Herstellung von Gebrauchswerten verstand: »Die nationale Industrie stellt die Produktivkraft der Bürger und des Staates dar, welche zur Befriedigung privater und öffentlicher Bedürfnisse eingesetzt wird. Ihr eigendiches Ziel ist es, die Existenz jedes einzelnen und die Verteidigung des Staates zu ermöglichen; das Leben des Menschen zu zieren und das Vaterland mit Produkten zu schmücken, welche die Gabe zu gefallen und zu nützen in sich vereinigen, ist ein zusätzliches Ziel. ... Die Geschichte ... wird nichts als L o b und Segen für die Arbeit der Nützlichen Künste übrig haben. Die Erfindungen und Verbesserungen in den Verfahren jener Künste sind Wohltaten der Menschen der Epoche, von welcher das Spektakel der Industrie erinnert werden wird, welche sie an die Nachwelt weitergeben: anhand der Ausstellung von Produkten der Industrie eines halben Jahrhunderts lassen sich in groben Zügen die wichtigsten Werke vor Augen fuhren.« 5

Diese Arbeit ließ sich unterscheiden in die der arts alimentaires für die menschliche Subsistenz, der arts sanitaires für die Gesundheit, der arts vestiaires für die Bekleidung, der arts domiciliaires zu Wohnung und Möblierung, der arts locomotifs zum Transport von Menschen und Sachen, der arts sensitiß zum Gefallen der Sinne, der arts intellectuels zum Bilden durch Anschauung, der arts preparateurs für die Werkstoffe und schließlich der arts sociaux für den kollektiven Nutzen. Unter »Künsten der Ernährung« waren dabei wissenschaftlicher Land- und Gartenbau, landwirtschaftliche Geräte und Lebensmittelgewerbe zu verstehen, die »Gesundheitskünste« umfaßten chirurgische Instrumente, die Verbesserung der Trinkwasserversorgung, pharmazeutische Produkte und das Heilbadewesen, die »sensitiven Künste« alles, was dem Geschmack, dem Geruch, dem Gehör und dem Blick schmeichelte, also außer musikalischen Instrumenten und Bildenden Künsten auch Parfüm, Kochkunst und -zubehör, Tischund Zimmerschmuck, die »intellektuellen Künste« umspannten sowohl die

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graphischen Gewerbe als auch Mittel der Elementarbildung - darunter Vorlagenwerke für den Schreib- und Zeichenunterricht in Elementarschulen6 - und außerdem Uhren, Geräte zum Messen sowie die Fortschritte in den Bemühungen der französischen Regierung, international den metrischen Maßstab zu verbreiten. Zu den »sozialen Künsten« wurden Geräte für den Straßenbau, die Kommunikation und das Militär gezählt, die »Bekleidungs-« und die »Hauskünste« schließlich bezeichneten Textilgewerbe, Möbelindustrie, Metallwarenindustrie, Glaswaren und ähnliches mehr.7 Anhand der arts vestiaires legte Dupin dar, daß im vergangenen halben Jahrhundert, ausgelöst durch massiven Wechsel in den politischen Grundkonstellationen der Nation, die ökonomischen Verhältnisse und die gesellschaftlichen Lebensformen vier Entwicklungsphasen durchlaufen hätten; daraus seien vier vorherrschende Konsumstile entstanden, denen vier Stadien der arts utiles entsprochen hätten. Die erste Phase, zwischen dem Ende der Amerikanischen und dem Triumph der Französischen Revolution, habe noch die Merkmale der etablierten Ordnung gehabt: »die Bekleidungskünste blieben den Konventionen der alten Ordnung der Dinge verhaftet. Da die privilegierten Klassen den Staat dominierten, konzentrierte die Industrie ihre Anstrengungen und Verbesserungen darauf, ihnen zu gefallen. ... Bis 1 7 9 2 bestand der überwiegende Teil der französischen Exporte aus Luxuswaren fur Kleidung und Möblierung der Reichen. Bis dahin waren die einzigen Künste, in denen Frankreich gegenüber dem übrigen Europa einen Vorsprung hatte, die des Luxus, wie ihn ein eleganter Hof, ein reicher und stolzer Adel, eine dominierende und prunkvolle Kirche verlangten und pflegten.« 8

Dieser Zustand wurde durch die Revolution abrupt unterbrochen. Mit der Zerstreuung und Vernichtung der Vermögen waren der Luxusindustrie die ökonomischen und kulturellen Grundlagen entzogen und die ökonomische Existenz der Luxusindustrien und der dort Arbeitenden vernichtet. Aus der totalen Zerstörung der alten Strukturen entstanden jedoch durch den aus der Not geborenen Einfallsreichtum der freigesetzten KunstArbeiter und den Beginn eines breiter gestreuten, bescheidenen Wohlstands neue: »Hier, in den Arbeiten der Industrie, beginnt eine neue Revolution, die sich im Stillen abspielt. Alle diese Arbeiter, alle Künsder, welche ihr Luxusgewerbe nicht mehr ausüben können, weil der Gebrauch ihrer Produkte verboten ist, suchen Arbeit um zu leben, und sind dadurch gezwungen, ihre Fähigkeiten auf die Fabrikation ordinärer Waren anzuwenden. Der allgemeine Mangel erfordert von ihnen große Anstrengungen, wenn sie dem Elend entkommen wollen. Selbst der Krieg und dessen immenser Verbrauch an Waffen und Kleidung führt zu technischem Fortschritt, welcher definitiv den kleinen Konsumenten zugute kommt.« 9

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Nach dem Zwischenspiel des Directoire, in welchem der geschmacklose Luxus und die verschwenderische Lebenslust einer neureichen Klasse die Lebensformen beherrschte, wurden schließlich seit 1798 auf den ersten Industrieausstellungen die Umrisse einer Industrie Nationale sichtbar, welche die arts utiles systematisch auf die Bedürfnisse jener petits consommateurs ausrichtete und beispielsweise Kleidungsstücke herstellte, die nicht kostbar und prächtig, sondern »gesund, bequem, solide, angenehm zu betrachten und zu tragen und dennoch preiswert« sein sollten, wie zum Beispiel Baumwollstoffe. 10 Im historischen Rückblick breitete Dupin die Palette der auf den folgenden Industrieausstellungen ausgestellten Produkte der neu entstehenden Industrien aus - die nächsten Ausstellungen hatten 1801 und im Jahr darauf stattgefunden, zwei weitere 1 8 0 6 und 1 8 0 9 und schließlich ab 1 8 1 9 im dreijährigen Turnus noch drei11 - und verband sie mit Hilfe seiner Klassifikation der Bedürfnisse der bürgerlichen Gesellschaft zu einer Beschreibung der neuen Konsumkultur des tiers itat. Diese umfaßte außer einer Vielzahl Stoffqualitäten in unterschiedlichsten Dessins aus alten und neuen Textilzentren jeden Gegenstand des Interieurs in Bauten, deren Gestalt und Ausstattung sich gegenüber früheren Zeiten, bedingt durch eine Nivellierung der Lebensbedingungen ebenfalls grundlegend gewandelt hätten und in allen Klassen, in Stadt und Land eleganter, regelmäßiger und geschickter aufgeteilt, gesünder, besser beheizt und beleuchtet seien. 12 Für die Ausstattung der Räume gebe es dank der Fortschritte in der industriellen Fabrikation alle Arten Verschönerungen zu erschwinglichen Preisen, seien es Säulen, Geländer oder Skulpturen aus Gußeisen, Stuckierungen, Ornamente aus Pappmache, auch die Holzbearbeitung sei teilweise mechanisiert, Möbel daher billiger. Teppiche fänden sich jetzt überall, sie würden in allen Preislagen hergestellt, ebenso Vorhänge, Möbelstoffe, Gardinen, Porzellan, Spiegel und Tapeten. 13 Die Lithographie, seit 1815 in Frankreich eingebürgert, 14 erlaube nicht nur, mit einer einfachen Methode Irdenwaren, Stoffe, lackierte Blechwaren und eine Vielzahl anderer Materialoberflächen zu verzieren, sondern mit ihr ließen sich auch billige Kopien von Kunstwerken herstellen, welche sich zum Wohnungsschmuck eigneten. Auch die Kupferstecherei liefere Kopien von Kunstwerken, darunter so bemerkenswerte Serien wie das »Musee Napoleon«. 15 Mitte der dreißiger Jahre war dieses moderne Konsumieren nicht auf die Haushalte französischer Bürger beschränkt, 16 sondern in Europa und in den kulturell europäisch dominierten Gegenden in Übersee zu finden.17 Der moderne französische Geschmack bestimmte darüber hinaus bereits unmittelbar auch den Markt für einfache Konsumgüter: »Auch bei den Gegenständen wahren Bedürfnisses zieht der Käufer mit Recht das Schöne dem minder Schönen vor, und wer glauben wollte, daß etwas nicht schön zu

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sein nöthig habe, weil es einem wirklichen Bedürfnisse diene, würde sich in einem großen Irrthume befinden, in einem Irrthume, der gewerblich und commerziell verderblich wird«. 18

Das von Dupin so euphorisch beschriebene Kulturmuster des modernen Konsums war allerdings im französischen Bürgertum schon im Laufe des 18. Jahrhunderts in Ansätzen vorhanden, als unter dem Einfluß der Luxusmanufakturen Teppiche und Tapeten zusammen mit Betten, Uhren und Tafelgeschirr auch in bürgerliche Interieurs Eingang gefunden und eine Lawine von Schriften gegen den Luxus losgetreten hatten. 19 Unterhalb der bürgerlichen Schichten waren schon damals aristokratischer Luxus in billigen Kopien von Fächern, Kaffeegeschirr, Schnupftabakdosen große Mode. 2 0 Indes war modernes Konsumieren nicht in Frankreich, sondern in der aufstrebenden Handelsmacht England zuerst zu finden gewesen, wo schon im 17. Jahrhundert ländliche Hausindustrien modische Waren in großer Variation für einen breiten Markt herstellten, der bis nach Amerika reichte. 21 Der, verglichen mit dem Kontinent, relativ hohe Lebensstandard der englischen Bevölkerung war unter den zeitgenössischen Beobachtern eine ausgemachte Sache. 22 Als Kunden konnten sie unter gestrickten Strümpfen in den unterschiedlichsten Farben, Mustern und Größen wählen, ebenso unter den verschiedensten Bändern, Litzen, Garnen oder Spitzen. 23 Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten Reisende vom einzigartigen Wohlleben in England berichtet. 24 Nicht nur Wedgwood, der berühmte Großproduzent von Geschirr in antikem Geschmack, hatte eine Kundschaft bedient, welche Adlige und Bürgerliche gleichermaßen umfaßte, die hugenottischen Seidenmanufakturen in Spitalfield bei London oder die Möbelmanufaktur von Chippendale25 belieferten zusammen mit vielen anderen großen und kleinen Produzenten einen mit der Vergrößerung und Verbreiterung des Wohlstands wachsenden Markt, teils nach Katalog, teils durch reich dekorierte Geschäfte, wie ein Reisender bewundernd berichtete: »Nichts fällt in London mehr auf, als die prächtigen Kramläden und Gewölbe, die, ununterbrochen an einander stoßend, sich ganze englische Meilen weit erstrecken. Der Eingang derselben, so wie die ganze untere Vorderseite des Hauses,/ hat große Glasfenster und Glasthüren, hinter welchen die schönsten Waaren des Ladens aufgestellt sind; und da diese oft verändert werden, von so unendlicher Mannichfaltigkeit, und so außerordendich gehäuft sind, so entsteht daraus eine StraßenDecoration, die den herrlichsten Ausblick gewährt. ... Die Kupferstichladen sind wahren Gallerien ähnlich, wo Sammlungen dieser Kunstwerke aufgestellt werden.« 26

Der Wohlstand in England drückte sich auch darin aus, daß um die Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als zweihundert Kunstsammler in England aktiv waren, dazu Auktionshäuser und Galerien, Kunst- und Stichhändler. 27 Seit

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1774 erschienen mehrere Kunstjournale nach deutschem Vorbild.28 Kunstkennerschaft war ein wesentliches Merkmal der refined gentlemen, deren zentrales Bildungserlebnis die Grand Tour war, deren Status am Kunstbesitz gemessen wurde29 und die sich darin gefielen, ihre Landsitze in Privatmuseen zu verwandeln.30 Daß ein Abglanz solchen Luxus auch in bescheideneren englischen Haushaltungen zu finden war, dafür sorgte nicht zuletzt die Kupferdruckerei, welche das Sammeln von Kunstwerken für eine Bürgerschicht erschwinglich machte, für welche Hogarth und andere produzierten, oder die Tapetenindustrie. So hob der Autor eines Traktats über die Anwendung graphischer Techniken für die Tapetenherstellung in der Einleitung zu seinem Werk eigens hervor, daß sich auf seinen Tapetenmustern Drucke mit Abbildungen der medicäischen Venus, des Apollo Belvedere, mit Stichen nach Claude Lorrain oder Nicolas Poussin besonders gut zur Geltung bringen ließen.31 Der Autor appellierte also an den Geschmack einer Kundschaft, welche sich in ihren neuen Häusern - das Baugewerbe boomte dank vieler neuer bürgerlicher Privatbauten und mit ihm Werke zu Hausbau und Inneneinrichtung32 - mit Surrogaten ausstattete: Papier statt Brokaten, Leder oder Marmor an der Wand, Stiche statt Gemälden, Gipskopien als Statuen. Die englische Blechwarenindustrie lieferte zur selben Zeit Bronziertes statt Bronze, Versilbertes, Vergoldetes, die potteries Steingut statt Porzellan und so fort. Zugleich sank der Wert statusbeladener Konsumgüter durch eine Akzeleration modischen Wechsels, sie wurden abgestoßen, bevor sie abgenutzt waren, und gingen in den Besitz weniger Begüterter über.33 Ein, verglichen mit dem Kontinent, großer Kleideraufwand selbst in unteren Schichten war ein deutlicher Hinweis auf die Etablierung moderner Konsummuster jenseits der begüterten Klassen: »selbst Leute von Pöbel tragen gestickte Westen. Sonst ist die Kleidung der Mannspersonen gewöhnlich Tuch, allein das feinste, das zu haben ist. Dieses erstreckt sich bis auf geringe Handwerker, die schlechterdings kein andres als superfeines Tuch tragen wollen ... Die Kleider, selbst der Armen, werden nie umgewandt, und keine Schuhe versohlt. Alle Stände, bis auf die niedrigsten, tragen feine Wäsche, die sogar viele gemeine Menschen täglich wechseln. ... Seit einigen Jahren hat die Mode der theuren Knöpfe sehr überhand genommen ... Die Waarenlager von fertig gemachten Hemden, Binden, und anderem Leinenzeug sind durch die ganze Stadt verstreut; allein die Magazine von fertigen Kleidern, Schuhen und Möbeln, sowohl alten als neuen, sieht man in gewissen Districten, wo aber der Vorrath auch ganz unermeßlich ist.« 3 4

Moralapostel mokierten sich über Arbeiter, die sich zum Feiern als Modegecken herausputzten und mit Kniebundhosen, weißen Seidenstrümpfen, silbernen Schuhschnallen und gepudertem Haar herumstolzierten, und über Spinnerinnen, die ihren Lohn für Kinkerlitzchen verpulverten.35 47

Trotz Flüchtigkeit und Voreingenommenheit solcher Beobachtungen 3 6 ergibt sich doch zusammen mit anderen Berichten oder etwa Karikaturen 37 oder Hogarths Stichen 38 das Bild einer modern und geradezu üppig konsumierenden Mittelschicht, die sich einerseits an Leitbildern der Reichen orientierte, andererseits in Anlehnung daran eigene, an einem Ideal bürgerlicher Behaglichkeit - comfort - orientierte Konsumwelten hervorbrachte, 3 9 an welchen unterbürgerliche Schichten in glücklichen Umständen partizipierten. 4 0 Aus dem modischen Interesse unterer Mittelschichten u n d privilegierter Unterschichten wuchs in Großbritannien eine massenhafte Nachfrage nach industriellen Konsumgütern und damit ein M o t o r für die Industrialisierung, 41 dem bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts auf dem Kontinent nichts Vergleichbares entsprach. Dieser Sachverhalt war in Frankreich nicht unbemerkt geblieben u n d hatte schon Anfang des Jahrhunderts, als das revolutionäre Frankreich sich im Krieg gegen England behaupten mußte, zur Kritik der Luxusproduktion des Rokoko und zu Gegenmaßnahmen gefuhrt, die darauf abzielen sollten, eine moderne Qualitätsindustrie für breitere Konsumentenschichten zu fördern. So führte ein Professor für Zeichenkunst an der »Ecole Polytechnique" 42 1798 den industriellen Vorsprung der Engländer auf ein Versagen der französischen Kunst im letzten halben Jahrhundert zurück u n d koppelte entsprechend ein Reüssieren französischer Gewerbe an eine Verbesserung der Geschmacksbildung der Franzosen: »Um die Mitte dieses Jahrhunderts, ... wo der gute Geschmack der Formen sich gänzlich verlohr, arteten auch alle Künste, welche das Zeichnen zur Grundlage hatten, sichtbar aus, und mehrere Aeste des Handels haben dies sichtbar gefühlt. Die Tapetenziererey, die Hausgeräthe, die Verzierungen, Goldschmiedearbeit, Urmacherkunst das Porzellan, die verschiedenen Manufakturen, die Gegenstände des Luxus, alles, was Kunstfleis, den Stoff des Industriehandels ausmacht, hat aufgehört, zur Nationalehre mit zu würken und zu ihrem Reichthum beizutragen. Unsere Nachbaren haben sich unserer Beute bemächtiget und Vortheil von unsern Irrthümern gezogen, mit weniger Einbildungskraft, weniger Geschmack, wenigerer Bevölkerung haben sie in mehr, als einer Handelsbranche den Vorsprung über uns erhalten«. 43

Insbesondere die in Kunstdingen eigentlich weniger erfinderischen Engländer waren nach Auffassung des Professors in der Anwendung von Kunst auf die Gewerbe erfolgreicher, obgleich sie griechische und römische Kunstwerke bloß kopierten. Trotz dieser künstlerischem Armseligkeit seien ihre Produkte kommerzielle Renner. 44 Daß Kunst den Geschmack von Konsumenten und Produzenten verbessern könne, war indes auch in England u m 1800 zur Genüge bekannt. Schon 1754 hatte die »Society for the encouragement of arts, manufactures and commerce« Preise für Zeichnungen von Kindern u n d Jugendli48

chen ausgeschrieben, um so deren Talente zum Nutzen der einheimischen Gewerbe und zum Nachteil der französischen Luxusgüter zu fördern, und diese Zeichenwettbewerbe sollten bald populär werden. 45 Um die Jahrhundertwende hatte der Bankier und studierte Architekt Thomas Hope ( 1 7 6 9 - 1 8 3 1 ) , lebendes Denkmal eines refined gentleman und connaisseur, es sich explizit zur Aufgabe gesetzt, den Geschmack der (vermögenden) Engländer zu heben, einerseits durch Publikationen, andererseits durch Sammeln und Ausstellen klassischer und klassizistischer Kunst und durch mäzenatisches Fördern von Künstlern und Kunsthandwerkern. Sein Haus in einer vornehmen Londoner Wohngegend hatte er mit Skulpturen, antiken Ziergegenständen und reicher innenarchitektonischer Ausschmükung versehen als Modell guten Geschmacks zur öffentlichen Besichtigung freigegeben und einen illustrierten Katalog dazu herstellen lassen,46 um durch die Verbreitung neoklassischer Vorbilder Konsumenten zu bilden und die einheimischen Gewerbe zur Nachahmung anzuregen, und tatsächlich hatte Matthew Boulton für seine Metallwarenfabrikation auf das von Hope inspirierte design zurückgegriffen. 47 Zur selben Zeit hatte sich der Publizist George Cumberland ( 1 7 5 4 - 1 8 4 8 ) fiir die neoklassizistisch inspirierte Technik der Umrißzeichnung eingesetzt, mit deren Hilfe sich nach seiner Auffassung Entwurf und Gestaltung englischer Produkte verbessern ließen; außerdem warb er dafür, die »Elgin Marbles« in London auszustellen, damit die Gewerbe ein Vorbild hätten. 48 Vor diesem historischen Hintergrund gelesen, relativiert sich Dupins Schilderung der Entwicklung der französischen arts domiciliaires und vestiaires und des modernen bürgerlichen Konsums in Frankreich. Seine Geschichte einer Frankreich eigenen Industrie und Konsumkultur und deren im Berichtstext anhand prämiierter Unternehmer dargestellter hoher Qualitätsstandard verleihen dem Jurybericht den Charakter einer Propaganda fur Wirtschaftsliberalismus nach innen und einer Behauptung der eigenen Position gegenüber der englischen Konkurrenz nach außen. Beides wurde im Text bezogen auf eine historisch legitimierte Strategie der wirtschaftlichen und der kulturellen Entwicklung der Nation. Angesichts der englischen Übermacht im Bereich industrieller Massenproduktion und der Notwendigkeit, auf die Freihandelspolitik der insularen Großmacht zu reagieren, wurde im Jurybericht der Bereich der industriellen Produktion für den gehobenen bürgerlichen Konsum als derjenige deklariert, in dem die französische Industrie ihre Qualifizierungsreserven aufgreifen und gegenüber der englischen einen Führungsanspruch geltend machen sollte, während der Massenproduktion in Frankreich sekundäre Bedeutung zugemessen wurde, sich beide Industriestrukturen also idealerweise ergänzten und so unter Freihandelsbedingungen die jeweilige Vormachtstellung ausgebaut werden konnte.

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Dupins Geschichte der französischen Gewerbe läßt sich im doppelten Sinne verstehen: als Geschichte einer Mobilisierung kultureller Ressourcen auf das wirtschaftspolitische Ziel der industriellen Entwicklung und der internationalen Konkurrenzfähigkeit hin, Ressourcen, welche die Französische Revolution freigesetzt hatte und die insofern Frankreich eigen waren, und zugleich als Mobilisierung der wirtschaftlichen Potenzen der Nation für kulturpolitische Ziele, deren Popularisierung, ein Erbe der Französischen Revolution, weiterhin innenpolitisch virulent war, nämlich Anspruch auf allgemeine Bildung, auf Teilhabe am kulturellen Bestand der Nation und am zivilisatorischen Fortschritt. Die französischen Konsumgüterindustrien als Resultat der Anstrengungen von Hofhandwerkern und Spezialisten der untergegangenen Luxusindustrien 49 darzustellen, die seit der Renaissance bis zur Französischen Revolution in ganz Europa einen legendären Ruf genossen, 50 und diesen Ruf auf die Produkte einer in den ersten Anfangen stekenden modernen Industrie zu übertragen, 51 welche in der Hauptsache fur den gehobenen bürgerlichen Konsum produzierte, war Teil dieser Argumentation. Weiter gehörte das Argument einer gradation des fortunes52 und einer Angleichung der Lebensbedingungen 53 als Folge der Revolution dazu, an dem selbst die Landbevölkerung partizipiere, 54 und welche in Verbindung mit der Umwälzung traditioneller Lebensformen und Sozialbeziehungen dazu geführt habe, daß die kulturelle Struktur der Bedürfnisse der Bevölkerung sich in Richtung auf moderne bürgerliche Kulturmuster des Konsums modernisiert und homogenisiert habe. Durch die Entstehung eines solchen Massengeschmacks war für die französischen Konsumgüterindustrien ein stabiler Binnenmarkt mit einer relativ gleichartigen qualitativen Nachfragestruktur gesichert, während sich, andersherum betrachtet, eben diese massenhaften Partizipation an »geschmackvollen« Konsumgütern als Schritt zur Verwirklichung der oben genannten kulturpolitischen Zielsetzungen verstehen ließ. 55 So betrachtet löste das Konsumversprechen, das mit der gleichmäßigeren Streuung von Vermögen und der Entwicklung der Qualitätsindustrie einherging, Forderungen der Französischen Revolution nach liberti, igaliti und fraterniti zu den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft und des Wirtschaftsliberalismus in Form einer allmählichen Verbesserung des bien-etre des masses56 ein, jedenfalls in den Augen der Wirtschaftsbürger und der Staatsadministratoren, welche Dupin die Feder führten. Dieses Argument wurde um ein drittes ergänzt, nämlich um den schon von Bowring konstatierten einzigartigen Charakter der Kunstöffentlichkeit in Frankreich, welche über die verschiedensten Vermittlungsinstanzen die Gesamtheit der Gesellschaft erfasse und über eine beständige Schulung des Blicks aller Bürger als Konsumenten einen positiven Einfluß auf die Gewer-

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be habe. 57 In seinem historischen Rückblick zählte Dupin wichtige Institutionen der Kunstöffentlichkeit auf und betonte ihren populären Charakter und ihre zivilisatorische Wirkung. Dazu gehörten nicht nur der Louvre als Kunstmuseum und der dort in Fortsetzung der höfischen Tradition alle ein bis zwei Jahre abgehaltene Salon, mit der dort gezeigten Jahresproduktion an Kunstwerken aller Art und Qualität seit der Revolution zum Warenspektakel eigener Art geworden, 58 sondern auch Dioramen und Panoramen als populäre Schau- und Lernorte, Prunkarchitektur und Denkmalskulptur, Theater, Oper, Ballett. 59 Dupin arbeitete allerdings nicht den Nutzen dieser Kunstöffentlichkeit für eine ästhetische Qualifizierung der Arbeiter heraus - mit der er als Professor am »Conservatoire« und als Autor eines Lehrwerks zum Zeichenunterricht 60 zweifelsohne vertraut war - , sondern deren Rolle bei der Entwicklung einer Warenöffentlichkeit und ihren Einfluß auf den Geschmack der Konsumenten, der den Absatz und damit die Entwicklung der Gewerbe mindestens ebenso positiv beeinflusse: »Die Industrie will nicht nur Produkte herstellen, die den Zwecken der Nützlichkeit Genüge tun; sie kennt die Macht des Gesichtssinns über den Vorzug, den wir Produkten geringeren Nutzens oft geben, wenn sie unseren Blicken gefallen und unsere Einbildung verfuhren.«

Die ausführliche Darstellung der Entwicklung und Ausdehnung von Kunstöffentlichkeit in Dupins Gewerbe- und Ausstellungsgeschichte legt die Doppelstrategie dar, die für Dupin und seine Zeitgenossen die spezifische Stärke der französischen Industrie ausmachte, nämlich kulturelle Ressourcen für die Industrialisierung zu mobilisieren und die Industrie zugleich zu enkultivieren, Kultur dabei im Einklang mit der französischen Aufklärung im doppelten Sinn verstanden als materielle Äußerung und symbolische Strukturierung von Lebensformen der Bevölkerung und zugleich als ein theoretisches und praktisches Ganzes von Wissenschaft, Kunst und Philosophie. 61 Im Prozeß der Formulierung und Entfaltung dieser Doppelstrategie wurde einerseits auf die Traditionen einer Ökonomie der Qualität zurückgegriffen, auf welcher die Blüte der französischen Luxuswarenproduktion beruht hatte; 62 andererseits wurden die Theorien, Programme und Institutionen einer Pädagogik des Geschmacks vorgedacht, welche sich an Produzenten einerseits, Konsumenten andererseits richtete, und Modelle dafür bereitgestellt, die von Dupin im Rückblick als zwangsläufige, von den Umständen des Pariser Großstadtlebens ebenso wie von der Kultur- und Wirtschaftspolitik bedingte Resultate erschienen.63 Auf den Weltausstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwies dann der eingeschlagene Weg in den Augen der Besucher sich als der richtige, zeigte sich doch die französische Industrie gerade im Bereich der Konsumgüter unschlagbar und damit in dem Sektor, welcher von allen 51

Industrien am unmittelbarsten Wohlstand und Wohlleben als Resultat des industriellen Fortschritts vor Augen führte. Gerade diesen Vorsprung aber, der die technische Überlegenheit Englands mehr als ausglich, verdankte Frankreich der Förderung der Künste und der Verbreitung des guten Geschmacks in seiner Bevölkerung. 64

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3. Kunst, Industrie und instruction

publique

3 . 1 . Kunstöffentlichkeit als Warenöffentlichkeit das Spektakel von 1 7 9 8 Der historische Rückblick Dupins rückte nicht die programmatische Arbeit an einer Theorie der Geschmacksbildung und deren institutionelle Folgen ins Zentrum, sondern stellte die Beziehungen zwischen Kunst und Industrie so dar, als ob sie aus der Gesellschaft selbst sich quasi naturwüchsig ergeben und im städtischen Raum in Verbindungen von Waren- und Kunstöffentlichkeit eine spezifische Gestalt angenommen hätten, die später als luxe public zu einem Kennzeichen moderner französischer Zivilisation erklärt werden sollte.1 Zunächst beschrieb Dupin die Ausbreitung von Ladengeschäften, in denen schmucke Waren den Käufern möglichst vorteilhaft präsentiert werden sollten, wodurch die Rolle künstlerischer Dekoration als Mittel der Geschmacksbildung der Konsumenten gewachsen sei. Ebenso wichtig wie die bessere Beleuchtung der Geschäfte sei deren Ausschmückung: »Die Dekoration der Laden, Geschäfte und Cafes, kurz, aller Orte, welche für das kaufende Publikum bestimmt sind, müssen dessen Blicke auf sich lenken und beschäftigen daher eine Menge an Künsten, die sich wechselseitig zu überbieten suchen: Tischlerei und Schlosserei, Eisenguß und Abgüsse der verschiednesten Art, Stuckiererei und Malerei einschließlich Bildern. Alle diese Künste vereinigen ihre Werke, um Eindruck durch Pracht und Verschiedenartigkeit zu erzielen, während sie miteinander um den besten Effekt und die günstigsten Kosten wetteifern.« 2

Damit war die Warenöffentlichkeit der Schaufenster - den Auslagen der Qualitätsindustrie - durch ihre Dekoration der Kunstöffentlichkeit angenähert und dieser zugleich, wegen ihrer unmittelbaren ökonomischen Bedeutung und ihrer Funktion für die Teilhabe der Konsumenten an der Konsumkultur, vorgeordnet. Solche Geschäfte seien in Paris immer mehr zu finden, besonders seit es sie nicht nur in neuen, prächtigen Ladenstraßen gebe, sondern die Besitzer von Adelspalais in deren Umfassungsmauern oder im Erdgeschoß Läden einbauen ließen. Darüber hinaus existierten derartige Etablissements inzwischen in vielen Städten und selbst in ländlichen Orten und ließen diese unvergleichlich schöner erscheinen als vor der Revolution. 3 Tatsächlich äußerten Reisende sich entzückt über die prachtvollen, mit Blumen und Girlanden geschmückten Auslagen auf den den Pariser Stadtkern umschließenden Boulevards, die von Käufern, Flaneuren und Straßenhändlern belebt waren, welche unter offenem Himmel Druckwerke, Stoffe und allerlei Krimskrams wie Uhrenketten, Modeschmuck, 53

Kaleidoskope oder Eiskrem feilboten. Speziell auf dem Boulevard des Italiens hatten Bilderhändler Leinen gespannt, an denen gerahmte und ungerahmte Bilder und Graphik zum Verkauf ausgehängt waren.4 Mit ihren Häusern in unterschiedlichen Architekturstilen und mit den aufgestellten Statuen und Denkmälern glichen die Boulevards Museen unter offenem Himmel. 5 Für Dupin waren die Industrieausstellungen der zweite herausragende Bestandteil der neuen Warenöffentlichkeit als Kunstöffendichkeit, weil dort die Bevölkerung an chefs-d'ceuvre6 der nationalen Industrie sich anschaulich und umfassend über Geschmack und Nutzen der arts utiles informieren konnte und damit zuerst als kommentierendes Publikum und dann als Käufer durch aufgeklärte Auswahl die Entwicklung der einheimischen Industrien und die Verbesserung ihrer Produkte garantierte: »Wir haben diese Ausstellungen besonders im Hinblick darauf betrachtet, welchen Einfluß sie durch den Gesichtssinn auf das Volk im Ganzen ausüben können und sollen. Dank der Annäherung von Produkten aller Art, würdig, miteinander zu wetteifern, fällt es den Betrachtern leicht, nützliche Vergleiche zu ziehen und so Erkenntnisse zu gewinnen, die früher bloß eine kleine Anzahl Personen langsam und unter großen Mühen erwerben konnte. Dadurch entwickelt sich ein neues Interesse an der Industrie im gesamten Volk. Die Fabrikanten, die sich sonst leicht für perfekt halten, werden durch den Vergleich gezwungen, die allgemeinen Einschätzungen wahrzunehmen, ihren eigenen Blick zu schärfen und schließlich ihre Unvollkommenheit und die Überlegenheit ... ihrer Konkurrenten anzuerkennen. In gleicher Weise schärft sich das Urteilsvermögen der Öffentlichkeit, und die so aufgeklärte Industrie kommt in die Lage, den Bedürfnissen und dem guten Geschmack eines Publikums besser zu entsprechen, welches über sich selbst hinauswächst.« 7

In Dupins Darstellung wurde durch eine Reihe von Anspielungen und Setzungen die Industrieausstellung zur Kunstausstellung gemacht, die Warenöffentlichkeit als Kunstöffentlichkeit deklariert und die Ware zum Kunstwerk erklärt, indem arts utiles und beaux-arts eng aufeinander bezogen wurden. Auf diese Weise wurde das Ideal eines räsonnierenden Publikums vor Werken der Kunst aus der Salonwelt des 18. Jahrhunderts zugleich auf die neue Kunstöffentlichkeit einer allgemein zugänglichen Jahresausstellung neuer Kunstwerke und auf das Warenspektakel übertragen und als Modell fur eine Verständigung zwischen Konsumentenwünschen und Produzentenplänen propagiert. Dieses Ineinander von Kunst- und Warenöffentlichkeit war das wichtigste Kennzeichen der Industrieausstellungen seit ihren Anfangen. 8 Diejenigen Kunstwerke, welche seit der Renaissance der Bildenden Kunst als Verkörperung des Schönen überhaupt normative Geltung fiir die Kunst der Neuzeit besaßen,9 waren, auf Wagen gehievt, von Trophäen, Girlanden 54

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Abbildung 3: Apoll von Belvedere, in: Bouillon, Musee des antiques, Bd.

und Inschriften geschmückt, von Veteranen der napoleonischen Armeen begleitet, in einem Triumphzug vom »Museum d'histoire naturelle« aufs Marsfeld geleitet worden. 10 Er war formiert aus je einer Abteilung Vertretern und Objekten der histoire naturelle - Mineralien und Versteinerungen als Ausdruck ausbeutbarer Rohstoffe und geschichtlicher Dauer, Kulturpflanzen wie Bananenstauden oder Palmen als Ausdruck des Reichtums an Ressourcen und der Differenzierung des Genusses, sowie Bären, Tigern, Löwen und Dromedaren als lebenden Sinnbildern der Vielfalt der bezwungenen unbezwinglichen Natur - , Vertretern der belles-lettres - der Theater, Bibliotheken und den Mitgliedern des höchsten akademischen und künstlerischen Lehrkörpers der Nation, dem »Institut« - und schließlich Verkörperungen der beaux-arts - Chören, Konservatoren, Kunstprofessoren, Kunstpreisträgern, -Studenten und -Sammlern - dieser Abteilung waren die erbeuteten Kunstwerke eingegliedert. Außer den antiken Skulpturen wurden auch die nach Paris transferierten Bilder italienischer Meister der Renaissance im Zug mitgefuhrt, ihnen wurde ein Banner mit der Aufschrift vorangetragen: »Artistes, accourez! Vos maitres sont ici.« Der ganze Zug, begleitet von einer enthusiastischen Menschenmenge, wurde von den Regierungsvertretern auf dem Marsfeld empfangen 11 und vom damaligen Innenminister Nicolas Louis F r a n c i s de Neufchateau ( 1 7 5 0 - 1 8 2 8 ) , 1 2 von Dupin als Erneuerer der französischen Industrie gepriesen, 13 mit einer Rede bedacht, welche die Ankunft der Kunstwerke als deren Befreiung aus den Gemächern der Herrschenden und den Festungen des Aberglaubens feierte: »sie kommen, um ... den Ort einzunehmen, der ihnen zustand, indem sie hier die Wiege der Freiheit vieler Nationen schmücken. Die Tugend hat sie von ihrem Platz geholt; sie begleitet sie. Sie ziehen in Paris an der Seite der Hoffnung ein; sie bringen Versprechungen der öffentlichen Glückseligkeit mit sich; sie berichten uns den Sieg; sie sagen uns das Glück voraus, und sie zeigen sich uns beladen mit Wünschen ... für das Gedeihen Frankreichs.« 14

Nicht, daß die erbeuteten Meisterwerke der Kunst und der Natur ein allgemeines Glücksversprechen nur symbolisierten, welches einzulösen überdauernde Aufgabe der Republik sein sollte; es handelte sich um eine Aufgabe, in welcher der Pflege der Künste und ihrem Schutz vor Tyrannei und Zerstörung mehr als ein symbolischer Platz eingeräumt wurde. Die Kunst pflegen hieß, dem Genie Freiheit gewähren und damit allem, was groß, wertvoll und begabt war, Raum geben, damit solche Talente zum Wohle der Allgemeinheit wirken könnten: »Heute erwarten Euch diese Meisterwerke, umgeben von der Sittlichkeit einer freien Nation. Inmitten der Ernte des Geschmacks, welche Paris Euren Studien bietet, in

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der Tiefe seiner einzigartigen Depots, werden die Franzosen, die sich zum Naturgesetz der heiligen Gleichheit bekennen, die Wächter Eurer Tugend sein. So wie ihre Museen Euer Genie bereichern werden, so bereichern ihre Gesetze und Vorbilder Euern Geist: sie werden Euch zu Euern Künsten geschickter zurückkehren lassen, weil sie Euch die erste Kunst gezeigt haben werden, nämlich die, am besten zu sein. Die Schönen Künste bei einem freien Volk sind die wesentlichen Instrumente zur Erreichung sozialen Glücks und die Hilfstruppen der Philosophie, welche über das Gute im Menschen wacht.« 15

Damit würde Frankreich zugleich zum Zentrum der Künstler, Wissenschaftler und Philosophen, angelockt von den neuen Institutionen der Wissenschaft und der Kunst, den Bibliotheken und Museen, werden, welche, voll des Wissens und der Einsicht um das Wesen der republikanischen Freiheit, heimgekehrt deren Geist bei sich im Lande verbreiten würden: »Die Betrachtung dieser Schätze, welche das Genie [der Nation] erobert hat, bringt uns dahin zu denken, daß es keinen in den Wissenschaften und Künsten überlegenen Menschen geben wird, der nicht in unser Land gekommen sein wird, um seine Kenntnisse und seinen Geschmack zu verbessern und sein Genie an der Betrachtung der Meisterwerke zu üben, welche Frankreich besitzt, und um seine Begriffe im Umgang mit den republikanischen Künstlern und Wissenschaftlern zu schärfen. Welches Volk außer den Franzosen war sich jemals dieser Herrschaft über die Zukunft so sicher? Welches hat verstanden, seinen Ruhm an den Fortschritt des menschlichen Geistes zu binden? Wie schön daran zu denken, daß alle ausländischen Liebhaber der Schönen Künste, von so vielen Schätzen nach Paris gelockt, bereichert von den Talenten und genährt mit den Tugenden, in denen die republikanischen Franzosen ihnen ein Beispiel geben werden, in ihre Heimat zurückkehren werden, und daß unser teures Vaterland auf diese Weise auf das Glück aller Menschen ruhmreichen Einfluß nehmen wird!« 16

Nach der Festzugszeremonie fand die Kriegsbeute achtzehn Monate später Aufstellung im Louvre,17 vor der Revolution Stadtpalast des Königs, aber längst zugunsten von Versailles verlassen und verschiedenen Zwecken provisorisch zugeführt, eine ständige Baustelle, schließlich als Museum geplant und von der Revolution dann zum »Musee central des arts« gemacht, zunächst außerdem wieder Sitz Louis XVI, dann zugleich öffentliches Museum der königlichen Kunstschätze, schließlich Ort der Aufbewahrung und Präsentation einer Auswahl des Erstrangigen unter all jenen Kunstwerken, die bis dahin Privatbesitz von Sammlern oder kultisches Objekt der Kirche gewesen waren, und jetzt, als kultureller Besitz der Nation, der Allgemeinheit an eben jenem Ort zugänglich gemacht wurden, der bis dahin ein zentrales Symbol der Herrschaft gewesen war.18 Nicht nur durch die räumliche und zeitliche Nähe der beiden Ausstellungen indes waren Kunstwerke und Industrieprodukte seit 1798, dem 57

Beginn der Industrieausstellungen in Frankreich, 19 symbolisch aufeinander bezogen und demselben Publikum, le peuple, anheimgegeben worden, dieses Ineinander hatte sowohl in der Programmatik als auch in der Inszenierung der Ausstellung seine Entsprechung gefunden. In den vorangegangenen ministeriumsinternen Debatten hatte der Innenminister unter Bezug auf das Kunst-Fest vorgeschlagen, den arts utiles eine entsprechende zeremonielle Beachtung zu schenken. 20 Die 111 Aussteller - vor allem aus Paris und den nächstliegenden Departements - 21 hatten in der Zeremonienordnung zum Eröffnungsfestzug als Künstler firmiert; ihre Produkte waren nicht nur von Technikern und Naturwissenschaftlern wie Pierre-Claude Molard ( 1 7 5 8 - 1 8 3 7 ) , Ingenieur, Erfinder und Direktor des »Conservatoire des Arts et Metiers«, 22 oder dem Chemiker, Vinologen, Institutsmitglied und Nachfolger Franfois de Neufchateaus als Innenminister, Jean-Antoine-Claude Chaptal ( 1 7 5 6 - 1 8 3 2 ) , 2 3 auf ihre Fortschrittlichkeit, sondern auch von berühmten Künstlern auf geschmackvolle Gestaltung hin beurteilt worden, so vom Maler Joseph-Marie Vien ( 1 7 1 6 1809), dem gefeierten Erneuerer der französischen Malerei im neo-klassizistischen Stil, 24 und vom Bildhauer und Entwerfer für Angewandte Kunst Jean-Guillaume Moitte ( 1 7 4 7 - 1 8 1 0 ) , ebenfalls Erneuerer auf seinem Gebiet im neoklassischen Sinn. 25 Die Exponate waren in einem im Karree aufgestellten, abends illuminierten Säulengang - simple, mais d'un tres-bon goüt26 - publikumswirksam präsentiert und in einem Katalog verzeichnet, juriert und prämiiert, die prämiierten Gegenstände wurden in einen in der Mitte aufgestellten temple ä l'industrie transferiert.27 Die Inszenierung der Waren als Kunstwerke ließ sie zu Trägern des Glücksversprechens im kleinen werden, eines Versprechens, welches rhetorisch mit den erbeuteten Kunstwerken, mit der Geschichte und mit der Naturwissenschaft (als Naturgeschichte) im großen verbunden und an das Volk - le peuple - im allgemeinen gerichtet worden war. Legitimierten jene Werke und Wissenschaften die Anstrengungen von Revolution und Krieg symbolisch, konnten die Konsumgüter als Kunst-Gegenstände konkret und je im einzelnen materielle Entschädigung versprechen, für welche das im Triumphzug Mitgeführte Rohstoff und Produktionsmittel bildete. Die Ausstellung selber wurde nach der revolutionären Tradition der fetes nationales28 begleitet von Ehrungen verdienter Männer wie zum Beispiel den Preisträgern der Akademie und ihren wissenschaftlichen und künstlerischen Klassen, von musikalischen Darbietungen, Tänzen und spielerischen Wettkämpfen sowie von Zeremonien und Emblemen, welche aktuelle Kampfziele der Revolution rezitierten, wie dem Verbrennen von Figuren, die Despotismus und Fanatismus symbolisieren sollten oder welche die Einheit der Republik dadurch beschworen, daß Trachtenträger aus den einzelnen Departements unter einem Banner der Gemeinsamkeit mar-

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schierten. 29 D e m ganzen Spektakel wohnten nach Schätzung eines dänischen Reisenden mindestens 1 0 0 . 0 0 0 Menschen bei, wenn nicht doppelt so viele 30 - das wären dann immerhin ein Drittel der Einwohner der Metropole gewesen. 31 Durch die Verkopplung von Programmatik, Kunst-Ritual und Festritual der Industrieausstellung wurden die zusammengeströmten Massen zeremoniell und deklamatorisch auf ihre Verantwortung für die Kunst hingewiesen, welche ihnen seit der Revolution als kollektiver Souverän zukam. Diese erstreckte sich nicht nur auf die Kunstpflege, sondern auch auf eine symbolische Nutzung von Kunst, welche im Ancien Regime König, H o f und Klerus innegehabt hatten, nämlich durch zeremoniellen Gebrauch und demonstrativen Konsum kunstvollen Gegenständen eine der gesellschaftlichen Hierarchie analoge Ordnung zu verleihen, welche sich auf alle Dinge erstreckte. Diese Aufgabe kam theoretisch jetzt der anonymen Gesamtheit der Konsumenten zu, denen bedeutet wurde, daß ökonomische Prosperität und allgemeiner Wohlstand jetzt in die Verantwortung der Produzenten und Konsumenten fiel und daß beides von der Etablierung einer neuen Ordnung der Dinge abhing. Dieselbe sollte sich an Kunst und Wissenschaft, die das Marsfeld feierlich auf die Industrieausstellung vorbereitet hatten, orientieren. Indes mußte sie sich vor allem in den täglichen anonymen Akten der Produktion und des Konsums durchsetzen. Auf der ersten Industrieausstellung wurde die Verantwortung für die symbolische Ordnung gemäß den neuen Prinzipien vom eigentlichen Souverän auf Jurierungen und Prämiierungen übertragen, diesem dagegen Verantwortung und Belohnung für den aufgeklärten U m g a n g mit den Dingen als Symbolen in Herstellung und Verbrauch als Teil staatsbürgerlichen Bewußtseins bewußt gemacht. 1 8 3 4 waren für Dupin im Verlauf einer Generation die Ausstellungsbesucher zu modernen Wirtschaftsbürgern und Konsumenten und als solche gute Staatsbürger geworden, welche akzeptierten, daß ihre kulturelle Souveränität als Konsumenten sich durch die Reinstallation des Hofes als geschmacksbildender Instanz relativiert hatte, aber nicht aufgehoben worden war. Dieser Wandlungsprozeß wurde 1 8 3 4 durch die Feierlichkeiten zu Beginn der Ausstellung besonders unterstrichen. Am 1. Mai war die Ausstellung durch einen Besuch der königlichen Familie und des Hofes eröffnet worden, bei der Aussteller und Monarch einander wechselseitig huldigten, indem erstere dem König ihre Loyalität, Louis Philippe den Fabrikanten die Anerkennung ihrer Leistungen, des Fortschritts, der Autonomie von Kunst und Industrie versicherte, Technik und Massenkonsum als zentrale Merkmale der modernen Zivilisation würdigte, einige auserwählte Fabrikanten, Techniker und Künstler in die Ehrenlegion aufnahm, die freie wirtschaftliche Betätigung als praktische Verwirklichung

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der revolutionären egaliti pries und die Teilhabe der Arbeiter am Nationalwohlstand als zwangsläufiges Ergebnis zukünftiger Verbesserung der Herstellungsmethoden bezeichnete. Dann verhielten sich besonders die weiblichen Mitglieder der königlichen Familie wie Idealkonsumenten, durchstreiften die Warenarrangements, begutachteten, berührten, beurteilten, beäugt von den Ausstellern und auf den Fersen gefolgt von eifrigen Berichterstattern, welche den Geschmack der Prinzessinnen lobten und damit deren Urteile in Reklame für die Waren ummünzten, die Gefallen gefunden hatten. 32 Der alte königliche Gestus, Dingen Aura durch Berührung zu verleihen, wurde durch diese Inszenierung auf die industrielle Warenwelt übertragen. Indem die Dinge aber nach der Berührung in der Ordnung der Ausstellung verblieben, einer doppelten, zugleich kulturphilosophischen und warenästhetischen, war diese Ordnung der Aura gleichgestellt - König und H o f setzten keine verbindlichen Maßstäbe mehr, nicht sie bestimmten mehr die Hierarchie der Dinge und der Künste, sondern gesellschaftlicher Nutzen und privater Profit, sie halfen aber wie vordem, gesellschaftliche Rangordnungen symbolisch zu verstärken, geschmackliche Orientierungen vorzugeben und Moden zu lancieren. Für die französische Industrie, die auf den modernen bürgerlichen Konsum zielte, blieben sie paradoxerweise besonders durch letzteres, richtig inszeniert, ein wichtiger Produktionsfaktor. Obwohl sie nur eine höchst unvollständige Auswahl darstellten, paßten schon die 1798 ausgestellten Produkte in das Bild einer Industrie für den modernen Konsum, auf das hin sich die französischen Gewerbe, wie der historische Rückblick Dupins zeigte, entwickeln sollte. Zu sehen waren außer Waffen, Maschinenmodellen und Werkzeugen sowie Bleistiften - ein wichtiges Volksbildungswerkzeug! - vor allem Nippes nach antiken Vorlagen, Uhren, Möbel, Zimmeröfen in verschiedenen Verzierungen und Preislagen, Tapeten, Baumwollstoffe in verschiedenen Qualitäten und Mustern, Bronze- und Blechwaren, Bücher, Steingut- und Porzellangeschirr und Kristall. Industrielle Reproduktionstechniken für Kunst fanden besondere Beachtung, etwa farbgetreue Gemäldekopien auf Porzellan oder Messingplatten, die auf einer Drechselbank graviert waren und zu Prägen von Dosen aus Schildpatt dienten. 33 Das Ausgestellte war weder reines Luxusgut noch Massenware, sondern am ehesten Ausdruck neuer bürgerlicher Schichten nach einer angemessenen Repräsentation von Wohlstand und Kultur. Auch bei spärlichen Angaben über Preise34 spricht vieles dafür, daß die Sachen für einen Großteil der 1 0 0 . 0 0 0 Zuschauer des Spektakels kaum erschwinglich waren - aber sie waren der Vorschein eines künftigen Konsumversprechens, das durch die begleitenden Zeremonien in eine direkte Verbindung mit den Zielen der Revolution einerseits, mit der durch die Revolution freigesetzten Kunst andererseits gebracht worden war; die

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ausgestellten Waren bedeuteten die Möglichkeit einer Teilhabe sowohl an der Kunst wie auch an einem ehedem unerreichbaren Luxus. 3 5 Der Innenminister hatte in seiner A u f f o r d e r u n g zur Teilnahme an der Industrieausstellung auf die erbeuteten Kunstwerke u n d die damit verbundenen E r w a r t u n g e n ausdrücklich Bezug g e n o m m e n u n d mit der geplanten Ausstellung in eine unmittelbare Beziehung gesetzt: »Das republikanische Frankreich ist zum Asyl der Schönen Künste geworden, und dank des Genies unserer Künstler und der Eroberungen unserer Krieger wird ab jetzt Europa in unseren Museen Kunstunterricht nehmen. Die Freiheit ruft in gleicher Weise die nützlichen Künste zu sich, indem sie eine dem Despotismus unbekannte Fackel des Wettbewerbs entzündet und uns so die Mittel an die Hand gibt, unsere Rivalen zu übertrumpfen und unsere Feinde zu vernichten.« 36

In seiner Eröffnungsrede 3 7 sprach er schon die G r u n d t h e m e n an, die auch Dupins Text dominierten: - die Ausstellung als Demonstration der Stärke der französischen Industrie gegenüber der englischen Konkurrenz (damals noch Kriegsgegner), - allgemeinerer Wohlstand als Folge der errungenen liberte, - Fortschritt in Technik u n d Geschmack als Resultat des durch die Ausstellung ermöglichten direkten Vergleichs u n d der Kommunikation zwischen (Fabrikanten)-Künstlern u n d Publikum. 3 8 Schließlich wurde auch schon die A u f w e r t u n g von H a n d w e r k u n d Technik als gewohnheitsmäßig betriebenen »mechanischen Künsten«, zu »nützlichen Künsten«, arts utiles, gefordert, was durch wissenschaftliche G r u n d l e g u n g in einer allgemeinen Technologie, praktische Kombination zur Industrie, »fille de l'invention, et soeur d u genie et d u goüt«, 3 9 sowie enge Verbindung mit den Schönen Künsten, den arts liberaux, deren traditionelle Vormachtstellung von Neufchateau zugunsten einer Dienstleistungsfunktion für die Gewerbe negiert wurde, geschehen sollte. In ihrer modernisierten, rationalisierten u n d ästhetisierten Form wurde den arts utiles außerdem die Funktion einer staatsbürgerlichen Grundbild u n g übertragen: »Lassen wir endlich den [Handwerker-]Künstlern Gerechtigkeit widerfahren! Die sogenannten Freien Künste sollen sich ihnen beigesellen, um ihre Wertschätzung zu erhöhen, und nicht, um eine ungerechte Herrschaft über sie zu gewinnen! Die öffendiche Erziehung soll unsere Kinder Theorie und Praxis der nützlichsten Künste lehren, weil unsere weise Konstitution das Bürgerrecht davon abhängig gemacht hat! ledes Jahr soll dieser Tempel, welcher die Freiheit der Industrie errichtet hat, neue Meisterwerke empfangen! Ein aktiver Wettbewerb soll alle Winkel der Republik beleben, alle Arten von Künsdern und Fabrikanten motivieren, um die Ehre, ihre Werke ausgezeichnet zu sehen und ihre Namen am Fest ausgesprochen zu hören, welches das republikanische Jahr feierlich eröffnet! Sie sollen versuchen, die Produkte ihrer Industrie zu verbessern, um dieser Ehre teilhaftig zu werden; sie sollen sich anstrengen, ihnen einen einfachen Charakter, schöne Formen und ein gefälliges

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Äußeres zu geben und einen perfekteren Schimmer als der, dessen sich die englischen Manufakturen rühmen.« 40 Zwanzig Jahre später brachte Chaptal das Industrialisierungskonzept des Directoire

nochmals auf den Punkt und bestätigte dessen Geltung und

damit die Schlüsselbedeutung von modernem Konsumieren breiter Schichten, Geschmack und Kunst auch unter den Bedingungen fabrikindustrieller Produktion,

rationalisierter

Fertigungsweisen

und

akzelerierten

tech-

nischen Fortschritts: »Es dreht sich nicht mehr darum zu wissen, ob der Gebrauch von Maschinen Hände zur Untätigkeit verdammt; es genügt überzeugt zu sein, daß sie notwendig sind, mit der Konkurrenz mitzuhalten und unsere Industrie vor dem sicheren Ruin zu bewahren. Alle Anstrengungen des Fabrikanten müssen darauf gerichtet sein, seine Fabrikation und seine Produkte zu verbessern, die Arbeit ökonomischer zu gestalten und seine Verfahren zu vereinfachen: nur so kann er auf dauerhaften Erfolg bauen. Der Fabrikant muß den sehr unbeständigen Geschmack der Konsumenten studieren und ihm seine Produkte anpassen: jeden Tag sehen wir wichtige Industriebranchen fallieren, obwohl die Fabrikation weder vernachlässigt noch geändert wurde, weil entweder die Unbeständigkeit der Mode sich an der Gleichförmigkeit sattgesehen hat, oder weil eine neue Stoffqualität dem Konsumenten besser gefällt: Man glaubte vielleicht diese Unannehmlichkeiten durch Vorschriften einzudämmen; aber der Konsument, welcher allein urteilt und kauft, macht sich aus solchen Regeln nichts; Produkte, welche seinem Geschmack nicht entsprechen, weist er zurück und lockt stattdessen auf jede Weise solche aus dem Ausland an, zum Nachteil der einheimischen Industrie. Man kann sich die Wahrheit nicht deutlich genug vor Augen fuhren, daß der Fabrikant ausschließlich für den Konsumenten arbeitet und sich deshalb nach dessen Geschmack richten muß.« 41 Gewerbeförderungspolitik

mußte diese spezielle Dynamik zum Wachs-

tumsgaranten machen, selbst wenn das bedeutete, daß Industrien, deren Produkte dem Modewechsel nicht gewachsen waren, verfielen. Den Verfall aufzuhalten, war nicht Sache der Regierung, sondern diese sollte die Fähigkeit der Unternehmer stärken, technischen Fortschritt und modischen Wandel zu nutzen, und sie sollte durch Außenhandelspolitik den Absatzmarkt der französischen Industrie vergrößern. Für den Naturwissenschaftler und Wirtschaftspolitiker war implizit der luxe public Residuum der industriellen Produktion und nicht mehr durch die Kunst, sondern durch die Warenöffentlichkeit bestimmt; Kunstöffentlichkeit und Kunstförde rung waren als Mittel zur Stimulierung von M o d e n und Verbesserung der Gestaltung wirtschaftspolitischen Zielen unterstellt.

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3 . 2 . Die programmatische Vereinnahmung der S c h ö n e n Künste Die programmatische Vereinnahmung der Schönen Künste durch die Gewerbe und beider durch eine staatsbürgerliche Pädagogik im Gefolge der Revolution erfolgte in Frankreich nicht einseitig von Regierung und Industrie, sondern wurde von der kunstpolitischen Intelligenz befürwortet und programmatisch gefaßt, die sich ihrerseits auf eine aufklärerische Tradition berufen konnte, welche in der »Encyclopedic« ihren populärsten Ausdruck gefunden hatte. Diese Programme waren eng auf eine bestimmte Lesart der Antike als politischem, ökonomischem und kulturellem Vorbild angelehnt. 42 Schon 1791 hatte Antoine-Chrysostome Quatremere de Quincy ( 1 7 5 5 - 1 8 4 9 ) , Bildhauer, Architekt, Jurist, Altertumswissenschaftler, als Kunstkritiker und -politiker Protagonist des an der Antike orientierten Ideal-Schönen und damals als Verfechter der konstitutionellen Monarchie in die Gesetzgebende Versammlung gewählt,43 in einer Schrift: zur Begründung für die Notwendigkeit der staatlichen Förderung der Bildenden Künste deren ökonomische und politisch-moralische Bedeutung angeführt und sich bei der Begründung des sozial-pädagogischen Nutzens der Kunst implizite auf Positionen berufen, wie sie von Diderot und anderen entwickelt worden waren: 44 Kunst sei gleich einer Schrift, welche gesellschaftliche Bedürfnisse, Haltungen, Wünsche, Prinzipien ausdrücken und menschliche Leidenschaften beeinflussen könne; Kunst fördere die Kultur, insofern sie die Sitten durch Versinnlichung moralischer Grundsätze und historischer Gegebenheiten hebe und die Industrie befördere, insofern das Ausland französische Waren wegen ihres besseren Geschmacks kaufe und dieser Geschmack auf der Kultivierung und Verbreitung der Künste beruhe. 45 Die Potenz der Kunst gründe auf der eigenständigen Erarbeitung ihrer Grundlage, der imitation intellectuelle de la nature, durch die Künstler. Daher brauche die Kunst eine Akademie als einen ihr eigenen Ort, wo den besten Künstlern Gelegenheit gegeben werden müsse, sich der Suche nach dem Idealschönen zu widmen. 46 Nur auf diese Weise sei ein Maximum an künstlerischer Erfindung gewährleistet, welche wiederum auf vielfältigen und verschlungenen Wegen die Gewerbe befördere. Neben historischen Beispielen aus Antike und Renaissance führte Quatremere de Quincy England als Beweis für seine These über den Einfluß der Kunst auf die Industrie an: Deren erstaunliche Fortschritte in der Kunstindustrie beruhten nicht auf dem Einfallsreichtum und dem Genie ihrer Künstler, sondern darauf, daß die vielen antiken Skulpturen, die englische Reisende aus Italien und Griechenland importiert hätten, den Geschmack und die gewerbliche Fertigung dort zum Positiven verändert hätten. 47 Um aber die Kunst, von der wirtschaftlich so viel abhänge, richtig zu fördern,

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sei außer einer Akademie als foyer einerseits eine Schule für angehende Künstler nötig, welche die technischen und intellektuellen Grundlagen vermittle, andererseits eine möglichst umfassende Geschmacksbildung der Bevölkerung durch eine Verbreitung von Kunstwerken und Denkmälern, durch einen allgemeinen Zeichenunterricht48 und durch fetes nationales, die für die breite Allgemeinheit nicht zuletzt Lektionen in Sachen Schönheit seien.49 Gegen die Deplazierung der Kunstwerke aus Italien durch Napoleon hatte Quatremere de Quincy 1796 eine publizistische Kampagne entfesselt, weil sie in ihrem angestammten Kontext eine unvergleichlich größere ästhetische und kunstpädagogische Wirkung entfalteten,50 aber sein Hinweis auf die ökonomische Rolle importierter Antiken im Erzrivalen England weist auf eine weitere, prosaische Beziehung zwischen den Inszenierungen von Kunst und Industrie auf dem Marsfeld hin. Die erbeuteten Kunstwerke waren in Rom seit der Renaissance als unvergängliche Meisterstücke der abendländischen Kulturtradition Orientierung für Generationen von Künstlern aus den Zentren europäischen Kunstschaffens gewesen und galten als unveräußerlich; französischen Künstlern und Industriellen praktisch den Zugang zu ihnen zu reservieren und ihnen deren Studium unvergleichlich leichter zu machen als den Künstlern und Fabrikanten des Auslands, die jetzt nach Paris kommen oder sich mit Reproduktionen behelfen mußten, hieß, ihnen eine zentrale Ressource für die Warenproduktion und die gewerbliche Entwicklung direkt und exklusiv zur Verfügung zu stellen. Diese Auffassung teilte Quatremere de Quincy mit anderen wichtigen Zeitgenossen.51 1805 hatte die Klasse der beaux-arts des »Institut« als Preisaufgabe die Frage gestellt: »Quelle est l'influence de la peinture sur les arts d'industrie commerciale, et quels seraient les moyens d'augmenter cette influence?«52 Von drei mit Preisen bedachten Arbeiten wurden nur zwei veröffentlicht,53 beide Jahre nach ihrer Entstehung. Ihre Ausführungen griffen Gedanken Quatremere de Quincys auf und führten sie weiter. Wenn diese Ansichten wieder und wieder, variiert und modifiziert und doch letztlich gleichbleibend, in Reiseberichten, Kommentaren, Zeitungsartikeln auftauchten, dann, weil sowohl Quatremere als auch die Preisträger formulierten, was das geistige Leben der Zeit, das Erbe der Aufklärung und die Erfahrungen der Revolutionszeit, was Philosophie, »Encyclopedie«, Ästhetik, Kunstgeschichte und Altertumswissenschaft an Ideen formuliert hatten, und es auf die neuen Erfordernisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts anwendeten. Einer der beiden Preisträger, Toussaint Bernard Emeric-David ( 1 7 5 5 1839), Advokat, Kunst- und Altertumswissenschaftler54 und durch die Zeitumstände, unter verschiedenen Fahnen, zum Politiker geworden,55 64

erklärte den Einfluß der Malerei auf die Industrie historisch-anthropoiogisch. Der Instinkt des Schönen habe die Menschheit auf den Pfad der Entwicklung von Produktionskräften gebracht, weil er zuerst zu einem Bedürfnis der Abbildung und Nachahmung des Schönen und dann zu einer Differenzierung der Bedürfnisse führte und zum Bestreben, diese durch Anstrengungen und durch Erfindungen zu befriedigen: »Dieses Gefühl [der Instinkt des Schönen] hat das Genie der Nachahmung hervorgerufen; indem die künsderischen Hervorbringungen den Geschmack gereinigt haben, schufen sie neue Bedürfnisse; diese Bedürfnisse haben neue wunderbare Erfindungen hervorgerufen. Die Nachahmung schuf das Verlangen, das Verlangen trieb zur Arbeit an, die Arbeit brachte Meisterwerke hervor, und die Meisterwerke haben den Reichtum gezeugt.« 5 6

Die Bildenden Künste, nicht Vernunft und Wissenschaft, hätten zuerst die Imagination stimuliert und damit den entscheidenden Antrieb zur Entwicklung von Wissenschaft, Technik, Handel und Geschmack, also zur Zivilisierung gegeben. Dieser Zivilisierungsprozeß sei von den Fortschritten in der Kunst abhängig, denn sie habe die Zeichenkunst entwickeln helfen. Dadurch habe die Industrie nicht nur immer elegantere Modelle erhalten, sondern auch Vorstellungen von Schönheit und Aufgeschlossenheit gegenüber Kunst hätten sich weiter verbreitet. 57 Um seine Entwicklungstheorie zu belegen, durchquerte der Autor Alte Geschichte und Kunstgeschichte des antiken Europas und Indiens, um den schlagenden Beweis, wenig verwunderlich, im antiken Athen zu finden.58 Deren Luxusgüter seien wegen ihres Geschmacks in der ganzen Alten Welt gesucht und verbreitet gewesen, noch heute an vielen Orten in großer Zahl zu finden und von höchster Kunst deswegen, weil die besten Künstler der Stadt zu ihrer Vervollkommnung beigetragen hätten. 59 Diesen Gütern verdankte die Stadt ihren sagenhaften Reichtum und ihre Macht. Die Geschichte Frankreichs war für Emeric-David ein weiterer Beweis für die ökonomische Potenz der Kunst, welche sich mit aller Kraft entfaltete, seit der Geist und die Fertigkeiten der Renaissance-Kunst im Gefolge der Kriegszüge und der Prachtliebe Franz I. im 16. Jahrhundert in Frankreich Fuß faßten, unterstützt von der Kunst des Kupferstechens, welche Italiens Kunstschätze seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in Frankreich bekannt gemacht hatte. 60 Seitdem nahmen die französischen Künste und Gewerbe einen ungeahnten Aufschwung, 61 und zugleich wurde Frankreich führend in der Kunstindustrie. Dieser Führungsanspruch beruhte zum einen auf der engen Verflechtung der Künste, 62 zum anderen darauf, daß Schönheit ein absoluter, allen Menschen im Prinzip zugänglicher Wert sei: »Wirkliche Schönheit findet der Mensch in sich und außerhalb seiner. Diese Schönheit hängt von demjenigen ab, was sie auszeichnet und von demjenigen, der sie

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erkennt. Wir nennen schön, was auf angenehme Weise sowohl mit der Natur des Gegenstands und mit unserer verbunden ist. Was in verschiedener Beziehung gut, nützlich, angenehm ist; was einheitlich, einfach, großartig, vielfältig, harmonisch ist, sei es in der Farbe oder der Form; was uns ohne Erschöpfung zahlreiche und starke, angenehme, sublime Empfindungen verschafft; was uns durch den Blick, das Gehör, den Tastsinn oder durch mehrere Sinne vielfaches und enormes Gefallen ohne Schmerz verschafft, das scheint uns schön, und ist es tatsächlich, nicht allein für uns, die es wertschätzen, sondern für die Menschheit insgesamt. Das Schöne ist eins. Es ist dasselbe in allen Klimaten, weil die menschliche Natur überall dieselbe ist.«63

Daß Schönheit erkennbar sei, beweise, daß es einen guten Geschmack gebe, allen Menschen im Prinzip eigen, der alles Schöne erkenne und von Moden und Geschmacksvorurteilen unterscheiden könne. 64 Diesen guten Geschmack könnten allerdings auch andere Völker erkennen und auf ihre Industrieprodukte verwenden, so daß es für die französischen Industriellen und Künstler gelte, ihn theoretisch und in der Herstellung von Waren am besten von allen Konkurrenten zu treffen, um die Vorherrschaft: Frankreichs auf dem Gebiet des Geschmacks zu erhalten und auszubauen und erfolgreich gegen andere industrielle Mächte, England insbesondere, zu konkurrieren. Dazu sei zum einen eine generellere Verbreitung der Kenntnis des Schönen notwendig. 65 Zum anderen müsse die Malerei, von deren Entwicklung der Fortschritt der Gewerbe, wie gezeigt, abhinge, nach Perfektion streben; außerdem sei dafür zu sorgen, daß ihr Einfluß auf den goüt general sich ausdehne und die Herrschaft über ihn gewänne. U m dieses Ziel zu erreichen, sollte das künstlerische Prinzip der Abstraktion des Ideal-Schönen aus den Vorbildern der Natur auf die Kunstindustrie übertragen werden, indem der Entwurf gewerblicher Produkte denselben Gesetzen der Harmonie, des Maßes, der Einheit, Einfachheit, Erkennbarkeit und ideellen Größe der Form unterworfen werden sollte wie das künstlerische Sujet. 66 Wegen der Komplexität der Aufgabe sei es nötig, die Theorie des Schönen in Schulen zu lehren. Außerdem müßten mehr Bilder, Skulpturen und Bauwerke zu monuments publics, zu öffentlicher Kunst gemacht werden, die sowohl wirklich schön als auch moralisch seien, 67 also nach dem Vorbild des antiken Griechenland Ideen ausdrückten: »Ohne Unterlaß sprachen allerorten Meisterwerke zum Genie. In den Tempeln, auf den öffendichen Plätzen, den Märkten, Kreuzungen lockten Bilder, Statuen, Säulen und Bas-Reliefs und lenkten die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich, sprachen zum Herz des Arbeiters, des jungen Schülers, hoben ihre Ideen, gaben ihnen Vorbilder perfekter Schönheit für alle Arten Werke, immer die gleichen, immer da, nie wechselnd, nie täuschend.«68

Solche Denkmäler großer Künstler seien die Vorbilder für die künstlerische Ausbildung der Handwerker gewesen. Damals wie heute wirkten sie dem 66

modischen Wechsel entgegen, indem sie den guten Geschmack festigten. Denn die flatterhaften Moden hätten auf den Geschmack und die Moral einer Nation einen negativen Einfluß und schädigten die Gewerbe, weil sie die Ware unnötig verteuerten und weil unverhältnismäßigen Profiten unvorhersehbare Verluste gegenüberstünden und so die industrielle Entwicklung gefährdeten. 69 Um die Vorherrschaft der französischen Konsumgüterindustrie auf dem europäischen Markt zu sichern, sei es daher besser, wirklich schöne Dinge herzustellen und die Arbeiter entsprechend sorgfältig zu unterrichten, um auf diese Weise die Geschmackskonkurrenz des Auslands abzuwehren. Der andere Preisträger, der Reproduktionsstecher und Kunstschriftsteller Nicolas Ponce 70 brachte dagegen den Einfluß der Malerei auf die Konsumgüterindustrie gerade auf den modischen Punkt, den EmericDavid als schädlich für einen regelhaft gefaßten und lehrbaren, absolut geltenden, allen Menschen gemeinsamen Geschmack und für den systematischen Aufbau einer modernen Qualitätsindustrie bezeichnet hatte, wenn er für Frankreich weiterhin eine Führungsrolle in Modedingen beanspruchte: »Ohne Zweifel ist es von großem Vorteil fur eine Nation, für alle modeabhängigen Dinge als Vorbild angesehen zu werden und die Produkte seiner Industrie von allen Völkern gesucht zu sehen; die Vorherrschaft bei Kleidung, Möbeln, allen Gebrauchsdingen wird der französischen Nation von keinem anderen Volk der Welt streitig gemacht. Wem verdankt sie diesen Vorteil, wenn nicht dem Talent seiner Künsder, der Überlegenheit, welche seine Malerschule über alle modernen Schulen errungen hat? Aus dieser Überlegenheit entspringt auch die Überlegenheit rein mechanischer Künste; sie übermittelt ihnen die Reinheit der Formen, den delikaten Geschmack, der unsere Produkte auf dem ganzen Globus gesucht macht. Das Zeichnen unterwirft seiner Herrschaft den Töpfer wie den Bildhauer, den Schmied wie den Architekten.«71

Für Ponce waren Museum und Zeichenkunst die zentralen Kommunikationsmittel zwischen Kunst und Industrie. 72 Beide, Zeichenkunst und Museum, vermittelten über die Kunst-und Warenöffentlichkeit der Metropole zugleich zwischen den Ansprüchen der Kundschaft und der industriellen Produktion. Vermittelt über den Tourismus, reichte deren Wirkung so weit wie die Attraktivität der Weltstadt: »Da der Luxus von Paris und die Meisterwerke, welche sie umschließt, die Fremden in diese Stadt strömen läßt; die Urbanität der Franzosen, ihre Spektakel und ihre Kunst sie länger bleiben läßt, als sie sich vorgenommen haben; müssen unsere Fabrikanten und Künsder ihre Anstrengungen verdoppeln, sie durch die Perfektion ihrer Werke zu verfuhren und zu verzaubern, damit diese Fremden, wenn sie bedauernd von diesem glücksbegabten Boden scheiden, das Verlangen nach unseren Produkten mit sich tragen.«73

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In den Konzepten Quatremere de Quincys, Emeric-Davids und Ponces wurde eine umfassende Geschmacksbildung von Produzenten und Konsumenten als Mittel der Aufrechterhaltung, Wiedergewinnung und Vergrößerung der kulturellen Hegemonie postuliert, deren sich französische Kunst und Industrie im Ancien Regime gerühmt hatten. Allerdings sollte diese kulturelle Hegemonie gleich dem modernen Konsum auf dieselbe breite gesellschaftliche Grundlage gestellt werden wie die politische Mobilisierung und Partizipation und die Verbreitung der Wissensgrundlagen zu technisch-rationalem Produzieren, wie es Frangois de Neufchateau in seiner Rede zur Eröffnung der ersten Industrieausstellung betont hatte.

3.3. Die Verzeichnung d e r W a h r n e h m u n g Ästhetische Bildung der Bevölkerung galt nicht nur als wirtschaftspolitisches Erfordernis, sondern war ein zentraler Bestandteil einer allgemeinen, umfassend konzipierten instruction publique, welche alle Bereiche des Wissens und der moralischen Urteilskraft umfassen und jedem zugänglich machen sollte. 74 Die kulturelle Hegemonie, welche als Voraussetzung für die Schaffung einer qualitätsorientierten Konsumgüterindustrie fur den modernen bürgerlichen Konsum angesehen wurde, sollte auch aus gesellschaftspolitischen Gründen möglichst breit verankert werden. Kunst war in diesem Bildungskonzept eine zentrale Rolle zugewiesen, war sie doch diejenige Instanz, welche Natur und Geschichte, Moral und Leidenschaft, Kultur und Technik in verständliche Bilder von großem Reiz und großer Informationsdichte fassen konnte. Dies vermochte sie auf zweierlei Weise, nämlich zum einen in Kunstwerken aller Art, welche im öffentlichen Raum ihre Bildungswirkung entfalten sollten, sei es in Museen, Ausstellungen und Sammlungen, als Denkmäler und als Bauzierde an öffentlichen Gebäuden, 75 zum anderen durch die Vermittlung derjenigen Technik, durch welche Bildungsgehalte zu Kunst gemacht wurden, nämlich durch Zeichnen. Das Zeichnen, technische Grundlage der Bildenden Kunst und praktischer Zugang zur Kunstbildung, war mehr als eine künstlerisch-technische Fachqualifikation zur Verständigung über die Form von Dingen. Im Rahmen der instruction publique galt sie als Schlüsselqualifikation zur Verständigung über die ästhetisch gefaßte Gesamtheit des Wissens. Daher mußte sie Bestandteil der Elementarbildung werden. Wenn Kunst eine Schrift zur Aufzeichnung äußerer und innerer Wirklichkeit war, wie Quatremere postuliert hatte, dann war Zeichnen ein Alphabet, mit dem sich Gegenstände formal erfassen, aber auch sinnliche Wahrnehmungen und Gefühle notieren, mitteilen und evozieren ließen. 68

Abbildung 4: Zeichenvorlage: H ä n d e , in: Encyclopedic m e t h o d i q u e , Beaux arts, Planches, Paris 1805.

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Der intendierte Zusammenhang von instruction publique, Kunst und Zeichnen läßt sich gut anhand eines Lehrplanentwurfs für Ingenieurschüler an der gerade errichteten »Ecole Poly technique« verfolgen, welche neben ihrer technisch-wissenschaftlichen Ausbildung fiir den öffentlichen Dienst, in welcher das technische Zeichnen zur mathematisch präzisen, nüchternen Erfassung von Gegenständen, die von Gaspard Monge ( 1 7 4 6 - 1 8 1 8 ) entwickelte geometrie descriptive, eine zentrale Rolle spielte,76 auch Unterricht im künstlerischen Zeichnen, Kunsttheorie und Kunstgeschichte erhalten sollten, einerseits als allgemeinbildender Bestandteil des Lehrplans, um den Horizont der Eleven zu erweitern, andererseits als praktische Fertigkeit, um anhand flüchtiger Eindrüke Ideen für sich und andere fixieren zu können, und schließlich aus fachlichen Gründen, damit sie wie die Griechen und Römer nicht nur solide Brücken, Wege oder Gebäude errichteten, »sondern sie auch geschmackvoll zu verzieren wissen«,77 was bekanntermaßen zur Geschmacksbildung der Öffentlichkeit beitrug. Der Plan des Curriculums, der die gängigen kunsttheoretischen Ideen enthielt, war bald nach seiner Veröffentlichung im »Bulletin« der Schule 78 als nützliche Handhabe für Zeichenlehrer ins Deutsche übersetzt worden. Danach war das künstlerische Zeichnen gerade für Ingenieure wichtig, einmal weil sie dazu ausgebildet würden technische Aufgaben zu lösen, die für die Gesellschaft wichtig seien und von dieser akzeptiert werden müßten, zum andern weil es Grundlage allen Zeichnens sowohl für Ingenieure als auch in der Architektur, der Malerei, dem Kartographieren sei, und nicht zuletzt weil es vom menschlichen Maß ausginge.79 Künstlerisches Zeichnen füge das menschliche Maß in die technischen Konstruktionen des Ingenieurs ein, 80 während Kunsttheorie und Kunstgeschichte den Ingenieur lehren könnten, durch das Gesichtsorgan auf die Seele einzuwirken und Gedanken durch die Evokation von Empfindungen zu wecken.81 Gerade die Malerei eigne sich zum Studium dieser Fähigkeit, denn sie gebe nicht bloß eine Sache in Form und Farbe getreulich wieder, sondern: »um der Idee aufgeklärter Menschen zu entsprechen, muß [sie] sich zu höheren Gedanken erheben; sie muß ihre Gegenstände beleben, muß zum Verstände reden; muß durch den Gesichtssinn auf die Seele wirken, die Einbildungskraft wecken, große Andenken erhalten, große Gedanken schaffen. Dann erhält sie / Wichtigkeit, erhebt sich zu ihrer Würde, ..., reizt und nähret erhabene Empfindungen, dient endlich der Moral und Gesetzgebung.«82 Die Malerei könne dadurch auch den Geschmack des Publikums formen und inspiriere alle anderen Künste und Gewerbe. 83 Die Ingenieure sollten für diese Inspiration empfänglich werden und sie bewußt auf ihre Arbeit einwirken lassen. Zu diesem Zweck verfügte die Schule über Modelle nach Antiken und Zeichnungen der besten zeitgenössischen Künstler.84 70

Abbildung 5: Zeichenvorlage: weibliche Aktstudie, in: Encyclopedic methodique, Beaux arts, Planches, Paris 1805.

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IM. 2 0

Abbildung 6: Zeichenvorlage: Ausdrucksstudien, in: Encyclopedic methodique, Beaux arts, Planches, Paris 1 8 0 5 .

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Aus dem Aufbau und den Begriffen des Kunstunterrichts läßt sich auf die Art der Verbindung von menschlichem Maß und Technik, welche die angehenden Zivil- und Militäringenieure lernen sollten, schließen. Ziel des Unterrichts war nicht, technische Werke mit menschlichen Proportionen, Gefühlen und Sinnen abzustimmen - das hätte bedeutet, Zeichnen als Medium der Erforschung dieser Menschlichkeit, also künstlerisch, einzusetzen. Zwar sollte der Zeichenkursus nach Art einer künstlerischen Grundlehre abgehalten werden, 85 um die künftigen Ingenieure die Verbindung von Schönheit und Dauerhaftigkeit zu lehren, wie sie in den besten Werken der Baukunst überliefert waren. Indessen wurde vorab die Kunst, doppelt befreit von den Fesseln der Königsherrschaft und des bilderstürmerischen Terrors, als eine Art Ingenieurwissenschaft der Sitten und der Sinne definiert. Das »Genie der Künste« wecke Talente, deren Aufgabe es sei, die Moral zu stärken, den Staatskörper zu beleben und das Regieren zu erleichtern: »Nächst der Moral, welche die Regierungen gründet und befestiget, sind es die Wissenschaften und Künste, welche ihnen Ruhm verleihen und sie der Glückseligkeit versichern; sie sind es, welche die Sitten sanft machen, sie verschönern das Leben, sie sind die süßesten Früchte des Geistes, das wahre Band der Gesellschaft.« 86

Aus dem tableau des Zeichenunterrichts läßt sich das Funktionieren der ästhetischen Ingenieurwissenschaft ersehen, deren Handhabe an der »Ecole polytechnique« gelehrt wurde. Sie bestand einmal darin, die Möglichkeiten der Gestaltung auf das Schöne zu begrenzen, welches wiederum durch die Auswahl kunsttheoretisch bestimmter Vorbilder auf bestimmte Linien, Formen, Farben, Proportionen reduziert war, zum anderen darin, die Sujetwahl auf moralisch, politisch oder ökonomisch nützliche Themen einzuschränken, welche wiederum durch kanonisierte Diskurse und Vorlagen besetzt waren. Die Seelen und Sinne, welche in einer solchen Ingenieurskunst nach ihrem Ausdruck suchten, 87 fanden ihn so etwa als Verkörperung von Tugend anhand der Porträts berühmter Männer, als Allegorie des Heldentums in Schlachtengemälden oder als kundenheischendes Ornament auf Modedingen. Damit war das Kunst-Curriculum der Ingenieure in doppelter Weise auf die allgemeine instruction publique bezogen, - einmal indem es die anschaulich dargebotenen Bildungsmittel im öffentlichen Raum, die festlichen Inszenierungen, Denkmäler, Museen, Sammlungen, Abbildungen und Ausstellungen lesbarer machte und so ermöglichte, ihren Wissensgehalt aufzunehmen, - zum anderen indem es befähigen sollte, durch die Verschönerung von Ingenieurwerken den öffentlichen Raum zu ästhetisieren und ihn nach dem Vorbild Athens und Roms mit moralischer und politischer Bedeutung aufzuladen 88 und sie damit zu Bildungsmitteln der 73

instruction publique und zugleich, als Kunst-Werke oder Medien der Kunst, zu Geschmacksbildungsmitteln für Konsumenten und Gewerbe zu machen. Tatsächlich wurde elementarer Zeichenunterricht in den Lehrplänen der revolutionären »Ecoles Centrales« gesetzlich verankert,89 und zwar nach einer Methode, welche an derjenigen des Schweizer Schulreformers Johann Heinrich Pestalozzi ( 1 7 4 6 - 1 8 2 7 ) orientiert war, dessen Methode der Abteilungsleiter für Kunst und Wissenschaft im Innenministerium, der oben als Autor einer Schrift über die Beziehung zwischen Kunst und Industrie genannte Amoury Pineux Duval, studiert hatte. 90 Pestalozzi betonte die Rolle der Anschauung in der Elementarerziehung als Grundlage begrifflichen Denkens und des Übens als eines praktischen Weges von der Anschauung zum Begreifen. Zeichnen war für ihn eine Grundfähigkeit zum Erkennen von Grundstrukturen in der Mannigfaltigkeit der gegenständlichen Welt und damit zentrales pädagogisches Mittel der Anschauungsschulung und Begriffsbildung. Daher war die Pestalozzische Zeichenmethode darauf gerichtet, das Wiedergeben elementarer geometrischer Grundformen wie Linie, Winkel, Quadrat, Kreis und Oval einzuüben, komplexe Formen als zusammengesetzte Elementarformen sehen und frei zeichnen zu lernen. 91 Eine solche elementare Übung der Kunst des Sehens stellte einen wesentlichen Teil der Weltaneignung dar, welche Ziel der instruction publique war, und bereitete auf die Wiedergabe des Gesehenen vor, welche entweder praktisch in der handwerklich-technischen Produktion geschehen sollte, deren rationale Organisation schon ein Ziel der Aufklärung gewesen war, oder in der giom0trie descriptive eine mathematisch, im künstlerischen Zeichnen eine kunsttheoretisch begründete fachpädagogische Ausprägung erhalten konnte. Unter den äußerst beschränkten Bedingungen des Elementarschulwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 92 war der elementare Zeichenunterricht im Bereich des Volksbildungswesens, falls er stattfand, durch den Einfluß der Lehre Pestalozzis reduziert auf das mechanische Nachvollziehen von Linien, Kreisen, Vielecken, einfachen geometrischen Körpern und schließlich architektonischen Grundformen und simplen Ornamenten. Allerdings konnte er in einen Unterricht, welcher die Vermittlung von- Wissenswertem durch Bilder anschaulich gestaltete, eingebettet sein, jedenfalls wurden entsprechende Bildungsmittel für den Elementarunterricht propagiert. 93 In gewerbereichen Orten wurden nach den Beobachtungen eines Reisenden den Kindern außerdem Ornamente, Säulenordnungen, Maschinenpläne und ähnliches zum Kopieren gegeben. 9 4 Faktisch wurde vom schulisch organisierten, öffentlichen und staatlichen Volksbildungswesen Zeichnen nicht in dem Umfang vermittelt, wie er von

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den Programmen zur Koppelung von kultureller Hegemonie und industrieller Entwicklung gefordert war.95 Die künstlerischen Fähigkeiten von Arbeitern und Handwerkern, welche Bowring als Ursache des Qualitätsvorsprungs der Lyoner Seidenindustrie diagnostiziert und auf eine allgemeine ästhetische Prädisposition zurückgeführt hatte, die allen Gewerbezweigen Frankreichs zugute käme, hatten ihren Ursprung vielmehr in anderen Bildungswegen, wie die neugierig-neidischen englischen Unternehmer und Außenpolitiker auf weiteren Inspektionsreisen feststellen mußten. 96 Sie wurden in erster Linie von speziellen Zeichenschulen, den icoles gratuites de dessin, vermittelt, welche größtenteils, wie die 1 7 5 6 entstandene Lyoner Zeichenschule, Mitte des 18. Jahrhunderts von städtischer, kirchlicher oder privater Seite zur Förderung der Luxusindustrien und der städtischen Handwerkerschaft gegründet worden waren, um im Sinne der »Encyclopedie« dem gewerblichen Nachwuchs über den Zeichenunterricht erstens einen theoretischen Zugang zur Praxis der materiellen Produktion zu ermöglichen und zweitens ihre künstlerischen Fähigkeiten zu wecken. Über die wichtigsten regionalen Zentren Frankreichs verstreut existierten Ende des 18. Jahrhunderts derartige Etablissements an insgesamt siebenundzwanzig Orten. 97 Von den Provinzakademien zur Pflege der Schönen Künste waren sie damals organisatorisch getrennt und durch die Richtung der Zeichenschulung unterschieden. Das wichtigste Institut war die 1 7 6 6 vom Maler und künstlerischen Direktor der königlichen Porzellanmanufaktur in Sevres, Jean-Jacques Bachelier ( 1 7 2 4 - 1 8 0 6 ) in Paris gegründete und bald vom König protegierte, vom Hof, von reichen Bürgern und den Zünften finanziell unterstützte »Ecole royale gratuite«, welche die Revolutionszeit ohne größere Erschütterungen überlebt hatte und in welcher nach einem ausgeklügelten System jährlich bis zu tausend begabten Schülern aus dem handwerklich-kleingewerblichen Milieu in Tages- und Abendkursen Unterricht in Architekturzeichnen, Perspektive und angewandter Geometrie, Körperformen, Blumen- und Ornamentzeichnen gegeben wurde.98 In Paris wurden in der Restaurationszeit wegen des großen Bedarfs noch mehrere weitere Ecoles de dessin nach dem gleichen Muster als private, von Vereinen und Privatleuten unterhaltene, von Stadt oder Staat subventionierte Einrichtungen gegründet, welche Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Tages- und Abendkursen Kenntnisse im künsderischen Zeichnen ebenso wie in angewandter Geometrie und im Maschinenzeichnen vermittelten99 und die in der zeitgenössischen Administrationslyrik als ein Ausdruck des zivilisatorischen Fortschritts für die Kultur der Massen gelten sollten:

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»Volkstümlicher Unterricht im Zeichnen ist eine der größten Errungenschaften der Zivilisation: Zeichnen konstruiert nicht bloß großartige Paläste und splendide Monumente, sondern weiß die einfachsten Behausungen zu schmücken, und man kann sagen, daß es für unsere Wohnungen, was eine andere Kunst, die Musik, für unseren Geist ist.« 100

Allerdings reichten die Subventionen nicht aus, Unterricht, Gebäude, Vorlagen und Modelle kontinuierlich zu verbessern.101 Eine der Schulen qualifizierte weibliche Arbeitskräfte.102 Von den privaten Schulen für Aktund Ornamentzeichnen war die der Brüder Alexandre und Ferdinand Dupuis 103 dafür bekannt, daß dort nach Serien dreidimensionaler Modelle unterrichtet wurde, um des zentralen zeichnerischen Problems der Umsetzung räumlicher Verhältnisse in plane Proportionen in der Ausbildung besser gerecht zu werden und die Ausbildung zu beschleunigen, eine Methode, die, als Elementarlehre von der »Academie des Beaux-Arts« und vom Unterrichtsministerium für den Schulunterricht empfohlen, 104 von Alexandre und Ferdinand Dupuis in Broschüren erklärt wurden, 105 einige der wenigen, eifrig übersetzten Schriften zur Zeichenmethodik aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zugleich eine Aufforderung, ihre Zeichenmodelle zu ordern. 106 Nach dem Muster der Pariser Schulen existierten noch mehrere Schulen in der Provinz107 - nach Bowrings Schätzung insgesamt etwa achtzig 108 teils neu gegründet, teils nach einer Phase der Unsicherheit gleich den Provinzakademien109 wieder ins Leben gerufen und mit diesen, wie in Lyon, 110 anders als im 18. Jahrhundert, verbunden, um zugleich eine künstlerische Elementarausbildung und eine Qualifizierung für industriellen Entwurf je nach den lokal betriebenen Gewerben zu bieten. Ihre Existenz hing ab vom aktiven Interesse von Stadtverwaltung und Unternehmern an zeichnerisch qualifizierten Fachkräften für die Konsumgütergewerbe, wie etwa der Ausbildung von sculpteurs en ivoire in Dieppe, seit den 1820er Jahren Zentrum einer verlagsmäßig organisierten Herstellung von Papiermessern (deren geschmackvolle Zurüstung vorzugsweise darin bestand, daß sie mit den Büsten nationaler Helden verziert waren), Schmuck, Knöpfen, Schirmgriffen, Serviettenringen, Nadelbüchsen, Spielzeug und zahllosen ähnlichen Dingen aus Elfenbein, zu welchem Zweck ein Zeichenlehrer angestellt war, an dessen Unterricht täglich hundert Lehrlinge teilnahmen. Selbst ein benachbartes neunhundert-Seelen-Dorf leistete sich einen eigenen Zeichenlehrer für den schnitzenden Nachwuchs.111 Solche Schulen waren in der Regel kein Teil des staatlichen Unterrichtssystems," 2 aber dieses konnte wie im Departement Oise zum Zwecke künstlerischer Elementarbildung für die gewerbliche Produktion modifiziert sein, wo das Zeichnen von Ornamenten, Säulenordnungen und 76

Produkten in das Curriculum integriert war, um die gewerbliche Qualifikation der Tabletteriearbeiter zu heben. 1 1 3 Jenseits solcher halbstaatlichen oder privaten Institutionen umfaßte das staatliche Bildungswesen im Bereich der praktisch-technischen Bildung nur einige Fachschulen, 114 von denen das »Conservatoire National des Arts et Metiers« und die »Ecole Centrale des Arts et Manufactures« die wichtigsten waren und in denen ebenfalls ein, mehr technisch orientierter, Zeichenunterricht angeboten wurde. 1 1 5 Seit der Abschaffung der Zünfte und damit einer systematischen Lehrlingsausbildung während der Revolution 1 1 6 waren im wesentlichen durch private Initiativen über den engen Kreis begabter junger Arbeiter und Lehrlinge hinaus, welche Zugang zu den wenigen speziellen Fachschulen gefunden hatten, Zeichenkenntnisse unter den Arbeitern in den Konsumgütergewerben verbreitet, wie es seit der Revolution programmatisch gefordert worden war." 7 Zeichenfähigkeit umfaßte außer elementarem Umrißzeichnen als Objekt-Schrift und Geometrie als Formenanalyse auch künstlerisches Zeichnen, mußte doch beim Entwurf und bei der Herstellung von Gegenständen immer zugleich Funktion und Geschmack berücksichtigt werden: » E s g i b t keine mechanische K u n s t , a u f welche vernünftige B e m e r k u n g e n über die Prinzipien des G e s c h m a c k s , der H a r m o n i e , Grazie und Schönheit nicht einen g ü n s t i g e n Einfluß a u s ü b e n . Die Ideen der Nützlichkeit gewinnen für alle eine neuen C h a r m e , wenn sie sich mit jenen Prinzipien a u f natürliche Weise verbinden; diese Prinzipien selbst können z u m großen Teil durch die B e w e g u n g s - u n d A u s d e h n u n g s gesetze erklärt o d e r erläutert w e r d e n . « " 8

Es handelte sich um eine gesuchte, finanziell honorierte Qualifikation," 9 die von »Zeichenkünstlern« verschiedener Art (dem Beruf des Künstlers war seit der Revolution die Exklusivität abhanden gekommen, und der Zwang, fur den Markt zu produzieren, galt ftir sie wie für die Luxushandwerker von ehedem), 1 2 0 von Stechern, Lithographen oder Malern, von privaten Einrichtungen, lokal organisierten oder von Vereinen und von kirchlichen Institutionen getragenen Zeichenkursen an Zehntausende von Lehrlingen und Arbeitern, auch weiblichen, vermittelt wurde. 121 So hielt 1811 ein Zeichenlehrer im Faubourg St. Martin Abendkurse für Arbeiter ab. 1 2 2 Ein solcher Unterricht wurde ergänzt durch die wachsende Zahl wohlfeiler Reproduktionen, Zeichenlehrwerke, 123 Vorlagenblätter und Gipsmodelle zum Nachzeichnen, die auch zum individuellen Studium benutzt werden konnten, verkauft in speziellen Läden, 1 2 4 herausgegeben von speziellen Verlagen, hergestellt von speziellen Werkstätten, 125 und meistens von Zeichenlehrern publiziert. 1 2 6 Sie stellen eine kaum erschlossene Gattung Literatur und Modell-Objekt zwischen Volksbildung und Angewandter Kunst dar 127 und sind zugleich Indiz dafür, daß in Paris neben

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den Fachschulen auch Zeichenschulen oder Abendkurse in den Arrondissements der Hauptstadt bestanden, welche von der Stadt oder der Quartiersverwaltung subsidiert und kontrolliert waren. Industriell produziert, machten solche Publikationen und Gegenstände Kunst und Geschmack transportabel, beliebig und überall verfügbar und damit zu einem Rohstoff fiir die Fabrikation von Konsumgütern.

3 . 4 . Die anschauliche Präsentation des Wissens Die wichtigste Form der allgemeinen instruction publique war die Präsentation von ausgewählten Gegenständen des Wissens, welche als zentral betrachtet und allen zugänglich sein sollten, typische Objekte, aus deren Anschauung je nach dem besonderen Interesse sich ein präziser sinnlicher Eindruck, ein erstes Begreifen und dann ein vertiefendes Studium entwikeln sollte - eine Methode, die sich von der sensualistischen Erkenntnistheorie der Aufklärung ableitete.128 F r a n c i s de Neufchateau wies als Innenminister die Professoren und Bibliothekare der neugeschaffenen »Ecoles Centrales« an, »Denken Sie daran, daß alle unsere Ideen durch die Sinne zu uns kommen, und der [an ihnen] reichste Schädel ist notwendigerweise der, welcher die reichhaltigste Ausstattung an verschiedenartigen Bildern und Vergleichsobjekten hat; Sie müssen nützliche Eindrücke auf die noch jungen, empfänglichen Nervenfasern einwirken zu lassen wissen.« 129

Zum Lernen durch Anschauung sollten den Zentralschulen naturhistorische Kabinette, Abbildungswerke, Bibliotheken und Kunstsammlungen angefugt und zur öffentlichen Nutzung bestimmt werden, was auch wirklich vielfach geschah. 130 Museen und museumsartige Einrichtungen, von denen während der Revolution in Paris eine ganze Reihe entstanden, bildeten die zentralen Institutionen der instruction publique, die, in einer Flut von Broschüren und Abhandlungen gefordert, wie erhofft rasch in Frankreich populär und, dank zahlreicher Reiseberichte, außerhalb der Grenzen berühmt werden sollten. Sie richtete sich nicht nur an alle französische citoyens, sondern ebenso an diejenigen itrangers, welche durch die Anhäufung und Zugänglichkeit von Kunst und Wissen in die Metropole gelockt wurden, wie Fran$ois de Neufchateau und Emeric-David es oben behauptet hatten und wovon zahlreiche Reiseberichte und Biographien Zeugnis geben können. 131 Wie einst Athen und Rom sollten splendeur und magnificence von Kunst und Wissenschaft den Ruhm des Landes verkünden und Gelehrte anziehen. 132 Damit dienten die Museen dem Ziel der kulturellen Hegemo-

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nie zunächst auf dreierlei Weise: zunächst durch die Attraktion und Ausstrahlung der von der Metropole praktisch monopolisierten Kunst und durch die Bildungspotenz, welche in der musealen Präsentation von Kunst und Wissenschaft steckte und dann durch die in die Kunst- und Bildungsöffentlichkeit eingebettete Warenöffentlichkeit. Durch die ersteren sollten die Besucher zum Wissen, durch die letztere zugleich zum Kaufen verführt werden: »Nirgendwo werden Literatur, Wissenschaft und Künste mit mehr Erfolg kultiviert. Die Urbanität ihrer Einwohner verfuhrt die Fremden, welche in ihren Geschäften die süßesten Vergnügungen finden. Wünschen die Fremden die Gesellschaft gelehrter Männer? Keine Stadt der Welt kann ihnen eine solche Menge so ausgezeichneter Gelehrter bieten: überall folgt man den Moden von Paris, und überall strengt man sich an, ihre Manieren zu übernehmen. ... Als Zentrum der Aufklärung und des Geschmacks dient es als Modell für den Rest Europas«. 133

Die besten Werke der Kunst, seit der Zerstörung der Adelsherrschaft und der Zerschlagung der Kirche in reichem Maße verfugbar, 134 wurden im Louvre versammelt, der zeitweilig als ein »Palais universel et encyclopedique" 135 sämdiche anderen Museen und die Nationalbibliothek in sich aufnehmen sollte. 136 Vermehrt um die Kunstschätze, welche von Napoleon als Kriegsbeute aus den eroberten Ländern mitgebracht wurden, wurde die Sammlung des Louvre zeitweilig zum »Musee central« Europas, in welchem die wichtigsten Meisterwerke der antiken und nachantiken Kunstgeschichte versammelt 137 und das hieß auch, den Engländern entzogen und für Frankreichs Kultur und Wirtschaft in Beschlag genommen waren. Seit seiner Öffnung als Museumspalast, jedem ohne Eintrittsgebühr zugänglich, war er tatsächlich zu einem Ort populärer Kunstbetrachtung geworden, der eine schubsende und sich drängende Menschenflut anzog, unter denen selbst Vertreter des niedersten Pöbels zu finden waren. 138 Die Besucher häuften sich noch mehr, als die von Napoleon erbeuteten Kunstwerke im Louvre aufgestellt worden waren. 139 Durch die Salonausstellungen neuer Kunstwerke wurde die Attraktivität des »Musee central« noch weiter gesteigert. Der Louvre wurde an Feiertagen zur Promenade der Arbeiterfamilien und blieb es durch das ganze 19. Jahrhundert. 140 Zum Louvre kamen rasch weitere Museen mit spezielleren Sammel- und Ausstellungsaufträgen hinzu. In der Schloßgalerie von Versailles wurden Werke französischer Künstler gezeigt, 141 antike Kunst außer im Louvre auch in der »Bibliotheque nationale«. 142 Im 1816 wieder aufgelösten »Musee des monuments frar^ais" 143 wurde das Winckelmannsche Modell der Kulturgeschichte als eines Kreislaufs von Aufstieg, Verfall und Wiederaufstieg der Künste auf Frankreich übertragen und mit einer Darstellung der Epochengeschichte französischer Kunst und Herrschaft anhand von 79

chronologisch arrangierten Skulpturen verbunden, um einen Eindruck von Kunst und Geschichte der Nation zu vermitteln: 144 »wo man die Zeitalter der französischen Skulptur in getrennten Sälen wiederfinden wird, wobei jedem dieser Säle der Charakter und die exakte Physiognomie des Jahrhunderts gegeben wird, welches dargestellt werden soll.« 145

Der physiognomie exacte wurde dabei durch inszenatorische Kunstgriffe wie Beleuchtungen, Arrangements und moderne Ergänzungen Rechnung getragen, welche im Betrachter Geist, Genie und Kenntnisse der verflossenen Jahrhunderte evozieren und in ihm einen Sinn für Geschichte, repräsentiert durch Objekte, wecken sollten. 146 Zu Botanischem Garten und Zoo gehörte ein Museum der Naturgeschichte. 147 In den Sammlungen des »Conservatoire nationale des arts et metiers« befanden sich Werkzeuge, Modelle, Instrumente, Maschinen und technische Geräte, welche zu Demonstrationszweken in Funktion gesetzt werden konnten, angeschlossen waren ein Labor für technische Experimente und Lehrstühle für Mechanik, Hydraulik, Chemie und Wirtschaftslehre. 148 Zu den Sammlungen erschienen teils illustrierte Kataloge in unterschiedlicher Qualität und Preislage, wie zum Beispiel das broschierte Oktavbändchen des italienischen Architekten Francesco Milizia ( 1 7 2 5 - 1 7 9 8 ) , »De l'art de voir dans les Beaux-Arts«, übersetzt von General Pommereul, 149 zu dreieinhalb Franc (viereinhalb außerhalb der Kapitale), welches 1802 in der »Gazette Nationale« annonciert wurde, 150 oder die sechs mit Stichen illustrierten Oktavbände als beschreibender Katalog der Objekte des »Musee des monuments fra^ais«, welche zugleich eine allgemeine Einfuhrung in die Kunstgeschichte lieferten.151 Es gab Projekte für weitere Museen, etwa fur Agrikultur,152 fur - wichtig in Kriegszeiten - Militärwesen,153 für Völkerkunde, 154 und nicht zuletzt fur die Revolution selbst.155 Quatremere de Quincy, der erklärte Feind musealer Anhäufung von Objekten, welche ohne die ihnen eigentümliche Umgebung ohne Kunstwert seien, 156 entwarf ein Museum für gallo-römische Antiken in einer antiken Ruine und forderte Abgußsammlungen für Studienzwecke.157 Von Emeric-David stammte der Entwurf eines »Musee olympique«, welches jeweils das beste Werk von Künstlern einschließlich Kunsthandwerkern zeigen sollte, erweitert um eine Ausstellung von chefsd'oeuvre von handwerklich Arbeitenden. 158 Gerade die Beschreibung des letzteren gibt einen guten Eindruck von der Definition des Wissenswerten und vom pädagogischen Charakter musealer Sammlung und Präsentation für die instruction publique: »Es wird sich um eine Sammlung von Meisterwerken geschickter Handwerker aller Künste handeln. Der Zimmermann stellt dort ein Maschinenmodell aus, dessen Erfindung ihn ehren könnte; der Schlosser könnte zeigen, wie er ein störrisches

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Metall gefugig macht; der Tischler, der Gießer zeigten, bis zu welchem Grad der Perfektion sie in ihren Arbeiten den größten Nutzen mit dem Charme angenehmer Formen vereinen könnten. Ein solches Etablissement ehrte Frankreich ebenso, wie es ihm nützte. Gleiche Leichtigkeit sei allen Artisteri zugestanden, sich bekannt zu machen, und dem Publikum, sie zu beurteilen; Wettbewerb, Perfektion von Kunst und Geschmack.« 1 5 9

So wie das »Musee olympique« den transitorischen Ruhm, welchen lebende Künstler durch den Salon erwerben konnten, bis in die Vorhallen des Ruhmestempels kanonisierter Meisterwerke, in welche nur Werke Verstorbener gelangen konnten, verlängern sollte, war das Museum der ouvriers eine Art permanenter Technikausstellung von Werken, welche ihren Platz in der Sammlung des »Conservatoire«, wo der Fortschritt der Industrie dokumentiert werden sollte, nicht finden konnten, und zugleich eine Halle des Ruhms für jene artistes, deren Medium die Technik war. Seit 1793 gab es Pläne, propagiert in der »Gazette« und im »Dictionnaire de la geographie comme^ante«, für ein »Museum national des arts et fabriques«, welches Muster aller Rohstoffe und gewerblichen Produkte Frankreichs und des Auslands ausstellen sollte, »eine systematische Sammlung von Proben sämtlicher Künste vom Ziegelstein bis zum Porzellan und zum schönsten Kristall; vom rotgegerbten bis zum Sämischleder, vom Kratzwollstoff bis zum feinsten Satin; vom Drillich bis zum Kammgarnstoff aus Louviers, Sedan und den Gobelins; vom Scheuerlappen bis zum Batist und zur Spitze, vom groben Filz bis zum feinen Kastor, vom Packpapier bis zum Velin, etc. etc.«. 1 6 0

Sie war dazu gedacht, Fabrikanten, Kaufleuten und Technikern einen Überblick über Rohstoffe, Produkte, Entwicklungen und Preise zu verschaffen und Vergleiche zu ermöglichen. Das Museum sollte nach dem Vorbild naturwissenschaftlicher Sammlungen organisiert sein.161 Nachdem Industrieausstellungen zu einem Publikumserfolg geworden waren, tauchte schließlich die Idee auf, Muster der ausgestellten Produkte in einem Conservatoire zu bewahren, um so eine Geschichte des materiellen Fortschritts zu dokumentieren.162 Die museale Organisation der Volksbildung in der Provinz konnte an einigen zentralen Orten wie Dijon oder Toulouse auf Initiativen aufgeklärter Bürger des 18. Jahrhunderts aufbauen. In der Hauptsache war sie jedoch eine Fortsetzung der Musealisierung der Metropole.163 1801 durch ein Dekret der Zentralregierung gefordert, wurden von 1803 bis 1805 zweiundzwanzig Departementsmuseen gegründet und mit Werken aus Emigrantenbesitz, aus der königlichen Sammlung, aus aufgegebenen Kirchen und Klöstern und von Eroberungen ausgestattet, teils aus lokalen Quellen, teils durch Sendungen aus der Hauptstadt.164 81

»Die Leute durchstreifen diese Galerien an den Feiertagen mit Interesse und räsonnieren auf ihre Art über die Szenen, welche ihnen die Kunstwerke vor Augen fuhren. Es gibt keinen Einwohner dieser Städte, welcher sich nicht an seinem Museum freute und voller Stolz die angeblichen Meisterwerke aufzählte, die es enthielte.« 165

Während des Directoire wurden Abgüsse von Antiken aus dem »Musee central« an die Departementsmuseen verschickt.166 Die ehemalige Kunstakademie der Seidenstadt Lyon war zu einem palace des arts erklärt worden, in welchem in den 1830er Jahren außer Räumen für Zeichenunterricht, Unterricht in Anatomie und angewandter Geometrie auch ein Museum für Gemälde, Altertümer und Abgüsse antiker Skulpturen sowie für Naturgeschichte untergebracht war.167 Im Atlantikstädtchen Dieppe, einem Zentrum der Tabletteriegewerbe, wurde auf städtische Kosten die gemeindeeigene Sammlung von Gipsmodellen und Vorlagen von Jahr zu Jahr um neue Modelle erweitert.168 Auch das provinzstädtische Ambiente wurde sowohl um Warenauslagen wie auch um Denkmäler erweitert.169 Wie das Zeichnen verband auch die museale Organisation der instruction publique die ihr zugeordneten Dinge eng mit der Kunst. Zeichnen hieß, nachschaffend eine ordnende Verbindung zwischen Dingwelt und menschlicher Wahrnehmung, Wissen und Gefühlen herzustellen, und diese ordnende Verbindung war wesentlich durch einen Formenkanon bestimmt, der anhand von Kunsttraditionen und ästhetischen Normen, also museal, gegeben war. Im Museum wurden bereitstehende Objekte der Dingwelt in einer Weise zu Wissensbeständen geordnet, welche Verstand und Gefühl der Menschen ansprechen sollte, und diese Ordnung war in der Kunstgeschichte als Kulturgeschichte, in ästhetischen Inszenierungen und in Beziehungen zwischen Kunstformen und inhaltlichen Bedeutungen wesentlich vorgeprägt. Durch die vom Zeichnen ästhetisch geschärfte Anschauung musealisierter Objekte wurde der Betrachter in die Beziehung zwischen Kunst, Objekt, Wissen und Gefühl hineingezogen. Wie das Zeichnen aber zugleich, als giometrie descriptive, einer neuen, naturwissenschaftlichen Sichtweise unterworfen war, welche begann, sich aus der kunstgeprägten Sicht auf die Wirklichkeit zu lösen, so war die museale Präsentation von Objekten aus der Naturgeschichte durch eine analytische Ordnung bestimmt, die nicht vorgängig ästhetisch bestimmt war170 - auch wenn beides, geometrisches Zeichnen und Naturalienkabinette, im Rückblick von ästhetischen Arrangements durchdrungen erscheinen. Die Warenwelt schien beiden Ordnungsbeziehungen gleichermaßen unterworfen, je nachdem sie unter dem Blickwinkel des Geschmacks oder der technischen Herstellung und des Materials betrachtet wurde.

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Abbildung 7: Stoffmuster, in: Louandre u. Hangard-Maugi, Arts somptuaires, Bd. 2. Die Stoffmuster waren Reproduktionen von Stoffen oder deren Abbildungen (etwa auf Gemälden) aus dem 14. Jahrhundert, sie wurden in der Art von Verkaufsmusterbüchern in der Weise präsentiert, daß ihre Kopie fur die industrielle Produktion von Modestoffen nahelag.

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Abbildung 8: Metallwaren, 14. Jahrhundert, in: Louandre u. Arts somptuaires, Bd. 2.

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Hangard-Maugi,

Anders als Naturgegenstände, Erfindungen oder Kunstwerke aber änderten sich ihre einzelnen Bestandteile mit zunehmender Geschwindigkeit. Jede museale Präsentation mußte auf diese Weise rapide an Informationsgehalt verlieren - was der Grund dafür sein dürfte, daß das Projekt eines Museums der Waren sich nie durchsetzen konnte und stattdessen die periodische Ausstellung einer repräsentativen Auswahl sich als Mittel einer instruction publique im Bereich der Warenwelt und des Konsums durchsetzte. Wie es in den Preisschriften zum Verhältnis von Kunst und Industrie, aber auch zur politischen und moralischen Erziehung gefordert worden war, unterwarf die instruction publique auch Architektur und Stadtraum einer Verzeichnung und Musealisierung durch Denkmäler, Wandgemälde und repräsentative Bauten. Eindrückliches Beispiel war der Tuilerienpark, welcher in der napoleonischen Zeit zu einem Freilichtmuseum wurde, bestückt mit Kopien antiker Skulpturen und französischer Bildhauerkunst. 171 Als Architekt und Kunstpolitiker war Quatremere de Quincy einflußreicher Protagonist eines programmatischen embellissement des Stadtraums, der Schaffung eines ästhetischen Gesamtzusammenhangs nach römischem Vorbild, 172 eine Idee, welche er mit wichtigen Zeitgenossen teilte. 173 Für ihn Schloß das allerdings - das war neu - die Idee der konservierenden Bewahrung alter Bauwerke von ästhetischem Wert mit ein, auch wenn sie aus dem neoklassizistischen Kunstideal herausfielen. Wichtiger war allerdings der Gesamteindruck, dem solche Bauten notfalls durch Eingriffe angepaßt werden sollten. Während der Revolution war sein wichtigster Beitrag zur Stadtverschönerung die Umwandlung der Kirche Sainte-Genevieve in ein Panthion frangais. Allegorische Skulpturen und Reliefs sollten an diesem Ruhmestempel der Republik die Ideale der neuen Zeit verständlich ausdrüken und zugleich den Regeln des guten, neoklassizistischen Geschmacks entsprechen. Das embellissement als instruction publique wurde in der napoleonischen Zeit ebenso wie nach der Restauration weiter betrieben und das zum großen Teil von denselben Leuten. Auch die Pariser Museen und Zeichenschulen florierten ungeachtet der politischen Umwälzungen, ungeachtet auch der Ablösung der neo-klassizistischen Kunstdoktrin durch romantische Strömungen weiter. Das Projekt der kulturellen Hegemonie war ökonomisch zu wichtig, eine politisch-moralische Bildung der Massen auch unter veränderten Machtkonstellationen unabdingbar, und nicht zuletzt war die anschauliche Instruktion, Frucht revolutionärer Ungeduld in der möglichst sparsamen, massenhaften Vermittlung der wissensmäßigen Voraussetzungen für die Umwandlung von Untertanen in citoyens viel weniger aufwendig als die Unterhaltung eines allgemeinen Schulwesens. 174 Bloß die Inhalte der anschaulichen Volksbildung wandelten sich und in der

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Stadtverschönerung wurden andere Akzente gesetzt, wurden Paläste und Kirchen restauriert. Quatremere de Quincy, Herold des Klassizismus und erbitterter Gegner der Romantiker, definierte jetzt die Kirche als das wahre, organische Museum, wie einst der römische Tempel, wo Kunst in ihrem gewachsenen Zusammenhang zu sehen sei.175 Daher setzte er sich, zum »Intendant des arts et monuments publics« berufen, für die Rückführung von Kunst aus den Museen in die Kirchen und Paläste ein, hielt aber am Prinzip des Kunstwerks als öffentlichem Gut fest und plante, Auftragswerke politisch-historischen oder religiösen Inhalts als Volksbildungsmittel in die Provinz zu schicken. 176 Als »Secretaire perpetuel« der neuen »Academie des beaux-arts« engagierte er sich seit 1817 erfolgreich für eine Förderung der Monumentalmalerei und für die Einführung der Freskenmalerei in Frankreich nach italienischem Vorbild als einer Programmkunst für die Öffentlichkeit par excellence. 177 Sein Handeln beruhte auf der Uberzeugung, daß die Beziehung zwischen den Künsten und der Gesellschaft möglichst nutzbringend (utile) gestaltet werden sollte: »der moralische Nutzen von Kunstwerken oder ihre Verwendung für einen bestimmten edlen Zweck ist die wichtigste Bedingung für den Künstler, zu produzieren und für den Liebhaber, zu beurteilen; für das Publikum, die Schönheit der Imitation zu fühlen und zu genießen.«

Diese Nutzbarmachung sollte bewerkstelligt werden, »indem die Künstler für Werke von öffentlicher und bedeutender Bestimmung angestellt würden, indem durch die Übereinstimmung von Monumenten und Werken mit ihrer Bestimmung das Urteil des Publikums geformt würde und die Meinung, welche es sich über Kunstwerke bilden solle, indem bei den piazierten Werken örtliche, moralische oder solche beigeordneten Umstände berücksichtigt würden, von welchen der Eindruck abhinge, welchen sie auf uns ausübten.« 178

Materiellen Nutzen oder rein sinnliches Vergnügen an Luxus Schloß Quatremere als künstlerische Vorgabe aus und setzte insofern die arts industriels in ein untergeordnetes Verhältnis zu den beaux-arts. So wie das Zeichnen setzte sich auch die museale Dimension der instruction publique in zahllosen Reproduktionen unterschiedlichster Qualität fort, welche den Prozeß der Verzeichnung und Musealisierung der Wirklichkeit und des Wissens im Medium von Abbildung und Erläuterung fortsetzten und ihn über die dazu geschaffenen Institutionen hinaus transportabel machten und damit außerhalb der Kapitale einen Zugang zu ihnen ermöglichten.

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4. Kunstliteratur und Kunstinteresse Das neue Verhältnis zwischen Kunst, Öffentlichkeit, Industrie und Konsum in Frankreich war durch Kunstliteratur vorbereitet worden, es wurde von Kunstliteratur begleitet und gestützt und durch Kunstliteratur über Frankreich hinaus verbreitet. Die Gattung des Kunstbuchs war in Frankreich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, jedenfalls wenn darunter eine Kombination von Reproduktionen von Werken der Bildenden Kunst mit Erläuterungen zum Werk und zum Künstler verstanden wird, deren Auswahl nach kunsthistorischen Gesichtspunkten erfolgte. 1 Davor und daneben gab es Reproduktionen ohne derartige Kommentare sowie Werke, die Geschichte mittels Kunstreproduktionen illustrierten,2 und illustrierte Darstellungen einer Palastanlage, eines Ortes, einer Gegend oder eines Landes.3 Paris war im Laufe des Jahrhunderts neben Rom zu einem Zentrum derartiger Verlagsprodukte geworden. Kunstbücher dienten zunächst vor allem der Selbstdarstellung fürstlicher Sammler. Sie reproduzierten und kommentierten deren Sammlung und waren nicht als Handelsware gedacht, sondern dienten in erster Linie als Geschenke im Rahmen höfischer Etikette.4 Im Laufe des Jahrhunderts weiteten sich die Gegenstände der Kunstliteratur ebenso aus wie ihr Rezipientenkreis. Sammlungen aller Art wurden vorgestellt, und neben Werken zur römischen Antike und der italienischen Renaissance wurden solche zur griechischen Antike und zum Mittelalter einbezogen. Außer Bildern wurden auch Skulpturen und Objekte der Angewandten Kunst abgebildet. Zunehmende Bedeutung gewannen auch illustrierte Werke zur Architektur.5 Dabei bildeten sich zwei Schwerpunkte, nämlich zum einen im Zeichen dynastischer Klassizismen die römische Antike und deren Fortleben in der Renaissance, zum anderen im Zeichen aufkeimenden Nationalbewußtseins lokale und regionale Kunsttraditionen. Durch lexikalische Aufbereitung wurde ein Studium reproduzierter Kunst möglich,6 was für Gelehrte und Künstler wichtig war. Illustrierte Reisebeschreibungen wiesen auf Kunstwerke an den jeweiligen Orten hin, 7 woran neben reisenden Adligen zunehmend auch bürgerliche Kaufleute Gefallen fanden. Der Entwicklung der Kunstliteratur begann ein wachsendes Interesse an Kunst im Bürgertum zu korrespondieren. Diese Entwicklung strahlte im Laufe des Jahrhunderts auf Europa ab. Auch in Großbritannien begannen Kunstbücher vorrangig zu den beiden Schwerpunkten Antike und Nation publiziert zu werden. Davon fanden in Frankreich besonders solche Werke Beachtung, welche der Kunst und Architektur des antiken Griechenlands gewidmet waren.8 Expeditionen und archäologische Untersuchungen hatten spektakuläre Ergebnisse zuta87

ge gefördert, was vom ästhetisch gebildeten Publikum mit großer Neugier verfolgt wurde. Autorisiert durch die Schriften der griechischen Klassiker, stellten diese Funde die an der römischen Antike entwickelte normative Ästhetik in Frage, welche seit der Renaissance Grundlage herrschaftlicher Repräsentation gewesen war. Zugleich umfaßten sie künstlerisch gestaltete Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, welche sich als Gestaltungsgrundlage für eine eigene, bürgerliche Sachkultur eigneten, die nicht mehr an das höfische Vorbild gebunden war. Gleich ob das bürgerliche Kunstinteresse sich der griechisch-römischen Antike oder der einheimischen Überlieferung zuwandte, in seinen Bildungsschatz wurde sowohl inkorporiert, was in Galeriewerken und Besichtigungsberichten von Kunst als Teil herrscherlicher Selbstdarstellung der Kunstöffentlichkeit zur Verfügung stand, als auch das, was Archäologen und forschende Gelehrte entdeckten. Ans Licht geholt, zur Kunst erklärt und sogleich publiziert, 9 blieben die neuen Entdeckungen teilweise außerhalb der Sphäre der Kunst als Herrschaftssymbol, auch wenn sie in fürstliche Sammlungen verkauft wurden. 10 Durch ihren ideell vorrangigen Bezug zur Bildungsöffentlichkeit waren sie nicht nur innerhalb dieser Sphäre allgemein und frei, auch als Teil privater Sammlungen waren sie zu besichtigen. 11 Ihr Bezug zur Herrschaft war nicht der eines exklusiven Aneignungsrechts, 12 sondern der einer finanziellen Option. 13 Eben dadurch waren sie andererseits in besonderer Weise prädisponiert, Sammelobjekt, Bildungsideal und Vorbild fur Lebensstil und Konsum von Schichten zu bilden, welche ihr Emporkommen weniger Herkommen oder Protektion, sondern vor allem auch eigenen Anstrengungen verdankten, jedenfalls über Mittel und Freiräume verfugten, ihre Umgebung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dieser spezifisch bürgerliche Aneignungsprozeß läßt sich in den Werken zweier Protagonisten - Caylus und Winckelmann - besonders gut erkennen. Im Umkreis der internationalen Künstler-, Sammler- und Gelehrtenzirkel Roms 14 hatten Freiheit von vorgängiger Einbindung und kommerzielles Interesse nicht bloß archäologische Grabungen und das Auffinden antiker Kunstwerke, sondern zugleich auch die Kunstgeschichtsschreibung im modernen Sinn befördert. So war der Comte Anne Claude Philippe de Caylus ( 1 6 9 2 - 1 7 6 5 ) , 1 5 Freund, Berater, Korrespondenzpartner vieler Künstler und Sammler und sämtlicher wichtigen Altertumsforscher,16 in den Vorworten zu den sieben Bänden seines sukzessive erscheinenden »Recueil d'antiquites egyptiennes, grecques et romaines« 17 allmählich dahin gekommen, nicht bloß Kunstwerken im traditionellen Sinn, sondern prinzipiell allen Objektivationen der antiken Zivilisationen wissenschaftliche, das heißt systematische, theoriegeleitete Aufmerksamkeit zu schenken. Dadurch wollte er Geschmack, Politik, Kultur und

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Moral vergangener Gesellschaften rekonstruieren. Zu jenen Zivilisationen zählte er in historisch-kausaler Folge die ägyptische, wo Kunst überhaupt begonnen habe, um später, überbracht durch Handel, sich in Etrurien (einer antiken Zivilisation in der Toskana), dann in Griechenland, schließlich in Rom weiter zu entfalten. 18 Gegen Kritiker an der Beschäftigung mit antiken Überresten überhaupt führte er zum einen den praktischen Nutzen solcher Studien ins Feld: Kunstwerke und verzierte Gegenstände könnten gegenwärtigen Künstlern zum Vorbild dienen in einer Zeit künstlerischer Dekadenz und dekorativer Oberflächlichkeit. 19 Darüber hinaus könnten antike Artefakte insgesamt Hinweise auf Rohstoffvorkommen geben, falls sie aus Material hergestellt worden waren, dessen Herkommen unbekannt sei; sie könnten mittels einer in Vergessenheit geratenen Technik hergestellt sein, welche, rekonstruiert, in der Gegenwart sich profitabel anwenden ließe.20 Tatsächlich experimentierte Caylus an der Wiederentdekung verschiedener Verfahren herum, insbesondere an der Enkaustik (Wandmalerei mittels Wachsen). 21 Möglicherweise, schlug er vor, entsprachen sie Bedürfnissen besser als derzeit in Gebrauch befindliche Gegenstände. 22 Bei dem Versuch, Funktionen eines unbekannten Fundstücks zu entschlüsseln, empfahl Caylus, zunächst seinen elementaren Nutzen zu bestimmen. 23 Durch seine Kontakte zu Künstlern und durch seine Publikationen flössen seine Forschungsergebnisse in gestalterische Experimente »nach der Antike« ein, aus dem der Neoklassizismus hervorging. 24 Antiquarische Forschungen konnten sich aber, wenn sie für die Gesellschaft zu gebrauchen sein sollten, nach Caylus nicht in der Betrachtung isolierter Fundstücke und in der Suche nach praktischem Nutzen erschöpfen. Beides blieb unergiebig, wenn die einzelnen Kunstwerke, Monumente, Artefakte nicht als Beleg und Ausdruck des Geschmacks einer Zivilisation, einer Epoche, einer Region, eines Künstlers begriffen würden. 25 Dieser Geschmack ließ sich erkennen, wenn man mittels Zeichnung und mittels Vergleich das Typische, Wesenhafte einer Reihe von Gegenständen herausgearbeitet habe: »Die Religion eines Volkes ist anhand der Symbole erkennbar, welche seine Götter charakterisieren; sein Geschmack zeigt sich an der Weise, mit der es seine Gestalten kleidet. Solche Erkenntnisse bleiben aber wenig gesichert, solange nicht das Zeichnen der Gewohnheit zu sehen und zu vergleichen hinzugefugt wird. Zeichnen stellt die Grundzüge zur Verfügung, welche die Grundlage des Vergleichens bilden, & durch diese Gewohnheit prägt sich der Geschmack einer Nation dermaßen ins Gedächtnis, daß sich ein bei einer Ausgrabung ans Licht gekommenes, unbekanntes Werk entscheiden läßt, daß es von einem volksfremden Künsder stammt.«

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»Steht der Geschmack eines Landes einmal fest, bleibt lediglich, dessen Fortschreiten und Wandlungen zu verfolgen; auf diese Weise erkennt man, wenigstens zum Teil, den jedem Jahrhundert eigentümlichen. ... Der Geschmack eines Volkes unterscheidet sich von dem eines anderen fast so deudich wie die Grundfarben sich voneinander unterscheiden; während die Variationen eines Nationalgeschmacks in verschiedenen Jahrhunderten sich als feine Nuancen derselben Farbe betrachten lassen.«26 Den Geschmack einer Zivilisation, einer Nation oder eines Volkes in seiner Entwicklung zu erkennen sollte das übergreifende Ziel antiquarisch-archäologischer Forschung sein, das, worauf hin der Vergleich und die Funktionsbestimmung der gefundenen Objekte bezogen werden mußten, das, was den spezifischen Gegenstand einer eigenständigen Geschichte der Kunst ausmachte. In der Folge weitete Caylus den Begriff des Geschmacks (offensichtlich als Antwort auf Kritik an seiner Methode) aus. 27 Ihm ging es nicht mehr, wie noch anfangs, um formale stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen und um die Definition von Geschmack als einer Entität formaler Ubereinstimmungen, Differenzen oder Verwandtschaften. Geschmack wurde stattdessen aufgefaßt als Ausdruck von Sitte, Moral und Geist einer Nation, also als ein ihrem Denken und Handeln zugrundeliegenden Prinzip, welches in der Kunst seinen klarsten Ausdruck fand. Jenes Prinzip manifestierte sich grundsätzlich in allen Gegenständen. Darin lag die philosophische Begründung, das antiquarische Interesse allmählich auf Artefakte jeder Art auszuweiten. 28 Der Geschmacksbegriff blieb bei Caylus zweideutig, formal und inhaltlich zugleich. Daß gerade nicht thematisiert wurde, inwiefern und wie eindeutig Formen denn Sitte, Moral etc. ausdrücken, machte vielleicht gerade die Attraktivität des Modells aus: Das eröffnete dem Sammeln, der Spekulation und der Debatte ein weites Feld. Das Vorgehen des Antiquars verglich Caylus mit dem Verhalten eines Reisenden in einem fremden Land, dessen Sprache, Sitten und Gebräuche unbekannt seien. Jedes Ding konnte, richtig entschlüsselt und im Zusammenhang gesehen, über die Kultur des Landes Aufschluß geben. Es kam ihm auf die Dinge als Symbole und Indizien zivilisatorischer Praktiken an, einschließlich der Kunst. Qua umfänglichster Erfassung, sorgfaltiger Beschreibung und geographischchronologischer Zuordnung von Objektivationen, deren Vergleich mit anderen im kritischen Austausch mit Kollegen sollte auf diese Weise allmählich ein Korpus gesicherten Wissens über die Bedeutung der Objekte und über Alltagsleben, Sitten, Moral und Politik und Kunst vergangener Zivilisationen entstehen. 2 9

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Einmal identifiziert und bewertet, konnten die Kunst-Objekte als Vorbilder für einen Prozeß gesellschaftlicher Erneuerung der Gegenwart dienen, gedacht als Wiedererstehen von Sitten, Moral, demokratischen Herrschaftsformen und selbst Wirtschaftsweisen einer utopisch gedachten Antike, welcher die Restauration einer ideal-antiken Ding- und Symbolwelt notwendig in sich schließen würde. Vorbildcharakter hatte Caylus den Fundstücken nicht bloß zu geben versucht, indem er sie als Zeichen auffaßte und nach deren Bedeutung suchte, als Ausdruck eines (formal gedachten) Stils und zugleich eines Nationalcharakters auffaßte. Er versuchte, durch seine Sammelaktivitäten auf den Markt der Antiquitäten Einfluß zu nehmen, indem er Gegenständen Wert zusprach, was deren Preis auf dem Kunstmarkt beeinflußte, indem er Sammelakzente setzte und dadurch zugleich für den Handel Objektgebiete erschloß und strukturierte. 30 Wichtig für Geschmacksbildung war er aber nicht bloß, weil er einer der Trendsetter für den Neoklassizismus war, ein Kunst- und Einrichtungsstil, welcher sich seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mittels Marktmechanismen und zugleich als ideologisch geladener Bedeutungsträger etablieren konnte. Seine Rolle dabei war seiner Abhandlung nicht eingeschrieben. Wichtiger war, daß er darin einen Weg gezeigt hatte, verstreute Überreste der Dingwelt vergangener Zivilisationen sowohl untereinander zu ordnen und sie als Ausdrucksträger einer Kultur zu entziffern, als auch, sie mittels des Geschmackskonzepts, zu einem konstitutiven Bestandteil eines Zivilisationsbegriffs werden zu lassen, Zivilisation anhand von »Geschmack« zu definieren als fortschreitend oder dekadent. Sein Geschmacksbegriff konnte helfen, auch Kunst und Dingwelt der Gegenwart als Ansammlung bedeutungsvoller Artefakte zu betrachten, als Manifestationen einer Zivilisation zu sehen, welche sich als Ensemble einer Kulturleistung darstellte - und nicht bloß als Ausdruck von Herrschaft. Mit Hilfe dieser Argumentation ließ sich die Bestimmung über den Geschmack der eigenen Epoche, dessen H ö h e oder Dekadenz den Setzungen von König und H o f entwinden. Das antiquarische Sammeln und Ordnen, die Verbesserung von Kunst und Dingwelt qua Bildung des Geschmacks konnten als Beiträge zum zivilisatorischen Fortschritt gelten. Sein Zeitgenosse, der Dresdner Bibliothekar Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), 3 1 widmete sich wie Caylus der Aufgabe, die Überreste antiker Kunst sinnvoll zu ordnen, das hieß, zeidiche und logische Beziehungen zwischen ihnen herzustellen und zu zeigen, inwiefern ihr Studium nützlich sei. Seit 1755 lebte er in Rom, als gesuchter Cicerone der zahlreichen durchreisenden Kunstfreunde 32 und als Sekretär und Vertrauter von Kardinal Albani, einem hochrangigen und einflußreichen Sammler, Mäzen, Kunsthändler und Politiker, 33 seit 1763 als Aufseher der Altertümer in und um Rom. Beide, Winckelmann und Albani, waren zentrale Figuren im 91

Kunstleben nicht bloß der Stadt, sondern Europas: Winckelmanns Schriften zur antiken Kunst galten ebenso wie diejenigen Caylus' als Wegweiser zum Studium der Kunst der Antike. Wie die Schriften des anderen lassen auch sie sich als Mittel lesen, Sammlungen (insbesondere seines Mäzens Albani) bekannt zu machen, ihnen Wertschätzung einzutragen und dadurch ihren Wert zu heben. Davon sollte zugleich der Marktwert jener Künstler des neuen, archäologischen Klassizismus profitieren, welche sich von den Ausgrabungsfunden, den Sammelobjekten Albanis und vom Kunstgeschichtsentwurf Winckelmanns hatten inspirieren lassen.34 Der Ansatz Winckelmanns: eine Geschichte der Kunst, entfaltet anhand der ständig neu gefundenen und der in (zum Teil aus der Renaissance überkommenen) Sammlungen bewahrten Kunstobjekte (wobei die Objekte im Besitz Albanis eine hervorgehobene Rolle spielen sollten), als quasi organische Entwicklung von Formen (der naturhistorisch gedachten Entwicklung von Pflanzen- und Tierarten analog) aufzufassen, die Einordnung von Kunstwerken in jene Gesamtentwicklung mittels stilkritischer Methoden, die Darstellung jener Entwicklung mittels chronologisch geordneter Aneinanderreihung von Kunstformen, welche sich auf stiltypische Weise formal unterscheiden ließen, schließlich die Ausweitung des Stilbegriffs auf Gesellschafts- und Lebensformen ( stile) und das Postulat eindeutiger Beziehungen zwischen (in ästhetische Begriffe gefaßter) Natur einerseits, Gesellschaft und Kultur zum andern, schließlich (natur-, gesellschafts- und kulturbedingt gedachter) Kunst, wobei Kunst, Kultur und Gesellschaft sich zyklisch auf eine neue, utopische Antike hin entfalteten - die Kunst der Renaissance war ein Schritt auf diesem Wege gewesen, die Kunst danach ein Abfall in die Dekadenz. 35 Caylus hatte das Interesse seiner Leser auf das Sammeln kleinerer, künstlerisch gestalteter Objekte, auf deren Zeichencharakter in Bezug auf Praktiken und Mentalitäten antiker Zivilisationen, schließlich auf die Möglichkeit des bewußten, wertenden symbolischen und praktischen Nachvollzugs gelenkt. Winckelmann dagegen lenkte den beschauenden Blick der Leser. Sie sollten die chronologische und ästhetisch wertende Ordnung, welche Winckelmann zwischen Meisterwerken antiker Kunst etabliert hatte, anschauend nachvollziehen, indem sie anhand der Werke selbst oder anhand von Kopien ihren Blick dem seinen betrachtend oder zeichnend nachbildeten. Das gebildete Schauen zielte auf das verstandesmäßige Erkennen und das sinnliche Empfinden eines überzeitlichen Schönen und Wahren, wie es sich in der edlen Einfalt und stillen Größe, 36 der idealischen Naturauffassung, den harmonischen Konturen griechischer Plastik37 am Vollkommensten zeigte. Diese Erkenntnis qua Bildung des Blicks, eine Wissenschaft des Schönen war ein Ziel an sich.38 Eine praktische Umsetzung der Erkenntnis konnte vor allem darin bestehen, Künstler zur Nachahmung eben dieser 92

überzeitlichen, absoluten Schönheit zu führen, sie bei einer Ästhetisierung und Moralisierung der eigenen Lebensformen zum Vorbild werden zu lassen: Winckelmann hatte den Künstlern die Aufgabe zugewiesen, allgemeine Begriffe moralischen Handels mittels literarischer Vorlagen in Komposition umzusetzen.39 Dieses Konzept ästhetischer Bildung, das unterschied es von demjenigen des Sammlers Caylus (und von der Praxis der englischen Sammler) zielte nicht auf praktische Aneignung von Kunst, auf praktisches Einwirken auf (Sach-)Kultur und gesellschaftliche Ordnung, sondern auf eine symbolische, bildungsmäßige Aneignung, auf eine Kultivierung des Geschmacks des einzelnen Betrachters im Privaten.40 Die eine Perspektive ist die des Habens, die andere die des NichtHabens. Das galt nicht bloß für die Autoren, sondern auch für deren Publikum: Caylus schrieb für Kollegen, für vermögende und gebildete Sammler. Das waren damals in erster Linie englische und auch französische Adlige. Winckelmann schrieb - auf Deutsch, wie zeitgenössische Rezensenten lobend vermerkten, wohl weil das auf dem Gebiet der Abhandlungen zur Antike eine Ausnahme darstellte41 - für ein lesendes Publikum, welches sich der Kunst als Betrachter näherte, welches zumeist allenfalls Kupferstiche und Kopien aus Gips zu betrachten und zu erwerben die Möglichkeiten hatte. Edle Einfalt, stille Größe - diese Begriffe wurden und blieben durch das 19. Jahrhundert geflügelte Worte bei den Gebildeten deutscher Sprache, so wie der Blick nach dem idealen Schönen noch lange Einfluß auf die Kunstbetrachtung der Bildungsbürger und auf die offizielle Kunstauffassung haben würde. Viele illustrierte Werke zum Kunsthandwerk und zur Innendekoration der Antike ließen sich unmittelbar als Gestaltungs- und Ornamentvorlagen nutzen. Die Kunstliteratur hatte zugleich Interesse an der Archäologie römischer und griechischer Kunst geweckt und unterhalten wie auch Interesse an Luxus-Handelswaren, deren Gestaltung antiken Formen nachempfunden war. Beides war initiiert und gepflegt worden von Sammlern, Gelehrten und Künstlern, die sich in Italien dem Studium der Antike verschrieben hatten, und wurde nicht zum Geringsten von englischen Mäzenen unterstützt, welche auf neuartige Weise zu Geld gekommen und auf der Suche nach einem ihnen angemessenen Stil des Lebens waren. Jene heterogene Gruppe Gebildeter und Begüterter hatte sich darauf verstanden, im Laufe etwa einer Generation vom Rande der politischen und der symbolischen Ordnung des Ancien Regime her ihren Stil, den Neoklassizismus, entwickelt anhand antiker Kunstwerke, in dessen Zentrum, an den Hof von Versailles, zu tragen.42 Dort war der goüt anglais en vogue und damit zum gültigen Vorbild geworden.43 Freilich war dabei die symbolische Ordnung der Dinge und der Mechanismus des Ordnens mittels Dingen im Prinzip erhalten geblieben; ein neuer Stil wurde im 93

Laufe des Jahrhunderts der symbolischen Ordnung integriert, so wie eine neue gesellschaftliche Schicht sich in den Rahmen des Ancien Regime integrieren und Vermögen, Titel und Ämter erwerben konnte. Der Umsturz der symbolischen Ordnung der Dinge, welcher 1789 mit der Herrschaft des Ancien Regime in Frankreich auch dessen Symbole außer Kraft setzte, konnte von aufmerksamen, kundigen Betrachtern an der Kunstliteratur selbst abgelesen werden: - Erstens erhielt diese Kunstliteratur nach 1 7 8 9 , ausgehend von Paris, nach Umfang, Themen, Herstellungsweise gegenüber derjenigen des 18. Jahrhunderts eine völlig neue Qualität. - Damit sollte, zweitens, auch die Rezeption von Kunst auf vollkommen neue Weise möglich werden, sollten Kunstgeschmack und Kunstpublikum sich gründlich wandeln. - Beides wiederum würde, drittens, sich mit grundlegenden Veränderungen in Moden und Konsumgeschmack in Verbindung bringen lassen, wodurch Kunst und Kunstreproduktionen zentrale Bedeutung für das Wirtschaftsleben und fur den Prozeß der Industrialisierung gewannen. Kritisch-historische und geisteswissenschaftliche Kunststudien (die sich an Caylus und Winckelmann orientieren würden) erschienen nach dem Ende des Ancien Regime innerhalb weniger Jahre in großer Anzahl. Von dem, was bis in die Krisenjahre 1 8 1 4 / 1 8 1 5 und danach herausgebracht wurde - etwa anderthalb hundert Publikationen von Rang bis zum Ende des Empire - wurden weite Bereiche der Kunstüberlieferung erschlossen und wiedergegeben, die bis dahin kein Thema von Publikationen oder Reproduktionen gewesen, noch kaum öffentlicher Betrachtung zugänglich gemacht waren. 44 Das Neue bestand zunächst einmal in einer thematischen Ausweitung und einer Verschiebung der Akzente. In der Veröffentlichungstradition fand kein Bruch statt. Serientitel erschienen weiter, ausstehende, durch die Umstände nicht wie geplant publizierte Lieferungen wurden nachträglich verlegt. So erschienen von der »Encyclopedic methodique«, einer groß angelegten Publikationsreihe zum Stand der Wissenschaften, der Künste und der Industrie, 45 welche der berühmten »Encyclopedie« Diderots und d'Alemberts nachempunden war, Titel vor, während und nach den revolutionären Ereignissen. Die Teilbände thematisierten unter anderem antiquifes, architecture, arts et metiers mechaniques, commerce und manufactures,46 Weiterhin erschienen wichtige Titel zur Antike, 47 speziell zu den Grabungen in Herculaneum und Pompeji, welche für das andauernde Interesse an der antiken künstlerischen Ausformung von luxuriösen, privaten Lebensumgebungen besonders bedeutsam waren.48 Nach der napoleonischen Kampagne erschienen zahlreiche Werke zur Kunst des Alten Ägypten. 49 Es gab Sammelwerke zur Kunst der Alten in 94

einem sehr weiten Sinn.50 Aber auch Architektur und Malerei der italienischen Renaissance wurden von französischen Kunstgelehrten erforscht und dargestellt.51 Daneben wurde die Kunst des Mittelalters zur Kenntnis genommen, erforscht und beschrieben.52 Seroux d'Agincourts »Histoire de l'art par les monuments« 53 wurde, obwohl unvollendet, zum weitgerühmten Standardwerk, dem ersten, welches für eine Epoche (Mittelalter) systematisch die wichtigen, verstreuten Werke reproduzierte und kommentierte. 54 Das neue Kunstinteresse fand seit der Wende zum 19. Jahrhundert bei der schon geläufigen Gattung der Reisebeschreibungen Eingang.55 Solche Werke korrespondierten dem Interesse der Gelehrten an nationaler Kunstüberlieferung genauso wie dem seit der Revolution geweckten Interesse bei Honoratioren der Provinz an der Kunstüberlieferung der je eigenen Region und deren Pflege. Das wurde oben beschrieben. Vor allem aber wurde, was in den beiden großen Museen der französischen Hauptstadt, dem Louvre und dem »Musee des monuments fran$ais«, zu finden war, in mehreren umfangreichen, reich illustrierten Werken vermittelt. Seit 1790 gab der Kunstgelehrte Aubin Louis Miliin (17591818) ein Sammelwerk mit Abbildungen historischer Monumente heraus,56 dem Louvre war eine Abteilung eingegliedert, welche die dort gezeigte Kunst graphisch reproduzieren sollte.57 Schlägt man einen der gewichtigen Großfoliobände auf, findet man die berühmten Antiken Roms wieder: den Apollo von Belvedere, die medicäische Venus, die Laokoongruppe, die Musen, Götterstatuen, Philosophenbüsten, Friese, Kandelaber, Opfergeräte und anderes mehr. Alle in Rom verehrte antike Plastik war in den Louvre verbracht worden. Die Serie derartiger Publikationen wurde fortgesetzt, auch nachdem die Sammlungen nach der Restauration eines Bourbonenkönigs teilweise aufgelöst wurden, konfiszierte Kunstwerke wieder an ihre Herkunftsorte gesandt worden waren (um dort zumeist in Museen zu landen, welche nach französischem Vorbild gegründet werden würden). Schon ein kursorischer Eindruck einschlägiger Kunstreproduktionen und Kunstliteratur kann einen ungefähren Eindruck von diesem Bereich einer sowohl von Staats wegen als auch kommerziell betriebenen anschaulichen Wissensvermittlung verschaffen, zu welchem noch eine nach 1800 wachsende Zahl illustrierter Journale, Lexika und Handbücher hinzukamen. Zusammengenommen stellten sie nicht nur einen florierenden Wirtschaftszweig der Kapitale dar, welcher auf den Industrieausstellungen als solcher gewürdigt wurde, sondern dadurch bildete sich ein großes Reservoir an Formen und Mustern, die sich leicht kunstindustriell verwerten ließen.

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IMIOI'ITKS

Abbildung 9: Antike Hocker und Tische, in: Encyclopedic methodique, Antiquites, Planches, Paris 1804.

Einige dieser Zeitschriften betonten schon in ihrem Titel die neue Verbindung zwischen Kunst, Industrie und Handel, welche auf den Ausstellungen inszeniert wurde, wie beispielsweise die »Annales de l'architecture, des arts liberaux et mechaniques des sciences et de l'industrie« oder das »Journal des arts, de la litterature et du commerce«, welche beide ab 1 8 0 0 erschienen. 58 In der »Gazette Nationale« war 1802 das Erscheinen eines illustrierten Kunstblattes angekündigt worden, welche zum Zeitungspreis59 neben aktueller Kunst aus den Salonausstellungen solche aus der ständigen Ausstellung des Louvre, antike Skulpturen und architektonische Ansichten auf zwölf Tafeln pro Monat zeigen sollte und in mehreren Serien bis 1821 erschien. 60 Solche Reproduktionen waren dazu bestimmt, den Geschmack aller citoyens so zu bilden, daß sie ihrer Aufgabe als producteurs und consommateurs nachkamen, die nationale Industrie auf dem Weg des Fortschritts zu befördern und allgemeinen Wohlstand zu sichern: »Die Lithographie hat den Geschmack der niederen Klassen um ediche Grade gereinigt und ihnen dank des geringen Preises ihrer Produkte erlaubt, Zeichnungen und Bilder zu erwerben, welche einen geübten Geschmack zu befriedigen würdig sind.«61 So stand es in einer Volksbildungsbroschüre zu lesen, die von Dupin 1 8 1 4 herausgegeben war und Kleingewerbetreibende über den ökonomischen Zustand der Nation informieren sollte. Auch ein Gutteil der 7 7 3 . 0 9 9 Bogen Papier, welche 1814 mit Schriften zu den Schönen Künsten bedruckt worden war, hatte vermutlich diesem Zweck gedient, 1 8 2 6 waren es dann fast zwei Millionen. 62 Ab 1 8 3 0 erschien das populäre und mit Holzstichen und Lithographien reich ausgestattete Journal »L'Artiste« und bald darauf »L'Art en Province«. 63 Auf einer noch populäreren Ebene angesiedelt waren seit 1 8 3 3 erscheinende Illustrierte wie das »Magasin pittoresque« oder das »Magasin Universel«, die unter anderem auch Kunstreproduktionen, wie simpel auch immer, brachten, und deren indirekter Wert fur die industrielle Produktion ein englischer Fabrikant mit barem Geld verglichen wissen wollte. 64 Alle diese Reproduktionen trafen auf ein Publikum, welches mit dem Medium des Bildes vertraut war, weil schon im 18. Jahrhundert in der Hälfte aller französischen Haushalte Bilder in irgend einer Form - als Stich, Flugblatt, Spielkarte, Andachtsbild, Bilderbogen - vorhanden gewesen waren.65 Deren vieldeutige Qualitäten, Abbildungen, Funktionen wurden durch den luxe public - zuerst durch die instruction publique, dann die neue, normierte, geordnete Kunstöffentlichkeit und schließlich durch die Warenöffentlichkeit - überformt, der sich in den neuen Bilderwerken vervielfachte und ubiquitär wurde. Mit Hilfe der neuen Kunstliteratur aus Frankreich waren zeitgenössische

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Betrachter in die Lage versetzt, den fundamentalen Wandel der Stellung nachvollziehen zu können, welche die überlieferten Kunstwerke nach der Französischen Revolution und während des Empire im Selbstverständnis der Gesellschaft eingenommen hatten, ohne nach Paris reisen zu müssen. Sie wurden nicht nur in gänzlich neuer Weise öffentlich gemacht und als nützlich gedacht. Durch die Kunstforschung wurden sie in eine kunstimmanente Entwicklungsgeschichte eingestellt, die eine Geschichte von Beziehungen der Verwandtschaft und der Unterscheidung zwischen sämtlichen Kunstwerken war. Zudem machten die Kunstpublikationen die reproduzierten Werke gleichsam allgegenwärtig. Das machte es endlich möglich, sie überall Teil von ästhetischem Genuß und kunsthistorischer Bildung werden zu lassen. Kunstliteratur erlaubte es, sich gleichsam zum Kustoden seines imaginären Museums zu machen, Besitz an inneren Bildern zu erwerben und zu ordnen, seinen Seh-Schatz zu komplettieren, Neuerwerbungen ins Auge zu fassen, Geschmacksurteile besser begründen zu lernen, sich der kritischen Argumente der Ästhetiker zu vergewissern. Daß Umfang und Vielfalt an Informationen zur Kunst durch die Zunahme von Veröffentlichungen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark, seit der Wende zum 19. Jahrhundert exponentiell zugenommen hatten, läßt sich schließlich auch als Nachfragephänomen deuten. Als solches indiziert es, daß in bestimmten Bevölkerungsgruppen nicht nur in Frankreich, sondern in weiten Teilen Europas (zumindest in den Städten) ein Kunstinteresse gewachsen sein mußte. Dieses Kunstinteresse wurde zuerst allmählich und seit der Französischen Revolution dann in rasch wachsendem Umfang historisch ausgeweitet auf bis dahin kaum beachtete Epochen, geographisch ausgeweitet auf ferne Gegenden einerseits (Ostasien, Afrika), auf Kunstaltertümer in der Provinz andererseits, schließlich von Meisterwerken auf Kunsterzeugnisse jeder Art, Fragmente, Gebrauchsgegenstände insgesamt. Parallel dazu entstand in der kunsthistorischen Debatte ein begriffliches Instrumentarium, mittels dessen die wachsende Menge an Objekten ästhetischen Interesses bearbeitet und in übergreifende Zusammenhänge eingeordnet werden konnten. Historistisches Denken in der Kunstgeschichte machte die Vorstellung von ZeitRaum-Koordinaten möglich, welche Objekte und Objekt-Bedeutungen fixierte, klassifizierte, identifizierte, inkorporierte. Kunstliteratur, Reisebeschreibungen, Museumsführer und Journale zu Kunst und Lebensstil trugen wiederum wesentlich dazu bei, ein neues, strahlendes Bild der französischen Metropole zu entwerfen. Von ihnen aus würde Provinz als Ort der Kunstferne und des Mangels an Geschmack neu lokalisiert und Anstrengungen legitim und notwendig erscheinen, sie durch Museen, durch eine ästhetische Überformung und durch Institutionalisierung von Geschmacksbildung zu »entwickeln«. 98

5. Kulturelle Hegemonie und wirtschaftliche Entwicklung Zentrales Mittel der instruction publique waren jedoch nicht die meistenteils privat verlegten und nicht gerade billigen Kunstpublikationen, sondern die Industrieausstellungen. Durch sie wurden Kunst, Museum und industrielle Produktion, Zeichnen, Anschauen und Konsumieren, welche, wie gezeigt, als Elemente der Volksbildung konzeptionell miteinander liiert waren, in einer temporären und spektakulären Inszenierung miteinander verbunden. Auf diese Weise konnten die Kernbestandteile der instruction publique periodisch sowohl mit der ökonomischen als auch der kulturellen Entwicklung verknüpft und zugleich einer gewissen Beobachtung durch den Staat unterworfen werden. Diese Verknüpfung blieb trotz wechselnder Regime ein Hauptziel französischer Innen- und Wirtschaftspolitik. Die Industrieausstellungen steigerten splendeur und magnificence der Metropole, indem sie das Ineinander von Kunst- und Warenöffentlichkeit periodisch auf spektakuläre Weise verdichteten und citoyens wie etrangers als ein Bildungsverhältnis vor Augen stellten. Die Ausstellungen waren das zentrale Instrument für die Übertragung der kulturellen Hegemonie aus der Sphäre von Kunst und Wissenschaft, splendeur und Museum auf die profane Konsumgüterfabrikation. Dabei sollte das Ausstellungspublikum als Stellvertreter des »Volkes«, verstanden als Gesamtheit der Konsumenten, eine wichtige Rolle spielen, welche durch Inszenierung und Rhetorik vorgeprägt war. Wie das Salonpublikum sollten die Ausstellungsbesucher Geschmacksurteile äußern, Urteile, welche idealerweise auf der Basis des Wissens beruhten, das durch die instruction publique der Öffentlichkeit zur Verfugung stand. Diese Urteile wurden über Gegenstände gefällt, an deren Schaffung die Zeichenkunst wesentlichen Anteil gehabt hatte, und sie waren eine wichtige Instanz in der Summe jener Urteile, welche über die Museumswürdigkeit der Ausstellungsobjekte entschieden - als potentiellen Preisgegenständen im »Temple de l'industrie«, als Exponaten im »Conservatoire des arts et metiers«, im »Musee des ouvriers« oder im »Museum des arts et fabriques«, jenen Instanzen, welche über den Wert der Gegenstände für Bildung, Kunst, Wissenschaft, Fortschritt und Handel und damit über deren kulturelle Wertigkeit Auskunft geben sollten. Damit waren die Industrieausstellungen jene Bildungsinstanz, wo die beiden Hauptbestandteile der instruction publique - Zeichenkunst und Museum, Schaffen und Geschaffenes - sich verbanden. Umgekehrt wurden durch die Industrieausstellungen Museen und Zeichenkunst für die Formung des Publikumsgeschmacks als Konsumentengeschmack in Anspruch genommen und 99

zugleich geprüft, inwiefern das dort zur Verfügung stehende Wissen in den Produktionsfortschritt für Industrieware eingeflossen war - etwa durch Verwendung von Gestaltungsformen aus der Kunst, von Rohstoffen, welche im »Museum d'histoire naturelle« gezeigt wurden, oder von Maschinen aus dem »Conservatoire« - und inwieweit das Publikum solche Neuerungen goütierte. Freilich war die Rolle der Ausstellungsbesucher begrenzt; wie bei den Kunstausstellungen war es einerseits Sache der Ausstellungspublizistik, Publikumsreaktionen zu evozieren, zu notieren und Gründe dafür zu finden, andererseits nahm eine Jury von Fachleuten die Prämiierung vor, welche sich an dem orientierten, was ein aufgeklärtes Publikum idealerweise bevorzugen mußte, das faktische Publikum dagegen bloß akklamieren konnte. Bei der Eröffnungsrede des Innenministers zur ersten Industrieausstellung war die Rolle der Ausstellungsbesucher programmatisch im Sinne der instruction publique doppelt bestimmt worden. Zum einen sollten die gewerbetreibenden artistes Gelegenheit zum Vergleich bekommen, um ihre eigenen Produkte zu verbessern, zum anderen sollten die Bürger begreifen, daß der Wohlstand des Landes von den Gewerben abhinge: » U m den Künstlern das neue Spektakel aller Industrien auf einmal zur Verfugung zu stellen, um zwischen ihnen einen wohltuenden Wetteifer zu etablieren, um eine seiner heiligsten Aufgaben zu erfüllen, allen Bürgern beizubringen, daß der nationale Wohlstand von dem der Künste und Manufakturen untrennbar ist«. 1

Dieses Lernen sollte auf unterhaltsame Weise geschehen. Für Dupin bestand 1834, wie oben zitiert, die Aufgabe der Ausstellungen darin, das allgemeine Interesse an Gewerbe und Industrie zu wekken. Das Publikum sollte nützliche Vergleiche anstellen und durch seine Reaktionen die Fabrikanten auf Vor- und Nachteile von Produkten hinweisen. So würde einerseits das Publikum immer bessere Geschmacksurteile fällen, die Fabrikanten würden andererseits lernen, sich auf den Geschmack und die Bedürfnisse des Publikums einzustellen. Damit ging Dupins Rollenzuweisung über das hinaus, was Franfois de Neufchateau anläßlich der ersten Ausstellung geäußert hatte, indem dem Publikum eine Schaltfunktion im Prozeß der έτηηίαήοη der Gewerbe zuwies und es so zu einem aktiven Mitgestalter des Entwicklungsprozesses machte. Der Wechsel in der Rollenzuweisung an das Publikum läßt sich aus der Ambivalenz erklären, welche dem Volk zum einen in der ästhetischen Geschichtsphilosophie, zum anderen in der Revolutionstheorie zugemessen wurde: - In der ästhetischen Theorie war Schönheit, wie Emeric-David es in seiner Schrift wiederholt hatte, ein absoluter Wert, und daraus folgte, daß der Geschmack, als ästhetisches Urteil aller Menschen, zumindest aller 100

aufgeklärten, im Prinzip gleich sein mußte, wenn historisch-geographisch bedingte Unterschiede auch unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen des Schönen bewirken mochten, und daß er dadurch regelhaft produzierbar sei. Andererseits lebte die Kunstindustrie, wie Ponce in seiner Schrift betont hatte, gerade von wechselnden Moden als genuinen Produkten Urbanen Lebens, und spekulierte damit auf rasche Geschmackswechsel der Konsumenten, die unvorhersehbar waren, weil sie sich wohl vorgegebener Kunstformen bedienten, aber diese nicht auf ein Ideal-Schönes hin ausbalancierten, sondern als Träger eines Zeichen-Spiels verwendeten. Geschmacksbildung als Ziel der instruction publique konnte also je nachdem als Hinführung zum absolut Schönen oder als Einführung in Kunstformen als Bedeutungsträger gedeutet werden. - In der Theorie der Revolution war das Volk ebenfalls nicht eindeutig bestimmt. Zum einen galt es als ein sich der Souveränität bemächtigendes Subjekt, zum anderen als Objekt einer sich im revolutionären Prozeß verwirklichenden abstrakten Vernunft des historischen Prozesses, dessen Vermittlung - reflektiert durch eine intellektuelle Elite - erstes Ziel der instruction publique gewesen war. Im politischen Prozeß hatten im Verlauf der Revolution neben brachialen Interventionen, diffizilen Verfahrensregeln und semantischen Operationen auch die Institutionen der instruction publique dafür gesorgt, daß individuelle Erkenntnisprozesse, kollektiver Volkswille und politische Vernunft aufeinander passend gemacht wurden. 2 Die instruction publique sollte, glaubt man der offiziellen Ausstellungspublizistik, seit dem Ende des Terrors in erster Linie ökonomisch-politischen Zielen - Konkurrenzfähigkeit gegen England, Industrialisierung als Grundlage von Massenwohlstand, Massenwohlstand als Resultat der Revolution - dienen, indem sie die kulturelle Hegemonie, welche durch die Revolution von H o f und Kirche auf die Horte des Wissens und der Schönheit, auf Museen und verschönerten Stadtraum, auf die Warenöffentlichkeit als Kunstöffentlichkeit übergegangen war, systematisch in den Produktions- und Konsumtionsprozeß hineintrug, wie es in den Preisschriften zum Verhältnis von Kunst und Industrie gefordert worden war. Mit diesem Argument wurden jedenfalls die Staatsausgaben für das Museumswesen und die Ausbildung von Künstlern gerechtfertigt. 3 Konkret hieß das, Ordnung, Form und Bedeutung von Gegenständen, deren Verhältnis zueinander in der Kunst paradigmatisch hergestellt, im Kunstdiskurs reflektiert und in der musealen Präsentation anschaulich dargestellt war, auf Industrieprodukte zu übertragen. 4 Die Industrieausstellungen, wo Kunst und Wissenschaft im Namen der art utile als Mittel zur Umformung von Produktion und Konsum dargestellt, Waren als Kulturgüter präsentiert und als Museumsobjekte dem Konsum anempfohlen wurden, waren Inszenierungen dieser Übertragung 101

der kulturellen Hegemonie aus der Sphäre der musealisierten Kunst in die der Kunst-Industrie. Die Unterschiede zwischen den beiden Dimensionen der Kultur - Kunst und Wissenschaft: einerseits, die materielle Ausformung und Symbolik von Lebensformen andererseits - erschienen in dieser Inszenierung eingeebnet, weil beide durch die Ausstellung als Institution der instruction publique zu einer politisch-ökonomischen Potenz verkettet und so als Produktivkraft finalisiert wurden. Auf den Industrieausstellungen wurde allen die Art und Weise vor Augen gestellt, in der diese im Namen der Hegemonie aus der Kultur geschmiedete Produktivkraft durch die Gesamtheit aller Produzenten und Konsumenten - vertreten durch das Publikum - und deren kulturelle Disposition zur Moderne, zum guten Geschmack, für die Entwicklung von Gewerbe und Industrie nutzbar gemacht wurde. Diese programmatische Finalisierung fand ihren stärksten Ausdruck darin, daß die Industrieausstellungen Eingang ins »Musee central« fanden. Nachdem wegen der politischen Krise 1799 während der Revolutionsfeiern keine Ausstellung stattgefunden hatte, sondern nur eine Statue der Industrie im Innenhof des Louvre aufgestellt worden war,5 wurden die Ausstellungen 1801 und 1 8 0 2 in provisorischen Arkaden in diesem Innenhof veranstaltet. Die Zahl der Aussteller verdoppelte sich 1801 ( 2 2 0 Aussteller) und wuchs dann 1 8 0 2 auf spektakuläre 5 4 0 Aussteller an, wohl vor allem deshalb, weil immer mehr Fabrikanten aus entfernteren Departements zur Teilnahme gewonnen wurden. Äußerliche Gründe - die zentrale Lage, ein besserer Schutz für wertvolle Objekte mochten für die Wahl des Ortes eine Rolle gespielt haben, 6 aber durch die instruction

publique

und die R h e t o r i k von den arts utiles war der O r t

prädisponiert, die Einbindung der ausgestellten Industrieprodukte in die Sphäre der Kunst und zugleich die endgültige Zerstörung der symbolischen Ordnung des Ancien Regime zu demonstrieren. In der Ausstellungspublizistik, vor allem in den Beschreibungen ausländischer Besucher, 7 wurde dieser Zusammenhang betont, insbesondere deshalb, weil Salonausstellung - im Louvre selbst - und Industrieausstellung zur gleichen Zeit abgehalten wurden. Damit gerieten Kunstproduktion und Industrieproduktion, Fortschritt in der Kunst und in den Gewerben, künstlerische Erforschung der Leidenschaften und Verbesserung des materiellen Wohlstands parallel zueinander in den Blick der Öffentlichkeit, um von diesem Blick zentralperspektivisch umfaßt und als Teile einer Einheit gesehen zu werden. In dieser Einheit manifestierte sich die kulturelle Hegemonie der französischen Nation und zugleich deren Umschlagen in eine ökonomische Potenz. Rückblickend stellte ein französischer Berichterstatter in einem Kommissionsbericht zur Verbesserung der kunstindustriellen Produktion anläßlich der ersten Weltausstellung fest: 102

»Die Ausstellung des Jahres IX hatte also diesen Charakter der Universalität und zeigte diese Tendenz zur Vermischung, die in der Vernunft der Sache und in der Ordnung der Dinge liegt, und welche schon am Anfang die Zukunft dieser Institution in sich trug. Die Besucher wechselten ohne bemühten Übergang, und ohne von der Annäherung schockiert zu sein, von den Galerien alter Meister zur modernen Malerei; von den Gängen, wo die Industrie mit Stolz ihre Produkte ausstellte, in die Säle, wo die schönsten Exemplare der antiken Skulptur sich der Bewunderung der Kenner darboten.« 8

In einer Vorlesung vor dem »Institut« war 1801 dieser Umschlag kultureller Hegemonie in ökonomische Potenz an drei Verknüpfungen festgemacht worden, welche durch die Ausstellungen ermöglicht wurden. Zum einen eröffneten sie den materiell Produzierenden zeitweilig einen Ubertritt aus der Sphäre der technischen Manipulation und des ökonomischen Kalküls in die Sphäre des Moralisch-Politischen, wo ihre Leistungen als Beitrag zur Zivilisation gewürdigt und sie zu weiteren Anstrengungen ermutigt wurden; 9 zum anderen näherten sie alle Branchen der Kunst einander an und steigerten dadurch die Einflußmöglichkeiten der Künste aufeinander, was dazu führe, daß technisch-naturwissenschaftliche Erfindungen und Verbesserungen sich vermehrten und daß die Kunst auf Gebrauchsdinge übertragen und diese selbst dadurch zu Kunstwerken würden. 10 Indem die Jury Preise sowohl für Erfindungen und Verbesserungen als auch fur die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die massenhafte billige Herstellung nützlichen Gebrauchsguts vergab, sollte drittens schließlich dafür gesorgt werden, daß der Ehrgeiz der Künstler, Fabrikanten und Arbeiter und die Art der Verbesserungen und Verschönerungen in Richtung einer gewerblichen Entwicklung zum materiellen Nutzen und zur ästhetischen Befriedigung der Allgemeinheit sich entwickeln würden. Tatsächlich fiel die museale Inszenierung der Industrieprodukte mit dem Beginn der Ausstellung von Massenkonsumgütern, etwa den Ternauxschen Kasimirs und Kaschmirschal-Imitationen oder Maschinenwebteppichen, zusammen. 11 Die Verbindung von Industrieausstellung und Museumskunst war zeitweilig unterbrochen, wohl wegen der abermals fast verdreifachten Zahl der Aussteller, als die Exposition 1 8 0 6 auf die Esplanade des Invalides verlegt wurde. 12 Dafür gab es neben Sektionen für arts michaniques, arts chimiques und tissus auch eine für beaux-arts - tatsächlich glichen die in dieser Sektion zusammengefaßten Luxusgüter teilweise ja auch Gemälden, Skulpturen oder Luxushandwerk früherer Epochen, wenn es sich nicht, wie etwa bei Bronzeplastiken, um direkte Kopien handelte. 13 Als ab 1 8 1 9 nach längerer Unterbrechung wieder Industrieausstellungen stattfanden, wurden diese »tableaux de toutes nos richesses industrielles«14 aber trotz weiter steigender Teilnehmerzahl zum Teil in den Louvre selbst 103

- aufs neue Stadtpalast des Königs zum Teil in dessen Innenhof verlegt und damit die Verbindung von Kunst und Industrie weiter forciert. Schon 1819 füllte die Ausstellung, welche zeitgleich mit dem Salon stattfand, über vierzig Säle des Palastes.15 Ein Ausstellungsbericht hob speziell den Nutzen des Ineinanders von Kunstwerken und Industrieprodukten für die Unternehmer hervor, welche so zu einem Kunstgenuß kämen, für den sie sonst keine Zeit fänden, der ihnen aber Vorteile verschaffe: »Keiner denkt mehr, daß man in den Künsten, wo es auf F o r m und Umriß ankommt, ohne einen sehr reinen Geschmack im Zeichnen etwas Schönes zustandebringt. Der Louvre, der Salon, das kulturgeschichtliche Museum haben ihnen Modelle aller Art vor Augen gefuhrt, und man kann sie gar nicht genug vermehren. Durch diese weise Maßnahme kommt der Ruf eines Fabrikanten an den Ruhm eines Architekten heran.« 1 6

Durch eine genaue Beschreibung sollte die temporäre Ausstellung der Industrieprodukte Permanenz gewinnen und so gleichsam zu einem papiernen Museum der Kunst, einem Musie des produits werden.17 Während die Abbildungen im Ausstellungsbericht nur Luxusprodukte zeigten, bestätigten die unendlichen Beschreibungen, Listen und Tabellen von Fabrikaten und Fabrikanten noch einmal den spezifischen Charakter der frühen französischen Industrie als einer vielfach noch handwerklichkleingewerblich strukturierten Qualitätsindustrie für den modernen bürgerlichen Konsum. Diese Industrie existierte in Paris selber in allen Stadtvierteln in großer Vielfalt. So waren aus dem ersten Arrondissement in unmittelbarer Nachbarschaft des Louvre achtunddreißig Aussteller mit Fabrikaten der unterschiedlichsten Art vertreten, von Ziegeln über Stiche und Radierungen, Hüte, Siegellack, Korsetts, Baumwollgarn, Bestecke, Kücheneinrichtungen, Vergoldungen, Luxusmöbel, Gewehre, Uhren, Lithographien, »Maschinen«, Schmuck, Porzellan, marmoriertes Papier, mechanische Feilen, Schlösser, Teppiche, Zinkblech bis zu Bienenkörben. Jedes Arrondissement hatte weitere Spezialitäten aufzuweisen, von Blechwaren bis zu Hundehalsbändern, von Ammoniak und Endlospapier bis zu ornemens en insectes, von Drucklettern bis zu Thermometern.18 Welche dieser Fabrikationen industriemäßig, welche manufakturiell, hausindustriell oder handwerklich betrieben wurden, läßt sich nur raten - die Übergänge waren fließend. Gleich ob sie Luxus- oder Gebrauchsartikel waren, im Louvre wurden sie kunstmäßig arrangiert: »Die Verzierung der Waarenbuden blieb den ästhetischen Grundsätzen jedes einzelnen Fabrikanten überlassen, und hier zeigte sich überall die Gefallsucht und der gute Geschmack, welche den Franzosen so eigen sind. Sie hatten ihre Buden, wie Tempelchen, wie Heiligenkapellen, wie Thronhimmel mit dem gehörigen Unterbau, ganz theatralisch ausgeschmückt. Kein Produkt war so schön, daß sie es nicht durch

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eine schickliche Umgebung noch zu verschönern wußten; keins war so unbedeutend, daß sie nicht verstanden, ihm durch eine gewisse Anordnung einen Glanz zu geben. Bis auf die Nähnadeln und eisernen Feilen, die man zu großen strahlenden Sonnen um einen Mittelpunkt / vereinigt, war Alles eingerichtet, die Sinne zu bestechen und das Urtheil zu gewinnen. Die Zeuge zur Bekleidung waren auf das Verführerischste drapirt, und manch schöne unschuldige Frau mochte die Qualen des Tantalus gefühlt haben.« 19

Ab 1 8 3 4 hatte sich das Museum endgültig als zu klein für die Ausstellerzahlen ( 2 , 4 4 7 ) und den Besucherandrang erwiesen, die Expositionen wanderten zunächst auf den Place de la Concorde (damals Place Louis XV) und dann auf die Champs Elysees. Topographisch blieben sie damit, in perspektivischer Verlängerung des Innenhofes, nahe am Zentralmuseum, welches durch die Skulpturen im Tuileriengarten sozusagen bis an das Ausstellungsgelände heranreichte, sie schienen ihm gleichsam entwachsen zu sein. Das traf in mehrerlei Hinsicht auch im übertragenen Sinne zu. Inzwischen hatten nämlich Kunst- und Industrieausstellungen als Mittel der instruction publique und der imulation der ansässigen Gewerbe und Industrien, als Inszenierung der arts utiles und der Finalisierung von Kultur wie schon Kunstmuseen und Zeichenunterricht längst ihren Weg in die Departements der Provinz gefunden und hatten auch dort, organisiert von Societes zur Förderung der Gewerbe oder zur Pflege der Künste, der Ausbreitung einer Industriekultur der Moderne den Weg bereitet. 20 Unterwegs durch Zeit und Raum hatte dabei der moderne Geschmack im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Frankreich allmählich die normativen Konturen, welche die instruction publique ihm gegeben hatte - den Bezug auf die ästhetische (antike Norm) und gesellschaftliche (Republik) Utopie des Klassischen, die Einbindung in die nachklassischen Kunsttraditionen - , gerade in dem Maße verloren, wie die politischen Regime wechselten, wie industrielle Konsumgüter und (reproduzierte) Kunst sich in jedem privaten Raum verbreiteten, wie Ausstellungen, Museen, embellissement und Schaufenster allerorten den öffentlichen Stadtraum zu einem Kunst-Raum machten. Zwar wurde Geschmack mehr und mehr an Kunst fixiert, verlor dabei aber den Bezug zur Objektivität eines Ideals und die Bestimmtheit durch Regeln und Geschichte. Moderner Geschmack bezog sich zunehmend auf subjektive Präferenzen der Konsumenten, welche nicht mehr an einem herrschenden normativen Diskurs orientiert waren, wie er sich in musealer Fixierung an die Dinge anschaulich präsentierte, sondern auf die Kontingenz und das Fragmentarische von Gegenständen, Formen, Stilen, Bedeutungen, das sich der beiläufigen Betrachtung der Kunst- und Warenöffentlichkeit anbot, und sich zu vielerlei Gestalten verdichten, auf unterschiedliche Weltbilder beziehen ließ. Den subjektiven Präferenzen entsprach auf seiten der Produzenten, 105

unterstützt durch die Kunstöffentlichkeit und die Verbreitung von Zeichenfertigkeit, die technische Verfügung über Gestaltungsformen und Stile, die Fertigkeit der Applikation, die Abstraktion von Bedeutung und Inhalt. Die Industrieausstellung von 1834 bot zum ersten Mal Anlaß, die Wirkungen dieser Subjektivierung zu thematisieren - die Desintegration von Proportionen, Harmonien und Korrespondenzen, welche der Rekurs auf eine ästhetische Norm bei Gegenständen und deren Assemblagen garantiert hatte, und den Mangel an eigenständigem Umgang mit einem Kanon zugunsten der eklektizistischen Übernahme ornamentaler Versatzstücke. So stand auf der Industrieausstellung von 1 8 3 4 der Stilpluralismus in voller Blüte. Die Ausstellungsgegenstände folgten disparaten, unternehmensstrategisch kalkulierten Gestaltungsprinzipien und stießen, ohne ästhetischen Bezugsrahmen versammelt, disharmonisch aufeinander: »Wenn ... man sich auf das Studium und den peniblen Vergleich von Produkten einläßt, verstreut und isoliert, wie sie angeordnet sind, eine befremdliche Sache, welche Aufmerksamkeit und Sorgfalt verdient, findet man in den Details diese Konfusion des Ganzen wieder. Wieviele gibt es unter all diesen geschickten und intelligenten Fabrikanten ... von denen sich sagen läßt, sie hätten eine eigene Handschrift, gut oder schlecht, durch welche sich ihre Produkte auszeichneten? Durchquert man den Stoff-Saal, geht man zu den Bronzen, dem Kristall, zum Schmuck, zu den Möbeln, zum Porzellan;... wo sind die unterscheidenden Qualitäten, die Schulen, die Meister? Befinden wir uns im Griechischen, im Römischen, im Gothischen; greifen wir auf den Stil der Renaissance, auf den Ludwigs XIV. oder Ludwigs XV. oder des Empire zurück? Haben wir einen eigenen?« 21

Die Frage nach einem Stil der Epoche war an die Stelle der anschaulichen pädagogischen Vermittlung vorab bestimmter ästhetischer Normen, politisch-ökonomischer Thesen und industrieller Rationalität getreten, um die Institution Industrieausstellung zu legitimieren. Diese erschien jetzt als eine notwendige Einrichtung für die Herausbildung eines Epochenstils, welcher sich nicht konstruieren oder verfügen ließ, sondern von der anonymen Kollektivität von Geschmacksurteilen abhängig geworden war. Ein solcher Epochenstil wiederum stellte eine wesentliche Voraussetzung zur Finalisierung der Kultur als Produktivkraft dar, weil deren Dynamik und relative Eigenständigkeit zunehmend gegen Auswirkungen der industriellen Produktion verteidigt werden mußte. Gleich drei Wege zu einem eigenen Stil der Epoche wurden auf der Ausstellung von 1 8 3 4 nebeneinander begangen: - Stildiktat durch Marktbeherrschung, - Stil als Programm einer Produktreform, - Stil als weltanschaulicher Ausdruck. So setzte ein aufstrebender Unternehmer der Pariser Porzellanwarenbranche, Jacob Petit, den couranten etruskischen, griechischen oder römischen Formen bewußt provozierend Rocaillefor106

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men gegenüber, die zwar seit der Revolution einem ästhetischen Verdikt anheimgefallen waren, aber in den dreißiger Jahren einen Massengeschmack trafen, der gegenüber dem normativ Klassischen etwas Neues suchte, das zugleich historisch gegründet war. Die kalkulierte ästhetische Provokation diente dazu, seine Fabrikation am Markt zu etablieren22 und darauf zu spekulieren, daß der lancierte Stil sich gegenüber anderen durchsetzen würde. Die Industrieausstellung war ein Test, ob der Geschmack der Konsumenten, dieser »Protee aux mille tetes«, 23 getroffen worden war. Die zweite Möglichkeit der Stilfindung wurde auf der Ausstellung von zwei Brüdern, der eine, Claude-Aime Chenavard, Jurymitglied und ornemaniste in Diensten der königlichen Manufakturen von Beauvais und Sevres und der Imprimerie Royale, der andere, Henri Chenavard, Teppichund Möbelfabrikant, verfolgt. 24 Ihnen ging es mit den von Henri Chenavard ausgestellten und von Claude-Aime entworfenen Möbeln, Möbelstoffen und Teppichen im Renaissancestil programmatisch darum, den sterilen Klassizismus ästhetisch aufzubrechen. Die manufaktur-industriell produzierten Einrichtungsgegenstände waren explizit fur die classes moyennes entworfen, 25 in unterschiedlichen Preislagen zu haben und auf praktische Verwendung (wasserabstoßende Materialien für Bade- und Eßzimmer) hin produziert. 26 Bewußt versuchte Claude-Aime sich mit seinem »enzyklopädischen Geschmack« 27 daran, in seinen Entwürfen und in den Fabrikprodukten Kunst und Industrie miteinander zu verbinden und dabei Material und Fertigungsweise zu rationalisieren. »Darin bestünde einer der würdigsten Anlässe zum Lob und zur Förderung für einen Fabrikanten, wenn er seiner Erfahrung von Sparsamkeit und Einfachheit in der Herstellung von Dingen fur den massenhaften Gebrauch ein lebhaftes Gefühl von Kunst beigesellt, eine tiefe Überzeugung von der Notwendigkeit, die Masse an den Genüssen teilhaben zu lassen, welche die Kunst bietet, und die so sehr dazu beitragen, das Heim zu lieben und zu respektieren.« 28

Auch im Salon von 1834 war Claude-Aime wie schon seit 1827 mit Entwürfen für Teppiche, Glasmalereien, Möbel und Innendekoration vertreten. 29 Entsprechend der romantisch inspirierten ästhetischen Orientierung der neuen Mittelschichten, welche eher an Objekten in Museen, Kunstliteratur und an der stilistischen Diversität städtebaulicher Monumente gewonnen wurde als an einer propagierten Norm, publizierte er außerdem kunsthandwerkliche Vorbilder der Gotik oder Gegenstände aus China, Arabien und Indien 30 und engagierte sich für die Errichtung eines Musee industriell einer kunsthandwerklichen Vorbildersammlung.31 Anders als der Porzellanwarenfabrikant setzten die Chenavards nicht blind auf die Marktkräfte, sondern versuchten mit Hilfe des Ausstellungswesens und der 108

Kunstpublizistik deren Dynamik mit den ästhetischen Ansprüchen und dem Kunstinteresse der neuen Mittelschichten zu verbinden und aus einer eklektischen Amalgamierung von stilistischen Versatzstücken einen neuen Stil entstehen zu lassen, welcher den Massengeschmack traf und zugleich zeitgemäß, ästhetisch anspruchsvoll und kommerziell erfolgreich sein sollte. 32 Der dritte Weg zur Stilfindung im industriellen Zeitalter schlug sich vor allem in der Ausstellungspublizistik nieder, die 1834 stark von Ideen des Saint-Simonismus geprägt war. Dupins Klassifikation der Künste und deren Historisierung ist dafür ein gutes Beispiel. Durch diese Denkschule war die Rolle der Kunst geschichtsphilosophisch neu bestimmt und in eine weltanschauliche Doktrin eingefugt worden, welche in Frankreich großen Einfluß in der technisch-wissenschaftlichen Intelligenz erlangen sollte. Das Problem einer Stilfindung wurde philosophisch überhöht: Kunst sollte als art social den überlieferten Kanon der Sujets verlassen und dem modernen Leben, moralischen Gefühlen und der industriellen Arbeit Ausdruck geben, der Menge den Weg zu Glück und Wohlstand zeigen und Hoffnung auf eine bessere Zukunft wecken. Die Verbindung von Kunst und Industrie erschien den Anhängern Saint-Simons als notwendiger Schritt für den Ausbau der Industriegesellschaft: gemäß der gesellschaftlichen Utopie eines »neuen Christentums«, wonach eine ästhetisch vermittelte, moralische Religion als gesellschaftlicher Normenhorizont die Entfesselung der Produktivkräfte im Sinne des christlichen Prinzips der Brüderlichkeit zum Nutzen der Benachteiligten und zu einer harmonischen Entwicklung der ganzen Gesellschaft wenden sollte. 33 Die Finalisierung der Kultur als Produktivkraft wurde hier explizit gefordert und als notwendiger Fortschritt hin zu einer Gesellschaft gefeiert, die von der Logik des Technischen und Ökonomischen einerseits, moralisch-sozialer Disziplinierung andererseits bestimmt sein und alle kulturellen Manifestationen daraufhin vernützlichen sollte. Kunst war dann darauf beschränkt, Mittel zur symbolischen Expression und ästhetischen Überhöhung dieser Formierung und damit selbst nur nützliche Kunst, als solche aber zugleich Ausdruck der industriellen Gesellschaft und des Konsumentengeschmacks zu sein. Die Disharmonie der Ausstellungsobjekte erschien in der Sichtweise des saint-simonistisch inspirierten Ingenieurs und Publizisten Christophe-Stephane Mouy Flachat ( 1 8 0 0 - 1 8 8 4 ) 3 4 als Ausdruck einer Krise: »Momentan verzettelt sich die Kunst: die Industrie unterwirft sie ihren Bedürfnissen und erwartet, daß sie deren Regeln akzeptiert.« 35 Damit die Kunst die Gesetzmäßigkeiten der Industrie erkennen könne, müßten die Konsumenten die ästhetischen Folgen der Revolution reflektieren, nachdem sie durch die Revolution zu Herrschern über den Geschmack geworden seien. 109

Abbildung 11: Titelblatt von Flachat, Industrie, mit Vignetten der französischen Industrie, umrahmt von reicher Rocaille-Ornamentik.

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Die alten Klassen hätten durch ihre Luxusliebe die Künste zur Blüte gebracht, »aber heute sind alle jene neu zu den Wohltaten des Wohlstands Zugelassene, welche die Revolution, die Güterteilung und die Gleichheit vor dem Gesetz hervorgebracht haben, noch nicht zu jenem Punkt der Entwicklung gelangt, der im Guten oder Schlechten eine Spur in der Kunstgeschichte, ihren Formen und Geschmacksrichtungen hinterläßt. In diesem großen Kreis neuer Konsumenten, der sich in der plötzlichen und tiefgreifenden Umwälzung herausgebildet hat, werden die Grenzen des Nützlichen und des Komforts nicht beachtet, das Schöne ist noch kein Bedürfnis.« 3 6

Die neuen Konsumentenschichten hätten noch nicht zu ästhetischen Prinzipien gefunden, die mit der industriellen Produktionsweise vereinbar sei, und daher käme es zur Konfusion der Formen, die sich auf der Ausstellung so sichtbar zeige und die daher rühre, daß die Fabrikanten auf der Suche nach Absatz zu ästhetischen Kompromissen gezwungen seien, weil sie möglichst alle Geschmäcker zufriedenstellen wollten. Dieser Zustand sei aber notwendiger Schritt auf dem Weg des Fortschritts, das berechtigte ästhetische Unbehagen sei ein Indiz dafür, daß die Industrie, nachdem sie begonnen habe, sich mit der Wissenschaft zu verbünden, sich auch mit der Kunst verbinden müsse. Dies zu bewerkstelligen waren von Flachat auch die Ausstellungsbesucher aufgefordert. Sie sollten die Gelegenheit wahrnehmen und die ausgestellten Produkte nach den richtigen, und das hieß dem Fortschritt angemessenen, Kriterien beurteilen. Das von F r a ^ o i s de Neufchateau ausgerufene Projekt einer Industrialisierung Frankreichs, welches auf der Durchsetzung eines kulturellen Hegemonieanspruchs nach außen, der Entwicklung einer Konsumgesellschaft nach innen aufbauen sollte, war von Regierungsseite und von Seiten einer in S o c l e s organisierten Intelligenz im wesentlichen durch die Einrichtung von Museen, durch die Kunst- und Industrieausstellungen sowie durch schulische Einrichtungen vorangetrieben worden in der doppelten Absicht, die Industrie zu enkultivieren und die Kultur zu industrialisieren. Enkultivierung der Industrie - das hatte bedeutet, sie auf Kunst und Wissenschaft einerseits, auf kulturell organisierte Bedürfnisse einer breiten Konsumentenschicht andererseits auszurichten, indem beides im Musealen eingeebnet, technisch verfugbar und in eine ökonomische Potenz verwandelt wurde. Es konnte nicht bedeuten, die Dynamik des Marktes und der industriellen Entwicklung in Regeln und Ordnungen von Naturwissenschaft, Kunst, moralisch-politischen Utopien oder von Lebenswelten einzubinden. 37 Wie sich in den Bemühungen zeigte, die Ausstellungen mit einer historischen Entwicklungsdarstellung zu verbinden, oder in den immer neuen Ansätzen zu einer Klassifikation der Industrieprodukte -

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nach dem Grad der Kunst, nach Grundbedürfnissen, nach Rohstoffen oder Bearbeitungstechniken, nach Handelsgattungen - , war das Idealbild eines linearen, zwangsläufigen technischen Fortschritts und einer geordneten Transformation von Lebensformen eine hilflose Utopie angesichts der durch das Eindringen industrieller Dynamik und durch ein marktorientiertes, entgrenztes Konsumverhalten breiter Schichten freigesetzten Kräfte, denen Lebenswelten, Kunst und Wissenschaft ausgesetzt waren. Die Industrieausstellungen waren Indikatoren der Enkultivierung von Industrie und zugleich Katalysatoren eines Prozesses der Anpassung von Kunst, Wissenschaft und Kulturmustern des Konsums an die Logik von Markt und industrieller Entwicklung, also ihrer Finalisierung als ökonomische Produktivkraft, welche in einer Industrialisierung von Kultur mündete. Der Stilwirr war, welcher 1834 die Ausstellungsöffentlichkeit beunruhigte, zeigte, daß damals dieser Prozeß so weit vorangeschritten war, daß er für das Projekt der kulturellen Hegemonie und damit für die weitere Industrialisierung bedrohlich werden konnte. Der Geschmack der Konsumenten, welcher in den Regeln der Kunst und der Vernunft abgebildet und damit kontrollierbar schien, hatte sich verselbständigt. Statt sich einer Normierung zu unterwerfen, orientierte dieser Geschmack sich am Schimmer der Warenauslagen statt an anerkannten Meisterwerken. Inmitten des eklektischen Wirrwarrs der Waren tauchte damals in Frankreich die Idee von der Notwendigkeit eines von einer Fortschreibung der Klassik abgelösten Epochenstils der Neuzeit auf, als neue Legitimation der Industrieausstellungen und der Museen. Ebenso wie die unsicheren Bemühungen, einen solchen Stil durch Jury-Bewertungen, kommerzielle Stratageme, Geschmacksreformappelle oder weltanschauliche Systeme durchzusetzen, läßt sich diese Idee als Anzeichen für die voranschreitende Industrialisierung der Kultur interpretieren. Zwar mündete keine dieser Bemühungen in der Konstruktion eines Stils, welcher tatsächlich epochale Geltung im öffentlichen und privaten Lebensraum gewinnen und den luxe public mehr als eine Mode dominieren würde, aber die Anstrengungen verbanden sich untereinander, mit anderen gesellschaftlichen Strömungen und entwicklungspolitisch motivierten Interventionen und Bildungsprojekten, von denen ein Gutteil im Laufe des Jahrhunderts unter dem Begriff und den Vereinfachungsformeln der »Geschmacksbildung der Gewerbetreibenden und des Publikums« gefaßt werden würde. Während der Weltausstellungen konzentriert und inszeniert, in Museen, Gewerbeschulen und Publikationen institutionalisiert, schematisiert und diffundiert, bewirkten sie, daß Antlitz und ästhetisches Selbstverständnis der industrialisierten und konsumierenden Moderne trotz der Eigenläufigkeiten der modernen Kulturmuster des Konsums und trotz der wachsenden ästhetischen Rolle tech112

nisch-funktionaler Formen museal geprägt wurden. In ihnen war das französische Revolutionsprojekt einer Industrialisierung auf der Basis von Kulturarbeit auf Dauer gestellt. Die daraus hervorgegangenen Institutionen wurden einem abstrakten Fortschrittsmythos, einem zweifelhaften Stilwollen und einem entleerten Geschmacksbegriff subsumiert, während ihr eigentlicher Ursprung dem Vergessen anheimfiel - der luxe public, die revolutionäre Freisetzung der materiellen Bedürfnisse des Volkes aus traditionellen kulturellen Bindungen und deren Modellierung zu modernen Kulturmustern des Konsums breiter Schichten im Interesse der Entwicklung einer nationalen Industrie, deren Produkte international absetzbar waren.

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III. Musealisierung und Industrialisierung in Württemberg

1. Konturen einer modernen Landeshauptstadt 1.1. Stuttgart im Blick von Reisenden Seit der Wende zum 19. Jahrhundert wurde Paris in Europa zum Vorbild für eine moderne Großstadt. Dort war ein modernes Kulturmuster des Konsumierens entstanden und eine moderne Kunstindustrie angesiedelt, dort war eine attraktive Mischung aus Kunstwerken und Warenauslagen zu besichtigen. Wie von den revolutionären Kulturpolitikern vorausgesehen, wurde die Metropole Reiseziel für alle, die intensiv an der industriellen und ästhetischen Moderne interessiert waren. Für diese Reisenden eröffnete Paris einen neuen Blick auf den Stadtraum, auf Konsum und industrielle Produktion, einen Blick, der zugleich von der neuartigen Kunsterfahrung geprägt wurde. 1 Dieser neuen Sichtweise wurden in der Folge andere Hauptstädte unterworfen, ihr Ambiente wurde an Paris gemessen. Dieser Blick auf die Moderne schlug sich in Beschreibungen der schwäbischen Haupt- und Residenzstadt und deren nähere Umgebung nieder. So beschrieb kurz nach 1800 der Königlich Großbritannische Hofrat und ordentliche Professor der Philosophie in Göttingen, der vielreisende und vielschreibende Christoph Meiners (1747-1810) 2 Schlösser der württembergischen Herrschaft, welche er anläßlich eines Besuches der Landeshauptstadt besichtigen konnte: Schloß Solitude und Schloß Hohenheim. 3 Beide waren, wie er feststellte, dem Verfall überlassen. Die Schönheit der inneren und äußeren Ansichten des letzteren war gerade durch eine Serie kolorierter Kupferstiche weiteren Kreisen Interessierter vor Augen gestellt worden. 4 Auf Antrag konnten Schloß und Garten besichtigt werden. Meiners bewunderte den Park mit seinem Labyrinth von Lustbarkeitsbauten: Tempeln, Kirchen, Grotten, Ruinen, Bauernhütten, Einsiedeleien und anderem mehr. Die Zimmerflucht des Schlosses selbst schien ihm ein Meisterwerk geschmackvoller Pracht, obgleich die Möbel, welche sie erst vollständig gemacht hätten, beiseitegeschafft worden waren. Meiners, in 115

seinem Gedanken vielleicht anknüpfend an Debatten im Kreis der Stuttgarter Honoratiorenfamilie Mohl, 5 welcher er als Verwandter einen Besuch abstattete, fühlte sich angesichts der leeren Pracht in seiner selbstbewußten Bescheidenheit bestätigt, eine Einstellung, welche er - das »man« seiner Ausführungen spielte darauf an - mit seinen Lesern zu teilen hoffte: »Wenn man durch die glänzenden Gemächer des Hohenheimer Schlosses wandelte; so stieg nie der Wunsch in Einem auf, daß man auch so wohnen möchte, weil man dunkel fühlte, daß es eher beschwerlich, oder ängstlich, als angenehm seyn werde, mit so viel Pracht umgeben zu seyn. Eben so wenig aber ließ die seltene Schönheit der Prachtstüke, vor denen man / vorüber gieng, den Gedanken aufkommen, daß die Millionen, welche das Hohenheimer Schloß gekostet hat, besser hätten angewandt werden können. Warum sollte auch nicht ein reicher Fürst, wenn er Vergnügen daran fände, seine ersparten Schätze auf die Errichtung eines Prachtgebäudes wenden, in welches er erlauchte Gäste auf eine ihrer hohen Geburt entsprechende Weise aufnehmen konnte? Wenn ich ein gebohrner Wirtemberger wäre, so würde ich auf das Hohenheimer Schloß stolz gewesen seyn, als auf ein Denkmahl geschmackvoller Pracht, das nicht bloß dem regierenden Hause, sondern dem ganzen Lande angehöre, und Ehre bringe.« 6

Nachdem es seinen ursprünglichen Zweck als königlicher Palast mit den Tode seines Erbauers eingebüßt hatte, schien das Landschloß für Meiners eine Art von symbolischem Kapital der Allgemeinheit geworden zu sein, seine »geschmackvolle Pracht« ein Denkmal für alle Württemberger, ein Denkmal der Kunst und nicht der absolutistischen Herrschaft, muß man ergänzen. Als solches war es keine Verschwendung allgemeinen Reichtums, wie ein Fürst das Steueraufkommen seines Landes investierte - Hof- und Staatshaushalt wurden erst unter König Wilhelm I. getrennt - , sondern der allgemeine ästhetische und symbolische Nutzen wog, so betrachtet, die herrscherliche Aneignung und Verfügung über Vermögen und Baulichkeit auf. Die Schlösser verfielen, weil sie nicht mehr genutzt wurden. König Friedrich residierte im Neuen Schloß in Stuttgart und in Schloß Ludwigsburg - beide während der Regierungszeit des Königs aufwendig umgebaut und neu dekoriert in einem überaus kunstvollen spätklassizistischen Stil. Besuchern der Hauptstadt wurde es ebenso wie der Palast der Herzogin Mathilde schon 1790 im »Gelehrten Wirtemberg« als besichtigenswerte Merkwürdigkeit genannt, ohne daß Zugangsmodalitäten genauer beschrieben wurden.7 Daß im Herzoginnenpalast allerdings besonders das ameublement als sehenswert galt - vielleicht handelte es sich um moderne englische Möbel der britannischen Kronprinzessin oder um Möbel nach englischen Vorbildern - läßt darauf schließen, daß beide Paläste besichtigt werden konnten. Zu besichtigen waren auch das herzogliche Kunstkabinett und die Gemäldesammlung, in welchen die unterschiedlichsten 116

Werke versammelt waren; hinzu kamen Naturalien und ausgestopfte Tiere. 8 Neben dieser Kunst im direkten Einflußbereich des Hofes gab es noch solche in privater Hand, auf die 1 7 9 0 neugierige Besucher hingewiesen wurden, etwa die von Legationsrat Abel, von Hofrat Hartmann oder von Buchhalter Majer. Die bedeutendste Sammlung Kupferstiche gehörte dem Konsistorialdirektor Ruoff, 2 0 . 0 0 0 Blatt und dazu mehr als dreitausend Zeichnungen. Weitere größere Sammlungen befanden sich in der Öffentlichen Bibliothek, im Hause des Regierungsrates von Uexküll, des Hofmalers Hetsch und des Kaufmanns Gottlob Heinrich Rapp ( 1 7 6 1 - 1 8 3 2 ) , einer zentralen Figur des Stuttgarter Kunstlebens, von dem noch des öfteren die Rede sein wird. Als Stuttgarter Sehenswürdigkeit galt dessen Haus nahe der Stiftskirche indes vor allem, weil sich dort die Niederlage der herzoglichen Spiegel-Fabrik befand. Die glitzernde Pracht der zur Schau gestellten Spiegel, Wandleuchter und Laternen mochte zum Ende des 18. Jahrhunderts in den Metropolen ein »normaler« Luxus im bürgerlichen Interieur geworden war, in Stuttgart aber möglicherweise noch etwas Besonderes darstellen.9 Wie schon die Merkwürdigkeiten der Residenzstadt, so bestanden auch die geschilderten Sehenswürdigkeiten in der Provinz aus einer bunten Folge von Bauten, Ruinen und Versteinerungen, schönen Aussichten, Fabriken, Sitten und Bräuchen. Schloß Hohenheim wurde besonders empfohlen. 10 Zum Anfang des neuen Jahrhunderts lebte das Bürgertum der Residenzstadt trotz Krieg und Besetzung der Stadt durch die Franzosen weiter in einiger Behaglichkeit." Im Vergleich zu Norddeutschland schienen dem reisenden Hofrat Meiners allerdings die Möbel schlecht, die Stoffe teuer. In Bezug auf Mode war Stuttgart Provinz. Besonders die Kleidung der Männer war altertümlich, die Frauen und Mädchen immerhin folgten in etwa der Mode der Straßburgerinnen. Insgesamt schien ihm das Verhältnis von Luxus und Mäßigkeit in den Stuttgarter Familien ein ausgewogenes zu sein: »Man klagt, daß der Luxus sich seit einigen Jahren außerordendich vermehrt, und der Wohlstand der Familien sich im gleichen Verhältnisse vermindert habe. Mir schienen die Klagen über den Luxus sehr übertrieben, und die Abnahme des Wohlstandes durch den Luxus unbegründet. Ich erstaune vielmehr darüber, daß bey den außerordendich hohen Preisen, welche die Producte des Landes fast den ganzen Krieg durch gehabt haben, der Luxus nicht / viel mehr gestiegen ist«. 12

Immerhin seien die Häuser geschmackvoller möbliert als früher. Die Kriegskonjunktur hatte Meiners zufolge zeitweilig sogar die Studierlust gebremst und nachwachsende Söhne von Beamten, Ärzten und Theologen sich zur Kaufmannschaft hatte wenden lassen. Aber Stuttgart war 117

kein Handelszentrum und keine Industriestadt geworden, sondern blieb wesentlich von seinen Funktionen als Verwaltungssitz und Residenzstadt geprägt. 13 Professionelle Ausrichtung auf rational-bürokratische Herrschaft und auf ein abstraktes Allgemeinwohl, eindeutige und starre Hierarchien im Staatsdienst und solche subtilerer Art im Gesellschaftsleben ebenso wie religiös geprägte Lebenseinstellungen mögen die Eigentümlichkeiten des geselligen Umgangs erklären, welche Meiners weiter beschrieb: »In den ersten bürgerlichen Classen finden fast gar keine gemischte Gesellschaften, keine frohe Mahlzeiten mit Freunden und Freundinnen, oder zu Ehren merkwürdiger Fremden Statt. Fremde Gelehrte und Künsder, die keine Verwandte, oder genaue Freunde haben, können sich Monathe lang in Stuttgart aufhalten, ohne zu einem Mittag- oder Abendessen gebeten zu werden. In Stuttgart ist kein Haus, wo Fremde von Ansehen und Rahmen eingeführt, und mit den für sie am meisten interessanten Personen bekannt gemacht würden. Selbst Concerte, Bälle, und Pickenicke, oder Clubs, wo beyde Geschlechter sich vereinigen, sind unter den ersten bürgerlichen Classen fast gänzlich u n b e k a n n t . . . / . . . Der Adel in Stuttgart ist von dem Nicht-Adel, und eine jede Classe von fürstlichen und Landes-Dienern von der zunächst unter ihr stehenden viel mehr, als in anderen gleich großen Residenzen getrennt: eine Trennung, die fast nothwendig einen nachtheiligen Einfluß auf die Gesellschaft haben muß. Die Männer besuchen die Lese-Gesellschaft, oder Clubs, und Caffee-Häuser, während daß die Frauen und Töchter ihre häuslichen Angelegenheiten besorgen, oder sich mit ihren Freundinnen unterhalten.« 14

Einzig öffentliche Orte der Geselligkeit waren das Theater und die Promenaden. Der Göttinger Professor hatte offenbar vergeblich Zugang zum geselligen bürgerlichen Leben gesucht, sei es, daß es nicht so existierte, wie er es sich vorgestellt hatte, sei es, daß die Geselligkeit und damit der Zugang zum gesellschaftlichen Umgang der ansässigen Bürger ihm, dem durchreisenden Fremden, verschlossen war. Stattdessen war er auf die Sehenswürdigkeiten verwiesen und damit auf die Gesellschaft von seinesgleichen - auf Fremde, die gleich ihm die in den Reiseführern vorgeschlagenen Ziele aufsuchten, die begrenzte Zeit bleiben würden, die Muße hatten, die Neugier oder Notwendigkeit trieb, sich anhand der Bauten und der Sammlungen und auf den Promenaden ein Bild von der Stadt zu machen. Möglichkeiten, zu promenieren - die Planie vor dem Schloß, die Allee außerhalb der Stadt - und sich zu unterhalten - die deutsche Komödie, Oper und Kaffeehausbälle - wurden auch in einem Reiseführer genannt, welcher 1808 erschienen war, der »Begleiter auf Reisen durch Deutschland«, in zwei Bänden herausgegeben in Köln, nach einer französischen Vorlage.15 Hinzu kamen neben den schon 1 7 9 0 zugänglichen noch eine ganze Menge weiterer Sehenswürdigkeiten, welche Reisende betrachten 118

können: An Gebäuden das Alte und das Neue Schloß, die Gebäude der ehemaligen Karlsakademie, Kanzlei, Stadthaus, Kasernen, Bibliothek, Tiergarten, Kollegialkirche. Weiter »Wissenschaftliche und nützliche Anlagen« 16 wie z.B. die Gesellschaft der Ärzte und Freunde der Naturgeschichte, Kunst-Akademien für Maler, Architekten und Bildhauer und eine »sogenannte Realschule«. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß die genannten Akademien kaum funktioniert haben konnten - sie haben wahrscheinlich bloß noch auf dem Papier als solche existiert. 17 Schließlich zählte der Reiseführer eine ganze Reihe von Kunstsammlungen auf, welche besichtigt werden konnten: die königliche Bildergalerie und die königliche Bibliothek mit ihrer Bibelsammlung, ihrer Sammlung von Kriegskarten und Grundrissen, das naturgeschichtliche Kabinett, die Sammlungen der ehemaligen Karlsakademie, das Kabinett eines Herrn Rosier, das des Gymnasiums, die Sattelkammer des Hofes mit prachtvollen Pferdegeschirren. Zu den Sehenswürdigkeiten in Stuttgart selbst kamen noch diejenigen, welche in der Umgebung zu finden waren. Außer Schloß Solitude und Schloß Hohenheim zählten dazu vor allem die Stadt Ludwigsburg und die Schlösser dort, in welchen Bilder, Plastiken, Stukkaturen und Stiche zu besichtigen waren (einschließlich einer Sammlung erotischer Gemälde und Zeichnungen »welche zu sehen man besonders begehren muß«), 18 eine Menagerie Känguruhs, Zuchthaus, Waisenhaus, Opernhaus und Porzellanfabrik. Letztere war, anders als bei anderen Städten Württembergs, im Eintrag unter Stuttgart der einzige Hinweis auf Gewerbe oder Industrie. Zur Reisevorbereitung oder als mögliche Souvenirs wurden illustrierte Blätter genannt: eine Panorama-Ansicht Stuttgarts zusammen mit zwölf Radierungen einzelner Ansichten und kolorierte Kupferstiche mit Ansichten der Gartenpavillions des Hohenheimer Schloßparks. Wenn es nicht bestimmte Sehenswürdigkeiten selbst waren, die das Interesse von Künstlern, Sammlern oder Fachgelehrten erregten, konnte Ziel einer Reise sein, sich anhand dessen, was an Bauten, auf Straßen und Plätzen, in Kabinetten und Sammlungen zu sehen war, einen Eindruck von Vergangenheit, gegenwärtiger Bedeutung, vom Wirtschaftsleben, von der Kultur, Bildungsstand, Sitten und Charakter der Einwohner einer Stadt zu verschaffen, Weitläufigkeit und Maßstäbe des Vergleichs bei der Beurteilung der heimischen Gegenden zu erwerben, aber auch Kenntnisse, welche besonders bei kaufmännischen Geschäften sich nützlich verwenden ließen. Nach Aufbau und Inhalt scheint der »Begleiter auf Reisen ...« für zwei Gruppen von Reisenden gemacht worden zu sein - solchen, welche ein Bad aufsuchen, welche kuren wollten, und Kaufleuten. Viel reisend, mußten sie vor allem die Verbindungen und Strecken kennen, fur den Handel brauchte man das Wissen um Münze, Maß und Gewicht, die Sehenswürdigkeiten 119

dienten der Orientierung und der Ablenkung. Anhaltspunkte fur eine eingehendere Beschäftigung mit ihnen, Informationen über die der Aufmerksamkeit empfohlenen Bauten und Kunstsammlungen lieferte der Reiseführer nicht. Von Paris über Straßburg nach Stuttgart gekommen, hielt sich knapp anderthalb dutzend Jahre später der englische Antiquar Reverend Frognall Dibdin (1776-1847) in der Residenzstadt auf, um dort nach Inkunabeln Ausschau zu halten und sie wenn möglich um billiges Geld für die Bibliothek seines Auftraggebers Lord Spencer zu erwerben. 19 Er war nach eigener Einschätzung nur einer von vielen Engländern, welche seit Friedensschluß ausgedehnte Touren auf dem Kontinent unternahmen, nachdem sie einige Jahre lang daran gehindert gewesen waren, ihn aufzusuchen. 20 Dibdin konzentrierte sich (er versuchte es wenigstens) auf die Beschreibung von Bibliotheken und von den dort vorzufindenden Bücherschätzen, schilderte Bibliothekare, Sammler und deren Sammlungen. Außerdem enthält sein Bericht Abbildungen mittelalterlicher Architektur, pittoreske Stadtansichten und Straßenszenen. Bei der Beschreibung Stuttgarts faßte Dibdin sich kurz: »a thoroughly dull place«,21 wenn auch die umgebenden Weinberge sommers malerisch wirken mochten. Es gebe keine sehenswerten Altertümer, mit Ausnahme des Rathauses und einer frei aufgestellten Kreuzigungsgruppe. Beide ließ er von einem ihn begleitenden Zeichner zeichnen und fugte sie, in Kupfer gestochen, seinem Werk bei. Er hielt sich nur wenige Tage in Stuttgart auf, um sich vom Direktor der Öffentlichen Bibliothek deren Rara zeigen zu lassen - Bibeln, Illuminationen, frühe Klassikerausgaben, welche der Bibliothek nach der Säkularisation aus Klosterbesitz zugefallen waren.22 Die hübschesten Merkwürdigkeiten ließ er wiederum abzeichnen und abbilden. Über seine offiziellen Kontakte hinaus fand auch er keinen Zugang zum Stuttgarter Gesellschaftsleben. Mit Ausnahme der Cottaschen Buchhandlung lockte ihn keine mit einem Angebot, welches sein Interesse geweckt hätte. Bei Cotta allerdings begeisterte ihn eine von Friedrich August Moritz Retzsch (1779-1857) illustrierte Prachtausgabe des Goetheschen Faust so, daß er zwei der Umrißradierungen in seinem Bericht reproduzieren ließ. Dibdin besichtigte das Neue Schloß und bewunderte dessen Pracht und Harmonie, die dort aufgestellten Statuen und Statuetten des gefeierten italienischen Bildhauers Antonio Canova (1757-1822) und von Johann Heinrich Dannecker (1758-1841), dessen berühmten schwäbischen Kollegen und Freund. Letzteren suchte er in dessen Atelier am Kleinen Schloßplatz auf, Zentrum der lokalen Kunstszene,23 und besichtigte dessen neuere Werke und die Abgüsse jener, welche verkauft worden waren. Sein besonderes Lob fanden die Schiller-Büste und ein Abguß der »Ariadne auf dem 120

Panther«. Auch in England fände sich kaum Schöneres. Dibdin wollte das Dichter-Bildnis kaufen, doch der Künstler ging auf sein Angebot nicht ein. Der Besuch Stuttgarts war für Dibdin trotz allem lohnend, erreichte er doch durch Vermitdung des Bibliothekars und des englischen Botschafters, zwei seltene Virgil-Ausgaben aus der Bibliothek gegen Geld und einen Dekamerone erwerben zu können. 2 4 Hochzufrieden reiste er über Bad Cannstatt weiter nach Ulm, von da nach Würzburg, Nürnberg und München - überall auf der Suche nach Büchern, Antiquitäten, Kunstschätzen. Sich das Schloß in Ludwigsburg anzuschauen hatte er keine Zeit gefunden. Ohnehin konnte es kaum seiner Vorliebe für Mittelalterliches entsprochen haben, noch war irgend etwas daraus käuflich zu erwerben. Das klassizistische Interieur schließlich war dem reisenden Kunstfreund an vielen anderen Orten gegenwärtig - es lohnte sich nicht, eine Ansicht davon in Kupfer stechen zu lassen, um sie seinem Reisebericht beizufügen. Dibdin verabscheute die neumodische Reproduktionstechnik der Lithographie. Indem sie das Vervielfältigen von Kunstabbildungen, verglichen mit der mühseligen und langwierigen Stecherei, vereinfache und verbillige und obendrein mehrfarbige Wiedergaben ermögliche, werde Kunst vulgarisiert. 25 Dabei diente seine Reise durchaus der Popularisierung von Kunst, freilich in einer exklusiven Weise, war sein Bericht doch dem »Roxburghe Club« gewidmet. Damit richtete er sich an die Öffentlichkeit der englischen Gentlemen, der Privatgesellschaften, der Vereine von Sammlern und Liebhabern. Kunstkennerschaft konnte in jenen Kreisen als ehrenwerte Form des Müßigganges gelten. Voraussetzung solcher Lebensführung war - neben Zeit und Geld - daß Kunst zugänglich war, in Ausstellungen, Museen, Sammlungen oder durch Reproduktionen, und daß die zugänglich gemachten Werke für den Amateur in den Zusammenhang der Kunst gestellt, das heißt datiert, benannt, stilistisch eingeordnet und ästhetisch bewertet wurden. In Paris, Straßburg, Stuttgart, Ulm und anderswo hatte Dibdin just ersteres erkundet (über sein Spezialgebiet der alten Bücher, Manuskripte und Illuminationen hinaus) und er arbeitete an letzterem, wenn er die gefundenen Schätze beschrieb, erläuterte, verglich und reproduzierte. Wie viele solch durchreisender Kunstschriftsteller es gegeben hat, welche über die schwäbische Residenz berichteten, soll hier nicht weiter verfolgt werden. Stattdessen soll ein weiterer wichtiger Autor noch näher an Kunstgenuß und gesellschaftliches Leben in Stuttgart heranführen. Nach seinem zweiten, offiziellen Aufenthalt in Stuttgart 1842 berichtete der erste Direktor der Museen in Berlin, Gustav Friedrich Waagen (1794-1868), 2 6 angenehm überrascht gewesen zu sein vom wachsenden Engagement der Stuttgarter für die Bildende Kunst. 27 Als er Stuttgart 1819 zum ersten Mal besuchte, hatte er noch feststellen müssen, daß die Literatur und eine 121

allgemein hohe Bildung in bürgerlichen Kreisen besonders gepflegt würden, die Bildende Kunst dagegen weniger. Jetzt aber gebe es ein Kunstgebäude, die königliche Kunstsammlung wie auch die Miniaturen in der Bibliothek seien zugänglich und sehenswert. Er beschrieb die Kunstsammlung im einzelnen - welche Niederländer, Italiener, Altdeutsche Meister vorhanden waren - und ging auch auf die Stuttgarter Künstler ein, insbesondere auf Dannecker. Außerdem nannte er Johann Mattheus Mauch (1792-1856) als wichtige Persönlichkeit des Kunstlebens. Er kannte ihn aus Berlin, wo er, studierter Architekt, einige Jahre am Gewerbeinstitut architektonisches Zeichnen gelehrt hatte. Mauch, der aus Ulm stammte, hatte seit 1839 an der Stuttgarter Gewerbeschule eine Professur für Baukunst und Ornamentik inne. 28 Insgesamt stoße die Kunst bei etlichen Beamten, Kirchenleuten, Literaten auf lebhaftes Interesse, es gebe Zirkel, die sich mit Kunst beschäftigten und sie förderten. Waagen regte in diesen Zirkeln die Gründung von Vereinen an, um die überlieferten Kunstwerke, besonders in der Provinz von Verfall bedroht, zu erhalten, zu erforschen, zu katalogisieren und zu sammeln. In seinem Reisebericht hatte Waagen insbesondere die reichen Kunstschätze Ulms beschrieben, das Münster, die Werke spätmittelalterlicher Holzbildhauer und Maler der Ulmer Schule. 29 Einer der ersten Kunsthistoriker in Deutschland erklärte durch seine Beschreibung zu kulturellem Erbe, was in der Provinz noch bloß Teil der alltäglichen Umgebung war wahrgenommen vielleicht als rätselhaftes Monument ferner Zeiten Kirchenruinen, römische Wegmale, Grabmäler und dergleichen. So hatte beispielsweise zu der Zeit, als das Königreich Württemberg nach der Restauration reorganisiert wurde, ein Kommissär der Stuttgarter Regierung, beauftragt unter anderem festzustellen, was etwa die Stadt Isny an Antiquitäten besäße, berichtet, außer einigen Götzenbildern im Spitale sei dort nichts zu finden.30 Vereinzelt mochten sich Pfarrer oder Lehrer mit der Geschichte dieser Dinge befaßt haben. In Ehingen an der Donau hatte Waagen immerhin einen Liebhaber und bedeutenden Sammler künstlerisch interessanter Überreste antreffen können, Professor Georg Martin Dursch (1800-1881), Gymnasialprofessor für Alte Sprachen, Kirchenrat, Verfasser einer »Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen vom christlichen Standpunkt«. 31 Einige Jahre nach Waagens zweitem Aufenthalt war 1847 in einem »Handbuch für Einheimische und Fremde« beschrieben, wie sich das Kunstleben in der Residenz inzwischen, fast ein halbes Jahrhundert nach Meiners Besuch, entfaltet hatte: Das Neue Schloß, die Residenz des Königs, war gegen Eintritt zu besichtigen, mit Ausnahme der Privatgemächer.

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»Das Innere enthält 365 größere und kleinere Gemächer, die ihrer Bestimmung gemäß auf das Geschmackvollste und Prächtigste eingerichtet sind, und die Werke der bedeutendsten, meist vaterländischen Meister enthalten«, 32

nämlich Werke von Dannecker, Scheffauer, Hetsch, Schick und noch anderen. Des weiteren war Kunst öffentlich zugänglich in der spätgotischen, 1841 restaurierten Stiftskirche, deren neue Glasfenster vom König gestiftet worden waren, sowie in anderen Kirchen. Ein Museum der bildenden Künste, ein Münz- und ein Naturalienkabinett waren zu besichtigen, die Sammlung des Altertumsvereins in der Legionskaserne und mehrere Privatsammlungen: altdeutsche Gemälde und Waffen bei Obertribunalprokurator Abel, 33 weitere Gemälde bei Kriegsrat von Landauer, Legationsrat von Kölle34 sowie Kunstprofessor Neher, beim russischen und beim französischen Gesandten, schließlich das Atelier des Bildhauers Professor Wagner mit dessen Gipsabgußsammlung. Seit 1845 stellte der Buch- und Kunsthändler Köhler in acht Räumen Gemälde aus, teilweise wohl auch zum Verkauf. Gemälde konnte man auch in der Ebnerschen Kunst-BuchHandlung erwerben, einem Laden mit eleganter Fassade und großem Auslagen-Fenster. 35 Hartmann nannte noch zwei weitere artistisch-buchhändlerische Geschäfte. 36 Dort gab es einerseits Utensilien, um Kunst zu machen - Farben, Pinsel, Leinwand und dergleichen - , außerdem Graphiken und illustrierte Kunstbücher, teils selbst verlegt, zu kaufen. Darüber hinaus gab es in den neuen Stadtvierteln »eine Menge eleganter Kunstläden«, deren Sortiment nicht angegeben war.37 In Stuttgart lebten zahlreiche bildende Künstler: die Architekten seien gut mit dem Stadtausbau beschäftigt - Hartmann nannte mehr als ein Dutzend Namen, ferner ein halbes Dutzend Bildhauer, zwischen fünfzehn und zwanzig Maler, einen Kupferstecher und zahlreiche Lithographen, Xylographen, Porzellanmaler. Die bekanntesten unter ihnen seien von der Regierung beschäftigt, etwa an der 1829 gegründeten Kunstschule, von der Krone, von Stadtnotablen oder Verlagshandlungen. Den Kontakt zum Publikum hätten sie durch Kunstausstellungen alle drei Jahre und durch den Kunstverein. 38 Ein Kapitel in Hartmanns Buch war dem geselligen und dem materiellen Leben gewidmet: Dem Fremden wurden die Absteigen vorgestellt, Promenaden, Ausflugsziele, Verkehrsverbindungen, sowie die wenigen Treffpunkte öffentlicher Geselligkeit, Kaffeehäuser, Gesellschaftsgärten, Theater und schließlich das Kunstmuseum. 39 Sich dem Verhältnis von Kunst und Industrie und dem Prozeß der Industrialisierung mit Hilfe von Reisebeschreibungen zu nähern heißt, absichdich und keineswegs willkürlich auffallige und unvollständige Eindrücke zur Grundlage einer genaueren Untersuchung machen zu wollen. Sicher lassen sich noch weitere Reisende anfuhren, welche über Stuttgart und das Umland in der ersten Jahrhunderthälfte berichtet haben. Auch gab 123

es noch mehr Stadtführer für Stuttgart; indes waren die ausfuhrlich zitierten qualifiziert, die Spezifik des Spannungsfelds, in welchem sich in Stuttgart die Bildenden Künste fanden, in ihren Eindrücken mitzuteilen, wenn auch zum größeren Teil indirekt. Anhand beider Mitteilungsarten läßt sich eine doppelte Entwicklung der Kunstöffentlichkeit in Stuttgart und darüber hinaus ablesen. Der Bereich dieser Kunstöffentlichkeit erweiterte sich von Bericht zu Bericht nicht nur, weil der Kunst immer mehr öffentlicher Raum zuwuchs, sondern auch, weil ein zunehmend ästhetisierter Blick mehr und mehr Gegenstände als Kunst wahrnahm und der Kunstöffentlichkeit zuordnete. So erschien der Stadtraum selbst als Kunstraum. Das, was anfangs noch als »Merkwürdigkeit« mit Kunstwerken im späteren Sinn vermengt wurde - Naturalien, ausgestopfte Tiere, Spiegel •und anderes - wurde diesem Kunst-Raum entweder als museale Sehenswürdigkeit zugeordnet - im Naturalienkabinett - oder als Ware. Geriet in den zitierten Beschreibungen unter dem Gesichtspunkt von durchreisenden Kunstfreunden das Stuttgarter Stadtleben zur - bisweilen komischen - ästhetischen Idylle, so erschien es, vom Standpunkt modernen Stadtlebens aus betrachtet, sowohl kulturell unzeitgemäß, als auch vom industriellen Fortschritt abgekoppelt. So jedenfalls urteilte ein französisches Handelslexikon von 1837: »Seien es typische Züge des Menschenschlag, äußere Umstände politischer, sozialer oder materieller Natur, ihre Existenz [die der Stadt Stuttgart] ist bis heute sozusagen eine künstliche. Es ist eine Zusammenballung von Individuen mit guten Beziehungen untereinander, aber die Art Organisation, das Leben, welches eigendich Städte und besonders Hauptstädte erst ausmacht, ist da nicht. Die Residenz des Königs hat aus der Stadt den Hauptsitz der Administration des Landes gemacht; H o f und Behörden haben eine zahlreiche und wohlhabende Bevölkerung angezogen, das ist alles. Keinerlei Manufakturen, bloß Gewerbe für den Konsum am Ort selbst. Inzwischen fängt reger Handel, der die zivilisierten Völker umtreibt, gerade an, Fuß zu fassen.« 40

Von Paris aus gesehen, fehlte also der schwäbischen Metropole jene spezifische Verbindung von Kunst und Industrie der französischen Kapitale. Die Kunst war zwar aus ihren höfischen Bezügen befreit, aber damit keine Produktivkraft, sondern bloßes Vergnügungsmittel für eine in gesicherten Verhältnissen stagnierende, vor allem von Verwaltung und Dienstleistungen lebende Einwohnerschaft geworden. Aus der Sichtweise des französischen Handelslexikons erweisen sich die vorher zitierten Reiseführer und Reiseerinnerungen in zwei entscheidenden Bereichen als lückenhaft: Erstens wurde Kunst höchstens in eine beiläufige Beziehung zu Industrie gebracht. Wurden beide anfangs als Merkwürdigkeiten noch umstandslos vermischt, fehlt in den späteren Be124

Schreibungen jeder Hinweis darauf. Industrialisierung wurde nicht thematisiert. Zweitens - die Zirkel, in welchem die Künsder verkehrten und sich mit Dichtern trafen, wo über die »Ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts« philosophiert wurde, Freunden der Literatur nachmals verklärtes Vorbild bildungsbürgerlicher Geselligkeit,41 kamen in den Berichten bloß am Rande vor. Die Reiseberichte an den Anfang zu stellen, soll helfen, den schwäbischen Klassizismus und dessen gesellschaftliche Basis im Hinblick auf die Fragestellung in Perspektive zu rücken. Geschmacksbildung und Industrialisierung werden aufeinander bezogen innerhalb des Spannungsfeldes, in welches Kunst gestellt war. Daran, wie Kunst in den Reiseberichten thematisiert wurde, läßt sich dieses Spannungsfeld herausarbeiten. Das Museum liefert diesem Spannungsfeld das strukurierende Prinzip. Der Aufzählung im »Gelehrten Wirtemberg« von 1790 waren Kunst und Industrie gleich merkwürdig und wichtig, beider Hervorbringungen und Wirkungen erschienen als prinzipiell ähnlich. Meiners thematisierte Kunst gar nicht. Aber während er das verfallende Hohenheimer Schloß besichtigte, reflektierte er über dessen möglichen Wert vom Standpunkt des Bürgers. Er verbuchte es der Allgemeinheit als symbolischen Wert, dem Fürsten als Privatperson als Sachwert. Damit vertrat der Hofrat und Professor einen neuen Standpunkt gegenüber der »geschmackvollen Pracht«, welche er nicht mehr in der Funktion erlebte, Herrschaft zu repräsentieren, sondern mit deren Bruchstücken er sich als umherirrende Privatperson konfrontiert sah. Indem die geschmackvolle Pracht zum Denkmal gemacht wurde, konnte ihre einschüchternde Macht gebannt werden, um eine neue Funktion für die Allgemeinheit gewinnen. Aber dazu mußte sie der Öffentlichkeit prinzipiell zugänglich gemacht werden. Implizit antizipierte Meiners das Schloß als Museum. Unversehens war ihm die verfallende Pracht Sinnbild verfallender Fürstenherrschaft geworden. In Württemberg aber hatte das Bürgertum nicht von der Macht - und von den Schlössern - Besitz ergriffen wie in Frankreich. Das Schloß Hohenheim verfiel, kaum daß die Innenräume fertiggestellt worden waren, weil der neue König Friedrich im Stuttgarter Schloß residierte und sich dieses neu herrichtete, wie er auch Schloß Ludwigsburg im klassizistischen Zeitstil ausgestalten ließ. Der Verfall symbolisierte das Ende einer fürstlichen Regierung, aber nicht das Ende des Ancien Regime. Symbol der Herrschaft war das Neue Schloß, dessen Repräsentationsräume vom Hofarchitekten Nikolaus Thouret prachtvoll hergerichtet worden waren. 42 Meiners hatte die Pracht fursdicher Repräsentation mit einem möglichen Nutzen fur die Allgemeinheit gerechtfertigt. Die geschmackvolle Möblierung der Bürgerhäuser interessierte ihn andererseits ebenso. Er wollte auch sie nicht als Luxus verdammen, sondern als Zeichen von Wohlstand gelten 125

lassen. Gemessen an dem, was er in Norddeutschland erleben konnte, zeigte sich dieser Wohlstand, den Meiners dank der Kriegskonjunktur vermutet, in eher bescheidener Weise. Mahagonimöbel oder gute englische Ware, besonders Baumwollenstoffe, seien entweder gar nicht, oder nur in schlechter Qualität zu finden. »Noch sonderbarer ist es, daß man feine Tücher, modige Schaals, seidene Zeuge, Handschuhe u.s.w. die in gar nicht fernen Gegenden von Deutschland und Frankreich verfertigt werden, entweder gar nicht, oder bey geringer Qualität nur zu sehr hohen Preisen haben kann.« 43

Bürgerlicher Wohlstand mußte sich nach Meiners Auffassung in Stuttgart noch durch Sparsamkeit und anspruchslose Lebensführung rechtfertigen und gegen höfischen Luxus deutlich absetzen. Man kann annehmen, daß die starre Hierarchie und die ritualisierten Umgangsweisen, wie Meiners sie geschildert hatte, den Besitz und das Zeigen von Objekten, welche nicht zu Rang und Stellung einer Familie paßten, nicht zuließen: einem Kleid nach Pariser Chic, einem Tisch mit geschnitzten Füßen hätte, so muß man annehmen, üble Nachrede auf der Stelle folgen können. Im benachbarten Tübingen genügte bereits des Besitz eines Sofas, um Furore zu machen.44 Für Meiners und seine reisenden Zeitgenossen war es nicht Verschwendung und Übermut, sondern Zeichen einer neuen, selbstbewußten Lebensart, wenn die Dinge in Besitz und Gebrauch nicht bloß gut und billig, sondern auch schön und geschmackvoll waren wie Sofas, Möbel mit Messingbeschlägen, modische Schals und seidene Zeuge, aber diese Dinge riefen am Orte seines Besuchs ambivalente Reaktionen hervor. Ohne daß er es zuende gedacht hätte, ergänzen sich in Meiners' Diskurs zwei offene Enden: Als Museum öffentlich zugänglich, konnte das »Denkmal geschmackvoller Pracht« seinen Zweck darin finden (und seinen symbolischen Wert realisieren), den Dingen in Besitz und Gebrauch des Bürgertums einen Maßstab für Schönheit und Geschmack zu liefern, welcher ihnen fehlte. Das war als Möglichkeit denkbar, aber so früh, so einfach, so direkt wurde nicht gedacht. Dibdin - urban, gelehrt, vielgereist, Engländer - fehlte die Ehrfurcht vor der »geschmackvollen Pracht« von Herrscherhöfen. Für Lebensstandard und Geschmack der Bürger Stuttgarts interessierte er sich nicht, insofern er keinen Zugang zu ihren Zirkeln gewonnen hatte. Noch unter dem Eindruck von Paris stehend, charakterisierte er das Stadtbild als kunstlos. Es war ihm zuwenig malerisch und es fehlten Kunstwerke an öffentlichen Plätzen. Der Gesamtanblick der Stadt, Straßenfluchten, Häusergruppen, Plätze ließen ihn ästhetisch unbefriedigt. Die neuen Stadtviertel waren noch nicht gebaut. Dibdin betrachtete Kunst unter dem Aspekt des Sammeins. Sein Interesse galt außer Büchern und Buchillustrationen vor allem 126

Kunstwerken als einzelnen, für sich stehenden, handhabbaren Objekten und deren Reproduktionen. Alte und seltene oder merkwürdige Bücher versuchte er in Bibliotheken, bei Antiquaren, auf Märkten zu finden, wenn interessant, zu beschreiben, wenn möglich, zu kaufen. Er schaffte sich sozusagen eine reale Bibliothek und darum herum eine imaginäre, bestehend aus Informationen über Bücher, deren eingehender Beschreibung, Reproduktionen einzelner Seiten. Kunstobjekte sammelte er in reproduzierter Form: Als Zeichnung, Stich, Abguß, oder er fertigte eine Beschreibung von ihnen an. Mittels Abbildung, Beschreibung, Kopie ließen sich die Kunstwerke aus den Zusammenhängen lösen, in welchen sie als Einzelstück gestellt waren: Kirche, Schloß, Privatsammlung. Die Vorstellungskraft konnte eine Sammlung von Reproduktionen zum imaginären Museum werden lassen. Darin fand im Falle Dibdins, aber auch bei jedem anderen aufmerksamen Reisenden, in flüchtigerer Form auch alles jenes Platz, was an Kunst besichtigt worden war. Das imaginäre Museum existierte nicht bloß in der Phantasie eines einzelnen reisenden und sammelnden Bibliomanen. Es war eine gemeinsame Imagination all jener, welche sich in der Anschauung von Kunstwerken ästhetisch gebildet hatten. Reiseliteratur, Kunstliteratur und ästhetische Abhandlungen strukturierten Bildung, Urteil, Imagination, Sammlungen von Reproduktionen, Kopien, Abgüssen materialisierten sie, wie am französischen Beispiel gezeigt. Wissenschaftliche Kriterien spielten bei der Einrichtung des imaginären Museums wie auch beim Anlegen von Sammlungen bei den Liebhabern und Amateuren eine nachgeordnete Rolle. Dibdin sammelte Reproduktionen nach den gleichen Prinzipien eines amateurhaften Kenners wie seine Bücher: nach Alter, Seltenheit, Herkunft, Berühmtheit, Zuschreibung zu berühmten Künstlern. Der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Waagen kam nicht als Sammler durch Stuttgart, sondern als wissenschaftlicher Beamter. So wie 1835 in London und in Paris45 suchte er 1842 auf einer Reise durch Deutschland im Dienst des preußischen Staats nach Material, welches ihm bei der Zuordnung und Beurteilung der Werke im Besitz der Berliner Museen und bei Neuanschaffungen als Hintergrund und als Basis für Vergleich dienen konnte. Datierung, Zuschreibung, Beurteilung von Kunstwerken, mit wissenschaftlichem Anspruch betrieben, ließen sich nur auf dem Hintergrund einer systematischen Anschauung allen erreichbaren Vergleichsmaterials durchführen. Wissenschaftliches Interesse bestimmte denn auch, was er in Stuttgart sehen wollte. Wenn er die Beschreibung von Sammlungen, Kunstwerken und Künstlern einbettete in Beschreibungen des Kunstlebens an einem Ort, so läßt sich das aus seinem professionellen Interesse in weiterem Sinne verstehen (ebenso die Tatsache, daß er seine Berichte 127

veröffentlichte). Waagen war in zweifacher Weise auf die kunstinteressierten Zirkel angewiesen, welche er aufsuchte. Sie hatten einen großen Teil an Sammlerarbeit, am Finden, am Kaufen fur ihn geleistet. Darauf konnte er in seinen Forschungen aufbauen. Außerdem artikulierte sich in den Zirkeln in wirkungsvoller Weise das öffentliche Interesse an Kunstmuseen, ihrer Einrichtung und ihrem Unterhalt. In der Beschreibung Waagens deutet sich an, wie reale und imaginäre Museen der Kunst einander bedingten und sich gegenseitig beeinflußten: Sammlungen und Präsentationsformen von Kunst wurden mit Bildungsinteressen begründet; die Prinzipien, nach welchen Kunst betrachtet, beurteilt, gesammelt wurde, gewannen mittels der Vorgaben d i r Wissenschaft in der Öffentlichkeit Kontur. Kunstöffentlichkeit schuf Räume, innerhalb derer Gebildete jenseits ihrer beruflichen Einbindung Geselligkeit üben konnten. Waagen traf mit Beamten, Kaufleuten und Pfarrern zusammen. Das Schloß war, als Museum, der Öffentlichkeit (teilweise) zugänglich gemacht. In der Stadtbeschreibung von 1790 waren Kunstwerke als solche nicht besonders herausgehoben worden, sondern Sehenswürdigkeiten unter vielem anderem. Wie Bauten und Bilder gehörten diese Dinge, diese Kuriositäten in den Bereich des Hofes. Sie waren auf ihn hin bezogen und zusammengestellt, ihre Ordnung war nicht museal, sondern auf Repräsentation oder zur Zerstreuung der Hofgesellschaft angelegt. Glaubt man dem Reiseführer, scheinen sie öffentlich zugänglich gewesen zu sein, aber der Zugang wurde lediglich gewährt, es gab dafür keine Regeln, keine Öffnungszeiten, kein Zugangsrecht noch auch Gelegenheit, etwas über sie in Erfahrung zu bringen, sie in einen Bildungszusammenhang einzuordnen. Das geschah, in kleinem Maßstab, lediglich innerhalb der »wissenschaftlichen und nützlichen Anlagen«, welche nicht in unmittelbarer Beziehung zum Hofe standen. Dieser Bereich aber war nur begrenzt Fremden zugänglich, es gab dort wenig zu besichtigen. Rund ein halbes Jahrhundert später war im Handbuch Hartmanns ein mittels Kunst geschaffener öffentlicher Raum umgrenzt und umschrieben. Der kunstbeflissene Fremde war eingeladen, sein imaginäres Museum zu erweitern um die Werke, welche er in Stuttgart aufsuchen konnte. Zugleich waren Übergänge von öffentlicher und privater Geselligkeit markiert. Kunst verband Schloß und Kunstladen, Diplomaten und Lithographen. Gesellschaftliche Hierarchien erscheinen relativiert und gleichzeitig in Perspektive gerückt, sichtbar. Jeder der Reiseberichte sollte anschaulich gemacht haben, daß Kunst in konkreten gesellschaftlichen Bezügen wahrgenommen wurde. Gesellschafliches Leben wurde mittels Kunst charakterisiert: Geselligkeit, Öffendichkeit, Hierarchie und Herrschaft. Außerdem ließen die Berichte erkennbar werden, daß sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ansätzen eine 128

eigene, gesellige Kunst-Öffentlichkeit entwickelt hatte. Diese Öffentlichkeit baute sich um reale und imaginäre Sammlungen und Museen herum auf. Handel, Technik und Verkehr - das ließ sich nebenher erkennen hatten eine wichtige Rolle dabei gespielt: Handel mit alter Kunst erleichterte den Aufbau von Museen, Kunstreisen wurden durch verbesserte Verkehrswege erleichtert. Als neue Reproduktionstechnik trug insbesondere die Lithographie zur Verbreitung von Kunst qua Abbildung bei, aber auch Kupferstich, Aquatinta, Schabekunst sorgten in großem Maßstab für Kunstvorlagen. Vermittelt über Stadträume, öffentliche Gebäude, Läden, Waren, ausgestellte Objekte, übermittelt in Ansichten, hatte diese durchaus zugängliche, zumindest begehbare Öffentlichkeit mit der materiellen Kultur sowohl als mit der geistigen zu tun, mit Industrie sowohl als mit Demokratie. Diese Art der Öffentlichkeit paßte aber nicht recht zum Ideal einer Kunst als Bestandteil eines Reiches des Geistes, welches nur durch Bildung zu erreichen wäre. Auch entwickelte sie sich weniger nach Maßgabe einer politischen Öffentlichkeit, wie es im Staatslexikon von Rotteck und Welcker, diesem Verständigungstext der vormärzlichen Liberalen, angemahnt worden war,46 als nach den Vorgaben industrieller Herstellung und kommerzieller Verbreitung von Kunst-Produkten. Industrie und Kommerz sollten der Ausdehnung von Kunst-Öffentlichkeit Tempo, Umfang, Struktur geben, wo beide ausgeschlossen waren, wurde Kunst-Öffentlichkeit esoterisch und provinziell. Wie sich die praktischen Beziehungen zwischen Kunst, Industrie, Kunstindustrie und Käufern entwickeln würden und was die Zeitgenossen darüber dachten, das wurde noch durch weitere Faktoren außer den genannten (Gesellschaftsleben, Kunstbeflissenheit, Wissenschaft, Handel, Verkehr, Technik) beeinflußt. In den Berichten von Meiners, Dibdin, Waagen und Hartmann fand sich bloß angedeutet, daß Kunstwerke unter volkswirtschaftlichem Aspekt betrachtet werden konnten und daß sie außerdem Bestandteil von Regierungskunst (in mehrfachem Sinn) waren. Noch bemerkenswerter ist, daß Paris als Maßstab für Kunstöffentlichkeit, Stadtraum, modernen Konsum und Mode nur von Dibdin explizit angelegt wurde, bei allen anderen Beschreibungen aber implizit präsent war. Auch wenn die französische Metropole nicht, wie bei dem Kunsthistoriker Waagen, sich aus eigener Anschauung in die Erinnerung eingegraben hatte, prägte sie den Blick und die Erwartung. Was aber aus diesem Blick ausgeblendet blieb, war der politische Ursprung der modernen Kunstöffentlichkeit einerseits, deren wirtschaftspolitische Legitimierung andererseits und schließlich deren ökonomische Basis, nämlich eine moderne Qualitätsindustrie. Stuttgart glich in den Beschreibungen der Reisenden einer Stadt auf dem Weg in eine ästhetische, nicht politische, nicht öko129

nomische Moderne. Inwieweit aber verdankte sich das, was ihnen als Doppel von ästhetischer Modernität und Musealisierung erschien, der Entstehung des spezifischen Ineinanders von Kunst- und Warenöffentlichkeit, Kunst und Konsum, Kunst und Industrie, dessen Typ in Paris seit der Jahrhundertwende entstanden war?

1.2. Ausbau und Modernisierung der Königstadt An der Wende zum 19. Jahrhundert zehrte Stuttgart, was Kunst betraf, von vergangenem Ruhm und von der Erinnerung an höfische Pracht und luxuriöse Lebensführung einer vergangenen Epoche. Es war zum größten Teil ein Leben mit geborgten Requisiten gewesen, für teures Geld in Frankreich oder in England beschafft und zur Steigerung der Pracht des Hofes und der Schlösser in Stuttgart und in der Umgebung verwendet. 47 Als König Wilhelm 1816 die Regierungsgeschäfte übernahm, brach er mit dem verschwenderischen Zeremoniell seiner fürstlichen Vorfahren und gab Hofhaltung und Hofgesellschaft: einen fast bürgerlichen Zuschnitt. 48 Teils dank absolutistischen Erbes, teils dank der Epochenwende waren zugleich in der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart die wesentlichen Voraussetzungen gegeben, kulturell produktiv und eigenständig Anschluß an die Moderne zu finden. Anders als in der Provinz gab es ein Bürgertum, welches eine eigenständige Auffassung von Kunst entwickelt hatte, die Künste förderte und sie eigenen Zwecken dienstbar machte. Nur in Stuttgart arbeiteten Künstler, welche an das Niveau der internationalen Kunstszene Anschluß gesucht hatten. 49 Nur dort gab es nach den Berichten der Reisenden ein nennenswertes Reservoir an Kunstwerken, an Reproduktionen und Kopien, an welchen ein Kunsturteil sich bilden konnte. 50 Schließlich war es in Stuttgart am ehesten möglich, mittels der dortigen öffentlichen Bibliothek und der ansässigen Buchhandlungen über Kunstereignisse, Kunstkritik, Kunstgeschichte auf dem Laufenden zu sein. Von diesen Voraussetzungen, über welche in den Reiseberichten die Rede war, konnten Bildende wie Angewandte Künste profitieren. Mehrere der angeführten Voraussetzungen hatten ihren Ursprung in spätabsolutistischer Kunstpolitik nach französischem Muster gehabt: Herzog Karl Eugen hatte seiner Karlsakademie neben Zeichenunterricht Klassen für Malerei, Skulptur, Architektur, Kupferstich, Münzgravur, Stukkatur und Gartenkunst beigefügt. 51 Er wollte Hofkünstler ausbilden lassen, welche die teueren französischen Künstler ersetzen konnten, die er für seine Bau- und Ausschmückungsarbeiten brauchte. 52 Auf dieser Akademie waren die Künstler der schwäbischen Klassik ausgebildet worden. In den Schlössern der Herzöge hatten sich im Laufe der Jahrhunderte Kunstwerke 130

angesammelt. Die öffentliche Bibliothek war eine herzogliche Schöpfung, teils Spielerei des Souveräns, teils Referenzbibliothek für die öffentliche Verwaltung. Zum Ende des Ancien Regime war in Stuttgart die Akademie aufgelöst worden, welche Kunst und Künstler in die alte Herrschaftsform eingeordnet hatte. 53 Beide, Kunst wie Künstler standen seitdem zur Verfügung, auf neue Weise verstanden und gebraucht zu werden. Die Freisetzung der Kunst aus der Sphäre höfischer Repräsentation bedeutete einen Bruch, eine völlige Umwertung, bei welcher sie vom Herrschaftssymbol zur Marktware oder zur Attrappe, zu Sperrmüll werden konnte. So wurden Zeichnungen, Stiche und Kupferplatten der Karlsschule nach deren Auflösung 1795 zur Auktion freigegeben. 54 Nachdem Königin Mathilde, die Witwe König Friedrichs, gestorben war, wurde im Ludwigsburger Schloß die Hofhaltung aufgegeben und in tagelanger Versteigerung wurden diejenigen Gemälde und Wertsachen des Schlosses ausgeboten, welche nach einer Begutachtung durch den Stuttgarter Maler und Kunstschulprofessor Steinkopf den akademischen Kriterien klassischer Kunst nicht entsprachen. Der kritischen Sichtung des Professors fielen neben anderem die bedeutende Sammlung niederländischer Malerei zum Opfer. Zwischen Stickereien, Gobelins, Porzellan und Uhren wurden sie zu Spottpreisen verschleudert, um zum Teil in den Privatsammlungen Stuttgarter Bürger, etwa der des Kriegsrats Landauer, wieder aufzutauchen. Was nicht losgeschlagen werden konnte, wie zum Beispiel reich intarsierte Kommoden des Pariser Luxushandwerks, die dem bürgerlichen Geschmack nicht entsprachen, verwitterten im Schloßhof, wo wertvollere und anderweitig brauchbare Teile von ihnen nach und nach geklaut wurden, wie das intarsierte Schildpatt, das zu Kämmen verarbeitet werden konnte. 55 Daß ein Landesherr sich ein Schloß baute, darin folgte König Wilhelm der Tradition, als er sich in den 1820er Jahren etwas außerhalb der Stadt auf einer Anhöhe das Landhaus Rosenstein bauen ließ. Bevor Hofbaumeister Salucci (1769-1845) allerdings den Bau beginnen konnte, ließ der König Pläne eines italienischen, eines französischen sowie eines englischen Architekten kommen. Salucci selbst legte elf verschiedene Entwürfe vor. Der endgültige Plan enthielt Formelemente aller vorausgegangenen, er war von Salucci nach den Vorstellungen des Königs und gemäß den Regeln spätklassizistischer Baukunst zusammengestellt.56 An den Vorbildern der Antike entwickelt, war dessen Formensprache international geworden, ausgearbeitet vor allem von französischen und englischen Architekten, gegründet auf das Studium an römischen und griechischen Bauten einerseits, gegründet andererseits auf die Überzeugung von der bleibenden Vorbildlichkeit der klassischen Kunst. Das von Salucci ausgeführte Bauprojekt des Königs war konzipiert als vornehmes und zugleich bequemes Landhaus.57 Der König ließ, anders 131

gesagt, eine private Villa bauen, in angemessener Pracht, aber ohne den repräsentativen Anspruch einer Residenz. Der Festsaal des Landsitzes war mit Gipsreliefs geschmückt, welche schwäbischem Landleben eine klassizistisch-ideale Form gaben. 58 In den vierziger Jahren war der königliche Landsitz als Museum württembergischen Kunstschaffens zum bürgerlichen Ausflugsziel geworden: »Die äußere künstlerische Ausschmückung, die sinnigen Allegorien, die Portiken, Säulen, Attiken etc. bewirken einen Gesammteindruck, der uns ... glauben machen könnte, dieser acht Königliche Sommersitz sey durch einen Zauber aus dem Lande der Kunst zu uns gekommen. Mit desto größerem Stolz dürfen wir daher sagen, daß die gelungene Ausführung zum großen Theil aus den Händen vaterländischer, einheimischer Künstler hervorgegangen ist. ... Die Oelgemälde stellen historische und mythische Gegenstände, vaterländische Gegenden und Thaten und Siege des Württembergischen Heeres in den letzten Feldzügen, unter seinem / gekrönten Felderrn, vor; in Fresko ist an der Kuppel in der großen Gallerie >Amor und Psyche< und im Speisesaal der >Bacchuszug< u.a. gemalt. Von diesem schönen Punkte genießt man eine ausgedehnte Aussicht, mit den mannichfaltigsten Abwechselungen. ... Ganz unten sieht man das Dörfchen Münster ... von wo ... viele Stuttgarter auf dem sich hier besonders schlängelnden Neckar hinfahren und Backfische essen.« 59

Einem anderen Landsitz des Königs, dem kurz nach Regierungsantritt errichteten, modern zugeschnittenen Schlößchen Weil bei Esslingen, dessen Treppenhaus von der ersten Glas-Eisenkonstruktion, welche in Württemberg im Hochbau Anwendung finden sollte, überdacht war, war es genauso ergangen. 60 In den Beschreibungen der königlichen Landhäuser aus der Perspektive einer besichtigenden Inbesitznahme durch Ausflügler und Spaziergänger erscheint der Kunstraum Stadt in dreifacher Weise erweitert und von seinen Bewohnern in Besitz genommen. Zum einen reichte er über die eigentliche Stadt hinaus in eine Umgebung hinein, deren ästhetische Wahrnehmung durch die Aussichtspunkte, welchen die Schlösser einnahmen, besonders akzentuiert wurde. Zum anderen war Kunst als Herrschaftszeichen jetzt in den Kunstraum Stadt integriert, statt dem Stadtraum gegenüberzutreten und sich von ihm abzusetzen; der König hatte sich damit nicht allein Künstlern gegenüber als Mäzen verhalten, sondern ebenso dem Publikum. Schließlich repräsentierte die in den Landhäusern vorfindliche Kunst eine Synthese aus idealer Antike, idealisierter Landschaft und dem Vaterland als Identifikationsfigur, welchem durch die Beschäftigung »vaterländischer Künstler«, sowie der Darstellung »vaterländischer« Geschichte und Landschaft symbolischer Ausdruck gegeben worden war. Offizieller Sitz des Hofes blieb auch unter König Wilhelm das Neue Schloß, durch die Stadter Weiterung in das Zentrum der Residenzstadt gerückt. Daß in ihm die Kunstsammlung des Königs öffentlich ausgestellt war - die Berichte der 132

Reisenden vermerkten vor allem Skulpturen und Gemälde der schwäbischen Klassizisten - verweist noch einmal auf die Bildenden Künste als Maßstab und Vorbild des Geschmacks. Im Projekt des Stadtausbaus sollte die aus den alten Bezügen gelöste Kunst eine wichtige Rolle spielen.61 Das Bürgertum der Residenzstadt rekrutierte sich zu erheblichen Teilen aus der gebildeten Beamtenschaft und war als solcher in erster Linie Träger von Amt und Autorität in einem staadichen Verwaltungsapparat, den aufzubauen Teil aufgeklärt absolutistischer Landesherrschaft gewesen war und der in die neue Zeit übernommen und umorganisiert wurde. Mit dem Regierungsantritt König Wilhelms wurde endlich die schon seit dem Beginn des Jahrhunderts anstehende Stadterweiterung in Angriff genommen. Für die mehr als zwanzigtausend Einwohner war längst kein Platz mehr in der noch mittelalterlich umgrenzten Stadt. Schon 1802 hatte der damalige Bürgermeister einerseits das rasche Anwachsen der Einwohnerzahl dafür verantwordich gemacht (in zwanzig Jahren sei deren Zahl um mehr als zweieinhalb Tausend gewachsen), andererseits die steigenden Ansprüche der wohlhabenderen Einwohner an Wohnkomfort. 62 Trotz der Kriegszeiten wurde gebaut, meist schnell errichtete Holzkonstruktionen, die zum Teil sogar aus Teilen anderswo abgebrochener Häuser zusammengesetzt waren.63 Die neue Art zu leben - Meiners hatte auf den Wohlstand hingewiesen, welcher mit der Franzosenzeit ins Land gekommen war. Das Territorium war vergrößert, der politische Rang des Herrschers gesteigert worden. Das mußte für etliche Bürger Grund genug gewesen sein, ihrerseits Rang und Wohlstand in gesteigertem Lebensaufwand zur Schau zu stellen. König Friedrich war indes vorrangig nicht an einem Ausbau der Stadt, sondern der durch seinen Titel von Napoleons Gnaden aufgewerteten Residenz zur Königstadt gelegen.64 Das Neue Schloß wurde weitergebaut Teile des Rohbaus waren abgebrannt - und durch ausgedehnte Gartenanlagen verschönt, welche zugleich öffentlicher Park waren. 1806 waren außerdem Baulustige eingeladen worden, sich endang der neuen Königstraße anzusiedeln, geplant als vornehme Wohnstraße und zugleich Garnisonsstraße. Sie bezog räumlich die Altstadt auf das Schloß und machte es damit, noch ganz in der Tradition absolutistischer Stadtplanungen, zum Ausgangspunkt der späteren städtebaulichen Entwicklung. Das Stadtbild Stuttgarts wurde durch den Hofarchitekten und ehemaligen Karlsschüler Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845) gemäß den Anforderungen, welche der Herrscher an das Bild einer Residenz stellte, wesendich geprägt.65 Unter König Friedrich hatten strenge Bauvorschriften das Aussehen der Gebäude der Hauptstadt reglementiert. Bürgerlichen Bauten war nüchterne Zweckmäßigkeit und gleichförmiges Aussehen vor133

geschrieben, während der H o f glanzvolle Bauten errichtete. So waren spätbarock und zugleich vom Style Empire des politischen Protektors Napoleon geprägte neue Straßenzüge entstanden, deren stilistische Vorgaben zu einem spezifischen Stuttgarter Klassizismus verschmelzen sollten, der wesentlich von Thouret entwickelt werden sollte. König Friedrich hatte in Paris die embellissements Napoleons kennenlernen können 6 6 und sein Hofbaumeister hatte in Paris bei dessen Architekten Durand studiert. 67 Er war nicht nur für die Bauten des Hofes, sondern auch für die meisten Privatbauten der Königstraße als Architekt herangezogen worden, blockartigen Häusern mit einfacher Fassade, deren Elemente hart kontrastierten und mit durchlaufenden Fassadenfronten, die sich untereinander nur um Nuancen unterschieden untereinander verbunden waren. 68 Auch im gesellschaftlichen Leben gab er den Ton an, sei es in der Ausschmückung von Festen und Zeremonien, sei es als Theatermaler, sei es durch Entwürfe zu Innendekorationen und Möbeln. 69 1817 wurde Thouret beauftragt, einen Plan zur Stadterweiterung vorzulegen, nicht mehr als Hofbaumeister, sondern als Professor der Architektur an der Kunstschule, deren Gründung in Aussicht stand. Sein Entwurf von 1818 ordnete die wichtigsten Neubauten dem Neuen Schloß zu. Indes waren es Bauten, welche nicht mehr dem H o f oder allein der Staatsverwaltung dienen sollten, sondern der neuen bürgerlichen Öffentlichkeit, und zwar einer Kunstöffentlichkeit einerseits - ihr waren Theater, Oper, Tanzsaal, Kunstmuseum, Bibliothek und höhere Schulen zuzuordnen und einer Warenöffentlichkeit andererseits, insofern nämlich direkt gegenüber dem Schloß ein »Colonnaden und Boutiquen enthaltendes öffentliches Gebäude« geplant war - der spätere Königsbau. 70 Der Plan versuchte vorhandene Straßen weiter nach außen zu führen und neue Viertel (die Tübinger Vorstadt) für die expandierenden Wohnbedürfnisse der Stadtbürger einzuplanen. Viele der neuen Bauten in den Wohnvierteln sollen von ihm entworfen worden sein.71 Eine offene Stadt plante er nicht, die Stadttore wurden lediglich entsprechend der Stadterweiterung versetzt. 72 Seine Planung sollte den Bauenden Vorgaben liefern, innerhalb der erweiterten, aber geschlossenen Stadt sich einzufügen in deren auch ästhetisch gedachte Ordnung. 7 3 Nach dem Regierungsantritt König Wilhelms wurden die strikten Bauvorschriften gelockert, die bis dahin das Äußere bürgerlicher Privatbauten reglementiert hatten. War den Privatbauten während der Regierungszeit König Friedrichs lediglich zugestanden, den bürgerlichen Professionen zweckdienlich zu sein und einen agreablen Hintergrund für herrschaftliche Prachtentfaltung abzugeben, prägten danach die Privatbauten das Erscheinungsbild der Stadt. Besonders die Wohn- und Geschäftshäuser, wie die einfachen Privathäuser anfangs schmucklos, formal an den französi134

sehen Revolutionsklassizismus angelehnt, dann aber immer aufwendiger gebaut und verziert, sowie die Zentren informeller bürgerlicher Geselligkeit, die Kaffeehäuser, bestimmten zunehmend die Gestaltung öffentlicher Gebäude. 74 Die königlichen Neubauten ordneten sich in dieses Erscheinungsbild ein, stachen aber durch ihre Größe und Ausstattung hervor.75 Eine eindeutige stilistische Zuordnung der frühen Bauten ist nicht möglich. Weder entsprachen sie den Normen eines strengen Klassizismus, noch folgten sie romantischen Vorstellungen oder einem historistischen Bauprogramm. 76 Die programmatische Grundlegung des Stuttgarter Baustils des ersten Jahrhundertdrittels wurde vom Architekten, Tübinger Privatdozent und späteren Rektor der Stuttgarter Gewerbeschule Karl Marceil Heigelin ( 1 7 9 8 - 1 8 3 3 ) Anfang der 1830er Jahre in einem dreibändigem »Lehrbuch der höheren Baukunst für Deutsche« niedergeschrieben, 77 einem Standardwerk, welches noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Gebrauch war78 und welches vermutlich dessen Pariser Studium ebensoviel verdankte wie seiner Freundschaft mit den Stuttgarter Architekten Thouret, Ferdinand von Fischer (1784-1860) und dessen Assistent, dem nachmalige Hofbaumeister und Architekt der Wilhelma Ludwig Zanth ( 1 7 9 6 1857). Alles Bauen unterstand für Heigelin dem Gesetz höchster Zweckmäßigkeit und Angemessenheit an die Bedürfnisse des Bauherrn bei geringstmöglichem Aufwand an Mitteln. 79 Je nachdem der Bau wirtschaftlichen Zwecken, dem Wohnen oder öffentlichen Aufgaben dienen sollte, waren Sparsamkeit, Bequemlichkeit und Dauerhaftigkeit in je unterschiedlicher Gewichtung am zweckmäßigsten. Wo das Prinzip der Sparsamkeit dem nicht entgegenstand, schloß Zweckmäßigkeit Zierde nicht aus. Ornamente am Bau waren insofern zweckmäßig, als sie ihn verschönern und als sie den Zweck des Baus durch eine entsprechende Idealform bezeichnen konnten, welche sich in der architektonischen Überlieferung ausgebildet hatte. Die Schönheit war aber nicht Resultat solcher Zierde, sondern stellte sich in dem Maße ein, wie das Gebäude zweckmäßig war und diese Zweckmäßigkeit im Zierrat ihren angemessenen Ausdruck fand, denn sichtbare Zweckmäßigkeit sei der Anfang aller architektonischen Schönheit. 80 Das Erkennen des Zweckmäßigen und des Schmückenden sollte auf wissenschaftliche Weise geschehen. Eben weil Wissenschaftlichkeit Kennzeichen des neuen Zeitalters war, an deren Anfang Heigelin sich und seine bauenden Zeitgenossen sah, würde daraus ein neue Zeitstil entstehen: »Unsere Zeit, die sich durch ihre Wissenschaft von allen früheren unterscheidet, gibt auch fur die Bildung des Baustiles eine höhere Bedingung. Was von allen Völkern Nüzliches und Schönes erdacht worden ist, sollen wir erwerben. Dies geschieht, indem wir durch filosofische Untersuchung auf seine Gründe, auf die Natur, Zu-

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rückfuhren, und es aus ihrer Hand neu empfangen, frei von Zufälligkeiten, und bildsam nach unserer Absicht.«

Heigelin plädierte damit für einen prinzipiengeleiteten Eklektizismus und warnte zugleich davor, Formen willkürlich zu kombinieren: »Von diesem Erwerben ist sehr verschieden jenes Entlehnen, wo die aufgenommenen Formen sich immer als fremdartig darstellen, und in den Entwürfen mehr verkettet, als verschmolzen erscheinen. Begeisternd ist die Aufgabe: von der ganzen Welt zu lernen, und keiner Autorität zu dienen.« 81

Der Architekturtheoretiker setzte also nicht nur voraus, daß Architekten sich im bauhistorischen Formenkanon auskannten und sich bei ihrer eigenen Tätigkeit daran orientierten; er nahm dasselbe zugleich für das städtische Publikum an, welches aus dem Zierrat ebenso wie aus dem Baukörper die Funktion eines Gebäudes ablesen konnte, und setzte damit voraus, daß ästhetische Bildung und Kunstkenntnis in demjenigen Teil desselben allgemein verbreitet waren, welcher in den Gebäuden die zweckmäßige Erfüllung der eigenen Bedürfnisse erkannte und der an der Gestaltung der neuen Epoche aktiv Anteil nahm. Die Zahl der Gebäude wuchs bis 1 8 3 9 von weniger als zweitausend auf mehr als dreieinhalb Tausend an. 82 Ihre Fassaden wurden reichhaltiger gestaltet, Vornehmheit wurde angestrebt, neue Stilelemente wurden aufgegriffen und mit den bisherigen kombiniert, insbesondere Elemente der italienischen Renaissance.83 Seit Anfang der 1840er Jahre verloren sich dann Züge eines spezifischen Lokalstils in der Kombination bestimmter Stilelemente ebenso wie deren rationalistische Reduktion auf Einfachheit und reine Zweckmäßigkeit. Stattdessen wurde der subjektive Geschmack der Auftraggeber bestimmend, der sich an Baumoden zu orientieren begann, zuerst dem Rundbogenstil nach Karlsruher Vorbild, dann dem »Altdeutschen Styl«, der aus München übernommen wurde. 84

1 . 3 . Die Residenzstadt als H o r t der Kunst, des Geschmacks und der Geschäfte In den Württembergischen Jahrbüchern ließen sich die Fortschritte des Stadtausbaus verfolgen, über die zunächst eher nebenbei, seit der zweiten Hälfte der 1830er Jahre regelmäßig berichtet wurde. Vor allem wurden Staatsbauten hervorgehoben, Kanzlei, Post, Kaserne, Schule sowie der königliche Prinzessinnenpalais. Durch die Altstadt wurden neue Straßenzüge gebrochen und Stadttore abgerissen. Die neu angelegte, gerade Königstraße, welche, die Altstadt tangierend, am großen Vorplatz des 136

Neuen Schlosses vorbeilief, sollte zum bevorzugten Wohnort der hohen Militärs und Beamten werden. Am Schloßplatz selbst befand sich seit 1807 das wichtigste gesellige Zentrum aller Kunstfreunde Stuttgarts, zumeist Geheimräten und anderen bejahrten bürgerlichen Honoratioren, 85 und der Anlaufpunkt aller ästhetisch interessierten Reisenden - das Atelier des aus der Karlsschule hervorgegangenen Bildhauers Johann Heinrich Dannecker ( 1 7 5 8 - 1 8 4 1 ) , einem Klassizisten von europäischem Ruf. 86 Außer Abgüssen seiner eigenen Werke diente sein großzügig ausgebautes Atelier zur Aufstellung gipserner Kopien der berühmten antiken Vorbilder klassizistischen Kunstschaffens. Eine zeitgenössische Beschreibung des Einweihungsfestes vermag am besten die Attraktivität verdeutlichen, welche der Ort ausübte: »Sein [Danneckers] geschmackvoll erbautes Haus an den schönen Laubengängen der Planie ist vollendet. Der untere Raum ist den Musen geweiht. In dem herrlichen Saale von einfacher edler Architektur, welcher die Beleuchtung von oben herab empfängt... stehen die Pariser Abgüsse der vorzüglichsten Antiken, welche Sr. Kgl. Hoheit dem Kronprinzen von Württemberg gehören, und welche dieser edle Fürst der Aufsicht des Künstlers anvertraut, und dabey den Zutritt jedermann freigestellt hat. Linker Hand von dem Eingange tritt man in das geräumige Attelier, welches aus drey Sälen besteht, größtentheils mit den eigenen Arbeiten Danneckers geschmückt. In dem ersten größern Saale steht die sprechende kolossale Büste Schillers, seines Jugendfreundes. ... In dem zweyten kleinen Saale, gleichsam dem innersten Heiligthume, wo der Künsder selbst die Blüten seines Genies in Marmor entfaltet und verewigt, steht auf einem beweglichen Gestelle die in Gyps ausgeführte Ariadne, auf einem Panther ihrem göttiichen Gemahle entgegen reitend. ... Die Wände sind geschmückt mit Abgüssen von Antiken in verjüngtem Maßstabe und mit dem herrlichen neuen Abguß des Adonis. In dem dritten kleinsten Gemache wird dem Marmor die erste Form gegeben. ... Wie mächtig wirkte der Zauber der Kunst! Alle Gefühle wurden erhöht durch die götdiche Umgebung. Wohin der Blick sich wandte, fiel er, hier auf den unübertrefflichen Torso, dort auf die Ringer, auf die kolossale Pallas, auf die gräßlich schöne Gruppe des Laokoon, auf die medicäische Venus, auf den götdichen Hermaphrodit, auf das erhabene Haupt des olympischen Jupiters, auf den Apoll von Belvedere.«87 Auf Veranlassung des Kronprinzen hatte Dannecker die Abgüsse in Paris gekauft, wo im » Μ ^ έ ε Napoleon« eine Gipsgießerei installiert war, welche Kopien von den aus Italien geraubten antiken Skulpturen anfertigte. Diese dienten Künstlern, die in der klassizistischen Tradition standen, als gültige Verkörperungen des Schönen zu Vorbildern ihres eigenen Schaffens, Vorbilder, an denen sie, im Rahmen ihrer akademischen Ausbildung nachzeichnend und -modellierend, künstlerischen Ausdruck studiert und geübt hatten. In den folgenden Jahren kamen weitere Abgüsse dazu, deren 137

wichtigste Reproduktionen der Parthenon-Skulpturen und der Aegineten waren.88 Damit waren die Hauptstücke des klassizistischen Formenkanons und die Referenzobjekte des gebildeten Geschmacks, die Hauptattraktionen Roms und, seit den napoleonischen Feldzügen, des Louvre, in der württembergischen Landeshauptstadt zu besichtigen - als Kopien. Gegen das untere Ende der Königstraße war im freigeräumten, von Thouret gebauten Offizierskasino acht Jahre lang, von 1819 bis 1827, Kunst europäischen Ranges ausgestellt, die Sammlung altniederländischer, niederrheinischer und oberdeutscher mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Malerei der Brüder Melchior (1786-1851) und Sulpiz (1783-1854) Boisseree und ihres Kompagnons Johann Baptist Bertram (1778-1841). 89 Von 1810 bis 1819 in Heidelberg, damals Hochburg der Romantik, ausgestellt, 1815 Hauptquartier der gegen Frankreich allierten Mächte und damit einen Frühsommer lang Treffpunkt politischer Weltgrößen samt Troß, hatte die Sammlung bereits internationales Aufsehen erregt. Dieses wurde noch besonders dadurch verstärkt, daß die Eigentümer einen Verkauf der Kunstwerke in Erwägung zogen, welche sie aus der Gütermasse gezogen hatten, die mit der Säkularisation der Kirchengüter im französisch besetzten Rheinland plötzlich zur Disposition stand, und welche bis dahin weder ästhetische noch kunsthistorische Würdigung gefunden hatten. Allerdings verbanden sie einen Ankauf mit der Bedingung, daß die Sammlung geschlossen gegen einen hohen Preis abgegeben und sie selber zur weiteren Betreuung der Schätze als Konservatoren angestellt würden, was bedeutete, daß die Kunstwerke nur in den Rahmen eines Fürstenhofs oder aber als nationaler Besitz in ein staatliches Museum übergehen konnten. Daß sich sowohl der preußische Staat als auch die Stadt Frankfurt und der österreichische Kaiser, dann der bayerische Kronprinz und schließlich die russische Gemahlin des württembergischen Königs dafür interessierten und in Verhandlungen eintraten, läßt sich nicht allein aus den sicherlich bemerkenswerten Kunstwerken erklären, welche die Sammlung umfaßte, sondern gewinnt vor dem Hintergrund der französischen Kulturpolitik neue Bedeutung. Die Sammlung erregte das Interesse der internationalen politisch-kulturellen Öffentlichkeit und zugleich die besondere Aufmerksamkeit von Monarchen, weil hier eine nationale Kunsttradition entdeckt worden war, welche sich unabhängig von der griechisch-römisch-italienischen Kunstgeschichte entfaltet hatte und daher von den Schönheitsregeln der klassischen Antike unabhängig war. Diese Kunst hatte (nach der Winckelmannschen Theorie) den Charakter der natürlichen Gegebenheiten im mittelalterlichen Norden in Kunst transformiert, so wie die Griechen einst Arkadien. Deshalb repräsentierte die Sammlung ein Gegengewicht zu den Kunstschätzen des Louvre, dessen Ausstrahlungskraft trotz Rückführung der geraubten Kunstschätze andauerte, und zu Rom. Ihre Aufstellung in 138

einer Hauptstadt wertete diese zu einem Hauptzentrum der Kunst auf und damit war, wie in Frankreich, ein Zuwachs an metropolitanem Leben, an Tourismus, Wissenschaft und an gewerblicher Aktivität verbunden. Die Anbindung einer solchen Sammlung an einen Herrschersitz - in den Ankaufsplänen90 war mehrfach die Rede von einer königlichen Schenkung an den Staat, in jedem Fall aber von öffentlicher Aufstellung in musealem Rahmen - bedeutete zugleich eine ästhetisch inszenierte Verknüpfung von Nationalvolk, vertreten durch die nationale Kunst, und Herrscherhaus. So gesehen, war ein hoher Preis gerechtfertigt, stellte doch die Sammlung nicht nur einen Schatz dar, bereitete ästhetischen Genuß oder war Quellenmaterial für kunsthistorische Forschungen, sondern besaß sie einen Symbolwert von enormer politischer Tragweite und ließ sich ihr Erwerb überdies als entwicklungspolitische Investition auffassen. Der Umzug von Heidelberg nach Stuttgart erfolgte, nachdem König Wilhelm und dessen russische Gemahlin, begeistert von der Sammlung selbst und zugleich bearbeitet vom höchst einflußreichen Kunstkränzchen der Danneckerei, feste Kaufabsichten geäußert und den drei Sammlern das Ausstellungsgebäude samt Wohnung zugesagt hatten. 91 Der großzügig angelegte, für die Sammlung eigens hergerichtete Pavillon ließ es zu, die Gemälde chronologisch und nach historischen und geographischen Affinitäten zu gruppieren und die Hauptstücke der Sammlung durch Einzelhängung in Kabinetten und durch Beleuchtung besonders herauszuheben. Die neuartige Inszenierung, eine Synthese aus den Hängungsprinzipien des Louvre und der kulturhistorischen Ordnung im »Musee des monumens frangais«92 sollte auf die im Entstehen begriffene Museumslandschaft in Deutschland einen großen Einfluß ausüben. 93 Im Stuttgarter »Morgenblatt fur gebildete Stände«, der von Cotta herausgegebenen Kulturzeitung mit nationaler Verbreitung, war die Aufstellungswirkung beschrieben: »Die Einrichtung der Sammlung ist also getroffen, daß von den größten Gemälden die vorzüglichsten in sechs Zimmern, jedes allein oder an einer besonderen Wand, aufgestellt, die übrigen der 250 Gemälde aber in 12 andern Zimmern vertheilt sind. In allen diesen Zimmern sind Wände und Fußboden mit einer milden dunkelgrünen Farbe bekleidet. Jedes jener größten Gemälde ist zwey Fuß vom Boden auf ein schwarzes Fußgestell gesetzt, und so von einem einzigen Fenster beleuchtet. Dabey ist noch eine leichte Vorkehrung getroffen, vermittelst eines Schirms den Beschauer in den Schatten zu stellen, so daß das Gemälde in seinem glänzend goldnen Rahmen auf der dunklen Wand von Einer Lichtmasse bestrahlt, höchst zweckmäßig dargeboten wird. Den Vortheil, ein Gemälde unter diesen Umständen zu betrachten, werden viele Beschauende erst hier kennenlernen. Er begünstigt das Kunstwerk in so einem Maße, daß man lebhafte Bedauerniß empfindet bey dem Gedanken, so viel Herrliches in der nachtheiligen Stellung, auf mißfälligem Grund, hoch an der Wand befestigt, gesehn zu haben, und in der nächsten Gemälde-Sammlung manches

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andere Herrliche so wieder sehen zu sollen. Vor den Gemälden befindet sich in diesen Zimmern eine niedre schwarze Schranke, um die zu große Annäherung der Beschauenden zu verhindern. Ein Halbkreis von Stühlen in der gehörigen Entfernung aufgestellt, bietet die größte Bequemlichkeit und den rechten Augenpunkt zur Betrachtung der Gemälde dar.« 94

Die Präsenz der Boisseree-Bilder in Stuttgart sprengte während der Dauer ihrer Anwesenheit den abgezirkelten Rahmen der Stuttgarter Kunstfreunde, der Geheimräte und Literaten nach zwei Richtungen und band diese in einen weiteren gesellschaftlichen Zusammenhang ein. Zum einen war die Ausstellung ein Ereignis, welches internationales Aufsehen erregt hatte. Wenn Leute wie Earl Thomas Elgin, der die Parthenon-Skulpturen der Akropolis nach England gebracht und sie der britischen Regierung verkauft hatte, der italienische Klassizist Antonio Canova oder der Däne Bertel Thorvaldsen nach Stuttgart kamen, beide Bildhauer von internationalem Rang und großem Einfluß, bedeutete das auch eine enorme Aufwertung des Kunstlebens und der Bekanntheit der Stadt, was, zusammen mit den Beschreibungen im »Morgenblatt« zahlreiche Kunsttouristen anlockte. 95 Täglich kamen bald bis zu zweihundert Besuchern, an Sonntagen herrschte bisweilen weit größerer Andrang. 96 Das hieß aber, zum anderen, daß die Kunstöffentlichkeit zu einem erheblichen Teil nicht nur durch ein internationales, reisendes Publikum, sondern durch Leute der Gegend gestellt wurden. Tatsächlich kamen Leute die Ausstellung besuchen, welche bislang durch keinerlei Geschmacksbildung dazu disponiert schienen auch das in Deutschland ein völlig neues, aus Paris indes bekanntes Phänomen. Der erstaunte Sulpiz Boisseree beschrieb plastisch, wie zuerst »Scharen von Offizieren« in ihr ehemaliges Wohnquartier kamen. Seit dem Frühsommer des ersten Jahres dann »strömen die Besucher aus allen Ständen, vom Vornehmsten bis zum Geringsten, und betet sich nicht einander nach, sondern jedes findet auf seine Weise eine Freude, eine Belehrung oder Erhebung«. 97 Bis zum Oktober hatten nach seiner Schätzung rund fiinfzehntausend Besucher die Ausstellung gesehen. 98 An Goethe berichtete er: »Da komrrien sie von allem Alter, von allen Ständen, und wie es einem oder dem anderen gefallen, so will er sich nicht allein gefreut haben: Der Mann höhlt die Frau, die Kinder hohlen die Eltern, der Bruder die Schwester, der Bräutigam die Braut, der Freund den Freund, und so geht's hinaus von der Stadt auf's Land. Einer sagt's dem Andern; es entsteht eine wahre Wallfahrth und nun geht schon fast kein Tag vorüber, an dem nicht in wenigen Stunden Fünfzig bis Sechzig Personen sich zusammenfinden. Ja dann und wann steigt die Zahl über Hundert. Das Schönste dabei ist, daß Sie von diesen Menschen selten etwas flaches oder sentimentales,

sondern meist eigenthümliches, selbstgedachtes, tief empfundenes,

freylich zum Theil auch wunderliches und auf ungeschickte Weise äußern hören.« 9 9

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Die Kunstausstellung bot damit mehr als alles andere bis dahin Gelegenheit, zwischen den gesellschaftlichen Kreisen und außerhalb der exklusiven Zirkel wenigstens ansatzweise geselligen Kontakt zu schaffen, dessen Fehlen Hofrat Meiners zwanzig Jahre vorher kritisiert hatte. Die Dichter, das Morgenblatt, Schillers Ästhetische Briefe schienen Stuttgart damals in den Vorstellungen etlicher seiner Zeitgenossen zur Idylle einer Gemeinschaft Gebildeter gemacht zu haben, jedenfalls schien Meiners eine derartige Vorstellung mit sich getragen zu haben, als er Stuttgart besuchte und als Professor der Philosophie sich im Geiste einer Gemeinschaft anschloß, welche sich dem Durchreisenden vor Ort verweigerte. Die Ausstellung schuf dagegen eine neue Art der Kunstöffentlichkeit, eine Gemeinsamkeit des Sehens und Fühlens ohne Zwiegespräch, dafür aber über eine große Diversität von Besuchern verteilt. Die gleichen Besucher, welche in den Bildern nach ästhetischer Erleuchtung, nationalen Symbolen oder nach einer lebendigen Darstellung ihres Glaubens gesucht hatten, waren auf ihrem Weg zur Kunst auf einer Hauptstraße des Kommerzes angelangt. Geschmückt von prächtigen Ladenauslagen, war die Königstraße in erster Linie das neue geschäftliche Zentrum der Stadt.100 Laut Stuttgarter Adreßbuch befanden sich dort 1829 Barriers Laden fur Baumwollstoffe, Möbelbezüge und Tischdecken aus eigener Fabrikation und noch sechs weitere Läden für Modestoffe, ein Laden für Schmuck und Uhren, fünf Juweliere, Georg Ebners Kunsthandlung, in welcher es außer Stichen, Lithographien und Schreibartikeln auch Kinderspielzeug gab. Letztere waren auch noch in anderen Läden zu haben, außerdem Farbwaren, Samen und Blumenzwiebeln, Eisen- und Messingwaren, eine Konditorei, Friedrich Gustav Schulz' »Handlung in Spezereiwaren, Papier- und Schreibmaterialien, Blumenpapier, Blumenlaub, Farbige Tinte usw.«,101 wo er außerdem Buntpapiere und Pappschachteln aus eigener Fabrikation sowie Gichtpapier offerierte, ferner Tabak- und Spezereiläden, zwei »Zeitungs-Comptoirs« und zugleich Druckereien, drei Buchhandlungen und außerdem noch Geschäfte für optische Gläser, Aussteuerware und Tapeten, Parfüm, Spiegel, Noten und Musikinstrumente. Eine Gesellschaft von Kaufleuten baute dort einen vierstöckigen Basar mit neunzehn Gewölben, Geschäften und Arkaden nach dem Vorbild Pariser Handlungshäuser, der 1837 fertig war.102 Indes waren die Läden nicht auf die Königstraße beschränkt. Weitere Geschäfte gleicher Art befanden sich in den Parallel- und Querstraßen sowie am Marktplatz in der angrenzenden Altstadt, zusammengenommen gut über hundert Handelsadressen für moderne Konsumgüter - Krambuden, Bäckereien oder Handwerkerläden waren in dieser Liste nicht mit aufgezählt.103 In einigen dieser Läden war das Sortiment international, gab es Stoffe, Spitzen und Kinderspielzeug aus Paris, aus Sachsen, Steingut aus 141

London, Südfrüchte oder frische Meeresfische.104 Zwölf Jahre später waren weitere sechzig Geschäfte dazugekommen. 105 Direkt gegenüber dem Schloß war bereits der erst 1855 ausgeführte Königsbau als Kombination aus »Boutiquen, Caffe, Billard und Restaurateur Zimmern« und Fest- und Konzertsaal projektiert, den der König aus Privatmitteln und, nach dem Vorbild des Pariser Palais Royal, aus geschäftlichem Interesse errichten wollte.106 Die Boissereesche Sammlung war insofern Teil dieser Warenöffentlichkeit, als das Sammlertrio zusammen mit dem unermüdlichen und geschäftstüchtigen Verleger Cotta im Ausstellungsgebäude eine lithographische Presse installiert und dazu einen Fachmann, den zuvor mit der Reproduktion von Werken der dortigen Gemäldegalerie beschäftigten Münchner Johann Nepomuk Strixner, engagiert und ihn in Paris zusätzlich geschult hatte,107 welcher die altdeutschen Gemälde in farbig abgesetzter Umrißzeichnung auf Stein übertrug, worauf Cotta die einzelnen Lieferungen der 144 Blätter umfassende Serie in der Kunstbeilage des Morgenblatts rezensieren ließ108 und sie international vertrieb.109 Indes wurde schließlich die Ankaufszusage doch zurückgezogen und die Sammlung nach München an König Ludwig I. verkauft, weil der Nutzen der altdeutschen Kunst für die Gewerbe des Landes als nicht hinreichend und ihr Ankauf daher als Fehlinvestition erschien - eine Debatte, die noch genauer betrachtet werden wird. Die rege Bautätigkeit und das Geschäftsleben waren von Bemühungen um eine Verschönerung der Straßen und Plätze im Zentrum begleitet: der Schloßplatz wurde hergerichtet, die Schillerstatue aufgestellt, die Christusgruppe vor der Leonhardskirche restauriert, kleine Parks und Ruheplätze angelegt. Der relative Wohlstand der Stadt und ihrer Bürger ließ es zu, daß in den frühen zwanziger Jahren rund zweihunderttausend Gulden aus dem Stadthaushalt selbst für Bauten, für Erweiterung und Verschönerung der Stadt aufgebracht werden konnten. 110 Stadtausbau und Stadtverschönerung blieben nicht auf Stuttgart beschränkt. Im gleichen Zeitraum herrschten starke Bauaktivitäten im ganzen Königreich.111 In den größeren Provinzstädten wurden wie in Stuttgart Stadtmauern und Stadttore abgebrochen, neue, ansehnliche Häuser errichtet, der Stadtraum durch Denkmäler, Brunnen und Parkanlagen verschönert und Baualtertümer restauriert.112 Auch aus kleineren Städten wurden ähnliche Aktivitäten berichtet. Als der Maler Anselm Feuerbach im September 1843 eine Schwarzwaldwanderung unternahm, fand er in Schömberg ein betriebsames Städtchen vor, in dem viel und Schönes gebaut werde.113 Darunter waren eine Realschule, ein Rathaus, eine Kirche, ein Theater und die neu errichtete Steingutfabrik, ein großer, nüchtern gehaltener Gebäudekomplex mit klassizistischen Proportionen und sparsamen Zieraten; außerdem waren die Straßen neu gepflastert und mit Beleuch142

tungseinrichtung versehen und auch die nähere Umgebung im Tal, früher bewaldet, sei jetzt gärtnerisch gepflegt und wirke sehr malerisch. 114 1 8 4 1 stellte sich die Kapitale geradezu als modernes Gesamtkunstwerk dar, welches in einer im Kronjubiläum erschienenen offiziellen Publikation hintersinnig dem Wohlwollen des Königs als symbolischem Schutzhern, realiter aber einer durchdachten urbanistisch-architektonischen Gesamtkonzeption, bürgerlicher Tatkraft, Gemeinsinn und der Kooperation von Stuttgarter Architekten und Bauherren zugeschrieben wurde: »Werfen wir nun einen Blick auf die jetzige innere und äußere Gestaltung Stuttgarts, auf seine wirklich glücklichen Verhältnisse, so müßen wir in dankbarer Verehrung unseres allgeliebten, jetzt regierenden Monarchen gedenken. Alles Gute und Nützliche, alles Schöne und Geschmackvolle, fand an König Wilhelm einen höchst gnädigen, fördernden Schützer; den Erweiterungen und Verschönerungen wurde ein fester Plan zugrunde gelegt; die düstern, massiven, vor Verrath und Ueberfall schützenden Häuser, und jene flüchtig ohne Geschmack errichteten, nur den augenblicklichen Erfordernissen entsprechenden Gebäude machten ... jetzt immer schneller, freundlichen, der Sonne zugänglichen Wohnungen Platz. Die Straßen wurden breiter, und hervortretende Häuser daraus entfernt. Die meisten öffendichen Gebäude wurden in edlem Style und massiver Bauart neu aufgeführt; und welch einer thätigen Aufmunterung zum Bauen sich die Stuttgarter von seiner Majestät ... zu erfreuen haben, beweist die merkwürdig große Baulust, die gegenwärtig herrscht, und welche wie durch Zauber neue Häuser und neue Straßen in's Daseyn ruft. Sodann wurde ... eine große Anzahl von Anstalten für den Unterricht der Jugend, sowie für gemeinnützige und wohlthätige Zwecke gegründet, worunter wir nur die Erweiterung des Gymnasiums und der Realschule, die Gründung der polytechnischen und der Kunstschule, die Ausstattung derselben mit kostbaren Sammlungen, das Catharinen-Stift, die Sonntagsschule, das noch nicht ganz vollendete Kunstgebäude, die sogenannten Stockgebäude (Kanzleien), die Renovation der St. Leonards- und der Stiftskirche, aufführen wollen. Unter den Pallästen ist das neue Palais der K. Prinzessinnen ... eine prächtige Zierde / der schönen Neckarstraße. ... Auch die Behörden der Stadt sind in Verbesserungen nicht zurück geblieben; das alte Rathhaus erhielt eine freundliche Gestalt, und bildet nun eine stattliche Zierde des schönen, wenn gleich alterthümlichen Marktplatzes; ein Kornhaus wurde erbaut; die schönsten Punkte der Umgegend wurden dem Publikum zugänglich gemacht, sowie auch von Seiten der Bürger nach Kräften zu der Verschönerung unserer Stadt beigetragen wurde. Beschauen wir nur das Gebäude des Bazars und die vielen statdichen Häuser in den neu angelegten Straßen«." 5 Im folgenden wurden dann die genannten Gebäude eingehend beschrieben, wobei ästhetischen, kunst- und kulturhistorischen Gesichtspunkten großer Raum gegeben wurde. In solchen Beschreibungen muteten viele neue Gebäude als gebauter Inbegriff einer Synthese von Zweckmäßigkeit und Schönheit, Klassizität und Modernität, Tradition und Fortschritt und damit als ideale Verkörperung des Zeitgeschmacks an. 116 1 8 4 7 beschrieb

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Hartmann in seinem Handbuch, wie sich die erweiterte und verschönte Haupt- und Residenzstadt den Blicken der Reisenden präsentierte: »Wenn man über / den Anblick, welchen die in neuerer Zeit hervorgerufenen Bauten gewähren, ein Urtheil fällen soll, so muß man sagen, dass im Ganzen genommen Stuttgart sich noch nicht so v o r t e i l h a f t ausnimmt, als der Geschmack der Neuzeit es fordern dürfte. Das Bestreben, das Alte mit dem Neuen zu vertauschen, und alle Uebelstände der Vergangenheit um jeden Preis zu beseitigen, bringt eine Uebergangsperiode hervor, welche freilich zur Zeit noch den Fremden in ein schier charakterloses Ganzes versetzt. Auch hier, wie in Deutschland überhaupt häufig, hält man sich nicht an einen bestimmten Styl; man ordnet einen Hausbau an, wie die Bequemlichkeit es erfordert; man baut aber oft auf Kosten der Aesthetik und nur einzelne Straßen Stuttgarts ... vermögen einen wahrhaft grossartigen Residenzenstyl zu behaupten«," 7

so die Königstraße und die Neckarstraße beispielsweise. Thouret mochte noch so beliebt gewesen sein - seine Autorität als Hofbaumeister und als Architekturprofessor hatte nicht hingereicht, den bauenden Familien mit seinen Bauten gültige Vorbilder zu setzen. Seine Straßenfuhrung war offizielle Grundlage des Ausbaus, aber die Ausführung der einzelnen Privatbauten war weder traditionell vorgegeben - Meiners hatte die alten Häuser beschrieben mit ihrem Fachwerk, dem Untergeschoß aus Stein, der Winklichkeit, alt, bescheiden, ohne jeden Komfort noch war ein gleichförmiges Äußeres vorgeschrieben, und seit den 1840er Jahren folgte sie keiner einheitlichen Konvention mehr. Der Einfluß des Hofes war nicht mehr prägend, und es hätte keine Handhabe gegeben, einen solchen geltend zu machen, außer eben der, durch das Beispiel zu wirken. Hartmann kritisierte die Folge; Stillosigkeit im Bauen. Die Bauherren folgten ihren eigenen Bedürfnissen und Schönheitsvorstellungen ohne Rücksicht auf ein ästhetisch befriedigendes Ensemble. Gleichzeitig stellte seine Kritik des Straßenbilds vor Augen, welchen praktischen Nutzen eine Beschäftigung mit Kunst haben konnte: Wenn Tradition und höfisches Vorbild keine Geltung mehr besaßen, mochte sie neue Maßstäbe liefern können. Das kommt allerdings eher indirekt zum Ausdruck, suchte der Autor doch offensichtlich selbst noch seinen eigenen Maßstab, wenn er Anforderungen des »Geschmacks der Neuzeit« und mangelnden »Styl« anführte. In dieser Allgemeinheit lassen sich beide heute weder ästhetisch noch sozio-kulturell verorten. Er selber griff nach dem Ideal der Residenzstadt. Die abstrakte Vorstellung einer harmonischen hierarchischen Ordnung tauchte damit auf, politisch hergestellt, ästhetisch vorgestellt, als Idealtyp in der Renaissance zu begründet, wohl eher aber verklärte Erinnerung an Bauen und Leben zu Ende des vorangegangenen Jahrhunderts. Wieviele der Bauherren den eigenen Geschmack zum Maßstab ihres 144

Baus machten, wieviele ihn in der Kunst suchten (oder bei kunstbeflissenen Architekten), aus dem Abstand der Zeit läßt sich das nicht mehr sagen. Aber selbst bei geringem Interesse einzelner mußte sich, bei anderthalb Tausend neuen Häusern, ein Interesse an Kunst kumulieren und damit die Nachfrage nach Möglichkeiten, seinen Geschmack an der Kunst zu bilden. Wenn sich eine Familie in Bau und Einrichtung ihrer Wohnung nach dem Residenzenstyl richten wollte, wie der Stadtbuchautor Hartmann es 1845 vorschlug, also nach dem höfischen Vorbild, war sie auf Kunst als abstrakten Maßstab verwiesen, denn der Hof war nur insoweit noch Vorbild, als er der Öffentlichkeit Kunst in musealer Form zur Besichtigung freigab. Ein eigenständiges Kunstmuseum indes, in welchem eine vom Hofe und von den lokalen Künstlern unabhängige Bildung des Geschmacks und eine Orientierung an Beispielen möglich war, welche in den autonomen kunstgeschichtlichen Entwicklungsgang eingeordnet waren und diesen repräsentierten, gab es in Stuttgart nicht. Das 1842 nach langen Beratungen endlich eingeweihte staatliche Museum der Bildenden Künste, errichtet »im italienischen Baustyl«118 an der Neckarstraße, der Königstraße parallel auf der anderen Seite des Neuen Schlosses verlaufend, war vorrangig Kunstschule, die ausgestellten Werke zum größten Teil Kopien, welche als Vorbildersammlung dienen sollten. Nur im ersten Obergeschoß waren dem Museum übereignete Werke aus der ehemaligen Ludwigsburger Schloßgalerie zu sehen, welche dem künsderischen Nachwuchs und dem Publikum nach dem Urteil der Kunstprofessoren als Vorbilder zugemutet werden konnten. Erstrangige Werke nach dem Verständnis der damaligen Zeit, also Hauptwerke der italienischen Hochrenaissance, waren nicht darunter.119 Wenn sie jenseits des beschränkten, zufälligen oder transitorischen Vermächtnisses am Ort Kunstkenntnis erwerben wollten, mußten die Bürger Stuttgarts und Württembergs entweder reisen oder sich mit Reproduktionen oder Kunsditeratur zufriedengeben.

1.4. Öffentliche Bibliothek u n d Kunstliteratur Seit der Aufklärung waren öffentliche Bibliotheken zentrale Instanzen bürgerlicher Öffendichkeit, weil sie dem Räsonnement den nötigen Hintergrund an Bildung und Wissen bereitstellten. Der Bestand der Bibliothek steckte auch den Horizont des zu wissen Möglichen zur Kontiguität von Kunst, Geschmacksbildung und Industrie ab. Die erste öffendiche Bibliothek in Württemberg war gegen 1764 in der Residenzstadt Ludwigsburg als Liebhaberei Herzog Karl Eugens eingerichtet worden. Die spätere Württembergische Landesbibliothek war schon seit den 1770er Jahren im 145

Prinzip jedem »außer Livreebedienten« zugänglich, was freilich der Benutzungspraxis kaum entspochen haben konnte. 120 Andererseits muß bei dem geringen privaten Bücherbesitz im 18. Jahrhundert angenommen werden, daß die herzogliche Bibliothek dem intellektuellem Leben der beiden Residenzstädte entscheidende Anstöße gab.121 Der Herzog sammelte nach bibliophilen Gesichtspunkten: Schönes, Rares, Merkwürdiges. Ausleihungen erforderten seine Genehmigung. 1775 wurde die Bibliothek nach Stuttgart verlegt und ihr dort weitere Bibliotheken einverleibt, so 1797 diejenige der aufgelösten Karlsschule,122 deren Professoren auf die Sammelpolitik der Bibliothek einen gewissen Einfluß nehmen konnten. Nach der Säkularisation kamen erhebliche Bestände aus aufgehobenen Klöstern hinzu. Vorrangig benutzten höhere Beamten die Bibliothek. 1796 ersuchte der Stuttgarter Textilkaufmann Rapp, als Direktor der Hofbank in fürstlichen Diensten, um eine Sondergenehmigung, alte Kupferwerke aus dem Bestand der Bibliothek ausleihen zu dürfen, was ihm abgeschlagen wurde.123 Unter König Wilhelm, nach 1816 also, wurden die Anschaffungen der Bibliothek besonders unter dem Gesichtspunkt getroffen, der Bürokratie geeignete Arbeitsmittel zu beschaffen. Staats- und Kameralwissenschaften wurden vorrangig berücksichtigt. 124 Bis 1819 war die Bibliothek in einem alten, stattlichen Gebäude am Marktplatz untergebracht, welches allerdings die besonderen Anforderungen einer öffentlichen Landesbibliothek nur unzureichend erfüllen konnte: der Platz war knapp, die Katalogisierung der Bestände unzulänglich, der Raum zum Lesen klein und tags nicht lang geöffnet. Nach dem Umzug in das ehemalige »Invalidenhaus« am Cannstatter Tor wurden die Verhältnisse etwas besser, die Benutzung der Bestände am Ort war aber immer noch gestört durch Straßenlärm, durch die Unruhe, welche der Ausleihbetrieb mit sich brachte. Ein größerer Teil der Bestände lag stets auf längere Zeit bei Behörden, bei höheren Beamten oder bei Tübinger Professoren fest, welche keine regelmäßigen Rückgabezeiten beachten mußten. Diese äußeren Bedingungen waren indes keine unüberwindlichen Hindernisse bei der Benutzung: Ausleihprivilegien kamen einem relativ großen Personenkreis in der Residenzstadt mit ihren zahlreichen Landesbehörden zu.125 Diesen Leuten war zuzutrauen, daß sie sich über wichtige Literatur und interessante Neuerscheinungen in Zeitschriften wie dem »Morgenblatt«, »Dinglers Polytechnischem Journal« etc. (um von den verbreiteten und informativen Periodika der Zeit bloß einige der in Stuttgart selbst erscheinenden zu nennen) 126 in Kenntnis setzten. Für Mitarbeiter des in Stuttgart herausgegebenen »Morgenblatts« samt angeschlossenem »Kunstblatt« wiederum, der weit verbreiteten und viel gelesenen Literaturund Kunst-Zeitung, konnte sie eine Materialbasis von großem Umfang 146

bereitstellen.127 Anschaffungen wurden über die ortsansässigen großen Buchhandlungen bestellt, ließen sich dort vielleicht auch einsehen. 128 Außer Literatur befanden sich Sammlungen von Münzen, Medaillen, »Altertümern« verschiedener Art in der Bibliothek sowie ein »Kunstkabinett« mit einer Reihe mechanischer Wunderwerke (etwa einer Hahn'schen Uhr), außerdem die Kupferstichsammlung, welche König Wilhelm hatte anlegen lassen und welche bald 2 0 . 0 0 0 Blatt und 2 6 0 Bände umfassen sollte. 1 8 4 3 würde sie ins eben eröffnete Museum der Bildenden Künste abgegeben werden. 129 Nach der Zahl des Buchbestandes stand die Stuttgarter Bibliothek jedenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an dritter Stelle unter den Bibliotheken des ehemaligen deutschen Reiches: ein vergleichender Bericht der »Societe fran^aise de statistique universelle« nannte Göttingen als die größte und ressourcenreichste Bibliothek, danach Dresden. Leipzig rangierte an vierter Stelle. 130 Der Bestand der Stuttgarter Bibliothek wurde auf 1 9 7 . 0 0 0 Bänden beziffert und die Benutzungsregelung angegeben. Privilegierte Benutzer hatten in Begleitung eines Bibliotheksdieners jederzeit (ä toute heure) Zutritt, leihen konnten personnes etablies et connues, schließlich gab es jeden Mittwoch und Samstag von Mittags bis um fünf Uhr nachmittags allgemeine Öffnungszeiten. 131 Werke zu Kunst und Industrie waren bis zu ihrer Aufteilung in die Sachgruppen der »Schönen Künste« und »Gewerbekunde« 1854 in der Sachgruppe »Technologie« zusammengefaßt.132 Anhand eines Abgleichs ausgesuchter Titel mit dem Bestand der Stuttgarter Bibliothek läßt sich einiges darüber herausfinden, welche Informationen über die neue Kunstöffendichkeit Frankreichs und deren Indienstnahme durch Wirtschaftspolitik und Industrie in der württembergischen Landeshauptstadt zugänglich waren. Einige der Titel waren oben vorgestellt worden, andere wurden aus zeitgenössischen Bibliographien oder aus Sekundärliteratur gezogen. Trotz vieler Ungenauigkeiten, die dieses Verfahren mit sich bringt, hat es doch Indizien für den Grad der Anbindung des in Stuttgart Wissensmöglichen an die (damalige) Moderne geliefert, weil so eine Aussage darüber möglich wurde, ob zumindest in der Hauptstadt per Lektüre in den beiden Bereichen Kunst und Industrie auf der Höhe der Zeit mitgeredet und praktisch damit umgegangen werden konnte. Allerdings läßt sich weder anhand der vorhandenen Kataloge 133 noch der Signaturen oder der Werke selbst 134 feststellen, ob eine Publikation zum Zeitpunkt ihres Erscheinens oder erst später, durch antiquarische Ankäufe etwa oder aus einem der Bibliothek vermachten Nachlaß an Büchern, in den Bestand aufgenommen worden war. Selbst bei Drucken aus Württemberg läßt sich nicht voraussetzen, daß sie als Pflichtexemplare in der Bibliothek niedergelegt worden waren.135 Man muß sich deshalb damit begnügen anzunehmen, daß Werke, welche in den Vorkriegskatalogen 147

ausgewiesen waren, auf die eine oder andere Weise in der Hauptstadt einst dem Personenkreis zur Verfugung gestanderi hatten, dem an publiziertem Wissen über Kunst, Industrie und Geschmacksbildung gelegen war. Den Geschmack an Kunst zu bilden standen spätestens in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in der Stuttgarter Bibliothek Werke zur Verfügung, welche von den wichtigen Kunstwerken aller Epochen und Erdteile Abbildungen, Beschreibungen und Kommentare lieferten, einschließlich der Architektur, einschließlich Graphik, Numismatik, Kostümen, Ikonographie, Ornamentik und weiteren spezielleren Gebieten. Illustrierte Werke informierten über die wichtigsten Kunstsammlungen Europas. Einen bibliographischen Überblick hatten die Zeitgenossen sich etwa anhand der zweiten, ergänzten Auflage von Johann Georg Sulzers »Allgemeiner Theorie der schönen Künste«, erschienen in Leipzig 1792, 136 aber auch mit Hilfe der Angaben in Krünitz' Ökonomischer Enzyclopädie137 verschaffen können. Anhand einer deutschen, aber in der höfischen Konversationssprache Französisch abgefaßten Bibliographie war ein Überblick über die Kunstliteratur des Ancien Regime möglich.1387 Außer Schriften zur Ästhetik und ersten Abhandlungen zur allgemeinen Kunstgeschichte, Kunst- und Reiseführern, Lexika zur Kunstgeschichte und zu künstlerischen Techniken enthielt sie vor allem Sammlerliteratur, Künstlerviten, monographische Abhandlungen zu einzelnen Orten und technische Anleitungen. Anhand der Bestände'der Bibliothek an Reise- und Sammlungsbeschreibungen war eine ausfuhrliche Information über Sehenswürdigkeiten und Sammlungen aller Art möglich. Entsprechende Literatur behandelte auch Rom, Paris und London, die Kunstmetropolen der Epoche, sowie andere Städte. Auch Lexika zu Kunst- und Künstlerfragen und Anleitungen zum Sammeln waren vorhanden. Mittels teilweise aufwendig illustrierter Kataloge ließen sich die fürstlichen Galerien in Dresden, Düsseldorf, Wien und Sans-Souci, Gemälde und Graphik aus der Sammlung des französischen Königs, das kapitolinische Museum des Vatikans und die Uffizien in Florenz in Augenschein nehmen. Natürlich gab es sämdiche Werke Winckelmanns in Originalausgaben. Anhand zahlreicher Kunstzeitschriften war es möglich, sich über Themen und Zentren des aufkeimenden Interesses an Kunst-Bildung im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu vergewissern, zunächst noch im Rahmen moralischer Wochenschriften und gelehrter Zeitschriften, dann in speziellen Kunst-Beilagen und schließlich in Zeitschriften, welche sich ausschließlich der Bildenden Kunst widmeten.139 Besonders in den frühen Journalen wurde Kunst auch als Mittel ästhetisch-moralischer Erziehung zum Guten betrachtet: Formal eine dezidierte Ablehnung von Rokoko-Schnörkeln, inhaltlich die Bevorzugung erbaulicher Themen. Unter solcher Perspektive 148

waren auch schon Fragen von Mode und Luxus abgehandelt. Zugleich hatten Nachrichten über Kunstereignisse im Ausland wachsenden Raum in Zeitungen angenommen, über Ausstellungen, Künstlerschicksale, archäologische Funde, Akademien und nicht zuletzt über Kunstliteratur und Reproduktionsstiche. 140 Allmählich waren solche Nachrichten wie auch eigentlich künstlerische und kunsthistorische Fragen in die Journale integriert, zugleich erste speziellere Kunstzeitschriften gegründet worden. Vieles von dem, was während des Ancien Regime in Frankreich erschienen war, fand sich in Stuttgart, teilweise in deutschen Übersetzungen, so beispielsweise Werke von Caylus oder von d'Hancarville. 141 Die Wendung der Kunstgelehrten, Altertumsforscher und Ästheten von der griechisch-römischen zur griechischen Antike ließ sich vor 1789 an zentralen Publikationen ablesen. 142 Französische Werke zur Architektur waren aus dem 18. Jahrhundert insbesondere von den Architekten Blondel und Jombert vorhanden. Daran ließ sich ablesen, daß der H o f schon nicht mehr vorrangig Vorbild für das Bauen reicher Privatiers war. Das Gleiche galt fur Dekoration und Inneneinrichtung. Mit den »Works in Architecture« der Brüder Robert und John Adam war ein wichtiges englisches Architekturbuch des Neoklassizismus ebenfalls vorhanden. Schließlich gab es Bücher, welche im Zeichnen, in künstlerischen Techniken, in Mythologie und Kostümkunde anleiteten. Zusammengenommen machte dieser Bestand es möglich, die Entwicklung der Kunstliteratur sowie das Aufkommen und die Stoßrichtung des Neo-klassizismus seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Die Kunstliteratur in der Stuttgarter Bibliothek spiegelte auch die Umwälzung der Kunstöffentlichkeit wieder, die ein epochales Ergebnis der Französischen Revolution gewesen war. Die meisten der oben angeführten Werke waren vorhanden. Damit war es möglich, gestochenen und lithographierte Reproduktionen der berühmtesten Kunstschätze von Paris einschließlich derer aus Italien, Spanien, den Niederlanden und den deutschen Fürstentümern, welche durch die Revolutionskriege und die napoleonischen Beutezüge zeitweilig dort deponiert gewesen waren, zu betrachten, während Reiseberichte und Reiseführer die Struktur der neuen Kunstöffentlichkeit erläuterten. Die aktuellen Debatten um Ästhetik, Kunst, Stil, um Klassizismus und Romantik dagegen, welche auf der Grundlage der zugänglich gewordenen Kunst seit der Jahrhundertwende in Paris gefuhrt wurden, waren im Gegensatz zum fundamentalen Wandel der Kunstöffentlichkeit mittels der Bestände der Bibliothek nicht nachzuvollziehen. Von den ästhetischen Traktaten, den Theorien zur Kunst, den wichtigen Kunstzeitschriften, den Kritiken anläßlich der jährlichen Salons war dort praktisch kaum etwas zu finden,143 noch hätte man sich überhaupt über die Kunstwerke in den Salonausstellungen ins Bild setzen können - ein Indiz 149

dafür, daß sich das Kunstinteresse in Stuttgart nach der Jahrhundertwende vom französischen Kunstleben abkoppelte, ohne sich allerdings auf kunsthistorisches Interesse zu beschränken. Der epochale Bruch mit der traditionellen Einbindung von Kunst mußte in irgendeiner Form verarbeitet werden. 144 Dafür war es möglich, sich über das Kunstleben in Berlin und München zu informieren. Zugleich waren mit einer wachsenden Anzahl deutschsprachiger Kunstliteratur nach französischem Vorbild die Voraussetzungen gegeben, die Kunstüberlieferung der Nation, der Region und des Ortes in die aufgezeigten historischen Entwicklungslinien und in das System stilistischer Verwandtschaften und Unterscheidungen einzustellen, statt sie als bloße »Merkwürdigkeiten« zu betrachten.145 Titel und Themen der meisten illustrierten Werke aus Deutschland unterschieden sich kaum von ihren französischen Vorbildern. Viel davon kam gleich mehrsprachig auf den Markt oder war eine Übersetzung ins Deutsche. Was die Bestände der Stuttgarter Bibliothek nur sehr indirekt vermittelten, war die Indienstnahme der Kunstöffentlichkeit durch Wirtschaftspolitik und Industrie. Zwar gab es unter den vorhandenen französischen Kunstbüchern auch solche, die als Vorlagenwerke geeignet waren, sowie deutsche und englische (aber keine französischen) Journale, welche den neuen bürgerlichen Luxus thematisierten, wie etwa das Weimarische »Journal des Luxus und der Moden« oder das exklusive Londoner »Repository of Arts, Literature, Commerce and Manufacturing«. Auch waren einige programmatische Schriften zum Projekt der kulturellen Hegemonie vorhanden, so Quatremere de Quincys wegweisende »Considerations sur les arts du dessin«. Versteckt im »Journal de l'Ecole Polytechnique«146 oder in statistisch-landeskundlichen Beschreibungen147 ließen sich in Stuttgart, abgehandelt am Plan für einen revolutionären Zeichenunterricht, weitere wichtige Beiträge zum Thema Kunst und Gesellschaft, Kunst und Industrie finden. An einigen Stellen wurde ein direkter Bezug zu England hergestellt und die Notwendigkeit von Kunstunterricht direkt aus der Handelskonkurrenz zwischen beiden Nationen (mit einer gehörigen Polemik) begründet. Aus der nachrevolutionären Epoche dagegen scheinen in Frankreich überhaupt umfassendere kunstpolitische Entwürfe zu fehlen: Quatremere de Quincy würde lange Zeit die Autorität besitzen, seine Vorstellungen von Kunst als Mittel der Volksbildung und griechischer Kunst als absolutem Vorbild (Winckelmann war ihm höchste Autorität) den veränderten Gegebenheiten anzupassen und zu erweitern, Paris als Gesamtkunstwerk und als ästhetisches Vorbild für die Provinz und für Europa, Kirchen als »lebendige« Museen aufzufassen.148 Indes war seinem ästhetisch-pädagogischen Programm die ökonomische Perspektive eine der politischen nach150

geordnete. Erst im historischen Rückblick Dupins anläßlich der Industrieausstellung von 1 8 3 4 war die strategische Verbindung von Kunst und Industrie in Stuttgart explizit nachzulesen. Aber die utilitaristische Zuspitzung, welche das Projekt in den englischen Parlamentsberichten erfuhr, war dort nicht in Form der gedruckten Sitzungsberichte zu finden, sondern nur in einem Zeitungsbericht erwähnt. 149 Überhaupt war es im Bestand des Fachs Technologie der Stuttgarter Bibliothek schwierig, sich über den Stand der Industrie überhaupt und über die technischen, organisatorischen und kommerziellen Besonderheiten der französischen Qualitätsindustrie einen Überblick zu verschaffen. Zum einen lag das daran, daß entscheidende technische Innovationen im privatwirtschaftlichen Bereich stattfanden und Unternehmer kaum Interesse daran haben konnten, sie durch Veröffentlichung der Konkurrenz auszuliefern; zum zweiten waren Industrie und Produkte der Industrie, das zeigen die beschreibenden Texte, kein dankbarer literarischer Gegenstand, ihr Ort war die Ausstellung, die Messe und der Laden, nicht die Bibliothek. 150 Schließlich war aber auch, solche Informationen bereitzustellen und so unternehmerisch produktiv zu machen, nicht Ziel des vorrangig an wissenschaftlichen und an administrativen Interessen orientierten Bestandsaufbaus der Stuttgarter Bibliothek. Entsprechend der vorherrschenden Wirtschaftsweise im Königreich war die Bibliothek im technologischen Bereich auf agrotechnische Neuerungen fixiert und beschränkte sich im übrigen auf die Technologie in der Tradition des 18. Jahrhunderts, welche eine Systematisierung handwerklicher Produktionsmethoden bezweckte. 151 Der von England ausgehende akzelerierende Fortschritt in Technologie und Industrie war allenfalls indirekt zu erkennen, insbesondere anhand von deutschen Übersetzungen der Schriften der berühmten Londoner »Society for the encouragement of arts, manufactures and commerce«. 152 Darin wurden unter anderem Modelle verschiedener Geräte und Maschinen für Ackerbau, Bergbau, Seefahrt, Textilindustrie (u.a. Strumpfwirkstühle) vorgestellt. Zumeist waren es keine Maschinen, sondern Hilfsmittel für die Produktion wie zum Beispiel Pumpen. Außerdem waren lange Listen von Preisträgern zu den zahlreichen Wettbewerben abgedruckt, mit welchen die Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Erfindungsgeist einer breiten Öffentlichkeit ansprach. Dabei spielten Prämien für Zeichnungen eine große Rolle, weil die »Society« sich durch eine Förderung künstlerischer Talente ein Verbesserung des Geschmacks britischer Gewerbeprodukte erhoffte. Deren Aktivitäten hatten in Deutschland schon bald Beachtung und Nachahmung gefunden. 153 Ohne nähere Kenntnis des faktischen Einflusses der »Society« konnte so der Eindruck entstehen, sie sei eine der Ursachen des technischen Fortschritts in England statt deren Folge. Dann mußte ent151

sprechend die Förderung der Künste als notwendige Bedingung von Industrialisierung erscheinen, sich Räsonnement, Musealität, Kunst zu einem diffusen Bild des Fortschritts vernetzen. Vorhanden war aus Großbritannien ferner technische Literatur aus dem Umkreis der berühmten Birminghamer »Lunar Society«, eines Zirkels von Philosophen, Naturwissenschaftlern und industriellen Unternehmern der ersten Stunde. 154 Alles in allem läßt die Auswahl darauf schließen, daß Ende des 18. Jahrhunderts ein gewisses Bewußtsein für Richtung und Zentren der Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik vorhanden war, aber weder Anschluß daran gesucht, noch deren Verflechtung mit rationaler Produktion und kommerzieller Verwertung systematisch beobachtet wurde. Auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde unter technologischer Literatur noch im wesentlichen das gleiche verstanden. Das läßt sich zum einen an den wenigen einschlägigen Titeln im Bibliotheksbestand ablesen, die immer noch vor allem Hilfsgeräte für die Produktion, aber noch keine Maschinen vorstellten, und vielfach Kompilationen veralteter Verfahren waren. Daß dieses traditionelle Verständnis in Deutschland noch lange vorherrschend war, läßt sich an den rund 5.000 Titeln der 1834 erschienenen »Bibliotheca mechanico-technologica« ablesen. Dort stand Literatur zu Kunst wie zu Konsum, Handwerk, Technik und Industrie nebeneinander. Angeführt waren auch einschlägige Werke aus Frankreich und England. Die Werke eines berühmten Schweizer Naturwissenschaftlers zu den beiden Schlüsseltechnologien der Zeit - Dampfmaschinen und Baumwollverarbeitung - stellten eine rare Ausnahme im Bibliotheksbestand dar.155 Abgesehen davon war bis zum Anfang der dreißiger Jahre Kenntnis sowohl der englischen Massenindustrien wie der französischen Qualitätsindustrien nur über deren Produkte, durch Anschauung, durch Reise- und Ausstellungsberichte oder durch kaufmännische Handbücher zu gewinnen. Damit ließ sich das französische Projekt einer Industrialisierung durch die Mobilisierung kultureller Ressourcen nicht als gelingender Prozeß nachvollziehen. Es gab allerdings eine wachsende Anzahl Publikationen, welche den Übersprung von Kunst und Kunstgeschmack auf Konsumgeschmack und Industrieprodukte dokumentierten. 156 In solchen Publikationen wurde der Kunstgeschmack für Gewerbetreibende ins Praktische umgesetzt, oft erkennbar in spekulativer Absicht von seriell produzierenden »Künstlern« auf eine Nachfrage ausgerichtet, die sich aus der Suche nach modischer Orientierung bei Bürgern und Handwerkern speiste. Abgesehen von wenigen Ausnahmen waren solche Werke in der Bibliothek ebensowenig zu finden wie technische Anleitungen zur gewerblichen Produktion kunstindustrieller Produkte. Einschlägige Titel stammten zumeist von Verlagen, die in Stuttgart, Ulm und Heilbronn ansässig waren. Diese wiederum griffen oft 152

Abbildung 12: Ornamentfriese, in: Bötticher, Ornamenten-Buch, Bd. 4, 1. Blatt.

auf französische Vorbilder zurück. Derartige Bändchen lassen darauf schließen, daß ein unspezifisch wahrgenommener »moderner Geschmack« in Württemberg das Konsumentenverhalten soweit beeinflußte, daß die städtische Handwerkerschaft darauf zu reagieren gezwungen war und, auf der Suche nach Vorbildern, auf solche Mustersammlungen und Rezeptkompilationen zurückgriff, welche ohne Umweg über die Kunst einen Zugang zu modernen Herstellungs- und Gestaltungsformen versprachen. Beschrieben wurden meistens systematisch vielteilig gegliederte, handwerkliche Techniken in Kombination mit »alter« Technologie (Walzen, Stampfmaschine, Fallhammer) für die Herstellung kleiner Serien. Als Wegweiser zur industriellen Moderne waren auch die Opuskeln des Tübinger Technologie-Professors Johann Heinrich Moritz Poppe ( 1 7 7 6 1 8 5 4 ) nicht zu gebrauchen, 157 der sich, in Tübingen von den neuen technischen Entwicklungen und der Großen Industrie abgeschnitten und ohne Ausrüstung zu eigenständigen empirischen Forschungen, in spätaufklärerischer Manier der Popularisierung mechanisch-technischer Kenntnisse widmete. Einige seiner Bücher richteten sich an Heranwachsende aus dem Bürgertum. Poppes bis Ende der fünfziger Jahre mehrfach aufgelegte »Volks-Gewerbelehre« vermittelt einen ungefähren Eindruck von der Technisierung von Handwerk und »Kleiner Industrie« und von der Kombination maschineller und handwerklicher Verfahren, von denen zahlreiche 153

zur Musterung oder Verschönerung dienten, dem das letzte Kapitel gewidmet war. Aufschlußreich ist seine »Volkswaarenkunde«, welche Orientierung in einer durch die neue Warenflut hereinbrechenden Unübersichdichkeit des Angebots schaffen sollte: »alle Menschen kaufen Waaren, bald diese, bald jene, und wissen oft nicht, woraus sie bestehen, woher, und von was, und auf welchen Wegen sie kommen, kennen nicht die Art ihres Verkaufs, nicht ihre verschiedenen Sorten und Preise, nicht ihren richtigen Gebrauch, wissen nicht ihre Güte zu beurtheilen, sie nicht gehörig aufzubewahren u. dgl.«. 158

Schon das Inhaltsverzeichnis verschaffte einen guten Eindruck vom Universum biedermeierlichen Konsumierens. In den nach Warengruppen geordneten Kapiteln wurden internationale Bezugsquellen genannt. In Poppes »Geschichte aller Erfindungen« schließlich waren die Waren und Techniken nach Bedürfnissen gegliedert und der Grad der Technisierung, der zur Befriedigung dieser Bedürfnisse dienen konnte, geschildert, wobei den Erfindungen in den Schönen Künsten ein eigenes Kapitel gewidmet war. In der Stuttgarter Bibliothek lag also das Wissen um Kunstindustrie und um den Zusammenhang zwischen neuer Kunstöffentlichkeit, moderner Konsumkultur und Qualitätsindustrie, um den Zusammenhang von kultureller Hegemonie, Geschmacksbildung von Konsumenten und Produzenten und technischem Fortschritt nicht systematisch geordnet vor. Diese Zusammenhänge mußten sich den Zeitgenossen in erster Linie als Reisende im Pariserlebnis eröffnen, vielleicht noch gesteigert durch den Besuch einer Kunst- und Industrieausstellung. Dem Gewerbe wurden in der Bibliothek keine Ressourcen zur Verfügung gestellt, sich auf neue Bedürfnisse und auf einen neuen, an der Kunst orientierten Geschmack der einheimischen »besseren« Kundschaft einzustellen. Es blieb ihnen überlassen, sich die entsprechende Literatur, Vorlagenwerke, Musterbücher oder Journale anzuschaffen, und sich entsprechende neue Herstellungsverfahren und Gestaltungstechniken anzueignen. Für Kunstindustrielle dagegen war es kein Problem, sich auf dem einschlägigen Markt mit passenden Vorlagenwerken in jedem Geschmack zu versehen. Sie waren von der Bibliothek, ihren bürokratisch-administrativen und bildungsbürgerlichen Schwerpunkten nicht abhängig.

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2. Die Ästhetisierung des modernen Blicks 2.1. Kunsterfahrung in der Provinz Die ästhetische Öffentlichkeit des Stadtraumes, der Denkmäler, der Restaurierungen, des Museums, der Sammlungen, wie sie den Reisenden annonciert wurde, stand in einem merkwürdigen Kontrast zum geselligen Leben der Bürger Stuttgarts. Der nachmals berühmte Eleve und Rebell der Karlsschule Friedrich Schiller hatte in der Auf- und Umbruchszeit kurz vor Jahrhundertende in Form einer ästhetisch-politischen Utopie die gemeinschaftsstiftende Kraft der Kunst als Grund dafür angegeben, daß kunstsinnige Bürger sich jener aus den alten herrschaftlichen Bezügen freigesetzten Kunst bemächtigen könnten, und gezeigt, auf welche Weise das geschehen solle. Eine Gemeinschaft in der Erkenntnis des Schönen einerseits, die Vermittlung von Gefühl und Vernunft in einer ästhetischen Gestimmtheit des einzelnen andererseits, schließlich die Kultivierung beider in einem »Reich des ästhetischen Scheins« war ihm als notwendige und zugleich utopische Voraussetzung einer auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Verfaßtheit der Gesellschaft erschienen. Eine solche Gesellschaft beruhte auf Geschmack, weil dieser die Harmonie in jedem und zwischen allen stiftete. 1 Insofern die Beschäftigung mit Kunst, die Kultivierung ästhetischen Urteilens Ressourcen, Bildung und Muße beanspruchte, schuf sie zugleich eine Gemeinsamkeit unter den ästhetische Gebildeten, welche sie von Leuten ohne Kunstsinn abgrenzte: »Existiert aber auch ein solcher Staat des schönen Scheins, und wo ist er zu finden? D e m Bedürfnis nach existiert er in jeder feingestimmten Seele; der Tat nach möchte man ihn wohl nur, wie die reine Kirche und die reine Republik, in einigen wenigen auserlesenen Zirkeln finden, wo nicht die geisdose Nachahmung fremder Sitten, sondern eigne schöne Natur das Betragen lenkt, wo der Mensch durch die verwickeltsten Verhältnisse mit kühner Einfalt und ruhiger Unschuld geht und weder nötig hat, fremde Freiheit zu kränken, um die seinige zu behaupten, noch seine Würde wegzuwerfen, um Anmut zu zeigen.« 2

Genau besehen, Schloß sein letztlich pessimistisch-elitäres Modell über die selbstauserlesenen Zirkel hinaus auch jene ein, welche der »geistlose[n] Nachahmung fremder Sitten« frönten, also Vorbilder unreflektiert und daher weniger sublim konsumierten. Was ideal-schöne, was eigne Natur, was Nachahmung sei - das mußte in einem permanenten Prozeß zu immer neuen Konfigurationen von Gemeinsamkeit und Abgrenzung fuhren. Auf Dauer waren nur jene ausgegrenzt, welche in keinerlei Beziehung zur Kunst standen, weil es ihnen an Mitteln zum kunstorientierten Konsum gebrach.

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Das gesellige Leben der Residenzstadt war in Vereinen und Gesellschaften organisiert und, wie schon Meiners damals beobachtet hatte, streng hierarchisch und strikt nach außen abgeschlossen. Das 1807 gegründete »Museum«, eine Vereinigung in der Tradition aufklärerischer Lesegesellschaften, in deren Vordergrund indes gesellige Unterhaltung stand und deren Veranstaltungen in der Schwäbischen Chronik öffentlich angekündigt wurden, war nur scheinbar eine Ausnahme von der Abgeschlossenheit der gesellschaftlichen Zirkel untereinander.3 Im Kunstverein immerhin war die Trennung zwischen verschiedenen Berufsgruppen abgemildert. Im Gründungsjahr 1827 - just als die Boissereesche Sammlung schließlich nach München verkauft war - gehörten ihm neben Künstlern höhere Beamte, Kaufleute und Industrielle, Gelehrte, Angehörige des Adels, aber auch einige Handwerker an. Auch einige Damen waren unter den Gründungsmitgliedern. 4 Ziel des Vereins sollte es sein, die »vaterländische Kunst« zu pflegen, indem Ankäufe gemacht, Reproduktionen in Auftrag gegeben und Ausstellungen organisiert werden sollten.5 Büro und Ausstellungsraum waren im Bazar an der Königstraße untergebracht 6 Wichtig auch: der Kunstverein zählte zu seinen Mitgliedern - knapp vierhundertachtzig im Gründungsjahr - nicht nur Stuttgarter und Ludwigsburger Residenzler, eingeschrieben waren neben dem König und Mitgliedern der Königsfamilie und des Hofes bürgerliche Kunstfreunde nicht nur aus Stuttgart, sondern auch aus anderen Städten - Biberach (Künstler von dort), Ellwangen (Beamte), Esslingen (Kaufleute und Beamte), Heilbronn (Beamte, Privatiers und Kaufleute, ein Anwalt, ortsansässiger Hochadel), Reutlingen (Beamte), Rottenburg (Kirchenleute, Beamte), Tübingen (Mitglieder der Universität, der Buchhändler Oslander), Ulm (Beamte, der Verleger Ebner). Ja selbst aus kleinen Flecken - Altenstaig (ein Forstrat), Hürbel (Rentamtmann Eser), Jagsthausen (die von Berlichingen), Schorndorf, Schwaigern, Waiblingen und anderswo zeichneten Mitglieder. Internationales Flair brachte der Geheime Legationsrat und Kunstsammler von Rang Kölle, Rom, in die Liste. Der den Namen beigegebene Titel verrät, daß die Mitglieder entgegen dem Gründungsaufruf nicht »aus allen Ständen« waren, jeder, der konnte, gab einen Hof-, Beamten- oder Offiziersrang an, manche, daß sie Künstler oder Kaufleute, Professoren, Ärzte, Apotheker oder Architekten seien. Keiner bezeichnete sich dagegen als Fabrikant oder Industrieller, aber neben anderen Fabrikanten waren die meisten der oben genannten Kunstindustriellen Mitglied. Sie hatten bei der Einzeichnung auf die Angabe ihres »Standes« verzichtet oder sich als Kaufmann bezeichnet: der Cannstatter Spinnereibesitzer Zais, in Esslingen Lackierwarenfabrikant Deffner und Maschinenbauer Keßler, der Heilbronner Silberwarenhersteller Bruckmann, in Ulm der Verleger Ebner - ein Indiz dafür, daß jene Bezeichnung, 156

anders als verliehene Titel und ehrwürdige Professionen noch keinen hervorgehobenen Platz gesellschaftlichen Hierarchie bezeichnete. In Stuttgart waren außer vielen Künstlern der Residenz neben anderen die Verleger Cotta und Ebner dabei, außerdem der Bronzewarenfabrikant Münch und der Möbelhändler Frank (die beide als Hofkünstler firmierten), außerdem Stukkatoren und Vergolder und der Möbeltischler Klinckerfuß. Der Stuttgarter Bijouteriefabrikant Weber war der einzige, welcher seine Hauptprofession angegeben hatte. Das Neuartige dieser Gesellung um die Kunst, ihr Ausnahmecharakter, ihre politische Bedeutung - realisiert in Ausstellungen, im Verlosen von Kunstwerken, in der Anschaffung von Reproduktionsgraphik als Jahresgaben fur die Mitgieder - offenbart sich, wenn man es auf dem Hintergrund einer herb kritischen Beschreibung des in Hauptstadt und Provinz üblichen gesellschaftlichen Umgangs betrachtet. Ein Anonymus fugte sie der Beschreibung der politischen Kämpfe um eine konstitutionell verfaßte Monarchie in Württemberg bei, die 1843 im letzten Band des Rotteckund Welcker'schen Staatslexikons erschien: »In einem Volk, wo [verfassungsmäßig] der E n t w i c k l u n g und Erhebung des Bürgerthums so viele Hindernisse im Wege stehen, wo die Beamtenmacht so ungeheuer ist, daß sie in alle Verhältnisse eingreift, wird sich auch kein rechtes öffendiches Bürgerleben bilden können. Wie überall, so herrscht auch in der Gesellschaft der Beamte vor, er ist die Seele des Ganzen, um ihn, als das Centrum drehen sich alle Radien der Gesellschaft. Wehe dem Fremden, der unter diese Magnaten in einem württembergischen Landstädtchen geräth, wehe ihm besonders dann, wenn er etwa gar freisinnige Ansichten mitbringt, oder seine Manneswürde geltend macht. Außer diesem Hindernisse stehen, besonders in Altwürttemberg ... vor Allem der Pietismus, dann jener ängstlich beobachtete Unterschied zwischen Bürgern und sogenannten Honoratioren, jener Kastengeist, jene vermoderten Philisterbegriffe, jenes sociale Prohibitivsystem im Wege, durch welches in ganz Deutschland bis jetzt die Entwicklung eines öffendichen bürgerlichen Lebens aufgehalten und die jeden einzelnen anerkennende und jeden einzelnen stark machende Anerkennung seines Werthes versagt wurde, die von der Humanität verlangt wird.«

Nach dieser bissig-resignativen Beschreibung der herrschenden Umgangsweise gab der Autor eine pessimistische Prognose über die weitere Entwicklung einer demokratischen geselligen Öffentlichkeit und Bildung: »Ist nun in allem Bisherigen Freiheit und Fortschritt sichtbar? Die materiellen Interessen freilich, und was darauf Bezug hat, werden sorgsam gepflegt, Ackerbau und Viehzucht unterstützt, Brücken und Landstraßen erbaut, Industrie begünstigt, das Einkommen des Staates vermehrt, die Materie wird berücksichtigt, aber was höhere Interessen angeht, das Reich des Geistes bleibt vernachlässigt. Die Sorge für die Erhebung des Volks, für die Hinfuhrung zu Selbständigkeit und Mündigkeit paßt nicht in dieses System.« 7

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Zum Reich des Geistes geschlagen und mit diesem in Gegensatz zu planmäßig-bürokratischer Modernisierung und zum Wirtschaftlichen gesetzt, standen Schöne Künste, ästhetische Öffentlichkeit wie auch demokratisch-politische Gesellung in der Sphäre des Materiellen gleichsam wie Inseln in einem Ozean. So betrachtet, schien für sie - deren Zusammenhang hier angenommen, aber nicht weiter ausgeführt ist - eine geordnete Entfaltung oder eine dynamische Entwicklung, schien Fortschritt analog zur Sphäre der materiellen Kultur ausgeschlossen. Die Form des Kunstvereins, die große Zahl der Mitglieder, deren Verteilung über Stuttgart hinaus in zahlreiche auch kleinere Provinzstädte deuten an, daß der neue Verein mehr war oder sein wollte als die bestehenden Zirkel und Gesellschaften. Der Kunst-Öffentlichkeit, die sich durch die eben geschlossene Boissereesche Ausstellung hatte bilden können, sollte eine organisierte Form gegeben werden. Der Zweck - die Förderung der vaterländischen Kunst - sollte dieser Öffentlichkeit Anlaß und Mittel sein, sich an der Kunst überhaupt zu bilden. Solange ein Museum für Bildende Kunst noch nicht zur Verfügung stand, sollte der Verein eine virtuelle Gemeinsamkeit der Kenner und Kunstkäufer im entwikelten Geschmack stiften, einem Geschmack, welcher wiederum Geist und Gefühl, Idee und Wirklichkeit, Phantasie und Realität, Geschichte und Gegenwart, Theorie und Praxis, Produktion und Konsum und schließlich alte und neue Mittelschichten miteinander verband: »Die bildende Kunst ist bei uns im Allgemeinen noch wenig gepflegt worden, um ihre erfreuliche Wirkung überall äußern zu können; und doch gehört sie anerkanntermaßen zu den schönsten Mitteln der Vorsehung, den Lebensgenuß zu erhöhen, Gefühle zu veredeln und unsere Begriffe vom Wahren und Schönen zu läutern. Sie ist es, die Lehre vom Geschmack deutlich und anschaulich macht; eine Lehre, welche der todte Buchstabe nie klar genug entwikelt, und die doch weder der Dichter, noch der Gelehrte, noch der Geschäftsmann bis zum producierenden Handwerker entbehren können, wenn ihre Werke und Erzeugnisse gefällig seyn wollen. Sie ist es, die nicht nur unsere Phantasie und Beurtheilungsgabe, sondern auch unsere Kenntnisse in Anspruch nimmt und erweitert; die uns Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft vor Augen stellt, und uns wohl weit öfter geistig, als nur unterhaltend beschäftigt. Kurz, die bildende Kunst ist und bleibt eine reine Würze des Lebens«.8

Die Voraussetzungen zur Kunstbildung waren, was das Königreich Württemberg betraf, außerhalb der Hauptstadt nicht auf den Kunstverein beschränkt. So gab es die Bemühungen zum Denkmalsschutz, die in Württemberg in den ehemaligen Reichsstädten Rottweil und Ulm ihren Anfang nahmen und von denen in den Reiseberichten die Rede war. In Rottweil war bereits 1832 ein »Verein zur Aufsuchung von Alterthümern« gegründet worden, der schon im Gründungsjahr 125 Mitglieder haben sollte, 158

nicht nur aus Rottweil und den Nachbarorten, sondern auch aus Stuttgart und Ludwigsburg. Nach dem Usus der Zeit fungierte ein Adliger, der Freiherr von Degenfeld, als Protektor. Ziel des Vereins war es, im Oberamtsbezirk Grabungen zu veranstalten, um römische und »deutsche« Überreste zu finden und sie hernach in einem von der Stadt an den Verein überlassenen »Antikensaal« auszustellen. Der Sinsheimer Altertumsverein im Badischen war für diese Gründung unmittelbares Vorbild gewesen. Ein vom Verein herausgegebenes Korrespondenzblatt berichtete über Grabungen, bemerkenswerte Funde waren in lithographischen Reproduktionen beigefügt. 9 Fünf Jahre später hatte der Verein Interesse bei der Stuttgarter Kunstprominenz geweckt, Kronprinz Karl war als oberster Protektor gewonnen. Der Verleger Cotta war Mitglied (zum sechsfachen Beitrag, dafür konnte er im Jahresbericht für seine Goethe- und Schiller-Ausgaben werben), ebenso Oberfinanzrat Memminger, der Chef des statistischtopographischen Bureaus, die Professoren für Alte Sprachen Pauly und Schwab und der Kaufmann Rapp.10 Was Karl Eugen im Hohenheimer Garten spektakulär hatte inszenieren lassen, schien durch die Grabungen des Vereins in Rottweil zu einer historisch beglaubigten ästhetischen Dimension des Stadtbildes werden zu können - die Stadt als moderne Kolonie auf den Trümmern der römischen Antike, den Gräbern germanischer Vorfahren und den architektonischen Glaubenszeugnissen des Mittelalters. Nachdem die Funde aber wohl insgesamt nicht so spektakulär waren wie erhofft und nachdem in Stuttgart ein Verein für Kunst und Altertum gegründet worden war, trat die meiste Stuttgarter Prominenz wieder aus dem Kreis der Vereinsmitglieder aus - 1 1 Pfarrern und Lehrern (darunter der geistliche Gymnasialprofessor Dursch in Ehingen sowie ein Gewerbe- und ein Musterlehrer, Verwaltungsbeamten, Offizieren und Gutsbesitzern, Ärzten und Apothekern, Druckereibesitzern, Verlegern, Fabrikanten (nach eigenem Bekunden), Kaufleuten und Wirten aus der näheren Umgebung Rottweils. Auffälligerweise fehlten Handwerker als Mitglieder. Der Kunsthistoriker Franz Kugler (1808-1858), 12 durch Freundschaften mit Stuttgarter Kunstfreunden wie dem Hofkaplan Karl Grüneisen (18021878), 13 dem späteren Ästhetik-Professor Friedrich Theodor Vischer und dem Herausgeber des Cottaischen »Kunstblattes«, Gustav Schorn (17931842), 14 mit dem schwäbischen Kunstleben vertraut, hatte am Schluß seines in Stuttgart verlegten Handbuchs der Kunstgeschichte, das, vielfach aufgelegt, zusammen mit dem Bilderatlas von Ernst Guhl und Josef Caspar zu einem populären Klassiker der deutschen Kunstgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts werden sollte, unter der Überschrift: »Über die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst zum Leben«15 der Denkmalschutzbewegung ein Programm geliefert, welches nach seiner Ernennung zum 159

preußischen Kunstdezernenten wenige Jahre später regierungsoffiziell werden sollte: »Noch ist von verschiedenen Kunstvereinen ein besondrer Nebenzweck ihrer Wirksamkeit ausgesprochen, nemlich der, dass man im All-/gemeinen ... für die Erhaltung der vaterländischen Kunstalterthümer, d.h. der in früherer Zeit gegründeten Monumente der Kunst, Sorge tragen wolle; und es ist auch im Einzelnen bereits sehr Rühmliches der Art unternommen worden. Ein solches Bestreben halte ich, so sehr es für den ersten Augenblick als ein nur untergeordneter Zweck erscheint, seiner Tendenz nach für wichtiger als alles bisher Berührte. Denn hierin ist es bestimmt ausgesprochen, dass man nicht bloss eine Einwirkung der Kunst auf die Einzelnen im Volke, sondern auch auf das Volk selbst als Gesammt-Individuum, - nicht bloss den Werth eines zufälligen künstlerischen Schmuckes, sondern auch die Fähigkeit der Kunst, in die besonderen Lebensverhältnisse des Volkes einzudringen und dieselben zu verklären, - nicht bloss Privat-Interessen, sondern den wahrhaft öffentlichen, monumentalen Charakter der Kunst anerkenne. In der Errichtung von Monumenten, seien sie architektonischer Art, seien es Bildwerke oder Gemälde, besteht die grösste moralische Kraft der Kunst; sie sind Gedächtnisstätten, in welchen die Momente grosser gemeinsamer Begeisterung Form und Gestalt gewonnen haben; sie sind es, welche das Band dieser Begeisterung stets lebendig, in steter unwandelbarer Kraft erhalten. Die Monumente sind die grossen Buchstaben der Geschichte, mit denen dieselbe sich in die Herzen des Volkes, von Nachkommen zu Nachkommen, einprägt. Ein Volk ohne Monumente ist ein Volk ohne Geschichte, ohne Heimat. Ein Volk ohne Monumente hat wenig Bürgschaft für alle diejenigen Tugenden, welche aus der Liebe zum Vaterlande entspriessen.« 16

Verfallende Bauten als Denkmäler zu erkennen und zu erhalten hieß also, zur Schaffung eines historischen Nationalbewußtseins beizutragen, welches nicht auf eine historisch bewußte Elite beschränkt bliebe, sondern sich in den erhaltenen Monumenten den Betrachtern mitteilen sollte wie Buchstaben und Worte in einer erloschenen Schrift, die es wiederum lesbar zu machen gelte. 17 Was hier zum Palimpsest erklärt wurde, war manchmal Relikt der Vorzeit, manchmal aber auch kaum mehr als eine Generation vorher noch sakrales Objekt gewesen, bis es die Franzosenkriege und die Mediatisierung außer Funktion gesetzt und in alle Richtungen verstreut hatten. Indes ging es der Denkmalschutzbewegung weder um die Restauration der religösen Aura von Monumenten, noch um die Konservierung von Merkzeichen lokaler Identität, sondern um ihre Erhaltung und Sammlung als Zeugnisse der nationalen Geschichte und als Kunstwerke. Die Monumente je am Ort symbolisierten den historisch begründeten Zusammenhang des Ortes und seiner Bewohner mit der - abstrakten - Nation. Wie sein Programm, das getrost als Programm der Denkmalschutzbewegung in Schwaben gelesen werden kann, deutlich macht, war der weltläufige Kugler ein Exponent dieser Denkmalbewegung aus nationalem Interesse, die als solche vom 160

preußischen Staat letztlich aus hegemonialem Interesse staatlich gefördert werden sollte. Von der Denkmalschutzbewegung in Schwaben zu erhalten und restaurieren gesucht wurden neben archäologischen Überresten vielfach Bauten und Werke oberschwäbischer Künstler des späten Mittelalters, welche schon im 17. und 18. Jahrhundert von der neuen Prächtigkeit des Barock und des Rokoko an den Rand gedrängt worden waren. Ihre Werke galten jetzt als Zeugnisse nationalen Kunstschaffens, welche es einem doppelten Vergessen zu entreißen galt. Ulm war bereits einige Zeit nach der Boisseree-Ausstellung von Kunstinteressierten als Kunststadt des Mittelalters neu entdeckt worden, nachdem der Stuttgarter Oberhofprediger Grüneisen und der Ulmer Zeichenlehrer Eduard Mauch 18 ein Werk über »Ulms Kunstschätze im Mittelalter« herausgegeben hatten, von Mauch reich illustriert. Dem württembergischen Verwaltungsjuristen Friderich Eser beispielsweise, der just 1 8 4 0 mitsamt seinem »kleinen Museum von Kunstund Naturaliensammlungen« nach Ulm gezogen war, um dort eine neue Stelle anzutreten, eröffnete sich durch das Werk eine andere, neue Welt. 19 Davon angeregt, gründete er zusammen mit dem Zeichenlehrer Mauch und dessen Verleger 1841 in Ulm den ersten württembergischen Altertumsverein. Ein Jahr darauf zählte er neunzig, 1 8 4 5 bereits achtzig einheimische und über hundert auswärtige Mitglieder, wobei die gesamte Ulmer Prominenz vertreten war, hohe Beamte, Gymnasiallehrer, Kaufleute und Buchhändler, Militärs aus der Festungsgarnison, Geistliche, Gelehrte, Künsder und Architekten und ein Fabrikant, der Messingwarenhersteller Wieland. 20 Wichtigstes Anliegen des Ulmer Vereins sollte die Restaurierung des Münsters werden. 21 Die drei Vereinsgründer schafften es, durch die Vermitdung des Regierungspräsidenten von Ulm den Kronprinzen Karl als Protektor des Vereins zu gewinnen. Das sorgte für das notwendige Renommee. Bald nach seiner Gründung gab der Verein Sitzungsberichte heraus, mit Abbildungen altdeutscher Kunst versehen, denen »Vereinskunstblätter« beigefügt waren, und trat darüber in Austausch mit gleichartigen Vereinen in München, Meiningen, Basel, Darmstadt, Zürich, Speyer, Dresden, Augsburg, Regensburg, Bamberg, Riga und Halberstadt. 22 Im Laufe der ersten Jahrhunderthälfte trugen die Aktivitäten solcher Vereine wesentlich dazu bei, daß der Kunstwert von Altargemälden, Heiligenskulpturen und Kirchenbauten in der Provinz nicht zuletzt durch illustrierte Publikationen 23 dem ästhetisch gebildeten Blick offenbar wurde. 1843 sollte in Stuttgart nach Ulmer Vorbild der württembergische Altertumsverein gegründet werden. Er stand unter dem Protektorat König Wilhelms und des kunstliebenden und -sammelnden Grafen Wilhelm (sein nagelneues, bizar-romantisches Schloß Liechtenstein füllte er mit altem 161

und neuem Kunstgewerbe an), ihm gehörten die einflußreichsten Mitglieder der von Waagen beschriebenen Stuttgarter Kunstszene an. Das statistisch-topographische Bureau, eine Landesbehörde, widmete im selben Jahr ein Heft der in ihrem Auftrag herausgegebenen Württembergischen Jahrbücher einem Verzeichnis der »Denkmale des Alterthums und der alten Kunst im Königreich Württemberg.« Schon vorher war in den Jahrbüchern immer wieder von Denkmälern berichtet worden. Solche Berichte, Illustrationen und Restaurierungsanstrengungen waren Ausdruck eines Interesses am heimischen Kunsterbe, welches indes nicht bloß, wie Kugler meinte, auf ein Nationalbewußtsein hinzielte, sondern zugleich auf ein bürgerliches Selbstbewußtsein, welches nach einem eigenen Lebensstil suchte und ihn in historischen Monumenten fand, welche nicht nur Zeugnis nationaler Größe, sondern auch des Bürgerstolzes waren. In der Residenzstadt »altdeutsch« zu bauen hieß, eine auf den H o f bezogene stilistische Einheitlichkeit des Bauens bewußt zu durchbrechen. Dieses National- und Selbstbewußtsein wirkte in dem Maße auf den Konsum und das Geschäftsleben, als es modern wurde, »altdeutsch« zu bauen, wie das vermutlich nicht bloß in Stuttgart der Fall war (s.o.), sich »altdeutsch« einzurichten 24 und zu kleiden. 25 Kugler selbst hatte auf diese praktischen Auswirkungen der Altertumsbewegung hingewiesen: »Wir haben es keineswegs zu läugnen, dass sich im Allgemeinen ein guter Geschmack zu verbreiten beginnt, und dass die Musterbilder der Vorzeit häufig mit Geschick und kunstverständiger Auswahl benutzt werden.« 26

In einem Aufsatz über »Wöhnlichkeit und Lebensgenuß in Deutschland«, der 1838 in der von Cotta verlegten Deutschen Viertel-Jahrsschrift erschien, wurde zwischen historisch gründelndem Nationalbewußtsein und Wohnkultur ein direkter Zusammenhang hergestellt: »Die Erneuerung alter Bauwerke zeigt das löbliche Streben, die Weise der Väter, den geschichtlichen Grund zu ehren und möglichst rein wieder darzustellen. Ererbtes altes Geräthe wird nicht nur nicht mehr verschmäht, sondern als wohlanständig für Prunkzimmer anerkannt; denn seine breiten Formen, sein vergoldetes Schnitzwerk passen trefflich zu Familienbildern und der Stuccatur des wenig gebrauchten, daher lange in derselben Form bestehenden Gemachs.« 27

Ihrer religiösen Aura entkleidet und nicht mehr bloße »Merkwürdigkeiten«, sondern kunsthistorisch verortete Kulturzeugnisse, ließen sich die Monumente zugleich, wie zuvor schon die Kunstzeugnisse der Antike, als Verständigungsmittel fur Status und Konsum gebrauchen. Ihre Details wurden in aufwendigen Werken reproduziert, welche weniger der kunsthistorischen Bildung denn als Vorlage für das bürgerliche Bauen und die gewerbliche Produktion gedacht waren und international vertrieben wurden, wie etwa die Werke eines durch die Schule der Klassizisten gegange162

nen Stuttgarter Malers, Bildhauers und Architekten, Carl Heideloffs, 28 deutlich zu erkennen gaben, Titel wie »Ornamentik des Mittelalters«, oder »Architektonische Entwürfe ausgeführter Bauten im byzantinischen und altdeutschen Stil« und dergleichen. Ein Beispiel, bei welchem sich ein ausdrücklicher Bezug von gewerblicher Produktion auf die DenkmalBewegung feststellen läßt, war auf der Allgemeinen Gewerbeausstellung 1842 in Mainz ausgestellt, wo aus Ulm Vater und Sohn Bührle partizipierten, zwei Glasermeister und Glasmaler, welche sich darauf spezialisiert hatten, alte Glasmaltechniken zu erforschen oder zu imitieren, die bis dahin als vergessen und unnachahmlich galten. Sie lebten von privaten Aufträgen, wobei sie in der Hauptsache Fenster für »altdeutsche« Privatkapellen fertigten. 29 Die Verbreitung von Kunstkenntnis und die Pflege der Kunst waren indes nicht auf Vereine und auf das Bauwesen beschränkt. Auch in der Provinz gab es Bibliotheken, in denen von Interessierten Kunstbeschreibungen und Kupferwerke eingesehen werden konnten, und zwar nicht nur in privaten Büchersammlungen und in den Lesegesellschaften der größeren Städte, sondern selbst in kleineren Ortschaften. In Tübingen konnte man sich in der Bibliothek des »Museums« unter anderem über die ElginAntiken, über Waagens Kunstreisen informieren, Hothos Vorlesungen zur Ästhetik nachlesen, sich in Kuglers Handbuch der Kunstgeschichte, Schnaases Kunstgeschichte oder Kunstzeitschriften vertiefen oder Flaxmans Umrißzeichnungen zu Homer und Dante, Hogarths moralische Geschichten oder Holbeins Totentanz studieren. 30 In Ulm standen in den 1830er Jahren in der dortigen Lesegesellschaft die noch aus dem 18. Jahrhundert überkommenen ästhetisch-moralische Zeitschriften, Winckelmanns Werke, die umfangreichen Kunstinformationen in der »Encyclopedic« Diderots und d'Alemberts, sowie, wie in Tübingen auch, das Cottasche Morgenblatt mit dem Kunstblatt, Reisebeschreibungen vom Pariser Kunstleben und den Ersch-Gruberschen und Krünitzschen Enzyklopädien zur Kunstbildung bereit. In der gleichen Stadt offerierten außerdem schon Anfang des Jahrhunderts zwei Buchhandlungen Kunstbücher und Stiche, teils aus eigener Produktion. 31 In Heilbronn fallierte anfangs des Jahrhunderts das Industrie-Komptoir, ein Handlungs- und Verlagshaus fur Gemälde und Stiche, mit Aplomb. 32 In der Nähe, in der ehemaligen ritterschaftlichen Kantonsbibliothek im Schloß Kochendorf, konnten die ansässigen Notare, Anwälte und die sonstige Intelligenz und deren Familien Kupferwerke betrachten, dort lebte sogar ein Künstler, ein radierender Steuereinnehmer, dessen Werke in der Umgebung begehrt waren, 33 ebenso bei Pfarrern wie dem im württembergischen Unlingen bei Riedlingen, der einem zeichnerisch begabten Bauernjungen welche zum Abzeichnen lieh.34 Auch in der Provinz gab es Lehrer, die Zeichnen lehrten. 163

In Rottenburg hatte Bischof Jaumann eine große Sammlung Bilder längst nicht nur geistlicher Natur zusammengetragen; 35 sein geistlicher Kollege, der Theologieprofessor Johann Baptist von Hirscher ( 1 7 8 8 1865), besaß in den 1830er Jahren eine bemerkenswerte Sammlung oberschwäbischer Malerei, von der sich heute einiges in der Stuttgarter Staatsgalerie, weiteres in Karlsruhe und in Berlin befindet. 36 Nach mehreren Jahren Studium der orientalischen Sprachen in Paris und London, wo sein Interesse für Kunst geweckt worden war, hatte es der protestantische Pfarrer, Gymnasialprofessor und Schriftsteller Johann Georg Martin Dursch ( 1 8 0 0 - 1 8 8 1 ) es den beiden während seiner Dienstjahre in Ehingen, Wurmlingen und Rottweil gleichgetan und hauptsächlich oberschwäbische Holzplastiken gesammelt. 37 In Rottweil gab es außerdem den Antikensaal voll ausgegrabener provinzialrömischer und germanischer Funde. Der Silberwarenfabrikant Bruckmann in Heilbronn besaß ebenfalls eine reichhaltige Sammlung Gemälde und Kupferstiche. 38 Im Wohnzimmer eines Obervogts in Hürbel hingen drei italienische Ruinenlandschaften, in Gutenzell sammelte ein Oberamtmann Rokokomöbel, Spieluhren, Gemälde, Porzellan, Brillen und Kuriositäten, Dinge, die er sich gelegentlich der Versteigerung von Adelsnachlässen besorgt hatte. 39 In Biberach kümmerte sich der Rentamtmann Friderich Eser zusammen mit ansässigen Künstlern - Pflug, Franz Müller - und mit einem Schönfärber, der den Stuttgarter Hofmaler und Galeriedirektors Philipp Friedrich Hetsch (1758-1838) zu seiner Verwandtschaft zählte, um den Aufbau einer kleinen Galerie zeitgenössischer Kunst. 40 Seine eigene Wohnung wurde allmählich zu einem Privatmuseum voller Kunstwerke und gesammelter »Naturalien« (Käfer, Schmetterlinge, Pflanzen, Steine). Wandernde italienische Bilderhändler versorgten das weniger gebildete, betuchte und anspruchsvolle Publikum in der Provinz mit Bildwerken teils noch in der Art der alten Bilderbogen, teils aber auch mit künstlerisch inspirierten Lithographien aus den Stuttgarter lithographischen Verlagen.41 Ein Hauslehrer der Familie von Berlichingen in Jagsthausen versuchte mit dem Verkauf einer lithographierten Ansicht des dortigen Schlosses sein Gehalt aufzubessern. 42 In Stuttgart vergnügte sich der Pfarrerssohn Friedrich Theodor Vischer fast täglich an den Auslagen eines ambulanten italienischen Bilderhändlers;43 im kleinen Dorf Abstatt in der Nähe von Heilbronn, nur über einen Feldweg zu erreichen, aber mit einer Schule ausgestattet, veranstaltete ein wandernder Altglassammler Kunstausstellungen, indem er Bindfäden spannte und bunte Bildchen, meist biblische Szenen und Heiligendarstellungen, daran aufhängte, welche die Bauernkinder für abgelieferte Scherben ergattern konnten - bei aller Krudität im Rückblick doch das erste Kunsterlebnis für einen späteren Gmünder Schmuckfabrikanten.44 Aus Friedrichshafen wurde im Januar die Verstei164

gerung der Hinterlassenschaften eines solchen Händlers gemeldet, die in zum Teil illuminierten Kupferstichen, Malzeug und Siegellack bestand. 45 Auch Kopien antiker Statuen hatten den Weg aufs Land gefunden und zwar einmal als Bildungsobjekt in bürgerlichen Privathäusern oder in Schulen, zum anderen als Vorlage für Bau- und Grabplastik. In Tübingen war ein »Münz- und Antiken-Kabinett«, hervorgegangen aus der Stiftung eines Regierungsrats 1798, im untern Büchersaal der Universitätsbibliothek sowie in einem Turm des Schlosses untergebracht, zu dessen Bestand in den 1840er Jahren klassische Kopien wie der Apoll von Belvedere oder der Laokoon zählten. 46 Ein Riedlinger Bildhauerlehrling begeisterte sich derart an solchen Kopien, daß er sich schließlich nach Rom aufmachte, um die Antike vor Ort zu studieren. Während seiner Lehrzeit hatte er weitere Modelle in Unlingen und in Ravensburg studieren können 47 Gußeiserne Bauteile, Brunnen und Denkmäler aus Wasseralfingen mit aufwendigen Verzierungen brachten ebenfalls künstlerische Plastik in die Provinz. Ein Wasseralfinger Katalog von 1847 enthielt an Kunst-Guß-Artikeln fur den öffentlichen Stadtraum Brunnen im gotischen und Renaissance-Stil, monumentale Vasen und Urnen, Kapitäle unterschiedlicher klassischer und altdeutscher Stilrichtungen, Grabmäler, Konsolen, Geländer, Türfüllungen, teils streng, teils mit reicher Ornamentik, teils mit Reliefs und Statuetten komplettiert und schließlich Wirtshaus- und Apothekenschilde. Auch von der Biberacher Wilhelmshütte wurden monumentale Brunnen und verschiedene Zierbauteile geliefert. 48 Außer dieser gußeisernen Kunst-Möblierung des öffentlichen Raums trugen gußeiserne Öfen zur Verbreitung von Kunst in die Provinz bei insbesondere solche, die in öffentlichen Gebäuden aufgestellt waren, wie monumentale Prachtöfen in einem Katalog der Wasseralfinger Eisenwerke von 1866 zeigen, der teilweise wesentlich ältere Modelle enthält. Deutlich sind jene durch ihre Verzierung von Zwecköfen fur Fabriken und Gefängnisse geschieden. Öfen für bürgerliche Interieurs unterschiedlichen Zuschnitts waren ebenfalls mit Ornamenten und Reliefs geschmückt. Selbst Öfen für Bauernhäuser und arme Leute waren nicht ohne künstlerische Zierde. Daß solche Öfen als Kunstzeugnisse wahrgenommen wurden, zeigt das Beispiel zweier um Vorbilder verlegener, lernbegeisterter Lehrlinge der Bruckmannschen Silberwarenfabrik, denen solcherart geschmückte Öfen in Heilbronn in den vierziger Jahren als Vorlagen zum Zeichnen und Modellieren dienten. 49 Bewußt sind hier beiläufig gefundene Spuren des Kunstinteresses und der Kunstumgebung von Bürgern in der Provinz angeführt worden, die sich mit Hilfe weiterer Lebenserinnerungen, Reisebeschreibungen und Vereinschroniken vermehren ließen. Das Gefundene soll genügen, um plausibel zu machen, daß Bürger von unterschiedlichem Herkommen und verschiedener Profession im gemeinsamen Interesse für Kunst einander 165

trafen, nicht nur als Betrachter, sondern in Vereinen, und daß Kunst eine wichtige Vermittlungsbasis zwischen unterschiedlichen Schichten des Bürgertums darstellte. Kunstbildung vermittelte zwischen der international orientierten Klassik und Moderne der Hauptstadt und der Denkmälerbewegung, in der vor allem die Provinz sich eigener Traditionen vergewisserte, indem sie diese in den Zusammenhang nationaler Geschichte und Kunstgeschichte einordnete oder auf ein mit Hilfe der Kunstgeschichte universal gedachtes, klassisches Erbe bezog. Dabei wiederholte sie auf ihre Weise, was die Antikenreisenden im 18. Jahrhundert begonnen hatten und was Wedgwood industrialisierte; sie ergruben und entstaubten sich eine eigene Kunsttradition, die zugleich eine eigene Konsumkultur und ein eigener Zeitstil wurde. Anders als der Neo-Klassizismus des 18. Jahrhunderts beruhte der neue Stil auf einem Fundus, der die gesamte künstlerische Überlieferung umfaßte, klassifiziert nach ihrem Bezug zur Antike sowohl als auch nach ihrem Verhältnis zum Kunst-Typischen der nach-antiken Epochen insgesamt oder nach ihrer Bedeutung für das nationale KunstErbe im besonderen. Über die abgeschlossenen Zirkel von Vereinen und ohne offiziöse Geschmacksbildungsbemühungen fand darüber hinaus aber die aus ihren überkommenen Bezügen freigesetzte Kunst, getragen durch das Kunstinteresse gebildeter Bürger, vermittelt durch Reproduktionen, verbreitet durch den Handel, ihren Weg aus der Erde, aus den Schlössern und Museen und aus dem sakralen Bereich in eine Öffentlichkeit, welche fern der Hauptstadt selbst bis in die kleinstädtisch-ländliche Provinz reichte. Neben einer bewußten Rezeption durch eine kleine ländliche Bildungsschicht erreichte sie dort einzelne, die mit praktischer Kunstkenntnis ihr berufliches Fortkommen erleichtern wollten. Darüber hinaus aber schlich sie sich als beiläufige, bald fast unvermeidbar gewordene Zutat im Stadtraum, in Geschäftsauslagen und als Handelsgut in die Wahrnehmung derer ein, die öffentliche Räume durchquerten, ohne selbst darauf vorbereitet zu sein, an der neuen Öffentlichkeit der Denkmal oder Ware gewordenen Kunst im Stadtraum, in Reproduktionen und Sammlungen bewußt Anteil nehmen zu können - Marktbesucher, Arbeitssuchende, Behördengänger weit außerhalb städtischer Lebenszusammenhänge. Gerade in dieser Beiläufigkeit konnte sie, deutlicher und rascher noch als Technik und Industrie, überall zum Wahrzeichen modernen Lebens und modernen Konsumierens werden.

(rechte Seite oben) Abbildung 13: Postamentofen, in: Abbildung von Öfen, Tafel 33. (Unten) Abbildung 14: Armeleut-Öfen, in: Abbildung von Öfen, Tafel 41. 166

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2 . 2 . Die Verschönerung der Wirklichkeit Im 18. Jahrhundert war die Gartenkunst zuerst in England, dann auch in Frankreich und Deutschland zu einer Kunst der Landschaftserfindung geworden. Bäume, Sträucher, Wiesen und Teiche suchte sie so zu ordnen, daß sie wie natürlich gewachsen und zugleich wie künstlerisch komponiert wirkten, weil sie, unter verschiedenen Perspektiven betrachtet, Realität gewordenen Staffagen idealer Landschaftstableaus entsprachen. Durch bauliche Ergänzungen wie Grotten, Tempelchen, Kirchen, Ruinen oder Landhäuser als Kulissen sollten die Szenerien wie in den berühmten Englischen Gärten oder beim hameau Marie Antoinettes Stimmungen und Phantasien der Betrachter anregen. 50 Im Württembergischen war ein solcher Kulissengarten seit den siebziger Jahren des Jahrhunderts von Herzog Karl Eugen ( 1 7 2 8 - 1 7 9 3 ) bei seinem Landhaus Hohenheim angelegt und wegen seiner spektakulären Effekte bald berühmt geworden, 51 welcher nach dem Tode des Herzogs »Liebhabern«, 52 also einer kultivierten, interessierten und gebildeten Öffentlichkeit, zugänglich gemacht worden war. Die Assemblage von Gartenarchitekturen schienen den Zeitgenossen die Übersetzung von Kunstansichten ins Dreidimensionale. 53 Die kolorierten Kupferstiche des Stuttgarter Hofmalers Victor Heideloff ( 1 7 5 7 - 1 8 1 7 ) verwandelten den Garten und seine Baulichkeiten wiederum zu gestochenen und gemalten Landschaften, Landschaften aus der Perspektive der Besucher, welche als Betrachter in die Szenerien eingefügt waren. Kommentare erläuterten den Betrachtern der Kupfer das komplizierte Programm der Gartengestaltung. Es sollte eine ideale Siedlerkolonie auf den Trümmern einer antiken Stadt vorstellen. Letztere wurde durch Grotten, Tempel und Monumente evoziert, teils erhalten, teils als Ruine, umschlossen durch die Trümmer einer großen Stadtmauer. Zwischen diesen Fragmenten waren die Gebäude der modernen Kolonie angesiedelt, des sogenannten Englischen Dorfes mit fleißigen und frommen Landbewohnern, Bauern, Müllern, Fischern und armen Leuten mit ihren bescheidenen Behausungen - bei Festen durch den Hofstaat szenisch nachgestellt - , eine Schule mit Lehrerhaus, gotischer Kirche und Kapelle, Meierei und Käserei, Köhlerhütte und Schweizerhaus, deren Innenräume freilich zum Teil zum Zwecke höfischer Feste luxuriös gestaltet waren; alles umgeben von Bäumen, Sträuchern, komplettiert durch Wasserfall und See. Die ganze überladene Inszenierung kontrastierte wirkungsvoll die Bildungswelt der Antike, des Mittelalters und der Aufklärung, die ästhetischen Stimmungswelten des Erhabenen und des Bukolischen, den geschichtsphilosophischen Gegensatz von Verfall und Aufbau, Vergangenheit und Gegenwart, Antike und Moderne und den Kontrast von Einfachheit und 168

Luxus, Kunst und Natur. Einst zur Erbauung und Zerstreuung des Fürsten angelegt, war dieser Garten jetzt ein öffentlicher Zugang zu Kunst und Bildung im wörtlichen Sinn geworden, nämlich begehbar, aber damit zugleich dem Verfall preisgegeben. Nach dem Tode des Fürsten gab es keine Instanz, welche den Garten als öffentlichen erhalten hätte; die bürgerliche Öffentlichkeit hatte sich noch nicht als eine Instanz der öffentlichen Kunstpflege etablieren können. Nachdem die Kulissen verkamen oder abgerissen wurden, waren ihr nur die Abbildungen dieser kurze Zeit real gewordenen Landschaftsmalerei geblieben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte Kunst allmählich den öffentlichen Raum und die private Sphäre so sehr durchdrungen, daß ästhetisch Gebildeten die Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit zur Kunstbetrachtung geraten konnte. Dem ästhetisierten Blick verschwamm die Grenze zwischen Kunstwerken und der Realität des Dinglichen und des Raumes, des Gesellschaftlichen und der Geschichte, welche als Ausprägung von Stilform, Ausdruck, Perspektive, Staffage und Hintergrund, Proportion und Farbharmonie, Lichtwirkung und Schattierung in den Blick genommen wurden. Die grenzüberschreitende Betrachtung wurde angeleitet und expliziert in Texten, welche der Selbstverständigung des Bürgertums über die Praxis der Kunstpflege dienen sollten. In Anleitungen zum Sammeln von Kupferstichen in denen es darum ging, Kunstwerke zugleich ästhetisch und materiell zu bewerten, spiegelte sich diese Verwischung der Wirklichkeiten wider. In solchen Ratgebern wurden die graphischen Techniken erklärt und Bewertungskriterien entwikelt, um den Aufbau einer Sammlung zu erleichtern und um vor dem Ankauf schlechter Stiche und Fälschungen zu bewahren. Kupferstiche waren sowohl Kunstwerke als auch Konsumgüter. Sie waren entweder eigenständige Kunstwerke oder Nachahmungen von zumeist gemalten Kunstwerken. Auch als solche konnten sie als Kunstwerke eigener Qualität gelten, insofern das Stechen eine schöpferische Umsetzung von Farbwerten in Linien und Schraffiiren verlangte. In diesem Sinne argumentierte jedenfalls ein 1831 von der Ebnerschen Verlagsbuchhandlung in Ulm verlegtes, aus dem Französischen übertragenes Ratgeber-Handbuch, welches sich dabei auf die Autorität des oben schon erwähnten französischen Stechers und Kunstschriftstellers Nicolas Ponce stützte, indem es dessen Äußerungen wörtlich übernahm. 54 Nach dessen Auffassung hing der Wert einer Graphik von der Qualität der Umsetzung ebenso ab wie von der künstlerischen Qualität des Originals, der Schönheit des Abdrucks, der Seltenheit und dem Erhaltungszustand, also von mehreren komplizierten Bewertungskriterien, deren Anwendung einen durch Erfahrung geschulten Blick ebenso wie kunsthistorisches Wissen und einen Marktüberblick erforderte. 169

Abbildung 15: Bogen und Fischerhaus im Hohenheimer Garten, in: Ansichten.

Heideloff,

Der Oberkustos der Wiener Hofbibliothek Adam von Bartsch, ein Mitglied der Akademie der Bildenden Künste, besaß diese Fachkundigkeit, die er in einer zweibändigen »Anleitung zur Kupferstichkunde« systematisch zu vermitteln suchte. Sein Werk war ein Katalog von Zuschreibungen und Fälschungen und setzte neue Maßstäbe des Sammeins. 55 In der Stuttgarter Öffentlichen Bibliothek stand es den württembergischen Kunstfreunden zur Verfügung. Bartsch vertrat die nämliche Auffassung wie Perrot und Ponce über den Wert von Graphiken als Originalen. Er teilte Graphik nach der im 18. Jahrhundert üblich gewordenen Gattungshierarchie in der Malerei ein in Historienstücke und Porträts, Landschaften, Schlachtstücke, Gesellschaftsstücke, ländliche Szenen, Seestücke, Geflügelstücke, Blumenund Früchtestücke, Küchenstücke und Geschirrstücke, und gab Kriterien der Schönheit an, welche den gängigen Auffassungen der zeitgenössischen Kunstkritik entsprachen. Denen zufolge wurde den Historienstücken einschließlich religiöser Sujets der oberste Rang zugemessen, weil sie erhabene Gegenstände so darstellten, daß sie einen starken Eindruck auf das Gemüt 170

ausübten. Landschaftsstücken kam der zweite Rang deshalb zu, weil sie am meisten schöpferische Vielfalt zuließen: »Wenn die Mahlerei eine Art von Schöpfung ist, so ist es vorzüglich der Landschaftsmahler, welchem eine Macht beiwohnt, die man schöpferisch nennen kann; denn er kann in seinen Bildern alle Produkte der Kunst und der Natur anbringen«.56

Die Rangfolge bemaß sich also nach dem Grad der Abstraktion der Sujets von der alltäglichen Realität und nach der Wirkung auf das Gemüt, auf die moralische Empfindung oder die Phantasie. Die Abstraktion war allerdings gebunden an die Gegenständlichkeit, insofern die Evokation von Empfindungen durch eine möglichst genaue Abbildung von Personen und Dingen, Kostüm und Beiwerk erforderte. Zeichenkunst verwandelte konkrete Gegenständlichkeit nach festen Regeln in Elemente abstrahierender Komposition. »Zur Vollkommenheit der Zeichnung gehören Richtigkeit und Geschmack. Da die Zeichnung nichts Anderes ist, als eine Bezeichnung sichtbarer Gegenstände, so ist sie um so viel vollkommener, je genauer und richtiger diese Bezeichnung geschieht. Die höchste Richtigkeit bestünde darin, daß schlechterdings jede zur Form des Gegenstandes gehörende Kleinigkeit gerade so, wie sie ins Auge fällt, gezeichnet würde. Die Beurtheilung dieser vollkommenen Richtigkeit hängt aber von der Schärfe und Richtigkeit des Gesichts ab. Zum richtigen Sehen werden einige Kenntnissse der Optik und Perspektive erfordert. Man glaubt insgemein, daß das Sehen bloß von der Schärfe des Auges herkomme, folglich ein angeborenes Talent sey; aber Philosophen ... versichern uns, daß man erst nach langer Übung so weit kommt, als nötig ist um sich der wahren Gestalt und Entfernung der Dinge mit einer Klarheit bewußt zu seyn, oder genau zu wissen, was man sieht. Das Gesicht ist so mancherlei und wunderbaren Täuschungen unterworfen, die zwar durch Übung allmählig berichtiget, aber nur durch Theorie völlig unschädlich werden.«57

Die Zeichenkunst vermittelte also zwischen der Wahrnehmung der Realität und der Wahrnehmung des Kunstwerks. Sie war zugleich das entscheidende Mittel bei der Umsetzung von Kunstwerken in graphische Reproduktion. In seinen Erläuterungen zur Qualität hob Bartsch besonders auf die zeichnerische Umsetzung von gegenständlichen Details in graphischen Werken ab. Seine allgemeinen Erörterungen blieben im Rahmen der gängigen Kunstauffassung; die Details jedoch, an welchen er sie im Besonderen erläuterte, mußten den sammelnden Lesern aus ihrem praktischen Leben heraus besonders vertraut erscheinen, ihrer Aufmerksamkeit im täglichen Leben als Kaufleute oder Reisende sicher sein und in vertrauten Begriffen beschrieben werden. So wurden die zeichnerischen Mittel, die möglichen Kombinationen von Strichen zur Darstellung der unterschiedlichsten Stoffqualitäten und von Pelzen, Edelmetall und Möbeln noch genauer 171

Abbildung 16: Zettelmaschine, in: Poppe, Bildergallerie. dargelegt58 als die ebenfalls differenziert beschriebenen verschiedenen Mittel zur Abbildung von Naturerscheinungen. 59 Ausgestellt im Museum, verbreitet durch Reproduktionsgraphik und erläutert in der Kunstliteratur erlaubten die »schöpferischen« Landschaften den Betrachtern und Sammlern, das Verhältnis von Natur, Kultur und Geschichte, von Dauer, Vergänglichkeit und produktivem Schaffen gestalthaft zu erfassen und auf diese Weise in einer Distanz zu sehen, die es möglich machte, auf ästhetischem Wege das Neue in Beziehung dazu zu setzen. Solche Vorstellung ermöglichte es, auch Fabriken als Elemente einer modernen Landschaftsdarstellung anzusehen und sie gleich Kunstwerken und Denkmälern als Sehenswürdigkeiten zu betrachten, oder ihr Inneres samt Arbeitsprozeß als kunstvolle Interieurdarstellung zu inszenieIm Adreßbuch von Stuttgart 1839 waren unter den Sehenswürdigkeiten der Umgebung auch eine Zuckerfabrik im landwirtschaftlichen Institut in Hohenheim, die Zaissche Textilfabrik in Cannstatt, eine amerikanische Getreidemühle in Berg und »Eßlingen, mit seinen Antiquitäten und Fabriken« 60 angeführt, als Ort der Fabrikation von Kunst und zugleich als Ensemble ästhetischer Monumente der Moderne, der Denkmäler und der Landschaft des Ortes. Die Schramberger Steingutmanufaktur hatte Geschirr mit einer Fabriksansicht in ihrem Sortiment. Ein ästhetisierter Blick auf die dingliche Realität prägte auch die Überlegungen des Tübinger Privatdozenten für das Bauwesen an der kameralisti172

sehen Fakultät u n d späteren Direktors der Stuttgarter Gewerbeschule, Karl Marcell Heigelin, zur Kunst des Bauens, welche weit über bürgerliches Bauen in der Stadt hinausging. 1 8 2 3 kündigte er eine Vorlesung »Über d e n Zusammenhang der Kunst mit Wissenschaft u n d Leben« an, welche dazu beitragen sollte, die als regelhafte Einheit gedachte Kunst in d e n Besitz u n d Gebrauch der Allgmeinheit zu überfuhren. Im Prospekt zu dieser Vorlesung legte er seine These v o m organischen Zusammenhang der Künste unter sich, mit organischem Leben u n d mit den Naturgesetzlichkeiten dar, welche er seinen Ausführungen zugrunde legen wollte: »Die Welt der Künste ist nichts abgeschlossenes, für sich bestehendes, nichts bloß aus sich erklärbares, sie ist und lebt in der großen Welt, deren Gesetze auch die ihrigen sind. Die Ordnung der Natur ist die Ordnung der Kunst, die Geschichte des Lebens ihre Geschichte. Nachahmung der Natur hat man die Kunst genannt... die Erscheinungen sind nicht die Natur, die Ursache der Erscheinungen ist die Natur, sie selber ist unsichtbar, ihr Gesetz lebt im Menschen, der in der Kunst schafft; eine Kraft wirkt überall, ein unendlicher Zusammenhang verbindet die Reiche der Welt. Das Anschaulichste und das Gestaltloseste, Mathematik und Musik, stehen in der innigsten Berührung, ... / wie dann wieder im Menschen Aug und Ohr nach verwandten Gesetzen auffassen, und sein Inneres das wahre, schöne, einige und widersprechende erkennt, und darinn der allgemeinen Harmonie beim Erkennen, wie beim Empfinden folgt. So ist die Architektur ... eine anschauliche Logik, eine treue Analogie der Botanik, und ... eine gefrorene Musik. So ist die Farbenlehre streng mathematisch wissenschaftlich, und zugleich treues Bild der Poesie ... Das Schöne und das Wahre, wie das Gute, sind Strahlen einer Sonne.« 61 U n d weiter führte er aus: »Die Kunst ist Leben, und fürs Leben. Wie Gott dieselben Gesetze der Auffassung des Menschen gab, die er in die schaffende Natur legte, so belebte er ihn auch zu dem Drang, äußernd jene Gesetze wieder darzustellen, und seine Werke, wie sein Leben, der erkannte und gefühlten Harmonie der Welt außer ihm zuzubilden. - ... - Von dem konkretesten, von dem sinnlichen Bedürfniß steigt die Kunst auf, breit wie das Leben der Menschen ist ihre Grundlage, und wie dieses hängt sie mit tausend Fasern an der Natur. Roh waren die einzelnen Anfänge, aber als sie sich berührten, vereinten, ordneten sie sich gleich nach ihrem innern Gesetze organisch zusammen und förderten sich. Ausgebildet steht so die Kunst als Ganzes.« 62 U n t e r d e n einzelnen Kunstgattungen war für Heigelin die Architektur d e n Lebensnotwendigkeiten des M e n s c h e n am nächsten; zugleich diente sie den anderen Kunstgattungen als schützender Hintergrund: »Von der klimatischen Natur-Nothwendigkeit, den Bedingungen des Stoffs, den statischen und mechanischen Gesetzen, und den ökonomischen Anforderungen geht sie [die Architektur] aus, verbreitet sich über das ganze Leben, und beheerbergt in ihrem Schoose das Treiben der Menschen, und die andern Künste, bildet sich nach dem Leben, das sich in ihr bewegt, und lebt mit den Völkern und Zeiten. Wie sie den

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verschiedensten Zwecken der Gegenwart dient, so bringt sie die Kenntniß derselben kommenden Zeiten, schüzt und bewahrt Menschenwerke, die ihr anvertraut wurden, und sie selber, als das bedeutendste und schönste zeigt der N a c h = / weit unverkennbar das Bild längst verschwundener Vergangenheit. In ihrer ersten Erscheinung schüzt sie gegen Klima und Witterung und gegen die feindlichere Gewalt der Menschen das Familienleben mit Dach und Wänden, die Städte mit Mauern und Thürmen, baut dann im Innern vom Heerd bis zu der Kirche ein sichtbares Kleid des Lebens; Wirthschaft, Gewerbe, Handel, Schulen und Reichthiimer der Wissenschaft und Kunst, Gemeinden und den Staat in allen seinen Zweigen, alles nimmt sie in ihren Werken auf. Nüzlich ist sie zuerst und immer, dienend dem niedersten, wie dem höchsten, wissenschaftlich klar und bestimmt, und überall schön, wie die Natur mit ihren einfachsten Werken das höchste leistet, und bei der strengsten, mathematischen Erreichung ihrer Zwecke zugleich schön und herrlich ist.« 6 3

War dem gelehrten Antiquar Bartsch Kunst ein Mittel, sich in der Betrachtung der Landschaftsmalerei als Refugium des Schöpferischen vom Zwang des Überkommenen zu lösen, war sie für den Baumeister und Lehrer angehender Verwaltungsbeamter des württembergischen Königreichs unmittelbar mit der Herrschaft des Menschen über die Natur, mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und mit dem Handeln in eine offene Zukunft hinein verbunden. Ihre Geschichte war für Heigelin zugleich die Geschichte der Bemeisterung von Natur durch die Menschen, einer fortschreitenden Erkenntnis von Naturgesetzlichkeiten zum Nutzen einer fortschreitenden Entfaltung und Differenzierung von Bedürfnissen hin zur harmonischen Durchbildung von Natur und Menschen. Kunst vermittelt zwischen Zwängen und Bedürfnissen, Kunst macht Arbeit schöpferisch und läßt Geschichte als Resultat menschlichen Handelns und als einen fortschreitenden Prozeß der Harmonisierung sichtbar werden. 1827 erschien das »Handbuch der neuesten ökonomischen Bauarten«. Heigelin verstand unter ökonomischem Bauen ein Bauen zu produktiven Zwecken, welches unter dem Primat der Sparsamkeit stehen mußte, um dem Betrieb so wenig Kapital wie möglich zu entziehen, und welches wechselnden Produktionserfordernissen auf einfache Weise angepaßt werden konnte. Weitere leitende Baugesichtspunkte sollten die Haltbarkeit des Gebäudes, seine Feuersicherheit, Wärmedämmung und die Erhaltung der Gesundheit der Bewohner sein. Bewußt umfaßte diese Definition sowohl die im Buch angeführten Beispiele landwirtschaftlicher Gebäude als auch Mühlen und Bauten für die gewerbliche Produktion. Solches Bauen als architektonische Aufgabe zu begreifen und theoretisch zu durchdenken, war neu. Heigelin hatte wesentliche Impulse dafür vom Pariser Architekten, Architekturtheoretiker und Professor an der »Ecole Polytechnique« Durand (1760-1834) 6 4 empfangen, als er 1821-1823 in Paris bei ihm studiert hatte. 65 Durand hatte in seinen auch ins Deutsche übersetzten 174

»Le9ons« Bauernhäuser und Werkstattgebäude zur bürgerlichen Baukunst gerechnet und denen in seinem Werk eine bis dahin nicht übliche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Bauformen wollte Durand von deren Zweckbestimmtheit abgeleitet wissen; was seine Form nicht durch den Zweck rechtfertigte, verwarf er als unschön. Heigelin stellte nun das ökonomische Bauen als eigenständige Kategorie der höheren Baukunst gegenüber, welche die bürgerliche und die öffentliche Baukunst umfassen sollte. 66 Der auf zweckgerichtetes, praktisches Handeln zielende Blick des Architekturtheoretikers auf die »ländliche Fabrik« war der kontemplativen Landschaftsbetrachtung des Kunstgelehrten und Antiquars Bartsch diametral entgegengesetzt, aber Heigelin ging es nicht minder um den ästhetischen Aspekt solcher Fabriken, deren Bau er, als architektonisches Problem, zur künstlerischen Aufgabe gemacht hatte. Die Prinzipien des ökonomischen Bauens waren ihm Garanten für die Schönheit von Zweckbauten. Zweckentsprechendes Bauen beruhte auf empirischen Versuchen, während nach Ansicht Heigelins die bürgerliche und öffentliche Baukunst aus einer falschen Auffassung von Bildung und Schönheit heraus dazu tendierte, Gebäude mit überlieferten Bauformen willkürlich zu verzieren. So galten ihm die Säulenordnungen, Grundlage klassischer Architekturkonstruktion, als pedantische Entstellung antiker Vorbilder. 67 Genauso lehnte er eine Verabsolutierung des Symmetrischen als Grundprinzip architektonischer Gestaltung ab, denn sie sei dem Prinzip der Zweckmäßigkeit unterzuordnen, welches, richtig begriffen, eine wenn auch unsymmetrische Regelmäßigkeit der Bauformen zur Folge habe. 68 Vorbilder für ökonomisches Bauen fand Heigelin nicht in der Geschichte klassischer Architekturformen, sondern in abseits gelegenen Gegenden, in denen ein natürlicher, von falsch verstandener Bildung unberührter Geschmack Bauten geschaffen habe, die zugleich zweckmäßig, dauerhaft und schön seien. 69 Die Ausrichtung auf die Gebote der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit schloß fur Heigelin Bauzierde nicht aus, vorausgesetzt, sie unterstreiche den Zweck des Baus, wie etwa Ornamente und Wandbilder, Denksprüche und Verse, die auf diesen Bezug hätten und ihn sinnbildhaft verdeutlichen könnten. Auch Pflanzen und Blumen waren angemessene Verzierungen ökonomischer Bauten, weil ihre natürliche Harmonie mit der konstruierten korrespondierte und so Bau und Landschaft verbunden wurden. 70 Bauernhäuser in Tirol, damals Inbegriff touristischer Sehnsucht zum naturverbundenen Leben, schienen ihm seine These des Schönen als Resultat des Zweckmäßigen am besten zu verkörpern. 71 Für Bartsch war die Verbindung von Bau und Landschaft eine vom Künstler erfundene und vom Betrachter nachempfundene, ihr Bezug zur realen Landschaft war nur indirekt, insofern diese Versatzstücke für die 175

schöpferische Erfindung des Künstlers lieferte und insofern sie dem ästhetisch gebildeten Betrachter Anhaltspunkte bot, sich an gemalte Kunstwerke zu erinnern. Heigelin dagegen faßte eine harmonische Verbindung von Bau und landschaftlicher Umgebung als Resultat einer Bearbeitung beider zu produktiven Zwecken auf, welche, sofern sie in Übereinstimmung mit ökonomischer Rationalität erfolgte, reale Landschaft in eine ästhetische verwandelte: »Aus einem ähnlichen Gesichtspunkte, wie die Schönheit der ökonomischen Gebäude müssen wir auch die sogenannte Landes-Verschönerung betrachten, von welcher gegenwärtig soviel die Rede ist. Wenn zweckmäßige Einrichtungen aller Art überall getroffen werden, wenn der Landbau und die Gewerbe blühen, ihre freie Entwicklung erleichtert und ihr Ganzes geordnet ist, dann wird das Land verschönert-, die Landes-Verschönerung kann aber weder durch besondere Verzierungen, noch durch Pracht erreicht werden, sie ist kein Werk für sich / sondern sie ist hauptsächlich Erfolg von der Landes-Verbesserung.«72

Indem Heigelin am Schluß seiner Ausführungen das Abbild eines dörflichen Platzes mit Bauten, wie sie ihm landestypisch zu sein schienen, dem Abbild desselben Platzes mit einer Bebauung und Zier nach seinen Vorstellungen gegenüberstellte, versuchte er seinen Anschauungen visuelle Evidenz zu verleihen. Die Stattlichkeit der alten Dorfbauten machte in seinem Gegenbild einer kalkulierten Kargheit Platz, gegenüber seinen Lehmwänden mit steinernen Fundamenten scheinen die Fachwerkhäuser Volumen und Baustoff zu verschwenden. Besonders die modernen Dächer waren deutlich flacher geneigt und selbst der Kirchturm hatte ein abgeflachtes Dach. Die Fenster waren dicht nebeneinander angeordnet, um die Innenräume besser zu beleuchten, wobei sie mit Falläden statt Klappläden und einige mit Blumenbrettern ausgerüstet waren, vor anderen bildet das überstehende Dach eine Loggia. Die Hauswände waren weinberankt, freie Plätze mit Bäumen bepflanzt statt durch Misthaufen verunziert, Bänke auf die Gasse gestellt und es gab einen Dorfbrunnen mit Pumpenbaum. Statt barocker Ornamentik schmückte ein Fresko mit bäuerlicher Szenerie das größte Haus am Platze. In der ländlichen Utopie Heigelins waren die Fabriken auf landwirtschaftliche Gebäude beschränkt. Angesichts einer längst in vollem Gang voranschreitenden, von ihm ausdrücklich begrüßten Ausbreitung und Dynamisierung industriell produzierender Gewerbe auch auf dem Lande erschien sein Bild bereits als eine Rückzugsidylle, welches die Bedingungen ausklammerte, die diese Idylle zu sprengen drohten, noch bevor ihre Verwirklichung in Angriff genommen werden konnte. In seinen Ausführungen nahm Heigelin kritisch Bezug auf ein Projekt, welches in den zwanziger und dreißiger Jahren neben der Kunst- und Altertumsbewegung bestand und wie diese eine Ästhetisierung des Lebensraumes zum Thema hatte: die Landesverschönerung. Der bayrische Archi176

tekt und Baurat Gustav Vorherr (1773-1847) hatte sie angestoßen73 und ihre Programmatik 1807 und 1808 im »Allgemeinen Anzeiger der Deutschen« sowie in einer »Abhandlung über Verschönerung deutscher Dörfer« niedergelegt. Im »Monatsblatt fiir Bauwesen und Landesverschönerung« und in zahlreichen Lithographien wurden viele seiner Projekte einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, in Vereinen zur Landesverschönerung an verschiedenen Orten praktisch zu verwirklichen gesucht und in der von ihm 1823 gegründeten öffentlichen Baugewerkeschule in München in Winterkursen an gegen zweitausend künftiger Landbaumeister weitergegeben. Vorherr betrachtete die Landesverschönerung als ein Projekt, welches die Erde selbst zu einem Gesamtkunstwerk machen sollte, indem sie die Menschen eine klügere und schönere Siedlungsweise und Bodennutzung lehre. Der Kern seines Programms lautete: »Freundliche, auf das beste eingerichtete Häuser und Höfe; glückliche Bewohner; schönere Städte, Dörfer und Fluren, bessere Bürger, verschönerte Länder, verbesserte Völker; verschönerte Erde, veredelte Menschheit! Wenn sich auch die Menschen weder in der Religion, noch in der Politik zu vereinigen im Stande sind, so werden sie sich doch in der Landesverschönerung - die alle Baustyle duldet, aber aufräumt, sichtbare Ordnung nicht bloß im Einzelnen, sondern im Allgemeinen verbreitet, Wohlstand befördert und Liebe zum Vaterland mehrt - aneinander schließen und verbrüdern zum Wohle der Menschheit.« 74

Vorherr propagierte geschickt alte und neue Ideen, welche die öffendiche Debatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzogen, und verquickte sie in einer kuriosen Mischung von aufklärerischen Prinzipien von Vernunft und Ordnung, Physiokratismus, Naturschwärmerei, Kunstbegeisterung und ästhetischer Sensibilisierung, Mittelalter-Romantik, religiösem Relativismus, Abkehr von den Idealen der Revolution und politischer Enttäuschung, Goethe-Lektüre und der Brüdergesang von Beethovens Neunter Symphonie. Diesen weltanschaulichen Fragmenten gab er eine Wendung auf ein Feld praktischer Betätigung in persönlicher Verantwortung und im konkreten Umfeld. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm dieses Feld mit dem Ausmaß staatlicher Investitionen in Landesinfrastruktur ebenso wie mit privaten Investitionen in rationalen Landbau und mit dem Ausbau von Städten und Dörfern erheblich zu. 1838 erschien eine mit V-z gezeichnete Artikelserie im »Wochenblatt fur Land- und Hauswirthschaft, Gewerbe und Handel«, 75 das von der württembergischen »Centralstelle des landwirtschaftlichen Vereins« herausgegeben wurde und sowohl als Forum für Vereinsmitglieder diente, welche ihre Beobachtungen, Überlegungen und lokale Vereinsprojekte zur Verbesserung von Landwirtschaft und Gewerbe mitteilen wollten, als auch nützliche Kenntnisse aus verschiedenen Bereichen unter den Landleuten 177

und Gewerbetreibenden verbreiten sollte. Diese Artikel zeigen, daß das Projekt Landesverschönerung auch in Württemberg Anklang gefunden hatte. Der Blick des Autors (Blick eines Städters und Kunstfreundes) stieß sich zuerst an der Kunstlosigkeit von Dörfern und Landstädten, am Schmutzigen, Rohen: nicht Armut sei dafür der Grund, sondern mangelnder Sinn für das Schöne: »Wie nämlich ein Landschafts-Gemälde erst durch die Staffage, oder dadurch, daß der Maler passende Figuren auf demselben anbringt, Leben erhält ..., so ist es auch hinsichtlich einer schönen Gegend. Erst dann vermag der Anblick derselben den fühlenden Betrachter wahrhaft zu erfreuen, wenn solche von einem wohlgebildeten, kräftigen, gesunden Menschenschlag bewohnt wird, nicht gerade reich, aber mit Geschmack und in jedem Falle reinlich gekleidet. Die Erhaltung der von den Altvordern vererbten Tracht (Nationaltracht) hat in letzterer Beziehung viel fiir sich, da dieselbe in der Regel geschmackvoller ist, als diejenige, welche die neue Mode an die Stelle sezt, wogegen freilich der Wohlhabende sich dabei nur durch höhere Feinheit der Stoffe auszuzeichnen vermag. Wie mit dem Menschen, verhält es sich auch mit den landwirthschaftlichen Haus- und Nutzthieren. Auch sie sind von wesentlichem Einfluß auf die Schönheit einer Gegend.« 76

Und weiter hieß es: »Alles, wohin wir blicken, soll das Bild der Zweckmäßigsten Benutzung und das ganze Land ein Gemälde von Schönheit und Bequemlichkeit darstellen. - Alle Hohe und Niedere sollen sich vereinigen, den ihnen angewiesenen Boden mittelst der Agrikultur, Gartenkunst und Architektur ... auf die, der Bildungsstufe und Einsicht der Mehrzahl angemessene Weise zuzurichten. Sie sollen sich überzeugen, daß es ihre Pflicht sey, das Land zu verschönern, um ihres Wohnsitzes werth zu seyn.«77

In dieser Abhandlung zur Landesverschönerung wurden ökonomische Verbesserungen einem ästhetischen Insgesamt untergeordnet, Zweckmäßigkeit ästhetisch bestimmt, gesellschaftliche Unterschiede ästhetisch akzentuiert, im Ästhetischen schließlich eine gesellschaftliche Verständigungsbasis und eine moralische Basis begründet. Kommerzialisierung war zwar einerseits implizite Voraussetzung des schwärmerischen Projekts (zu Bequemlichkeit, Zweckmäßigkeit, Reinlichkeit, Geschmack bedurfte es offenkundig neuer Mittel und Wege von Produktion und Handel), wurde aber andererseits negativ akzentuiert (neue Mode). Industrie, Maschinen hingegen paßten nicht ins Bild, weil sie die phantasierte Harmonie störten. In einem Aufsatz von 1846 über »Das Schöne im Volksleben« wurden Kunst- und Altertumsvereine in das Projekt Landesverschönerung eingespannt, erstere, indem sie »Gegenstände der Ortsgeschichten und geschmackvolle Altarblätter in ihren Bezirken vertheilen, ... bei Neubauten, Anlage von Spaziergängen, Denkmalen, Verzierung des Innern der Häuser mit guten Rathschlägen bereit sind, und ... durch

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Herstellung von Mustern der Gefäße des täglichen Gebrauchs das Bedürfniß des Wahren, d.h. Schönen, im Volke wieder zu erwecken suchen«, die Altertumsvereine, »indem sie durch Wegnahme geschmackloser Restaurationen enthäßlichen, was eine schöne thatenkräftige Zeit uns hinterlassen hat, und indem sie die Pietät üben, welche die Vorwelt ehrt und den Nachkommen als Vorbild zu dienen hat«. D e n Verschönerungsvereinen wurde die umfassende Verantwortung für das ästhetische Gestalten v o n Städten u n d Landschaften zugesprochen, welche sich im Prozeß der ö k o n o m i s c h e n Rationalisierung deutlich zu verändern begannen: »Nicht nur Bepflanzung kahler Höhen mit Gehölze, Besetzung der Flußufer und Wege mit Bäumen zu Zier und Nutzen zugleich, sondern vorzüglich Einfuhrung eines besseren Styls in die ländliche Bauart erwartet das deutsche Vaterland von ihnen. Gute Vorbilder werden es dem Landmann bald einleuchtend machen, daß mit nicht mehr Auslagen ein alle Bedürfnisse seiner Wirthschaft und seines Lebens befriedigendes Haus gebaut werden könne, als ein ungesundes mit holzverschwendenden Feuerstellen, ohne Sonne und trockene Verbindung zwischen Scheune und Stall.« 78 Als Mittel zur Verwirklichung dieser Vorstellungen wurden Musterpläne u n d Wettbewerbe vorgeschlagen. A u c h sollte dafür gesorgt werden, daß Gebäude nicht o h n e Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort geplant und gebaut würden. D i e Verschönerung sollte zwar prinzipiell im Einklang mit der Rationalisierung u n d Modernisierung stehen, nicht im nostalgischen Kontrast dazu, aber beide erschienen nicht nur als Grundlage einer Ästhetisierung der Landschaft, sondern zugleich auch schon als B e d r o h u n g eines Zustands, welcher bereits im Rückblick als Idylle verklärt wurde. Ästhetisch e i n g e b u n d e n , schienen zugleich ihre negativen Auswirkungen auf tradierte Lebensverhältnisse erträglich gestaltet: »Es geschieht schon mehr als zuviel mit Einreißen von Stadtmauern und Thorthürmen, mit Umbau von Klöstern und Edelhöfen in den Städten, mit Vorherrschen des Nützlichen über das Anmuthige. Die Schlote der Dampfmaschinen sind unsere Obelisken, und die Mauthhallen die Gotteshäuser unserer Tage. Und nun vollends wo die Schienbahn Dorf und Stadt umgeht, und diese nur durch das Rollen der Omnibusse und das Gerenne der Nachtsackschleppenden Kunden des dritten Platzes an ihre Verbindung mit der Ferne gemahnt werden, nun bemüht man sich noch, auch im Innern alles so prosaisch, so färb- und formlos als möglich zu gestalten. Ungeschmack ist von oben gekommen, in allen möglichen / falschen Richtungen, daher konnte von unten der gemein gesunde Menschenverstand mit dem natürlichen guten Geschmacke nicht aufkommen. Mancher Schandfleck ist fur Jahrhunderte hingestellt, so vieles Schöne durch Zerstörungswuth und Knauserei vernichtet und für immer verlorengegangen.« 79

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Dieses Schöne aber sei Ausdruck bürgerlicher Kultur und damit gesellschaftlicher Freiheit: »Ein gleichförmig ausgebildetes, nach außen gesichertes, nach / innen theilnehmendes Daseyn wird es allein verstehen, das Schöne im Volksleben zur Vollkommenheit auszubilden. Wenn das Volk auch nicht mit dem Eifer und der Ausschließlichkeit der Griechen sich demselben zuwendet, so wird es dennoch diese Seite seines Lebens je nach seiner Eigenthümlichkeit hegen und pflegen. Zerrissene Zustände, verdumpfte Regierungen, Furcht die Unabhängigkeit, die Volksfreiheiten, den täglichen Erwerb zu verlieren, werden keine allgemeine Ausbildung des Schönheitssinns jemals aufkommen lassen. Einzelne Bestrebungen werden dann auftauchen, wie wenn die Völker dadurch ihre Berechtigung zu etwas Besserem sich selbst vorhalten wollen. Die Massen aber werden das Geschmackwidrige ertragen und sogar lieben lernen.« 80

Daß die Landesverschönerungsbewegung in Württemberg Fuß gefaßt hatte, ist ein starkes Indiz dafür, daß Kunstkonsum die Wahrnehmung einer ländlichen Funktionselite von der sie umgebenden Wirklichkeit in hohem Maße prägte - Landschaftsmalerei und touristisch attraktive Naturszenerien durch Reisen, das Sammeln von Graphik oder das dilettantisch zeichnende »Erschöpfen« einer Landschaft nach Vorlagenblättern oder nach der Natur. Ästhetische Kategorien bestimmten damit die Wahrnehmung des Transformationsprozesses, in welchem sich die ländliche Lebenswelt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befand: das Pittoreske von Trachten, das Erhabene verfallender »Fabriken«, die edle Einfalt von Katen und Scheunen, aber auch die ästhetischen Wirkungen von neuen, zweckmäßig konstruierten Gebäuden, von Wohlstand und Gesundheit der Landbevölkerung. Die Bewegung war gleichzeitig Ausdruck einer ambivalenten Einstellung dieser Bildungsschicht gegenüber den Veränderungen, welches sie als Bedrohung einer als ästhetische wahrgenommenen Harmonie sah. Sie wünschte ästhetisch zu disziplinieren und zu harmonisieren, was aus den traditionellen Bindungen von Produktions- und Lebensform heraustrat, und setzte dabei insbesondere an den ersten Erscheinungsformen modernen Konsumierens, an der Kleidung, an. Das positiv besetzte Gegenstück zum modischen Konsum, die Tracht, wurde eben in jenen Jahren Gegenstand von Sammlergraphik oder erschien auf Konsumgegenständen wie beim Schramberger Geschirr und wurde so im bürgerlichen Interieur und in der bürgerlichen Weltsicht der Musealisierung unterworfen. Die Kritik Heigelins am Projekt der Landesverschönerung hatte darauf gezielt, daß Landschaft, Landbevölkerung, Landwirtschaft und gewerbliche Entwicklung des Landes einem ästhetischen Ideal unterworfen werden sollten, das an der Kunst, insbesondere an der »schöpferischen« Landschaftsmalerei, entwickelt worden war und von außen an die ländliche Lebenswelt herangetragen wurde. Indem er stattdessen Schönheit als vollendete Zweckmäßigkeit definierte und Bauformen entwickelte, welche 180

zugleich funktional waren und sich an traditionelles ländliches Bauen anlehnten, versuchte er, ein ästhetisches Ideal zu finden, welches zugleich rational, neuen Wirtschaftsformen kompatibel und Land und Leuten adäquat war und ihren Interessen angesichts der Umwälzungen von Wirtschafts- und Lebensweise gerecht werden sollte. Heigelin und den Landesverschönerern gerieten allerdings die weder ästhetisch gebildete noch mit modernen Wirtschaftsweisen vertraute Landbevölkerung in erster Linie als Objekt behördlicher Planung oder vereinsmäßiger Bevormundung in den Blick, welche nicht nur aus entwicklungspolitischen, sondern auch aus ästhetischen Gründen ein Recht zur Disziplinierung von Lebensformen, von Wohnen, Einrichtung und Kleidung ableitete, ein Recht, das freilich nur symbolisch durchzusetzen war. Um die Mitte der vierziger Jahre gab die Zentralstelle des württembergischen landwirtschaftlichen Vereins eine Broschüre mit Plänen für das ländliche Bauen heraus, welche sich als ein Ergebnis der Debatten um Wege und Ziele der Landesverschönerung lesen lassen und als deren Adressat wohl die ländliche Funktionselite - Beamte, Pfarrer, Architekten und Baumeister - angesehen werden muß, welche sich dem Verschönerungsprojekt verschrieben hatte. 81 Die Pläne waren zu dem Zweck herausgegeben worden, Solidität und Zweckmäßigkeit ländlicher Bauten zu verbessern und dadurch sowohl den Wohlstand, Bequemlichkeit und Lebensgenuß ihrer Bewohner als auch die ländlichen Gewerbe zu fördern. Dies geschah, indem Grund- und Aufrisse publiziert und erläutert waren, welche alle Typen ländlichen Bauens, von der Tagelöhnerkate bis zum Großgut und zu Mühlenbauten umfassen sollte. Um die Funktionsgerechtheit zu gewährleisten und um landestypische Bauformen zu bewahren, hatte die Zentralstelle Fragebögen an landwirtschaftliche Bezirksvereine, Landwirte und Architekten geschickt und um Angaben über den Stand des Bauwesens in den unterschiedlichen Regionen Württembergs sowie um Risse gebeten. Die eingegangenen Risse waren dann in der Zentralstelle in Hinsicht auf Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit, Feuersicherheit und Kunstgeschmack durchgesehen und verbessert worden, wobei man die Fragebogen-Informationen berücksichtigt hatte. Die sehr sorgfältig gezeichneten Tafeln zeigten gut proportionierte, einzelnen Landschaften zugeordnete Zweckbauten ohne jede Verzierung und ohne Anlehnung an die Bauformen klassischer Architektur wie etwa Säulen oder Spitzbögen. Einige der Gebäude waren, indem Standort und Bauherr angegeben standen, als ausgeführt bezeichnet; damit konnten sie besichtigt werden. Die Bauzeichnungen lassen sich als ein Kompromiß zwischen den von moderner, kapitalistischer Ökonomie geprägten Vorstellungen, spätaufklärerischen Idealen und schließlich regional tradierten Vorstellungen vom ländlichen Bauen auffassen, bei dem aber die Prinzipien Heigelins im 181

wesentlichen gewahrt blieben. Allerdings sahen die Pläne Fachwerk vor, wie es üblich war, das Heigelin aber wegen der schlechten Wärmedämmung und der dadurch hohen Heizkosten sowie wegen des großen Holzverbrauchs beim Bau zugunsten von Massivbauweise aus gestampftem Lehm, dem sogenannten Pisebau, abgelehnt hatte.82 Während die Konzentration auf produktive Zwecke der Architektur offensichtlich ist, ist der auf die Entwürfe verwandte »Kunstgeschmack« weniger leicht zu entdecken. Er wurde konsequent auf harmonische Proportionen reduziert, Proportionen, die ein an Kunst geschultes Auge und eine durch geometrisches Zeichnen disziplinierte Hand verraten. Zierrat, der auf die neue Kunstöffentlichkeit Bezug nähme, war auf die Stadt beschränkt und deshalb, anders als Heigelin vorschlug, in Dorf und Weiler überflüssig. Landesverschönerung bedeutete Effektivierung der Produktion, die romantischen Beiklänge des Projekts waren in den Bauzeichnungen verschwunden, nicht aber die an Kunst orientierte Perspektive der Landesverschönerer, ihre Gleichsetzung von Zweckmäßigkeit, Proportion und Harmonie und ihre Ablehnung von ästhetischen Manifestationen der Landbevölkerung, die nicht in das neue Bild von Land und Leuten paßten, welches den Bereich der Landschaftsmalerei überschreitend die Wahrnehmung und das Handeln von Bürgern bestimmte, die ästhetisch sensibilisiert auf den Transformationsprozeß der Landschaft und der ländlichen Gesellschaft reagierten. Als Kaufleute, Fabrikanten, Beamte und Gebildete sich als Kunstfreunde begriffen, damit jenseits ständischer und professioneller Unterschiede ein starkes gemeinsames Interesse entdeckten und es an das Kunstbetrachten, das Sammeln, das Reisen zur Kunst, an die häusliche Einrichtung, den Denkmalschutz und die Landesverschönerung wandten, stiftete die ästhetische Sensibilisierung dieser Gruppen eine neue Gemeinsamkeit zwischen ihnen, eine Gemeinsamkeit ästhetischen Empfindens und der Wahrnehmung eines zum Kunstraum gewordenen Stadtraums, einer in Monumenten anschaulich gewordenen Gesellschaftsgeschichte, einer malerisch verbesserten Landschaft, eines künstlerisch verbrämten Konsumierens. Die Bildung des Geschmacks war nicht bloße Privatsache zwischen bürgerlichen Individuen, öffentlich allein deshalb, weil sie an öffentlich zugänglich gewordener Kunst sich übte. Die äußere dingliche Realität stand vielmehr im Begriff, zur Gänze der ästhetischen Wahrnehmung des sich formierenden modernen Bürgertums unterworfen und nach Maßgabe dieser ästhetischen Wahrnehmung bearbeitet und »verschönert« zu werden, wobei alles Unharmonische und Disproportionale in Gefahr stand, ausgeblendet zu werden, wobei naive oder traditionelle Sehweisen, wie sie etwa Religiosität geformt hatte, sich in die ästhetische Wahrnehmung hinein auflösten, so wie Kultgegenstände in Sammlergut, Kirchen in Denkmäler 182

verwandelt wurden. Zwischen den disparaten Elementen der äußeren Dingwelt war dadurch ein neuer Zusammenhang hergestellt, ein Zusammenhang, der auch neuen Elemente, welche der gesellschaftliche Transformationsprozeß der Dingwelt zugesellte, ästhetisch integrierte, wie das Beispiel der »Fabriken« und des Schramberger Geschirrs zeigte. Insofern die ästhetische Wahrnehmung alle Dinge in Relation zu ästhetischen Werten und damit in Relation zueinander brachte, war sie dem Prozeß der Unterordnung aller Dinge unter die ökonomische Rationalität von Welthandel und industrieller Produktion analog. Insofern ästhetische Kriterien den Konsum des modernen Bürgertums zu formieren begannen, konnte sie als notwendiges Pendant zur Zweckrationalität industrieller Produktion und zur ökonomischen Logik des Handels aufgefaßt werden. Im Gegensatz zur Selbsteinschätzung der biedermeierlichen Kunstliebhaber, welche bis heute getreulich tradiert wird, erscheint in der Rekonstruktion des ästhetischen Blicks auf die äußere Realität das Reich der Kunst nicht mehr als abgegrenzter, in sich ruhender Ort des Schönen, sondern als dessen Gegenteil, als Zentrum wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Dynamik. Im Reden über Geschmacksbildung und über Kunst thematisierte sich die Dynamik dieses Transformationsprozesses. Eine kollektive ästhetisierte Sichtweise war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Württemberg erst im Entstehen begriffen, fragmentarisch und nur anhand verstreuter Indizien zu rekonstruieren. Daß diese Entwicklung dem Grad, in welchem Württemberg der industriellen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung der europäischen Zentren hinterherhinkte, korrespondierte, läßt sich daran ermessen, daß in den Ortsbeschreibungen des württembergischen statistisch-topographischen Bureaus vor 1850 Kunstdenkmäler und Sehenswürdigkeiten nur am Rande erwähnt wurden, wie auch der Industrialisierungsprozeß sich darin noch kaum abzeichnete. In den Handelsadreßbüchern von Württemberg von 1 8 2 5 und 1 8 3 7 wurde auf lokale Sehenswürdigkeiten lediglich in einzelnen Stichworten hingewiesen.

2 . 3 . K u n s t p f l e g e als b i l d u n g s b ü r g e r l i c h e s P r o j e k t 1 8 1 2 berichtete Kaufmann und Kunstfreund Rapp im »Morgenblatt« über die erste Kunst- und Industrieausstellung im Königreich, welche im Frühjahr 1 8 1 2 in einigen Räumen des Alten Schlosses aufgebaut worden war. Dabei vertrat er den Standpunkt eines an Kunst und zugleich an der Beförderung der Gewerbe interessierten Privatmannes. Politisch klug formulierte er das Verhältnis zwischen Monarch und Öffentlichkeit in Bezug auf die Künste gleich zu Anfang seines Artikels: 183

»Der erhabene Geist unseres Monarchen hat auch diesen mächtigen Hebel für Beförderung der innländischen Industrie anzuwenden gewußt. Auf unmittelbaren Befehl des Königs, und gleichsam unter seinem unmittelbaren Schutz, soll der württembergische Kunstgeist und der diesem so nahe verwandte Kunstfleiß sich öffendich zeigen, sich der öffentlichen Schätzung unterwerfen und durch den gültigsten Richterspruch der Gesamtheit sein Urtheil empfangen. Es kann nicht fehlen, daß auf diesem Wege alles das, was schon geleistet worden ist, sein gebührendes Lob empfange, und das, was noch geleistet werden könnte, laut und förmlich zur Sprache komme.« 83

Der König, verpflichtet für das Landeswohl zu sorgen, hatte mit der Ausstellung einer Öffentlichkeit sich zu konstituieren Gelegenheit gegeben. Das Ausgestellte zu beurteilen, die Kriterien zu bestimmen, wonach Leistungen erbracht worden waren, das war allein Sache dieser Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit bildete sich, so kann man Rapp lesen, im Doppelsinn des Begriffs. Sie wurde gebildet aus dem Ausstellungspublikum, und sie bildete das Publikum, indem sie ihm die Leistungsfähigkeit einheimischer Künstler vor Augen führte: »Ob es die rechte Zeit, oder Stuttgart der rechte O r t sey, mit Kunst-Ausstellungen aufzutreten, das wird wol Niemand fragen, der die intensive Kraft des Landes kennt, und das wahre Wohl der einheimischen Kultur beherziget. Es ist hier nicht um Ostentation zu thun, nicht um die Ehre, mit andern Staaten wegen des Vorrangs zu streiten, sondern einzig und allein darum, das vaterländische Verdienst heranzuziehen, und eine ungläubige Landsmannschaft davon zu überzeugen. Man wird sich selbst höher schätzen lernen, und williger dem Genius des Vaterlandes huldigen, wenn wir uns mit eigenen Augen überzeugen, wie weit es schon mancher in der Stille für sich lebende und auf das Große hinstrebende Nachbar in diesem oder jenem Felde gebracht hat, das wir nur in dem Auslande für angebaut hielten.«

Es war Rapp zufolge wesentlich im Interesse der Künstler, wenn diese Öffentlichkeit sich bildete, denn nur ein gebildetes Publikum kaufte Kunst und trug auf diese Weise ihre weitere Entwicklung, nachdem der jetzige König Friedrich sich dieser Aufgabe praktisch entledigt hatte, als er die Karlsakademie auflöste. Kunstbildung sollte also den Lesern des Blattes als eine notwendige und umfassende Aufgabe nahegebracht werden. Es ging nicht nur um eine intellektuell vermittelte Wertschätzung der Kunst, sondern vor allem darum, im Lebenszusammenhang dem Bedürfnis nach Angenehmem und Schönem, welches die Kunst vermittelte, Raum zu geben. Das konnte nicht Sache einzelner bleiben: »Uebrigens liegt es nicht allein an der Gelegenheit zu lernen, und an der Lust Einzelner, sich bilden zu wollen, sondern vorzüglich auch daran, daß der Sinn eines Volkes wach erhalten werde, und durch seine Theilnahme dem angehenden Künsder Aufmunterung und Aussichten gewähre. Was soll der vollendete Künsder unter

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einem Haufen, der ihn nicht versteht? Es ist also eine wechselseitige Uebung die erste Bedingung für das wahre Gedeihen des großen Bildungsgeschäftes; und nichts kann dieses schneller befördern als wenn dem Publikum die Wege geöffnet werden, durch Sehen und Vergleichen zur Kenntniß, und von der Kenntniß zum Urtheile zu gelangen.«

Die Überlegungen Rapps über die notwendigen Beziehungen zwischen Künsder, Publikum und Volk verweisen auf den größeren real- und geistesgeschichtlichen Zusammenhang, auf dessen Hintergrund sie gelesen werden müssen. Nachdem bekanntlich in der Französischen Revolution die Bindung der Kunst an Herrschaft und Kirche zerbrochen und sie zum (prinzipiell) öffentlich verfugbaren Bildungs- oder Handelsgut geworden war, hatte das Bildungsbürgertum auch in Deutschland versucht, die Aufgabe der Kunst im neuen, bürgerlichen Zeitalter auf philosophischem Wege zu bestimmen.84 Die geschichtsphilosophische Ästhetik der Epoche hatte Kunst die Aufgabe zugewiesen, historische Epochen ästhetisch erfahrbar zu machen. Insofern die Gegenwart als Anbruch einer neuen Epoche, des bürgerlichen Zeitalters, begriffen wurde, stellte sich die Frage, inwiefern zeitgenössische Kunst die Aufgabe bewältigen könne, die Moderne ästhetisch zu reflektieren und sie in der Weise zu prägen, daß sie sich von allen anderen Epochen durch einen eigenen Stil unterschied. Die erste Voraussetzung zur Bewältigung dieser Aufgabe bestand darin, daß das Bürgertum, die tragende Schicht der Moderne, die Förderung der Kunst als eine ihm nach eigenem, in der zeitgenössischen Geschichtsphilosophie formulierten, Selbstverständnis historisch zugewachsene Verpflichtung übernahm. Das Bürgertum war insofern dafür in besonderer Weise prädisponiert, als es nämlich ästhetische Bildung und damit eine Bildung des Kunstgeschmacks zu einem pädagogischen Prinzip erhoben hatte, welches diejenigen zur Schicht verband, die sich ihm zurechneten, und welches, praktisch umgesetzt, eine der Schicht eigene ästhetische Wahrnehmung der Wirklichkeit hervorbrachte. Indem es die theoretischen und praktischen Voraussetzungen dafür schuf, daß Kunst die ihr geschichtsphilosophisch zugedachte Rolle ausfüllen konnte, stellte es sich dieser Aufgabe. Zum einen definierten sich in der philosophischen Publizistik der Zeit Leitprinzipien der Epoche, denen sich die Kunst zu stellen habe, wolle sie deren Charakter erfassen. Die wichtigsten dieser Leitprinzipien während der Restaurationszeit waren: Fortschritt als Gesamtcharakteristikum der Epoche und zugleich als handlungsleitendes Prinzip sowie Nation, Volk und Geschichte als Orientierungsrahmen politischen Handelns und als identitätsstiftendes Prinzip zwischen den Gesellschaftsmitgliedern.85 Zum anderen wurden durch kunsthistorische Forschungen, durch museale Präsentation und Reproduktionen die künstlerische Über185

lieferung der Vergangenheit als Ausgangsmaterial für eine Formulierung der Moderne in aneignender Abgrenzung von der Kunst der vorherigen Epochen zur Verfügung gestellt. Beide Motive waren im Umgang der württembergischen Bürger mit Kunst hervorgetreten. Die zweite Voraussetzung für eine künstlerische Bewältigung der Moderne bestand darin, daß sich das Bürgertum der Kunstproduktion gegenüber, welche in die Autonomie entlassen und auf den Markt verwiesen war, nicht allein als Konsumenten-Publikum, sondern als eine ästhetisch gebildete und geschichtsphilosophisch aufgeklärte kritische Öffentlichkeit verhielt und auf diese Weise die Entscheidung darüber, was der Epoche als Kunst angemessen sei, nicht einer Instanz überließ, die die Beziehung von Kunst und subjektivem Kunstgeschmack anonym ausmittelte, sondern den Leitprinzipien der Moderne als Kriterien des Kunstgeschmacks und als Auswahlkriterium - für moderne Kunst - zur Geltung verhelfen sollte. Dabei boten sich der zeitgenössischen Kunst wie dem Kunstgeschmack des Publikums zwei Möglichkeiten an, nämlich zum einen Leitprinzipien der Moderne sinnbildlich umzusetzen, wie es etwa in der Historienmalerei geschah, 86 und zum anderen nach neuen formalen Lösungen zu suchen, um moderne Stilmittel zu entwickeln. Eine Möglichkeit, das letztere so zu betreiben, daß die Suche nach formalen Mitteln sich praktisch möglichst eng sowohl an den Fortschritt als auch an das nationale Selbstverständnis nach außen, an die nationale Geschichte und an das Gemeinsamkeit stiftende Ideal des Volkslebens anband, bestand nun nach Auffassung räsonnierender Zeitgenossen darin, Kunst dem Gewerbe zu verbinden. Dies könne einmal geschehen, indem an das zünftische Kunstschaffen zur Zeit der Renaissance angeknüpft und die Erneuerung der Kunst damit an zugleich nationale, volkstümliche und frühkapitalistische Traditionen rückgebunden würde, und andererseits, indem Kunst in den Dingen des alltäglichen Gebrauchs nützlich werden und so, nützlich befunden, zu wahrhaft nationalen, volkstümlichen und zugleich dem Fortschritt verbundenen Formen finden sollte. Ohne solche Bindung an alltägliche Gegenstände würde ein Bedürfnis nach Schönheit im Bürgertum nicht allgemein werden und damit einer Erneuerung der Kunst die Grundlage fehlen, würden die schönen Künste sich darstellen »als reine Luxusartikel ..., als Überlieferungen früherer Zeit, welche man mehr hochschätzt als befördert, mehr des Wohlstands als des innern Drangs wegen pflegt; das Vorhandene wird inventarmäßig erhalten, gelehrt illustrirt, an Bauwerken wird mit Beibehaltung des ursprünglichen Styls nachgebessert; aber eben diese Hochachtung scheint zu beweisen, daß man ähnlichen hervorzubringen nicht mehr hoffen dürfe.« 8 7

so ein anonymer Autor 1 8 3 8 in der Cottaschen Vierteljahrsschrift. Dies gelte umso mehr, als nicht nur Herrschermacht und Glaube verfallen, 186

sondern auch die bis dahin gültigen Lebensformen außer Kraft gesetzt seien: »Jede junge Haushaltung muß ihr Leben von vorne anfangen. Nichts beinahe ist mehr gegeben, althergebracht, unantastbar und mit einer Reihe von Generationen verwachsen, nichts Oertliches kann mehr Geltung behalten, wenn die Uebersiedelungen fortfahren sich so zu vermehren, wie sie seither sich vermehrt haben. Völker und Ortschaften, Stände und Berufe hören auf eine bestimmte Farbe zu haben, und drohen sich am Ende in einem schmutzigen Grau-Braun zu indifferentiiren.« 88 Die ästhetischen F o l g e n der M o d e r n e zeigten sich gerade auch in den Manifestationen des alltäglichen Lebens, betrachte man »die Vermischung und Nebeneinanderstellung der ungleichartigsten Style, das Unmalerische aller Trachten, die Fadheit der Faschinge und Maskenbälle, wo nur im gemeinsten Volke hie und da Laune und Eigenthümlichkeit zutage kommen mag,... er gehe seine nächste Umgebung, sein Geräthe, den Schmuck seiner Wände durch und läugne, daß, wenn er sich im Ungeschmacke, im Unzweckmäßigen / und Falschen nicht gerade gefalle, er dieses wenigstens ertrage, und daß seine zusammengestükelte Cultur es zu einer klaren Ansicht des Bedürfnisses des Schönen noch keineswegs gebracht habe.« 89 Daher müsse die Aufgabe der Kunstpflege vorrangig darin gesehen werden, Schönheit mit d e m Nützlichen zu verbinden und sie z u m Bedürfnis werden zu lassen. D e n n gegenwärtig steige der Wohlstand u n d damit erweiterten sich die Perspektiven, Genüsse u n d Bedürfnisse, währenddessen schrumpften aber Plastiken zu Briefbeschwerern, und die Malerei verflattere auf Albumblättern. Deshalb müßten Regierungen, Behörden u n d Vereine zusammenarbeiten, u m »den Schönheitssinn wieder in das Leben einzuführen, den aufgedrungenen falschen Geschmack zu gewältigen, und den Kunstsinn bei den Massen wieder zu weken, aus welchen die neuen Reichen hervorgehen, unter denen überall die eifrigsten Besteller neuer Kunstwerke getroffen werden«. 90 Das könne am besten geschehen, indem die Kunstwerke der Vergangenheit gesammelt, gepflegt u n d öffentlich ausgestellt würden, wie es bereits in Berlin u n d M ü n c h e n in vorbildlicher Weise geschehe u n d in vielen weiteren Städten möglich sei, entweder durch Filialgalerien großer Zentralmuseen, aber besser n o c h durch die Ausstellung von Kunstschätzen, welche sich am jeweiligen Ort angesammelt hätten und ihm ein charakteristisches Gesamtbild verliehen: »Auch würde es sich sehr ziemen, Alterthümer, Trümmer zerstörter Gebäude, Zeichnungen derer, welche der Zahn der Zeit bereits zerstört hat, Bildnisse verdienter Mitbürger, überhaupt Lokaldenkmale zu sammeln, aufzustellen und durch Er187

haltung und Veröffentlichung derselben dahin zu wirken, daß der so nothwendige und im Deutschen so lebendige Ortsgeist dadurch genährt, gekräftigt und zu Verschönerung des Geburtsortes getrieben würde. Jede nur etwas bedeutende Stadt hat hiezu Oerdichkeiten, entweder in Stadtbibliotheken und Schulen, oder in alten, jetzt nicht mehr dem Gottesdienste gewidmeten Kirchen und Kapellen.«91

Auch sollten alle neuen öffentlichen Bauten künstlerisch in den ihrer Bestimmung angemessenen Baustilen gestaltet,92 das Stadtbild durch Denkmäler verdienter Mitbürger und durch Skulpturenbrunnen und öffentliche Gartenanlagen in möglichst auratischen und zerstörungssicheren Kombinationen verschönert,93 das Münzgeld durch künstlerische Gestaltung von Herrscherbild und Wappen in eine Art couranter Kleinplastik verwandelt, eine Anschaffung von Kunstwerken auf Kredit ermöglicht, die Kunstausbildung und die Unterstützung junger Künstler verbessert werden. Dabei käme es nicht darauf an, einen Ort gegenüber dem anderen zu bevorzugen, einen Stil dem anderen vorzuziehen, sondern jeweils der Kunst und damit dem Geist eines Ortes gegenüber sich angemessen zu verhalten. Kunst- und Altertumsvereine hätten auf diesem Gebiet bereits vieles, aber nicht allein nur Gutes geleistet, weil sie, fehlgeleitet den durch mangelhaften Geschmack ihrer Mitgleider, mittelmäßige Kunst - das Genre statt des Historienbilds, die Vedute statt der komponierten Landschaft unterstützt hätten, statt der besseren zum Durchbruch zu verhelfen, und weil sie zuwenig auf die künstlerische Qualität der von ihnen unter den Mitgliedern verbreiteten Kupferstiche und Lithographien geachtet hätten. Statt die falsche Kunst und damit den Ungeschmack zu befördern, sollten sie dessen elementare Manifestationen bekämpfen, indem sie einerseits den Geschmack der Jugend durch schönere Formen, wahrere Motive und harmonischere Farben zu bilden, andererseits eine geschmackvolle Gestaltung der Gegenstände des täglichen Lebens zu befördern suchten. Hier eröffne sich für die meisten Künstler ein lohnenderes Arbeitsgebiet als in der Herstellung von mittelmäßigen Kunstwerken: »Welches Feld zu derlei gemischten Leistungen bieten schon die lackirten oder die niellirten Tabacksdosen, die Porcellan- und Steingutgefäße, die geschmackvolle Verzierung der Gemache, die sinnigere Gestalt der Standuhren, Kamine, Ofen und Tischaufsätze ? «94

In Zukunft sei zu wünschen, daß gerade Kunstgenies, indem sie »die strenge Schule des Gewerbs«95 durchliefen, wie sie die alte zünftische Ausbildung gewährleistet habe, sowohl die Gewerbe durch Kunst veredelten als auch ihre Kunst selbst dadurch vervollkommneten. Kunst- und Altertumsvereine könnten darauf hinwirken, indem sie die lokale künstlerische Überlieferung sicherten und per Lithographie reproduzierten und indem sie Kunstausstellungen an öffentlichen Orten, wie Rathäusern oder 188

Kirchen, veranstalteten, um so zunächst den Schönheitssinn allgemein zu verbreiten. Dadurch lerne die Bevölkerung die öffentlich gewordene Kunst schätzen. Um den Kunstsinn von Heranwachsenden zu wecken, könnten ihnen als Neujahrsgeschenke Kupferstiche oder Lithographien überreicht und außerdem darauf hingewirkt werden, daß sie durch häuslichen Bilderschmuck »zur Kennerschaft und Liebhaberei herangebildet« 96 würden. Durch dieses Wirken der Behörden, der Kunstvereine und derjenigen Kunstgebildeten, welche den Geist der Antike so begriffen haben, daß sie sie nicht sklavisch nachzuahmen suchten, sondern ihr Wesen, die Versöhnung von Kunst, Natur und Gesellschaft, in die Moderne transponieren wollten, würde schließlich in der Kunst eine neue Art von Gemeinsamkeit geschaffen, würden die Fliehkräfte der Moderne und die Vereinzelung der Gesellschaftsmitglieder aufgehalten: »Das Individuum wird in der Ganzheit verschwinden, die Kunst wird überall Eine und dieselbe seyn, aber jedesmal sich der Oerüichkeit und den verfuglichen Kräften mit Grazie anschmiegen; das Volk wird sie lieben müssen,

so bald es sie verstehen

kann, und wenn auch der lange Schlot der Dampfmaschinen die früheren Thurmspitzen nicht ersetzt, so wird dennoch die wahre Kunst in Deutschland so wenig erlöschen, als das Bedürfniß nach ihr, welches nur geweckt, geleitet, sich selbst klar gemacht seyn will.« 97

Der Aufsatz des Anonymus verband in konzentrierter Form Denkansätze, welche in den 1830er Jahren im kunstinteressierten Publikum in Umlauf waren, Ansätze, die zum großen Teil nicht erst in diesem Zusammenhang gedacht, sondern schon in der Geschmacksästhetik und in der lokalen Kunstgeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts 98 angelegt, die hier aber auf eine neue Art und Weise miteinander verknüpft und auf eine Wirklichkeit bezogen waren, welche nicht nur als eine ästhetisierte, sondern zunehmend auch als von Kommerz und Technik bestimmt wahrgenommen wurde. Auf diese neuen Einflüsse waren im Text die Aktivitäten der Bildungsbürger zur Musealisierung des Stadtraumes und der Landschaft programmatisch bezogen, indem jene Aktivitäten als notwendige, zusammenhängende, gleichgerichtete Vorbedingungen zu einer Geschmacksbildung aller Bürger dargestellt wurden, welche ihrerseits als die entscheidende Voraussetzung fur eine neue, bürgerliche Kunst und einen zeitgemäßen, den Leitprinzipien der Epoche entsprechenden Stil zu gelten habe. Dies insofern, als die Bürger sowohl über das Gedeihen der zeitgenössischen Kunst als auch über den Stil der anbrechenden Epoche als Konsumenten entschieden, die ihr individuelles Geschmacksurteil nicht nur über Dinge fällten, welche ihnen auf dem Markt mit einem Kunstanspruch gegenübertraten, sondern auch den Sachen gegenüber ausübten, welche den Stil einer Epoche im weitesten Sinne prägten - und dazu gehörten außer Kunst189

werken im engeren Sinn gerade Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Schmuck und vieles mehr. In diesem Bereich verband sich Kunstgeschmack dem Lebensstil praktisch, weil neben einem kunstgeübten Schönheitssinn auch Nützlichkeit im modernen Lebenszusammenhang Kriterium des Geschmacksurteils sein mußte. Der aus Gebrauchsnutzen und Schönheit verbindenden, anonymen und aggregierten Geschmacksurteilen über unendlich viele einzelne Dinge sich bildende Stil wäre gerade als ein solcher dem Stilwollen von kulturell in sich einheitlichen Völkern, von Herrschern und Glaubensmächten entgegengesetzt, der in der vergangenen Menschheitsgeschichte vorzugsweise in überdauernden Monumenten zum Ausdruck gekommen war und von der monumentalen Architektur auf die anderen bildenden Künste und alle Dinge des praktischen Gebrauchs abgestrahlt hatte, und eben dadurch dem neuen Zeitalter gemäß, daß die dadurch entstandene Rangfolge der Künste zugunsten der Angewandten Kunst und der durch die Herrschaftsarchitektur bestimmte Epochenstil zugunsten eines von der ästhetisch urteilenden Vielzahl der Rezipienten bestimmten Stils umgedreht werden sollte. Eine solche Umkehrung im Stilbildungsprozeß setzte die Geschmacksbildung der Vielzahl zwingend voraus, wenn aus deren »Lebensthätigkeiten« 99 wirklich eine neue Blüte in der Kunstentwicklung sich ergeben sollte, und zwar eine ästhetische Bildung an der überlieferten Kunst, welche dem konsumierenden Publikum als Maßstab des Schönen in dessen historischen Facetten dienen sollte und welche es jetzt um eine neue zu erweitern galt, ohne doch die Geltung eines Schönen überhaupt, das sich in der Kunst der Vergangenheit auf unterschiedliche Weise manifestiert hatte, in Frage zu stellen. Die unter den Bedingungen des bürgerlichen Zeitalters durch das anonyme Geschmacksurteil der Vielzahl hervorgebrachte neue Kunst, der in der mannigfach differenzierten Dingwelt sich zeigende Stil der neuen Epoche war für den Autor des Aufsatzes nur denkbar als Fortsetzung einer kontinuierlich gedachten Kunsttradition von der Antike bis zu deren Renaissancen. Der Kunstgeschmack der Konsumenten sollte sich dabei allerdings vor allem an den Hervorbringungen derjenigen Epoche bilden, welche von der Kunstgeschichtsschreibung als nationales, »volksthümliches« Kunsterbe in Anspruch genommen wurde, nämlich sakrale und profane Kunst und Kunsthandwerk im Übergang von der Gotik zur Renaissance: »So rein aus dem Wesen unseres Volks ist die religiöse Baukunst hervorgegangen, daß wir nach langen betrübten Irrealen zu ihr zurückkehren und gestehen müssen, daß nur sie unser Bedürfniß nach einer der Andacht würdigen Umgebung zu befriedigen vermöge. Und jene Bilder der niederrheinischen wie der oberrheinischen Schule, welche im Wettkampfe mit den farbigen Kirchenfenstern die höchste Kraft der Färbung zu erlangen streben mußten, jene alten, schön gearbeiteten Harnische

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und Degengefäße, jene stattlichen Schränke und Vertäfelungen; wie geehrt, wie gesucht, wie reichlich bezahlt, wie sinnreich nachgeahmt werden sie in unsern Tagen! So deutet diese Sehnsucht, diese Ehrerbietung auf einen Z u g der deutschen Gemüther gegen eine Vorzeit, in welcher wir zwar in herben Uebergängen befangen, dennoch aber etwas Tüchtigeres und mehr wir selbst waren, als wir es jetzt sind.« 1 0 0

Neben der als national reklamierten Kunsttradition konnte, was im zitierten Aufsatz eher implizit anklang, wenn etwa die Berliner, Frankfurter und Münchener, die sächsischen und österreichischen Bemühungen um Kunstpflege gelobt wurden, all jene Kunst als Vorbild dienen, welche das bürgerliche Kunstverständnis als Vorläufer der eigenen, bürgerlichen Tradition reklamierte. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zählte dazu vor allem Kunst der griechischen Antike und etruskische Kunst, Kunst der italienischen Renaissance und aus den Niederlanden, die zu sammeln und auszustellen Sache von hauptstädtischen Museen sein sollte. Indes konnte ihre Vorbildfunktion nur eine indirekte sein, insofern sie nämlich Orientierung ermöglichte über die antiken Urbilder eines absoluten Schönen und dessen Reflexion durch die Künstler verschiedener Epochen. Da ihnen aber der »Ortsgeist« fehlte, konnte ihre unkritische Rezeption wie im Ancien Regime bloß zu einer »falschen Nachahmung des Antiken« 1 0 1 fuhren, aber weder zu einer neuen Kunst noch zu einem dem Jahrhundert gemäßen und den Bürgern eigenen Stil. Die selbstgestellte Aufgabe ließ sich nicht durch einen öffentlichen Diskurs über Merkmale des neuen Stils oder durch die Propagation bestimmter Vorbilder, sondern nur durch die systematische Ästhetisierung und Musealisierung des öffentlichen Raumes lösen, der eine Orientierung am volkstümlich und ortsgemäß Schönen im praktischen Leben, das hieß in der Herstellung und im Konsum von Gebrauchsgegenständen erlauben, ja erzwingen sollte, indem er eine allgemeine Geschmacksbildung nicht im Diskurs, sondern durch kontinuierliche, beiläufige Anschauung von Kunst auch jenen vermittelte, welche zwar als Konsumenten an der kollektiven Hervorbringung eines neuen Stils beteiligt waren, aber über die Motivation und die Möglichkeit einer systematischen ästhetischen Bildung und eines langwierigen Erwerbs von Kunstkenntnis nicht verfügten: da sie nicht ins Museum gingen, mußte das Museum zu ihnen kommen. Die zentrale Institution des bildungsbürgerlichen Geschmacksbildungsprojekts mußte nicht nur an möglichst vielen Orten vorhanden, öffentlich zugänglich und dem historisch gewachsenen »Ortsgeist« angepaßt, sondern sozusagen möglichst überall unübersehbar sein, um auf diese Weise die Wahrnehmung und den Konsum aller Gesellschaftsmitglieder so zu prägen, daß aus den individuellen, anonymen, alltäglichen Konsumentscheidungen ein kollektives, an der Kunst gebildetes und zugleich »volksthümliches« Geschmacks191

urteil wurde und daran dann der neue Stil sich herausbilden konnte, ein Stil, der zugleich national und fortschrittlich wäre. Neben die Formierung des Konsumentengeschmacks setzte das Geschmacksbildungsprojekt außerdem darauf, daß die Gestaltung von Produkten geschmackvoll wurde. Das hieß, daß sie nicht einfach Kunstwerke oder Stilformen imitieren sollten, etwa durch ihre Form oder durch eine entsprechende Bemalung, sondern daß die Prinzipien, welche die Hervorbringung von Kunst leiteten, auf die Warengestaltung übertragen würden, und dazu waren Künstler am besten in der Lage. Um die ihnen übertragene Aufgabe, Dinge im Stil der Zeit zu entwerfen, nachzukommen, sollten diese Künstler nach Ansicht des Aufsatzautors im Geist der als bürgerlich reklamierten Kunsttradition und das hieß, zünftisch, ausgebildet werden. Die Ausbildung zum Künstler nicht mehr, wie im Zeitalter des Absolutismus perfektioniert, akademisch nach einem strikten, an klassischen Vorbildern orientierten Lehrplan, sondern nach Art der Künstler des späten Mittelalters und der Renaissance praktisch zu organisieren, war eine romantische Künstler-Utopie, welche die deutschen Präraffaeliten seit ihrer Rückkehr aus Rom in den deutschen Künstler-Akademien verbreiteten, indem sie die Künstlerausbildung als Lehrverhältnis von Meistern und Schülern organisierten.102 Dieses Modell orientierte sich an einem Idealbild der nationalen bürgerlichen Kunsttradition der Gotik und der Renaissance, das nicht zuletzt durch die Arbeit der Altertumsbewegung, besonders aber durch die Sammlung und die Dombau-Propaganda der Boisseree-Brüder, in Deutschland populär geworden war, und hatte mit dem noch in den letzten Zügen liegenden, abgewirtschafteten und diskreditierten Zunftsystem, welches das Verhalten und die Mentalität der Mehrzahl der Kleingewerbetreibenden beherrschte, nur insofern zu tun, als auch sie sich vage an diese Blütezeit des Handwerks erinnerten. Die Durchsetzung des neuen, alten Modells verfolgte mehrere Ziele. Einmal sollten statt eines starren Regelkanons die persönlichen Begabungen, das Genie, von Kunst-Lehrlingen im engen Kontakt mit KunstMeistern sich besser entfalten und in diesem Kontakt zugleich eine intensivere Auseinandersetzung mit den technischen Grundlagen der Kunst stattfinden. Auf diese Weise sollten Künstler wieder lernen, statt eines bestimmten Faches auf den verschiedenen Gebieten der Kunst Werke zu schaffen, wie es die Universalkünstler der Renaissance vermocht hatten. Andererseits sollten sie aber auch fähig sein, nach dem Vorbild der mittelalterlichen Bauhütte im Kollektiv an Gesamtkunstwerken zu arbeiten. Wenn der Autor des Aufsatzes das romantische Ideal des zünftigen, universal schaffenden Künstlers auf die gewerbliche Herstellung von Konsumgütern ausdehnte und deren Gestaltung und Konsum zur Basis der Entwicklung eines neuen Stils machen wollte, dann nicht, um der zünf192

tischen Verfassung und Mentalität von Kleingewerbetreibenden neuen Auftrieb zu geben, oder weil er die industrielle Produktion von Konsumgütern ablehnte. Vielmehr wurde damit versucht, die ästhetische Utopie des zünftigen Universal-Künstlers auf die industrielle Produktion von Konsumgütern zu übertragen und damit im Namen des guten, modernen Geschmacks auf deren Gestaltung zu eben jener Zeit Einfluß zu nehmen, zu der Konsumgüterindustrielle begonnen hatten, musealisierte Kunst als Vorlage für ihre Produkte und zur Orientierung über den Konsumentengeschmack zu instrumentalisieren, und sich darum bemühten, sich der Institution Museum selber zu bemächtigen. Jetzt versuchte ein aufmerksamer Exponent des Bildungsbürgertums, dessen Anspruch auf Geschmackskompetenz und auf Definition eines Zeitstils stellvertretend der Industrie gegenüber zu behaupten, indem er die Gestaltung von Industriewaren als Arbeitsfeld für moderne, also zünftisch ausgebildete Künsder, als Medium für Geschmacksbildung durch die Reproduktion von Vorbildern und als wichtige, ja wesentliche Ausdrucksmöglichkeit für den zu schaffenden Zeitstil entdeckte, den zu formulieren das Bildungsbürgertum zusammen mit den romantisch-zünftigen Künstlern gegenüber Industrie, Markt und Konsumenten für sich in Anspruch nahm. Daß die idealisierte kunsthandwerkliche Produktionsweise in wesentlichen Teilen der industriellen Herstellung von Konsumgütern konträr war, insofern jene arbeitsteilig organisiert war, Maschinen in den Fertigungsablauf integrierte, Serien statt Einzelstücken herstellte, auf einen möglichst großen Markt spekulierte und auf das Prinzip der Konkurrenz baute, war vom Standpunkt des Bildungsbürgertums aus betrachtet gegenüber der Eigenlogik eines neuen Stils des bürgerlichen Zeitalters in Fortsetzung der bürgerlichen Tradition sekundär. Die antiken Vorbilder, welche bis dahin in der frühindustriellen Konsumgüterproduktion eine bevorzugte Rolle gespielt hatten, deren klare Formen sich, obwohl einst handwerklich, aber in Serien für einen internationalen Markt gefertigt, der industriellen Herstellung gut anpassen ließen und welche den ästhetisch gebildeten Geschmack des kulturell übernational orientierten, die griechische Antike idealisierenden frühen Bürgertums getroffen hatten, wurden vom Autor der programmatischen Vorherrschaft der »nationalen« und »volksthümlichen« Tradition nachgeordnet: »Wir verdanken der antiken Welt unendlich viel, aber wir ahmen zu sklavisch nach, was sie gemacht hat, statt das zu thun, was sie in unsern Verhältnissen gethan haben würde. Wer sich noch mit so geschmackslosen, zweckwidrigen und trüben Kleidern behängt, wie wir es thun, wer noch nicht den Muth hat, von aufgedrungenen Vorurtheilen, deren Grundlosigkeit er kennt, sich zu befreien, der kann zwar ein praktisch tüchtiger, fur das Gemeinwesen sehr wohlmeinender, um dasselbe höchst verdienter Mann seyn, aber die Blume des Daseyns der antiken Welt wird ihm sich nie

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erschließen. Die Wenigen, welche die antike Welt wirklich in sich selbst neu erschaffen, werden stets die Minderzahl, eine kleine auserwählte Gemeinde bilden. Ihnen möge die Leitung der Mehrzahl zum Tempel des Schönen anvertraut werden, und sie werden in veränderten Zeiten wirken, wie die Baubrüderschaften des Mittelalters / für ihre Zeiten gewirkt haben.« 103

Damit wendete er sich implizit auch gegen Geschmacksbildungsprojekte von Regierungsseite - das bekannteste war in Berlin mit dem Gewerbeinstitut und mit dem Namen des Architekten Schinkel verbunden -, 104 denen diese antiken Vorbilder zugrunde lagen, die aber auf einen neuen Klassizismus hinausliefen, der von Herrschaftsarchitektur dominiert war. Stattdessen übertrug er die Erarbeitung eines neuen Stils auf das Bildungsbürgertum und markierte die Richtung der bürgerlichen Geschmacksbildungsanstrengungen und die Umrisse eines neuen Kulturmusters des Konsums, indem er der eigenen Nation und dem eigenen Volk zugerechnete, nachantike Epochen und Zentren der Kunst, das Idealbild des universalen Künstlers und die zünftische Prägung von Künstlern und Kunstwerken ideologisch positiv besetzte. Die Zunftjünger sollten Kunstwerke schaffen, welche nicht mehr vor allem anderen zum Ruhme und fur die Umgebung von Herrschern bestimmt waren, sondern zuvörderst fur die Öffentlichkeit, also für Museen, Ausstellungen und öffentliche Sammlungen, für öffentliche Gebäude wie etwa Rathäuser und Kirchen und fiir den Stadtraum. Diese Kunst sollte dem öffentlichen Raum ein stilistisch modernes Gepräge geben, die überlieferte Kunst zusammen mit der neuen in einen einheitlichen Kontext, den »Ortsgeist« stellen, diesen sinnlich erfahrbar und gefühlsmäßig attraktiv werden lassen und zugleich weltanschauliche Grundlagen der Moderne ästhetisch formulieren und vor Augen führen, indem deren Leitprinzipien und Schlüsselthemen, in szenische Darstellungen oder Embleme gefaßt, anschaulich dargeboten und damit »volksthümlich« gemacht wurden: »Das Individuum wird in der Masse verschwinden, die Kunst wird überall Eine und dieselbe seyn«. 105

Der oben schon einmal zitierte, für sich genommen rätselhafte und erschrekende Satz106 gewinnt in diesem programmatischen Kontext seine Bedeutung und sein Gewicht. Indem sie sich im ästhetisierten Raum bewegte, sollte die Öffentlichkeit der Straße, die bewegte Menge den »Ortsgeist« in sich aufnehmen und sich zugleich mit den vorgestellten Leitbildern identifizieren, ihre sinnliche Wahrnehmung der Wirklichkeit sollte eine kollektive, zugleich ästhetische und programmatische Prägung erhalten. Durch eine solche Prägung und nicht mehr, wie in der Aufklärung, im Räsonnement oder, wie in der Zeit der ersten Museen und Kunstreisen, in der bildungsmäßig abstrahierenden Aneignung diverser, musealisierter künst194

lerischer Traditionen und deren spielerische Übertragung auf die Wahrnehmung sollte das Verhältnis der Individuen zur Öffentlichkeit neu bestimmt, die kulturelle Kohärenz der Gesellschaft durch eine sinnlich vermittelte Formierung der Wahrnehmung über das Bildungsbürgertum hinaus vorangetrieben und zugleich dessen kulturelle Kompetenz und Hegemonie gesichert werden, welche durch die traditionellen Bildungsformen familialer und schulischer Art in dem Grad nicht mehr gewährleistet waren, wie das moderne Bürgertum sich aus älteren Gesellschaftsschichten mit unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen und Heiratskreisen neu konstituierte und ausweitete und wie dessen Arbeitsfelder und gesellschaftliche Eingriffsmöglichkeiten sich neu strukturierten. Von Exponenten des Bildungsbürgertums wurde just in jener kritischen Phase der Transformation des Bürgertums in der entstehenden Konsumgesellschaft die Arbeit an der ästhetischen Homogenisierung des öffentlichen Raumes, des Geschmacks und des Interieurs durch dessen Musealisierung und künstlerischen Bestückung gemäß den bürgerlichen Kunsttraditionen, arrangiert nach den Leitprinzipien Fortschritt, Geschichte, Nation und Volk, zur Bedingung für die Entstehung eines Epochenstils aus dem geschmacklich gebildeten Konsum gemacht. Eigenläufige Manifestationen der Moderne, der Großstadt, der Technik, der Bewegung, der Vergesellschaftung im Konsum, spontane Moden und ein über den Markt sich formulierender Massengeschmack jenseits der Kunsttradition sollten dagegen aus dieser ästhetisch formierten Öffentlichkeit und aus dem guten Geschmack ausgegrenzt werden. Mit seiner weltanschaulichen Aufladung gewann der Prozeß der Ästhetisierung und Musealisierung der Wirklichkeit eine neue politische Qualität, weil er nicht mehr als das Resultat eines Kampfes der Bürger um KunstÖffentlichkeit aufgefaßt wurde, welcher sich jetzt, getragen von den Bildungsanstrengungen und dem Konsumverhalten des modernen Bürgertums und unterstützt von Bemühungen der Bürokratie, in der Stadtöffentlichkeit, im geselligen Raum, im Interieur und Konsum, welche die frühindustrielle Produktion bediente, ungesteuert entfalten konnte und es ermöglichte, sich der Vielfältigkeit der Kunst staunend, neugierig, forschend, spekulierend und reproduzierend zu nähern, noch beschwingt von der Utopie der Kunst als eines Reiches des Schönen jenseits von Zweck und Notwendigkeit. Stattdessen wurde er jetzt als ein notwendiger, aus intentionalem Handeln hervorgehender, zielgerichteter und kaum begonnener Prozeß definiert, der in einen Epochenstil münden sollte, welcher Ausdruck der »Lebensthätigkeit« 107 der Gesellschaft wäre. Die Beziehungen zwischen Kunst, Öffendichkeit, Konsum, Produktion und Museum, welche sich seit langem herausgebildet hatten und seit der Jahrhundertwende dann, stark akzeleriert und klar konturiert, zu einem kulturellen Grund195

muster der entstehenden modernen Gesellschaft, dem »modernen Geschmack«, geworden waren, sollten als Grundstrukturen eines gesamtgesellschaftliches Bildungsprojekts definiert und institutionell durch Museen, Unterricht, Ausstellungen und didaktisch angelegte Stadträume überformt werden. Je nachdem welche gesellschaftlichen Schichten innerhalb des Bürgertums den Stilbildungsprozeß betrieben, welche gesellschaftliche Verfassung als adäquater Ausdruck der Lebenstätigkeit betrachtet wurde und welche politischen Kräfte sich der Kunst als symbolischem Ausdrucksmittel zur Durchsetzung der politischen Ordnung einer solchen Verfassung bedienten, war allerdings der dem Bildungsprojekt zugrundegelegte Stilbegriff geschichtsphilosophisch und weltanschaulich unterschiedlich besetzt. Die Arbeit an der ästhetischen Homogenisierung des öffentlichen Raumes, der Wahrnehmung, des Konsums und des Interieurs im Namen eines Epochenstils bedeutete jetzt also zugleich deren symbolische Aufladung durch Kunstwerke und Stilformen, welche die Leitprinzipien der Moderne in je unterschiedlichem Sinn verbinden, auslegen und gewichten konnten. Zugleich konnte die Kunstrezeption zu einer Frage weltanschaulicher Präferenzen, Privatarchitektur und Interieur zu einem Statement in Weltanschauungsfragen gemacht werden - ob Gotik oder Renaissance, etruskisch oder Rokoko das Privatambiente prägte, konnte angesichts der Verfügbarkeit der Stile zum Indiz fair die Einstellung eines Konsumenten zur Verfassung gemacht werden, ob ständisch oder liberal, monarchistisch oder republikanisch, partikular oder vereint national, laizistisch oder konfessionell geprägt, konservativ oder progressiv, regional oder universal orientiert, für den raschen industriellen Fortschritt oder dagegen und was der Themen und Parteiungen mehr waren. Solche Lesarten ließen sich verstärken oder differenzieren, indem sie zusätzlich durch Sinnbilder, Embleme oder Allegorien ausgedrückt wurden oder indem eklektische Mischformen erfunden wurden. Andererseits ließen sich derartige Lesarten konterkarieren, indem die symbolischen Qualitäten historischer Stile funktionalen Erfordernissen der modernen Gesellschaft zugeordnet wurden - der Gotik je nachdem etwa das Sakrale überhaupt, der Antike das Staatsöffentliche, das Bankwesen der »Modernen Renaissance«, dem »Altdeutschen« das erwerbsbürgerlich-private. Indem tendenziell jeder Gegenstand zum Exponenten eines Stils und damit zugleich zu einem Bedeutungsträger gemacht werden konnte, war damit sein Gebrauchsnutzen nicht, wie nach dem Diktum, das Schöne zum notwendigen Gefährten des Nützlichen zu machen, vorgesehen, um eine ästhetische Qualität vermehrt, vielmehr wurde er durch kunstvolle Gestaltung um einen symbolischen Nutzen erweitert, der zum eigentlich dominierenden werden sollte, gerade weil ihm ein realer Gebrauchswert zukam, 196

nämlich einen Gebrauchsgegenstand mit Bedeutung aufzuladen, also ihn zum Statussymbol oder zum Statement einer Gesinnung zu machen. Das Schöne wurde so nicht zum Gefährten des Nützlichen gemacht, sondern selbst verniitzlicht, indem es auf eine Stilform reduziert und mit Bedeutungen aufgeladen wurde. Dadurch aber, daß die Bedeutungen von Stilformen nicht vorgegeben waren, sondern je nach unterschiedlichem Standpunkt verschieden interpretiert und aufgeladen werden konnten, erhielt das Projekt der ästhetischen Homogenisierung etwas Schillerndes und damit unvermeidlich eine Qualität, welche dem vom Bildungsbürgertum gesuchten, geforderten, behaupteten Stil des neuen Zeitalters diametral entgegengesetzt war, und das nicht obwohl, sondern gerade weil es von dieser Homogenisierungsbemühung hervorgetrieben wurde.

2 . 4 . Die D i f f e r e n z i e r u n g der häuslichen D i n g w e l t Im Zuge der Stadterweiterungen neu gebaute Häuser bedurften einer angemessenen und modernen Ausstattung. Die Inneneinrichtung stellte auch in Württemberg Eigentümer, Mieter und Familienangehörige vor das Problem, inwiefern man sich bei der Möblierung nach dem Geschmack der Neuzeit oder nach den eigenen Bedürfnissen richten solle. Hatte sich beim Bürgertum anfangs des Jahrhunderts der moderne Konsum auf einzelne Gegenstände von relativem Luxus wie Spiegel oder auf einzelne neue Produkte wie beispielsweise bessere Beleuchtungskörper beschränkt, so strukturierte sich in den folgenden zwanzig Jahren der städtisch-bürgerliche Konsum im Ganzen gesehen in seiner Zusammensetzung derart um, daß man von einer Entgrenzung der Bedürfnisse sprechen kann. Diese Entgrenzung war weder beliebig, noch folgte sie der simplen Preislogik, Dinge zu bevorzugen, nur weil sie billiger waren, auch wenn der Preis natürlich eine wichtige Rolle spielte, sondern sie wurde von zwei Prinzipien strukturiert. Eines davon war eine wachsende qualitative Differenzierung der Dingwelt. Diese erfolgte auf mehreren Ebenen. So wurde etwa Gegenständen ein festgelegterer Gebrauchsnutzen zugemessen, wobei die Gebrauchsweisen von Dingen sich differenzierten. Folglich waren mehr Dinge nötig, also zum Beispiel statt einiger Löffel Vorleglöffel, Suppenlöffel, Punschlöffel, Kaffee- und Teelöffel, statt einiger Tische Schreibtische, Spieltische, Eßtische, Kaffee- und Teetische. Jeder dieser Gegenstände konnte zudem in unterschiedlicher Qualität vorhanden sein, Silbergegenstände also etwa plattiert oder schier oder vergoldet, Möbel aus Mahagoni, aus einheimischen Harthölzern oder aus Weichholz. Schließlich kam als wichtiges Unterscheidungskriterium die ästhetische Qualität des Geschmacks hinzu, welche den Gegenständen zu eigen sein sollte. Diese 197

Qualität des Modernen, Geschmackvollen war ein zweites Prinzip, welches die Entgrenzung von Bedürfnissen strukturierte. Es führte zu einem komplexen Wechselspiel zwischen wachsender Formenvielfalt und ästhetischer Kohärenz. Das Wechselspiel zwischen Formen und Dingen, Dingen und Interieur, Interieur und Geschmack beruhte wiederum auf vielfältigen Vermittlungsinstanzen, welche von außen wirkten, durch importierte Waren, Vorlagenwerke, Journale und durch die Musealisierung von Kunst. Damit wurde die Einrichtung von Wohnungen zu einem komplizierten ästhetischen Problem. Als Hinweis darauf, daß die Umstrukturierung der Bedürfnisse von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde, läßt sich das Aufkommen von Journalen anführen, welche sich mit Einrichtungsfragen beschäftigten, wie etwa Bertuchs »Journal des Luxus und der Moden« und zahlreicher kurzlebiger Nachahmungen. Die Unsicherheit darüber, wie man sich zu seinen neuen Ansprüchen stellen solle, kommt in einem »Bericht der von dem Verein zu Unterstüzung vaterländischer Industrie niedergesezten Committee« zum Ausdruck, erschienen im Herbst 1 8 2 0 im Schwäbischen Merkur.108 Die neuen Bedürfnisse wurden dort zwar als Zeichen höherer Kultur gewürdigt, aber als schädlich für die einheimischen Gewerbe angesehen. Zur Verstärkung des Arguments wurden diese im einzelnen aufgezählt, was vermutlich ein im ganzen übertriebenes, im einzelnen aber sicher nicht unzutreffendes Bild eines neuen, bürgerlichen Luxus abgab: »Beginnen wir mit der Kleidung, und wie billig mit der des schönen Geschlechts. Das Frauenzimmer empfängt seinen StrohHut aus Florenz, die Bänder darauf aus Lyon, den SpizenSchleier aus Brabant; - Till, Moll, Gaze, Florence, Flor, Levantine, Tafft, Gros de tour, Gros de Naples, Gros de Sens etc., aus England und Frankreich, die künstlichen Blumen aus Italien und Frankreich, den Sammt aus Lyon und Genua, den Bassin, den Baumwollen-Sammt, Percal, Callico, Merinos, Jaquonet, Bombazette, Haircord, Gingham, aus England; die Handschuhe und Schuhe aus Paris, - die Strümpfe aus Lyon, - den Shawl aus Caschmir, London, Paris, - den Pelz aus Sibirien oder der Krimm, oder der Tartarei, - die Uhr aus London oder Paris, eben daher die goldenen Ketten; die Corallen aus Marseille oder Livorno, den Haarkamm aus Paris. Die MannsPerson empfängt ihren Hut aus Lyon, die Leinwand aus Holland, die HalsBinde aus England, den Rock vielleicht schon gemacht aus Paris, oder wenigstens das Tuch oder den Kasimir dazu aus den Niederlanden oder England, eben daher auch den Wollcord für die Weste, den FutterTafft oder Florence aus Lyon, den Nankin für die Beinkleider aus China, den Serge de Berry, die Strümpfe aus Lyon, die StiefelSchäfte aus England oder den Niederlanden, die Uhr nebst der Kette ist aus Paris oder London, die ReitGerte aus England, eben daher das Bambus oder RottangRohr, der Pelz aus Sibirien oder der Tartarei, die Tressen am Rocke und Hute des Bedienten sind aus Lyon. Mit den Geräthschaften ist es eben so: Wir speisen auf Englischem oder Französischem Steingute, oder Sevre- oder

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Chinesischem Porzellain, oder Französischem Silbergeschirre, mit Messern und Gabeln aus Sheffield oder Langres, die Tischglocke ist aus England, der ChrystallLeuchter, der KronLeuchter, aus Böhmen. Wir bedienen uns eines TischTuches und Servietten aus den Niederlanden, und Trinken aus ChrystallGläsern, die in Böhmen, England oder Frankreich gemacht und geschliffen sind. Die Tapeten kommen aus Paris, die Spiegel aus Venedig, die Eyderdunen aus Dänemark, das Theebrett, die Theemaschine aus England, die Tassen aus Sevres, der Wagen nebst dem PferdsGeschirre und dem Sattel sind vielleicht aus England. Mit den Werkzeugen und Stoffen für Gelehrte, Künstler und Handwerker ist es nicht besser.«

Ziel des Vereins sollte nun sein, die Mitglieder zu verpflichten, die eigenen Bedürfnisse in der Weise zu regulieren, daß bestimmte Dinge nur aus dem Gebiet des süddeutschen Zollvereins bezogen werden sollten, wenn sie dem eigenen Geschmack nicht völlig widerstrebten, um so den Gewerben Gelegenheit zu verschaffen, mit den besseren Mustern des Auslands mithalten zu können. So solle einer Abhängigkeit vom Ausland entgegengewirkt werden, welche durch die neuen, vielleicht bloß eingebildeten Bedürfnisse entstehe. In Autobiographien Stuttgarter Bürger wurde rückschauend dieses Problem nicht herausgearbeitet, wohl aber der Kontrast zwischen altbürgerlicher Bescheidenheit und Kargheit in der Einrichtung und dem späteren relativen Überfluß der Dinge. 109 Autobiographien werden geschrieben, um in der Rückschau Rechenschaft über sich und seine Laufbahn zu geben. Eine Einstellung zu Dingen und zum Bedürfnis nach schönen Dingen erworben zu haben, wurde im Rückblick gerechtfertigt und im Zusammenhang damit die Begegnung mit Kunst, mit Stichen, Holzschnitten, Gemälden vor allem, geschildert. Meist geschah das im Hause von Großeltern oder Eltern, oder später auf Reisen. Die Einrichtung des eigenen Hausstandes war dagegen kein Thema. Fahrnis-Annoncen in der Schwäbischen Chronik sind einer der wenigen Stellen, an denen zumindest indirekt ein Stück Konsumkultur, ein Stück Beziehung zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand im privaten Interieur unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten sich andeutete. Sie kündigten Nachlaßversteigerungen an, weil sich unter den Erben keine Interessenten für die vererbten Sachgüter fanden, oder weil deren Aufteilung sich nicht regeln ließ. Insgesamt zu selten und zu summarisch, ohne Zusatzinformationen über den Gesamtumfang des Nachlasses, kann man sie nur als ergänzungsbedürftige Hinweise auf Wohnausstattung und Kunstbesitz einer nicht auf Stuttgart beschränkten städtischen Oberschicht nehmen, welche das Interesse hatte, in einem überregionalen Blatt zu annoncieren. Im Gegensatz zu Verkaufsannoncen, welche Dinge zum Erwerb für den Haushalt anpreisen, geben die Fahrnis-Annoncen einige 199

Hinweise auf die tatsächliche Zusammensetzung der Dinge in einem Haushalt gehobener Ausstattung. Dafür sagen sie über Ort und Zeitpunkt des Erwerbs nichts aus. Man kann annehmen, daß ein wichtiger Teil der Stücke Jahrzehnte vor dem Ableben beschafft wurde und weitere Gegenstände im Lauf der Zeit dazu kamen, so daß die Fahrnis insgesamt, im Gegensatz zu neu verkauften Sachen, nicht dem neuesten Geschmack, sondern dem einer älteren Generation entsprach. Anders als in Inventuren und Teilungen wurden in einer solchen knappen Annonce nur wertvolle Gegenstände genannt und zugleich so gekennzeichnet, daß der Leser sich einen ungefähren Eindruck davon machen konnte. Das geschah durch eine Serie Attribute, deren Bedeutung sich ungefähr rekonstruieren läßt. Zwei davon waren der Umfang des Nachlasses insgesamt und in Bezug auf einzelne Kategorien wie Schmuck oder Möbel sowie deren Differenzierung. Dann wurden Materialdifferenzierungen vorgenommen und daraufhingewiesen, ob es sich um ein »modernes« Stück handele. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen war die genaue soziale Verortung des oder der Verblichenen, deren Adresse, Namen, Titel und Beruf angegeben waren. Diese Verortung wurde allerdings aufgegeben, als zur Mitte des Jahrhunderts Fahrnis-Auktionen nicht mehr an Ort und Stelle stattfanden, sondern von speziellen Auktionatoren in deren eigenen Lager vorgenommen wurden. 110 Gebrauchte Möbel waren zu einer Ware unter anderem geworden. Beispiele aus zwei Jahrgängen, 1 8 0 0 und 1 8 2 4 , sollen genügen, wesentliche Merkmale bürgerlicher Einrichtungen herauszuarbeiten. Zum Jahrhundertanfang waren praktisch nur Fahrnis-Auktionen verstorbener Adliger und Hofleute annonciert. Deren Besitz an Schmuck, darunter Brillanten und Perlen, an goldenen Uhren und Tabaksdosen, silbernem Geschirr, Leuchtern und Porzellan und an wertvollen Kleidungsstücken liest sich eindrucksvoll. Der Möbelbestand dagegen war extrem verschieden, teils werden Sofas, Spiegel, Kommoden, Walzensekretäre und Standuhren ausgeboten und zwar gleich mehrere, teils bloß »Schreinwerk«. 111 Die Gegenstände werden nicht als modern o.ä. klassifiziert, die Möbel nicht näher beschrieben. Kunstwerke wurden in jenen frühen FahrnisAnnoncen nicht angeführt. Die annoncierten Gegenstände erscheinen in einer doppelten Gestalt: einerseits mußten sie in der Hauptsache auf ständische Repräsentation und höfisches Zeremoniell ausgerichtet gewesen sein, dafür sprechen das differenzierte Inventar und die Masse der sehr wertvollen Gegenstände, darunter goldene Dosen, deren symbolische Funktion sich aus zeitgenössischen Autobiographien erschließen läßt. Goldene Dosen erscheinen dort als ein (ziemlich courantes) rituelles Geschenk des Herrschers, als Anerkennung und Huldbeweis. 112 Das Vorhandensein kompletter Silberbestecke, also Messer, Gabeln, Löffel, läßt vorsichtig auf elaborierte Tischsitten schließen. Selbst in späteren Fahrnissen von Bürgern

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ist nämlich lediglich von silbernen Löffeln die Rede. Das Insgesamt dieser Gegenstände mußte andererseits als Teil des Vermögens betrachtet worden sein, ein Schatz, welcher sich ohne größere Umstände transportieren oder in Geld verwandeln ließ, weil viele der Sachen relativ klein und leicht und von relativ beständig hohem Materialwert waren und Gestalt und Alter der Gegenstände demgegenüber keine große Rolle spielten.113 Die Fahrnis des Stuttgarter Bürgermeisters Benzen, dessen Amt ihn sicherlich in Kontakt mit dem Hof gebracht haben mußte, umfaßte teilweise denselben Gegenstandsbereich, also Brillantschmuck, goldene Uhren, ein silbernes Brettspiel, aber bloß Silberlöffel und außerdem Schuhschnallen - ein eher modisches, wenn auch wertvolles Accessoire - und schließlich neben anderem Hausrat auch Blechgeschirr.114 Ebenfalls Bezug zum Hof läßt sich anhand des Nachlasses einer Doktorenwitwe vermuten, welcher in Schmuck, einer goldenen Dose, silbernem Brettspiel, Leuchtern, Salzfässern und Löffeln aus Silber bestand, ferner Porzellan, Tafeldamast und einem Pelzmantel. An Möbeln standen nicht näher bezeichnete Kommoden, Tische und Bettladen zum Verkauf, aber kein Sofa.115 Eine weitere Versteigerung betraf schließlich den Nachlaß der Böblinger Adlerswitwe, welcher vermutlich wegen des großen Umfangs an Wirtschaftsgeräten annonciert war, aber neben nicht weiter charakterisierten Möbeln und Geschirr aus Messing, Zinn, Kupfer und Eisen als wertvollstes Silber umfaßte, in welcher Form, war nicht gesagt.116 Hier ging es nicht mehr um einen symbolischen Bezug zum Hofe, sondern um thesaurierten Reichtum, wie relativ auch immer, und um Arbeitswerkzeug. Zum Zeitpunkt der Kunst- und Industrieausstellung von 1824 waren Fahrnis-Annoncen häufiger. In der Hauptsache waren es bürgerliche Nachlässe, welche verauktioniert wurden. Sie waren deutlich anders zusammengesetzt als diejenigen der Adligen vom Anfang des Jahrhunderts: 117 Schmuck, goldene Uhren und Silbersachen waren immer Bestandteil des Nachlasses, aber die Gegenstände waren weniger oder kleiner, ihre Differenzierung ging in Richtung auf Repräsentation im Rahmen einer gepflegten Häuslichkeit: keine Silberteller, keine Bestecke, sondern Silberlöffel in verschiedener Größe, Silberleuchter, aber keine Girandolen, dafür Lampen als neuer Einrichtungsgegenstand, keine goldenen Dosen, stattdessen silberne Zuckerdosen, Senfkännchen, Tabaksdosen, silberne Schuhschnallen und silberbeschlagene Meerschaumpfeifen, Hänge- und Stelluhren statt Standuhren, lackierte Waren. Außer Porzellan wurde auch Glas und Steingut annonciert. Neben dem Geschirr spielte Küchengerät aus wertvollem Metall - Kupfer - Messing - Zinn - Eisen - eine wesentliche Rolle. Außerdem wurden große Bestände an Textilien ausgeboten, Kleidung, Tisch- und Bettzeug, Vorhänge, meist bloß summarisch klassifiziert. Weitaus mehr unterschiedliche Möbel als bei den früheren Annoncen waren 201

aufgelistet und dazu, aus welchem Holz sie bestanden, ob aus Mahagoni, Kirsche oder Nußbaum. Meist waren in der Fahrnis Hart- und Weichholzmöbel zu finden, erstere fur die Stubenmöbel wie Pfeilerkommoden, Sekretärarmoirs, Schränke und Vitrinen, Schreibtische, Tische, Teetischchen, Sofas und Ottomanen, Sessel, Spiegelrahmen, Kindermöbel und Betten; letztere für Tische, Küchenmöbel, auch Betten - meist waren sie eher summarisch aufgeführt. Flügel und Klaviere, Bücher oder »Romane« wurden vereinzelt genannt. Dagegen kamen Kunstgegenstände häufig vor, Stiche vor allem, mal summarisch als »Kupferstiche unter Glas und Rahmen«, mal waren Sujet, Maler und Stecher genau angegeben. Das Ensemble der Dinge konnte in seiner Zusammensetzung bei Dekanen, Klavierbauern, Küchenmeistern, Kaminfegern bei Hofe, Ärzten oder Anwälten das gleiche sein, mal war mehr Silber, mal weniger Hartholzmöbel darunter - bei Landpfarrern beispielsweise, mal gab es Gegenstände, welche aus dem gemeinsamen Fundus hervorragten - eine Ottomane, eine Klostertruhe, ein Wiener Flügel. Der am genauesten bezeichnete Teil der Gegenstände war entweder als Gebrauchsgegenstand (Vitrine, Lampe, Teetisch) oder im Stil relativ modern (Pfeilerkommode). Dem entspricht, daß Gemälde oder Stiche als Raumdekoration verwendet wurden. Diese moderne Einrichtung war nicht nur in Stuttgart zu finden, sondern auch in Nachlässen von größeren Provinzstädten wie Heilbronn oder Esslingen. Sie war noch nicht in Stilbegriffen bezeichnet: der Historismus bestimmte die Wahrnehmung und Gestaltung des Interieurs erst ein paar Jahre später, seit den vierziger Jahren. Die Begriffe »geschmackvoll« oder »nach neuem Geschmack« wurden nicht verwendet, anders als in zeitgleichen Verkaufsannoncen - Indiz dafür, daß Gegenstände, die eine Weile gebraucht waren, dieses Prädikat nicht mehr verdienten, daß ein Gespür für Gestaltwandel vorhanden war? Wohl aber taucht der Begriff »modern« auf 118 - Indiz für das Bewußtsein einer neuen Stilepoche? Eine Lektüre von Verkaufsannoncen in der Schwäbischen Chronik kann helfen, das Bild vom Konsum der modernen Hauptstädter noch weiter zu ergänzen. 1 8 0 0 waren es nur einige wenige: Ende Februar wurde eine Versteigerung halbseidener Stoffe, feiner und ordinärer Tuche aus verschiedenen Ländern, verschieden gemusterter und gefärbter Halstücher annonciert - der erste Anfang eines Winterschlußverkaufes.119 Dann gab es zur Zeit der Mai-Messe einige Annoncen von Mode- und Luxus-Textil. 120 Anfang Juni wurde eine Lieferung neuester französischer Papier-Tapeten bekanntgegeben, 121 Mitte Juli ein Aquatintablatt Professor Heideloffs, eine Ansicht von Stuttgart, zur Subskription ä 3 fl. 30 pro Exemplar ausgeschrieben. 122 1 8 2 4 waren mehr Verkaufsannoncen in der Zeitung, wenn es auch immer noch nicht viele waren, eine Versteigerung einer Gemälde- und Kupferstichsammlung im Gasthof zum Hirsch 123 und ein durchreisender

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Kunsthändler aus München, der billig Ölgemälde verkaufte, ankaufte und tauschte,124 verschiedene Stoffe zu herabgesetzten Preisen zum Winterende und Accessoires für Maskenbälle zum Fasching, wie Masken, Blumen, Federn, Handschuhe, Strümpfe, Bänder und Schnüre, Gaze de Paris und schließlich Stoffe für Ballkleider,125 sowie 144 Vorlegeblätter fur den Anfangsunterricht im Zeichnen vom Stuttgarter Bildnis- und Blumenmaler Friedrich Seubert (1780-1859), verlegt bei der Buchhandlung Georg Ebner.126 Außerdem hatte die Kunsthandlung noch etwa zweihundert radierte Ansichten württembergischer Landschaften und Städte im Sortiment.127 Bei der Spezerei- und Samenhandlung Georg Friedrich Ebners gab es Seifen, Rauchkerzen und französische Parfüms (eins davon: huile antique).128 Ein aus Wien nach Tübingen gezogener Uhrmacher teilte mit, er habe Standuhren aus Hartholz mit Bronzebeschlägen und Säulen sowie Tableauuhren, vergoldet oder mit Gemälden, auf Lager, ein Stuttgarter Uhrmacher bot Pariser Pendulen, Uhren mit Mahagoni-Gehäuse, mit Applikationen aus Bronze oder Kristall sowie Taschenuhren an.129 Putzmacherinnen annoncierten zu wiederholten Malen modischen Putz, zum Teil aus Paris frisch eingetroffen, und Hüte nach der neuesten Fdfon, außerdem ein geradezu abenteuerliches Sortiment französischer Kosmetik, Seidenstrümpfe, Pariser Blumen, Spitzen usw.130 In mehreren Anzeigen boten Schreiner Möbel, Sattler Sofas an, erstere in vielen Variationen, manchmal als »modern« oder »nach dem neuesten Geschmacke« apostrophiert, letztere in den verschiedensten Farben bezogen und mit silbernen Nägeln beschlagen.131 Die Eröffnung neuer Läden in Stuttgart wurde bekanntgegeben: einer »Kottonerie- und Seidenwarenhandlung« und eines Tapeziergeschäfts.132 Zur Zeit der Mai-Messe häuften sich Anzeigen von Messehändlern: der »Lakierfabrikant« Deffner aus Esslingen präsentierte dort sein Assortiment Blechwaren, gepriesen als schön, dauerhaft und billig.133 Andere Messehändler warben für vergoldete Porzellantassen, Schirme, englische Stoffe, Schals und Nähnadeln oder Damenkorsetts.134 Schon nach einer summarischen Kenntnisnahme solcher Mitteilungen kann man sagen, daß sich in Stuttgart zwischen 1800 und 1824 eine neue Form des Konsumierens herausgebildet hatte, eine Form, welche auf die größeren Städte in der Umgebung abstrahlte. Inwiefern und mit welchen Verschiebungen das geschah, wäre anhand der Zeitungen der jeweiligen Orte noch genauer zu untersuchen. In der Ulmer Kronik erschien 1839 beispielsweise eine Artikelserie »Etwas über die heutige Lebensweise der mittleren Stände«, in welcher die Verfeinerung bürgerlicher Lebenskultur und die Ausdifferenzierung des Konsums den vormaligen Zuständen kontrastiert wurde.135 »Noch vor ungefähr 50 Jahren bestand eine Bürgerwohnung aus einer großen gemeinsamen Familienstube, Schlafkammern nach Bedürfnis und einem s.g. Gast-

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zimmer, in welchem alle Gegenstände aufbewahrt und zierlich aufgestellt waren, die man zum Gebrauche zu schön fand. ... In der Wohnstube waren die Geräthe von grobem Holz, aber weder angestrichen noch lakirt ... dort befand sich selten ein Sopha, dafür gab ein tüchtiger Kochofen für den Winter, dem Ganzen ein solides Aussehen, Schüsselrahmen mit Geschirr zierten die Wände. ... Alle unmittelbar nöthigen Gegenstände der Kleidung wurden mit eigenen Händen im Hause gefertigt.« 136

In der Zwischenzeit habe sich aber mit der ganzen Lebenshaltung auch die Wohnsituation völlig verändert: »Die gemeinsame Wohnstube ist verschwunden. Eine Menge kleiner Appartements bildet die Wohnung. Sowohl Hausfrau als Töchter haben jede ihr eigenes Zimmer. ... Je eleganter man die Zimmer ausschmüken kann, desto mehr fühlt man sich befriedigt. Das altmodische Bett macht einem Divan, die Zinnteller einer Etagere Platz, auf welcher eine Menge unüzer und werthloser, aber kostspieliger Kleinigkeiten prangen, die aber so reizend und geschmakvoll sind, wie sie nur eine ausschweifende Phantasie auf's anlokendste sich vorstellen kann.«137

In Ulm verteilte Handzettel einheimischer und durchreisender Händler, undatiert, aber der Machart nach wohl aus den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, listeten die große Zahl mehr oder minder teurer, aber stets modischer, vor allem importierter Sachen und Sächelchen auf, die zu dieser neuen, verfeinerten Lebensweise paßten. Ein Augsburger Kaufmann mit Niederlagen in Frankfurt/M. und Leipzig verkaufte goldene und silberne Galanteriewaren aus England, Frankreich, Augsburg und Genf. Ein anderer reisender Galanteriehändler hatte Schnallen, Devisen, Dosen, Zierschlüssel, Braceletten, Fächer, Geldbeutel, Etuis und Necessaires »nach dem neuesten Geschmacke« im Angebot, ferner »Hutschnallen ä la Figaro«, gestickte seidene Westen und seidene Strümpfe. Der Handzettel war in Deutsch und Französisch abgefaßt. Wieder ein anderer Galanteriewarenhändler, Peter Anton Primavesy aus Italien, verkaufte Uhren und Uhrketten, Petschafte, Armreifen, Fächer Etuis, silberne Schuhschnallen, englische Brieftaschen, seidene Strümpfe, Tabakdosen, Ohrringe, Souvenirs, Schokolade usw., außerdem Noten und englische »Kupferstücke«, also höchstwahrscheinlich Stiche. Ein Ulmer Handelsmann hatte gestreifte, melierte und modefarbene Tücher der unterschiedlichesten Qualitäten, »nach neuester Ρ3ςοη, dergleichen allhier noch nicht gesehen worden«, zu billigen Preisen abzugeben, ferner »fein gemahlte Wachstücher«, Castorhüte, seidene Strümpfe, Kaffee, Zucker und andere Spezereien sowie Schweizer Käse.138 Schon die Zeitgenossen wiesen daraufhin, daß die neue Art von Lebensgenuß sich seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts überall in deutschen Städten verbreitet hatte: 204

»Man fing an, sich zu Hause heimisch zu fühlen. Die Wohnung war klein, aber rein. Tausend kleine Bequemlichkeiten bot der wetteifernde Kunstfleiß nicht vergeblich an.«139

Und der bei Cotta in Stuttgart gedruckte Sittenchronist bemerkte in seinem Aufsatz weiter: »So beengt die neueren Einrichtungen bürgerlicher Wohnungen sind gegen ehemals, so fehlt ihnen dennoch ein sichdicher Zug nach Bequemlichkeit nicht. Die Bänke sind dem Sofa gewichen, aber der bequeme Großvaterstuhl lebt noch. Den ungeheuern Ofen der Vorzeit ersetzt eine kleinere, zweckmäßige, elegante Feuerung, ja zuweilen ein freundlicher Kamin. Fußteppiche werden von Winter zu Winter gewöhnlicher. Spiegel und Fensterscheiben haben eine Klarheit und Größe erreicht, welche man früher kaum in Palästen finden konnte. Man hat auch in Deutschland gelernt, mit weniger Umständen zu leben als früher, man stapelt selbst weniger Vorräthe von Leinwand und Geschirre auf als ehemals; aber das Wenige, was man hat,/ ist elegant und zweckmäßig, obgleich oft noch nicht von der gehörigen Solidität.«140

In den Fahrnisannoncen der Stuttgarter Schwäbischen Chronik deutet sich nur an, was in den Verkaufsannoncen klar zutage trat, daß nämlich die Dinge des Interieurs einen rasanten Prozeß der ästhetischen Differenzierung nach Form und Qualität durchliefen. Ein Stück dieses Prozesses wird in der Differenz der Annoncen texte selbst deutlich: Nachlaßstücke waren gegenüber den als neu verkauften eine Generation älter. In den Annoncen erschien gleichzeitig eine Art bürgerliches Normalinventar, welches sich aus den Einrichtungsstücken zusammensetzte, welche in fast jeder Annonce genannt wurden. Bürgerlich war es in einem modernen Sinn, das heißt, es war sowohl bei Angehörigen der altständischen Ehrbarkeit (wie der Seiler-Obermeister) als auch bei Angehörigen der Bildungsschicht (den Doktoren-Witwen), bei Hofleuten verschiedenen Ranges und bei Angehörigen neuer Berufe (den Küchenmeistern, die wohl eher Restaurantchefs waren) zu finden, ein Stück verbindende Sachkultur. Dieses Normalinventar war nicht aus beliebigen Stücken zusammengewürfelt, sondern folgte den ästhetischen Vorbildern des modernen Geschmacks. Damit war es, egal ob Handwerksstück, Manufaktur- oder Industrieware, Teil einer Serie zahlloser Variationen eines Modells und insofern den »modernen« Interieurs der Industriegesellschaft strukturell gleich, welches aus »individuellen« Kombinationen serieller Elemente nach den Kriterien eines stark durch Vorbilder der eigenen sozialen Schicht geprägten Modells bestehen. 141 Stiche und Gemälde waren Teil dieses bürgerlichen Normalinventars wie das Sofa, einerseits standen sie als bloßes Dekorationsstück auf einer Stufe mit den Galanteriewaren, andererseits aber waren sie doch mehr, insofern 205

sie nämlich einen ästhetischen Anspruch und Teilhabe an der neuen Kunstöffentlichkeit sichtbar werden ließen. Darüber hinaus verkörperte sich vor allem in der Graphik das Prinzip von Modell und Serie, waren es doch in aller Regel Stiche nach gemalten Vorlagen, ihrerseits variierend nach Alter, Stecher und Druckzustand, aber durch Nummer und Stempel wiederum als Einzelstück kenntlich. Was die »billigen« Ölgemälde betrifft, so kann man auch ihnen eine gewisse Serialität, was Sujet und Ausführung betrifft, unterstellen.

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3. Künstler, Kunsthandwerker und Kunstindustrielle 3 . 1 . Hofkünstler, Hofhandwerker und Meister des Alten Handwerks In Deutschland waren Künstler und Kunsthandwerker auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch keine begrifflich klar getrennten Gruppen. In der »Volks-Gewerbelehre« des Tübinger Kameralisten und Technologen Poppe wurden 1833 beide zusammen von den Handwerkern abgegrenzt, als diejenigen »Gewerbsleute«, »welche zur Ausführung ihres Gewerbes besonders viele Fähigkeiten, vielen Witz, Scharfsinn und manche Nebenkenntnisse nötig haben, die man von dem gewöhnlichen Handwerker, z.B. von dem Schneider, Schuster, Schmied, Bäcker etc. nicht voraussetzt. Deßwegen zählt man zu den Künsdern unter andern die Maler, Bildhauer, Kupferstecher, Buchdrucker, Uhrmacher etc. Aber auch manche sogenannte Handwerker, z.B. manche Schlosser, manche Weber etc. sind so geschickt und kenntnißreich, und liefern so schöne, kunstvolle Waaren, daß man ihnen wohl den Namen Künsder gleichfalls beilegen dürfte. Eben deßwegen ist auch die Scheidewand zwischen Künstler und Handwerker nicht genau zu ziehen.« 1

Wie nach französischem Vorbild üblich, hatten die älteren unter denjenigen Künstlern und Kunsthandwerkern der schwäbischen Landeshauptstadt, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Stuttgarter Kunstleben prägen sollten, noch im vorherigen Jahrhundert an der Kunstakademie innerhalb der Karlsschule eine gleichgeordnete, in wesentlichen Lehrfächern übereinstimmende theoretische und praktische Ausbildung erhalten. Lehrziel der Akademie war wie bei allen Fächern der Karlsschule gewesen, Fürstendiener zu erziehen, welche den H o f auszieren sollten, die einen mit Stuck oder mit Ebenholz, die anderen mit Marmor oder bemalter Leinwand und so fort. Insofern sie sich in Bezug auf Existenzgrundlage, Status, Selbstverständnis, Ausbildung und Produktionsmethoden unterschieden, waren Künstler und Kunsthandwerker auf verschiedene Weise von der wachsenden Bedeutung von Kunst, Kunstöffentlichkeit, Kunstreproduktionen, Kunstindustrie und Kunstkonsum betroffen, die mit den gesellschaftlichen Umwälzungen der Wende zum 19. Jahrhundert einhergingen. Im folgenden soll es nicht um eine genaue Erforschung von Künsderviten gehen - teils sind sie bekannt, teils erfordern sie ausgedehnte Einzelstudien - , sondern darum, anhand von Beispielen typische Muster der Bewältigung des Bruchs zu zeigen, welcher nach dem Ende des Anden Regime Kunst und Kunstleben völlig neue Strukturen und Funktionen geben sollte, zu fragen, in welcher Beziehung die Künsder zum Prozeß der Musealisierung

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standen und schließlich herauszuarbeiten, welche Rolle bürgerliche Konsumkultur und Kunstindustrie dabei fur die Künstler und Kunsthandwerker spielten. Künstler und Kunsthandwerker standen in einem unterschiedlichen Verhältnis zur Bildenden Kunst, einer Kunst, deren Bezug zum H o f sich gewandelt hatte, deren Bezug zu einem städtisch-bürgerlichen Publikum sich aber erst entwickeln mußte. Die Künstler waren vor die Aufgabe gestellt, Kunstwerke zu schaffen, welche den Anspruch erfüllen konnten, Schönheit gültig Ausdruck zu verleihen. Die Aufgabe hob ihr gesellschaftliches Ansehen. Etwas Gültiges schaffen zu können, machte sie Philosophen oder Wissenschaftlern vergleichbar. In Stuttgart wurde am offensichtlichsten dem Hofbildhauer Dannecker diese Rolle zugeschrieben. Die Fertigstellung seiner Christusstatue, an dem er Jahre gearbeitet hatte und welche er als sein Hauptwerk gelten lassen wollte, einem Werk, welches mit dem Anspruch geschaffen worden war, eine überdauernde formale Symbiose zwischen dem antiken und dem christlichen Schönheitsideal darzustellen, war in der Schwäbischen Chronik annonciert. Die Statue konnte im Atelier des Künstlers am Schloßplatz besichtigt werden, abends war sie beleuchtet. Das Publikum kam zahlreich, im Atelier herrschte großer Zudrang. 2 Unschwer läßt sich vorstellen, daß in den neuen Häusern Stuttgarts nicht zwangsläufig Kunstwerke zu finden sein würden, welche dem gesetzten klassizistischen Ideal entsprachen oder Kunsthandwerk, welches Kunst zum Vorbild hatte. In Stuttgart mußten Künstler und Kunsthandwerker lernen, nicht bloß einem Kunstideal zu genügen, sondern zugleich dem Kunstgeschmack von Käufern, denen das Ideal gleichgültig war. Eine Möglichkeit bestand darin, sich an den Kunst- und Industrieausstellungen zu beteiligen. 1 8 2 4 stellte von den Stuttgarter Künstlern nur Eberhard Wächter ( 1 7 6 2 - 1 8 5 2 ) aus, außerdem waren ein Stich und eine Lithographie vermutlich vom Jüngeren der beiden Stecher Müller ausgestellt.3 Inwieweit die etablierten Stuttgarter Künsder auf die neue Lage reagierten, in welcher die Bildenden Künste sich befanden, indem sie beispielsweise Porträts, Blumenstücke und Genreszenen malten - Themen außerhalb des Kanons, aber beliebt bei der bürgerlichen Kundschaft4 - , soll nicht weiter verfolgt werden. Daß in der Schwäbischen Chronik 1 8 2 4 ein eben fertiggestelltes Landschaftsbild des Stuttgarter Malers Steinkopf ausführlich beschrieben wurde, war eine Ausnahme, die auf dem Ruf des Künsders wie seiner Auftraggeber beruhen mochte. Es handelte sich um eine Südliche Ruinenlandschaft im Abendlicht, die im Auftrag des preußischen Geheimen Oberfinanzrats v. Rother gemalt worden war; das Pendant dazu, eine Landschaft bei Mittag, war im Auftrag des Freiherrn v. Cotta entstanden; beide stellten eine Zierde der Stadt Stuttgart dar, wovon man sich durch

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eine Besichtigung überzeugen konnte. 5 Auf den Kunst- und Industrieausstellungen waren Werke dieser Art zu finden, die Jahresverlosungen des Kunstvereins bestanden anfangs in der Hauptsache aus Gemälden und Graphik im spätklassizistischen Stil, historischen Sujets und Landschaften, später allerdings wurden vor allem Landschaften und Rührszenen als Prämien verteilt, wohl eine Konzession an den Publikumsgeschmack.6 Eine weitere Möglichkeit für Künstler bestand darin, statt großer Einzelstücke Graphik zu produzieren. Insbesondere die neue, leicht beherrschbare Technik der Lithographie bot sich dazu an, wurde aber von den etablierten Künsdern nicht in nennenswertem Umfang betrieben. Außerdem konnten sie neben ihren Werken auch noch Reproduktionen dieser Werke verkaufen. Bei einigen Werken lassen sich deutliche Indizien dafür gewinnen, daß dies in großem Umfang geschah, wenngleich davon die Schöpfer der Originale kaum oder gar nicht profitierten: Danneckers »Ariadne auf dem Panther«, ein rasch berühmt gewordenes und im 19. Jahrhundert wohl populärstes Werk deutscher Plastik, angefertigt für einen Frankfurter Bankier, fand als Reproduktion Absatz bis nach England und war dort ein populäres Schmuckstück des bürgerlichen Heims. 7 Dort schuf der prominente englische Bildhauer John Bell eine nur leicht variierte Fassung, die wiederum als Vorlage für Porzellanstatuetten diente, welche von den »Minton Works« in Staffordshire in großer Auflage hergestellt werden sollten. 8 Weitere Werke Danneckers wurden lithographisch reproduziert. 9 Von Konrad Weitbrechts Jahreszeitenfries im Landhaus Rosenstein wurden bei Cotta lithographische Reproduktionen verlegt. 10 Außerdem publizierte der Künstler eine Serie lithographischer Darstellungen des von Schiller besungenen Hausfrauenlebens im Stil eines Bas-Reliefs. Von Schicks »Apoll unter den Hirten« ( 1 8 0 6 - 1 8 0 8 ) , als dessen Hauptwerk aus der Zeit seines Aufenthalts in Italien es zuerst in Rom, dann 1 8 1 2 auf der ersten Kunstausstellung in Stuttgart ausgestellt und von Cotta erworben worden war, existierten Stiche und Lithographien der Umrißzeichnung; neben den Ausstellungen besonders in der Kunststadt Rom trugen diese Reproduktionen dazu bei, daß das Werk als ein Hauptwerk der deutschen Malerei jener Zeit angesehen wurde, möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil sein Sujet ein Hauptanliegen von Künstlern und Kunstfreunden thematisierte: die ästhetische Bildung, verkörpert durch den Gott als Lehrenden, der ideal-einfachen Hirten in arkadischer Landschaft eine Lektion erteilt. 11 Auf den Kunst- und Industrieausstellungen wurden ebenfalls Reproduktionen gezeigt. In den Berichten im Cottaischen Morgenblatt waren sie allerdings nur summarisch beschrieben, und es hätte dem Ziel der Ausstellungen widersprochen, das jeweils Fortschrittlichste dem Publikum zu zeigen, wenn dort die ganze Palette der Reproduktionen zu sehen gewesen wäre. Indem sie ihre Werke reproduzieren ließen, sie in ihren Ateliers zur Besich-

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tigung ausstellten und sie in der Tageszeitung rezensieren ließen, benutzten die Hofkünstler Wege zur Veröffentlichung ihrer Werke, die der entstehenden modernen Kunstöffentlichkeit entsprachen. Wie die Titel der meisten oben genannten Künstler zeigen, waren die zur Zeit des Umbruchs etablierten Künstler in Staatsdiensten oder bezogen eine Pension. Der Staat hatte also eine Verpflichtung übernommen, die ehemals dem Hofe zugefallen war, was seinen Ausdruck darin fand, daß der Titel Hofkünstler nicht mehr mit einem Hofamt verbunden war, sondern ein Titel, mit dem ein (bis zur Etablierung einer Kunst- und Gewerbeschule 1829 eher symbolisches) Lehramt an der Kunstschule verbunden war, welche dem Ministerium des Innern unterstand. 12 Die etablierten Künstler konnten, solchermaßen abgesichert, den Umbruch als eine Befreiung der Kunst zur Autonomie erleben. Ihre Werke wurden allerdings in der Kunstöffentlichkeit als »vaterländische Kunst« rubriziert, im Königsschloß museal präsentiert und damit in den Dienst wachsenden Nationalbewußtseins genommen. 13 Sie selbst wurden bei Lebzeiten zu Klassikern. Bei den umfangreichen Bauprojekten König Friedrichs und König Wilhelms im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts war das Luxushandwerk zu einer bis dahin in Württemberg unerreichten, aber kurzen Blüte gelangt.14 Durch die politischen und kulturellen Umwälzungen änderte sich ihr Status während dieser Zeit von Fürstendienern, welche in Hofwerkstätten ausschließlich Aufträge für das Herrscherhaus erledigten, zu selbständigen Unternehmern, deren Arbeiten denen der mechanischen Künste, wie etwa die Uhren- oder Instrumentenmacherei, zugeordnet wurden. Zwar konnten sich einige von ihnen weiterhin nicht nur mit dem Titel Hofkünstler schmücken, sondern hatten auch ein Hofamt, 15 aber ihr Ansehen war zunehmend bestimmt von dem Ausmaß, in welchem sie sich die von der Kunst gesetzten Vorbilder zu eigen machten. Eine kunsthandwerkliche Luxusproduktion fur den Markt, wie in den großen Städten Europas, hatte sich im provinziellen, abgelegenen Stuttgart im 18. Jahrhundert nicht entwickeln können, und damit fehlte den mechanischen Künstlern die Erfahrung, einen überlokalen Markt zu beliefern.16 Auf Schloß Rosenstein arbeiteten Künstler und Kunsthandwerker noch in der Weise des Ancien Regime zusammen an der Ausführung der Pläne Saluccis und des Königs.17 Der Hofebenist Klinckerfuß lieferte Hunderte von Möbeln, aber, nachdem die Hofkünstler 1807 aus dem Schloß ausquartiert und die Kabinettschreinerei als Hofamt 1816 abgeschafft worden war, als selbständiger Unternehmer.18 Wie schon bei früheren Arbeiten orientierte er sich dabei an Vorlagen des Empire und des Neoklassizismus.19 Die Kunsthandwerker, gemäß der neuen Auffassung von der Kunst gegenüber den Bildenden Künstlern im Status herabgesetzt, waren eben dadurch möglicherweise unbeschwerter in der Lage, sich den Ansprüchen 210

der Kundschaft auf Dekorationen nach ihrem Geschmack anzupassen. Wenn sie damit Erfolg hatten, konnten sie ihre Werkstatt zum Betrieb ausweiten oder als Magazin fiir Importware betreiben. Anzeichen dafür geben die Ausstellungsberichte oder Annoncen in der Schwäbischen Chronik, der Hofbildhauer Frank eröffne ein Möbelmagazin mit allen Arten Möbeln nach neuestem Geschmack, darunter auch französischen, und der Hofvergolder C. Braun habe Spiegel und vergoldete Vorhangverzierungen auf Lager. 20 Klinckerfuß belieferte schon vor 1 8 2 0 Privatkunden im Umkreis der Residenz mit Möbeln und suchte darüberhinaus seinen Namen bekanntzumachen, indem er 1 8 1 7 die Abbildung eines von ihm entworfenen schlicht-funktionalen Tischschreibschranks im »Journal des Luxus und der Moden« publizierte; seit 1 8 2 0 war seiner Werkstatt ein reich sortiertes Verkaufsmagazin angegliedert; er nahm 1830 an der Stuttgarter Kunst- und Industrieausstellung teil. 21 Seinen Titel als Hofkünstler behielt er als Lieferant fiir den H o f bei. An der Kunst- und Industrieausstellung von 1824 hatten einige ehemalige Hofhandwerker teilgenommen, so der Hofsilberarbeiter Sick mit einem getriebenen Becher und einem Tafelkorb »von ganz unvergleichlicher Arbeit«, der Hofmechanikus Marschall mit einer Pendeluhr, deren Räder und Gehäuse aus sogenanntem Kronengold, einer neuartigen Legierung, gefertigt waren, der Hofgürtler Bertrand mit zwei Bügeleisen und einem Leuchter »aus goldähnlicher Composition«. Ziseleur Münch, der einen Kronleuchter und einen großen bronzenen, vergoldeten Spiegelrahmen ausgestellt hatte, welche von der Ausstellungskritik an Geschmack, Zierlichkeit und vergoldeter Pracht Pariser Arbeiten gleichgestellt wurden, 22 firmierte erst auf der nächsten Stuttgarter Ausstellung 1 8 2 7 als Hofhandwerker mit einem vergoldeten Kronleuchter aus Holz und einem Tisch aus Mahagoni mit vergoldetem Bronzeschaft fiir die königliche Hoheit, Herzogin Henriette, 23 was darauf schließen läßt, daß Aufträge an Handwerksmeister von Seiten des Hofes mit der Verleihung eines solchen Titels verknüpft sein konnten. 24 Im Ausstellungsbericht von 1 8 3 9 wurde er als Hofhandwerker und zugleich als Bronzewarenfabrikant bezeichnet. 25 Die erste allgemeine deutsche Industrieausstellung in Mainz 1842 beschickte er mit einem Tischaufsatz mit Spiegel, einem Kronleuchter, zwei großen Girandol-Leuchtern, alles aus feuervergoldeter Bronze. Er gab an, auch Treppengeländer zu fabrizieren und seine Waren nicht nur in Württemberg, sondern auch ins Ausland zu verkaufen.26 Der Ausstellungskatalog bezeichnete die Herstellung feuervergoldeter Gegenstände - Pendeluhren, Kandelaber, Kronleuchter, Statuetten und ähnliches mehr - als eine florierende Pariser Industrie, welche in Deutschland erst seit Gründung des Zollvereins habe Fuß fassen können. 27 Dem Bericht über die Stuttgarter Industrieausstellung zufolge hatte allerdings Münch diese Technik schon 211

1824 kommerziell verwertet. Daraus läßt sich nicht nur schließen, daß Münch sie in Paris gelernt haben mußte, sondern auch, daß der Hofziseleur begriffen hatte, daß in der Kombination von Titel und Prestige, technischem und künstlerischem Spezialwissen, einigem Kapital und der Übernahme einer in Paris florierenden und in Deutschland geschätzten Kunstindustrie seine Chance lag. Darüberhinaus läßt sich aus den Expansionsversuchen des Hofziseleurs schließen, daß es eine Nachfrage nach teils seriell hergestellten, teils individuell variierten Luxusprachtgegenständen, wie die goldbronzenen Treppengeländer, Kandelaber und Leuchter sie darstellten, gegeben haben mußte, 28 welche höfischen Luxus prätendierten, aber durch rationelle Fertigung den verschwenderischen Aufwand höfischer Lebensführung begrenzten. 29 Die Reproduktion von Bronzestatuetten, einem Hauptartikel der französischen Bronzeindustrie, umfaßte das Sortiment jedoch nicht. Es war auf die Ausrüstung von Prachtbauten zugeschnitten und zielte auf Wirkung in einem halb privaten, halb öffentlichen KunstRaum, war aber noch ohne Objektbezug zum Musealen. Der Hofsilberarbeiter Sick, in Stuttgart 1827 noch mit einem überaus kunstreichen, getriebenen Silberpokal vertreten, einem Geschenk des Fürsten Ernst von Hohenlohe-Langenburg an den in seinem Dienst stehenden Geheimrat Zeller, sowie mit dem Relief einer ländlichen Jagdszene, gelobt als Straßburger Meisterarbeit vergleichbar, 30 stellte dort 1832 silbernes Tischgeschirr, eine Terrine, einen Eis- und einen Teekessel, Kaffee-, Teeund Sahnekannen, eine Zuckerdose und ähnliches aus.31 Allerdings war das als so prächtig und wertvoll beschrieben, daß es zum Hausschatz adliger Familien mehr als in bürgerliche Interieurs passen mochte. Der Silberschmied wich den Umständen und Möglichkeiten der neuen Zeit aus. Im Gegensatz zur seriellen Herstellung von Bronzestücken durch Guß waren für die fabrikmäßige Herstellung von Silberwaren schwere Pressen und teure, da schwierig zu gravierende Stahlstempel notwendig. Die industrielle Herstellung von Silberwaren würde von anderen besorgt werden, die in der Lage waren, in großem Stil zu fabrizieren, oder die geschickt handwerkliche Herstellungsmethoden und einfache halbmaschinelle Produktions- und Verzierungsverfahren mit dem Abglanz höfischen Prestiges kombinieren konnten, wie der 1827 prämiierte Stuttgarter »Silberarbeiter« Reinecker, dessen guillochierte, mit maschinell gefertigten Scharnieren versehene Silberdosen als »Würtemberg eigenthümlich gewordenen«, also (vorerst) nur da hergestellte Artikel »starken Absatz ins Ausland« fanden. 32 Reinecker und der Ziseleur Münch schafften letztlich den Sprung zum Fabrikanten nicht. Im »Verzeichniß sämmtlicher Kaufleute, Fabrikanten und Buchhändler in Stuttgart« von 1846 wurden sie nicht gefuhrt. Dafür aber waren eine Reihe von Fabriken für Bijouterie (Modeschmuck), Möbel und Musikinstrumente angeführt, also für kunsthand212

werkliche Produkte. Eine davon, die Möbelfabrik des Hofebenisten und Kommerzienrates Israel Friedrich Wirth (1806-1883), war aus dem Luxushandwerk hervorgegangen, welches Anfang des Jahrhunderts dank königlicher Aufträge aufgeblüht war. Sein Vater hatte am Schloß Rosenstein mitgearbeitet; er selber lieferte in den 1840er Jahren Möbel für das Wilhelmspalais und das Neue Schloß im spätklassizistischen Hofmöbelstil, den Klinckerfuß wesentlich geprägt hatte. 33 Zugleich partizipierte er aber an der ersten deutschen Industrieausstellung 1842 in Mainz mit einem reich skulptierten, »im Rokokogeschmack gearbeiteten Bibliotheksschrank,« 34 während er die allgemeine Industrieausstellung in Leipzig mit einem prachtvollen Spiegelschrank im Renaissance-Stil beschickte - ein Reklamestück im modernen Geschmack, geeignet, seine Fabrik landesweit

Abbildung 17: Schrank von Wirth, Stuttgart, „Moderne Deutsche Renaissance", in: Industrie-Ausstellung Leipzig, S. 28, Fig. 38. Die dargestellte Szene - ein Paar vor dem repräsentativen Schrankmöbel, ein Mann, der mit Hilfe des Spiegels mit der Frau flirtet, greift einerseits auf das Hahnrei-Motiv populärer Druckgraphik zurück, andererseits läßt sie sich als Vorform moderner Reklametechnik begreifen - Objekte werden nicht nur mit Status, sondern auch mit Gefühlen assoziiert.

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bekanntzumachen. Wirth hatte sowohl die handwerkliche als auch die künstlerische Mentalität zugunsten einer unternehmerischen hinter sich gelassen. Die Fabrik war innerhalb der in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Stuttgart aufblühenden Möbelindustrie eine der führenden und ein rares Beispiel der gelungenen Transformation handwerklicher in industrielle Produktionsweise.35 Der souveräne Umgang mit dem Publikumsgeschmack und mit Kunst hatte entscheidend dazu beigetragen, daß diese Transformation gelang. Das Beispiel der Hofhandwerker macht deutlich, daß im Bereich von Luxuswaren trotz der wirtschaftlich gedrückten Lage durchaus Absatzchancen bestanden, vorausgesetzt, sie entsprachen einem Geschmack, der allgemein als modern empfunden wurde, ihre Preise ließen sich durch Herstellung in kleinen Serien in Grenzen halten und ihr Vertrieb war nicht auf einen lokalen Markt beschränkt. Indirekte Reklame in Zeitschriften wie etwa dem »Journal des Luxus und der Moden« oder durch die Beteiligung an Ausstellungen konnte diesem Ziel nachhelfen. Gerade Hofhandwerker verfugten auch über eine an Kunst gebildete geschmackliche Sicherheit und über ein Gespür für die Präferenzen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Sie verfügten über die notwendigen Kontakte, um Abbildungen in Zeitschriften lancieren zu können. Durch Hof- und Regierungsaufträge konnten sie größere Werkstätten halten und sich auf serielle Fertigung einrichten. Auf der Ausstellung von 1830 war der pensionierte Hofbildhauer Frank mit wohlfeilen Sesseln von Hartholz und Stroh aus eigener Fabrikation vertreten36 - seine Verkaufserfolge mit französischen Strohsesseln in seinem Magazin hatten ihn wohl darauf gebracht, daß sich die Fertigung lohnte. Den geschäftstüchtigen Hofhandwerkern und Unternehmern gegenüber waren diejenigen Handwerksmeister ohne Chance, welche sich zwar ein so großes fachliches Wissen angeeignet hatten, daß sie sich zu den Künstlern rechnen konnten, wenn auch zu den mechanischen Künstlern, denen aber die technischen, künstlerischen und kapitalmäßigen Ressourcen fehlten, sich auf einen Markt einzustellen, der an jedem Ort in fast jeder Kategorie Ware seine lokalen Bezüge zugunsten einer Abhängigkeit von überregionalen Märkten und Moden verloren hatte und der nicht mehr von einer verschwenderischen Hofhaltung einerseits, der Befriedigung einfacher Grundbedürfnisse andererseits geprägt war, sondern von der Nachfrage nach ästhetisch differenzierten Gütern des gehobenen Bedarfs. Schon in der Schwäbischen Chronik von 1800 versuchten etliche Handwerker, ihre obsolet gewordenen Prachtstücke, die niemand kaufen wollte, auf dem Wege einer Verlosung loszuschlagen. Ein Reskript der Königlichen Oberregierung von 1811 führte die andauernde Stockung des Absatzes der Gewerbe darauf zurück, 214

»dass die Professionisten bei Fertigung ihrer gewohnten Arbeiten, von denen sie jedoch keinen Absatz hoffen können, weil sie den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit nicht mehr angemessen sind, noch immer stehen bleiben.« 37

Die erste Industrieausstellung von 1812 scheint, folgt man dem Ausschreibungstext, hauptsächlich angesetzt worden zu sein, um Handwerkern eine Möglichkeit zu verschaffen, ihre Meisterstücke auszustellen und zu verkaufen. In den Listen der Aussteller und der Ausstellungsstücke, die ab 1 8 2 4 im »Correspondenzblatt fur die Landwirtschaft« erschienen, finden sich bis zur Jahrhundertmitte solche Meisterstücke, obwohl sie dem Ziel der Ausstellung entgegenstanden, volkswirtschaftlich nützliche Dinge und keine bloßen Schaustücke zu zeigen. Die Ausstellungsberichterstattung in der Schwäbischen Chronik hob an solchen Meisterstücken deren Kunstfertigkeit und Dauerhaftigkeit hervor und lobte Mühe und Fleiß, die darauf verwendet worden seien. 38 Auch die Ausstellungsbeschreibungen im Correspondenzblatt würdigten Fleiß und Solidität solcher Schaustücke. Eine Ambivalenz im Bewußtsein der Rezensenten und der Ausstellungsmacher, derer, die über Dinge schrieben, kommt in diesem unvermittelten Nebeneinander der Freude am ästhetisch Modernen und ihrer unendlichen Menge qualitativer Differenzen einerseits, der Wertschätzung des Soliden und Fleißigen, aber ästhetisch Altfränkischen und zu Teuren andererseits zum Ausdruck, eine Ambivalenz, die sich im Grunde auf ein moralisches Unbehagen zurückfuhren ließ. Fleiß und Solidität waren bürgerliche Grundtugenden, Bescheidenheit in der Lebensführung ihr - unausgesprochenes - Äquivalent. Ein die Berufsgruppen übergreifendes bürgerliches Selbstverständnis konnte sich auf solche gemeinsamen moralischen Maximen berufen. Der moderne Konsum, die entgrenzten Bedürfnisse, der mangelnde Geschmack ließen sich moralisch nicht rechtfertigen und richteten, für alle sichtbar, die traditionellen Exponenten dieser Werte zugrunde. Ihre Ausstellungsbeteiligung und Prämiierung lassen sich am ehesten als eine demonstrative, aber ökonomisch folgenlose moralische Stützung dieser wackeren Handwerksmeister begreifen, deren Geschäftsregeln und Verhaltenskodex ihnen selbst im Wege standen, seit die Kontrolle geschäftlicher Konkurrenz, der dieser Kodex vor allem dienen sollte, durch ein neuartiges Warenangebot und veränderte Konsumgewohnheiten unterlaufen wurden. Einer von diesen Opfern außer Kraft gesetzter Konventionen war derjenige Stuttgarter Schneidermeister, dessen Witwe Ende Februar 1824 den Selbstmord ihres Mannes anzeigte, da er wegen Arbeitsmangels nicht mehr aus noch ein gewußt, sie und ihre unmündigen Kinder im Stich gelassen habe. Direkt unter dieser plakativ vorgebrachten Klage gegen die verantwortungslose Kundschaft war eine Mitteilung der Putzmacherin Nanette 215

Vinzenz piaziert, die das Eintreffen von Hüten und Putz neuester Fafon ankündigte - ihre Annoncen erschienen 1824 als einzige regelmäßig in der Chronik. Offensichtlich hatte diese Dame die Zeichen der Zeit besser verstanden. Arbeitsmangel oder mangelnder Verdienst waren jedenfalls nicht ihr Problem. Was aus dem historischen Rückblick als Krise des Handwerks wegen der Konkurrenz der Fabrikindustrie erscheint, läßt sich mit Hilfe der hier polemisch kontrastierten Annoncen im mikrokosmischen Zusammenhang des Geschäftslebens einer Stadt im Biedermeier als der Zusammenprall zweier Mentalitäten begreifen, welche Produktion und Konsum so prägten, daß sie systematisch aneinander vorbei produzierten respektive konsumierten. Die Hofhandwerker standen ein Stück weit über diesem Zwiespalt, wenn sie die Rolle begriffen, welche Kunst im modernen Konsum einnahm und zugleich über eine künstlerisch-technische Qualifikation verfugten, sich darauf einzustellen wie Klinckerfuß; ein Stück weit konnten sie auch noch auf die Wirkung des Hofes als Vorbild in Geschmackssachen und auf den Konservativismus altbegüterter Stadtbewohner bauen, für die solide, elegante und ästhetisch stimmige Qualitätsware eine langfristige Investition darstellte. Die gewöhnlichen Handwerksmeister scheiterten letztlich daran, daß sie sich diese Optionen nicht zunutze machen konnten, nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung in ihrem sozialen und kulturellen Selbstverständnis desorientiert waren und vergeblich versuchten, Meisterwerke entweder nach alter, überflüssig gewordener Weise oder nach dem Vorbild der Künstler zu schaffen. Während aber die Meisterwerke der Stuttgarter Klassiker Aufnahme ins »Museum vaterländischer Alterthümer« fanden, blieben die Meisterstücke der Handwerker bis auf einzelne Ausnahmen draußen. Die Beherrschung des neuen, an der Kunst orientierten Verständigungszusammenhangs zwischen Produzenten und Konsumenten würde zur Spezialität von Kunstindustriellen und von Künstlern eigener Art werden. Die Putzmacherin war eine von ihnen.

3.2. Künstler für den Kunstkonsum u n d fabrizierende Künstler Den neuen Bedürfnissen, dem vielfältigen Angebot an Waren entsprach eine neue Art Künstler, in sich so vielfältig und verschieden nach Herkommen und Tätigkeit wie die neue Warenwelt vielfältig an Dingen, Materialien und Formen war. In der Hauptsache lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: einmal solche, welche ihr zeichnerisch-künstlerisches Talent einsetzten, um damit entweder »Kunst« zu schaffen oder zu vermitteln, dann zum zweiten solche, die Sachen der verschiedensten Art herstellten 216

und mit einem »künstlerischen« Touch versahen. Beide Gruppen gingen ineinander über, ihnen gemeinsam war auf jeden Fall, daß sie ihre Existenz in der Hauptsache weder durch ein Hofamt noch durch eine staatliche Anstellung bestritten, sondern von der Kunst-Konjunktur und der neuen Kunstöffentlichkeit lebten, die sich spätestens seit den zwanziger Jahren im städtischen Leben Stuttgarts deutlich abzeichnete. Teils waren es Künstler, die ihre Chancen zur Realisierung eines Meisterwerks gering schätzten und stattdessen von der neuen Nachfrage nach gefälliger, preiswerter Kunst profitieren wollten, indem sie sie in jeder Hinsicht zu befriedigen suchten. Als Künstler in diesem Sinn läßt sich sicher der Landschaftsmaler Müller aus Riga bezeichnen, welcher es 1824 geschafft hatte, gleich dreißig seiner italienischen Landschaften in der Kunstausstellung in Stuttgart zu piazieren 39 und in der Schwäbischen Chronik annoncierte, sie durch eine Lotterie verkaufen zu wollen. 40 Studierte man die ausgestellten Werke anhand ihrer Beschreibung in der Schwäbischen Chronik genauer, 41 ließen sich unter den Stuttgarter Künstlern weitere finden, die ähnlich spekulativ mit ihren Kunstwerken umgingen. Zahlreiche Künstler fertigten Graphiken und Reproduktionen. Dabei geriet der Kupferstich, eine klassische und mühsame Kunst der Reproduktion seit der Renaissance, die großes technisches Können erforderte, zugunsten der schnelleren, leichter auszuführenden und in größeren Stückzahlen zu druckenden Lithographie ins Hintertreffen. Lithographische Blätter waren schon Anfang der zwanziger Jahre in solchen Mengen auf dem Markt, daß vor Massenauflagen schlechter Qualität gewarnt wurde, da sie den Geschmack des Publikums verdürben. 42 Die etablierten Stuttgarter Künstler befaßten sich kaum mit dieser Technik 43 und überließen das Feld Zeichenlehrern und Stechern, zu denen rasch Lithographen kamen, welche sich nach einer zeichnerischen und technischen Grundausbildung auf das neue Medium spezialisiert hatten. 44 Ein typisches Beispiel war Carl Heinrich Wenng (1787-1854), der 1805 bei dem Stuttgarter Kupferstecher Johann Gotthard von Müller das Stechen zu lernen begann, sich dann aber der Landschaftsmalerei zuwandte. Zur weiteren Ausbildung in diesem Fach machte er Reisen durch die Schweiz und nach Italien (beide Länder lieferten die beliebtesten Sujets, das eine wild-pathetische Schluchten, Wasserfälle, Felsen, das andere verträumt-romantische Täler, Hügel, Ruinenansichten und ähnliches mehr). 1810 kam er nach München und wurde dort 1812 Zeichenlehrer an der Armenbeschäftigungsanstalt. Zwischen 1816 und 1827 arbeitete er in Stuttgart als Lehrer fur Kalligraphie und Planzeichnen an der lithographischen Anstalt, über die noch berichtet werden soll. Wenng reproduzierte Danneckers Skulpturen im klassizistischen Umrißstil und schuf Phantasien nach Schillers Dichtungen. Die meisten seiner Lithographien waren jedoch Landschafts- und Genredar217

Stellungen. Er schuf nicht bloß Einzeldarstellungen, sondern auch Illustrationen für das Taschenbuch fair Damen und für das Kunstblatt und Lehrskizzen für den Unterricht im Landschafts- und Figurenzeichnen. 45 Auf der Kunstausstellung 1824 war er mit einem Gemälde und einer Zeichnung vertreten. Die Produkte einiger dieser Künstler haben Anerkennung als Kunstwerke gefunden, wurden gesammelt und katalogisiert. Weit mehr noch aber müssen Illustrationen, Vignetten, Ornamente, Dekorationen und vieles andere geschaffen worden sein, was heute nirgends verzeichnet, dessen Erhaltung Zufällen zu verdanken ist. Vorlagenblätter für den Zeichenunterricht und für Produkte gehören dazu. Ein solches Beispiel sind die auf der lithographischen Presse des Verlages von Engelhorn und Hochdanz erschienenen Vorlagenblätter eines unbekannten Künstlers. 46 Die Entwürfe, in der Tradition gestochener ornamentaler Vorlegeblätter der Renaissance, des Barock und Rokoko stehend, sind zum größten Teil gar nicht für die Ausführung gedachte Phantasiestücke. Die zeichentechnische Versiertheit und das starke Rocaille-Element in den eklektizistischen Entwürfen, die auf ein intensives Studium von Luxus-Ornamentik vergangener Jahrhunderte hindeuten, die Affinität zu Silberschmiedarbeiten, die Vielzahl der Gegenstände mit höfischem oder katholisch-kirchlichem Bezug lassen vermuten, daß der Künstler das Zeichnen in Augsburg, dem traditionellen Zentrum des Silberschmiedens in Süddeutschland, gelernt hatte, und zwar systematisch, als eigenständige Ausbildung, nicht als bloßes Hilfsmittel zum Silberschmieden. Dann hätte er in München weitere Erfahrungen in der Lithographie sammeln können. Die Assoziationen an eine romantische Gotikrezeption - die Spitzbogenornamente und die Figuren in »deutscher« Tracht - sind Zutaten, die an einen bürgerlichen Konsumentengeschmack appellieren sollen. In die Richtung bürgerlichen Konsums gehen auch die zahlreichen kleinen Schmuckstücke wie Anstecknadeln und anderes mehr, schließlich fällt auf, daß viele Ornamente rahmenden Charakter haben, also dazu dienen sollen, ein Bild oder auch einen Spiegel zu umschließen. Zu der Zeit, in der sie erschienen, war die Tradition der Ornamentstiche gebrochen und die Zeit des Rocaille so lange vorbei, daß sie als eine kurzlebige Mode sich neben Altdeutsch-Gotischem behaupten konnte. In den Vorlagenblättern erscheinen die Ornamente von ihrem ursprünglichen Ort gelöst und in bizarren Kombinationen zusammengefügt, jenseits eines realen Gebrauchs, fünktionslos, einzig auf den spektakulären Anblick hin konzipiert. So spiegelt sich in ihnen das Verschwinden der Ordnung, in denen jene Formen einst einen Zusammenhang bedeutungsvoller Pracht geformt hatten, und das Aufkommen einer neuen Ordnung, in welcher eine Vielzahl von Formen auf das Spektakuläre hin in flüchtiger Ordnung 218

Abbildung 18: Rocaille-, Renaissance- und Gotik-Ornamente, zum Teil als Kerzenhalter oder als Ansteckschmuck, in: Riehmann, Verzierungen, Tafel 13.

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Abbildung 19: Torten-Dekoration in Form eines gotischen Turmaufsatzes, in: Neunhöfer, Torten-Kompositionen, Stadtarchiv Stuttgart.

gefugt war, wie eine Warenauslage, wie die Eindrücke eines Passanten beim müßigen Durchqueren des Kunstraumes Stadt oder eines Museums. Weit ungelenker ist eine Serie von teils kolorierten lithographierten Vorlagen für Konditoren, welche vermutlich im Selbstverlag erschien. 47 Das Datum der Entstehung ist nicht bekannt, aber die Machart läßt es zu, die frühen 1830er Jahre als Entstehungszeitraum zu vermuten. Ornamentale Details, architektonische Aufbauten und kunsthandwerkliche Vorlagen waren auf Backwerk übertragen, und so wurde dieses im künstlerischen Sinne »schmackhaft«, Kunst wiederum im elementaren Sinne »verdaulich« gemacht. In der gewagten Verbindung zwischen Kunstreproduktion und Konsumgut wird noch besser als bei den ornamentalen Vorlagen für Metallarbeiten deutlich, in welcher Weise Kunstformen verfügbar geworden waren und zur Gestaltung »moderner« Konsumgüter herhalten mußten; wie sehr andersherum der »moderne« Geschmack sich an Reproduktionen von Kunstwerken aller Art orientierte. Besonders bizarr wirkt dabei, von heute aus gesehen, der »gotische« Turmhelm. Andererseits lag gotische Architektur als Vorbild in Stuttgart insofern nahe, als die Brüder Boisseree in Stuttgart an der Herausgabe ihrer Stiche zur Rekonstruktion der Kölner Doms arbeiteten und nicht versäumten, diese Arbeit publik zu machen. Ein noch ausgefalleneres Metier betrieben in Stuttgart zwei Franzosen, indem sie ihren Körper zur Kunst machten. In der Buchhandlung Georg Ebners waren vom Maler und Zeichner Carl Wenng (1787-1854) lithographierte »plastisch-mimische« Darstellungen eines Herrn Lepesnier erhältlich, der unter anderem als griechischer Ringer, Fechter und Bogenschütze, als Brutus und Britannicus posierte. Die Abbildungen sollten wohl Zeichenschülern das Aktmodell ersetzen. Sein Landsmann und Kollege wurde aktenkundig, als er 1831 zusammen mit einem Kumpanen bei Cannstatt beim Fischen im Neckar erwischt, verprügelt und verhaftet wurde. Beim Verhör gab er an, von Beruf »Hercule et modele d'academie« zu sein. 48 Seit es in Stuttgart Ausbildungsmöglichkeiten gab, zuerst seit 1821 im Rahmen der lithographischen Anstalt, dann seit 1829 in der Kunstschule, hatte sich die Zahl der lithographierenden Künstler enorm vermehrt. 49 Wenn sie nicht von ihren Werken leben konnten, indem sie für einen Verlag arbeiteten oder selbst Verleger wurden, fanden sie Arbeit als Zeichenlehrer, Modezeichner, Zimmermaler, Musterzeichner in der Industrie, zeichneten Landkarten und ähnliches mehr. Die Arbeitsmöglichkeiten waren für diese Absolventen nicht auf Stuttgart beschränkt. Lithographische Verlage gab es zuerst in Ulm, Heilbronn und Reutlingen und lithographische Pressen schon Mitte der zwanziger Jahre in vielen größeren Städten Württembergs, die Zahl der lithographischen Betriebe stieg von 31 im Jahre 1831 auf 57 221

im Jahre 1835. 50 Lithographen wurden von Gmünder Silber warenfabrikanten und der Göppinger Blechwarenfabrik beschäftigt. 51 Die Esslinger Blechwarenfabrik Deffner beschäftigte mehrere Zeichner, ebenso die Schramberger Manufaktur, die Silberwarenfabrik Bruckmann in Heilbronn oder das Wasseralfinger Hüttenwerk, wahrscheinlich aber haben noch mehr Zeichner für Fabriken gezeichnet. Zu den bis jetzt charakterisierten Künstlern läßt sich eine weitere, sehr heterogene Gruppe fabrizierender Künstler rechnen. Gemeinsam war ihnen, daß sie museal gewordene Kunst, Reproduktionen und »kleine Kunst«, wie sie die oben charakterisierten Künstler herstellten, als Reservoir für Gestaltungsformen von Produkten aller Art verwendete. Dazu gehörten Handwerker wie zum Beispiel Schreiner und Schneider oder Konditoren, aber auch Putzmacherinnen und Verfertigerinnen von künstlichen Blumenbouquets und vielerlei Arten kleiner Gewerbe im Bereich modischer Waren, Nippes und Wohnaccessoires. Der Übergang zu den oben charakterisierten »Künstlern« war fließend. Man kann zum Beispiel Jean Heideloff dazurechnen, Vergolder und jüngster unter den fünf Söhnen des Hofvergolders Carl Heideloff, die alle in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im weiten Feld der Kunst tätig sein würden. Neben dem schon oben erwähnten Maler Victor Wilhelm Peter, der noch auf der Karlsschule ausgebildet und als Dekorationsmaler fur die herzoglichen Schlösser verwendet worden war und später Ölbilder, Vorlagen für Stiche und Lithographien und Theaterdekorationen geschaffen hatte, war das zum einen der bereits erwähnte Nicolaus Innocentius Wilhelm Clemens van Heideloff, der, auf derselben Schule wie sein Bruder ausgebildet, auf der obligaten Bildungsreise nach Paris während der Französischen Revolution nach England floh, wo er 1 7 9 4 - 1 8 0 2 die »Gallery of Fashion« herausgab und die zugehörigen Modekupfer und Aquatintablätter stach. Er wurde schließlich Galeriedirektor in Den Haag. Zwei weitere Brüder waren als Bildhauer und Maler früh in die Dienste anderer Höfe getreten. Jean Heideloff nun versuchte, auf dem entstehenden bürgerlichen Markt für Kunst zu reüssieren, indem er eine »Compagnie« gründete, welche Nippes aus »Komposition« herstellte, wohl einer Materialmischung, wie sie für das Stuckieren verwendet wurde. November 1800 annoncierte er eine Verlosung seines Warenlagers, bestehend aus großen, antik bronzierten Figuren, Uhrgestellen, Dosen, Reisetoiletten, Trinkbechern, Service-Tellern und -Tassen, männlichen und weiblichen Figuren in Nationaltrachten und Uniformen sowie verschiedenen Tierfiguren. Die Lose sollten nur 24 kr. kosten, jedes zweite Los gewänne, und sie seien sowohl in Stuttgart als auch in Böblingen, Reutlingen, Heilbronn, Schwäbisch Hall, Ludwigsburg und Backnang zu haben, die Ziehung erfolge unter behördlicher Aufsicht. 52 Die Größe dieses spekulativen Unterfangens und die Art der Waren 222

gab ihm eine andere Qualität als die Verlosungen, durch welche Handwerksmeister ihre »Kunststücke« loszuwerden versuchten. In den Berichten über die Kunst- und Industrieausstellungen finden sich zahlreiche solcher »Fabrikanten« mit ihren Produkten, die sich an Kunstoder Stilformen orientierten und damit dem Zeitgeschmack zu entsprechen suchten. Ein Stuttgarter Färber zeigte 1 8 3 0 eine Musterkarte mit Stoffen, welche mit lithographierten Bildern bedruckt waren, und dazu Buntpapier nach Pariser Art. 53 Zur gleichen Zeit stellte ein Maler und Lackierer aus der Hauptstadt ein Tischchen aus Tannenholz aus, welches er nach einer eigenen Methode lackiert hatte und dessen Platte mit einer Blumengirlande bemalt war; er warb für seine Lackiermethode, mit der sich gewöhnliche, auch gebrauchte Weichholzmöbel billig neu und hübsch herrichten ließen. Einige verstiegen sich dabei zu Kunststücken, wie ein Stuttgarter Konditor, der ein Modell des neu erbauten königlichen Pavillons in Weil bei Esslingen in Pappe nachbaute und das Modell als Nähkästchen herrichtete. 54 Daneben aber gab es solche, die weder Einzelstücke noch große Mengen, weder Luxusgüter noch gewöhnliches Gebrauchsgut, sondern Dinge des gehobenen Bedarfs und des bescheidenen Überflusses in kleinen Serien herstellten, welchen durch Variation in Details der Anschein von Einzigartigkeit oder von modischer Aktualität gegeben werden konnte. Noch viele weitere »Künstler« lassen sich in den Adreßbüchern finden, oft firmierten sie zugleich als Kunsthändler oder Handwerker.55 Ein solcher annoncierte im Stuttgarter »Wegweiser« 1829, er fertige vergoldete Krön- und Wandleuchter, restauriere Ölgemälde und verkaufe sie in Kommission; ein Knopfmacher kündigte ebendort an, er habe sich auf die Anfertigung von »Haargemälden« spezialisiert.56 Derartige Kunst-Fabrikanten waren in der 1820er Jahren nicht auf Stuttgart und das Umland der Hauptstadt beschränkt, sondern fanden sich selbst in kleineren Orten - ein Indiz dafür, daß Vorlagenblätter und Zeichner ihren Weg in die Provinz gefunden hatten. So schmückte ein Damastweber in Münsingen seine Servietten, die er 1 8 2 7 ausstellte, mit dem königlichen Landhaus Weil.57 Eine Ulmerin warb für selbstbemalte Schonbezüge, eine Ludwigsburgerin für künstliche Blumen, ein Metzinger Bildhauer für Uhrengestelle aus Alabaster.58 Zu den »Künstler«-Fabrikanten kann man auch Anton Sohn ( 1 7 6 9 - 1 8 4 1 ) sowie Johann Jacob ( 1 7 4 0 1 8 2 3 ) und Septimus ( 1 7 7 8 - 1 8 2 3 ) Rommel zählen, Hersteller der sogenannten Zizenhausener und Ulmer Figuren aus bemaltem Ton, Auslagenschmuck in Schaufenstern und Nippes im bescheidenen Bürgerhaus, welche nach zum Teil berühmten Stichvorlagen geformt und im südwestdeutschen Raum vertrieben wurden. 59 Weiter gehörten zu den Künstlerfabrikanten auch Zimmermaler und Tapezierer, welche Raumdekorationen dem Zeitgeschmack anpaßten. Ei-

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ner dieser Zimmermaler war Friedrich Maurer. Er hatte in den 1820er Jahren das Malen und Lackieren in Ludwigsburg noch als eine eher mechanisch-praktische Verrichtung gelernt, die Dekoration von Räumen beschränkte sich auf das Weißein des Plafonds und der Dekoration der Wände mit Leimfarben, schablonierten Mustern und Deckenbordüre. Als Geselle lebte er außer vom Zimmermalen vom Dekorieren von Tanzsälen und dem Kolorieren von Bilderbögen. Aufwendigere, »stilvolle« Zimmerdekorationen lernte er während einiger Jahre in Berlin kennen, wo die »Kunst«fabrikation florierte und er Landsleute traf, die ihr Glück in Berlin machten: Ofenbauer, Kupferschmiede, Tapezierer und Schlosser. In der Zeit nahm er Unterricht im Zeichnen und lernte die Ölmalerei. 1836 kaufte der Stuttgarter Kunstverein ihm ein Gemälde ab. 1837 zum Meister in Ludwigsburg ernannt, firmierte er 1 8 3 9 / 4 0 als Maler, Gipser und Kunsthändler. Als letzterer stieg er in die Stuttgarter Gesellschaft auf und machte ausgedehnte Handelsreisen in Sachen Kunst. Durch seine Hände gingen Meisterwerke der Kunstgeschichte von da Vinci, van Dyck, Andrea del Sarto und vielen anderen.60 Der Autor selbst relativierte seine Ausnahmekarriere, indem er ähnliche schilderte, welche Arbeitskollegen und Landsgenossen im boomenden Berlin der 1830er Jahre durchliefen, so der Aufstieg eines Hafnermeisters aus Böckingen bei Heilbronn, der es in Berlin zu einer Ofenfabrik brachte und eine Straße voll Häuser baute, oder Tapezierunternehmer, Kupferschmiede, Schlosser, die zu Fabrikanten wurden, indem sie mit Witz und Können aus Dingen und Dekorationen aller Art Profit zogen, weil sie in der Lage waren, solche im »modernen Geschmack« serienweise herzustellen: Tapeten, Zimmermalereien, Fayenceöfen, Bronzewaren und Eisenbetten.61 Anhand solcher Lebenswege wird noch einmal aus einem anderen Blickwinkel ein spezifischer Bereich zwischen Kunst, Konsumkultur und Kommerz plastisch vor Augen geführt, welcher im Biedermeier Brennpunkt einer Modernisierung des Lebens, einer Ästhetisierung des Blicks, einer Entgrenzung der Bedürfnisse und zugleich einer Musealisierung von Kunst war, welche in nie gekanntem Maße auf dem Kunstmarkt zur Verfugung stand. Die »Künstler«-Fabrikanten trieben die Modernisierung voran, indem sie Kunst als Ressource fur Gestaltungsformen und als Referenz fur das Moderne, Zeitgemäße, Modische benutzten, beides ihren Produkten applizierten und diese auf einem Markt anboten, der expandierte. Schließlich lassen auch Anträge auf Unterstützung zur Gründung oder Ausweitung eines Gewerbebetriebs, die in den dreißiger und vierziger Jahren an die württembergische »Gesellschaft zur Beförderung der Gewerbe« gerichtet wurden, deutlich werden, daß in Württemberg im Bereich des modernen, gehobenen Konsums ein Schwerpunkt bei der Gründung 224

von Betrieben lag und daß die Fabrikanten in spe sich aus dem Umfeld künstlerisch besonders qualifizierter Handwerker rekrutierten. So bat beispielsweise ein Weber aus Möckmühl um ein Darlehen zur Betriebsgründung einer Bildweberei, die er im Ausland gelernt hatte, 62 ein Konditor aus Esslingen brauchte 1832 Geld, weil er Apparaturen zur Herstellung von Tabaksdosen aus Papiermache anschaffen wollte, ein Calwer Flaschnermeister bat um finanzielle Unterstützung, weil er Spielzeug herstellen wollte, da die ordinäre Flaschnerei nichts mehr einbringe. 1847 wollte ein Stuttgarter Lackierer sich auf das Lackieren von Weichholzmöbeln spezialisieren, die wahlweise Möbeln aus teurem Mahagoni-, Palisander-, Nuß-, Kirschbaum- und Eichenholz gleichen sollten. 63 Die summarischen Angaben reichen, um die beschriebenen Fabrikationen im Bereich der modernen Konsumgüter anzusiedeln. In der trockenen Wirtschaftssprache der Anträge ging der Bezug der hergestellten Gegenstände zur Kunst verloren, er muß über zusätzliche Quellen erschlossen werden, wie den Beschreibungen ähnlicher Produkte auf den Kunst- und Industrieausstellungen, woraus hervorgeht, daß etwa Tabaksdosen üblicherweise mit Bildern verziert waren und Holzmosaik entfernt Intarsienarbeit glich. Mehr über Gestaltung erfährt man aus einem Darlehensgesuch, welches die »Gesellschaft der Kunst-Drechsler in Geislingen« 1848 an das Innenministerium richtete, weil sie ihrem Antrag eine Preisliste der gefertigten Waren beigefugt hatte, welche Nadel- und Zahnstocheretuis, Näh-, Strick- und Schreibzeuge, Spielsachen und verschiedene Schmuckwaren, Zahnstocher, Löffel, Fächer und anderes mehr in großer Vielfalt auflistete. Diese Vielfalt wurde im wesentlichen durch unterschiedliche Zierformen erreicht, nach deren Komplexität sich die Preisunterschiede hauptsächlich orientierten. Ein Gutteil der Zierde war an Kunstformen orientiert. So gab es unter den verschiedenen Gegenständen mit »Bouquets« verzierte Fingerhüte, Zahnstocheretuis in Füllhornform, Nähkissen »mit gothischen Fenstern«, Gewürzdosen in Urnenform, Nadelkissenrollen in Leierform, mit Arabesken durchbrochene Nähzeugkörbchen oder Federspiele »mit Lithographien«. Andere Zierformen imitierten Gegenstände des modernen bürgerlichen Konsums wie etwa Zahnstocheretuis in Form von Leuchtern, Spargeln, Gitarren oder Regenschirmen, Bandmaße in Form von Kaffeemühlen, Nadelkissen in Sofaform. Solche Imitate machten auch einen großen Teil des Spielzeugs aus. 64 Mit Hilfe von Ausstellungsbeschreibungen und weiterem Aktenmaterial ließe sich die Reihe der Beispiele fabrizierender »Künstler« und ihrer Fabrikate unschwer in alle Sparten der Konsumgüterherstellung hinein fortsetzen. Die Grenzen zum traditionellen Handwerk und Kleingewerbe waren unklar und verschoben sich mit jedem, der, wie der Calwer Flaschnermeister, beschloß, sich an die Herstellung neuartiger Dinge zu wagen

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oder seine Produkte in »modernem Geschmack« herzustellen. Die »fabrizierenden Künstler« waren nicht auf Stuttgart beschränkt. Auf den landwirtschaftlichen Partikularfesten in Hall, Münsingen und Ravensburg, organisiert vor allem als Mittel der Information der Landbevölkerung über neue Zucht- und Anbaumethoden, waren seit 1 8 2 4 kleine Ausstellungen von Produkten des lokalen »Kunstfleißes« angefugt, auf denen unter anderem Ölgemälde, Kupferstiche und Hartholzmöbel zu sehen waren. 65 Die Ausstellungen selber verstärkten am jeweiligen Ort die Attraktivität des Neuen, Modischen, auch des Luxuriösen und Stilvollen (das allerdings in bescheidenem Umfang), indem sie es als fortschrittlich und modern präsentierten und prämiierten. Dort wurde das regionale Klein- und Großgewerbe dekorativ in den Gesamtzusammenhang moderner Konsumkultur eingeordnet und zugleich in einen Bezug zur Kunst gesetzt. Auf den späteren Lokal- und Regionalausstellungen, die in der örtlichen Presse im einzelnen beschrieben waren, finden sich unzählige weitere Beispiele fabrizierender Künstler, die ihr Glück als Handwerker oder Fabrikanten im kleinen an die Entgrenzung von Bedürfnissen und eine neue Konsumkultur gehängt hatten, die sich vom hauptstädtischen Bürgertum aus auf die kleineren Städte und auf das Land verbreitete und deren Merkmal »Kunst«, »moderner Geschmack« und, bei Stoffen und Kleidungsaccessoires, »Mode« waren. So hatte sich ein Modelstecher in Calw in eigenwiller Weise auf die neuen Anforderungen modernen Konsumierens eingestellt: auf der Bezirksgewerbeausstellung zeigte er 1838 neben Springeries- und Lebkuchenmodeln - seinem traditionellen Metier - ein Model fiir den Kattundruck, »die Nürnberger Eisenbahn vorstellend«. 66 Die erste Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth, 1835 in Betrieb genommen, war ein spektakuläres Symbol des Fortschritts, sich mit dessen Abbild zu schmücken, Parteinahme für eben jenen. Das Eisenbahn-Model kann ein Hauptkriterium veranschaulichen, welches die Ausstellungsstücke auf diesen Bezirksausstellungen erfüllen mußten: der Moderne, dem Fortschritt Rechnung zu tragen in Form, Gestalt und Muster dessen, was man herstellte. Kunst - in diesem Fall wohl ein Holzstich oder eine Lithographie mit einer Abbildung der Bahn - gab ein Zeichen dafür, daß ein Aussteller sich auf den neuen Wirtschaftsstil eingelassen hatte, indem er versuchte, sich auf die traditionsentbundene Nachfrage einzustellen.

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3.3. Zeichenlehrer Eine weitere Möglichkeit, als »Künstler« zu existieren, bestand darin, Zeichenunterricht zu geben. Für den Unterricht der bürgerlichen Jugend wurden Zeichenlehrer gebraucht; Zeichnen galt als Teil ästhetischer und praktischer Allgemeinbildung; es diente zum Schärfen des Blicks fur das Schöne wie auch zur Verständigung über die Dingwelt überhaupt. An einigen Gymnasien, Bürgerschulen und Mädchenschulen (so in Stuttgart) gab es Zeichenlehrer - in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts waren einige der Hofkünstler zugleich Zeichenlehrer am Stuttgarter Gymnasium gewesen. 67 In Stuttgart und Kirchheim existierten um 1812 private Zeichenschulen, deren Zöglinge sich als Dilettanten an der Kunstausstellung beteiligten. 68 Oft wurde Kindern in den »gebildeten Ständen« aber auch privat Zeichenunterricht erteilt. 69 In Stuttgart und Tübingen erschienen mehrere Lehrwerke speziell zu diesem Zweck. 70 Oder die Zeichenschüler erhielten Vorlagenblätter wie die von der Ebnerschen Kunsthandlung angebotenene des Malers und Zeichenlehrers Seubert 71 oder zumindest mit Umrissen bedruckte Bögen zum Ausmalen. Im Stuttgarter Adreßbuch von 1829 waren unter einer eigenen Rubrik vier Zeichenlehrer aufgeführt, teils Maler wie der oben genannte Seubert, teils Schullehrer, die Privatunterricht im Zeichnen gaben. 72 Dazu lassen sich an anderen Stellen im Adreßbuch noch weitere finden, die hauptsächlich als Lithographen oder Zeichner arbeiteten, aber auch Unterricht gaben. Zu ihnen gehörten mehrere Lehrer an der Stuttgarter lithographischen Schule wie zum Beispiel deren Direktor, der schwedische Landschaftszeichner Lorenz Ekeman-Alesson ( 1 7 9 1 - 1 8 2 8 ) , der mehrere Büchern und Vorlagen zum Zeichnen veröffentlichte, fur das perspektivische Zeichnen und das Landschaftszeichnen einschließlich spezieller Studien für angehende Marinemaler. Außerdem verfertigte er lithographische Reproduktionen von niederländischen Gemälden und Werken von Vernet sowie eigene Landschaftsstudien und eine Serie Pferdeporträts, die von Stuttgarter Kunsthändlern vertrieben wurden. 73 Ein weiteres Beispiel war der Zürcher Caspar Obach (1807-1868), der 1825 Zeichenlehrer an derselben Anstalt wurde und Ansichten von Stuttgart und vom Schwarzwald schuf. 1833 konnte er eine Reise nach Paris unternehmen. 7 4 Der gesellschaftliche Status dieser Lehrer, einerseits stundenweise bezahlter Angestellter, andererseits fachlich Gebildeter mit einer gewissen Affinität zu künstlerischer Genialität, war ambivalent. In der Schwäbischen Chronik wurde 1824 die Verhaftung eines Zeichenlehrers gemeldet, der sich auf den Diebstahl silberner Löffel bei seiner Klientel verlegt hatte 75 - als Zuschreibung zwielichtigen Gebahrens wegen niedriger Herkunft und Gesinnung ist dieses »silberne Löffel klauen« noch heute sprich-

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wörtlich und ein Attribut, welches im alltäglichen Gerede verunglimpfen soll. Die vorgestellten Künstler versuchten im Gegensatz zu den malenden und bildhauernden »Klassikern« und den Kunsthandwerkern nicht, Meisterwerke für das Museum zu schaffen, sondern sie bedienten sich des Museums im weiteren Sinn als einer Ressource, indem sie nämlich Reproduktionen museumswürdiger Meisterwerke anfertigten oder solche Werke (oder deren Reproduktionen) als Vorlagen für eigene Variationen vorgefundener Sujets, für Kompositionen oder Formendetails verwendeten. Außerdem diente es ihnen als Bildungsmittel, um zu kunsthistorischem und bildtechnischem Wissen zu gelangen und um kopierend das eigene Formenrepertoire zu erweitern. Schließlich erlaubte die Kenntnis des museal Kanonisierten Rückschlüsse auf den konventionellen Kunstgeschmack der Bürger zu ziehen, welche ihren Kunstgeschmack ja an eben diesen kanonisierten Formen ausgebildet hatten. Die Zeichenlehrer benutzten das Museum in eben der Weise, aber nicht um selbst zu produzieren, sondern um die Ressource, didaktisch gewendet, als Bildungsmittel zu verwenden. Eben durch solche Art elementarer Kunstbildung wurde nicht nur die Voraussetzung dafür geschaffen, daß das Museum als Bildungsinstitution akzeptiert, sondern auch, daß die Werke derjenigen Gefallen und Absatz finden würden, welche die gelehrten Formen zitierten: Auf diese Weise wurde durch Zeichenunterricht die Grundlage für den Verständigungszusammenhang gelegt, der zwischen Produzenten und Konsumenten, Gewerbetreibenden und Käufern einen Austausch darüber ermöglichen sollte, wie Dinge aussehen sollten. In der Beziehung zwischen »Künstlern« und Zeichenlehrern, welche nicht selten dieselben Personen waren, und deren jeweiligen »Produkten«, nämlich Kunst als Ware respektive Kunstkennern als Konsumenten, wird dieser Zusammenhang unmittelbar offensichtlich. Indem er sich mit der Menge der Reproduktionen und Kunstkenner potenzierte und in der Anschauung von Kunst und Waren verselbständigte, erstreckte er sich weit über den beschränkten direkten Aktionsradius dieser »Künstler« und Zeichenlehrer - einige Drukke, einige Schüler - hinaus. In welcher Weise von »Künstlern« und Zeichenlehrern museale Kunst zum Zentrum eines Vermittlungszusammenhanges gemacht wurde, läßt sich gut anhand zwei der oben genannten Zeichenlehrbücher zeigen. Das eine, vom Pestalozzischüler Ramsauer, in Stuttgart als Lehrer des prinzlichen Nachwuchses beschäftigt, 76 stellte, in der Absicht, »Auge und Hand zum richtigen Auffassen und schönen Darstellen methodisch und allseitig zu bilden«, 77 eine ausfuhrliche methodische Anleitung zum Verständnis geometrischer Formenanalyse und perspektivischen Sehens mit Hilfe von Übungen und von Demonstrationen durch Stäbe, Glasplatten und künst228

liehe Lichtquellen dar. Der Schüler sollte das Sehen unter Gesetze bringen, so daß »er alle Gegenstände gleichsam mit einem perspektivischen Auge ansehen / muß, und daher so zu sagen mit ganz anderm Auge zu schauen anfängt«. 78 Bei Ramsauer ist dieses Schauen auf die Wirklichkeit, nicht auf die Kunst gerichtet, aber dieses Schauen selbst ist dem künstlerischen Schauen analog: »in der m e t h o d i s c h e n F ü h r u n g zur Perspektive, [ h a b e n ] diese A n f a n g s - U e b u n g e n auf die Entfaltung der perspektivischen Kraft e b e n diejenige Wirkung ..., welche die A n f a n g s - U e b u n g e n im Z e i c h n e n nach räumlichen Verhältnissen auf die B e g r ü n d u n g der richtigen Kunstauffassung u n d Kunstdarstellung aller G e g e n s t ä n d e äußert.« 7 9 D a s perspektivische Schauen versetzt den Schüler in die Lage, »sich in

Allem

Stützpunkte u n d Grundlinien festzusetzen, oder aus allem diese zu ziehen; sie haben also den bestimmtesten Einfluß auf die allgemeine B e g r ü n d u n g der Geistesbildung«.

Mit andern Worten, Ramsauers Zeichenunterricht sollte die Welt und die Kunst nach Gesetzen und von einem festen Standpunkt aus sehen lehren. Das andere Unterrichtswerk stammte von Läpple von Rosenau, einem in der Kunstgeschichte unbekannten Künstler und Zeichenlehrer. Es war ausdrücklich für junge Leute gedacht, fur die es eine systematische Anleitung zum Zeichnen und Malen in der Art darstellen sollte, wie sie ein Zeichenlehrer vermittelte. Es bestand aus einer kurzen einleitenden geschichtsphilosophischen Ordnung der Malerei nach ihren Sparten und nach kunsthistorischen Epochen, in dem das elementare konventionelle Kunstwissen der Zeit sozusagen auf den kürzest möglichen Nenner gebracht war. Dann folgten lithographierte, teils kolorierte Vorlagen zum Nachzeichnen, geordnet nach dem traditionellen Curriculum des Zeichenunterrichts: 80 Augen, Nase, Mund, Hände und Füße, dann Gesichter verschiedenen Charakters und größere Körperabschnitte, eine Herkulesstatue mit züchtig drapiertem Löwenfell und zwei weibliche Gewandfiguren, dann Pflanzen, Tiere und schließlich eine südliche Landschaft. Die zeichentechnischen Hauptschwierigkeiten und didaktischen Absichten waren jeweils in einem Text zu den Tafeln erläutert. Die Tafeln im Werk des Zeichenlehrers machen den Bezug des elementaren Zeichenunterrichts zur musealen Kunst unmittelbar anschaulich; die Vorlagen sind in der Hauptsache nach Werken der Antike und der Renaissance gestaltet. Aber auch die Tier- und Pflanzenstudien kann man in einen Bezug zum Museum setzen, nämlich zu naturhistorischen Museen und Sammlungen. Sie strukturieren die Wahrnehmung, welche bei der Betrachtung von Kunst oder Kunstreproduktionen die Aufmerksamkeit auf bestimmte Werke oder Sujets lenken würde. Gemeinsam ist den Vorlagen außerdem, daß die Ü b u n g an ihnen eine Einübung in das Sehen idealer 229

Typen und abstrakter Proportionsverhältnisse ist, welche an die Stelle bloßer, naiver Wahrnehmung der Umgebung treten und dieser Wahrnehmung eine andere, ästhetisierte Wirklichkeit als untergründige Möglichkeit unterschieben kann. Insofern beim Zeichenunterricht im wesentlichen überall gleiche Vorlagen verwendet wurden, war die Schulung des Auges, die Formung des Blicks Teil derjenigen Bildung, welche sich allgemein bürgerlicher Verständigung zugrunde legen ließen. Die Zeichenkunst war indes nur notwendige Grundlage fur das Verstehen von Bildender Kunst. Das macht der dem Werk vorangestellte Text deutlich. Während Zeichenkunst auf das Erfassen von Formen und Proportionen zielte, war die Bildende Kunst das Mittel, über das Erkennen des Schönen Zugang zu Geist und Seele, Gefühl und Leidenschaft zu gewinnen, so schärfte der Text der Zeichen- und Malerschule es den jugendlichen Lesern ein: »Die Malerei, als schöne und bildende Kunst, stellt es sich zur Aufgabe, ein Aeußeres oder Sinnliches mittelst der Farben auf einer Fläche so darzustellen, daß dadurch ein Inneres, Geistiges vergegenwärtigt wird, und ein Kunstwerk dieser Art wird ein Gemälde genannt. Als schöne Kunst soll die Malerei etwas Vollendetes erzeugen; der Maler muß daher das Vollendete vorher in seiner Einbildungskraft erschaffen haben, um es äußerlich darstellen zu können, und das Gemälde muß die Seele, der lebendige Charakter der Dinge seyn. In allen Fällen muß sich nur der Geist, der eigenthümliche Charakter in der äußern Form ausdrüken; daher kommt es auch, daß man bei einem Gemälde nicht sowohl auf die Schönheit desselben, als vielmehr auch auf die dargestellte Idee zu sehen hat. Als bildende Kunst weiß die Malerei die Gegenstände und Eigenschaften treu, bestimmt anschaulich und kraftvoll mitzutheilen; sie vermag besonders durch Licht und Schatten ihre Formen so lebendig zu machen, daß das Bild unwillkührlich an eine Reihe von Erscheinungen lebhaft erinnert.« 81

Die Hauptkategorien der zeitgenössischen Malerei brachte er auf bündige Formeln. So zeige die Historienmalerei menschliche Handlungsmöglichkeiten und Charakterzüge, während die Landschaftsmalerei Stimmungen und Gefühle ausdrücke. Historisch unterschied er lediglich zwischen der griechischen und der christlichen Kunst, wobei es der griechischen Kunst darum gehe, Ideen zu versinnlichen, während christliche Kunst Sinnliches durch die Kunst vergeistige, idealisiere. Die Zitate machen anschaulich, wie Zeichenunterricht für bürgerliche Jugendliche ein elementares Verständnis von Kunst ermöglichte, indem er nicht allein ein Verständnis für Formen, sondern auch Formeln vermittelte, die eine Einordnung und Beurteilung von Kunstwerken erlaubten. Die gleichen Formeln konnten auf die wachsende Menge von Kunst übertragen werden, welche teils im öffentlichen Raum präsent, teils in Reproduktionen zugänglich war und deren Zahl immer weiter wuchs. Die Formeln selber postulierten Bezüge zwischen Ideen, Gefühlen, Gegenständen,

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Abbildung 20: Zwei weibliche Figuren nach der Antike, hockend und tanzend, in: Rosenau, Zeichnungsschule.

Künstlern und Betrachtern, Bezüge, die von einer Bildungsgut gewordenen Geschmacksästhetik des 1 8 . Jahrhunderts aufgestellt worden waren. Durch den B e z u g auf Bildende Kunst ließen sich Gefühle in einer neuen Weise differenzieren und mitteilen; es war möglich, sie aus der festen B i n d u n g an die religiöse Sphäre zu lösen und an Kunst zu binden. Damit aber ließen sie sich auch auf Kunstreproduktionen und auf Konsumgüter übertragen, wie umgekehrt Konsumgüter, indem sie durch entsprechende Gestaltung Bezüge zur Kunst herstellten, an diese in Formeln gebannten und in der Kunst evozierten Gefühle appellieren konnten. I m Zusammenhang mit der Etablierung gewerblicher Bildung wirkten Zeichenlehrer über die bürgerliche Bildungssphäre hinaus in den Bereich gewerblicher Bildung hinein. In diesem Bereich waren sie für die Vermittlung von ästhetischen Sichtweisen kunsthistorischen Wissen von entscheidender B e d e u t u n g , denn sie waren die einzigen, die einen Zugang zu einem Bereich verschaffen k o n n t e n , welcher den öffendichen Raum neu strukturierte und die Existenzgrundlage unzähliger Handwerker tangierte, weil sie u m die Vorbildlichkeit der Antike, die B e d e u t u n g von italienischer Renaissance und altdeutscher Kunst, u m die Regeln des guten Geschmacks, die Funktion des Museums und schließlich, weil sie um Paris

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wußten, die Hauptstadt von Kunst und Kunstindustrie, die Hauptstadt der Moderne. Viele der ehemals Stuttgarter Hofkünstler und Akademisten wurden 1 8 2 9 wie Thouret oder Dannecker als Lehrer an der Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule angestellt.82 Seit Anfang der zwanziger Jahre wurden in vielen Städten und Gemeinden Sonntagsgewerbeschulen eingerichtet. 1 8 4 6 wurden siebzig derartige Schulen gezählt, neben Deutsch, Rechnen, Naturlehre, Technologie und Chemie war Zeichnen, unterteilt in geometrisches Zeichnen, architektonisches Zeichnen sowie Freihandzeichnen das wichtigste Fach. Meist war dort allerdings lediglich ein Volksoder Realschullehrer, ein Bau- oder Handwerksmeister mit dem Zeichenunterricht beauftragt, der sich notfalls mit Vorlagenblättern behalf; 83 eigens ausgebildete Zeichenlehrer für den gewerblichen Unterricht gab es an den Sonntagsgewerbeschulen bloß in wenigen Städten mit entwickelter Kunstindustrie, wie Stuttgart (mit 1 . 5 0 0 Schülern im Jahre 1 8 4 6 ) , Gmünd, Esslingen und Heilbronn. 84

3 . 4 . Kunstindustrielle Zu den Kunstindustriellen lassen sich höchst verschiedene Gruppen Gewerbetreibender zählen, nämlich zum einen Produzenten der kriselnden alten Exportgewerbe wie der Geislinger Beinwarenindustrie, der Schwarzwälder Uhrenindustrie, der Gmünder Edelmetallwarenfabrikation oder der Tuttlinger Messerfabrikanten, insofern sie sich sowohl mit dem alten Bedeutungsspektrum von Kunst als etwas künstlich und sinnreich Verfertigtem als auch mit der älteren Auffassung von Industrie als Gewerbe identifizieren konnten. Andere Kunstindustrielle stammten aus dem Milieu der fabrizierenden Künstler und Handwerker wie der Esslinger Blechwarenfabrikant Deffner, dessen Vater Miniatur- und Porzellanmaler in Ludwigsburg gewesen war; oder sie hatten eine handwerklich- künstlerische Ausbildung hinter sich gebracht wie die Heilbronner Silberwarenfabrikanten Georg Peter ( 1 7 7 8 - 1 8 5 0 ) und dessen Sohn Wolfgang August Peter ( 1 8 1 8 - 1 8 9 1 ) Bruckmann. Ersterer hatte als Sohn eines in der Reichsstadt Heilbronn ansässigen Luxushandwerkers die Zentren des Silberschmiedehandwerks in Wien, Genf und Paris aufsuchen und dort nicht nur praktisch arbeiten, sondern auch an den Kunstakademien studieren können, bevor er 1805 das väterliche Geschäft übernahm, woraus dann die Silberwarenfabrik hervorgehen sollte. Seinen Sohn und Geschäftsnachfolger ließ er in gleicher Weise in Genf und Paris ausbilden. 85 Schließlich konnte die Bezeichnung Kunstindustrieller, im modernen Sinn gebraucht, einen Bezug zur zentral organisierten, arbeitsteiligen und maschinell unter-

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stützten Industrie und zugleich zur Kunst herstellen. Dieser Bezug konnte sowohl die freigesetzte und dann wiederum musealisierte Kunst bedeuten als auch die Kunst als Ausweis von höfischer Pracht. Damit wurde im Begriff des Kunstindustriellen implizit der Anspruch erhoben, an die Stelle des höfischen Luxushandwerkers getreten zu sein und so der modernen, bürgerlichen Kundschaft mit ihren Produkten ein Prestige zu verkaufen, wie höfischer Luxus es den Herrschern vermittelt hatte. Insofern sie Kunstwerke reproduzierten oder auch nur Kunstliteratur verlegten, konnten schließlich Verlage und Druckereien zu den Kunstindustrien gerechnet werden. So wurde etwa die Ebnersche Kunsthandlung in Stuttgart in einem von dieser Handlung verlegten Handelsadreßbuch von 1804 zu den wenigen Fabriken der Hauptstadt gerechnet, weil sie »feinere und geringere« Kupferstiche, ABC- und Bilderbücher, Anleitungen zum Zeichnen und Illuminieren sowie Visitenkarten und Geschäftspapiere von dazu angestellten Malern, Stechern und Zeichnern anfertigen lasse und dazu über eine eigene Kupferpresse verfuge. 86 Die Kunstindustriellen im engeren Sinn unterschieden sich in mehrerlei Hinsicht entscheidend von den fabrizierenden Künstlern sowohl als auch von denjenigen Industriellen, die bis heute das Bild von der ersten Epoche der Industrialisierung prägten. Mit letzteren war ihnen gemein, daß sie Zugriff auf Kapital hatten, welches ihnen die Einrichtung von Produktionsstätten, die Einstellung von Arbeitern und die Anschaffung von Maschinen möglich machte. Mit den fabrizierenden Künstlern verband sie die Herstellung von Gegenständen mit einem Bezug zur Kunst. Während die aber Einzelstücke oder kleine Serien herstellten und sie in der Regel am Ort oder in der Region vertrieben, ließen Kunstindustrielle in großem Maßstab produzieren und diese Produktion war auf den Export hin ausgerichtet. Allerdings handelte es sich nicht um wenige Modelle, die in großen Stückzahlen produziert wurden, sondern um eine große Palette an Dingen, welche sich teils im Material und in der Form, teils durch Muster oder applizierte Accessoires voneinander unterschieden. Im folgenden sollen einige Kunstindustrielle vorgestellt werden. Kunst war ein zentrales Thema in den Biographien dieser Unternehmer, die teilweise nur deshalb überliefert sind, weil sie nämlich eben dank jenes Verdienstes um die Kunst in die papiernen Ruhmestempel aufgenommen wurden, welche das Bildungsbürgertum vor allem sich selbst, seinem Dienst an der Macht und seinen Verdiensten um den Geist erschrieb. Wirtschaftsbürger wurden in der Regel nur berücksichtigt, insoweit sie ein Amt bekleideten oder eines geistvollen Zugangs zu Kunst und Kultur mächtig waren. Allerdings erscheint in solchen offiziösen Lebensbeschreibungen der Umgang mit Kunst als Ausweis von Bildung und nicht als eine Praktik, als die sie sich erst aus einer genaueren Kenntnis und aus dem 233

Vergleich vieler Kunst-Biographien erschließt, lauter für sich belanglosen Einzelinformationen über Auslandsreisen, Kunsterlebnisse, Bildungsgänge, Privatsammlungen, Warensortiment. Ohne eine solche zeitgenössische Biographie fiel aber die Überlieferung der Lebensläufe von Kunstindustriellen im Laufe der Zeit in lauter einzelne Bruchstücke auseinander. Zusammengetragen reichen sie kaum, das Bild eines bestimmten Individuums hervortreten zu lassen, wohl aber tragen sie dazu bei, einen Untermehmertypus des Kunstindustriellen zu identifizieren und darin Beziehungen zwischen Kunst und Industrie, Konsumkultur, Geschmacksbildung und Industrialisierung aus einer weiteren Perspektive heraus kenntlich werden zu lassen. Es ist die Perspektive auf diejenigen, welche das neue, materielle Interesse der Bürger als Konsumenten zur Kunst, zu Kunstwerken und Kunstreproduktionen auf ihre Produkte im Laufe der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts systematisch umzuleiten lernten. Die Mittel und Wege hierzu hatten sie vor allem auf Reisen ins fortgeschrittene Ausland anschaulich kennenlernen können. Indem sie das taten, wurde Kunst zu einer Ressource, einem Rohstoff zur Gewinnung von Formen und Zierornamenten, Prestige und Luxusversprechen. Vor allem diejenigen unter den Kunstindustriellen, deren Waren Kunst am nächsten kommen sollten, nämlich die Hersteller aufwendiger Stoffqualitäten, die Edelmetallwarenfabrikanten und die Verleger, hatten außerdem begriffen, daß dieser Rohstoff Kunst nur in dem Maße Wert besaß, wie er der Kunst selbst zugemessen wurde, und daß diese Wertschätzung Sache der öffentlichen Meinung, des großen Publikums und damit der Konsumenten ihrer Waren war, nicht der einer intellektuellen oder künstlerischen Avantgarde. Ihr Bemühen um Kunstpflege und Geschmacksbildung, vor allem um die Ausbildung von Künstlern, die Einrichtung von Museen und von Altertümersammlungen besaß darin erkennbar seine ökonomisch rationale Wurzel, wie sehr es zugleich auch von einem genuinen Interesse an Kunst getragen war. Heinrich Rapp (1799-1836) war einer dieser modernen Kunstindustriellen. Was er herstellte, Kleidung, Accessoires und textile Haushaltsgegenstände aus speziell gewebten und gemusterten Wollstoffen, beruhte dermaßen auf Kunst, daß er zu den Kunstindustriellen gezählt werden kann. Gymnasial gebildet - der renommierte Pariser Orientalist Julius Mohl aus der schwäbischen Haupt- und Residenzstadt war einer seiner Klassenkameraden gewesen - bereiste er als junger Kaufmann aus gutem Hause Frankreich, England und die Niederlande,87 wie es schon sein Vater Gottlob Heinrich Rapp in jungen Jahren getan hatte, der als Sammler, Spiegelund Modewarenhändler bereits erwähnt wurde und von dem im Zusammenhang mit Initiativen zur Errichtung einer Kunstschule und eines Museums noch die Rede sein wird.88 Der Stuttgarter Textilkaufmann, 234

Bankdirektor und Kunstfreund hatte, als Jugendlicher mit seinem Vater auf Handelsreisen, Zeit zu Kunst-Besichtigungen gefunden, denn Kunst aufzusuchen, war schon im Laufe des 18. Jahrhunderts Bestandteil von Bildungsreisen im aufstrebenden Bürgertum gewesen. In seinem Elternhaus war eine Sammlung Kupferstiche, die in einem Führer durch das gelehrte Württemberg 89 als sehenswert und zugänglich angeführt war. 1783 besuchte er auf seiner für angehende Kaufleute üblichen Bildungsreise nicht nur die wichtigsten Handelshäuser in den großen rheinischen Städten, in Amsterdam und Paris, sondern auch alle erreichbaren Werke der Kunst.90 In Paris besichtigte er mit dem Stuttgarter Maler Philipp Friedrich Hetsch zusammen Museen, Kirchen und das Versailler Schloß, ein Indiz dafür, daß auch vor der Revolution in Paris in gewissem Umfang eine Kunstöffentlichkeit bestand. Eine weitere längere Reise nach Italien war geplant, als er noch Ende desselben Jahres das väterliche Geschäft fortführen mußte. Das hatte ihn späterhin an die Residenzstadt gebunden. Sein Sohn Heinrich war mit seinem späteren Schwager Sulpiz Boisseree 1823 nach Paris gefahren und hatte sich im dortigen Kulturleben, bestens eingeführt durch seinen Begleiter, umsehen können. Rapp führte die Tuchund Modewarenhandlung des Vaters fort und begann außerdem 1834 in Böblingen zusammen mit dem Zeugmacher und Stadtrat Christian Friedrich Felder (1792-1871) in einer eigens mit Wasserkraft ausgerüsteten mechanischen Weberei mit der Fabrikation bedruckter Möbelstoffe nach eigenen Dessins, zu denen Familienmitglieder und Stuttgarter Künstler Entwürfe beisteuerten, in Anlehnung an ein Verfahren, das der französische Industrielle Ternaux entwikelt hatte. 1827 hatte er dafür ein Patent erhalten.91 Es war die erste Fabrik Böblingens, eingerichtet in einem alten Wohnhaus mitten in der Stadt; mehr als dreißig Leute waren dort beschäftigt.92 Auf den württembergischen Industrieausstellungen war er mehrmals mit seinen bis nach Amerika exportierten Produkten - neben Möbelstoffen Tischteppiche, Damenmäntel, Arbeitstaschen, Mützen, Überzüge für Fußsäke und anderes mehr - vertreten und wurde ausgezeichnet. Auf Geschäftsreisen informierte er sich über den Stand der ausländischen Stoffabrikation; er führte den ersten Jacquard-Webstuhl in Württemberg ein und damit eine Schlüsseltechnik in der Produktion gemusterter Webstoffe, und er bewegte außerdem einen englischen Mechaniker, der Spezialist dieser Webtechnik war, zur Ansiedlung in Württemberg. Außerdem war er Bürgerhauptmann in Stuttgart und eines der aktiven Mitglieder der Gewerbeförderungsgesellschaft, für die er 1833 über eine Industrieausstellung in Brüssel berichtete.93 Er starb jung, mit vierunddreißig Jahren. In den Industrieausstellungsberichten waren die fortschrittliche Produktionstechnik, der gute Geschmack und der Auslandsabsatz der Rappschen Produkte stets herausgehoben worden. 94 Im Ausstellungsbericht von 1833 235

wurde besonders hervorgehoben, daß Rapp als »erfindungsreicher Fabrikant« sich um die Herstellung neuartiger Produkte bemühte, wie etwa »damaszierte Pianofortedeken« und bedruckte Gardinen, und daß seine Waren sogar nach England exportiert würden. 95 Der Biograph Rapps, Moriz Mohl, führte den guten Absatz der Rappschen Produkte auf deren geschmackvolle Gestaltung zurück, der half, fur die Waren höhere Preise zu erzielen als die Konkurrenz: »Es bewährt sich hier die tägliche Erfahrung, wie sie der französische Gewerbsfleiß darbietet, nämlich daß in den Kleidungs- und Möbelstoffen, wie in so vielen anderen Gewerbs-Erzeugnissen, vor Allem der Geschmack bezahlt wird«. 96

Auf dem Hintergrund des Stuttgarter Kunstlebens, der neuen, ubiquitären Öffentlichkeit von Kunst, ihrer Musealisierung und gleichzeitigen Verwandlung in eine Ressource für die Gestaltung von Konsumgütern durch fabrizierende Künstler, lassen sich einige der vom Biographen geschilderten Umstände als diejenigen kulturellen Voraussetzungen erkennen, die entscheidend dazu beitrugen, daß dieser Industrielle Geschmack als Größe ins ökonomische Kalkül einbeziehen konnte. Anders als die oben vorgestellten fabrizierenden Künstler versuchte Rapp weder, seinen Industrieprodukten den Anschein von Kunstwerken zu geben, noch imitierte er solche, etwa indem er Stilformen oder Gemäldemotive auf seine Stoffe applizierte. Sein Zugriff auf die Kunst, die neue Kunstöffentlichkeit und die Musealisierung der Kunst war indirekt, aber strategisch und umfassend. Von Haus aus verfugte er über die Möglichkeiten, sich anhand der graphischen Sammlung des Vaters, im geselligen Umgang mit Künstlern und Gelehrten mehrere von ihnen waren der Familie verwandtschaftlich verbunden, außer Sulpiz Boisseree der Bildhauer Dannecker als Schwager, der Altertumswissenschaftler Gustav Schwab als Cousin - und auf ausgedehnten Reisen eine umfassende Kenntnis von Kunst anzueignen und ein ästhetisches Urteilsvermögen zu entwickeln, das sich, als das Erkennen des Schönen, generalisieren und auf die Wahrnehmung und Beurteilung von Waren übertragen ließ. Außerdem wuchs er in einem Hause auf, welches einen gesellschaftlichen Mittelpunkt Stuttgarts bildete, 97 und verfugte dadurch über Kontakte zum Hof, zum Wirtschafts- wie zum Bildungsbürgertum und zu den Künstlern und Gelehrten der Hauptstadt. So konnte er zusammen mit dem ästhetischen ein gesellschaftliches Urteilsvermögen entwickeln, ein Gespür für den »richtigen« Geschmack im Sinne einer ästhetischen Übereinkunft und gruppenspezifischen Abgrenzung der tonangebenden Leute in der Hauptstadt. Das heißt, er konnte erkennen, »was man trägt«, »was man nicht trägt« und »was die anderen tragen«. Möglicherweise war er aufgrund seiner Bildung und gesellschaftlichen Stellung und schließlich als Fabrikant von Modeartikeln sogar in der Lage, auf den

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Geschmack des tonangebenden Zirkels der Hauptstadt Einfluß auszuüben. Die Ausstellungsberichte, in denen er überschwenglich gelobt wurde, sprechen dafür, ebenso die Tatsache, daß Stuttgarter Künstler Stoffmuster für ihn entwarfen. Mit diesen Künstlern verfügte er über Fachleute, welche die Formensprache der Kunst zeichentechnisch beherrschten und in der Gestaltung von Konsumgütern umsetzen konnten, eine Formensprache, welche mit der Verwandlung der künsderischen Klassik in den Klassizismus in relativ starren formalen Regeln fixiert, dank der neuen Kunstöffentlichkeit und der Kunstreproduktionen international bekannt, dank der stilistischen Fixierung von Luxus-Konsumgütern stilistisch zwar nicht eindeutig, aber doch in der Menge der Formen begrenzt war. Durch seine Reisen und seine Kontakte zu Künstlern, Gelehrten und Geschäftsleuten verfügte Rapp schließlich über genaue Kenntnis der und direkte Verbindungen in die europäischen Metropolen. Wie für alle Kunstindustriellen war für ihn Paris die wichtigste dieser Hauptstädte, weil dort Kunst und Industrie eine Verbindung eingegangen waren, die ein Modell für alle anderen Metropolen darstellte und in welcher die kulturelle Hegemonie begründet lag, die Paris nach dem Ende des Ancien Regime durch das 19. Jahrhundert hindurch Zentrum der Mode und des Geschmacks bleiben ließ. Der Kontakt zu Paris versetzte den Industriellen in die Lage, modische Trends sehr schnell zu erkennen und umzusetzen. Durch seine Beziehungen zu Julius Mohl und den Boisserees war er prinzipiell in der Lage, die wichtigsten Künstler, Gelehrten und Kulturpolitiker kennenzulernen und damit das, was in Paris selbst über die Beziehung von Kunst und Industrie gedacht wurde. Ausgerüstet mit derartigen Schlüsselinformationen ließ Heinrich Rapp Produkte herstellen, die nicht allein modisch und geschmackvoll waren, sondern auch Schlüsselstellen im modernen Konsum des gehobenen Bürgertums einnahmen, sei es, daß sie, wie die bedruckten Gardinen, das bürgerliche Interieur nach außen abschirmten und zugleich innen farblich zierten, daß Decken und Überzüge Tische und Klaviere, beides zentrale Einrichtungsgegenstände bürgerlicher Interieurs und bürgerlicher Geselligkeit, von Nutz- in Ziergegenstände verwandelten, daß sie schließlich Mäntel und Strickbeutel als Teil bürgerlichweiblicher gehobener Grundgarderobe und Fußsäcke für Kutschenausfahrten modisch akzentuierten. Rapp stellte Dinge her, die aus Statusgründen notwendig erschienen und den Geschmack der Kundschaft trafen, nicht, wie viele der fabrizierenden Künstler, Nippes. Moriz Mohl stellte Heinrich Rapp als den bemerkenswertesten einer Reihe von Textilfabrikanten vor, die seine Ansichten geteilt hätten und ebenso gehandelt hätten wie er, so den Stuttgarter Kaufmann und Fabrikanten G. Friedrich Barrier, der in Plieningen eine Jaconetweberei betrieb, also modische Baumwollstoffe produzieren ließ. Außerdem nannte er den 23 7

Ludwigsburger Webereitechniker und Damastfabrikanten Karl Wilhelm Weigle ( 1 7 8 8 - 1 8 8 4 ) , welcher in den 1830er Jahren ebenfalls die Jacquardweberei in Württemberg betrieb 98 und nach dem Tode Rapps dessen Geschäft übernahm, und schließlich Egelhaaf aus Ellwangen, einen Kaufmann, der Jaconets im Verlag produzieren ließ, als die wichtigsten. Alle von Mohl Genannten waren aktive Mitglieder der Gewerbeförderungsgesellschaft; alle hatten modisch orientierte und ästhetisch anspruchsvolle Beiträge zu den Industrieausstellungen geliefert. Beim Blättern in den Industrieausstellungsberichten ließen sich weitere Industrielle finden, die einen ähnlichen Anspruch an ihre Textilproduktion stellten wie Heinrich Rapp und die zugleich eine modenorientierte, reich differenzierte Angebotspalette hatten." Textilfabrikanten waren aber nicht die einzigen, die sich an Kunst ästhetisch bildeten, Kunst zu einem Mittelpunkt von Geselligkeit machten und Kunst als Ressource füir Produktgestaltung benutzten. 100 Viele Fabrikanten von Metallwaren für den bürgerlichen Konsum machten es ebenso und sie waren nicht die einzigen. Der Esslinger Blechwarenfabrikant Deffner war mit dem Maler Gangloff befreundet. 101 Viele der Produkte seiner technisch äußerst fortschrittlichen Fabrik ahmten französische Vorbilder nach und griffen Vorbilder aus dem Kunsthandwerk auf. 102 Im Hause des Heilbronner Silberwarenfabrikanten und Kunstsammlers Bruckmann waren die Kaufleute, Kunstsammler, Frankreichkenner und Experten fiür Altdeutsche Malerei, die Brüder Boisseree oft zu Gast. 103 Dort hingen Gemälde; auch war eine große Sammlung von Kupferstichen im Besitz des Hauses: Blätter von Rembrandt, Dürer, Chodowieki, die Raphaelschen Stanzen. 104 Der von ihm 1 8 4 2 gegründeten Zeichenschule stiftete er eine umfangreiche Sammlung von Figuren und ornamentalen Fragmenten (oder waren es bloß Abgüsse?), so einen griechischen Amor, einen Brutuskopf, eine Bacchantin, Juno, Antinous, Minerva, Rosetten, Gitterstücke, Palmetten und anderes, ferner Statuetten von Schwanthaler und Rauch, Relieffiguren von Conrad Weitbrecht - der hatte bei ihm als Dessinateur gearbeitet - , von Isopi und Fuchs. 105 Der Gmünder Schmuckfabrikant Julius Erhard ( 1 8 2 0 - 1 8 9 8 ) sammelte kulturgeschichtlich interessante Altertümer und Reproduktionen, welche in der Fabrikation seiner Bronzewaren als Vorbilder dienen sollten. 106 Von ihm ist ein Skizzenbuch erhalten, das er 1841 als Einundzwanzigjähriger auf einer Bildungsreise nach London mit Ornamentstudien füllte, Exotika, Chinoiserien, Arabesken, indischen Ornamenten, romanischer und gotischer Architektur englischer Kathedralen - der künftige Unternehmer konzentrierte sich auf das, was bisher außerhalb seiner Kunsterfahrungen gelegen hatte, weil es in Deutschland nicht oder nur in schwer zugänglichen Reproduktionen zugänglich war, was aber in der Hauptstadt des

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Abbildung 21: Kannen und Rechauds, linke Kanne vermutlich Steingut oder Porzellan, in: Fabrikmusterbuch, der Firma Deffner, Esslingen/N., zugeschrieben, Anfang 1830er Jahre. Landesmuseum für Technik und Arbeit, Mannheim.

British Empire einen Teil der Kunst- und Warenöffentlichkeit bildete. In Musterskizzen und Produkten aus der Erhardschen Fabrikation tauchten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter anderem Danneckers Ariadne und der Weitbrechtsche Rosensteinfries auf. Der Ulmer Messingwarenfabrikant Philipp Jakob Wieland (1793-1873), der 1828 eine Glocken- und Kunstgießerei in eine moderne Fabrik umgewandelt hatte, einer der wichtigen Propagatoren der ersten Ulmer Industrieausstellung von 1841, war Mitglied im Ulmer Kunst- und Alterthumsverein, welcher im selben Jahr gegründet wurde, und stiftete dessen Sammlung eigene Stücke, darunter Antikenfragmente. 107 Die meisten der näher bekannten Kunstindustriellen hatten Zeichnen gelernt wie Julius Erhard, welcher mit seinem Bruder an der Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule studiert hatte,108 war es doch ein elementares Mittel ästhetischer Bildung, Schulung des Formgefuhls, Aufzeichnungsund Kommunikationsmittel. Einige Kunstindustrielle hatten darüber hinaus wie die Bruckmanns eine akademische Zeichenausbildung erhalten. Viele Kunstindustrielle beschäftigten akademisch ausgebildete Zeichner, 239

Stecher oder Lithographen, also »Künstler«, in ihrem Betrieb. Nur einige von ihnen sind namentlich bekannt, so etwa die Kupferstecher Nikolaus und Franz Xaver sowie Erhard Junghans, welcher die große Junghanssche Uhrenfabrik in Schramberg gründete. In der Regel blieben solche »Künstler« anonym. Der Gründer der Schramberger Steingutfabrik, der Schwarzwälder Bauernsohn Isidor Fäist (1795-1853), hatte in der Steingutmanufaktur in Zell am Harmersbach eine Lehre als Zeichner und Kupferstecher absolviert,109 bevor er 1820 eine eigene Steingutfabrik gründete. Per Umdruckverfahren ließ er vor allem landschaftliche Szenerien von touristischem Interesse und Genreszenen auf Teller und Kannen applizieren. Verfahren und Dekor entsprachen gängiger Steingutware nach englischen Vorbild. Dort war das Material in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts als preisgünstige Alternative zum Porzellan entwickelt und massenhaft hergestellt worden. Ähnliche Ware kam in Frankreich zuerst von der Steingutmanufaktur in Creil. Etwa zur gleichen Zeit war in England das Umdruckverfahren entwickelt worden. Von einer gestochenen Platte wurde ein Abzug mit keramischer Farbe auf Seidenpapier angefertigt und dieser auf die gebrannten, unglasierten Rohformen gedrückt, so daß die feuchte Farbe vom Scherben aufgesaugt, dieser dann glasiert und gebrannt werden konnte. Dieses Verfahren wurde bereits von einigen Manufakturen im badischen Schwarzwald angewendet.110 Einige Schramberger Ware zierten signierte Abzüge von Stichen. Isidor Faist betrieb die Fabrik seit 1820 zusammen mit Brüdern und einem weiteren Teilhaber in einem günstig gepachteten Schloßgebäude und dank eines großzügigen Kredits aus der königlichen Kasse, der in Ware abgelöst werden konnte. 111 Als 1825 der Pachtvertrag für das Gebäude gekündigt wurde und ein eigenes Fabrikgebäude errichtet werden mußte, beteiligte sich der Pächter des örtlichen Hammerwerks Freiherr Ferdinand von Uechtriz an der Firma. Uechtriz und Faist nutzten der badischen Konkurrenz gegenüber bei gleichen Standortbedingungen - gute Erde, billiger Brennstoff, billige Arbeitskräfte, gute Wasserkraft - den Vorteil aus, im Württembergischen ihre Ware zollfrei absetzen zu können, wo ihnen keine Konkurrenz drohte, abgesehen von zwei unbedeutenden, weit entfernten Steingutfabriken in Schwäbisch Hall und Waiblingen112 und von den niedergehenden Fayencemanufakturen in Ludwigsburg, Crailsheim und Schrezheim, deren Dekore hinter dem Zeitgeschmack zurückgeblieben, deren traditionelle Abnehmer verloren und die im Niedergang begriffen waren.113 Wenn überhaupt, war die Schramberger Ware nur durch den Fabrikstempel von den badischen Manufakturen zu unterscheiden. Um schnellen Umsatz bemüht, vertrieb er seine Waren auch durch Hausierhandel.114 Die Fabrik prosperierte und beschäftigte 1845 zweihundert Arbeitskräfte. Spätestens nachdem er 1844 an der nationalen Gewerbe240

ausstellung in Berlin teilgenommen hatte,115 hatte Faist es geschafft, seiner Ware im Zollvereinsgebiet Absatz zu verschaffen. Verleger gehören insofern zu den Kunstindustriellen, als sie Kunstliteratur und Kunstreproduktionen herstellen und vertreiben ließen. In Württemberg war der wichtigste unter ihnen Johann Friedrich Cotta (17641832), als erfolgreicher Geschäftsmann, Politiker und Kunstmäzen 1817 zum Freiherrn geadelt. Er hielt sich 1785 nach seinem Studium in Tübingen zusammen mit dem Kupferstecher Johann Gotthard Müller in Paris auf, um die Landessprache zu lernen, und erhielt dort Zugang zu intellektuellen und politischen Zirkeln und dadurch Kontakte, die er bei späteren Besuchen 1799 und 1825 pflegen würde. 116 Nachdem Cotta 1786 den in ziemlichen Schwierigkeiten steckenden Verlag seines Vaters übernommen hatte, arbeitete er erfolgreich daran, den Stuttgartern und dann auch dem übrigen gebildeten Deutschland die Bildende Kunst auf literarische Weise nahezubringen: mittels illustrierter Vorlagenwerke und Kunstgeschichten, im Rahmen seiner literarischen Journale, vor allem schließlich mittels des seit 1807 täglich erscheinenden »Morgenblatts für gebildete Stände«. 117 Cottas redaktionelle Konzeption des Blattes versuchte die Erwartungen des Publikums durch die Fesdegung des Themenumfangs zu antizipieren. Das Morgenblatts sollte über sämüiche interessanten Ereignisse und Erscheinungen im Bereich von Literatur und Bildender Kunst unterrrichten. Anders als die von ihm herausgegebenen anspruchsvollen literarischen Zeitschriften sollte es ein großes und unterschiedliches Publikum ansprechen, Gelehrte ebenso wie Kaufleute, Künstler, Männer von Welt ebenso wie Damen von Geist.118 Cottas Anliegen war es, den Lesern des Blattes »Anleitung zur empirischen Kunstkenntnis« zu geben.119 Die Entwicklung einer nationalen Kunst - Hauptthema kulturpolitischer Debatte damals - wollte er dadurch fördern, daß Künsdern, Kunstkennern, jedem gebildeten Menschen Kunstwerke durch genaue Bildbeschreibungen, durch Verbreitung von Umrißzeichnungen, durch Kupferstiche zugänglich gemacht würden. Von Cotta persönlich aufgefordert, war auch Kaufmann Rapp im Morgenblatt mit Beiträgen vertreten. Neben Aufsätzen zum vorher genannten Themenkreis sollte die Ankündigung von Neuerscheinungen im weit gefaßten Bereich der »Kunstprodukte« einen wichtigen Platz einnehmen, neueste Literatur und zwar englische, französische so gut als deutsche, samt Preisen und Bezugsquellen, neue Musikstücke. »Der Mode muß ein stehender Artikel geweihet seyn«.120 Preisaufgaben fur literarische und musikalische Versuche sollten das Publikum zum Mitarbeiten veranlassen. Die ausgeschriebenen Themen paßten in Form und Inhalt zum Kanon klassizistischer Kunsdehre. Ab 1816 war der Zeitung zweimal wöchentlich das redaktionell eigen241

ständige »Kunstblatt« beigefügt, die erste moderne Kunstzeitschrift in Deutschland mit hunderten freier Mitarbeiter und festen Korrespondenten in allen wichtigen Kunstzentren. 121 Zusammen mit Gottlob Heinrich Rapp richtete Cotta 1807 die erste lithographische Presse in Stuttgart ein.122 Damit verfugte der Verlag zu einem frühen Zeitpunkt über die Schlüsseltechnologie für die massenhafte Herstellung von Kunstabbildungen, welche eine rasche und genaue, auch farbige, Wiedergabe ermöglichte. Ende desselben Jahres hatte Rapp darüber im Morgenblatt berichtet.123 Da die neue Technik noch nirgends eingehend beschrieben worden war, hatte Rapp nach genauen Studien ein Lehrbuch dazu verfaßt, welches noch vor demjenigen des eigentlichen Erfinders Senefelder erschien, natürlich bei Cotta. 124 Nachdem der Verleger 1810 von Tübingen in ein repräsentatives Anwesen an der Stuttgarter Königsstraße umgezogen war, bildete das Herausgeben von illustrierten kunsthistorischen und archäologischen Werken, von Kunstreproduktionen und von architektonischen Lehrwerken einen wichtigen Teil des Cottaischen Verlagsprogramms.125 1810 erschienen die ersten Lieferungen einer »Geschichte der Kunst in Italien«, mit Abbildungen in Umrissen, von Franz und Johann Riepenhausen. Nach den ersten beiden Heften wurde das Unternehmen allerdings abgebrochen. 126 Im gleichen Jahr erschienen mehrere Lehrwerke des Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner. 1817 wurde der Bericht Schellings und Johann Martin Wagners über die Aeginetischen Bildwerke, welche damals bei den Kunstgebildeten in Europa großes Aufsehen erregten, herausgegeben. Vom Münchener Architekten Leo von Klenze erschien ein wichtiges Werk über den Tempel des olympischen Jupiters zu Agrigent. Franz Gau publizierte 1821-26 die aufwendig illustrierten »Neuentdeckten Denkmäler von Nubien«, zu welchem Ludwig Börne in Paris etwas abfällig bemerkte, solche Werke erschienen dort jede Woche,127 Dorow 1823 »Denkmale aus germanischer und römischer Zeit in den rheinischen und westfälischen Provinzen«, Tischbein, Heyme und Schorn »Homer in Zeichnungen nach der Antike«. Die Abbildungen der Friese des schwäbischen Bildhauers Weitbrecht auf dem Schloß Rosenstein waren oben erwähnt worden. Weitere Titel ließen sich aufzählen, aber das Spektrum der bei Cotta publizierten Kunstliteratur wird schon anhand der genannten Titel deutlich. Wichtige Werke wurden mit mehrsprachigem Text versehen, auch wurden viele Übersetzungen verlegt. Cotta kooperierte mit den Boisserees bei der Publikation ihrer beiden monumentalen Editionen: der 1821 erschienenen lithographischen Reproduktion ihrer Sammlung, zu deren Herstellung eigens eine Steindrukkerei im Ausstellungsgebäude eingerichtet und der Lithograph in Paris geschult worden war,128 und, zusammen mit dem berühmten Pariser 242

Druckhaus Didot, des Boissereeschen Werks über den Kölner Dom, welches ein Gutteil zur Popularisierung der mittelalterlichen Kunst unter den Gebildeten Deutschlands und zur Popularisierung der deutschen Romantik in Frankreich beitragen sollte. 1823 wurden auf der französischen Industrieausstellung Titelblatt und Vorrede des Werks, von Didot in deutschen Lettern gedruckt, als typographisches Meisterwerk ausgestellt.129 Cotta trug indes durch seine Publikationen nicht nur wesentlich zur Etablierung einer modernen Kunstöffendichkeit bei, die ja unter anderem auf der Verfügbarkeit von Kunst durch Kunstreproduktionen beruhte, sondern beförderte die Kunstindustrie auch durch technologische Literatur. Zunächst verlegte er einige Schriften des Tübinger Technologen Poppe, wenig später dann aber Werke, die durch das 19. Jahrhundert hindurch als Standardwerke galten,130 wie Christoph Bernoullis (17821863) immer wieder aufgelegtes Dampfmaschinenlehrbuch oder sein Lehrbuch der Angewandten Physik, sowie einen auf die Praxis ausgerichteten Klassiker des berühmten Schweizer Gelehrten, das »Vademecum für Mechaniker«. Die ebenfalls bei Cotta erschienene Übersetzung einer illustrierten Geschichte der Baumwollindustrie von Edward Baines, die wegen des technologischen Rückstandes großes Interesse erregen mußte, war von Bernoulli übersetzt worden. Vor allem anhand eines anderen Klassikers, Prechds sorgfältig illustrierter »Technologischer Encyclopädie«, ließen sich Formungs- und Musterungstechniken studieren, welche in der Kunstindustrie lohnende Anwendung versprachen. In der deutschen Übersetzung von MacCullochs »Comptoir-Handbuch«, das bereits zitiert wurde, waren Material, Qualität und Herkunft unzähliger kunstindustrieller Artikel verzeichnet. Schließlich gab Cotta seit 1821 »Dinglers Polytechnisches Journal« heraus, als Zeitschrift eine wichtige Informationsquelle zum modernen Stand der Fabrikationstechnik. Anhand der hier angeführten Biographien einiger der wichtigsten württembergischen Kunstindustriellen sollte deutlich geworden sein, daß die Kunstindustriellen von allen Kunstproduzenten den breitesten Zugriff auf die entstehende bürgerliche Kunstöffendichkeit übten und zugleich am stärksten von ihr abhängig waren. Die Reisebücher und Kunstführer der Zeit scheinen in erster Linie für Kaufleute geschrieben worden zu sein, die sicherlich die mobilste Bevölkerungsgruppe darstellten. Die dort gebotenen Informationen waren auf viererlei gerichtet: auf die Hauptprodukte einer Region, auf die Grundbedingungen des Reisens - Transportverbindungen, Übernachtungsmöglichkeiten, Münzen, Maße und Gewichte - , auf die Geschäftsöffentlichkeit und schließlich auf die Sehenswürdigkeiten einer Stadt oder einer Gegend. Informationen zu Museen, Sammlungen und schönen Aussichten nahmen dabei im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen stets größeren Platz ein, was ein wichti243

ges Indiz fur die Rolle des Kunstraums Stadt als Erfahrungsraum von Kaufleuten und Fabrikanten ist, ein Erfahrungsraum, welcher fur Kunstindustrielle in besonderer Weise zugleich Ort ästhetischer Bildung durch Anschauung und anschauliches Mittel von lokalen Moden und Konsumstilen war. Als Honoratioren und als Mitglieder der »gebildeten Klassen« partizipierten Kunstindustrielle aktiv an der Öffentlichkeit der Kunstvereine, Kunstausstellungen und Kunstsammlungen in ihrem Wohnort. Mit ihren Produkten, insoweit es sich um Kunstreproduktionen oder um Gegenstände handelte, welche einen direkten Bezug zu Kunst besaßen, stellten sie lokalen Öffentlichkeiten außerdem notwendige Requisiten zur Verfügung, gleichzeitig schufen sie und ihre Produkte einen Zusammenhang zwischen der lokalen zur entstehenden abstrakt-allgemeinen Kunstöffentlichkeit. Weil ihre bürgerliche Existenz von der materiellen Produktion von »Kunst«- Gegenständen unmittelbar abhing, mußten sie ein Interesse daran haben, an der Kunstöffentlichkeit, insofern sie die Institution darstellte, in welcher ästhetische Geschmacksurteile formuliert wurden, zu partizipieren und auf sie einzuwirken. Denn die Geschmacksurteile begrenzten sich ja nicht auf Kunstwerke, sondern ließen sich auf schöne Gegenstände übertragen und eben damit auch auf die Produkte, welche die Kunstindustriellen für den Gebrauch jener Gesellschaftsschicht herstellten, aus der sich die Teilnehmer der Kunstöffentlichkeit rekrutierten. Dieser Herstellungsprozeß unterlag als arbeitsteiliger, serienmäßiger und auf die große Zahl gerichteter den Geboten der Zweckrationalität, während das Räsonnement über Schönheit in der Kunstöffentlichkeit dem Anspruch nach von jedem Zweck entbunden war und die Praxis, welche daraus resultierte, höchst willkürlich sein konnte - ein Ding gefiel oder gefiel nicht. Zweckrational gedacht mußte die Einwirkung der Kunstindustriellen auf die Kunstöffentlichkeit zum ersten darauf gerichtet sein, dem ästhetischen Räsonnement wie der Praxis der geschmackvollen Auswahl Maßstäbe und Vorbilder zu setzen, welche sich auf die industriell hergestellten Kunstprodukte übertragen ließen. Zum zweiten mußte sie eine Ausweitung dieser Kunstöffentlichkeit über den engen Kreis der Kunstgebildeten hinaus auf eine breite Konsumentenöffentlichkeit hin anstreben, weil die Produkte der Kunstindustriellen, im Gegensatz zu den fabrizierenden Künstlern, Massenartikel waren. Nach Herkunft und Ausbildung wie auch der Zielgruppe ihrer Produkte nach hatten die Kunstindustriellen wenig mit dem H o f zu tun. Da vermutlich die Bezeichnung Industrieller oder Fabrikant sie noch nicht eindeutig genug von Handwerkern und Kleingewerbetreibenden absetzte, bezeichneten sich viele von ihnen - etwa in den Mitgliederlisten von Vereinen oder in Adreßbüchern - als Kaufleute, was ihrer formalen Ausbildung entspre-

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chen mochte und sie einer sozial anerkannten und meist bessergestellten Gesellschaftsschicht zuordnete, einer Schicht, die ihr Selbstverständnis aus der Verfugung über Kapital bezog und nicht, wie die Beamtenschicht, aus einem Hoftitel. Allerdings konnten Kaufleute, welche geschäftlich reüssiert hatten und eine gewisse öffentliche Rolle spielten, der vom H o f her strukturierten Beamtenhierarchie integriert werden, indem ihnen der Titel eines Kommerzienrats verliehen wurde. Ein solcher Titel verschaffte keine Möglichkeit, auf die repräsentative Öffentlichkeit des Hofes Einfluß zu nehmen oder mit einer Verbindung zum Hofe zu renommieren. Jedenfalls führte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keiner der Kunstindustriellen den Titel eines Hoflieferanten oder Hofkünstlers. Zudem lebten und fabrizierten sie in der Hauptsache nicht in der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart, sondern in Provinzstädten, davon vielen ehemals unabhängigen Reichsstädten ohne monarchische Tradition, aber mit einer selbstbewußten Kaufmannschaft. Für die Kunstindustriellen konnte es daher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht darum gehen, die Tradition des Ancien Regime aufzugreifen und den H o f zum Vorbild und Maßstab der Gestaltung von Konsumgütern zu machen, wie er im 18. Jahrhundert noch die Fabrikation von Gegenständen aus den Luxusmanufakturen und Werkstätten des Luxus bestimmt hatte. Das etwa im Gegensatz zur Münchner Hofhaltung in Repräsentationsdingen zurückhaltende, sich landesväterlich-bürgernah darstellende württembergische Königshaus bot dazu auch keinerlei Anhaltspunkte. Erst durch den vom englischen Prinzgemahl Albert inszenierten victorianischen pomp and circumstance bei der ersten Weltausstellung 1851 in London, den Napoleon III. vier Jahre später noch zu übertreffen suchte, würden höfische Pracht und industrielle Warengestaltung zusammenkommen und Industrieprodukte von der Aura von Königshöfen profitieren, welche sich ihrerseits fortgeschrittener Reproduktions- und Reklametechniken bedienen würden, um durch Popularisierung inszenierter Pracht etwas von jener symbolischen Macht über Dinge und Emotionen zurückzugewinnen, die ihnen politisch in den Revolutionen des 19. Jahrhunderts mit Erfolg streitig gemacht worden war. Im Gegensatz zu den Hofkünstlern, die ihre Fabrikate mit der verblichenen Aura höfischer Pracht zu umgeben suchten, und den fabrizierenden Künstlern, welche die aus ihren traditionalen symbolischen Bezügen herausgerissenen, museal gewordenen Kunstwerke als einen Fundus beliebig und eklektisch verfugbarer Formen und Zierrate benutzten, verfugten die Kunstindustriellen dank ihrer ökonomischen Macht und ihrer gesellschaftlichen Beziehungen, dank ihrer Auslandserfahrungen und dank der Flut der Kunstpublikationen und -reproduktionen über die Möglichkeit, den neu verfugbaren Fundus an Formen systematisch als Ressource für bedeu-

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tungsgeladene, statusmächtige Gestaltungsformen auszubeuten und sich der neuen Kunstöffentlichkeit und dem ästhetischen Diskurs des gebildeten Bürgertums strategisch zu bemächtigen. In und zwischen den wichtigeren Städten des Landes schufen die Kunstund Altertumsvereine, Bürgergesellschaften und Gewerbevereine - oft in engster personeller Verflechtung - allmählich ein Netz gesellschaftlicher Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen, 131 welche das moderne Bürgertum ausmachten, aber »fabrizierende Künstler« als Leute ohne hinreichenden gesellschaftlichen Hintergrund ausschlossen, wie etwa der Württembergische Kunstverein, der im Stuttgarter Adreßbuch 1829 vorgestellt wurde als »Gesellschaft gebildeter, mit der erforderlichen Selbständigkeit zur Uebernahme der Gesellschafts-Pflichten ausgestatteter Personen zur Verbreitung der vaterländischen bildenden Kunst, zu gemeinschaftlichem Kunstgenuß und zur Pflege des Kunstsinnes«. 132

Für die Kunstindustriellen konnten solche Vereinigungen Funktionen übernehmen, welche bei Rapp die Familiengeselligkeit eingenommen hatte, einschließlich der einer Kunstöffentlichkeit, nämlich durch das Räsonnieren über Kunst und Schönheit und durch die gegenseitige Einsicht in Sammlungen von Reproduktionen und Graphik. Der Zugriff auf Informationen zu Mode und zum modernen Geschmack war über illustrierte Periodika möglich; über die industriellen und artistischen Verhältnisse in Paris und anderen Metropolen setzten eine aufblühende Reisebeschreibungsliteratur und Handelslexika ins Bild, Muster ließen sich von anderer Ware oder aus Vorlagenwerken kopieren, oder es ließen sich zeichentechnisch geschulte »Künstler« von der Art gewinnen, wie oben vorgestellt. Erschien in der Biographie Heinrich Rapps der Bezug zur Kunst noch als privater Umstand und individuelle Vorliebe, zeigt sich hier Kunst, mehr oder weniger indirekt, als allgemeines Medium einer Vergesellschaftung, welche sich zweckfrei und altruistisch gebärden mochte, aber zugleich auch eine Verständigungsbasis bürgerlicher Individuen über elementare gegenseitige Interessen darstellte und zwar sowohl in direktem Dialog als auch, abstrakt, über räumliche Entfernungen hinweg. Kunst diente zudem gleichzeitig als Bezugsebene und organisierende Struktur fur Informationen über Gestaltung, Geschmack und Konsum. Je indirekter und beschränkter der Zugang zur Kunst, zu Informationen über Mode und Geschmack, zu Vorgängen im Ausland war, desto unsicherer mußte das ästhetische, gesellschaftliche und kommerzielle Urteilsvermögen werden. Die überlokale und gruppenübergreifende Vernetzung konnte den Kunstindustriellen einen Vorteil gegenüber den fabrizierenden Künstlern bieten, weil sie Informationen über Konsum und Zugang zu Kunst verschaffte. 246

Diese Informationen waren einer Debatte und einem allgemeineren Urteil auf der Basis weiterer Kenntnisse unterzogen und konnten dadurch, zu einem Verständnis des herrschenden, guten und richtigen Geschmacks sortiert und verdichtet, Grundlage strategischer Entscheidungen werden. Die fabrizierenden Künstler dagegen, schafften sie es nicht, Zugang zu diesen Vereinen zu gewinnen, waren auf Bruchstücke des Wissens angewiesen - die Erinnerung an Gesellenjahre im Ausland, den Austausch unter Kollegen am Ort, ihre anschauliche Erfahrung, ihre Wahrnehmung der Warenöffentlichkeit, zufällig verfugbare Vorlagenblätter und ihre Intuition.

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4 . »Moderner Geschmack« als Motor und als Hindernis gewerblicher Entwicklung in Württemberg 4.1. Das Industrieprodukt als Ausstellungsobjekt und als Kunstgegenstand Auf den ersten Industrieausstellungen wurden in Württemberg 1 Industrieprodukte und Kunst in Form von Kunstwerken, Reproduktionen, Stilformen und Ornamenten in der Öffentlichkeit zueinander in Szene gesetzt. Die Weise, in der das geschah, wird anschaulich anhand der Beschreibungen, welche im »Correspondenzblatt des landwirtschaftlichen Vereins« von den seit 1 8 2 4 , als der süddeutsche Zollverein zustande gekommen war, alle drei Jahre abgehaltenen Kunst- und Gewerbeausstellungen erschienen. Sie beschränkten sich allerdings darauf, den gewerblichen Teil zu beschreiben. 2 Über die gleichzeitige Kunstausstellung wurde im »Morgenblatt« berichtet. Der Zweck von Industrieausstellungen wurde in Württemberg zwischen 1 8 1 0 und 1 8 2 7 , als die ersten vier Ausstellungen stattfanden, erst allmählich im modernen Sinn definiert. Am 21. Dezember 1811 war im Regierungsblatt die erste Ausstellung angeordnet worden: »Se. Königl. Maj. haben zu fortdauernder Unterhaltung und immer höherer Vervollkommnung der bildenden Künste in den Königl. Staaten, so wie zu mehrerer Ausbreitung der Industrie unter Professionisten und Handwerkern und Erweckung einer zweckmäßigen Nacheiferung unter denselben durch öffendiche Anerkennung und Belohnung des Talents zu beschließen und zu verfügen geruht, daß nicht allein diejenigen, welche sich den bildenden Künsten gewidmet haben, sondern auch Professionisten und Handwerker, welche irgend eine neue Erfindung gemacht, Meisterstücke verfertigt, oder überhaupt besondere Ausarbeitungen irgend einer Art geliefert haben, berechtigt sein sollen, ihre gelungensten Kunstwerke und Producte vom I. Mai an bis zum 1. Juni des künftigen Jahrs allhier in den ihnen zu diesem Ende in dem alten Königl. Schloß anzuweisenden Sälen und Zimmern öffendich aufzustellen. Se. Königl. Majestät werden hiezu auch diejenigen Gegenstände aus Allerhöchst Ihren Appartements bringen lassen, welche seit Jahr und Tag von verschiedenen Künsdern aus den Königl. Staaten verfertigt worden sind.« 3

Wie sich die Öffentlichkeit gleichsam der Kunst bemächtigte, die jetzt auch in Württemberg wenigstens zeitweise zugänglich gemacht wurde, das hatten die Reise- und Stadtbeschreibungen verdeudicht. Daß auch die Handwerker und Professionisten aufgerufen waren, sich mit Erfindungen und Meisterstücken an dieser neuen Kunstöffentlichkeit zu beteiligen, hing

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einesteils noch mit einer Auffassung von Kunst zusammen, welche bildende und mechanische Künste umschloß als vernunftgeleitete, auf Vollkommenheit zielende Praktiken - im Gegensatz zum Handwerk als mechanischer Verrichtung ohne theoretische Konzeption, ohne eigene Erfindung. Ausgestellt werden sollten möglichst neuartige, komplizierte Dinge, Variationen oder Verbesserungen. Gefragt wurde weder nach verbesserten Produktionsinstrumenten noch nach Ware, deren Absatz sich verbessert hatte. Kurz: Der Idee von der Beförderung der Industrie lag noch keine Auffassung von Industrie im Sinne marktwirtschaftlicher Theorie zugrunde, kein Begriff von Industrialisierung. Daß mechanische Kunststücke in der Ausstellung gezeigt werden sollten, konnte andernteils auch eine Reaktion auf die französischen Industrieausstellungen sein - die neue Ausstellungsöffentlichkeit, die als wichtiges Instrument zur Förderung der Gewerbe ebenso wie als Demonstration eines neuen Selbstbewußtseins von Wirtschaftsbürgern Popularität weit über Frankreich erlangt hatte, wurde vom württembergischen König dem höfischen Bereich integriert, indem sie in Räume des Alten Schlosses verlegt, durch Objekte aus den königlichen Sammlungen komplettiert und eine Prämiierung durch den König versprochen wurde. Als Gewerbeförderung konnte eine solche Ausstellung allenfalls in der Weise aufgefaßt werden, daß die besseren Kunstschreiner und andere Professionisten mittels der Ausstellung ihr Können zeigen und Aufträge an sich ziehen konnten. Im Januar 1816 wurde an der gleichen Stelle erneut eine Ausstellung für den Mai des Jahres angekündigt: »Mit dieser Nachricht an das Publikum wird zugleich die Einladung an diejenigen Künstler, Fabrikanten und Profeßionisten, welche diese Gelegenheit zur Ausstellung gelungener Kunstwerke, vorzüglicher Fabrikate, neuer Erfindungen und ausgezeichneter Meisterwerke zu benutzen gedenken, verbunden, diese Gegenstände ... dem Kastellan ... zu überliefern.« 4

Da war sozusagen alles möglich. Insbesondere blieb ungesagt, was denn nun unter »vorzüglichen Fabrikaten« zu verstehen sei. Offen war auch der Zweck einer solchen Ausstellung. Warum jemand es nützlich finden sollte, seine Kunststücke dem Publikum zu zeigen, blieb unerfindlich. Im Regierungsblatt wurde dieser Ausstellungstext für die nachfolgenden Ausstellungen bis 1 8 4 2 kaum geändert, bloß ergänzt um den Aufruf nach ausgezeichneten technischen Arbeiten und Fabrikaten. 5 Maschinen waren andererseits ausdrücklich von der Ausstellung ausgenommen und auf das landwirtschaftliche Fest verwiesen. Die entscheidende Verschiebung der Akzente wurde im Correspondenzblatt im Aufruf zur Ausstellung von 1 8 2 7 vorgenommen, zweifellos durch die Mitglieder der mechanischtechnischen Sektion des Landwirtschaftlichen Vereins, der mit der halb249

amtlichen Landwirtschaftlichen Zentralstelle, v o n der Regierung mit der Organisation der Ausstellungen betraut, liiert war. Sie fugten d e m Aufruf zur Ausstellung hinzu: »Nach den eigenthümlichen Verhältnissen unseres Vaterlandes kann der Zweck dieser Anstalt weder in nutzloser Ostentation, noch in der Befriedigung müßiger Schaulust, sondern vielmehr nur darin gesucht werden, daß die vorzüglichem Erzeugnisse des vaterländischen Kunstfleißes im Ganzen, wie in seinen einzelnen Zweigen in Uebersicht gebracht, einer möglichst vielseitigen Prüfung und dem Urtheil jedes Sachkundigen unterstellt, dem größern Publicum, wie dem Kunstfreunde oder Speculanten durch eigene unmittelbare Anschauung bekannt werden; daß durch die gelungenen Versuche des Einen die Nacheiferung des Andern geweckt, durch Vergleichung und Nachbildung das Streben vom Guten zum Bessern, vom Bessern zum Vollkommenen gefördert, durch Zusammenstellung der verschiedenen Industrie-Zweige die Mängel des Einzelnen und die Lücken des Ganzen entdeckt, das selbstgenügsame Stillestehen verhütet, dem Talent und dem Erwerbsfleiße ein neues Feld eröffnet werde. Soll die Kunst- und Industrie-Ausstellung diesen höhern Zwecken entsprechen, so darf sie nicht sowohl auf sogenannte Kunst- oder Schaustücke, als vielmehr auf den Kunst- und Gewerbsfleiß im staatswirthschaftlichen Sinne berechnet seyn. Sie wird nicht blos Gegenstände der schönen bildenden Künste, sondern auch, und mit gleichem Rechte, die Producte der technischen Industrie umfassen; sie wird nicht blos dem Höchsten und Schönsten in jedem Industrie-Zweige, sondern auch und mit gleichem Anspruch auf die Anerkennung ihres innern Werths, den Fabrikanten der mittlem und vergleichnißweise geringem Artikel geöffnet seyn, wenn nur auch diese in ihrer Art vollkommen, und mithin für den größern Verkehr von entschiedenem Werthe sind; denn nicht die Höhe des Verkaufs-Preises, sondern die Güte und Schönheit der Waare im Verhältniß zum Preise bestimmt den Werth der Fabrikate; es gibt keine Kunst, kein Gewerbe, kein Handwerk, das nicht der Vervollkommnung fähig und würdig wäre.« 6

Damit war d e n Ausstellungen ein klares Programm mit volkswirtschaftlichem Schwerpunkt g e g e b e n . Der Einfluß des Königs war relativiert abgesehen davon, daß er ein Saalgebäude, Aufsichtspersonal u n d einige Kunstwerke auslieh, beschränkte sich seine Beteiligung auf die Modalitäten der Auszeichnung, nicht auf die Bewertungskriterien. Statt Orden zu verteilen, wie v o n der Beurteilungskommission gewünscht, u m so das persönliche Verdienst der Ausgezeichneten u m das wirtschaftliche Wohl des Landes hervorzuheben u n d diesen solchermaßen gleichzeitig eine Art quasi-militärischen oder Adelsrang z u verleihen, bestand der König auf einer moderneren Form der A u s z e i c h n u n g nach französischem Vorbild, i n d e m erlaubt wurde, Auszeichnungsmedaillen ins Firmenetikett z u übern e h m e n u n d als Reklamemittel zu gebrauchen. S o blieb die Ausstrahlung der A u s z e i c h n u n g auf die Sphäre des Wirtschaftlichen begrenzt, wurden

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ständische Empfindlichkeiten durch gesellschaftliche Aspirationen der Wirtschaftsbürger nicht tangiert. 7 Durch den Ausschreibungstext war schließlich neu definiert worden, was unter Kunstfleiß zu verstehen sei: Nicht mehr sollten Schönheit, Neuheit und Kompliziertheit an sich Kennzeichen gelungener Kunstfertigkeit sein, sondern sie wurden zu Funktionen der Preiswürdigkeit einer Ware. Kriterium gelungenen Kunstfleißes war die Verkäuflichkeit des Gefertigten geworden. Unter diesem Begriff wurden Kunstwerke ebenso wie Fabrikate nebeneinander gefaßt. Daß Kunst und Fabrikation eng nebeneinander gesehen wurden, trug sicher dazu bei, den Schönen Künsten ihren Platz auf den Ausstellungen zu sichern, erklärt aber nicht die Bedeutung, die der Geschmacksbildung im Rahmen der Industrialisierung von den Zeitgenossen zugemessen wurde. Sie war mehr als bloße Dekoration. Eine genauere Analyse der in den Industrieausstellungen hergestellten Bezüge zwischen Kunst, Industrie und Öffentlichkeit läßt sich am besten anhand einer bestimmten Kunstund Industrieausstellung erarbeiten, weil alle Industrieausstellungen in Stuttgart einem Muster folgten, welches sich auch in den Provinzausstellungen wiederfinden ließ. Über die Industrieausstellung, welche während der letzten Aprilwoche und im Mai 1 8 2 7 in Stuttgart stattfand, wurde im Correspondenzblatt respektive im Kunstblatt, der Beilage zum Morgenblatt, ausfuhrlich berichtet. 8 Die Ausstellung von 1827 fand im Königlichen Redoutenhaus statt, einem zentral gelegenen Saalbau mit umlaufender Galerie. Oben waren die Bildenden Künste zu sehen, unten die industriellen Produkte. Der Stuttgarter Kaufmann und Kunstfreund Gottlob Heinrich Rapp kommentierte in einem Artikel im Kunstblatt die Aufstellung so: »Hier unten sollen wir sehen und denken, an die Mühen,

Nothwendigkeiten,

kostspieligen Bedürfnisse des Lebens denken; dort oben können wir uns, wenn wir wollen, das Leztere ersparen, und dürfen das fertige, gereinigte, erleichterte Daseyn anschauen.« 9

Bevor er die ausgestellten Kunstwerke beschrieb und Neuigkeiten über die ausstellenden Künstler beifügte, betonte er besonders die Rolle der Öffentlichkeit, der Hersteller wie des Publikums, fur das Zustandekommen der Ausstellung, und er thematisierte zugleich damit das Problem der wachsenden und angemessenen Bedürfnisse: »Jedes Bedürfnis dringt auf Befriedigung, so auch das Verlangen der Kunst und Technik nach Oeffendichkeit, und in gewissen Fällen mag auf die Frage nach dem mancherley Nützlichen und Schädlichen, das eine solche Befriedigung zur Folge haben kann, keine bestimmte Antwort ertheilt werden. In Würtemberg ist so viel Kunst- und Gewerbfleiß rege, und ein so rasches Fortschreiten, besonders des Leztern bemerkbar, daß die Regierung durch Veran-

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staltung öffentlicher Ausstellungen ihrer Erzeugnisse dem Wunsch der Erzeuger, wie des Publikums, gleichmäßig entgegen kam, weil jene in einem größern vaterländischen Kreise, auch im Ausland bekannt werden wollten, das Publikum die neuesten, frischesten Blüthen des Schönen und Nützlichen zur Schau und Beurtheilung versammelt zu sehen wünschte.«1"

Etliche der hundertsechsundsiebzig Aussteller im Ausstellungssaal waren darauf bedacht gewesen, bei ihren Gewerbe-Produkten das Schöne mit dem Nützlichen zu vereinen. Im Ausstellungsbericht war das ein Kriterium der Beurteilung - neben dem Stand der technischen Innovation bei der Herstellung und dem Preis/Leistungsverhältnis. Schließlich spielte eine Rolle, ob die Produkte Importe ersetzen konnten. Textilien (einschließlich Hüten aus Filz und Stroh) bildeten mit sieben von zweiundzwanzig Ausstellungsklassen den relativ größten Teil des Ausgestellten, dort waren allein zweiundsiebzig Aussteller vertreten. In deren Beschreibungen, wo übrigens auch Angaben über die verwendeten Maschinen gemacht wurden, über Spindeln, Webstühle, Pressen, Tuchscheren und ähnliches, fällt vor allem die Vielzahl der Qualitäten auf, besonders bei den Wollstoffen. Noch von Hand wurden Tuche und Stoffe mit einer verwirrenden Vielfalt von Bezeichnungen hergestellt, die daraufhinweisen, daß sie ursprünglich in anderen Regionen hergestellt worden waren: Circassiennes, Casimirs, Biber, Merinos, Valencias. Auch Farbbezeichnungen wie Ypsilanthi, Amaranthe Ecossais, Ponceau können als Hinweise darauf gelten, daß sich etliche der Tuchfabrikanten auf fremde Märkte, ausländische Konkurrenz und auf Anforderungen der Mode einzustellen versuchten. Der Textilfabrikant Heinrich Rapp präsentierte Sofa- und SesselÜberzüge, Decken, Tabaksbeutel, Merinokleider und Damenmäntel (ein frühes Beispiel für konfektionierte Kleidung!) und Damentaschen, alles, wie der Ausstellungsbericht vermerkte, höchst geschmackvoll nach einem besonderen Verfahren mit erhabenem Dessin bedruckt." Dafür gingen Bestellungen selbst aus London ein. Georg Friedrich Meebold aus Heidenheim hatte Proben seiner Kattune ausgestellt, welche »das regste Streben der Fabrik, den Bedürfnissen des Zeitgeschmacks, welcher in der Regel die Cotton-Fabrikation vorzüglich zu beherrschen pflegt, zu entsprechen«. Technisch war er noch nicht ausgestattet wie seine ausländischen Konkurrenten, die durch Druckwalzen dem raschen Modewandel folgen konnten und ihn auch wiederum anstachelten. Er behalf sich damit, die Muster per Hand im Modeldruck imitieren zu lassen. Selbst in seinem einfacheren Sortiment mußte er die steigende Nachfrage nach gemusterten Stoffen einkalkulieren: »Nr.720, ein violetter Zitz [Baumwollstoff], war mehr für Landleute bestimmt, zwar nicht ganz modern, aber doch gefällig, wie ihn auch andere Fabriken aus der Hand

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drucken. Indessen fängt er auch bei dem Volk schon an, durch die Rouleaux verdrängt zu werden.«12 Die spezielle Qualität »Geschmack« zu liefern waren insbesondere Hersteller in der Lage, welche sich im Ausland umgesehen hatten. Modeldruck in Grün, Blau, Rot auf Leinen oder Baumwolle mochte den Landleuten genügen, Teppiche oder Halstücher mußten nach englischer oder französischer Art gedruckt sein und in vielen Farben. Die Mehrzahl der ausstellenden Tuchmacher aber zeigte schwarze, braune, blaue Wollstoffe, vielleicht ein grünes Tuch, billig und doch wegen ihrer ungleichmäßigen Qualität zu teuer. Was hatten in den Augen der Zeitgenossen Tischteppiche und Modestoffe mit der Kunst zu tun? Man sah sie zusammen und das nicht bloß unmittelbar räumlich, sondern auch in dem Sinn, daß Gestaltung einerseits, Geschmack andererseits vom Vorbild der Kunst bestimmt waren. Dessins zeichnen konnte, wer an Ornamenten und an Antiken-Sammlungen zeichnen gelernt hatte. Geschmack auch in modischen Dingen besaß, wer ihn an der Kunst geschult hatte. Paris, die Stadt, die Museen, die Ateliers der Dessinateure, die Moden stellten den Zusammenhang zwingend vor Augen, in den Ausstellungen in Stuttgart bildete man ihn nach. Viel direkter zeigt sich das Verhältnis von Industrie, Geschmack und Kunst auf der Ausstellung bei den Fabrikaten zweier Metallwarenfabriken, nämlich den Deffnerschen Blechwaren aus Esslingen und den Silberwaren von Bruckmann in Heilbronn. Deffner muß bei der Verzierung seiner Fabrikate auf illustrierte Kunst- und Reisebücher zurückgegriffen haben, um etwa Teller mit Schloß Weinsberg oder Carisbrook Castle (Isle of Wight) zu verzieren oder auch mit dem Molkenhaus von Boll. Ein Dutzend Rauchtabaksdosen war mit idealischen Szenen aus dem griechischen Freiheitskampf geschmückt und außerdem mit einer Karte des Kriegsschauplatzes versehen, ein Kaffeebrett stellte »Kölln im Kupferdruck« vor. Beide Verzierungen nahmen Bezug auf zeitgenössische Ereignisse, welche die Öffentlichkeit bewegten - der Weiterbau des Kölner Doms, wesentlich vorangetrieben von den Brüdern Boisseree, war den Stuttgartern durch die Ausstellung und durch die Kupfer, welche von Duttenhofer in Stuttgart gestochen wurden, gegenwärtig. Es gab Verzierungen »in gothischer Manier«, im gebildeten Europa der Zeit gerade ä la mode, oder klassizistische Formen, wie etwa bei einer »Vasenlampe ... mit Ipsara-Marmor-Lack und polierter Glocke«. Deffner expandierte, seine Waren ließen sich auch im Ausland gut absetzen. Sein Problem war, Arbeitskräfte zu finden, die Verzierungstechniken beherrschten, sich aber in die arbeitsteilige Fertigung fugten. 13 Bruckmann & Comp, in Heilbronn stellten Silberwaren aus: Leuchter, Kompott- und Zuckerschalen, Salzfasser und Senfbecher, Tafelbestecke

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nach englischer Mode, sowie »Flacon-Gestelle zu Essig und Oehl, zu Köllnischem Wasser in gothischer und antiker Form mit Figuren«. 14 Bruckmann ging es offensichtlich nicht wie Deffner darum, modischen Strömungen zu folgen, sondern klassische und etablierte Vorbilder (säulenförmige Tafelleuchter, englisches Besteck, französische Zuckerschalen etc.) nachzugestalten und sie billiger als die handgefertigten Vorbilder abzusetzen, dabei aber nach Form und Material den ästhetischen Anspruch der Originale zu wahren. Fabrikmäßig war die Herstellung der Ware aus einzelnen Teilen (zum Teil mittels Pressen), welche dann miteinander verlötet wurden. Bruckmann war der erste in Deutschland, der auf diese Art Besteck herstellte, und er hatte guten Absatz bis nach Übersee. Die Fertigungsweise ermöglichte es, weniger Silber zu verwenden und die Waren dadurch und durch die Serienfertigung billiger anbieten zu können. Dazu waren allerdings große Investitionen in stählerne Stempel, Presse und Fallhammer nötig. Weitere Sektionen der Ausstellung ließen sich durchmustern, wie der Eisenguß, die Schreinerei, Lederwaren, Buchbinderei, Töpfer- und Glaswaren, Schmuck aus Gold und Silber, um noch mehr Waren zu finden, die unter der Perspektive ihres Geschmacks beurteilt und in Beziehung zur Kunst gesetzt wurden. Es war dies ingesamt gesehen ein sehr großer Teil der Fabrikate, ohne daß sich - das bringt die Art der Berichterstattung mit sich - sagen ließe, wieviel. Auch zeigte die Ausstellung nur mit Einschränkungen ein repräsentatives Bild der württembergischen Industrie. Aber es wird nachvollziehbar, daß es nicht an einer sich überlebten Auffassung von Kunst lag, wenn Förderung der Bildenden Künste, Geschmacksbildung und technische Bildung in einem Zusammenhang gesehen wurden, sondern daß die Förderung der Künste tatsächlich als eine Förderung der Gewerbe betrachtet werden konnte. Die Austeilungskommission der Landwirtschaftlichen Zentralstelle betonte in ihrem Rechenschaftsbericht im Juli 1 8 2 7 , wie wichtig auch weiterhin die Beteiligung der Künstler an den Ausstellungen sei und schlug vor, sie wie schon die Gewerbetreibenden durch das Aussetzen von Preisen anzuspornen, sich zu beteiligen: »Doch geht von den bildenden Künsten aller Wiederglanz auf die technischen zurück, denn ohne Geschmack u. Kunstsinn können heutigen Tags kaum mehr die Schumacher und Schneider bestehen.«15 Der Bezug von Industrieprodukten zur Bildenden Kunst läßt sich auch anhand der Produkte selbst analysieren. Wie schon an bisherigen Objektbeschreibungen in den Ausstellungsberichten deutlich geworden ist, war die Palette kunstindustrieller Produkte breit gefächert. Sie umfaßte rasch praktisch alle Gegenstände der entstehenden modernen bürgerlichen Konsumkultur, welche sich in den Teilen des Interieurs herauszubilden begann,

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die den öffentlichen Bereich der Privatsphäre bildeten. Der Salon war ihr Kernstück, bestückt mit Möbeln, Bildern, Nippes, Lampen und Leuchtern, Besteck und Geschirr, Decken, Teppichen und Gardinen. Analog mußten sich zunehmend alle jene Industrien und Gewerbe auf Kunst beziehen, deren Waren auf jenes bürgerliche Interieur hin produziert waren. Auf der Heilbronner Gewerbeausstellung waren 1839 sechs Klassen von Gegenständen ausgestellt: Webarbeiten, Metalle, musikalische Instrumente (Pianos und Pianinos), Schreinerarbeiten, Lederwaren sowie »allgemeine Gegenstände der Kunst und Industrie«. Wieviele Aussteller, wieviele Gegenstände insgesamt präsentiert wurden, geht leider aus dem Bericht an die Gewerbeförderungsgesellschaft nicht hervor. Die Klasse der »allgemeinen Gegenstände der Kunst und Industrie« wurde vom Berichterstatter am ausfuhrlichsten behandelt; Dinge von verschiedenartigstem Charakter, teils handwerklich, teils industriell hergestellt, fanden sich dort gruppiert: chemische Produkte, Zichorienkaffee (von Knorr) und Tabak, Papiere, Tapeten, Uhren, Sonnen- und Regenschirme, Lackleder und ein englischer Reitsattel, vergoldete Vasen, Bürsten und Quasten, ein Butterfaßmodell, von Konditoren- und Hufschmiedstöchtern verfertigte Buketts aus künstlichen Blumen, Zeichnungen als künstlerische Talentprobe, Vorlagen für Wandmalereien, Lithographien und noch vieles andere mehr. Es handelte sich um eine Restekategorie, in der alles Platz gefunden hatte, was aus den übrigen Klassifikationen der Ausstellung herausgefallen war. So gibt diese Auflistung unter der Rubrik Kunst nur einen unvollkommenen Eindruck vom Dinguniversum, welches von Industrie und Kleingewerbe fur das moderne Interieur hergestellt wurde. Viele Gegenstände aus den anderen Rubriken müßten hinzugenommen werden. Indes läßt sich einmal die große Spannweite von Produkten anhand einiger Extreme andeuten, zum anderen lassen sich an mehreren Gegenständen dieser Rubrik die besonderen Beziehungen zwischen Kunst und Industrie erkennen. Die chemische Fabrik »Münzing et Comp.« beispielsweise präsentierte ihre Ölseife als »Brustbild mit Postament, ... in verschiedenen Farben gefertigt, wie dieser Artikel täglich von ihnen geliefert wird; eine Waare, die überall raschen Absatz findet.«16 Der Seifenfabrikant setzte Assoziationen zur Kunst als Reklamemittel ein und spielte dabei mit seinem Öl-Seifen-Bild gekonnt auf Bedeutungsfelder von Porträt, Prominenz und Proprietät an. Ähnlich wie der Seifenhersteller verfuhr ein lithographischer Betrieb im Ausstellungsarrangement, indem er seine Produkte wie Bilder gerahmt und unter Glas ausstellte.17 Bei den als imposantem Wandschmuck präsentierten Lithos wird es sich vermutlich um Reklamezettel, Aufkleber, Verpackungsmaterial oder ähnliches gehandelt haben, sonst wäre auf die Kunst-Vorbilder hingewiesen, wäre kein Arrangement gezeigt worden.

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Abbildung 22: Fischkelle mit Perlmuttgriff in Form eines Delphins und Nähkästchen, in die Miniaturform einer Walnußschale hineinpraktiziert. Beides von den Messerfabrikanten Gebrüder Dittmar, Heilbronn, als Schaustücke neben ihrem Messersortiment auf der deutschen Industrieausstellung Leipzig 1850 ausgestellt, in: Industrie-Ausstellung Leipzig, S. 45, Fig. 63.

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Auch von einem Tapetenfabrikanten wurde ein Bezug seiner Produkte zur Kunst hergestellt, indem die Tapeten gleich Gemälden als Wandschmuck präsentiert waren. Ein Zimmermaler dagegen, welcher Plafonds und Wände mit gemalten Ornamenten und Ansichten dekorierte, bot seine Arbeit nach industriell reproduzierten Mustern an, welche er je nach den Gegebenheiten, Wunsch und Geschmack des Auftraggebers auf Innenräume übertragen konnte. Tapetenfabrikant wie Zimmermaler spielten mit den Gegensätzen von Original und Reproduktion. Die auf Verkauf in großem Maßstab berechnete und - mit Hilfe von Endlospapier und Rollendruck - in fast beliebiger Menge, Musterung und Farbigkeit lieferbare Tapete, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch ihre Billigkeit weite Verbreitung finden sollte, schmückte sich mit einer Anspielung auf Einmaligkeit, vom Zimmermaler, dessen Kunst eben durch die Tapete ersetzbar war, wurde erwartet, daß er zuverlässig reproduzierte, was an Vorbild vereinbart worden war, daß andererseits die fertige Bemalung noch als einmalig (aber nicht etwa als originell) gelten konnte. Zur Kunstindustrie im engeren Sinn lassen sich verallgemeinernd alle diejenigen industriell produzierenden Fabrikanten zählen, welche sich systematisch der Kunst als eines Verbindung stiftenden Mediums zwischen ihren fur einen allgemeinen, anonymen Markt bestimmten Produkten und den Bedürfnissen der Kunden bedienten, indem sie die von ihnen hergestellten Waren Kunstwerken assimilierten. Das konnte etwa in der Weise geschehen, daß Industrieprodukte mit Kunstreproduktionen geschmückt wurden oder daß sie Kunstvorbildern in der Form angeglichen wurden. Der Bezug zur Kunst mußte nicht sämtlichen Produkten gleichermaßen eigen sein, sondern konnte sich auf einige in besonderer Weise konzentrieren, deren Kunstbezug gleichsam Vorzeigecharakter für die übrigen Produkte des Sortiments besaß. Dieser Charakter wurde in Verkaufskatalogen und auf Ausstellungen sorgfältig inszeniert. Die Ausstellungsberichte können eine ungefähre Vorstellung davon vermitteln. Abbildungen von Ausstellungen beschränkten sich häufig auf solche Kunstprodukte als Schaustücke, wie die frühesten Abbildungen württembergischer Kunstindustrie auf der deutschen Industrieausstellung in Leipzig 1850 zeigen. Abgesehen von Verlagen und Druckereien waren Kunstindustrien im engeren Sinn in Württemberg, folgt man den zeitgenössischen Ausstellungsberichten, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem im Bereich Metallwaren zu finden. Das Angebot reichte von gußeisernen Öfen, Messern, lackierten Blechwaren und Spielzeug über geprägtes Messing und Tischsilber bis zur industriellen Herstellung von Schmuck. Dazu kamen einige Buntpapier- und Tapetenfabriken, verzierte Pappdosen, -schachteln und -puppenköpfe, Fayence und Steingut aus Schramberg und Ludwigsburg. Im Bereich der Textilindustrie lassen sich Baumwoll257

druckereien, Damastwebereien, Teppichfabriken, Spitzenwebereien zur Kunstindustrie zählen. Die Möbelindustrie würde sich in der Hauptsache erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickeln. Indes prosperierte in Esslingen bereits eine Fabrik bemalter Kleinmöbel,18 und auf der Leipziger Industrieausstellung war bereits der Stuttgarter Möbelfabrikant Wirth mit »Renaissance«-Möbeln vertreten, was hieß, daß seine Fabrikation bereits über den lokalen und regionalen Bedarf hinaus expandierte. Sein Prunkstück, ein Spiegelschrank (vgl. Abb. 17), wurde im Ausstellungsbericht mit Kategorien der Kunstkritik gewürdigt: »Der eigenthümliche Eindruck, den diese vortreffliche Arbeit durch ihre vom bisherigen Gebrauch ganz abweichende Manier auf den Beschauer hervorbringt ..., beruht in der gelungenen Anwendung des Mittels, durch die Abwechselung von matten und glänzenden Flächen in Verbindung mit hellerer und dunklerer Politur einen Effect hervorzubringen, der demjenigen ähnlich ist, welchen man in der Malerei durch den »Ton« bezeichnet. Es herrscht oder scheint vielmehr zu herrschen ein gewisses künstlerisches Verhältniß zwischen Licht und Schatten und eben dieser Schein ist es, was jenen Eindruck so eigenthümlich macht. Man war bisher gewohnt, eine besondere Schönheit darin zu sehen, wenn alle ... Theile eines Meubels den größtmöglichen Glanz zeigten. Abgesehen davon, daß hierdurch die etwa an den Meubeln befindlichen Sculpturarbeiten sowol in Bezug auf die Richtigkeit ihrer Formen, wie auf Schärfe der Contouren und Weichheit der Flächen große Einbuße erleiden mußten, so that auch gerade der aus der Politur hervorspringende scharfe Reflex der eigenthümlichen Schönheit des Holzes oft keinen geringen Abbruch. ... diese Uebelstände [sind] auf höchst geschmackvolle Weise vermieden, indem durch den Gegensatz zwischen Glanz und Mattheit nicht nur die einzelnen Theile, besonders die Schnitzarbeiten, eine Weichheit und Reinheit erhalten, wie wir sie noch an keinem Meubel gefunden haben, sondern daß dadurch das ganze denselben reichen Anblick gewährt, wie gewisse Bronzearbeiten, in denen derselbe Gegensatz herrscht.« 19

An dieser Beschreibung wird nicht nur deutlich, daß kunstindustrielle Produkte in die Sphäre der Kunst vordrangen und sich einem ästhetisch zwar aufgeschlossenen, aber an musealisierter Kunst orientierten Publikum als Kunstwerke präsentierten, sondern zugleich, wie geschickt Kunst als Ressource für ästhetische Variationen und zugleich für technische Innovationen benutzt wurde. Keine der hier genannten Industrien läßt sich in vollem Umfang der Kunstindustrie zurechnen. So gehörte zur Metallwarenindustrie auch die Werkzeugfabrikation, die Herstellung von Waffen, Sensen, Baubeschlägen, Schlössern und Feuerspritzen und vieles mehr, teils in unabhängigen Unternehmungen, teils in Betrieben, die hauptsächlich kunstindustrielle Fabrikate herstellten. Kunstindustrien konturierten sich für die zeitgenössi258

sehen Konsumenten durch die Produkte. Statistisch bildeten sie eine schwer erfaßbare Größe; es war eine Kategorie, die in zeitgenössischen Statistiken, die von der quantitativen Seite der Produktion her konzipiert war, fehlte und eine statistische Klasse, deren Umfang im Rückblick nicht zu rekonstruieren ist. Gleiches galt für die Textilindustrie. Sie konnte zur Kunstindustrie gezählt werden, insofern sie sich auf Kunst bezog, etwa indem Textilien Bilder eingewebt oder aufgedruckt waren oder Ornamente und Muster aus dem Vorbilderschatz der musealisierten Kunst. Das gleiche galt für Accessoires, die nach solchen Vorlagen entstanden. Daneben gab es Fabriken, welche traditionelle Formen oder unspezifisch »moderne« Dessins und Waren produzierten. Im Vergleich zur Metallwarenindustrie stellte die Textilindustrie weniger End- als Zwischenprodukte her: Stoffe, Bänder, Spitzen, die dann von verschiedenen Kleingewerben, von Schneidern oder im Haushalt zu Kleidung verarbeitet werden sollten. Indem diese Kleidung sich nach dem Vorbild von Figurinen in Modekupfern ausrichtete, die ihrerseits Kostüme zeigten, welche Anleihen aus der Kunstgeschichte machten, war ein weiterer starker, wenn auch indirekter Bezug zwischen Textilindustrie und Kunst gegeben. Schließlich aber wurde Kleidung an ästhetischen Kriterien gemessen, welche an der Kunstgeschichte entwickelt waren, in dem Bewußtsein, »daß das Wesen des scheinbar so willkürlichen Bauwerks aus Wolle und Seide, Filz und Leder mit dem Styl zusammenhängt, in dem Staat, Kirche und Kunst aufgebaut sind«.20 Den Kunstindustrien im engeren Sinn kamen weitere Industrien nahe, wie die Heilbronner Seifenfabrik, die Kunst als Reklamemittel für ihre Gebrauchsdinge benutzte, aber keine Kunstprodukte im engeren Sinn herstellte. Andere Industrien arrangierten ihre Produkte auf Ausstellungen zu Tableaus, umrahmten sie etwa mit ornamentalem Beiwerk oder Abbildungen. Kunst konnte nicht nur die Gestaltung von Produkten im Sinne moderner Konsumkultur betreffen, sondern auch die Verpackungen beispielsweise von »Spezereien« wie Kaffee, Lebkuchen, Schleckereien und Tabak. Trotz der Verpackung ließen sich beispielsweise Tabakfabriken sicher nicht zur Kunstindustrie zählen, weder in deren traditionellerem noch im modernerem Sinn. Wie sich an Packpapieren der Ulmer Tabakfabrik Bürglen21 studieren läßt, zeigt der Gebrauch von Kunstformen bei der Gestaltung von Verpackungen unterschiedlicher Sorten aber einige wichtige Ähnlichkeiten zu dem Gebrauch, der in den Kunstindustrien im engeren und modernen Sinn von Kunst gemacht wurde. Kunstindustrielle Produkte sind nirgends systematisch dokumentiert, sondern allenfalls zufällig und bruchstückhaft überliefert, als alter Hausrat und »Antiquität«, in einzelnen erhaltenen Musterbüchern und Katalogen, als Sammlerstücke oder, manchmal, als Museumsobjekte. Der durch Kunst 259

Abbildung 23: Tabak-Reklame von Bürglen, Ulm, für ein Versandgeschäft für Imkerbedarf in Gaildorf. Mitte 19. Jahrhundert. Renaissance-Grotesken sind mit realistischen Genreszenen im Stil populärer Druckgraphik kombiniert. Stadtarchiv Ulm.

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gestiftete Zusammenhang, ihr gemeinsames Kennzeichen, stellt sich allmählich in der Erinnerung her, gestützt durch zeitgenössische Dingbeschreibungen und -Zuordnungen. Der Bezug von Kunstindustrieprodukten zur Kunst reichte von Kunstreproduktionen und -Imitationen über die Applikation von Kunstformen und Bildzitaten zur Verwendung von Stilformen, Ornamenten und Mustern, deren Vorbilder Kunstwerke waren. Die Kompositionen konnten eigenständig sein, oder es konnte sich um eklektische Kombinationen von Vorbildformen handeln - wichtig war der Bezug zu der Kunst, welche seit Anfang des Jahrhunderts musealisiert und reproduziert wurde. An denjenigen Metallwarenindustrien, welche Produkte für den gehobenen bürgerlichen Konsum herstellten, läßt sich der Bezug dieser Industrien zur Kunst, der sonst anhand bruchstückhafter und verstreuter Hinweise angenommen werden muß, besonders gut zeigen. Von Blech- und Gußeisenwaren aus Esslingen und Wasseralfingen über Kupfer-, Messing- und Bronzewaren aus Stuttgart und Ulm hin zu Gegenständen von Silber und Gold aus Heilbronn und Gmünd deckten diese Industrien ein breites Spektrum von Haushaltswaren, Einrichtungsgegenständen und Schmuck ab. Außerdem eigneten sich Metalle zu den unterschiedlichsten Gestaltungsweisen, von schlichten Gebrauchsformen bis hin zu aufwendigen Verzierungen, Applikationen, galvanischen Formen, Lackierungen und Bemalungen, zu Kombinationen unterschiedlicher Metalle oder Verbindungen mit anderen Materialien wie Glas oder Holz und boten so unendlich viele Möglichkeiten zur Variation in Gestaltung und Preis. Im Unterschied zu Textilien waren die meisten Gegenstände aus Metall außerdem auch im Rahmen einer Wohnungseinrichtung Gegenstände, welche darin als eigenständige Dinge wahrgenommen wurden wie beispielsweise Leuchter, oder als Teil einer größeren Einheit im Gesamteindruck hervortraten. Möbelbeschläge sind dafür ein gutes Beispiel. Außer den Kunstprodukten gab es auch Industrieprodukte mit zeitlos klassischen Grundformen. Neben simplen Gebrauchsgegenständen handelte es sich dabei zu einem erheblichen Teil um Gegenstände, die Konsumbedürfnissen entsprachen, welche erst allmählich in breiteren Schichten Verbreitung fanden, wie Kaffee- und Teemaschinen. Den klassischen Formen entsprachen also nur teilweise herkömmliche Konsummuster, die von Sparsamkeit und von Knappheit der Gegenstände geprägt waren, die einfachen Grundformen wurden gleichermaßen verwendet, um Grundformen für neue Gegenstände zu schaffen, welche dann ebenso wie die klassischen Formen zum Ausgang für eine Differenzierung durch Gestaltung genommen wurden. Die gemusterten Waren verweisen auf neue Konsumbedürfnisse, die sich eher an Geschmacksnormen als am reinen Gebrauchsnutzen orientierten. Gerade dieser Bereich des nicht Luxuriö-

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sen, aber auch nicht Primitiven, sondern ein Bereich »mittlerer Nachfrage« weitete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in großem Maße aus, und zwar so sehr, daß die Industrialisierung zu einem wesentlichen Teil von diesen Nachfrageimpulsen stimuliert wurde. Während neue Genußmittel wie der Kaffee die Verbreitung bestimmter neuer Konsumgüter und neue Konsummuster mit sich brachten, half Kunst genereller, Konsummuster umzuformen und Bedürfnisse zu entgrenzen, und diese neue Qualität der Nachfrage hatte der Konsumgüterindustrie Expansionsmöglichkeiten beschert, die der bloße Nutzen von Gegenständen für einen rein praktischen Gebrauch nicht zustande gebracht hätte. Kunst wurde für die Gestaltung von Konsumgütern funktionalisiert, weil sie eine Zeichenfunktion erfüllte, welche die Dinge gerade über die bloße Gebrauchsfunktion hinaus mit Bedeutung erfüllt und begehrenswert machte. Diese Bedeutung war einmal eine soziale, eine Statusbedeutung, vermittelt über Kunst als Wert und als Herrschaftszeichen, zum anderen eine kulturelle, eine Bildungsbedeutung. Beide Bedeutungsebenen vermittelten sich über den Stadtraum als Kunstraum und als Warenöffentlichkeit. Beide brauchten den Rekurs aufs Museum, weil dort der Rang von Kunst und ihre Bedeutung insgesamt öffentlich festgestellt und sichtbar gemacht wurden. Kunst hatte darüber hinaus die Funktion, Gegenstände durch Details zu differenzieren und Sachen mit derselben Gebrauchsfunktion durch Gestaltungsunterschiede voneinander abzusetzen. Komplementär zu dieser Auffächerung des Angebots differenzierte und erweiterte sich Hausrat nach der Logik von Geschmack mit Blechwaren und anderen Konsumgütern in dem Maße, wie Produkte der Kunstindustrie der Komplettierung immer komplexerer ästhetischer Arrangements des Interieurs dienen konnten. Die Möglichkeit, Kunst als markierendes Element einer Serie von Differenzierungen einzusetzen, unterschied den Kunstgebrauch in der industriellen Fabrikation von dem fabrizierender Künstler. Der Flaschner beispielsweise, der Vasen mit Nationaltrachten (so benannt, waren bestimmte Kleidungsensembles ihrerseits als museal gekennzeichnet und reproduziert) in mühsamer Treibarbeit herstellte, mußte fur seine sorgsam in den Einzelheiten ausgearbeiteten Einzelstücke mit expliziten Assoziationen des kaufenden Publikums kalkulieren, während für einen Blechwarenfabrikenten Trachtenmotive nur ein Element unter vielen anderen waren, wie Renaissance-Ornamente, Chinoiserien usw., die nach gängigen Vorlagen mit einfachen Mitteln appliziert wurden. Als fabrizierender Künstler mochte der Flaschner mit seinen Einzelstücken den Anspruch verbinden, Kunstwerke geschaffen zu haben. Die Blechwaren dagegen waren meist auf Reproduktionen bezogen und auch auf diese Weise als industrielle Serienprodukte kenntlich. Die Gegenstände spielten mit Kunst 262

und mit der Rolle von Kunstwerken als Ausweis von Bildung und Status, indem sie sie zitierten. Wie Stichreproduktionen von Bildern den Zeitgenossen als serielle Originale gelten konnten, weil sie die formalen Qualitäten eines Gemäldes in ein anderes Darstellungsmedium übertrugen - also beispielsweise Farben durch Abstufungen von Schwarz und Weiß wiedergaben oder dreidimensionale Skulpturen auf der Fläche abbildeten - , so konnten die Kunstindustrieprodukte als weitere Transformationsstufe eines Kunstvorbildes zugleich serielle Objekte sein und, als Typus, Originalität beanspruchen. Das hing allerdings davon ab, daß die Formensprache und die Zitate den Konsumenten bekannt waren. Die Kunstindustrieprodukte bauten auf die allgegenwärtige Kunstöffentlichkeit und auf eine, jedenfalls relative, kollektive Präferenz oder partielle Verbindlichkeit von Stilformen und Geschmacksnormen, denen sie sich assimilieren konnten.

4.2. »Moderner Geschmack«, industrielle Entwicklung und Kunstindustrie Wenn in Ausstellungsberichten vom »modernen Geschmack« industrieller Produkte die Rede war, so drückte sich darin ein kollektiv-subjektives Urteil über die Qualität von Waren aus, welches von objektiven Kriterien wie Material, Ausführung oder Zweckmäßigkeit absah. Dieses Urteil war weniger eine theoretisch fundierte als eine in der Anschauung begründete Aussage über die Gestalt von Dingen, die im Kontext der neuen Warenöffentlichkeit und Warenvielfalt und deren Bezügen zur Kunstöffentlichkeit von Ausstellungen und städtischen Räumen wahrgenommen wurden. Ihm entsprach weder eine bestimmte Mode noch ein formal eindeutiger Stil. Vielmehr bezog er sich gleichermaßen auf kurzfristige Gestaltvariationen wie auf fest gefügte Formensembles. Dem »modernen Geschmack« entsprach eine epochal neue Konfiguration von Dingen, welche im Blick der Geübten diejenigen Dinge, die dieser Konfiguration eingeschrieben waren, klar von »Antiquitäten des Geschmacks«22 oder von schlicht Geschmacklosem unterschied. In dem Maße, wie sich der Blick auf die Dingwelt allmählich ästhetisierte, konnten, wie das ausdrücklich etwa in Ausstellungskommentaren geschah, mit Hilfe dieses formalen Ganzen alle Gegenstände einer ästhetischen Wertung unterworfen werden, die jede Gestalt an Kriterien maß, welche an der ubiquitär gewordenen Kunst gewonnen worden waren. In der Alltäglichkeit des Konsums wirkte sich diese Universalisierung des ästhetischen Blicks praktisch aus und gewann damit ökonomisch Gewicht. In dieser privaten 263

Sphäre konnten sich ungezählte individuelle Kaufentscheidungen zu Geschmackspräferenzen einer Käuferschicht massieren und so erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung gewinnen. Ein Indiz dafür waren die Absatzgebiete einzelner Kunstindustrien, welche manchmal in Ausstellungsberichten angegeben wurden. So lieferte der Heilbronner Silberwarenfabrikant Bruckmann 1842 nicht nur Ware im gesamten Zollvereinsgebiet aus, sondern auch in die Schweiz, nach Nordund Südamerika und über Triest in die Levante.23 Ein anderes Beispiel war die Tapetenindustrie, die sich in Deutschland erst entwickeln konnte, nachdem der Zollverein für ein gesichertes Absatzgebiet und einen Schutzzoll gegen die französische Konkurrenz sorgte, gegen die ihres besseren Geschmackes wegen die ersten deutschen Fabriken nicht hatten standhalten können. 24 Kunst prägte ein neues Kulturmuster des Konsums, das des entstehenden modernen Bürgertums und dessen Schichtungen, dem Kunstbildung im Laufe des 18. Jahrhunderts zum Medium der Verständigung untereinander und zur Abgrenzung nach außen geworden war. »Moderner Geschmack« erweiterte das Medium der Kunst auf die Ebene des Warenkonsums und erweiterte damit nicht nur den Kreis der in die bürgerliche Welt Einbezogenen, diese Welt selber wurde weniger klar definierbar. Das Kulturmuster des modernen Konsums war zweifach gekennzeichnet, einmal durch eine Entgrenzung von Bedürfnissen und eine Differenzierung des Gegenstandsnutzens, zum zweiten dadurch, daß nicht nur im Wert herausgehobene Gegenstände, sondern auch solche des täglichen Lebens zunehmend Kunstwerken zu gleichen begannen. Wie Kunst und Industrie selber waren auch die neuen Qualitäten der Kunstrezeption, des »modernen Geschmacks«, der ästhetisierten Wahrnehmung und funktionalen Differenzierung der Dingwelt und der Entgrenzung von Bedürfnissen internationale Phänome, deren Ausstrahlung bis in entlegene Gegenden zu reichen begannen. Er reichte, vermittelt durch die Warenöffentlichkeit, durch Ausstellungen, durch die Presse und durch Waren der Kunstindustrie selbst über das großstädtische Bürgertum hinaus in unterbürgerliche Schichten und in die Provinz. Sie waren überall dort anzutreffen, wohin, vermittelt durch Reiseerfahrungen, Handel, Abbildungen und Berichte - etwa im »Journal des Luxus und der Moden« und anderer, ähnlicher Zeitschriften - ein Abglanz metropolitanen Lebens, reproduzierte Kunst, industrielle Produkte und Vorbilder modernen Konsums reichten. Die Lesegesellschaften spielten dabei keine geringe Rolle, traf sich in ihnen doch eine gebildete Oberschicht nicht nur zur Debatte, sondern auch zur Zerstreuung und zur Information über Modedinge. Die Stuttgarter und Tübinger Museumsgesellschaften hatten das »Journal des Luxus und der Moden« abonniert, die Stuttgarter darüber hinaus die 264

»Leipziger Modenzeitung« samt Bildermagazin, die Tübinger die »Zeitung für die elegante Welt«, 25 in Ulm war ein regionales Zentrum der Modepublizistik, in Schwäbisch Hall erfüllte der Gewerbeverein zugleich die Funktion einer Lesegesellschaft, die über eine stattliche Bibliothek nicht nur gewerblicher Literatur, sondern auch solche allgemeiner Bildung und Unterhaltung verfugte, außerdem Vorlagen und Musterblätter der unterschiedlichsten Art. 26 In einer Esslinger Eisenwarenhandlung konnte man um 1 8 3 6 nicht nur Sicheln und Sensen, Faßreifen, Strohmesser und Schaufeln erstehen, sondern verschiedene gefällig gestaltete Stubenöfen sowie »Leuchter, Lichtputzträger, Zuckerdosen, Tassen, Tabacksbehälter, Dosen, Salarieren, Saucieren, Teller, Platten, Räuchergestelle, Uhrengestelle, Crucifixe, Kreuzchen, Ringe, Strick- und Schlüsselhacken, Medaillons, Büsten, Briefbeschwerer, Schreibzeuge, sowie Biegel-, Hippen- und Waffeleisen, Kaffeeröster etc.«. 2 7

Moderne Transportmöglichkeiten verstärkten das moderne Konsumieren, indem sie das Reisen erleichterten und neue Bedürfnisse in die letzten Winkel des Landes trugen. Den einfachen Staatsdienern wurde Geld plötzlich knapp, weil die Wünsche sich vervielfachten: »Wenn jetzt ... die Eisenbahn an dem Hause vorüberfährt und der Beamte nicht die Stärke hat, Tantalusqual zu ertragen, so reicht freilich das alte kleine Einkommen nicht mehr aus. U n d hat er sich auf einer Reise einen Begriff von fremdem Luxus in Gerätschaften, eine Anschauung von Kunstwerken, eine Erfahrung von üppigem Lebengenusse geholt, so ist nicht zu wundern, daß ihm die Einfachheit seines Lebens und die Kahlheit seiner Umgebungen unerträglich dünkt und er geistige und körperliche Genüsse sich aneignet, welche außer Verhältnis mit seinen Mitteln, wenn auch an sich nicht unvernünftig und übertrieben, sind.« 28

Kunst war dank Reproduktionen, öffentlicher Museen, dank Reisen zur Kunst und in Geschäften zu einem universalen Medium der Verständigung über die Dingwelt geworden, welches die älteren Medien kirchlichen Glanzes und höfischer Repräsentation abgelöst hatte und welches sich die Industrie bei der Gestaltung ihrer Produkte systematisch zunutze machte. Kunst erfüllte aus der Sicht der Industrie die Funktion eines Katalysatoren, welcher die industriellen Produkte in Gegenstände des Konsums verwandelte. Die Zuordnung von Produkten zur Kunst war bei etlichen Konsumgütern Teil des Herstellungsprozesses geworden, und gerade diesen Produkten wurde in Ausstellungsberichten das Prädikat »geschmackvoll« zugewiesen. In Ausstellungspräsentationen und Geschäftsauslagen wurde der Bezug zur Kunst durch verschiedene Arrangements noch verstärkt. Kunst bestimmte schließlich die Auswahl beim Kaufen und das Arrangement der Produkte in Interieurs. Die Entfaltung der industriellen Produktion, des Handels und die Konstituierung des Bürgertums lassen es

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zu, die anhand württembergischer Beispiele gezeigten Beziehungen zwischen Kunst, Industrie und Konsum zu verallgemeinern. Zum Gegenstand volkswirtschaftlichen Interesses mußte »moderner Geschmack« wegen seiner Bedeutung für den Warenkonsum und damit, umgekehrt, für den Warenabsatz fast zwangsläufig werden. Dieses Interesse bildete sich anhand akkumulierter Erfahrung mit dessen ökonomischen Effekten aus und fand zunächst keine theoretische Formulierung, sondern höchstens Ausdruck in Ausstellungs- und Reiseberichten, in welchen die Erfahrung sich allmählich zu festen Wahrnehmungs- und Formulierungsmustern verdichtete. Im Rückblick auf die in den vorangegangenen Kapiteln angestellten Untersuchungen lassen sich Grundzüge dieses Erfahrungswissens umreißen und zusammenfassend so formulieren: Ob die Warenpalette von Fabriken oder Gewerben, welche Konsumgüter herstellten, den Kriterien des »modernen Geschmacks« entsprach, war für deren Prosperieren von entscheidender Bedeutung, denn für den Absatz größerer Stückzahlen war es notwendig, den Geschmack einer breiteren, anonymen Käuferschicht zu treffen. Wenn Produkte zur Kunst in Beziehung gesetzt wurden, schien ein abstrakt-allgemeiner, international bekannter »Geschmack« am ehesten zu treffen sein. Indem so verfahren wurde, sorgten derartig gestaltete Produkte zugleich dafür, daß das Kulturmuster des »modernen Geschmacks« sich weiter und weiter verbreiten konnte und damit zum Maßstab der Gestaltung immer zahlreicherer Produkte werden mußte. »Moderner Geschmack« war, wie sich an verschiedenen Beispielen gezeigt hatte, mit neuartigen Konsumgewohnheiten verbunden, welche die Nachfrage nach ganz neuen oder funktional differenzierten Produkten stimulierten. Alte Muster der Beschränkung und der Sparsamkeit waren zugunsten einer Differenzierung und Entgrenzung des Konsums abgelöst worden. Die volkswirtschaftliche Bedeutung »modernen Geschmacks« reichte aber noch weiter. Geschmackvolle Gestaltung war ein Gegengewicht zur reinen Preiskonkurrenz; sie ermöglichte eine flexiblere Preisgestaltung von Produkten und damit höheren Profit oder ermöglichte es in gewissem Umfang, Vorteile, die der fortgeschrittenen ausländischen Konkurrenz durch Maschineneinsatz erwuchsen, abzugleichen. Daraus läßt sich beispielsweise die Differenzierung der Produktpalette bei württembergischen Textilien erklären, die sich in den Ausstellungsberichten abzeichnete. Andererseits ließen sich, wie in der Deffnerschen Fabrikation, bei den Bruckmannschen Silberwaren oder beim Schramberger Steingut durch geschmackvolle Gestaltung maschinell hergestellte Halbfabrikate differenzieren, variieren und zu Serien ordnen. Die genannten Fabriken sind zugleich gute Beispiele für neue Industrien und Gewerbezweige, welche ihre Entstehung dem »modernen Geschmack« verdankten. Dem Ausschuß der Gewerbeförderungsgesellschaft, 266

in dem mit dem Assessor und Kameralwissenschaftler Moriz Mohl, dem Direktor der Stuttgarter Gewerbeschule Professor Heigelin, Kaufmann Heinrich Rapp und dem Spinnereibesitzer Carl Bockshammer aus Berg bei Cannstatt Männer saßen, die mit ökonomischen Implikationen »modernen Geschmacks« vertraut waren - Mohl, Heigelin und Rapp hatten dies schriftlich fixiert, bei Bockshammer muß man es aus der praktischen Erfahrung annehmen - , wurden Anträge zu Investitionsbeihilfen vorgelegt, die das breite Spektrum des Wachstumsimpulses deutlich machen, der vom »modernen Geschmack« ausging. Über die Konsumgüterherstellung hinaus reichte der bis zur Rohstoffgewinnung wie beispielsweise dem Abbau von Schieferplatten zu lithographischen Zwecken, 29 der Herstellung von neuen Grundstoffen wie Farben, Lacken und Chemikalien, von Halbfabrikaten wie Buntpapier und von Werkzeugen wie Schreinerwerkzeug und Zeichenstiften. Er reichte über hauptstädtische Gewerbe hinaus in die Provinz und erfaßte sowohl handwerks- als fabrikmäßige Produktion von Gegenständen. 30 Vermittelt durch die Kunstindustrien, welche industriell hergestellte Halbfabrikate wie beispielsweise Blech oder Stoffe mit Hilfe von Werkzeugen und Maschinen zu »geschmackvollen« Konsumgütern verarbeiteten, erreichte dieser Wachstumsimpuls auch diejenigen Industrien, welche als die klassischen Schlüsselindustrien der ersten beiden Phasen der Industrialisierung gelten, Textilindustrie, Maschinenbau und Eisenindustrie. Die Ausstellungsberichte hatten gezeigt, daß gerade die modernen Textilfabriken ihre Fabrikate zunehmend modisch und geschmacklich zu differenzieren bemüht waren und vermutlich waren sie gerade wegen dieser Differenzierungen zu expandieren in der Lage. Moriz Mohl formulierte das so: »Denn dieß ist immer das Schicksal der Gewerbe, welche aus Mangel an der erforderlichen Ausbildung der Gewerbsleute sich um Jahrzehente

hinter den

Fortschritten des Auslandes nachschleppen. Die neuen Artikel, welche von den eleganteren, reicheren Verbrauchern vorgezogen werden, und deren Verfertigungsweise noch nicht Jedermann bekannt und geläufig ist, sind es immer, die verhältnismäßig bei weitem am theuersten verkauft werden und an welchen die Fabrikanten und Arbeiter am meisten verdienen.« 31

Den Erfolg der Flanellfabrikanten in Ebhausen und Rohrdorf, des Fußteppichherstellers Christian Landauer in Weil der Stadt und des Mergelstettener Deckenfabrikanten Zoeppritz, des Ludwigsburger Damastund Westenstoffproduzenten Weigle, der Calwer Fabrik für wollene Hosenstoffe von Schill und Wagner, des Böblinger Fabrikanten Heinrich Rapp und dessen Stuttgarter Kollegen Barrier und deren halbwollenen Möbelstoffen schrieb er eben unter anderem jener Strategie zu. Sie wußten sich

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die neuesten Muster zu verschaffen oder fuhren selber regelmäßig nach Paris, um sich im europäischen Zentrum der Mode zu informieren. Zum Teil aber wirke sie sich auch bei kleineren Herstellern günstig aus, welche für die Nachfrage einer modisch bewußteren einheimischen Landbevölkerung arbeiteten, wie den Herstellern von Golgas-Qualitäten in Balingen und den von bunt gestreiften wollenen Westenzeugen in Metzingen und Esslingen. 32 Diese modische Differenzierung hatte wiederum eine Differenzierung in den Herstellungstechniken zur Folge, was zu einer Nachfrage nach speziellen Werkzeugen, Geräten und Maschinen führen mußte, welche die modische Vielfalt technisch gewährleisten konnten. So gab es in Calw spezielle Strumpfwirkstühle für gestreifte und gemusterte Strümpfe nach hamburgischer und englischer Art. 33 Unter den zahlreichen verschiedenen Maschinen, deren Herstellung 1 8 3 2 in Württemberg möglich war, gab es neben Dampfmaschinen, Mühlwerken, Spinnmaschinen und Webstühlen auch solche, die für modische Differenzierung besonders geignet waren, wie etwa Tüllwebmaschinen, Jacquardstühle, 34 verschiedene Pressen und Kalander für Appreturen. 35 Die Gewerbeförderungsgesellschaft: subventionierte 1835 einen Strumpfstuhl-Nadelmacher, der eine Strumpfweberei gründen wollte, in welcher die Strumpfmacherei nach fortgeschrittenen industriellen Methoden aus Sachsen betrieben und modischere, also gewebte statt gewirkter Strümpfe oder Strümpfe mit Lochmustern hergestellt werden sollten. 36 Schließlich war auch die Entwicklung des württembergischen Eisenhüttenwesens in der ersten Hälfte des Jahrhunderts wesentlich von der Differenzierung des Konsums und der Ausbreitung des »modernen Geschmacks« bestimmt. So bestand ein wichtiger Teil der Produkte der Wilhelmshütte bei Biberach neben Bau- und landwirtschaflichem Bedarf und Gewichten für den Handel aus den unterschiedlichsten Arten von Kochtöpfen, Waffeleisen mit verschiedenen Mustern, Bierglasuntersetzern, Türgriffen, reich verzierten Öfen und Brunnen unterschiedlicher Form, Treppen und Treppengeländern, Konsolen, Fenstergittern und Oberlichtern mit reicher Verzierung vor allem im Stil der Renaissance, Grabkreuzen mit gotischen Ornamenten, Gartenmöbeln, Wirtshausschildern und schließlich auch gußeisernen Briefbeschwerern in Hirsch- und Adlerform, Spiegel- und Uhrengestellen, Pfeifenbrettern, Schuhabkratzeisen, Hutträgern und ähnlichem mehr. 37 Daß auch die Kochtöpfe geschmacksabhängige Artikel waren, zeigt zum einen die Produktpalette des Hüttenwerks Christophsthal, die innerhalb von zehn Jahren statt gußeiserner Bratpfannen immer mehr Kochhäfen und billigeres Blechgeschirr umfaßte und welche zugleich allmählich nach Kriterien der Schönheit, also unter zunehmender Beachtung eleganter äußerer Form zusammengestellt wurde. 38

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Zum anderen wird das an Versuchen deutlich, welche ab 1 8 2 3 mehrere Jahre hindurch im Hüttenwerk Königsbronn angestellt wurden, um verzinntes Kochgeschirr nach englischer Art produzieren zu können, weil man annahm, »Verzinntes Kochgeschirr von Gußeisen würde im Publicum vielen Beyfall finden, und in England sind vorzüglich die Milchgefäße von verzinntem Gußeisen sehr beliebt weil sie mehr Rahm absetzen sollen ... seit ein paar Jahren ist die Verzinnung des Guß-Eisens in England aufgekommen, und seit dem sind Eisen-Werke entstanden, welche nichts als solche verzinnte Geschirre fertigen, ohne bis jetzt die Nachfrage befriedigen zu können«.

Dagegen verfolgte man die Idee, die Technik des Plattierens von Gußeisenwaren zu übernehmen, nicht weiter: »Es gibt aber Metall-Mischungen der Art mehrere, die einen höheren oder geringeren Werth haben, die übrigens alle das gemeinschaftlich haben, daß sie von der Mode abhängig sind, und daß sich keine vorhaltende[?] Speculation darauf gründen läßt, indem eines das andere verdrängt weßhalb aber doch ein Arbeiter einen bedeutenden Nuzen davon ziehen könnte, wenn er von der Zeit und der Mode profitiert.« 39

Zwar hatten Töpfe nichts mit Kunst zu tun, gleichwohl unterlag ihr Konsum Modeschwankungen und neuen, differenzierten Bedürfnissen des modernen Bürgertums, 40 das sich, ausgehend von ausgesprochenen Modeartikeln, an einer internationalen Warenpalette zu orientieren gelernt hatte. Es wird im Hüttenschriftverkehr denn auch daraufhingewiesen, daß Händler fiir die neuen Geschirre Interesse gezeigt hätten, weil sie geschmackvoll seien oder weil sie an Geschmack den englischen gleichkämen. Ihre Produktion wurde in das größere, technisch besser ausgestattete und modernere Wasseralfingen verlagert. Dort hatte man sich auf den Wachstumsimpuls, der vom »modernen Geschmack« ausging, einzustellen verstanden und 1 8 2 3 einen Zeichner und Bildhauer, den Danneckerschüler Konrad Weitbrecht, eingestellt, um für die moderne Gestaltung und Ornamentik der Waren zu sorgen und Facharbeiter gestalterisch anzuleiten. Rein mengenmäßig stieg der Anteil gegossener Waren, Öfen, Töpfen und Gartenmöbeln und anderen Dingen für den Konsum einschließlich Leuchtern, Vasen, Tabaksdosen, Gürtelschnallen und Nippes aller Art 41 gegenüber dem Absatz von Roheisen stark an. Stellte 1811 jenes noch drei Viertel des Absatzes, so waren beide 1 8 3 0 / 3 1 mit je siebenundzwanzigtausend Zentnern im Gleichstand. 1 8 5 4 / 5 5 betrug der Absatz der Gußwaren mit siebenundsiebzigtausend Zentnern vierundftinfzig Prozent des Gesamtabsatzes.42 Der erlöste Preis der Gußwaren muß um ein Vielfaches höher gelegen haben als der des Roheisens. Damit aber sorgte der »moderne Geschmack« und der moderne differenzierte bürgerliche Konsum wesentlich dafür, daß das württembergische Hüttenwerk ertragsmäßig und

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technisch über Schlüsselressourcen für die weitere Industrialisierung verfugte, zum Beispiel für den Eisenbahnbau. Wurde in den zwanziger Jahren fast nur das Inland beliefert, ging 1 8 5 4 / 5 5 fast die Hälfte der Gußwaren ins Ausland. 43 Die Produkte waren offensichtlich im Sinne einer weit gestreuten Abnehmerschaft gestaltet worden. Waren die Wasseralfinger Öfen in den ersten beiden Jahrzehnten teilweise schon modern und von eleganter Einfachheit, teilweise aber recht plump und altertümlich und möglicherweise für den Gebrauch an öffentlichen Orten bestimmt (so verweist auf etlichen Öfen ein Lorbeerkranz mit Jahreszahl auf die Thronbesteigung König Wilhelms I. und weist damit wie das württembergische Wappen den König symbolisch noch als Herrn über die Gegenstandswelt aus, jedenfalls sofern sie aus einem Staatsbetrieb kam), insgesamt aber ohne große Formenvielfalt, so wurden Mitte des Jahrhunderts Öfen der verschiedensten Machart und Gestaltung produziert, welche den Hauptanteil an Gußwaren stellten. 44 Das Sortiment umfaßte Kastenöfen, Quer-, Oval- und Rundöfen, Kochöfen, Urnen- und Schweizeröfen, Säulen- und Postamentöfen, Salonund Zirkulationsöfen usw., also teils nach der Funktion, teils aber nach dem Geschmack differenzierte Geräte, darunter einen Prachtofen und einen gußeisernen Kachelofen nach Nürnberger Patent. 45 Neben Öfen und Kunst-Guß für den öffentlichen Stadtraum wie Brunnen und Denkmäler wurden in Wasseralfingen Wirtshaus- und Apothekenschilde, sowie reich verzierte Gartenmöbel, Hutträger und Fußabstreifer produziert. Darüber hinaus stellte die Hütte aber besonders in den früheren Jahren kleinere Dekorationsstücke für das bürgerliche Interieur her: Statuetten, Medaillons, Briefbeschwerer, Kruzifixe, Fingerringe und anderes. 46 Bislang wurden Fabriken für Messing-, Blech- und Silberwaren, Textilfabriken und Verlage sowie Fabriken für Schmuck, Möbel und Steingutgeschirr als Kunstindustrien vorgestellt. Aus welchen Fabrikationszweigen setzte sich Kunstindustrie überhaupt zusammen? Wodurch unterschieden Kunstindustrien sich sowohl von den Alten Gewerben und den Manufakturen als auch von der Großen Industrie? Was war der spezifische Charakter, was war das Moderne an Kunstindustrie, waren diejenigen Eigenschaften, welche sie zu einem Schlüsselsektor qualifizierten?47 Kunstindustrien waren ein Teil der Konsumgüterindustrien, aber sie verarbeiteten weder ein bestimmte Klasse Rohstoffe (wie zum Beispiel die Textilindustrie), noch ließen sie sich durch die ausschließliche Verwendung bestimmter Herstellungsverfahren und Organisationstechniken (wie Manufakturen oder Verlagsindustrie) oder Maschinen (zum Beispiel die Verwendung von Dampfmaschinen) abgrenzen, noch stellten sie aus heterogenen Materialien und mit unterschiedlichen Techniken eine bestimmte Klasse Produkte her (wie zum Beispiel Kinderspielzeug). Im zeitgenössischen Sprachgebrauch wur-

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den Industrien nicht einheitlich als Kunstindustrien bezeichnet. Am ehesten glichen sie sich vielmehr im Hinblick darauf, daß ihre Produkte dem Kulturmuster modernen bürgerlichen Konsums entsprachen, dessen Bezug zur Kunst sein hervorstechendes, alle Gegenstände einbeziehendes Merkmal war. Insofern war Kunst das gemeinsame Merkmal jener Industrien, im Unterschied etwa zu solchen Konsumgüterindustrien, deren Produkte (noch) keine Beziehung zur Kunst hatten, wie beispielsweise Bettwäsche oder Küchengerätschaften. Die Produktpalette von Kunstindustrien reichte zumeist über KunstProdukte im engeren Sinn in den Bereich der »praktischen« Konsumgüter hinein, also bei Blechwaren beispielsweise von lackierten Tabaksdosen und Girandolleuchtern bis zu Backblechen. Manchmal stellten »Kunst-Produkte« nur einen kleinen Teilbereich des Sortiments, wie etwa bei den Wielandschen Messingwaren aus Ulm. Diese anderen Konsumprodukte waren jedoch meistens auf die differenzierte Dingwelt des bürgerlichen Konsums hin hergestellt. Bei anderen Herstellern wiederum mochten selbst die alltäglichsten Sachen Glanz dadurch beziehen, daß sie Teil eines Sortiments waren, welches auch »Kunst«-Produkte umfaßte. Bei einigen Kunstindustrien läßt sich die Strategie erkennen, das Sortiment zu teilen zwischen solchen Produkten, welche auf den alltäglichen Gebrauch und den großen Absatz hin berechnet, und solchen, die auf das Kulturmuster des bürgerlichen Konsums hin gestaltet worden waren, um auf diese Weise einen Grundumsatz bei niedrigem Gewinn zu sichern und zugleich die höheren Profite zu realisieren, die sich mit dem Verkauf von geschmackvollen Kunstprodukten realisieren ließen. Ein Beispiel dafür lieferte die 1818 gegründete Tonwarenfabrik der Gebrüder Bihl in Waiblingen, wo einerseits technischer Baubedarf hergestellt wurde - Wasserrohre und Dachpfannen und Ziegel andererseits Vasen, ornamentierte Fliesen und Gesimse.48 1841 waren die Produkte dieser »Thonkünstler« hoch gestapelt auf einem der Wagen zu sehen, die auf dem großen Stuttgarter Umzug zu Ehren des königlichen Regierungsjubiläums mitgefiihrt worden waren.49 War der eine Teil des Sortiments auf die mit dem Ausbau der Städte und der Modernisierung der Landwirtschaft wachsende Nachfrage nach Baumaterial gerichtet, die mit billigen und soliden Waren zu bedienen war, so zielte der andere Teil auf den Kunstgeschmack bürgerlicher Bauherren, der mit »geschmackvollen« Dessins angesprochen werden sollte. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Kunstindustrien lassen sich, trotz aller material- und produktbedingten Diversität, im Bereich der Herstellungstechnik und -organisation ausmachen. Eine solche Gemeinsamkeit war die Integration künsderischer Techniken - Zeichnen, Kupferstich, Malerei, Skulptur - und künsderischer Arbeit in den Produktionsprozeß. Eine andere bestand in der Kombination alter und neuer Her271

Abbildung 24: Der Wagen der Tonwarenfabrik Gebrüder Bihl, Waiblingen, auf dem Stuttgarter Festzug von 1841 anläßlich des 25-jährigen Thronjubiläums Wilhelms I. von Württemberg, in: Leporello mit kolorierten Lithographien, den Festzug darstellend. Stadtarchiv Stuttgart.

stellungsverfahren in differenzierten, komplex organisierten Produktionsabläufen. Sie konnten dampf- oder wassergetriebene Maschinen ebenso umfassen wie technische Gerätschaften und Werkzeuge des vorindustriellen Zeitalters, die für die kunstindustrielle Produktion adaptiert wurden (wie Drehbänke oder Pressen). Unter dem Begriff Fabrik wurde damals überhaupt weniger maschinelle Massenproduktion als eine solche Kombination von Techniken verstanden, wie aus einem zeitgenössischen Fachlexikon hervorgeht: »In früheren Zeiten glaubte man zwischen Manufaktur und Fabrik einen Unterschied machen zu müssen, indem man Fabrik eine solche Anstalt nannte, in welcher man sich des Feuers und Hammers bediente, Manufaktur eine solche, worin dieß nicht der Fall war. Dieser Unterschied paßt aber jetzt nicht mehr, weil, wegen der vielen in solchen Anstalten angelegten Maschinen, fast überall auch Hämmer (wenn auch nicht gerade zum Schmieden, sondern etwa zum Zerkleinern von Stoffen, zum Walken etc.) vorkommen, und Feuer in den allermeisten ebenfalls gebraucht wird. Man sagt daher jetzt eben so wohl Gewehrma=/nufaktur, als Gewehrfabrik; Porzellanfabrik, als Porzellanmanufaktur; Tuchfabrik, als Tuchmanufaktur u.s.w.«50

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Die Silberwarenfabrikanten August und Ignaz Weitmann aus Schwäbisch Gmünd etwa konnten mit Hilfe eines Kaufmanns als Teilhaber und eines Darlehens der Gewerbeförderungsgesellschaft 1835 ein schweres und ein leichtes Fallwerk, eine Durchschneidmaschine, zwei kleine Walzen, eine Drehbank und Handwerkszeug anschaffen.51 1847 wurde in einem anonymen Aufsatz der Deutsche Vierteljahrsschrift, der einem bildungsbürgerlichen Publikum die Vielfalt der modernen Maschinen erklären wollte, welche diesem in den Fabriken unsichtbar blieb und anhand technischer Publikationen ohne spezielle Vorbildung zunehmend schwieriger nachzuvollziehen war, beschrieben, wie solche Maschinen funktionierten. Damals hatten Fallwerke, Drehbänke und Walzen in der Metallindustrie die handwerklichen Techniken des Treibens und Punzierens bei der Herstellung von Hohlformen ersetzt. Statt eines Handwerkers, welcher mit genau gesetzten Schlägen einem Blech allmählich die Form etwa eines Pokals »mit allerlei Schweifungen und Bauchungen, Rippen, Reifen und mannigfachen Verzierungen anderer Art«52 gab, was eine lange Lehrzeit und viel Geschicklichkeit erforderte, dessen Produkt aber auch, »von einem Arbeiter ausgeführt, der hohe technische Fertigkeit und zuweilen fast übermenschliche Geduld mit Geschmack verbindet, dabei als Zeichner und plastischer Künstler gehörig gebildet ist, ... würdig neben allen Erzeugnissen der schönen Künste auftreten«53 konnte, ließ sich mittels eines solchen Fallwerks eine, freilich nicht allzu komplexe, halbrunde Form auf einen Schlag erzielen: »Die äußere Gestalt /

des aus Blech darzustellenden Hohlkörpers wird in einem

Stücke Stahl vertieft ausgearbeitet ... Ferner wird von Kupfer ... [oder Eisen, oder einer Legierung aus Zinn und Blei] ein Stempel zubereitet, der eben diese Gestalt im Relief darstellt. Diesen Stempel befestigt man auf der untern Fläche eines schweren ... Gußeisenblocks ( H a m m e r genannt), der zwischen zwei aufrechten eisernen Leitsäulen auf und nieder gleitet... Ist nun die Stanze auf einem soliden Fundamente unter dem Hammer angebracht, das Blech auf die Vertiefung desselben gelegt; wird dann der H a m m e r mittelst eines Seiles einige Fuß hoch aufgezogen und plötzlich losgelassen, so schlägt der herabfallende H a m m e r mit großer Gewalt auf das Blech und treibt es in die Höhlung der Stanze.« 5 4

Eine alternative Technik zum gleichen Zweck stellte in der Metallbearbeitung das Drücken von Hohlformen auf der Drehbank dar. Ein Walzwerk schließlich diente dazu, in Metallstreifen rasch Verzierungen einzudrücken: »Auf diese Weise ist in einer oder zwei Minuten die ganze Verzierung eines prachtvollen Armbandes gebildet, an welcher, um sie mittelst Punzen zu treiben, vielleicht eine halbe Woche gearbeitet werden müßte. Aber das nämliche Modell glänzt nun auf hundert Damenarmen, wogegen die Besitzerin eines punzierten Stückes sich schmeicheln kann, für viel höhere Bezahlung das einzige existierende Exemplar seiner Art zu besitzen.« 55

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Noch zwei weitere Maschinen wurden beschrieben, welche sich für die kunstindustrielle Produktion von Metallwaren eigneten, die Guillochiermaschine und die Reliefkopiermaschine. Vielfach waren die Maschinen und Geräte in der kunstindustriellen Produktion weniger auf die Herstellung massenhaft gleicher Produkte als auf die Produktion kleiner Serien und variabler Formen hin ausgerichtet. Weitere Arbeitsschritte waren werkstattmäßig und da zum Teil arbeitsteilig und auf serielle Fertigung hin organisiert, etwa das Zusammenlöten von gepreßten Metallformen oder der Zusammenbau von Möbeln. Auch erfolgte der Antrieb dieser Maschinen vielfach noch von Hand, etwa das Hochziehen des Hammers oder die Rotation der Drehbank oder der Walzen. Ähnlich flexibel wie die technische Ausrüstung war die Rekrutierung und Organisation von Arbeitskräften. Beschäftigt wurden Tagelöhner und Handlanger einerseits, relativ viele Facharbeiter und hochqualifizierte Spezialisten andererseits. Ein Teil der Arbeit war in Fabrikgebäuden zusammengefaßt, ein anderer konnte hausindustriell organisiert sein. 56 In der Möbelfabrik der Gebrüder Weber in Esslingen waren 1 8 3 9 zwölf, vier Jahre später sechsunddreißig Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter ausgebildete Drechsler, Schreiner, Maler und Kupferstecher, mit der Herstellung, Lakierung, Bemalung, dem Bedrucken feiner Holzwaren und dem Verzieren mit »gothischem Schnitzwerk und durchgebrochenem Laubwerk« beschäftigt: Arbeitstischchen und Arbeitskästchen (für weibliche Handarbeiten), Bonbonieren, Schatullen, Körbchen und Schachteln, Necessaires, Etuis und Toilettenspiegeln. 57 In der komplexen Produktionsorganisation der Kunstindustrien wurden nicht nur Halbfabrikate verarbeitet und Ressourcen genutzt, welche die neuen Techniken bereitstellten; zugleich wurden auch solche Ressourcen in großem Maße wirksam in den industriellen Prozeß integriert, welche vorindustrielle Produktionsweisen zur Verfügung gestellt hatten: Werkzeuge, Verfahren, handwerkliche Qualifikationen und Produktformen. Massenindustrie konnte nur dort zur Konkurrenz für Kunstindustrie werden, wo sie fertig gearbeitete und gestaltete Gegenstände in großen Stückzahlen produzieren und absetzen konnte. Dann war sie mit maschineller Hilfe in der Lage, gerade solche Gegenstände preiswerter herzustellen, welche sich innerhalb des differenzierten Sortiments der Kunstindustrien als Absatzrenner herausgestellt hatten. Ansonsten besaß die Kunstindustrie dank der Einbettung in ein dynamisches kulturelles Umfeld, dank der Vielfalt ihrer Produkte und deren »Geschmack«, mit technischer Innovationsfähigkeit und bei rationaler Ausnutzung vorhandener Ressourcen entscheidend wichtige Voraussetzungen, um ihre Stellung neben der Großen Industrie für die Massenfabrikation gut zu behaupten. So wurde die Bruckmannsche

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Silberwarenfabrik 1 8 2 7 auf der Stuttgarter Kunst- und Industrieausstellung charakterisiert: »Ein ganz neuer Artikel waren die Tafelbestecke nach englischer Form, und gewiß die ersten dieser Art in Deutschland. Sie sind den schweren Mustern, wie sie dermalen der Geschmack in England verlangt, getreu nachgeahmt und nach Hamburg, Hannover, vielleicht auch nach überseeischen Ländern verlangt und bestimmt. Ihre Fabrikation erfordert einen großen Aufwand von mühsamen und kostspieligen Vorrichtungen und Stempeln und wäre ohne die Anwendung der Presse oder des Fallhammers gar nicht ausfuhrbar ... Auch die gothischen Verziehrungen an den Flacongestellen ..., welche den allgemeinsten Beifall finden, können als ein neues Produkt betrachtet werden. ... wie es denn überhaupt eigenthümlicher Charakter dieser Fabrik ist, nach steter Verschönerung und Veredlung der Formen, den Forderungen der Aesthetik gemäß, zu streben. Daher erweitert sich, gegen gewöhnliche Werkstätten dieser Art, ihr Kreis ungemein und sie beschäftigt eine große Anzahl sehr verschiedner Künsder, nicht nur zum technischen Betriebe, sondern auch als Schule für Geschmacks-/ Bildung. Die Fabrik hat einen bedeutenden Absatz ins Ausland und zeichnet sich durch ihre billigen Preise aus. Durch leztere und die ihr eigenthümlich technischen und besonderen Maschinen-Einrichtungen, kann sie ihren Artikeln mit weit minderem Zeit-Aufwand einen höheren Grad von Vollendung geben, als andere nur mit freier Hand arbeitende, welche nicht im Stande sind, mit dieser Leichtigkeit, gleiche Reinheit und Dauer zu vereinigen.«58 Im Bericht über die Mainzer allgemeine Industrieausstellung 1 8 4 2 wurde gleichfalls die Verbindung von Technik, handwerklicher Arbeit und modernem Geschmack an der Heilbronner Silberwarenfabrik von Bruckmann besonders hervorgehoben: »Indem nun diese Fabrik ... alle Verzierungen auf stählernen Stempeln, welche sowohl in ästhetischer, als auch in technischer Hinsicht aufs fleißigste und sorgfältigste entworfen und ausgeführt wurden, in Menge und mit wenig Zeitaufwand prägte, auch alle übrigen Formen der Gefäße durch mancherlei neue und mechanische Einrichtungen in früher unbekannter Reinheit und Sicherheit hervorbrachte, war dieselbe imstande, durch Darstellung leichter, im Verhältniß zu ihrer Qualität wohlfeiler und den billigen Anforderungen eines geläuterten Geschmacks in Form und Ausführung entsprechender Silbergeschirre und anderer Waaren, dem Bedürfniß der Zeit zu entsprechen.«59 U n d weiter hieß es: »Bei der Beurtheilung und Würdigung der ausgestellten Fabrikate ist zu berücksichtigen, daß dieselben nur aus Fabriksprodukten bestanden, welche dieses Etablissement nach laufenden billigen Preisen zu liefern imstande ist, daß also diese Fabrikate nicht mit jenen kostbaren Silberarbeiten zu vergleichen sind, die mit gegossener und mühsam ciselirter Arbeit hervorgebracht werden und meist wegen des großen

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Aufwands an Material und Handarbeit sehr bedeutende Preise erreichen. Die ausgestellten Erzeugnisse dieser Fabrik bewährten vollkommen den ehrenvollen Ruf, welchen sich dieselbe durch ihr fortwährendes Bestreben nach Vervollkommnung in so bedeutendem Grade erworben hat. Sämtliche, durch besonders hohes Gepräge ausgezeichnete Waaren waren sehr sauber und gut montirt und lieferten in Bezug auf geschmackvolles Modelliren den Beweis, daß die Fabrik gute Zeichner und musterhafte Graveurs beschäftigt.«60 Zieht man von diesem Text die werbende Rhetorik ab, bleibt doch ein Eindruck von der rationalen Produktionsorganisation, der fortschrittlichen technischen Ausrüstung und Absatzstrategie zurück. Die Kunstindustrie prägte die ersten Anfänge der Industrialisierung in Württemberg wesentlich. 61 Unter den wenigen Fabrikbetrieben, welche in einem Handelsadreßbuch von 1 8 0 4 angegeben waren, waren neben Hutund Bandfabriken, Papiermühlen, Tabak- und Essigfabriken solche für modische Baumwollstoffe, so eine Siamoisen-Fabrik in Göppingen und eine Baumwolldruckerei in Cannstatt. Ludwigsburg war das Zentrum kunstindustrieller Produktion. D o r t befanden sich außer der Porzellan und Fayencefabrik unter anderem mehrere Textil- und Bijouterie-Fabriken, eine Plattier- und eine Uhrengehäusefabrik. In Stuttgart waren ebenfalls einige Textilfabriken, eine Schirmfabrik (»nach neuestem Geschmack«) sowie die oben genannte Kupferstichfabrikation der Ebnerschen Kunsthandlung etabliert. 62 Allerdings waren in dieser Aufzählung neben Fabrikationsanstalten für modernes Konsumgut auch noch Luxuswarenmanufakturen vertreten, welche, wie die Ludwigsburger Porzellanfabrik, sich bereits im Niedergang befanden, wenn sie sich nicht an die neue Nachfragequalität anpassen konnten. In der Mitte des 18. Jahrhunderts gegründeten Heidenheimer Kattunmanufaktur von Meebold & Comp, geschah diese Anpassung anfangs des 19. Jahrhunderts dadurch, daß Baumwollstoffe mechanisch gesponnen und gewebt und der Druckvorgang mit Hilfe staatlicher Darlehen vom aufwendigen Model- auf Walzendruck umgestellt wurde. Mit einer elsässischen Indiennedrukerei Schloß die Firma einen Kooperationsvertrag derart, daß gegen die Überlassung von Dessins, gravierten Walzen und chemisch-technischem Knowhow ein Viertel des Reingewinns abgegeben wurde. 6 3 1 8 2 5 waren weitere Fabriken gegründet worden, darunter etliche, die später zu den wichtigsten des Landes gehören würden: die Deffhersche Blechwarenfabrik in Esslingen, Bruckmann in Heilbronn, außerdem die Fabrikation von metallenen Knöpfen und Hornwaren, von Schmuck und Messingwaren, von Damasten und Teppichen. 6 4 Sie verteilten sich vor allem auf die größeren Städte des mittleren Neckarraumes. Von den im Württembergischen Jahrbuch 1 8 3 2 aufgezählten 3 3 2 Fabriken stellten mehrere eindeutig Produkte für den gehobenen bürgerlichen Konsum her,

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wie die Metallfabriken, die hauptsächlich Modeschmuck, Besteck oder Blechgeschirr, -lampen und -nippes produzierten, bei den überwiegenden Textilfabriken läßt sich allerdings nur vage über deren Sortiment spekulieren. 65 Wie sich aber an einem 1 8 3 7 erschienen Handelsadreßbuch ablesen läßt, florierten kunstindustrielle Fabrikationsbetriebe an vielen, auch kleineren Orten, wenn es sich auch nicht um Fabriken im strikten Sinn handeln mochte: Bandfabriken, Baumwollstoffe, Beinwaren, Bestecke, Blechwaren, Buntpapier, Konditorei-Modelle, Damaste, bemalte Dosen aus Pappmache, Fayencen, Glas, Handschuhe und Hauben, Holz- und Hornwaren, Kinderspielzeug, Schmuck, Seidenstoffe, Silber- und Neusilberwaren, Spielkarten, Spitzen, Tapeten, Tragantwaren, Teppiche 66 - gut die Hälfte des Fabrikenregisters im Adreßbuch läßt sich als Kunstindustrie klassifizieren, wenn man davon ausgeht, wofür die Produktangaben sprechen, daß nämlich die Betriebe geschmacksabhängige Konsumgüter des gehobenen Bedarfs herstellten. Dazu kamen noch weitere Betriebe wie die Wasseralfinger Eisenwerke oder chemische Fabriken, Pinselfabriken usw., welche die Kunstindustrie belieferten. Die kunstindustrielle Produktion von Konsumgütern für den modernen Konsum dynamisierte alle Sektoren der industriellen Produktion, ohne selbst eindeutig identifizierbar zu sein. 67 Kunstindustrie war indes kein Sonderfall der »eigentlichen« Industrie, kein historisch verspäteter Überrest des vorindustriellen Zeitalters, keine schwäbische Spar version des Fortschritts - es war eine moderne Industrie. Die besonderen Ressourcen und Defizite der württembergischen Gewerbelandschaft ließen sich mit ihnen in der ersten Jahrhunderthälfte weit besser exploitieren als mit einer forcierten Maschinisierung im großen Stil. Wo jene angemessen war, etwa in der Baumwollspinnerei, da wurde sie auch durchgezogen. Die Verarbeitung von Gespinsten, Papier, Blech zu Konsumgütern wie etwa modischen Stoffen, Tapeten oder Tabletts geschah aber in der beschriebenen gemischten Produktionsform. Dabei war die Herstellung der Halbfabrikate (der Garne, des Papiers, der Bleche) Sache von Maschinen oder von Heimarbeit, die spezifische Form und die Veredlung wurden ihnen in der Fabrik gegeben, teils von Hand, teils mittels spezieller Geräte und Maschinen (Prägen und Stanzen beispielsweise, aber auch durch Jacquardstühle). Durch diese Zentralisierung war es möglich, rasch auf wechselnde Moden zu reagieren, dem Geschmack neuer Käuferschichten Entsprechendes zu liefern, wie er sich in den wachsenden Urbanen Zentren formulierte.

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4.3. »Moderner Geschmack«, modernes Konsumieren und Alte Gewerbe »Moderner Geschmack« war, wie sich an den Beispielen fabrizierender Künstler zeigen ließ, die sich, ausgehend von handwerklichen Fertigkeiten, ihn zunutze gemacht hatten, kein Synonym für Industrieprodukte. Wenn er so wahrgenommen wurde, dann, weil sich die Industrie systematisch darauf einstellen konnte. Weil »moderner Geschmack« die Nachfrage immer weiterer Käuferschichten beeinflußte, wurden Konsumgüterproduzenten, deren Produkte »modernem Geschmack« nicht genügten, seit Anfang des 19. Jahrhunderts von der geschmacklich moderneren Konkurrenz überflügelt. Für kleingewerbliche Produzenten konnten die Einflüsse des »modernen Geschmacks« auf ihr Gewerbe sich zu Problemen bündeln, welche für sie als individuelle Unternehmer oder als (nominell selbständige) Produzenten für einen Verleger unlösbar waren und welche zwangsläufig dazu führen mußten, daß ihre Produkte weder von Kaufleuten noch von Kunden abgenommen wurden. Das betraf in Württemberg vor allem zwei große traditionelle Produktionsbereiche: - Exportgewerbe (vor allem im Textilsektor, also Woll- und Leineweber,68 Färber, Strumpfstricker, Band- und Hutmacher und ähnliche Hausindustrien), - und das Konsumgüter produzierende Handwerk. 69 Mit der oft neben der Landwirtschaft betriebenen Herstellung von Waren für einfache Bedürfnisse, wie Leinwand, Tuchen und Baumwollstoffen, groben Strümpfen, Hüten, Leder, Messern und Nägeln, Töpfen, Besen, Körben, Holzuhren und ähnlichem nährten sich in Württemberg bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts Zehntausende, die Einwohner mancher Orte (Geislingen, Gmünd, Ebingen) und Landschaften fast zur Gänze und eher kümmerlich als redlich.70 Verlagsmäßig organisiert, waren deren Produkte bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch in den großen Handelszentren, in Frankfurt, Augsburg, Zurzach, Leipzig und so weiter umgeschlagen und nach Italien, nach Südosteuropa, Südfrankreich, Spanien, Portugal und bis in die Amerikas gehandelt worden. 71 Aber Handelsorganisation und Handelswege waren im Gefolge der Expansion des Seehandels und der Napoleonischen Kriege zerstört worden 72 und seitdem war es den auf sich gestellten Herstellern nur unvollkommen gelungen, diesen Produkten neue Absatzwege zu erschließen.73 Zudem gerieten einige von ihnen durch fabrikindustriell hergestellte Importware vor allem aus England unter immer stärkeren Druck. 74 Handelslexika aus der ersten Jahrhunderthälfte erwähnten Produkte der Verlagsgewerbe nur noch beiläufig.75 Mangelhafter »Geschmack« württembergischer Gewerbeprodukte war landläufiger Auffassung zufolge seit den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts nicht nur zum Hindernis für den Absatz traditioneller württembergi278

scher Exportgewerbe (wie beispielsweise Wollstoffen) im Ausland geworden; auch im Inland wurden, wie sich gezeigt hatte, aus Geschmacksgründen ausländische Waren in großem Umfang vorgezogen, selbst wenn sie mehr kosteten oder weniger solide waren als einheimische Produkte. Der Ökonom Moriz Mohl resümierte die Entwicklung 1828: »während das technische Zurückbleiben dieses Manufakturzweiges in Württemberg und die Überschwemmung Deutschlands, Italiens und der Schweiz mit leichteren, eleganteren und wohlfeileren Baumwollenzeugen unter allen Modeformen die Fabrikate unserer Zeugmacher zu Antiquitäten des Geschmacks machten, gibt vollends die wohlfeilere Nachahmung eben dieser Zeuge in Baumwolle durch Schweizerfabriken unserer Wollzeugfabrikation auch da den Todesstoß, wo ihr die gewohnten Volkstrachten bisher noch einen Absatz gesichert hatten«. 7 6

Welche einschneidenden Folgen diese Änderung des Konsumentenverhaltens fur traditionelle einheimische Gewerbe nach sich zog, wird aus der Schilderung eines Färbermeisters aus Hohentengen bei Mengen in Oberschwaben deutlich. Im Gegensatz zu seinen Kollegen rettete er seinen Betrieb, der noch seine Eltern mit dem Dunkelmachen von Selbstgesponnenem einer ländlich-bäuerlichen und ackerbürgerlichen Kundschaft ernährt hatte, dadurch vor dem Niedergang, daß er, dem das Kapital zum Anschaffen neuer Gerätschaften fehlte, welche die Ansprüche der Kundschaft an neue Stoffqualitäten und Musterungen erforderte, ein Verfahren entwickelte, dunkelgefärbte billige Wollstoffe aus Fabrikproduktion aufzuhellen und in Modefarben einzufarben, dabei finanziell unterstützt von einem durch die Krise der Textilgewerbe ebenfalls betroffenen Stuttgarter Farbwaren- und Indigohändler. So konnte seine Kundschaft sich mit billig erstandenem, haltbarem Fabriktuch modisch einkleiden und er selber, anders als seine Kollegen im weiten Umkreis, seinen Betrieb erhalten und damit seine Existenz als Handwerksmeister, Bürger, künftiger Ehemann und Ernährer von Eltern und Familie sichern. Einem Aufruf der Zentralstelle des Landwirtschaftlichen Vereins folgend, Vorschläge zur Verbesserung der einheimischen Gewerbe zu machen, schilderte er 1835 in einem langen Brief sein Schicksal, welches mit der Strukturkrise der Textilgewerbe im näheren Umkreis verflochten war.77 Der Niedergang der Färberei im Oberamt und in der ganzen Gegend war nach dem Zeugnis des Färbers Folge des Niedergangs der Wollgewerbe, der seit ca. 15-18 Jahren wegen der Importe bedruckter Baumwollstoffe aus der Schweiz und aus dem bayerischen Augsburg, einem Zentrum des fabrikindustriellen Kattundrucks, eingetreten war. Davor hatten die Färber wollene Tücher gefärbt, die sie von handelnden Juden kauften, und Leinenstoffe hatten sie aus Sachsen bezogen. Dagegen hatten sie fabrikmäßig produzierte Merinozeuge vernachlässigt, wie sie seit Anfang des Jahrhun279

derts Verbreitung fanden, weil die schwieriger zu färben waren und weil die Färber am Alten klebten und unter den veränderten Bedingungen noch eine Zeitlang von der Substanz leben konnten. Der Berichterstatter machte nun Merinozeuge aus Nagold und Ebhausen in der Gegend bekannt, indem er Kaufleute bewog, damit zu handeln, und Landleute von den Qualitätsvorzügen der Merinos gegenüber den leichten Baumwollstoffen zu überzeugen suchte. Auch in der nahen Stadt Mengen versuchte er die Vorzüge der Merinos zu erläutern und fand dabei bei einflußreichen Bürgern Unterstützung. Allerdings wurde von den Käufern beklagt, daß die Merinos nicht farbecht seien. Allmählich entstand ein Bedarf nach einem Färber, der sich auf das Färben von Kleidungsstücken aus Merino spezialisierte, weil nämlich die Bürger sonst ihre Merinosachen zum Nachfarben per Post nach Ulm, Göppingen oder Reutlingen senden müßten, was so teuer sei, daß die Frauen für sich und ihre Töchter doch lieber Kottone kauften. Der Berichterstatter experimentierte nun so lange, bis er das Nachfärben und Appretieren von Merinos zur Zufriedenheit der Kunden in den umliegenden Städten beherrschte. Da kamen Käufer mit der Frage, ob er nicht auch Merinos, die von der Fabrik schwarz gefärbt waren (das war die einfachste Färbemethode), nach ihren Wünschen farbig umfärben und mustern könnte. Der Färbermeister lernte mit chemischen Präparaten zu hantieren, was für ihn neu war, und nach vielen Versuchen gelang ihm das Gewünschte. Sobald es sich herumgesprochen hatte, daß er alle Arten schwarzer Wollstoffe: Tücher, Flanelle, Casimirs und auch Merinos, farbig umfärben und appretieren konnte, hatte er Arbeit in Menge. So konnte er jetzt vier Arbeiter das ganze Jahr hindurch damit beschäftigen, schwarzen Tüchern moderne Farben zu geben, wo er früher selber nicht genug zu tun hatte. Von 1 8 3 0 - 1 8 3 5 steigerte er seinen Verbrauch von Färbereiwaren von 50 fl. auf 500 fl. Diese Steigerung erfolgte durch seine neue Spezialität, so daß er damit seinen Kollegen nicht schadete. Indem er sein Verfahren bekanntmachte, wollte der Berichterstatter seinen Kollegen helfen, besonders denen in kleineren Orten, die technisch rückständig und nicht in der Lage waren, eigene Nachforschungen anzustellen: sein eigenes Geschäft ließe sich nicht weiter ausdehnen, weil alle Kunden im erreichbaren Umkreis bei ihm arbeiten ließen, aber ab einer bestimmten Entfernung die Kunden lieber näher gelegene Färbereien aufsuchten. Wenn die sein Verfahren lernen könnten, ginge es ihnen besser. In manchen Gegenden Württembergs würde sehr viel Wollzeug und auch Merinowolle getragen. Die meisten Färbermeister färbten diese Sachen zwar, kümmerten sich jedoch nicht darum, »ob sie eine schön moderne Farbe haben, oder ob selbe lebhaft seyen und ihren gehörigen Glanz haben oder nicht. Daher komt es viel, daß sie das Zutrauen ihrer Landsleute verlieren, und sodan kaum Arbeit mehr finden. Jeder Färbermeister kann

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es ja täglich sehen, daß die Wollenwahren immer mehr umher kommen, wogegen Baumwollwahren mehr abgehen.... und sollten wir nicht alle vereint, in Hinsicht auf Wollenfabrikate, die in unserem Lande so schön aufzublühen beginnen mitzuwirken bereit sein, ... dem Landmann selbe zu schildern und dadurch unsre Landfabrikate auf eine ehrenhafte Weise zu empfehlen suchen?« Die notwendigen Ressourcen zur Wollzeugfabrikation seien vorhanden. Wenn die Wollenfabrikation aufblühe, habe auch der Färber was davon, da die Stoffe spätestens nach vier Jahren neu eingefärbt werden müßten. Besonders an Festtagen trage der größte Teil der Bevölkerung Baumwollstoffe, Tuche und Merinostoffe und sogar Seide. Indem man sie Mode werden läßt, ließe sich der Anteil von Wollstoffen an der Kleidung der Bevölkerung wieder vergrößern. Dazu müßten allerdings die Färber lernen, modisch sensibler zu werden. In der Geschichte des Färbers lassen sich zwei der Voraussetzungen, die zu einer als Krise des »Geschmacks« wahrgenommenen Krise der Gewerbe führten, durch die situative Verdichtung hindurch als kulturelle erkennen. Die eine betraf die Konkurrenz durch ausländische Fabrikate, welche die einheimischen Gewerbe drückte. Aus dem Hinweis, daß Seidenstoffe zur feiertäglichen Kleidung der Masse der Bevölkerung gehörten, läßt sich schließen, daß die Textilimporte sich in der Region nicht allein wegen ihres günstigeren Preises gegen die einheimischen Wollstoffe durchgesetzt hatten. Die Käufer, Frauen vor allem, hatten gelernt, die modische Qualität von Stoffen zu schätzen, sich modisch zu kleiden und dafür moderne Hilfsmittel wie den Postverkehr in Anspruch zu nehmen. Indem sie maschinengesponnene und leichte Merinostoffe einer billigen Qualität modisch aufrüsten ließen, unterliefen sie die Preiskonkurrenz der einheimischen, schweren, unattraktiven Wollstoffe, wenn sie nicht auf farbenfrohe Baumwollstoffe auswichen. Die modebewußten Männer und Frauen Oberschwabens hatten etwas von der Flexibilität moderner Konsumenten übernommen, wie sie sich in der Warenöffentlichkeit der großen Städte herausgebildet hatte, und in ihr sehr begrenztes Kleidungs-Budget integriert. Erlaubte das ein neues Kleid, einen neuen Rock, eine Hose oder Weste vielleicht alle acht, zwölf oder sechzehn Jahre, konnte das Angeschaffte sich in dieser Zeit jedoch, dank neuer Farbe und dank neuer Accessoires wie Maschinenspitze oder Halstüchern modisch verwandeln. Dazu kam, daß die Kleidung selbst sich auch in weiteren Bevölkerungsteilen differenzierte in Ober- und Unter-, Sommer- und Winter-, Festtags- und Alltagskleidung. Die andere kulturelle Voraussetzung der Gewerbekrise betraf das Selbstverständnis der Färbermeister. Neben der Innovationslust des berichterstattenden Standesgenossen, der seinen Handwerksbetrieb zu einem Diensdeistungsgewerbe ausbaute, erscheint es als starr. Dabei mußten den Färbermeistern, anders als einfachen Dorfhandwerkern, die Modalitäten 281

kapitalistischen Geschäftsgebahrens insofern vertraut sein, als sie, der Schilderung zufolge, zugleich Stoffhändler und Importeure waren, die Stoffe in größeren Quantitäten kauften, färbten und verkauften. Diese kaufmännische Tätigkeit hätte es ihnen nicht nur ermöglichen müssen, sich am Handel mit moderneren Stoffen zu beteiligen, sondern ihnen auch das Kapital verschaffen können, Innovationen im Färbereiwesen technisch nachzuvollziehen. Aber das bedeutete größere Investitionen in Rohstoffe (Zucht von Merinoschafen), Maschinen und geschmackliche Qualifizierung auf Konsumgewohnheiten hin zu riskieren, die sich alten, festen Regeln entzogen und deren neue Regelmäßigkeiten nur schwer zu erkennen waren. Ebenso schwer wog das zünftische Selbstverständnis, welches Konkurrenz, eine Voraussetzung von Mode, zwischen Handwerksgenossen ablehnte. 1 8 4 5 wurde von den die Gewerbeförderungsgesellschaft organisierenden hohen Beamten, Kaufleuten und Fabrikanten, also von Exponenten des modernen Erwerbsbürgertums, vertreten durch den Vorstand Staatsrat Pistorius, die Unwilligkeit der Handwerker, sich den neuen Wirtschaftsgegebenheiten anzupassen, für die andauernd sich verschärfende Krise der württembergischen Gewerbe verantwortlich gemacht: »Gewiß ist es nicht zu tadeln, sondern zu loben, wenn sie, selbst mit Opfern, bei dem Betriebe ihres alten Gewerbes bleiben, und sich nicht durch träumerische Hoffnungen oder durch Ungeduld verleiten lassen, etwas Anderes zu ergreifen. Allein verschieden ist hievon das Festhalten an der hergebrachten Art des Betriebs und der Widerwille, sich hierin Demjenigen zu fugen, was die bestehenden Verhältnisse erheischen. ... Nahe verwandt mit der Vorliebe für das Hergebrachte ist eine gewisse Gleichgültigkeit in der Fabrication selbst. Man ist nicht sorgfältig genug in der Bereitung, und vernachläßigt insbesondere die äußere Ausstattung. Hiedurch schadet man nicht nur dem Absatz im Lande selbst, sondern noch vielmehr dem Absatz nach außen.« 78

Mit anderen Worten: aus der Sicht der Regierungsbeamten und der Industriellen, welche sich in der Gewerbeförderungsgesellschaft zusammengeschlossen hatten, waren die Gewerbetreibenden für ihre klägliche Lage selbst verantwortlich, weil sie nicht aus ihren hergebrachten Bahnen heraus sich Chancen zunutze machen konnten, welche die neue Zeit mit sich brachte. Den vom »modernen Geschmack« Betroffenen mangelnde Flexibilität, ein »Kleben am Alten« vorzuwerfen hieß indes, den »modernen Geschmack« auf Modebewußtsein zu reduzieren. Das Defizit an »modernem Geschmack« bei den gewerbetreibenden Kleinunternehmern war dagegen nicht bloße Trägheit, Unkenntnis oder Kapitulation vor der Konkurrenz der Fabrik, wie das in Stellungnahmen zum Problem der Gewerbekrise behauptet wurde,79 sondern eine Abwehrreaktion, und zwar nicht bloß gegen den modernen Konsum, sondern auch gegen die beiden anderen 282

den »modernen Geschmack« konstituierenden Bestandteile städtische Warenöffentlichkeit und Kunstindustrie. Deren Voraussetzungen: Muse alisie rung und Entgrenzung der Bedürfnisse bedrohten ihr Selbstverständnis und ihre angestammten Existenzgrundlagen ebenso wie die Industrialisierung und so wollten sie nichts davon wissen. Inzwischen praktizierte allerdings nicht nur das Bürgertum in Württemberg neue Kulturmuster des Konsums, über deren kulturelle und ökonomische Grundlagen und Konsequenzen es nicht reflektierte, sondern dieses Kulturmuster hatte sich längst weit über das Bürgertum im engeren Sinne und weit über die größeren Städte hinaus verbreitet. Konsumenten waren in der Lage, »modernen Geschmack« anhand einiger äußerer Kennzeichen von Waren, anhand von Warenauslagen oder anhand von Vergleichen mit »geschmackvollen« Vorbildern in Vorlagenwerken oder Modezeitschriften zu identifizieren und konnten »Geschmack« erwerben, wenn sie bloß die Ware bezahlten. Die Krise gerade traditioneller Gewerbe für den Massenbedarf läßt darauf schließen, daß diese Option für das Neue, Andere, Geschmackvolle mit dem Anwachsen der Städte, der Inszenierung eines Stadtraums als Kunstraum und Warenöffentlichkeit, mit der Verbreitung von illustrierten Drucken, mit der Zunahme von verfugbarem Geld - und sei es kleine Münze - und von Kaufalternativen in großem Maßstab in den traditionellen Absatzgebieten der Exportgewerbe Anklang gefunden hatte. Das eigene Land, der eigene Ort bildeten keine Ausnahme, kein Refugium. In einer Beschreibung des Königreichs wurde 1823 verallgemeinernd zum modernen Konsum tadelnd bemerkt: »Wenn die Lebensart einfach genannt wurde, so bezog sich dieß auf die große Masse des Landvolks. Ganz anders verhält es sich in den Städten, und zum Theil selbst auf dem Lande, hauptsächlich in der Nähe der Städte; je größer die Klagen über den Druck der Zeiten wurden, desto mehr stieg der Luxus. Die alte beliebte Kleidung der Bürgermädchen ist meist durch die französische verdrungen; selbst auf dem Lande wanken die alten Trachten immer mehr, und wie es mit der Kleidung ist, so ist es mit den Geräthschaften und dem übrigen Aufwand; in allem eine übermäßige Steigerung.« 8 0

Die Ulmer Kronik warnte 1839: »Jeder lebt wie er es für den Augenblick vermag, ohne seine bürgerliche Stellung dabei in Betracht zu ziehen; und er kann dieß durch die Fortschritte der Industrie mit anscheinend geringen Mitteln, die erst nach und nach, ohne daß er es gewahr wird, zu unerschwinglichen werden.« 81

Ein Beobachter führte 1 8 4 8 die zunehmende Verarmung der Albbewohner unter anderem auf deren wachsenden Hang zum Luxus zurück:

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»Der Mann bildet sich ein, in Wohnung, Kleidung, Möbeln etc., in seiner ganzen Lebensart dem Städter sich gleichstellen zu dürfen. Der Bauer kann es thun, weil er schon lange gute Jahre gehabt und seine Frucht theuer verkaufen konnte. Der Handwerker will ihm nicht nachstehen, daher wird der alte steife Rock abgelegt und statt dessen ein Frack, ein Ueberrock nach der herrschenden Mode getragen und Beinkleider und Weste von gleich feinem Tuche oder niedlichem Zeuge gekauft ... und statt der derben Schuhe ein Paar nette Stiefel getragen.« 82

In gleicher Weise wüchsen die Nahrungsansprüche von Mann und Frau, und wie ihr Mann wolle auch sie an der neuen Mode teilhaben. Noch weit toller trieben es die hauptstädtischen arbeitenden Klassen: »Wenn der Handwerker und sonstige Arbeiter bei seiner Verheirathung auch noch so wenige baare Mittel hat, so kauft er Sopha und Sessel, Armoir und Standuhr und manches andere unnütze Möbel an. Er und seine Frau schaffen sich goldene Uhren, Ketten und Ringe, auch die modernsten Kleider an ... man geht gemeinschaftlich ins Theater, macht Spazierfahrten mit Wagen und den so verlockenden Eisenbahnen, besucht die regelmäßigen Bürgerbälle und Bürgerconcerte im Bürgermuseum - «.83

Genug der Philippiken, die als Zeugnisse des moralisierenden Verzichts gemeint waren, aber sich ebenso als Ausdruck des Begehrens lesen lassen. Die Diffusion moderner Sachkultur ist eine eigene Geschichte, welche Untersuchungen ganz anderer Art verlangt, als sie im Rahmen dieser Arbeit möglich sind. 84 Weitere Indizien dafür, daß moderne Textilien und moderne Sachkultur spätestens Mitte der 1830er Jahre in Württemberg prinzipiell an jedem ländlichen Marktort angelangt waren, lassen sich zahlreich finden. Schon 1800 konnte modische Kleidung der Obrigkeit als unterscheidendes Merkmal dienen, um junge Burschen dingfest zu machen, die sich der Konskription zum Militärdienst entzogen hatten. 85 1824 annoncierte ein Rottenburger Krämer als Angebot zum Tübinger Georgimarkt Stoffe der verschiedensten Art, außer Merinos, Zitz und Kattun echt ostindische Nankins, gewirkte und bedruckte Umschlagtücher und Gilets (Westen) mit »neuesten Desseins«. 86 Zumindest in einzelnen Stücken war Mode selbst beim ärmsten Drittel der Bevölkerung zu finden, dessen Ausgaben bei zwei- bis dreihundert Gulden Familieneinkommen im Jahr jährlich immerhin fünfundsechzig bis hundert Gulden für Kleidung betrugen, davon vier für Hemden, achtzehn für den Sonntagsstaat und elf für Werktagskleidung, anderthalb Gulden für Kopfbedeckung oder eine Weste, die Frau drei Gulden für den Rock und, alle paar Jahre, dasselbe für einen Unterrock, zwei für ein Wams, nicht ganz ein Gulden für ein Halstuch, den Rest für Schuhe, Strümpfe und Kindersachen. 87 Grob geschätzt gaben damit die Württemberger fünfundvierzig Millionen Gulden pro Jahr für Kleidung aus88 - wenn das Alte Gewerbe sich 284

dieses Marktes nicht zu bemächtigen wußte, ein interessanter Markt für die moderne Textilindustrie, auf dem die einheimischen Fabriken sich neben der weit fortgeschrittenen ausländischen Konkurrenz behaupten mußten. Beim zweiten Lesen enthüllt nun der Brief des Hohentengener Färbers nicht nur kulturelle Aspekte der Krise der Alten Gewerbe in Württemberg, sondern auch ein Stratagem industrieller Unternehmer und Kaufleute, sich durch das spezielle Eingehen auf kulturelle Besonderheiten des inländischen Marktes einen Absatz für ihre Produkte zu sichern und darüber hinaus die bedürftigen Wollweber als Arbeitskräfte zu gewinnen. Ist er doch das Komplement zu einem Vorschlag der Gewerbeförderungsgesellschaft, die inländische Merinozeugfabrikation dadurch zu fördern, daß sie den Webern durch entsprechende Informationen und Anreize nahegelegt und so der Absatz der neuen Kammgarnspinnerei von Merkel & Wolf in Esslingen gesichert werden könne. 89 Der Absatz der Merinozeuge, welche dem Färber besonders am Herzen lag, hing an der modischen Färbung und dafür, dahin ging sein Brief, müßten sich die mit den Webern darbenden Färber des Landes gewinnen lassen. Je vor Ort könnten sie, entsprechend den konkreten Anforderungen der Kundschaft, angepaßt an lokale modische Besonderheiten und an Übergangsphänomene, welche die Umstellung von traditioneller Kleidung auf Modesachen mit sich bringen mochte, zu billigen Preisen die modische Aus- und Umrüstung der Stoffe übernehmen. Mit anderen Worten: Merkel & Wolf blieb damit die verlagsmäßige Organisation der Weberei ebenso erspart wie Investitionen in Webe- und Färbetechnologie, und das spezielle Risiko der Mode wäre minimiert und dezentralisiert. Gerichtet als Appell an seinesgleichen, war der Brief des Färbers an den Landwirtschaftlichen Verein gesandt worden, um mit der Autorität dieser Körperschaft versehen (und auf ihre Kosten) veröffentlicht zu werden. Diktiert worden aber war er vermutlich von jemand anderem - dem uneigennützigen Wohltäter, dem Stuttgarter Chef des Handlungshauses für Indigo- und Farbwaren Carl Feuerlein, Arthur Conradi (1813-1868), 9 0 Gründungsmitglied des Kunstvereins 91 und einer der Notabein der württembergischen Industrie im 19. Jahrhundert. 92 Mit dem Hohentengener Färber hatte Conradi in einem alten Textilgewerbegebiet systematisch und langfristig einen Innovatoren und Multiplikatoren in einem zentralen, aber modernitätsabgewandten Produktionsbereich aufgebaut. Die dort selbständig tätigen Handwerker sollten in die Lage versetzt werden, die Strukturkrise der Färberei, in die sein Handelshaus zwangsläufig hineingezogen war, zu überwinden und so den Absatz des Hauses langfristig zu steigern, indem einer von ihnen in ihrer Sprache neue Techniken und eine neue Sicht auf Mode und Moderne vermittelte. Der Rechenschaftsbericht der Gewerbeförderungsgesellschaft hatte zur Frage einer Einführung der Merinoproduktion kurz zuvor bemerkt, dem bis 285

dahin solchen Plänen entgegenstehenden Mangel eines in der Merinofärberei erfahrenen Färbers sei abgeholfen. 93 Allenfalls in gesellschaftlichen Randbereichen oder fiir einzelne teure moderne Sachgüter konnten sich Diffüsionsprozesse so verlangsamen und so akzentuieren, daß sie historisch, etwa in Inventaren oder in zeitgenössischen Berichten von Reisenden oder Ortspfarrern, faßbar werden.94 Hier sollen dafür nur einige unsystematisch gewonnene Indizien angeführt werden. So wurden etwa die mit Kupferstichen verzierten Schramberger Steingutwaren nicht nur für ein bürgerliches Publikum in größeren Städten hergestellt, sondern schon zur Betriebsgründung 1821 war eine Genehmigung zum Hausierhandel beantragt worden. Das Steingut wurde also vertrieben wie es für Glas, Wanduhren, Kurzwaren oder Samen schon eingebürgert war. Das läßt darauf schließen, das Geschirr sei zumindest auch für ein ländliches Kaufpublikum gedacht gewesen. Das erforderliche Patent war deshalb beantragt und gewährt worden, weil der Hausierhandel dem jungen Unternehmen Kredit verschaffen sollte, was sich in dem doppelten Sinn verstehen läßt, daß das eingesetzte Kapital sich auf diese Weise schneller umsetzen ließe als im Ladenhandel und daß die Hausierer Reklame machten und dadurch den Absatz verbesserten.95 Wenn Industrieprodukte oder modern gestaltete Waren nach dem ersten Jahrhundertdrittel in einigen Gegenden in Haushalt oder Kleidung noch wenig in Erscheinung traten, lag das nicht daran, daß die Dinge nicht erhältlich waren, und kaum daran, daß nichts davon erschwinglich gewesen wäre, sondern an kulturellen Widerständen, an einem verfestigten Kodex der Bedürfnisse und der Beschränkung.96 Das an Kunst gebildete Kulturmuster des bürgerlichen Konsums setzte den Maßstab für die moderne Warengestaltung; es war ein Ideal, das verstehen und teilen zu können Mitglieder des modernen Bürgertums untereinander ausweisen mochte, in Kunstkenntnis wie im Aufbau des privaten Museums des Interieurs. Bedingung für den Konsum von modernen Produkten war das nicht. Dazu reichte die Faszination durch Dinge, deren Aussehen Status und Ansehen versprach, wie das bei »geschmackvollen« Produkten der Fall war. Reproduktionsflut, moderne Massenproduktion, erleichterte Transportmöglichkeiten und wachsende Mobilität sorgten für eine rasche Verbreitung des »modernen Geschmacks« als Konsumvorbild von den Zentren in die Peripherie, von bürgerlichen Schichten hin zu einem Konsum der Straßenöffentlichkeit, dessen Paraphernalien von Krämern und Hausierern bis in die letzten Winkel des Landes getragen wurden und den dort ansässigen Handwerkern das Geschäft mit eigener Ware verdarben. So sah es jedenfalls ein Händler, der sich 1835 in einem Zeitschriftenaufsatz über die Zunahme der Hausiererei und der Jahrmärkte beklagte, weil sie die Landbevölkerung zur Verschwendung verleiteten, 286

indem ihnen für prächtigen Tand das Geld abgenommen würde, was sie dann nicht mehr für solide, am Ort hergestellte Ware aufbringen könnten. 97 Ganz im Gegensatz zu dieser Leichtigkeit, mit der »moderner Geschmack« sich verbreiten und Vorbild für den Konsum werden konnte, stand die Schwierigkeit Sachen herzustellen, welche »geschmackvoll« waren. Um »Modernes« herzustellen, bedurfte es einer Kenntnis der Produktionsweise des »Geschmackvollen«. Das hieß zuvörderst aber anschauliche Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen großstädtischer Warenöffentlichkeit und musealem Kunstraum, dann an Kunst geschulte Zeichenfertigkeit und technische Fähigkeiten besitzen, über modische Informationen und moderne Vorbilder verfügen und außerdem verständig auf ein Konsummuster eingehen, das Dingen neue, eigene Bedeutungen gab, das nicht Regeln der Solidität, des Nutzens und der Bedürftigkeit, sondern der Ästhetik und der Differenzierung folgte und das schon deshalb der Mentalität verarmender Landhandwerker diametral entgegengesetzt sein mußte. Dazu kam, daß Kleingewerbetreibende wenig Kapital in Versuche riskieren konnten, dem geltenden »modernen Geschmack« in der Fülle an Vorlagen auf die Spur zu kommen. In einem Bericht des Calwer Gewerbevereins an die Gesellschaft zur Beförderung der Gewerbe wurde 1 8 4 6 festgestellt: »Was aber die mit der Tagesmode in Verbindung stehenden Artikel anbelangt, so gelingt es den kleinern und ärmeren Meistern äußerst schwer, hierin etwas Erkleckliches zu liefern. Ueberdieß sind Versuche in dieser Richtung fur die Unternehmer gewöhnlich mit Schaden verbunden«. 98

Kurz, zum Konsumieren von »geschmackvollen« Waren gehörte nichts als Geld; zum Produzieren desselben hingegen Verständnis von und technische Verfügung über komplexe Regelsysteme der formalen und symbolischen Gestaltung. Oben wurden genug Beispiele von Produkten »fabrizierender Künsder« angeführt, die von der Schwierigkeit im Umgang mit dem »modernen Geschmack« auch bei jenen Produzenten zeugten, denen er im Alltag vor Augen stand und die immerhin über rudimentäre Zeichenfertigkeiten verfügt haben mußten.

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4.4. »Moderner Geschmack«, Handwerksbewußtsein und die alte O r d n u n g der Dinge Für die meisten Handwerker waren Kunstöffentlichkeit und Musealisierung weniger eine Inspiration für die Herstellung neuer Produkte und eine Ressource an Gestaltungsvorbildern als zentrales Symbol dafür, daß die überlieferten Regeln des Konsums und der Gestaltung von Sachen der Instanzen verlustig gegangen waren, die sie bis dahin garantiert hatten: Fürst und Hof. Geschmacksbildung bedeutete für sie vor allem, daß eine neue, verbindliche Gestaltungs- und Konsummaßstäbe setzende Instanz an die Stelle der alten treten sollte. Der Färbermeister hatte von der Gewerbeförderungsgesellschaft verlangt, dafür zu sorgen, daß Stoffe aus Merinowolle zur Mode würden. Die Geislinger Beinwarenschnitzer würden sich mit diesem Anliegen an den König selber wenden. Auf seinem Weg von Stuttgart nach Ulm hatte die Reisekutsche Reverend Dibdins, des reisenden Bibliophilen, in Geislingen Station gemacht, bevor das Gefährt, frisch bespannt, die anstrengende Steige das Hochplateau der Schwäbischen Alb hinauf passieren würde. Der Kutscher war noch nicht abgestiegen, als die Reisenden von einem halben Dutzend zerlumpter Weiber bedrängt wurden, die sich, Körbe mit Beinwaren in der Hand, schreiend von allen Seiten zum Wagenkasten emporgeschwungen hatten, und sie nötigten, ihnen Schachteln mit beinernem Nippes abzukaufen." Die verzweifelten Verkaufsbemühungen der Krämerinnen waren Ausdruck einer Strukturkrise, in der das am Ort ansässige Gewerbe der Beindreher seit der Jahrhundertwende steckte und die sich in den 1830er Jahren noch weiter verschärfen sollte. Das Gewerbe hatte sich vermutlich entwickelt, weil die Ortschaft an einer alten internationalen Handelsroute lag und so ein ständiger Strom von Reisenden die Ortschaft durchquerte und es außerdem leicht war, die kleinen, leichten Schnitzwaren - Reisealtäre, Kämme und Knöpfe, Nagelbüchsen und Fingerhüte, Pfeifenstopfer, Flohfallen und Buckelkratzer, Feder- und Kegelspiele - 100 als Hausierware und in Kompanie mit Nürnberger Handelshäusern auf den Weg zu bringen, während die Umgegend der Kleinstadt 1842 zählte sie nicht einmal zweieinhalb Tausend Einwohner 101 - karg war und daher Landwirtschaft oder andere Gewerbe, abgesehen von Dienstleistungen für Durchreisende, kaum ein Auskommen boten. Schon im Mittelalter war damit begonnen worden, aus Rinderknochen, Hirschgeweihen und Kuhhörnern kleine Gegenstände zu schnitzen. Im 18. Jahrhundert bezog man das Rohmaterial karrenweise aus den großen Städten Süddeutschlands, selbst aus Straßburg. Das Gewerbe war zünftisch organisiert, der Zugang strikt geregelt, die Preise festgesetzt. Es gab einzelne Geislinger Beinschnitzerfamilien wie die Knolls, deren 288

Namen mit Kunst-Produkten aus Elfenbein verbunden waren, durch deren Herstellung einige ihrer Mitglieder zu Berühmtheit gelangt waren. Freilich handelte es sich weniger um Kunstwerke als um Kunststücke, die Eingang in fürstliche Raritätenkabinette gefunden hatten, wie die sechshundert Schüsselchen in einem Pfefferkorn von Elias Resch ( 1 5 6 0 - 1 6 0 9 ) , die im 16. Jahrhundert ins Kuriositätenkabinett Papst Paul V. gelangten, oder eine elfenbeinerne Leidensgeschichte Christi von Wilhelm Benoni Knoll ( 1 7 1 2 - 1 7 6 4 ) , die als Schaustück durch Europa reiste. Ein anderer Knoll verewigte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bildnisse habsburgischer Kaiser in den Medaillons einer Elfenbeinkette, die ihren Weg wohl über ein fürsdiches Kabinett ins Germanische Nationalmuseum fand. 102 Durch den Ruhm dieser Kunst-Gegenstände, der durch den Ruhm ihrer fürstlichen Besitzer noch gesteigert wurde, war auch den ordinären Geislinger Waren ein gewisser Ruf verschafft worden, was dazu beigetragen haben mochte, ihnen über Geislingen hinaus entlang der Handelswege Absatz zu verschaffen. In vieler Hinsicht glich dieses Arrangement dem, das sich in Nürnberg zwischen dem Ruhm des dortigen Kunsthandwerks und der zünftisch, aber für den Export betriebenen Produktion von Schnitzwaren unterschiedlichster Art herausgebildet hatte, und tatsächlich hatten ja auch Handelsbeziehungen zwischen den Städten bestanden. Als in der napoleonischen Zeit die alten transkontinentalen Handelsbeziehungen und Warenströme unterbrochen waren, stockte der Absatz der Geislinger Beinwaren und die Schnitzermeister gerieten in eine Krise, aus der sie wie viele andere Exportgewerbe auch nach der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung nicht mehr herauskamen. Noch einmal versuchten die Schnitzer es nach der bis dahin bewährten Weise, dem Absatz der Schnitzereien durch den Ruf eines Kunstgegenstandes in fürstlicher Hand aufzuhelfen. 1814 machte sich Johann Friedrich Knoll ( 1 7 8 0 1 8 1 4 ) , der jüngste Sproß der Kunstschnitzer-Dynastie, auf nach Wien, im Gepäck ein Schachspiel aus Walroßzahn, dessen Figuren Nationaltrachten der am Wiener Kongreß beteiligten Nationen darstellten. Vergeblich versuchte er, es einem der auf dem Kongreß anwesenden Fürsten zu verkaufen - es gelang ihm zwar, wie er selbst es detailliert schilderte, bis zu den Herrschern vorzudringen und sein Vorhaben vorzutragen, es wurde aber abgewiesen. Mit der Französischen Revolution war die symbolische Macht der fürstlichen Herrscher, vermittelt über die Dinge, die sie als Teil der herrscherlichen Aura umgaben, gebrochen und damit ihr Vermögen, durch symbolische Aneignung den Dingen Aura zu verleihen. Diese Aufgabe war der bürgerlichen Gesellschaft zugefallen - und von dieser an das Museum übertragen worden. Die Geislinger Schnitzermeister weigerten sich, den symbolischen Gehalt der fürstlichen Ablehnung zu verstehen. Es hätte bedeutet, zu akzep-

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tieren, daß auch die Zeit zünftischer Reglementierung der Gewerbe vorbei war, gründete doch der Anspruch der Zunft auf Kontrollrecht über Produktionsverfahren darauf, das Wissen zu inkorporieren, ob ein Ding kunstgerecht war. Darin steckte der doppelte Anspruch von Zweckmäßigkeit und symbolischer Richtigkeit. Das Schachspiel wurde 1816 König Wilhelm I. von Württemberg als Geschenk des Oberamtes zur Feier der Thronbesteigung übergeben - und entschwand, kaum präsentiert, den Blicken der Öffentlichkeit. Auf einen symbolischen Akt der Anerkennung hofften die Geislinger vergebens. Als sie im Herbst 1824 dem durchreisenden König ihre klägliche Lage schilderten - der Absatz ins Ausland sei seit der Jahrhundertwende auf ein Zehntel des vorher Üblichen zurückgegangen, in die jetzt noch aus dem Export erlösten 3.000 fl. im Jahr müßten sich mehr als zwanzig Meister samt ihren Familien teilen - retournierte der Landesvater, »daß die hiesigen Bein- und Holzdreher zwar mit gleichem Fleiße, aber nicht mit gleichem Geschmack ihre Fabrikate bearbeiten«.103 Mit anderen Worten, er verwies sie auf das Votum der Konsumenten und das Prinzip der Konkurrenz, was zu erbitterten Äußerungen im Gemeinderat führte. Zwar wurde zugegeben, »daß beinahe alle hiesige Bein- und Holzdreher auch in neuerer Zeit ihre Fabrikate so bearbeiten, daß sie allerdings dem neuen Geschmack nicht gehörig entsprechen, und daher eine beßere Ausbildung ein wesentiiches Erforderniß zu einem beßern Absatz als hohe Nothwendigkeit erscheint«.

Aber der mangelnde Geschmack wurde damit entschuldigt, daß schleppender Absatz und steigende Warenpreise eine schlechtere Fertigungsqualität erzwungen hätten; prinzipiell seien die Schnitzermeister sehr wohl in der Lage, geschmackvolle Waren zu liefern. Den Beweis könnten stellvertretend zwei der Meister antreten, »indem dieselben in neuerer Zeit Schachspiele, Blumenkörbe, u. dergl. verfertigt haben, die selbst von Monarchen mit dem größten Beifall theils aufgenommen, theils anerkannt worden sind«. Auch die anderen Meister könnten geschmackvolle Ware liefern, vorausgesetzt, eine entsprechende Zollpolitik unterstütze den Absatz ihrer Ware. Die Beinschnitzer, welche vermutlich dank der vorherrschenden Stellung ihres Gewerbes im Ort auch die Mehrzahl der Gemeinderäte stellten, schoben also die Verantwortung für das Elend am Ort der Regierung und damit dem König zu. Es liege an ihm, die Waren zu empfehlen und sie durch Verminderung der Zölle preiswerter zu machen. Dabei gaben sie aber zu, daß sie selbst bei äußerster Verbilligung auch der geschmackvollsten Ware immer öfter auf ihr sitzen blieben. Die fortdauernde Absatzkrise habe verhindert, daß sie »mit dem Zeitgeiste fortgeschritten« seien, und sei für einen gewissen Schlendrian verantwortlich zu machen. 290

Die Vorhaltung des Königs führte immerhin dazu, daß der Gemeinderat sich zur Einstellung eines der besonders geschmackssicheren Meister als Zeichenlehrer durchrang, der ohnehin diese Funktion inoffiziell schon vorher innegehabt hatte - freilich ohne sich auf ein angemessenes Honorar einigen zu können. Wieder hatten sie die königliche Botschaft nicht verstanden, den Geist der Zeit, das Wesen des »modernen Geschmacks« verkannt, obwohl er täglich auf der Handelsstraße an ihnen vorüberzog, obwohl jeder der Meister sich zwölf Jahre lang hatte in der Fremde umtun müssen, bevor die Zunft ihnen gestattete, sich niederzulassen - den Geist des Fortschritts, der Metropolen und der Kunst müssen sie auf ihrem Wege geradezu panisch vermieden haben. Dafür ließen sie nicht locker, die Regierung mit Petitionen um Hilfe anzugehen. 104 Solche Ansinnen wurden ebenso regelmäßig zurückgewiesen, wie sie gestellt wurden. Die Administration schien nach einigen verlorenen Zuschüssen gewillt, die Geislinger ihre Lektion in Marktwirtschaft auf die harte Weise lernen zu lassen, ihre Empfehlungen jedenfalls - für bessere Gestaltung der Produkte sorgen, eine Einkaufs- und Vermarktungsgenossenschaft: gründen, einen Kaufmann für den Vertrieb gewinnen - zielten in diese Richtung. Aber das Klagen hörte nicht auf. Den Geislinger Drechslermeistern hartnäckiges Verkennen der Tatsachen vorzuwerfen, wie es die Regierung damals tat, hieße, ihnen eigene ökonomische Logik absprechen. Ihre Aktivitäten zeigen, daß hinter der Verbohrtheit ein durch die Wirtschafts- und Lebensregeln des Alten Handwerks strukturiertes kollektives Erfahrungswissen stand, das gegen die abstrakte Argumentation einer neuen, fremden Theorie vom Wohlstand das Werk von Adam Smith stand gerade fünfzig Jahre zur Verfügung 109 wie gegen bürokratische Maßregeln der Obrigkeit gerichtet war,105 das technischen Innovationen Stolz auf handwerkliche Kunstfertigkeit entgegensetzte, das im Aufblühen einer neuen, bürgerlichen Konsumkultur eine vergängliche, moralisch zweifelhafte Erscheinung auf dem Hintergrund beständiger Bedürftigkeit sah und das Aufkommen neuer Industrien nur als Resultat von systematischen egoistischen Verstößen gegen bewährte Wirtschaftsregeln im gegenseitigen Interesse aller Zunftgenossen zu begreifen vermochte. 107 Die Zulassung auf eine Meisterstelle und damit ein, wenn auch kärgliches, Auskommen in der Heimat blieb (ein reflexhafter, ungeschriebener, empirisch nicht belegbarer Konsens der Etablierten) daran gekoppelt, sich dieser Weltsicht zu verschreiben und damit widerstreitenden individuellen Erfahrungen und Erkundungen in der Fremde, auf der Wanderschaft, abzuschwören, um nicht auf ewig fremd zu bleiben und so isoliert den Unwägbarkeiten der modernen Wirtschaftsweise ausgeliefert zu sein. Ein mitfühlender, gelehrter Zeitgenosse beschrieb 1850 die Reaktionen 291

der Handwerker auf das Vordringen rationeller Produktions- und Absatzmethoden als panischen Rückzug auf traditionelle Verhaltensformen angesichts einer Bedrohung, die sie schließlich überwältigen würde: »Obwohl es ... einleuchtet, daß der Einzelbetrieb auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der Industrie unnatürlich / und unhaltbar ist, so lassen sich doch viele Handwerker selbständig nieder, welche kaum die Mittel besitzen, das nothwendigste Handwerkszeug anzuschaffen ... An dieser Thatsache werden die größten Volkswirthschaftslehrer zu Schanden, welche den Grundsatz aufstellen, daß wenn eine Überfüllung der Thätigkeit eintritt, diese sich von selbst ausgleicht, indem die Ueberflüssigen allmählich zu andern Beschäftigungen übergehen. Gerade das Gegentheil findet hier statt. Obwohl die Ueberfüllung des kleinen Betriebes unverkennbar ist und viele zu Grunde richtet, dauert der Zudrang fort. Wenn die Menschen wären wie die gefühllosen Wogen des Meeres, die sich wieder senken, wenn sie sich aufgethürmt haben, so würde die Theorie der Volkswirthschaft recht haben. Doch die Menschen sind fühlende Wesen, sie haben Neigungen, Gewohnheiten, Willenskraft, welche oft mächtiger einwirken als die äußern Verhältnisse; sie lassen sich nicht ohne Widerstreben durch den wechselnden Bedarf an Arbeitskräften hierhin und dorthin stoßen. ... die Cirkulation der Menschen ist nicht so vollkommen, wie der Umlauf der Waaren, welche die Orte aufsuchen, wo die Nachfrage am stärksten ist, und sich von jenen entfernen, wo das Angebot für den Bedarf ausreicht. ... Auch die Ueberfüllung der Handwerke wird durch die Zähigkeit der Volkssitte bewirkt. Die Handwerker wollen im gereiften Alter nicht als Lohnarbeiter, sondern als selbständige Meister und Bürger leben, die Unabhängigkeit der Existenz geht ihnen über alles. . . . / Die Volkssitte, welche die Theorie in ihre Berechnungen nicht aufnehmen kann, ist in der Praxis oft so mächtig, daß sie die Verhältnisse beherrscht«. 108

Die Lage Geislingens prädisponierte die dort ansässigen Gewerbetreibenden, ihre kümmerliche Lage, in welche sie der Zwang der Zeitverhältnisse gebracht hatte, der reisenden, bürgerlichen Öffentlichkeit auf theatralische Weise vor Augen zu fuhren. In ihrem Kalkül spielte jedoch diese moderne, abstrakte Öffentlichkeit des ökonomischen und politischen Diskurses keine Rolle als Appellationsinstanz, so wie sie auch, abstrakt, als Absatzmarkt nur halbherzig avisiert wurde. Stattdessen hatte ihr Selbstverständnis als späten Nachfolgern der Handwerkskünstler der Renaissance sie vergeblich versuchen lassen, sich mit dem König darüber ins Benehmen zu setzen. Ohne die gleiche Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können, steckten zahllose Handwerker in ähnlicher Lage wie die Geislinger Gewerbetreibenden. 109 So wie ihre Produkte aus dem Sortiment der Modegeschäfte herausfielen, waren ganze Gewerbezweige aus dem Bewußtsein der hauptstädtischen bürgerlichen Öffentlichkeit getilgt, die mit derselben Abwehr gegen die Auflösung alter Bindungen und das Aufkommen moderner Kultur292

muster des Konsums, gegen den »modernen Geschmack« reagierten, den sie, eher noch als das »Fabrikwesen«, einerseits für die Zerstörung ihrer Existenzen verantwortlich machten, den andererseits zur Grundlage ihrer Existenzen zu machen sie sich beharrlich weigerten. Schon 1811 wurde in einem Reskript der Regierung der Niedergang der alten Gewerbe darauf zurückgeführt, »dass die Professionisten bei Fertigung ihrer gewohnten Arbeiten, von denen sie jedoch keinen Absatz hoffen können, weil sie den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit nicht mehr angemessen sind, noch immer stehen bleiben«,110 weswegen sie aufgefordert waren, ihre Produkte auch geschmacklich zu modernisieren, statt um staatlichen Beistand zu bitten. Der Grundkonflikt zog sich kaum variiert durch zahlreiche Fälle, die Gegenstand behördlicher Untersuchungen und damit aktenkundig wurden.111 Die Handwerker bestanden auf Rechten und Regeln, denen die juristische und die faktische Grundlage entzogen war, die aber ihnen als Arbeits- und Lebensgrundlage desto unentbehrlicher schienen, als das kaufmännische Kapital, welches bis dahin in den Verlagsoperationen steckte, für die sie produziert hatten, in profitablere Anlagefelder abgewandert war.112 Auf allen Ebenen der administrativen Instanzen, der Kreis- und Oberämter und der Gemeinden ließen sich zahllose weitere amtlich dokumentierte Schicksale finden, Existenzen, deren wirtschaftliches Überleben am »modernen Geschmack« gescheitert war. Schon Anfang der 1830er Jahre deutete sich der enorme Umfang des Problems an, als die Gewerbeförderungsgesellschaft einen Stuttgarter Kaufmann beauftragt hatte, eine Landes-Industrie-Handlung aufzubauen, um damit den Kleingewerbetreibenden Absatzmöglichkeiten außerhalb von Wohnort und Umgebung zu schaffen. Dieser verfügte über einschlägige Erfahrungen, hatte er doch bereits den Vertrieb von Schwarzwälder Uhren neu aufgezogen. Die Landes-Industrie-Handlung sollte in Stuttgart eingerichtet werden und dem Verkauf kleingewerblicher Erzeugnisse im In- und Ausland, en gros und en detail, dienen. Dadurch, daß die Waren nur in Kommission genommen werden sollten, wäre das Absatzrisiko allerdings bei den kleingewerblichen Produzenten verblieben.113 Eine solche Einrichtung schien der Gewerbeförderungsgesellschaft deshalb notwendig, weil die einzelnen Handwerker anders als Betreiber von Manufakturen kaum in der Lage waren, selbst neue Absatzwege zu erschließen.114 Von der Gesellschaft mit Reisegeld und Empfehlungen unterstützt, kehrte der Kaufmann von seiner Erkundungsreise durch Württemberg ernüchtert zurück. Für alles Exportierbare hatten die Gewerbetreibenden selbst bereits Absatzwege gefunden, Absatzchancen bestünden allenfalls noch für Messerschmiedwaren aus Tuttlingen sowie allerlei Gestricktes, Hemden und Beinkleider von Leinwand, Schuhe und Stiefel, Kirschgeist und Obstkonserven, aber diese Produkte ließen

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sich einfacher durch Anschreiben oder durch Provisions-Reisende vermarkten. Die inländischen Handelshäuser hatten wohl zu Recht kein besonderes Interesse mehr an den Fabrikaten der Handwerker gezeigt, die weder im Ausland noch im Inland mit Gewinn abzusetzen waren. Schnell gab er auf115 und damit war der Versuch der Gesellschaft gescheitert.116 Ein weiterer Versuch, über ein Hamburger Handelshaus Leder- und Messingarbeiten, baumwollene Reifunterröcke, Kinderhäubchen und Kinderspielzeug, Klavier- und Tischdecken, Hemden und Leinwand aus württembergischer Produktion nach Südamerika abzusetzen, scheiterte 1843 ebenso wie der vorige an Geschmacks- und Preisfragen.117 Schon 1833 hatte der bayerische Konsul in Gibraltar, einem wichtigen Handelsstützpunkt nach Übersee, über chancenreiche Exportprodukte nach Übersee berichtet. Dabei betonte er, daß zum einen gerade Gegenstände moderner bürgerlicher Konsumkultur nachgefragt seien, wie »Gegenstände zu Verzierungen auf Schreibtische, Speißtische und Kamine ..., z.B. Blumenkörbe, Blumentöpfe, Urnen, Uhrengestelle, Lichtstöcke, Lampen, Pyramiden, Rauchfäßer etc.«,118 zum andern auch die Produkte fur den Massenbedarf, für »Arbeitsleute, Matrosen und Neger«119 einen gewissen Qualitätsstandard haben, dem »modernen Geschmack« entsprechen müßten und modenabhängig seien. Den württembergischen Waren fehlte es indes nicht allein daran, sondern außerdem an verkaufsfördernder Aufmachung. Indes gab es Ausnahmen von der Misere der Gewerbe dort, wo eine gewisse Tradition der Außenorientierung und der Mode vorhanden war, wie etwa beim Schmuckgewerbe in Gmünd, oder wo Verleger in der Lage gewesen waren, Konsumgüter nach Prinzipien, welche dem »modernen Geschmack« entsprachen, herstellen zu lassen. Bezeichnenderweise handelte es sich in mehreren Fällen um Hausindustrien, welche, wie die Spitzenfabrikation, zumeist von Landfrauen ausgeübt wurden. Ohne zünftische Ehre, obsolete Fertigungstechniken oder Gegenstände und ohne den Anschein einer unabhängigen Existenz als Meister verteidigen zu müssen, ließen sie sich, weil das Spinnen als Verdienstquelle ausgefallen war, gegen geringen Lohn dazu einspannen, etwa das Klöppeln nach sächsischen Vorbild zu lernen,120 oder mit Hilfe einfacher Gerätschaften Hüte und Taschen aus Strohgeflechten nach Mustern zu fertigen, welche Kaufleute ihnen vorlegten, die mit dem »modernen Geschmack« und der Mode vertraut waren. So florierte etwa die Schramberger Strohmanufaktur, eine ursprünglich aus philanthropischen Erwägungen gegründete Aktiengesellschaft zur Einfuhrung einer Hausindustrie, welche statt der obsolet gewordenen Handspinnerei einen Nebenverdienst für Landfamilien gewährleisten sollte, nach anfänglicher Unterstützung durch ein königliches Darlehen aus eigener Kraft, die produzierten Taschen aus Stroh und Hüte aus Palmblättern fanden selbst in Paris Absatz.121 294

Solche Ausnahmen bestätigen die Annahme, daß neben der Konkurrenz der Fabriken, technischem Rückstand und Kapitalmangel »moderner Geschmack« ein entscheidender Grund für den Niedergang der Alten Gewerbe in Württemberg war. In dieser Beobachtung stimmten Betroffene, aufmerksame Zeitgenossen und die moderne Wirtschaftsgeschichte überein, letztere allerdings, ohne den eigentümlichen Charakter dieses Phänomens erfaßt zu haben.122 »Moderner Geschmack« war, wie gezeigt, mehr als bloß ein Problem akzelerierter Modewechsel, modischer Orientierung oder der »richtigen« Vorlagen. Er markierte vielmehr, deutlich sichtbar und mit verheerenden ökonomischen Auswirkungen, eine kulturelle Trennlinie zwischen einem modernen Kulturmuster des Konsums, gegründet auf öffentlich gewordene, reproduzierte Kunst und gekennzeichnet durch eine Ästhetisierung des Blicks und eine Entgrenzung der Bedürfnisse, das für eine entstehende moderne Konsumgesellschaft konstitutiv werden sollte, auf der einen Seite, und einer handwerklichen Mentalität und handwerklichen Produktionsformen auf der anderen Seite, die an überlieferten Regeln der Herstellung, an einer symbolischen Beziehung zwischen Kunst und Hof oder Kirche und an einem an Bedürftigkeit ausgerichteten Konsum orientiert waren. Mit dem Zusammenbruch der traditionellen symbolischen Ordnung der Dinge und der Entgrenzung des kulturellen Horizonts durch Kunst, Warenöffentlichkeit und Reisen war der Verständigungszusammenhang, der zwischen Konsumenten und Produzenten über die Gestaltung von Dingen geherrscht hatte, außer Geltung gesetzt worden. Während die Kunstindustrie sich dem Zentrum des neu entstandenen Verständigungszusammenhangs, dem Museum, eng verband, weil sie diesem Zusammenhang ihre Existenz verdankte und ihn zusehends dominieren sollte, fehlte der großen Mehrheit der Handwerker und der kleingewerblichen Produzenten der alten Exportgewerbe die Fähigkeit, den neuen Verständigungszusammenhang als einen solchen zu verstehen. Das neue, an Kunst orientierte Kulturmuster des Konsums mochten sie allenfalls in Ansätzen und äußerlich teilen; sie konnten dessen Logik ebensowenig verstehen, wie sie die neue Warenöffentlichkeit der Stadt zu deuten vermochten. Das Museum, eine öffentliche Institution, blieb ihnen fremd, seine Funktion verborgen. Die ästhetisierte Wirklichkeit der modernen Konsumgesellschaft verschwamm ihnen vor den Augen.

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5. Die Verzweckung des Museums durch die Industrie 5.1. Württemberger auf Frankreichreise Sich auf Reisen ins Ausland kunsthistorisch und ästhetisch zu bilden, Bauten und Bildwerke zu betrachten, soweit es möglich war, gehörte in der Nachfolge der Kunstreisenden des 18. Jahrhunderts zum konventionellen Bildungshabitus der Restaurationszeit. Neben den ersten öffentlichen Museen gab es unzählige private Sammlungen, Kirchen und fürstliche Galerien zu besichtigen. Durch die neue Warenöffentlichkeit der Residenzstadt war in Württemberg für Gewerbetreibende und Konsumenten ein Zusammenhang zwischen bildender Kunst und der Entwicklung einer modernen Qualitätsindustrie praktisch und anschaulich erfahrbar geworden. Für einige wenige kam das Erlebnis der Metropole Paris hinzu. In Paris war, wie sich gezeigt hatte, das Ineinander von Kunst- und Warenöffentlichkeit, modernem Konsumieren und moderner Qualitätsindustrie wie nirgendwo sonst vor Augen gestellt, wie nirgendwo anders wurde dort zugleich die zentrale Rolle offensichtlich, welche das Museum in diesem Ineinander spielte. Auf dem Hintergrund beider Erfahrungen mußten modellhafte Formulierungen des Zusammenhangs zwischen kultureller Hegemonie und wirtschaftlicher Potenz, zwischen Enkultivierung der Industrie und Industrialisierung der Kultur als zwingend erscheinen, ließ sich nach Pariser Vorbild Geschmacksbildung als zentrales Element der Gewerbeförderung begreifen. Damit wurde in Württemberg aus der Sicht des sich dort eben entwickelnden modernen Bürgertums die Errichtung eines Museums zu einem notwendigen Projekt nicht allein aus ästhetischem Interesse, sondern genauso aus ökonomischem Kalkül. Studienreisen nach Paris, dem Zentrum der akademischen Kunst und des Luxushandwerks, waren zu Zeiten der Karlsschule Teil der Ausbildung von Hofkünstlern wie von Kunsthandwerkern gewesen. Sie hatten dort Gelegenheit gehabt, nicht bloß Kunstwerke zu studieren (soweit sie öffentlich zugänglich waren), sondern auch das urbane Milieu, welches vor der Revolution neben dem Hof von wesentlichem Einfluß auf die Kunst war. Diese Pariserfahrung konnte von einigen der Künstler mit dem Erlebnis des revolutionären und des nachrevolutionären Paris kontrastiert werden. Der Stuttgarter Architekt und Akademieprofessor Nicholas Guibal (17251784) stammte aus Nancy und hatte seine Ausbildung in Paris absolviert. Thouret hatte sich während der Revolution in Paris aufgehalten. Der Hofbaumeister, Baurat für das Landbauwesen und Lehrer am Stuttgarter Polytechnikum Ferdinand von Fischer (1784-1860) und dessen Assistent, der nachmalige Hofbaumeister und Architekt der Wilhelma Karl Ludwig 296

Wilhelm Zanth ( 1 7 9 6 - 1 8 5 7 ) , ein Schüler des Pariser Architekten Ignaz Hittorff ( 1 7 9 2 - 1 8 6 7 ) , wie auch der spätere Architekt des Stuttgarter Museums Gottlob Georg von Barth ( 1 7 7 7 - 1 8 4 8 ) waren während der napoleonischen Jahre in Paris gewesen, der Architekt Heigelin während der Restaurationszeit, Karl Beisbarth ( 1 8 0 9 - 1 8 7 8 ) , Restaurator und Architekt von Stuttgarter Bürgervillen, im Vormärz. Der Bildhauer Dannecker war schon Mitte der achtziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts in Paris gewesen und besuchte die Metropole anfangs des 19. Jahrhunderts nochmals, um im Auftrag des Kronprinzen Abgüsse von Antiken dort einzukaufen. 1 8 0 2 nahm er mit einer Büste am Pariser Salon teil. Der Bildhauer Friedrich Distelbarth ( 1 7 6 8 - 1 8 3 6 ) war während seiner Pariser Jahre bei Restaurationsarbeiten am »Musee du Louvre« angestellt gewesen, bevor er Lehrer an der Kunstschule und Mitglied der Kunstschuldirektion wurde. Zahlreiche Maler hatten ebenfalls eine Ausbildungszeit in Paris gemacht: der Hofmaler und Akademieprofessor Philipp Friedrich Hetsch ( 1 7 5 8 1 8 3 9 ) , Viktor Wilhelm Peter Heideloff ( 1 7 5 7 - 1 8 1 7 ) , ebenfalls Maler und Akademieprofessor, die Malerin Ludovike Simanoviz ( 1 7 5 9 - 1 8 2 7 ) und der Maler Eberhard Ludwig Wächter, der später dem Kupferstichkabinett am Stuttgarter Museum vorstehen sollte, und noch dazu andere, deren Namen keinen solchen Nachruhm bekommen, oder solche, welche nach ihrem Aufenthalt in Paris nicht nach Württemberg zurückkehren würden.1 Hinzu kamen aus der großen, schon mehrfach genannten Künsder-Familie Nikolaus HeidelofP sowie die Kupferstecher Johann Gotthard Müller ( 1 7 4 7 - 1 8 3 0 ) 3 und Christian Traugott Duttenhofer ( 1 7 7 8 - 1 8 4 6 ) , der 1 8 0 9 am monumentalen Stichwerk des »Musee fran£ais« mitarbeitete, welches die Kunsteroberungen Napoleons für den Louvre dokumentierte, und der Sulpiz Boisseree 1 8 2 0 nach Paris begleitete, um seine Kenntnisse für den Stich des Dombauwerks zu perfektionieren. 4 Wahrscheinlich ist, daß die Kunsthandwerker, welche am Landhaus Rosenstein arbeiteten, ebenfalls Paris besucht hatten. Eine Untersuchung wird dadurch erschwert, daß im Gegensatz zu den Bildenden Künsdern Kunsthandwerker meist Dinge schufen, welche später nur schwer einzelnen Künstlern zugeschrieben werden können. In der Regel traten die meisten hinter einem kollektiven Werk als einzelne nicht mehr in Erscheinung, und so gerieten auch ihre Lebensläufe und ihr Bildungsgang schnell in Vergessenheit.5 Der Ebenist Klinckerfuß beispielsweise war nicht in Paris gewesen, jedoch schickte er seinen Neffen, der die Werkstatt übernehmen sollte, in den 1820er Jahren zur Ausbildung dorthin. 6 Die Arbeiten am königlichen Landhaus mochten durch die künsderischen Erfahrungen befruchtet sein, welche Paris den Künsdern vermittelt hatte; außerdem trugen sie die Erfahrung von Kunst-Öffentlichkeit ebenso mit sich wie die Erfahrung von Kunst als Ware. Diese Erfahrungen waren

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wichtig gleich, ob sie selber als Anbieter von Kunstwerken als Ware auftraten oder als Amtsträger und Experten in Fragen der Institutionalisierung von Kunstöffentlichkeit und Geschmacksbildung zu Rate gezogen wurden. In Stuttgart konnten sie zu keiner Zeit auf eine auch nur in Ansätzen dem Pariser Kunstleben vergleichbare Athmosphäre hoffen. Kunst wurde, wie oben skizziert, Maßstab des Geschmacks. Sie wurde aber zu Anfang der Regierungszeit König Wilhelms I. weder vom Hof, noch von einer Akademie, noch von einem breiten kunstinteressierten und Kunst kommerziell stützenden Publikum getragen. Das von der Erfahrung des Pariser Kunstlebens inspirierte Engagement einiger von ihnen trug wesentlich dazu bei, daß sich in der Hauptstadt in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine, wenn auch bescheidene, bürgerliche Kunstöffentlichkeit etablieren konnte. Die traditionelle Parisorientierung des Adels kann hier außer Betracht bleiben, da dieser bei der Etablierung der modernen Kunstöffentlichkeit in Württemberg keine wesentliche Rolle spielte, abgesehen davon, daß einige adlige Grundherren sowie, in Garnisonsstädten wie Ludwigsburg oder Ulm, eine größere Anzahl Offiziere den Kunstvereinen beigetreten waren. Dagegen sind die Parisreisen König Wilhelms erwähnenswert, weil er als Kronprinz dort aus der Gipsgießerei des »Musee Napoleon« Antikenkopien besorgen ließ, sie aber nicht zur Dekoration des Schlosses verwendete, wie es seit dem französischen König Franz I. zur Tradition bei seinen fürstlichen Kollegen gehörte, 7 sondern sie im Hause Danneckers öffentlich zugänglich machte, und auch die königlichen Kunstschätze, wie oben beschrieben, zur Besichtigung freigab, zuerst innerhalb seiner Schlösser, später, wie sich zeigen wird, im Museum. Englanderfahrungen spielten dagegen dem Anschein nach, abgesehen von dynastischen und diplomatischen Verbindungen, in dieser ständischen Oberschicht praktisch keine Rolle. Parisaufenthalte von Mitgliedern der hohen Administration und der Regierung, deren Einfluß auf das Stuttgarter Kulturleben nicht unbeträchtlich gewesen sein mochte und sowohl fur die Entstehung der Kunstund Warenöffentlichkeit wie auch für den Prozeß der Ästhetisierung und Musealisierung des Raumes und für die Entstehung der Kunstindustrie letztlich entscheidend war, erfordern eine spezielle Untersuchung. Stellvertretend sollen einige wichtige Personen und Kontakte vorgestellt werden. Weitgreifende Kontakt- und Informationsmöglichkeiten besonders in Frankreich, aber auch in England und in anderen europäischen Staaten, hatte Cotta durch das dicht geknüpfte Korrespondentennetz seiner 1798 gegründeten »Allgemeinen Zeitung« geschaffen, der modernsten politisch-literarischen Tageszeitung in Deutschland, in welcher der Berichterstattung über Frankreich breitester Raum gegeben wurde. 8 1799 geriet er 298

selbst in unmittelbaren Kontakt mit der politischen Klasse, als er im Auftrag der Landstände nach Paris reiste, um einer möglichen Besetzung und Plünderung der Hauptstadt durch französische Truppen vorzubeugen.9 Später freundete er sich mit dem Liberalen Adolphe Thiers an. Der Stuttgarter Rechtsprofessor und Staatsrat Mohl schickte in den 1820er Jahren seine fur den Staatsdienst bestimmten Söhne zur Horizonterweiterung und zu Forschungsaufgaben nach Paris, was wohl in Stuttgart eher außergewöhnlich war.10 Der eine von ihnen, der spätere Professor der Rechte, Gesandte und Reichstagsabgeordnete Robert v. Mohl ( 1 7 9 9 1875), studierte dort nicht nur Verwaltungsrecht, sondern besuchte auch die Museen, um seine Allgemeinbildung zu verbessern.11 Sein Bruder Moriz verbrachte als studierter Kameralist mehrere Jahre in Frankreich, um zu untersuchen, inwieweit dortige Gewerbe und Industrien sich auf württembergische Verhältnisse übertragen ließen. Er schrieb darüber ein voluminöses Buch und brachte eine Sammlung vorbildlicher Produkte mit.12 Ein weiterer Bruder, der Orientalist Julius Mohl ( 1 8 0 0 - 1 8 7 6 ) , wurde in Paris zu einem herausragenden und einflußreichen Mitglied der intellektuellen Zirkel und Mitglied der »Academie de France«,13 seine Wohnung dank seiner Frau Mary zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt.14 Damit existierte fur Besucher der oberen Stuttgarter Bildungsschicht seit den 1830er Jahren ein wichtiger gesellschaftlicher Brückenkopf in diejenigen Pariser Kreise hinein, welche die französische Kultur und Kulturpolitik gestalteten. Die gleiche Funktion hatte vorher das Haus des Gelehrten Georges Cuvier ( 1 7 6 9 - 1 8 3 2 ) erfüllt, ein Schüler der Karlsakademie, der aus Montbeliard stammte, einem ehemaligen Herrschaftsgebiet der württembergischen Herzöge auf französischem Boden, und der insofern als Kompatriot galt.15 Weitere zentrale Anlaufstellen waren der württembergische Diplomat und Minister in französischen Diensten Karl Friedrich Reinhard ( 1 7 6 1 - 1 8 3 7 ) und der Architekt Jakob Ignaz Hittorff aus Köln, 16 der Heimatstadt der mit ihm befreundeten Boisserees, ein Lehrer und Freund des Stuttgarter Hofbaumeisters Zanth, der seinerseits häufiger in Stuttgart zu finden war.17 Solche Kontakte konnten über die persönliche Bekanntschaft hinaus Zugang zu Informationen verschaffen, die in Bibliotheken, akademischen Zirkeln und Vereinen vorhanden waren und wichtige Hintergrundinformationen zu Debatten lieferten.18 Insbesondere war auf dieser Ebene der Kontakt zur englischen political class eng, wie das Beispiel John Bowrings deutlich gemacht hat.19 Hittorff hatte 1820 eine längere Studienreise nach England gemacht und sich dort vor allem neoklassizistischer Privatarchitektur und Dekoration, sowie technischen Bauwerken, Ladenpassagen und Geschäftshäusern gewidmet, durch seine bereits in Paris geknüpften Kontakte war er entsprechend eingeführt und zum korrespon-

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dierenden Mitglied der »London Society of Architects and Antiquarians« ernannt worden. Eine weitere Reise führte ihn 1821 nach Deutschland, wo er das Straßburger Münster, Karlsruhe, dann Stuttgart und die BoissereeSammlung besuchte, in Nürnberg Dürers gedachte, in Dresden den Zwinger und die Galerie besichtigte und schließlich von Friedrich Schinkel durch Berlin geführt worden war.20 Wohl sekundiert von Dannecker und Cotta, vermochte Sulpiz Boisseree während seiner Parisaufenthalte in den Jahren 1820, 1823 und 1825 2 1 brillant auf der Beziehungsklaviatur zu spielen, welche sich ihm durch die Welt der Salons und wechselseitigen Bekanntschaften eröffnete. In seiner umfangreichen Korrespondenz finden sich Begegnungen mit den wichtigsten Vertretern von Kunstwissenschaft und Kulturpolitik verzeichnet, darunter jenen, die wie Quatremere de Quincy, Emeric-David und Duval das Projekt einer ökonomischen Entwicklung durch kulturelle Hegemonie, der Entfaltung einer modernen Kunstöffentlichkeit und einer modernen Qualitätsindustrie mit gestaltet hatten. Zu diesem Projekt äußerte Boisseree sich nicht, dafür aber nutzte er seine Kontakte hauptsächlich, um sein eigenes kunstindustrielles Projekt, die Publikation und Publizität seines Dombauwerks und seiner Sammlungsreproduktionen zu befördern, indem er sich über den Stand der Reproduktionstechniken informierte und sich Referenzen und Subventionen beschaffte. Durch Vermittlung Quatremere de Quincys wurde er zum korrespondierenden Mitglied der »Academie des beaux-arts« gewählt.22 Kurz, die bürgerliche Oberschicht der schwäbischen Residenz verfugte über unmittelbare persönliche Kontakte zur Pariser monde der Wissenschaften, der Politik, der Kunst und Kultur und damit über einen Zugang zu den konzeptionellen Grundlagen der neuen Kulturund Gewerbepolitik, in der der Geschmacksbildung von Produzenten und Konsumenten und der modernen Kunst- und Warenöffendichkeit eine zentrale Bedeutung zukam. Mochten in den maßgeblichen Pariser Salons sich Kontakte zwischen einer international orientierten, einflußreichen Schicht von Politikern, Künstlern und Wissenschaftlern herstellen und deren Gedanken und Arbeiten beeinflussen, so reichte die Erfahrung der modernen Metropole und des modernen Konsumierens und Produzierens weit über deren exklusive Zirkel hinaus. Kunst stand als gemeinsame Erfahrung allmählich dank Reisen, Galeriebesuchen, Reproduktionen und Kunstzeitschriften jenen zur Verfügung, welche als gebildete Fachleute hohe Stellungen einnahmen. Deshalb gehörte auch zumindest ein Hinweis auf Kunstbildung in die Lebenserinnerungen solcher Männer hinein. Daraus wird aber auch deutlich, wie intensiv teilweise, als Chance zu einer neuartigen ästhetischen Erfahrung, die Möglichkeiten ergriffen werden konnten, Kunst kennen zu lernen und sich ihrer zu bemächtigen. Zugleich konnte der Umgang mit

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Kunst dazu dienen, neue Geselligkeit zu stiften und neue Beziehungen anzuknüpfen - unter Reisenden, in Zirkeln, in Vereinen, jedenfalls zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Solche Treffen wurden einigen Lebenserinnerungen nachdrücklich thematisiert. Diese Möglichkeiten systematisch zu nutzen und die praktischen Funktionen von Kunst aufwachsend zu erfahren, war nur allerdings wenigen vergönnt, da Kunst bloß am Rande zur schulischen oder universitären Ausbildung gehörte und auf eigene Initiative betrieben werden mußte. Sie war aber nicht willkürlich oder zwangsläufig auf bloß einige wenige begrenzt. Der Einfluß von Lektüre, von Texten und Vorbildern ist in den Lebenserinnerungen deutlich spürbar, wo es um die Schilderung des Kunsterlebnisses ging. In den Reiseführern und Adreßbüchern der Zeit wuchs die Zahl der Kunstattraktionen, ihre Beschreibung wurde differenzierter und stereotyper zugleich23 - ein Hinweis darauf, daß der Tourismus zu den Kunststätten und den Kunstdenkmälern eines Ortes Konvention geworden war. Cottas »Morgenblatt« brachte Reisekorrespondenz zu Kunst und Gesellschaft anderer Länder. Kunstindustrieprodukte paßten sich der Konvention des Kunsterlebnisses an und verstärkten es zugleich. Ihr Erwerb und Gebrauch konnte als äußerlich sichtbares Kennzeichen gelten, daß die Konsumenten sich dieser Konvention fugten. Seinen deutlichsten Ausdruck fand dieser Objektbezug im Souvenir. Konvention im Kunstgeschmack war, übertragen auf Konsumgüter, ein relativ zuverlässiger, stabiler, weit verbreiteter Orientierungsrahmen für die Gestaltung von Konsumgütern. Bildungsreisen zur Kunst vermittelten den Bürgern eine Sensibilisierung für Form und Proportion, sie half bei der Formulierung von Vorlieben für bestimmte Werke oder Stile und erleichterte die ästhetische Orientierung sowohl in der Wahrnehmung des äußeren Lebensraumes als auch in Fragen der Einrichtung des häuslichen Lebens und der privaten Umgebung. Einige der oben angeführten Kunstindustriellen waren als Handwerksgesellen in Zentren des alten Luxushandwerks und der neuen Kunstindustrie gewesen, in Genf, Wien und vor allem in Paris. Andere hatten als junge Kaufleute Aufenthalte in europäischen Handelsstädten absolviert. Schon zu Ende des 18. Jahrhunderts waren Kaufleute aus Württemberg an den wichtigsten Welthandelsplätzen zu finden und damit auch in der westeuropäischen Kapitale Paris.24 Aus solchen zumeist längeren Aufenthalten konnten sich andauernde freundschaftliche oder geschäftliche Kontakte entwickeln. Auch betrieben einige ihr Geschäft für längere Zeit oder für immer in Paris, Lyon oder Bordeaux und wurden ihrerseits zu Anlaufadressen und Informationsquellen für Kollegen.25 Ein Kaufmann Mohl aus Stuttgart, vermutlich ein Onkel der Mohl-Brüder, 26 arbeitete um 1790 im Zentrum der englischen Blechwarenfabrikation in Birmingham. 301

Für Kunstindustrielle war es zwingend notwendig, sich vor Ort über neue Moden oder Techniken zu informieren. So gewann der Blechwarenfabrikant Karl Ulrich Christian Deffner aus Esslingen wichtige Ideen fur die Ausweitung seines Sortiments durch Reisen nach London und Paris.27 Die gleiche Art Bildung fürs Geschäft ließ er später auch seine Söhne erwerben. Das Sortiment der Firma beruhte auf gründlichen Studien der ausländischen Konkurrenz. Geschickt übernahm Deffner modische Artikel und Zierverfahren aus England (Kaleidoskope) und Frankreich (moiree metallicjue, eine durch Oberflächenbehandlung mit Säure erzielte perlmuttschillernde Musterung durch kristalline Ausfällungen),28 die sich gut absetzen ließen.29 Nach einer Parisreise 1821 konnte er seine Fabrikationsmethoden wesentiich verbessern und zahlreiche neue Artikel wie z.B. Lampen in sein Sortiment aufnehmen. In Frankreich war die Herstellung von Weißblech schon durch Colbert gefördert worden. Auf der ersten Industrieausstellung in Paris 1798 waren lackierte, zum Teil mit Zeichnungen verzierte Haushaltswaren aus Blech ausgestellt, Schreibzeuge, Blumentöpfe, Präsentierteller und anderes, was in bürgerlichen Interieurs von mäßigem Wohlstand einen sichtbaren Platz finden mochte.30 1802 wurde in der von der Regierung kontrollierten »Gazette Nationale« anläßlich eines Besuchs des Innenministers bei einer Reihe Pariser Fabriken ausfuhrlich über ein Blechwaren herstellendes Unternehmen berichtet,31 wohl in der Absicht, der Öffentlichkeit und dem Ausland anhand besonders erfolgreicher Firmen ein Jahr nach der zweiten Industrieausstellung 1801 einen positiven Eindruck über den Aufschwung der Wirtschaft und der Konkurrenzfähigkeit französischer Industrien gegenüber dem feindlichen englischen Rivalen unter der napoleonischen Regierung zu geben. Die Fabrik von Deharme & Dubaux war während der Revolutionszeit gegründet worden. Sie beschäftigte 140 artistes und Arbeiter fünfundzwanzig verschiedener Gewerbe und war mit modernen Maschinen zum Walzen, Pressen und Stanzen ausgerüstet. Der Schwerpunkt der Fabrikation lag auf gängigen Objekten alltäglichen Gebrauchs. Außerdem wurden in der Fabrik Vasen, Uhrengehäuse sowie Säulen aus Blech hergestellt, deren Lackierung je nachdem Marmor, Granit, Holz usw. imitierte. Abgesehen von Grenzgängern zwischen der Welt des Geistes und des Geschäfts wie Cotta und Boisseree blieb die Pariser Salonwelt Industriellen und Kaufleuten vermutlich verschlossen, denn es bedurfte dazu einer Empfehlung aus dem engen Kreis der Stuttgarter Bildungselite mit Pariskontakten. Vermittelt durch den Stuttgarter Zirkel der Kunstfreunde und Hofkünstler konnte möglicherweise der Architekt Hittorff fur württembergische Industrielle am ehesten ein Entree in diese Welt bieten.32 Als streitbarer Verfechter der Theorie von der Polychromie antiker Architektur

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und Plastik gab er nicht nur seinen Bauwerken farbige Akzente und bemalte Fensterscheiben, sondern organisierte die Herstellung farbig gemusterter Fliesen, Namensschilder, Raumverkleidungen, Öfen, Tischplatten und ähnlicher Dinge füir die industrielle Herstellung. Dabei griff er auf Formen zurück, die er während seines Studienaufenthaltes in Italien von Überresten der Antike abgezeichnet hatte, präsentierte seine Produkte auf Ausstellungen, bewarb sich um Auszeichnungen und offerierte die Ware ausländischen Händlern - damit konnte er den württembergischen Industriellen als Kollege und Vorbild gelten.33 Die Öffentlichkeit der Kunstindustriellen, Kaufleute, Gewerbetreibenden, fabrizierenden Künstler und Handwerker, mehr eine anonyme des Schauens als der Disputation, konstituierte sich in der Kunst- und Warenöffentlichkeit der Metropole, in den technischen Sammlungen des »Conservatoire nationale des arts et metiers« und bei den öffentlichen Sitzungen der »Societe d'encouragement pour l'industrie nationale«.34 Reisenden aus diesen Berufsgruppen mochte sich die französische Landeshauptstadt und der französische Weg in die Industriegesellschaft: so darstellen, wie er etwa in einem mehrbändigen »Tagebuch einer der Kulturbund Industrie gewidmeten Reise« beschrieben wurde, das bei Cotta 1810 erschien, oder die dort 1802 ebenfalls publizierten Briefe eines Hamburger Kirchenmannes und Gewerbeförderers - als metropolitane Öffendichkeit einer neuen Qualität, als Ästhetisierung des öffentlichen Raumes und als Emporkommen einer neuen Art Qualitätsindustrie. Die Aufmerksamkeit der Fabrikanten und Gewerbetreibenden mußte in Paris einerseits auf technische Neuerungen und auf die produzierende Konkurrenz und deren Produktionsmethoden und -bedingungen gerichtet sein, andererseits mußten sie in Erfahrung zu bringen suchen, welche Art von Waren und Warengestaltung ein Massenpublikum ansprach und sich dabei an dem orientieren, was das Bürgertum schätzte, nicht an den Vorstellungen einer Kunst-Elite. Dabei ging es zum einen darum, vor Ort neuen Trends auf die Spur zu kommen, zum anderen aber vor allem auch darum, die Hervorbringungsweisen neuer Moden und Kulturmuster des Konsums, also die Mechanismen der Verständigung zwischen der Sphäre des Konsums und der Produktion über die Kriterien des Geschmacks zu studieren. Denn wie einst das höfische Kunsthandwerk blieb die Konsumgüterindustrie des Kontinents von den Gestaltungsvorgaben der französischen Metropole abhängig und damit gegenüber französischen Fabrikaten in dieser Beziehung benachteiligt, solange es nicht gelang, die Hervorbringungsweise von »modernem Geschmack« und Mode zu imitieren und konkurrierende Leitbilder zu schaffen und durchzusetzen. Aus einer Vielzahl verstreuter Informationen, welche allerdings in signifikanten Zusammenhängen auftauchten, nämlich als wichtige Stationen in 303

Unternehmerbiographien und als Qualifikationsmerkmal bei Förderungsanträgen von Technikern und Fabrikanten, läßt sich schließen, daß Kenntnis der modernen französischen Qualitätsindustrie und damit die Bedeutung der Metropole Paris als Kunst- und Wirtschaftsraum seit der Empirezeit nicht nur wenigen Kunstindustriellen vorbehalten war, sondern fur eine zwar kleine, aber aktiv am wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß beteiligte Schicht kollektiven, über Berufs- und Schichtgrenzen hinweg verbindenden, wahrnehmungs- und vorstellungsprägenden Charakter hatte. Diese Erfahrung konnte einer Verständigung über kulturelle Grundlagen des ökonomischen Fortschritts, des modernen Konsumierens und Produzierens und der Stadtentwicklung als Grundlage dienen. Sie wurde fur sie handlungsleitend und machte sie fähig das, was einer wachsenden Schicht Produzenten und Konsumenten als »moderner Geschmack« begegnete, als Kulturmuster zu begreifen. Einige württembergische Unternehmer waren aus Frankreich eingewandert oder besaßen enge familiäre Beziehungen dorthin, wie die d'Amblys in Stuttgart, Korsettwaren- und Hornknopffabrikanten, der Strickmaschinenhersteller Fouquet aus Troyes oder die Familie Plouquet, Lyoner Hugenotten, welche in Heidenheim Baumwolle weben, färben und appretieren ließen.35 Die Regierung subventionierte in den 1830er Jahren die Ausbildung eines zukünftigen Gewerbelehrers an der »Ecole centrale des arts et manufactures in Paris«.36 Die württembergische Gewerbeförderungsgesellschaft unterstützte mehrfach Gewerbetreibende, welche längere Zeit in Frankreich gearbeitet und sich in ihrem Fache fortgebildet hatten, bei der Etablierung einer Fabrikation, wie den StrumpfweberObermeister J.W. Hoß aus Reutlingen, der durch Verbreitung neuer Maschinen die Strumpfweberei im Lande verbessern wollte und der als Geselle längere Zeit in Frankreich gearbeitet und solche Techniken kennengelernt hatte,37 den Gaildorfer Beinschnitzer Eugen Kieser, der sein Gewerbe zunächst in Geislingen gelernt und sich dann bei Deffner in Esslingen, in Italien und in Paris umgetan hatte,38 oder den Dreher Karl Stoll aus Ulm, der sich in Frankreich neue Werkzeuge beschaffen wollte.39 In den Ausstellungsberichten waren bisweilen Arbeitsaufenthalte württembergischer Gewerbetreibender in Frankreich erwähnt. 40 So hatte ein Tuchfabrikant aus Weil der Stadt seine technischen Kenntnisse in Frankreich und in den Niederlanden vervollkommnet,41 ein Lichterfabrikant aus Calw unter anderem in Nancy gearbeitet 42 Der Esslinger Wollzeug- und Sektfabrikant Georg Christian Keßler (1787-1842) hatte das Metier des Moussierens in Rheims bei Madame Cliquot gelernt, in deren Firma er 1807 bis 1824 arbeitete, bevor er wegen einer Champagner-Krise in Esslingen zuerst eine Kammgarnspinnerei gründete und dieser eine Tuchmanufaktur angliederte, in welcher Stoffe, insbesondere Merinos, nach 304

französischem Vorbild produziert wurden, und danach dann die erste deutsche Sektkellerei.43 Als 1830 die Maschinenfabrik in Berg bei Cannstatt gegründet wurde, ließ er seine Kontakte zu Ternaux spielen, um technologische und personelle Unterstützung zu gewinnen.44 Der von Keßler empfohlene Mitbegründer dieser Maschinenfabrik, Jakob Faißt aus der Freudenstädter Gegend, hatte zuvor fünfundzwanzig Jahre lang bei Ternaux in St. Ouen bei Paris gearbeitet, zuletzt in einer leitenden technischen Position.45 Einige der ersten Techniker in den frühen Industrien waren aus dem Elsaß angeheuert worden. 46 Anzunehmen ist ferner, daß unter den Zehntausenden deutscher Handwerker und Arbeiter in Paris auch etliche Württemberger gewesen sein müssen.47 Bei aller Verschiedenheit des Herkommens, der Profession, der Bildung und des Vermögens bildete sich in Württemberg im Laufe der ersten Jahrhunderthälfte ein schwer zu greifendes, agiles gesellschaftliches Stratum heraus, welches über eine kulturelle Gemeinsamkeit, die FrankreichErfahrung, verfugte, also über die anschaulichen Erfahrung des Zusammenhangs zwischen Qualitätsindustrie, Konsumgesellschaft, Vereinnahmung der bildenden Künste, musealer Präsentation und Ästhetisierung des Raumes durch jeweils individuelle und damit individualisierende Grenzüberschreitungen. Damit aber entfremdeten sie sich jenen Kompatrioten, welche den Horizont der Heimat 48 nicht überschritten hatten und der Mobilisierung der Raumerfahrung und der Wirtschaftskräfte, der Ästhetisierung der bürgerlichen Wirklichkeitswahrnehmung, den Erscheinungsformen des »modernen Geschmacks« und damit einem wesentlichen Kulturmuster der Moderne hilflos oder feindselig gegenüberstanden. Daraus entstanden Spannungsverhältnisse, die sich wirtschafts- und kulturpolitisch niederschlagen sollten: - wirtschaftspolitisch in Schutzzollbestrebungen und Bemühungen um eine Institutionalisierung von Geschmacksbildung als Gewerbeförderung; - kulturpolitisch in der ambivalenten Haltung, welche den Aufbau von Kunstöffentlichkeit in Stuttgart in fortschreitender ästhetischer Provinzialisierung versacken ließ.

5.2. O r n a m e n t und Polytechnik - die Stuttgarter Kunstu n d Gewerbeschule Wegen seiner enormen ökonomischen Bedeutung mußte die Frage, was den »modernen Geschmack« eigentlich ausmache und wie er sich bestimmen und hervorbringen lasse, in Württemberg nicht nur für Künstler und Unternehmer zu einem zentralen Problem werden, sondern auch für die Regierung stellte der »moderne Geschmack« ein Problem dar, welches seit den 1820er Jahren Kultur- und Wirtschaftspolitik im Königreich Würt305

temberg eng verbinden sollte. Frankreich lieferte nicht allein Vorbilder für eine moderne bürgerliche Konsumkultur und eine moderne Qualitätsindustrie und setzte in Angebot und Nachfrage damit Geschmacksmaßstäbe; dort waren diejenigen Institutionen errichtet worden, auf welchen der Erfolg des französischen Modells gegenüber der übermächtigen Industriemacht England der politisch-administrativen Programmatik gemäß aufbauen sollte und, nach der anschaulichen Erfahrung interessierter Reisender, auch tatsächlich beruhen mußte. So lag es nicht nur in Württemberg nahe, die eigene Volkswirtschaft sowohl gegenüber der englischen wie der französischen Konkurrenz zu wappnen, indem jene Institutionen kopiert wurden, welche den französischen Weg in die Industrialisierung von Staats wegen zu garantieren schienen. Das waren zum einen Kunst- und Industrieausstellungen, zum anderen, wie oben gezeigt, Bildungsinstitutionen, nämlich Museen und Sammlungen unterschiedlicher Art und Schulen zur gewerblich-technischen Bildung und für die Vermittlung zeichnerischer Fähigkeiten. Der württembergische Staatsrechtler Robert von Mohl zählte in seiner 1 8 3 2 erschienenen »Polizei-Wissenschaft« die Organisation von öffentlichen Bibliotheken, Naturalienkabinetten, Sammlungen physikalischer, mathematischer und astronomischer Instrumente, von Maschinen und Modellen und schließlich Sammlungen von Waren ebenso zu den öffentlichen Aufgaben eines modernen Rechtsstaats wie die »Bildung des Geschmacks« durch einen allgemeinen, ausdrücklich »für die Bildung aller Einwohnerklassen« bestimmten Unterricht. Dieser Auftrag sollte von Gewerbeschulen, durch die Förderung von Künstlern und durch öffentliche Aufstellung von Kunstwerken geleistet werden, wobei er solche Maßnahmen einerseits idealistisch dadurch begründete, daß durch sie die »Ebenmäßigkeit in der Gesittigung« der Staatsbürger befördert würde, andererseits aber explizit auf das französische Vorbild verwies.49 Zu solchen Einrichtungen kamen außerdem Anfänge einzelner, vereinsmäßig organisierter Einrichtungen zur Verbreitung technisch-gewerblichen Wissens, zur Beratung von Gewerbetreibenden und Behörden und zur Vermittlung zwischen politischen Instanzen und unternehmerischen Interessen, welche unter dem Begriff Gewerbeförderung zusammengefaßt wurden. In Württemberg waren zum Regierungsantritt König Wilhelms I. etliche Funktionen aus der Hofhaltung ausgegliedert und der staadichen Verwaltung unterstellt worden. Das waren insbesondere Institutionen und Funktionen öffentlich-staatlichen Charakters. Diese Umwidmung der Kompetenzen betraf auch das Münz- und Medaillen-, das Kunst-, das Mineralienund das Naturalien- und Tierkabinett, welche unter Vorbehalt von Rechten an die Öffentliche Bibliothek angeschlossen wurden, 50 die ihrerseits bereits seit 1807 dem Finanzministerium unterstellt war.51 Seitdem mußten

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diese Institutionen aus dem Staatshaushalt getragen werden, den zu beschließen Sache der gewählten Volksvertretung geworden war. Damit wurden die Bildenden Künste und das Museumswesen zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung, und das schloß auch die Frage nach der Förderung künstlerischen Nachwuchses ein, welche ein halbes Jahrhundert vorher mit der Gründung der Karlsakademie zur Sache des Hofes gemacht worden war. Im württembergischen Landtag wurde der erste Staatsetat für die Förderung der Bildenden Künste im Jahre 1 8 2 0 gegen einen Antrag auf Umwidmung zugunsten des Volksschulwesens von Mitgliedern der Kammer damit verteidigt, daß dieser vergleichsweise geringe Aufwand (knapp 3 0 . 0 0 0 fl., etwa 15% des Theateretats oder 1,5% des Etats des Innenministeriums)52 nicht allein dazu diene, »Künstler, sondern das Volk fur die Kunst zu bilden, und daß auch der Vortheil nicht zu übersehen sey, daß durch dieses Institut nicht unbedeutende Summen in das Land gezogen werden«. 5 3

Der zweite Teil des Einwurfs baute auf die Einsicht in den Nutzen von Kunst als Ressource für eine Warengestaltung, welche Produkte exportierbar machte oder ausländische Luxusgüter ersetzte und damit große Rückwirkung auf die Handelsbilanz haben konnte, beides seit dem Zeitalter des Merkantilismus wirtschaftspolitische Elementarerkenntnis und Begründung von Kunstförderung in ökonomischer Absicht. Aber auch der erste Teil konnte nicht nur im neuen idealistischen Sinn verstanden werden, Kunstbildung um ihrer selbst willen oder als Ausdruck bürgerlicher Selbstfindung zu betreiben, sondern auch dahingehend, die Ästhetisierung der Wirklichkeit durch Kunstkonsum und zugleich die einheimischen Kunstindustrien durch den Konsum von Kunstindustrieprodukten zu fördern. Im folgenden soll nicht die Geschichte dieser Institutionen im einzelnen aufgerollt werden, sondern es soll darum gehen, zu zeigen, daß die vielfältigen Beziehungen zwischen Kunst und Industrie, Musealisierung und Geschmacksbildung, Bürgertum und Konsumkultur auf der institutionellen Ebene der Kunst- und Gewerbeschule, des Kunstmuseums und in der praktischen Gewerbeförderungspolitik auf eine Verzwekung von Kunst und Kunstmuseum hinausliefen, die sich am französischen Vorbild orientierte, ohne es mechanisch zu kopieren. Die Eröffnung der Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule 1829 traf auf ein gemeinsames Bedürfnis sowohl der Stuttgarter Kunstproduzenten, die sich, wie gezeigt, aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzten, als auch der Kunstliebhaber, Dilettanten und Kunstkonsumenten. Mit der wachsenden Bedeutung von Kunst für die gewerbliche Produktion

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und zugleich für das bürgerliche Selbstverständnis war dieses Bedürfnis ein allmählich um so dringenderes geworden, als abgesehen von privaten Zeichenstunden und von Zeichenkursen in der 1818 gegründeten lithographischen Anstalt in Württemberg 54 keine Möglichkeit einer professionellen zeichnerischen Ausbildung bestand. Die von Dannecker und Thouret veranstalteten Kurse55 und der von Lorenz Ekeman-Alesson seit 1821 an der lithographischen Anstalt organisierte Zeichenunterricht 56 reichten nicht hin, die Nachfrage nach einer künstlerischen Grundbildung zu befriedigen. Dies umso mehr, als nicht allein handwerkliche Produktion in immer stärkerem Maße zeichnerische Fähigkeiten und Stilkenntnis voraussetzte, sondern die Kunstproduktion im weiteren Sinne zu einem expandierenden Berufsfeld sowohl für Handwerker, als auch für Bildungsbürgerkinder wurde. Über das Künstler-Ideal konnte für Nachwuchs aus bildungsbürgerlichen Kreisen über den Umweg der lithographischen Presse oder des Musterateliers eine Karriere in der industriellen Produktion immerhin vorstellbar werden, welche sich mit ihrem Bildungsanspruch vereinen ließ. Bereits unter König Friedrich war ein Plan zur Errichtung einer Kunstschule entworfen worden, der aber nicht zur Ausführung gelangte,57 kurz nach dem Regierungsantritt König Wilhelms wurde erneut die Gründung einer solchen Lehranstalt geplant,58 welche dreierlei zur Aufgabe haben sollte, nämlich Künstler zu bilden, Interesse und Geschmack des Publikums zu wecken, sowie »Manufakturisten und Handwerker, bei deren Arbeiten es auf Geschmack und Schönheitssinn ankomme, durch Unterricht, Rath und Beistand« zu unterstützen. 59 Diese Kunstschule sollte Lehranstalt, Akademie nach dem Vorbild einer Gelehrtengesellschaft und Kunstbehörde zugleich sein und als letztere sämdiche Zeichen- und Kunstanstalten des Landes kontrollieren und öffentliche Denkmalprojekte begutachten. Außerdem sollte ihr ein unmittelbarer Einfluß auf geschmacksabhängige inländische Fabrikationszweige wie etwa die Eisengießerei oder die Porzellanmanufaktur eingeräumt werden. 60 Mochte die Kunstvermittlung sich zwar im Prinzip ohne Unterschied an Fabrikanten, Handwerker, Konsumenten und Dilettanten richten, so sollte allerdings im Kunstunterricht von den ersten Klassen an strikt nach Handwerkern und Dilettanten unterschieden werden - war den einen doch bestimmt, Waren zu produzieren, während die anderen ihr reines Kunsttalent entwickeln sollten. Deren Unterricht sollte zudem, wohl nach dem Vorbild der Karlsakademie, durch Vorlesungen in Mathematik, Archäologie, Baukunst, Anatomie, Ästhetik und schließlich Geschichte, Theorie und Kritik der Bildenden Kunst ergänzt und durch Meisterkurse, Vorbildersammlungen, Ausstellungen, Preise und Reisestipendien abgerundet werden. Dieser aufwendige Plan indes mußte finanziert und das hieß, er mußte 308

von einem Landtag gebilligt werden, in welchem Kunstfreunde in der Minderheit waren. Das im ersten Landtag für die Errichtung der Kunstanstalt bewilligte Geld wurde für Künstlerpensionen, Stipendien für den künstlerischen Nachwuchs, für den Unterhalt der Öffentlichen Bibliothek, des Münz-, Kunst- und Naturalienkabinetts und der Boissereeschen Sammlung ausgegeben. 61 1 8 1 9 stellte der auch in Budgetfragen wohlinformierte Kaufmann und Hofbankdirektor Gottlob Heinrich Rapp62 im Württembergischen Jahrbuch eine baldige Wiedereröffnung oder vielmehr die »Einführung einer ganz neuen und vielumfassenden Lehr- Anstalt« für die Pflege der Bildenden Künste in Aussicht. Zwar sei wegen der krisenhaften Finanzlage die Kunstschule noch nicht eröffnet, doch sei beschlossen, »daß die Kunst-Anstalten zur Staats- und National-Sache gemacht, und auf diesem Weg aus einem precairen Zustand in einen gesetzlich-begründeten übergehen sollen«. 63 Die Kunstschule sollte nicht mehr wie vorher die Karlsschule auf eine Laune des Fürsten hin gegründet, auf einen acces de colere des nächsten hin aufgelöst werden können. Ihre Aufgabe sei die«Volks-Erziehung«, die Pflege der vorhandenen »Kunst-Keime« und die Förderung bisher unerkannter Talente, wodurch die National-Ehre nicht weniger gewinne als durch die bisher geförderte wissenschaftliche Bildung. Die neue Kunstöffentlichkeit wurde also als Herausforderung empfunden, das Selbstwertgefühl des Bürgers forderte die ideelle Teilhabe an den Kunstwerken des eigenen Landes. Kunstbildung wurde als Weg zur Glückseligkeit gepriesen: »Kunstbildung ist ein wesentlicher Theil der Menschen-Bildung und trägt also ebenso wesentlich zur Erhöhung der menschlichen Glückseligkeit bey. Es giebt wenige, oder vielleicht gar keinen Menschen, dem der Sinn für Formen und Verhältnisse ganz mangelt; aber eben dieser mit den geistigen Anlagen des Menschen innig verbundene Sinn kann keinen, oder höchstens nur rohen Genuß gewähren, wenn er der Gelegenheit zur Entwicklung entbehrt. Unrichtig oder fehlerhaft entwickelt, verschafft er auch nur unsichern oder schwankenden Genuß und das Edelste geht ungenützt verloren. Es kommt deswegen Alles darauf an, daß Jeder nach dem Maaß seiner Fähigkeit sich üben lerne, und fur diese Uebung Anlaß und Aufmunterung finde.«

Nach Rapps Vorstellungen sollte die Kunstschule sowohl zur Ausbildung von Künsdern dienen als auch den Formensinn des Publikums bilden: »Die erste und größte Aufgabe für alle Kunstanstalten ist also die, dass sie auf das Allgemeine durch Berichtigung der Begriffe vom Schönen und Wahren einwirke. Dazu gehören nun Einrichtungen, nicht im kleinlichen Maaßstab, sondern des großen Zwecks würdig; und vor allen Dingen, Kunst-Sammlungen der öffendichen Benutzung gewidmet, eingeweihte Aufseher und verständige Lehrer.«

309

Der Formensinn des Publikums war nämlich Voraussetzung und Garantie dafür, daß die Kunst sich entwickeln konnte, daß die wahren Künstler den rechten Zuspruch fanden: »Gedeiht es aber einmal so weit, daß geläuterte Ansichten von der Kunst sich unter einem Volk verbreiten, so wird es auch schwerer, ohne Weihe als Künstler aufzutreten, oder geistloses Gebild - diese Pest des Geschmacks - an [den] Mann zu bringen.«

Wichtigste Aufgabe der Kunst-Lehr-Anstalt war es also, in das Spiel von Angebot und Nachfrage, dem die Künsder wie das Publikum unterworfen waren, wenn kein Herrscher mehr über die Künstler verfügte, die richtigen Begriffe von Kunst als regulierende Prinzipien einzufügen. Der gebildete Geschmack stellte eben die Gesamtheit dieser richtigen Auffassungen dar. Wenn die Nachfrage nach Kunst mittels Bildung den richtigen Prinzipien folgte, dann war Vorsorge getroffen, daß die von der Natur Begabten ihr wahres Talent entfalten konnten. Wenn der Mechanismus des Marktes und Geschmacksbildung ineinandergriffen, konnte die Kunst sich gemäß den ihr eigenen Maßstäben entwickeln. Sie benutzte den Markt zu ihren Zwecken, indem sie ihn belieferte. Um die richtige Auffassung des Schönen allgemein werden zu lassen, brauchte nicht jeder in die Kunstschule zu gehen. Rapp vertraute darauf, daß die Kunstbeflissenen, richtig angeleitet, Kunstinteresse und Kunstkenntnis allmählich in immer weitere Kreise der Gesellschaft trügen: »von dem unmittelbaren Unterricht [ist] nicht die Rede, wenn das Ganze genennt wird. Zur Uebung in persönlicher Kunstfertigkeit wird man ... Jeden zulassen, der Lust und Trieb dazu fühlt. So muß sich in den Einzelnen ein Etwas entfalten, das ihnen bisher unbekannt war, und was sie dann wissen, das bringen sie wieder in den Zirkel ihrer Freunde und Bekannten, und reizen diese zum Mitgenuß. Auf diese Weise angerührt geht man nun hin, und sieht; kommt wieder und sieht noch mehr. Man überzeugt sich nach und nach, daß es auch eine eigene Kunst zu sehen gebe und übt sich in derselben. Diese Uebung aber ist belehrend und anziehend und kann Vielen zu Theil werden, die sich auf das Selbst-Hervorbringen nicht einlassen; sie fuhrt am Ende die Menge dahin, daß sie richtiger über Kunst und Kunstwerke urtheilt. Dieß ist der Weg, wie sich die Nützlichkeit der Kunstanstalten in das Allgemeine verbreiten und wie sie unwidersprechlich auf alle Genüsse des Lebens, die uns durch Anmuth und Geschmack gewürzt werden können, wohltätig einwirken müssen.«

Allgemeine Kunstbildung nütze nicht bloß der Entwicklung der Kunst, sondern der Entwicklung der Genußfähigkeit allgemein. Damit befördere sie nicht nur eine abstrakte Glückseligkeit. Das Gefallen an schönen Formen erstreckte sich vielmehr auf alles Formbare, über die Kunst, auch über die Angewandte Kunst hinaus. Anmut und Geschmack bestimmten damit 310

auch, mit welchen Dingen sich das Publikum umgeben würde. Implizit formulierte Rapp damit eine Entwicklungsperspektive auch für die heimischen Gewerbe. 1 8 2 1 , die Kunstschule gab es immer noch nicht, appellierte Rapp im Jahrbuch direkt an die Stellvertreter des Volkes, an die Mitglieder der Ständeversammlung also, die Kunst-Schule nicht wegen falscher Sparsamkeit abzulehnen, sondern ihr einen Platz im Rahmen der notwendigen, allgemeinen Volkserziehung einzuräumen: »Die Kunst ist die Mutter

des Geschmacks,

und was uns von den Lehrstühlen des

Pädagogen an, bis zu den Lehrstühlen des Philosophen von Geschmack vorgesetzt wird, ist eine kernlose Schale, wenn der Lehrer nicht in die höhere Schule des Geschmacks durch Erkenntniß des Kunst-Sinnes eingeweiht ist. Auch die vielfachst entwickelten Talente gleichen ohne Geschmack nur rohen Edelsteinen, die großen Werth haben können, aber erst durch gehörige Bearbeitung ihren Preiß zehen- bis hundertfach erhöhen.« 6 4

Zur Verstärkung seines Appells wies Rapp noch darauf hin, daß inzwischen fast eine ganze Generation einheimischer Künstler fehle, da die Anlagen zum Schönheits-Sinn sich im Volke nicht entwickeln konnten. Privatunterricht reiche bei weitem nicht aus, diesen Sinn zu entwickeln, gar Künstler auszubilden. Daß aber Schönheitssinn im Volke vorhanden sei, könne man an den Besuchermassen sehen, welche, Vertreter aller Stände, in die Boissereesche Bildersammlung und in Danneckers Atelier strömten. Die Programmschrift hatte Rapp als Bildungsbürger und Exponent des Stuttgarter Kunstlebens verfaßt. Wirtschaftliche Belange waren darin einer ästhetisch-gesellschaftlichen Bildungsutopie nachgeordnet, deren Verwandtschaft mit Auffassungen seiner Freunde, mit Schillers Ideen zur ästhetischen Erziehung ebenso wie mit Goethes Auffassungen zur Verbreitung eines Formensinns im Publikum als Voraussetzung eigenschöpferischer Werke freischaffender Künstler sich unschwer ablesen läßt. Im Gegensatz zu ihnen aber betonte Rapp, darin den Auffassungen der Romantiker nahe, daß es nicht nur notwendig, sondern auch möglich sei, Kunstsinn als verbindendes Element eines national gedachten Volksganzen zu entwickeln, da ästhetisches Empfinden wie das Streben nach Glück eine anthropologisch gegründete Anlage, Kunstwerke aber zugleich Ausdruck eines Nationalcharakters seien, wobei seinen Zeitgenossen der in Blüte stehende schwäbische Klassizismus ebenso vor Augen stand wie die altdeutsche Kunst der Boisserees, deren oberschwäbische Ableger gerade entdeckt wurden. Träger dieses Entwicklungsprojekts war die ästhetisch gebildete Avantgarde des Bürgertums, Zielgruppe in erster Linie das moderne Bürgertum als Exponent des Volkes. Dieses Bürgertum nun war, wie sich gezeigt hatte, Träger des Ästhetisierungsprozesses, der die bürgerliche 311

Wahrnehmung der Wirklichkeit strukturierte und immer mehr auch in die Wirklichkeit selbst zurückwirkte. Rapp ging es in erster Linie darum, diesem Prozeß durch die Institutionalisierung ästhetischer Bildung Kontur und Konsistenz zu geben. Eine Rückwirkung auf die Warenwelt würde sich zwanglos daraus ergeben. Die Verwirklichung dieser Ideen allerdings geriet mehr als bescheiden, nachdem die Regierung 1827 endlich im Landtag eine Mehrheit für die Überzeugung fand, daß dem Land eine größere Verbreitung von Kunstverständnis, Kunstgeschmack und Kunstsinn ökonomisch förderlich sei,65 indem nämlich der bereits 1818 gegründeten Stuttgarter Realschule Gewerbe- und Kunstklassen angegliedert wurden, welche in erster Linie jugendlichen angehenden Fabrikanten und Kaufleuten, selbständigen Handwerkern, Apothekern und Ingenieuren, Baumeistern und Forstleuten sowie Reallehrern eine in erster Linie technische Grundlagenbildung vermitteln sollte.66 Tatsächlich wollte sich der größte Teil der siebenundfünfzig Schüler des ersten Lehrjahres dem Baufach widmen, entweder als Baumeister, als Gipser oder Steinhauer, die nächstgrößere Gruppe bildeten Kaufmannslehrlinge, dann Militäranwärter. Vier wollten sich der Malerei oder Bildhauerei widmen, nur drei wollten Mechaniker werden, der Rest verteilte sich auf Unentschlossene und auf die oben genannten Berufsgruppen. 67 In gewisser Weise spiegelte sich in den beruflichen Aspirationen der Schüler der Impuls der Modernisierung, der, wie gezeigt, zunächst zu einer Belebung des Handels, des Bauwesens und der Ästhetisierung des öffentlichen Raumes führte, während die dahinterstehende dynamische Kraft der modernen Fabrikation erst zaghafte Wurzeln faßte. Das eigentliche Ziel der Anstalt, nämlich Heranwachsende aus dem Bildungsbürgertum auf Berufsmöglichkeiten in der Industrie hin zu lenken und sie auf Leitungsfunktionen in der Wirtschaft vorzubereiten, 68 mußte sich unter der Jugend der höheren Stände offensichtlich erst herumsprechen. Immerhin wurde die Schule selbst als Ausbildungsort populär. In den vierziger Jahren zählte sie dreihundert Schüler. Deren Berufswünsche allerdings hatten sich nicht wesentlich verändert.69 Als direkte Vorbilder für die Organisation der Schule wurde außer der Pariser »Ecole centrale des arts et manufactures« besonders die polytechnische Anstalt in Nürnberg, die Münchner Baugewerkeschule, polytechnische Institute in Karlsruhe, in Wien, Prag und in Aarau in der Schweiz und schließlich das Berliner Gewerbeinstitut genannt 70 - der von Paris ausgehende Bildungsimpuls erreichte Stuttgart also ziemlich spät. Was Programmatik, organisatorischen Aufbau und beteiligte Akteure betraf, so gab es direkte und indirekte Beziehungen zwischen der Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule, dem Kunstmuseum, den Institutionen zur Gewerbeförderung und ihren Pariser Vorbildern. Indes handelte es sich um 312

die verspätete Rezeption unter den Bedingungen eines Landes, dessen Volkswirtschaft der technisch-industriellen wie der geschmacklichen Entwicklung in weitem Abstand hinterherhinkte. Zudem waren die fiskalischen Ressourcen der Regierung äußerst begrenzt und die Wirtschaft des Landes - einschlägige Artikel standen in den württembergischen Jahrbüchern gleich neben den Kunstnachrichten - in einem kritischen Zustand. Schließlich und vor allem aber konnten die Institutionen nicht auf jene anschauliche Präsenz des Ästhetischen und des Industriell-Technischen und auf jene Art praktisch-alltäglicher Durchdringung kultureller und ökonomischer Aktivitäten aufbauen, wie sie jedenfalls in Paris das öffentliche Leben durchzogen und prägten, sondern es oblag ihnen, solche Aktivitäten, die zu einem erheblichen Teil, wie sich gezeigt hatte, ihre Dynamik den Nachwirkungen der Revolution verdankten, zuallererst zu stimulieren - auf pädagogischem Wege. Alle diese Vorgaben mußten zu einer äußersten utilitaristischen Verknappung der französischen Vorbilder fuhren. Mit Erwartungen überfrachtet, aber unzulänglich ausgestattet und zudem durch Interessenkonflikte belastet, wurden die Stuttgarter Institutionen, die zur wechselseitigen Beförderung von Kunst und Industrie entstanden, in der ersten Jahrhunderthälfte weniger zum Träger der wirtschaftlichen und kulturellen Dynamik im Lande als zu bloßen Symptomen der Konvergenz des Industrialisierungs- und Ästhetisierungsprozesses. Unterricht in Kunstgeschichte, antiker Mythologie und Elementarkurse für künstlerisches Zeichnen waren im polytechnisch ausgerichteten Curriculum, darin dem Pariser Vorbild der »Ecole polytechnique« vergleichbar, als Nebenfächer vorgesehen. Der Kunstunterricht war relativ eigenständig organisiert und wurde zugleich auch fur die Stuttgarter Gymnasiasten sowie für alle Interessierten abgehalten, welche einen Gulden pro Halbjahr Gebühren beisteuerten. Die Ausbildung der angehenden Künstler war ein nachgeordnetes Ziel der Schule und blieb, wie gehabt, im Wesentlichen dem privaten Engagement der lehrenden Künstler überlassen. Als Lehrkörper fanden zahlreiche ehemalige Hofkünstler eine Anstellung, Direktor der Kunstschule war Dannecker, Vorstand Thouret, im Rat der Schule saßen unter anderem der Architekt und Professor Heigelin - und der Hofrat Rapp. 71 Damit waren die Lehre und Leitung Leuten übertragen, welche über die Situation in Frankreich, also die Pariser Kunstszene ebenso wie die Pariser Kunstindustrie, aus erster Hand und eigener Erfahrung Bescheid geben konnten. Von Anfang an war die Funktion dieses Kunstunterrichts eine doppelte. 72 Zum einen sollte dadurch eine allgemeinbildende Abrundung des Unterrichts gewährleistet, der Horizont der Zöglinge über den engen Rand des technisch-fachlichen Unterrichts gehoben werden. Diese 1829 in der Nachricht von der Eröffnung der Schule geäußerte Absicht wurde in 313

Heigelins Programmschrift, welche 1831 den Ausbau der Schule vorbereitete, noch einmal betont, wenn »Geschichte und Theorie der Künste« als eigenes Lehrfach angeführt wurde: »Dieses Fach hat die Bildung des Geschmakes und so zu sagen der Humanität zum Zwecke. Dasselbe fehlt in vielen technischen Lehranstalten, wo blos eine ganz beschränkte Bildung für das Gewerbe bezweckt wird. Die wenigen Stunden aber, welche demselben gewidmet zu werden brauchen, tragen für die allgemeine Ausbild u n g der Zöglinge reichliche Früchte, und unterstüzen dadurch fühlbar die andern Disziplinen.« 7 3

Zugleich aber sollte durch diesen Unterricht die Voraussetzung für eine praktische Umsetzung des Geschmacks bezweckt, sollte dadurch die Entwicklung einer Kunstindustrie befördert werden. Diese Absicht steckte spätestens seit 1824 in den Gründungsplänen, wenn etwa in einem Hofratsvortrag, der den Anfangspunkt der Bemühungen um ein polytechnisches Institut markiert, gefordert wurde, Gewerbetreibende zu Künstlern zu machen, und sie kam in der Konzeption des Zeichenunterrichts zum Ausdruck, wenn Heigelin forderte, im geometrischen Zeichnen nicht nur das mathematische und das mechanisch-konstruktive Element und einen Sinn für Proportion zu üben, sondern auch ornamentale Muster aus mathematischen Formeln ableiten können. Zum gleichen Zweck, nämlich zur Gewinnung von Ornamentformen, sollte auch das Pflanzen- und das Tierzeichnen betrieben werden. Das Zeichnen menschlicher Figuren nach Umriß, Gips und Modell, also künstlerisches Elementarzeichnen im engeren Sinn, sollte die polytechnische Kunstausbildung komplettieren, während der höhere Kunstunterricht an der Schule gegen den Willen der Lehrenden ein kümmerliches Dasein fristete, bis im 1843 fertiggestellten Museumsgebäude endlich angemessene Räume zur Verfügung standen. 74 Ebenfalls von Anfang an war geplant, der Schule nach französischem Vorbild für den Anschauungsunterricht Sammlungen anzugliedern, die neben Naturalien, Maschinen und Instrumenten, technischen und architektonischen Modellen auch Möbel, Ornamentzeichnungen, Kupferstiche, Antikenkopien und bildnerische Formeln für mythologische Motive umfassen. Gedacht wurde ferner an ein chemisches Labor und, wohl nach Berliner Vorbild, an eigene Lehrwerkstätten. 75 Aber nicht nur künstlerisch Vorbildliches, auch Modisches sollte präsentiert werden: »Vorzüglich wird für eine möglichst vollständige Sammlung aller in- und ausländischer Fabrikate in wirklichen Mustern z.b. von Tüchern, Zeugen, Leinwand, Leder etc., oder, wo daß nicht angeht z.b. bei Eisen- und anderen Metallfabrikaten, Ornamenten &c. in Zeichnungen gesorgt, und durch ihr Vorzeigen das Fortschreiten der Kunst, der neuere Geschmack, die Art der Fabrikation und Zusammen-

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Setzung etc. nachgewiesen, erläutert und anschaulich gemacht, der Ort der Fabrikation, der Preis der Waare[!], die Vorzüge oder Mängel derselben angezeigt.« 76

Tatsächlich wurde neben einem Bestand von kunsthistorischen Publikationen, einigen Kupferwerken und lithographierten Vorlagensammlungen, wie zum Beispiel Zahns Prachtwerk über Ornamente in Pompeji,77 und von einigen antiken Relief-Fragmenten78 eine kleine Warensammlung angelegt. Außerdem standen in der Öffentlichen Bibliothek weitere Kupferwerke, sowie dort, in der Schule79 und in der Sammlung der Zentralstelle für die Landwirtschaft technische Modelle zur Verfugung. 80 Hilfsweise waren damit, in Ermangelung eines ausgebauten Museumswesens, didaktisch anderswo bewährte Formen musealer Präsentation und anschaulich vermittelten Wissens über Kunst und Industrie in den polytechnischen Unterricht integriert worden. Umgekehrt sollte gerade das Argument des didaktischen Nutzens von Sammlungen und musealisierter Kunst fur die gewerbliche Bildung endlich den Ausschlag geben, als es darum ging, den Bau eines Kunstmuseums in Angriff zu nehmen. Die durch die Kunst- und Gewerbeschule angestrebte Verknüpfung von Kunst und Industrie sollte nicht zuletzt in der Besetzung von Lehrerstellen im Kunstfach und in der Kunstgeschichte zum Ausdruck kommen. Die kunstgeschichdichen Vorlesungen wurden anfänglich von Heigelin vorgetragen, dessen moderner Ansatz bereits aus der noch in seiner Tübinger Zeit verfaßten Programmschrift und aus seinen Handbüchern zur Baukunst hervorging, die beide oben zitiert wurden, und nach dessen Tod durch den Oberbaurat Ferdinand von Fischer.81 Die praktische Kunstlehre wurde in der Hauptsache, wie erwähnt, von ehemaligen Hofkünsdern erteilt, welche aus vergangenen Zeiten einen Anspruch auf staatliche Pensionen hinübergerettet hatten, darunter Thouret. Schon 1830 wurde dem Lehrkörper im Fach des Ornamentzeichnens und Modellierens ein Künsder attachiert, der in der Hauptsache Modelle fiir die industrielle Produktion geschaffen hatte, der schon mehrfach erwähnte Konrad Weitbrecht (1796-1836), 82 ein Hutmachersohn, dessen schöpferisches Talent früh gefordert worden war. Als Zeichenschüler Danneckers hatte er in Italien reisen und Antikes studieren können, bevor er in der Bruckmannschen Silberwarenfabrik am Entwurf eines modernen klassizistischen Sortiments mitarbeitete. 1824 war er vom Hüttenwerk Wasseralfingen als Entwerfer angestellt worden, wo er ebenfalls das Sortiment und die Gestaltung der Zimmeröfen modernisiert hatte. In seinem Werdegang waren in idealer Weise die Kunstideale der schwäbischen Klassizisten und die Visionen der ersten württembergischen kunstindustriellen Unternehmer vereint. Sein zu Unterrichtszwecken verfaßtes Lehrwerk,83 in welches sein Interesse an Naturstudien ebenso eingegangen war wie sein Interesse 315

Abbildung 25: Zeichenvorlage von Conrad Weitbrecht, in: ders., Zeichnungsschule, Heft I, 10. Blatt.

Ornamenten-

an Ornamentformen und an den Formen pompeianischer Gebrauchsgegenstände, die er in Neapel studiert hatte, wurde vorteilhaft mit dem Schinkelschen Vorlagenwerk verglichen, das als maßgebliches Zeugnis der Angewandten Kunst in der Restaurationszeit galt.84 Sein Nachfolger war der ebenfalls schon genannte Johann Mattheus Mauch aus Ulm, 85 der nach seinem Architekturstudium in München zunächst Mitarbeiter des von Dannecker und den Stuttgarter Malerklassizisten ausgebildeten Stuttgarter Künstlers, Kunstschriftstellers, Architekten und Restaurators Carl Alexander von Heideloff ( 1 7 8 9 - 1 8 6 5 ) wurde und dann vom Berliner Architekten Friedrich Schinkel als Zeichner bei der Königlichen Eisengießerei in Berlin untergebracht und von ihm 1821 als Lehrer für Architektur und Zeichnen an das frisch gegründete Gewerbeinstitut geholt worden war.86 Nächst Schinkel stammte der größte Teil des berühmten Berliner Vorlagenwerks von Mauch, außerdem ein reich mit Lithographien illustriertes Lehrbuch über griechische Bauordnungen, welches während des ganzen 19. Jahrhunderts in Gebrauch bleiben sollte,87 sowie eine Serie Vorlagenblätter für Zeichenschulen, die, ausgehend von 316

konstruktiven Grundelementen, nach Naturformen und nach antiken Bauteilen, Ornamenten und Gebrauchsgeräten lithographiert worden waren, welche sich in Berliner Sammlungen befanden. 88 Das Werk richtete sich an fortgeschrittene Zeichner, es war weit komplexer als das Weitbrechtsche und die Illustrationen unterstrichen durch ihre künstlerische Ausdruckskraft den Anspruch Mauchs, nicht bloß Handfertigkeit, sondern die ästhetische Urteilkraft, das »innere Auge« der Lernenden zu schulen und die je besonderen Schönheiten und Eigentümlichkeiten eines Kunstwerks zu Bewußtsein zu bringen. 89 Mauchs Anstellung war vom Vorstand der Schule ausdrücklich deshalb betrieben worden, weil dem Fach Ornamentik angesichts der von Jahr zu Jahr steigenden gestalterischen Ansprüche an alle Gewerbe eine Schlüsselrolle fur die Förderung von Gewerbe und Kunstindustrie zugemessen wurde, da »überall mehr Eleganz gefordert wird, und das Ausland uns in dieser Hinsicht trotz größerer Solidität unserer Fabrikate den Rang abläuft. In den der Mode unterworfenen Artikeln ist selbst bei schon erreichter höherer Stufe Stillstand sogar Rückschritt, und derartige Fabrikanten müssen in ihrer Ausbildung auf eine Stufe gebracht werden, auf der sie - manchmal selbst einem besseren Geschmack zum Trotz, dem Modewechsel huldigend, der allein ihren Produkten Absatz verschafft, nicht blos blindlings kopieren, sondern auch selbst erfinden können«. 9 0

Trotz solcher Absichtserklärungen wurden allmählich Baugeschichte, Bautechnik und Bauornamentik zu den hauptsächlich gelehrten Fächern der Schule. 91 Das mochte zum einen an der Zusammensetzung der Schülerschaft liegen, in welcher sich die Expansion der Baugewerbe und verwandter Berufe spiegelte, zum anderen daran, daß der Nachfolger Heigelins im Vorstand der Gewerbeschule, Fischer, seine Interessen als Architekt stärker als der Vorgänger in den Lehrplan einbrachte. Das dritte Problem, das nicht offen zutage lag, sondern in einigen Indizien versteckt war, bestand darin, daß im Modernisierungsprojekt, das die Lehranstalt begründet hatte, zwar der Zusammenhang von industrieller Entwicklung, technischer und ästhetischer Bildung erkannt war, daß aber Berufsbilder, welche diesen Zusammenhang verkörperten, noch nicht existierten. Fischer hatte die Vorstandsstelle an der Schule gegen den Favoriten der Kunstindustriellen bekommen, den württembergischen Legationsrat Carl Friedrich Wagner ( * 1789), 9 2 einen Schwager Deffners, der sich während seiner Auslandsjahre, zunächst als Kaufmannslehrling und dann im diplomatischen Dienst, Kenntnisse über den Stand der Technik und der Kunstindustrie in Frankreich, England und Preußen verschafft und sich zugleich durch Museumsbesuche, Antikenstudium und Zeichenunterricht zum Kunstkenner und geübten Zeichner gebildet hatte, der auch radieren und lithographieren 317

konnte. In London war er der »Society for the Encouragement of Arts, Manufacture and Commerce« beigetreten und als Ehrenmitglied in die »Royal Institution«, das berühmte naturwissenschaftliche Institut aufgenommen worden, wo er seine technischen Kenntnisse vertiefen konnte, außerdem hatte er durch persönliche Kontakte Zutritt zu wichtigen englischen Maschinenfabriken und zu den Warenmagazinen Wedgwoods, der Silberwarenfabrikanten Rundel & Bridge und des Verlegers Ackermann erhalten können. Gleicherweise informierte er sich in Berlin in der Eisengießerei, der Porzellanfabrik und der Gewerbeschule über den Stand der preußischen Kunstindustrie. Seinem Schwager half er bei der technischen Aufrüstung der Blechwarenfabrik und bei der Einfuhrung neuer Fabrikate und Designs. Aber sein Manko war, daß er keins der etablierten Fächer lehren konnte, sondern ein Vermittlungs-, Verknüpfungs und Richtungswissen mitbrachte, das sich den herkömmlichen Qualifikationskriterien sperrte. Indem die Schuladministration herkömmlichen Berufsbildern und ständischen Vorstellungen verhaftet blieb, vermochte sie auf die gewerbliche Entwicklung allenfalls indirekt Einfluß nehmen, indem etwa Reallehrer ausgebildet wurden, die im Laufe der Zeit Zeichenfertigkeit und damit Geschmacksbildung in die Provinz trugen. Darüber hinaus profitierten zahlreiche Handwerker der Hauptstadt und der umliegenden Orte vom Sonntagszeichenunterricht, der in den Räumen, mit dem Personal und dem Material der Schule abgehalten wurde. 93 Bereits 1831 waren in sechs Klassen über dreihundert Schüler eingeschrieben, ein Namensverzeichnis zeigt, daß darunter auch viele aus entfernten Gegenden waren, die einen Lehr- oder Arbeitsplatz in der Residenzstadt ergattert hatten. Die Berufsangabe ist sehr weit gestreut und umfaßte nicht nur ausgesprochene Kunstgewerbe, sondern außerdem Gerber, Pflasterer, Küfer, Glaser, Wagner und Sattler, Messerschmiede, Weingärtner und andere. Fünfzehn Jahre später war ihre Zahl auf eintausendfünfhundert angewachsen - alles in allem starke Indizien dafür, daß zum einen der Modernisierungsschub, ästhetisch vermittelt, in weiten Kreisen des Handwerks und auch an entfernteren Orten längst wahrgenommen wurde, und daß zum anderen in der oft geführten Rede von der Indolenz des Handwerks auch bürgerliches Vorurteil und Bildungsdünkel steckten. Es gab durchaus Handwerker, die ihre Chance in der Modernisierung suchten und die erheblichen Bildungsanstrengungen auf sich nahmen, welche künftigen Angehörigen technischer und ästhetischer Fachberufe in der Industrie abverlangt wurden. In der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft aber, die Kunstbildung zu einem ihrer konstituierenden Merkmale gemacht hatte, war für sie kein Platz. 318

Übersicht Sonntagsgewerbeschulen 1846: Ort, Schülerzahl 1846, Entstehungsjahr. Nach: StAL 170 Bü 4 0 1

I. Neckarkreis:

III. Jagstkreis

Backnang, 27 Besigheim/Bietigheim, 28 Lauffen, 27 Brackenheim, 0 Cannstatt, ο. A. Fellbach, 21 Esslingen, 9 0 Heilbronn, 146 Böblingen, 16-20 Sindelfingen, 3 3 Leonberg, 33 Ludwigsburg, 41 137 Stuttgart, 1.000 (!) (davon über 500 nicht aus Stuttgart) Vaihingen, 2 4 Waiblingen, 18 Winnenden, 35 Weinsberg, 29

1842 1841 1841 1834 1825 1837 o.A. 1831 1840 1826 1828 1825 1836 1836 1845 1837

II. Schwarzwaldkreis Balingen, 18 Ebingen, 4 0 Calw, ca. 30 Freudenstadt, 9 0 Herrenberg, 19 H o r b , 10 Nagold, 13 Wildberg, 10 Altenstaig, 12 Neuenburg, 14 Wildbad, 18 Nürtingen, 54 Schramberg, 8 Alpirsbach, 36 Reutlingen, 150 Rotten bürg, 51 Rottweil, 41 Schwenningen, 29 Tübingen, 4 0 Tuttlingen, 4 9 Metzingen, 40

Aalen, 12 Crailsheim, 4 5 Ellwangen, 37 Haildorf, 20 Schrozberg [?], ο. A. G m ü n d , ca. 80 >>> 66 Schüler im Gravierunterricht, 46 im allgemeinen gewerblichen Unterricht. Hall, 37 [>] Heidenheim, 25 Giengen, 30 Künzelsau, 30 Mergentheim, 4 0 - 6 0 Öhringen, 56 Schorndorf, 30 Welzheim, 4 3 Lorch, 14

1826 o.A. o.A. 1840 1845 1828

1826 1826 1838 1841 1826 1833 1826 1843 1843

IV. Donaukreis 1842 1839 o.A. 1835 1840 1837 1845 1842 1845 1846 1846 1818-24 1840 1845 o.A. 1844 o.A. 1841 1828 1826 o.A.

Biberach, 91 Blaubeuren, 38 Buchau [?], 9 Ehingen, 112 Geislingen, 36 Deggingen, 38 Reichenbach, 3 0 - 3 6 Wiesensteig, 40 Göppingen, 2 0 - 2 5 Kirchheim, 33 Wasserburg, 9 0 - 1 0 0 Riedlingen, 9 8 Tettnang, ο. A. Friedrichshafen, ο. Α., Ulm, 4 9 6 [!] Wangen, 2 0

1828 1840 1845 1830 1825 1845 o.A. ο. A. 1833 1827 1826 1812 1846 1846 1826 1833

Isny, 11

1845

319

5.3. Kunstkanon und Vorbilderwesen - ein Kunstmuseum fur die Industrie Als es 1833 im Stuttgarter Landtag darum ging, den Bau eines Museums zu finanzieren, wurde dies in der Etatberatung der Abgeordnetenkammer von Regierungsseite mit dem gesteigerten Kunstinteresse des Bürgertums begründet: »Nur veränderte, zweckentsprechende Aufstellung, kann hier den vielfachen Nutzen herbeifuhren, den diese Gegenstände [d.i. Abgüsse nach Antiken und Antikenfragmente] dem Künsder, dem Kunstfreunde und selbst dem großen Haufen, wenn er schauend vor diese Reste alter gediegener Kunst tritt, - zu gewähren im Stande ist.«94

Diesem Interesse könnten die existierenden Einrichtungen der Kunstpflege in keiner Weise genügen. Die Befürworter in der Kammer argumentierten dagegen mit der engen Verbindung von Kunstgeschmack und Warengeschmack. Dabei mußten sie sich mit der Regierung gegen diejenigen Provinznotabein durchsetzen, welche kein Interesse dafür aufbringen konnten, den besonderen Ansprüchen einiger weniger Residenzler an Kunst und Geschmack entgegenzukommen, selbst wenn sie damit begründet wurden, daß dadurch die Gewerbe gefördert würden. In ihren Augen handelte es sich um teure Investitionen zur Förderung der Luxusgewerbe in der Hauptstadt, die für den Rest des Landes ohne Bedeutung waren. Sie wendeten sich pauschal gegen alles Bauwesen, Kunstsammlung oder was auch immer, als überflüssige, nicht zu verantwortende Ausgaben. Kunst insbesondere sei Privatsache, wer Interesse daran habe, solle Kunstwerke selber sammeln. Die Regierung könne doch, was an Kunstwerken vorhanden sei, auch zur privaten Verfügung und Aufstellung geben. Vorbild war bei dieser Überlegung wahrscheinlich die Art und Weise, wie im Danneckerschen Atelier Antikenabgüsse aufgestellt waren. Wertschätzung von Kunst wie überhaupt das Konzept von Kunst war noch auf einige hauptstädtische Zirkel und wenige Kunstkenner in den Provinzstädten begrenzt. 95 Demgegenüber griffen die Protagonisten der Kunstförderung, eine merkwürdige Koalition von Finanzbeamten und Fabrikanten, Kirchenmännern und Rektoren, auf Erfahrungen zurück, wie sie 1820 vom »Verein zur Unterstüzung vaterländischer Industrie« formuliert worden waren. Angesichts des wachsenden Konsums ausländischer Produkte im Bürgertum, bei der die einheimischen Gewerbetreibenden mit ihren altmodischen Produkten ins Hintertreffen geraten waren, hatten sich die Vereinsmitglieder verpflichtet, die eigenen Bedürfnisse in der Weise zu regulieren, daß bestimmte Dinge nur aus dem Gebiet des süddeutschen Zollvereins bezogen werden sollten, wenn sie dem eigenen Geschmack nicht völlig wider320

strebten, um so den Gewerben Gelegenheit zu verschaffen, mit den besseren Mustern des Auslands mithalten zu können. So sollte einer Abhängigkeit vom Ausland entgegengewirkt werden, welche durch die neuen, vielleicht bloß eingebildeten Bedürfnisse entstanden war. Die Abgeordneten dagegen schlugen eine andere Lösung vor: statt den Konsum von teuren, aber geschmacklich besseren Importprodukten zu pönalisieren, mußten die inländischen Gewerbetreibenden in die Lage versetzt werden, dasjenige herzustellen, was die kultivierten Ansprüche der Konsumenten verlangten. Kunst war dazu das geeignete Bildungsmittel: »Die Industrie steht jetzt auf einer höheren Stufe. Es ist von dem wesentlichsten Einfluß auf unsern Gewerbestand, daß sich das Gewerbe der Kunst nähert, daß sie Hand in Hand gehen. Es ist nicht genug, daß der Gewerbe-Zögling nur Zeichnen lernt, nein, sondern es handelt sich auch um Geschmacksbildung, um die Bildung des Kunstsinnes, des Sinnes für äussere Form. Von der äusseren Form hängt so viel, als von der Solidität ab. Fabricate, noch so gut, werden, wenn sie geschmacklos sind, keinen Absatz finden. Es kann sich also nur darum handeln, die Kunstschule so einzurichten, daß sie ihren Zweck erreicht, den Geschmack der künftigen Fabricanten und Handwerker zu bilden und das Kunsttalent zu wecken«,96

so der Biberacher Abgeordnete Johann Nepomuk Rauter ( 1 8 0 2 - 1 8 3 8 ) , Kameralamtsbuchhalter und StaatsschuldenzahlungskassebuchhalterAmtsverweser in Stuttgart und nach dem Zeugnis eines Freundes »ein strebsamer Dilettant im Landschaftsfache«.97 Es sei daher notwendig, den Gewerbezöglingen Kunst- und Gewerbeprodukte zur Anschauung zu bringen, »ja sogar dem Publicum«, damit sie materiellen Nutzen bringen könnten. Dazu eignete sich auch gut eine Sammlung vaterländischer Kunstwerke. Antikes sei genug vorhanden. 98 Der Cannstatter Abgeordnete Wilhelm Zais ( 1 7 7 2 - 1 8 4 0 ) , Besitzer einer mechanischen Spinnerei, Weberei und Druckerei fur Baumwolle, 99 sekundierte: Die Kunst übe großen Einfluß auf Verbesserung der Gewerbe aus: »Die alten Griechen, so wie die heutigen Engländer, wären nie in der Veredlung der Gewerbe so weit gekommen, der bekannte Engländer Wedgwood z.B. würde nie so viel Glück mit seinen Fabrik-Erzeugnissen gemacht haben, wenn er nicht die alten griechischen Kunstwerke studirt und die Antiken zu Vorbildern genommen hätte. Es hat aber auch in anderer Beziehung die Kunst großen Einfluß auf die Gewerbe; ein einziger großer Geist, ein Schiller oder ein Raphael z.B. setzt auf viele Jahrhunderte hinaus die Künsder, den Buchhandel und alle dahin einschlägigen Gewerbe in Nahrung.«

Zugleich liege in der Kunst das höchste Bildungsmittel: »nur dadurch, daß Gallerien, Antikensäle eröffnet werden, daß sie dem ganzen Volke zugänglich sind, wird der Kunstsinn angeregt, nur daraus kann wahre sitdiche Bildung hervorgehen«. 100

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Der Abgeordnete des Oberamts Gerabronn, Gottlob Rapp ( 1 7 9 3 - 1 8 6 9 ) , Salinenverwalter, Finanzexperte und Obersteuerrat in Stuttgart, 101 führte das Argument der fortschreitenden Konkurrenz an, dem angesichts des nahen Beitritts zum Zollverein besonderes Gewicht zukam: »Jedem Gewerbetreibenden kann eine Geschmacksbildung nur förderlich seyn, und deßhalb können wir auch Kunstsammlungen nicht entbehren, und dürfen gegen andere Länder nicht zurückbleiben.«102 Es sei Aufgabe des Staats geworden, Kunst-Mäzen zu werden, nachdem kein Fürst mehr diese Rolle übernehme. Der begeisterte Kunstsammler Ignaz Jaumann ( 1 7 7 8 - 1 8 6 2 ) , als Prälat von Rottenburg kraft Amtes im Landtag, wies auf die württembergischen Künstler hin, deren Ruhm sich auch ins Ausland verbreitet habe und für die es zu sorgen gelte. 103 Schon in der ersten Sitzung, in welcher das Thema angeschnitten worden war, hatte er vorgeschlagen, bis auf weiteres wenigstens die im Land vorhandenen Kunstschätze - Stiche, Medaillen, ägyptische und römische Altertümer - in einem Gebäude in der Hauptstadt geordnet aufzustellen, statt sie an vielen schwer zugänglichen Stellen aufzubewahren, und sie so Fremden und Forschern verfügbar zu machen. Offenbar hielt er die Neugier auf Kunst und das wissenschaftliche Interesse daran im Ausland für besser ausgeprägt, erhoffte er von Fremden, von Leuten wie Dibdin und Waagen, in dieser Richtung Entwicklungsimpulse. 104 Aus Tübingen meinte der ebenfalls kraft Amtes im Landtag anwesende Universitätskanzler von Autenrieth, die Verbindung von Kunst und Gewerbe sei für beide am vorteilhaftesten, besser insbesondere für die Kunst als die Bindung an Kirche oder Fürst. Auch er wies auf das englische Beispiel hin, aber auch auf Sachsen und damit auf Dresden als einstigem Ort fürstlicher Kunstpflege im Interesse der Landesindustrie und jetziger Hauptstadt eines Landes, das sich in rascher industrieller Entwicklung befand. Schutz und Hebung von Fabriken sei zur Aufgabe der National-Wirtschaft geworden, Kunst zu einem Mittel. Er führte dafür ein einheimisches Beispiel an, den Münsinger Weber Ruoß, der es durch seine eleganten Fabrikate zum Großfabrikanten gebracht habe, sowie Stuttgarter Fabriken, deren Produkte so hübsch seien, daß sie Absatz bis nach England fänden. 105 Daß dem Bürgertum im Königreich die Errichtung eines Kunstmuseums erst recht spät gelang, lag nicht nur an den knappen staatlichen Mitteln, sondern vor allem auch daran, daß dort alle Bemühungen um Geschmacksbildung sich praktisch ausschließlich der Einsicht in die unumgehbare Notwendigkeit verdankten, Infrastrukturmaßnahmen aufzubauen, die sich in anderen Ländern als Schlüssel zu einer erfolgreichen Industrialisierung zu erweisen schienen. Mit dem Beitritt zum Zollverein verschärfte sich der politische Druck in dieser Richtung. Daß auch das Museum zu den

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notwendigen Infrastrukturmaßnahmen dazugehören sollte, war für die Debattierenden im Landtag in erster Linie Resultat anschaulich gegründeter, auf Reisen erworbener Erfahrung. Insbesondere den württembergischen Industriellen, deren politische Exponenten sich zu Wortführern der Museumsdebatte aufschwangen, mußte daran gelegen sein, sich zu möglichst geringen Kosten der ökonomischen Vorteile, welche nach ihrer Erfahrung ein Museum als Mittel der Geschmacksbildung versprach, zu versichern, um mit Hilfe einer solchen indirekten Subvention in der Konkurrenz um den Konsumentengeschmack bestehen zu können. Die Koalition der Kunstfreunde und Fabrikanten war mit ihrem Vorstoß teilweise erfolgreich: Zwar wurde der Kunstschul-Etat, etwas unter zehntausend fl., abgelehnt, da in der Ständeversammlung diejenigen, welche als ritterschaftliche Abgeordnete Interessen der Landbesitzer vertraten, zusammen mit Vertretern einer ländlich-kleinstädtischen Funktionselite aus den Oberämtern, meist Verwaltungsfachleute oder Rechtsgelehrte, eine satte Mehrheit bildeten, denen jede Erhöhung der Staatsausgaben suspekt war, weil sie befürchten mußten, die Steuern und Abgaben würden erhöht oder staadiche Investitionen in den Oberämtern hinausgezögert werden. Sie beriefen sich auf die Volksmeinung, wenn sie Ausgaben für Kunst und Kunstschule zur Geldverschwendung erklärten. Daran änderte auch der Appell des Abgeordneten Deffner aus Esslingen nichts: »die Gesammtheit der Steuerpflichtigen steht gewiß so hoch, daß sie fiihlt, was sie der Civilisation, der Ehre und auch den materiellen Interessen, welche durch die Kunst in so hohem Grade gefördert werden, schuldig ist«. 1 0 6

Die beantragten 8 0 . 0 0 0 fl. zum Bau eines Gebäudes für Kunstschule und Kunstsammlungen dagegen wurden bewilligt. Dies zu erreichen, hatte zuvor Deffner sein Plädoyer ins Gewaltige gesteigert: »Welche wichtige Rolle in der Kulturgeschichte der Völker die bildende Kunst zu allen Zeiten gespielt, wie mächtig sie auf Entwicklung des Schönheitssinns und dadurch auf Veredlung des Menschen eingewirkt hat, und immer einwirken wird, dies ist schon vielfach ... geschildert worden ... Auch der große Einfluß der Kunst auf die Veredlung der Gewerbe ist allgemein anerkannt; nur durch den Beistand der Kunst, der ächten Kunst, welche ihre Ideale unmittelbar aus der Natur schöpft, können auch die Gewerbe von einem höheren Geiste durchdrungen, von unnatürlichen Ausartungen im Geschmacke bewahrt werden.«

Ganz zuletzt steigerte er sich nochmals in seinem Appell für die Kunst: »Meine Herren! auch ich liebe, wie es schon meinem Stand angemessen ist, Nüchternheit in allen Dingen, besonders in Ausgaben; auch ich stelle immer Zweck und Kosten einander sorgfältig gegenüber. Aber man kann die Nüchternheit und Sparsamkeit auch zu weit treiben, man kann darüber höhere Zwecke aus den Augen

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verlieren. ... zeigen Sie sich ... der bildenden Kunst günstig, genehmigen Sie im Interesse derselben, und mittelbar der Gewerbe, also jedenfalls im wahren VolksInteresse, die angenommene Ausgabe ... sie wird sicher guten Zinse tragen.« Gegen dieses Plädoyer hatte der Vorschlag, das Geld doch lieber fur Spitäler zu verwenden, keine Aussicht auf Erfolg mehr. Deffner dagegen mußte im Geist den Absatz seiner Teebretter, Kaffeemaschinen, Zeisenkäfige und Sinombrelampen schon gewaltig befördert sehen, während Zais auf elegante Bombasins und Calicoes spekulierte ... Sowohl die Fabrikanten als auch die ihnen sekundierenden Beamten hatten, soviel wird aus ihren Äußerungen deutlich, ihre Lektion über den Zusammenhang von Kunst, Geschmack und Gewerbe gut gelernt, sei es durch Lektüre, seis aus eigener Anschauung, und diese Lektion hatte ihre Anhänger auch in bildungsbürgerlichen Kreisen gefunden. In den Beiträgen der Parlamentäre vermischten sich die beiden Bedeutungen von Geschmack als ästhetischer Kategorie einerseits, zusammenfassendem Begriff fur Konsumentenpräferenzen andererseits. Im Begriff des »modernen Geschmacks«, mit dem, wie gezeigt, zur gleichen Zeit der oben beschriebene epochale Wandel in Kulturmustern des Konsums bezeichnet wurde, kam diese Ambivalenz des Geschmacksbegriffs ebenfalls zur Geltung. Die vom Abgeordneten und Fabrikanten Wilhelm Zais angerufenen Berühmtheiten personifizierten die Ambivalenz des Geschmacksbegriffs in exemplarischer Weise, einmal Friedrich Schiller als Bestsellerautor aus heimischen Gefilden, dessen Werke den Cottaschen Verlag und damit das Buchgewerbe mit emporgebracht hatten, sowie Raffaello Santi, dessen vielgerühmte Werke der Stecher Marcantonio Raimondi einst schon zur Zeit ihrer Entstehung durch Reproduktionen für ein weit gestreutes Publikum zugänglich machte und damit während der Hochrenaissance die Reproduktionsgraphik als wichtigen Geschäftszweig begründete. Jene umfaßte auch die Herstellung von Stichwerken, von denen der Bestand der Stuttgarter Bibliothek einen Eindruck vermitteln konnte. Unter den dort vorhandenen Werken befanden sich auch solche, welche sich in eine direkte Verbindung mit dem dritten und wohl wichtigsten der im Landtag als Beleg für die profitable Verbindung von Kunst und Industrie genannten Zeugen, den englischen Steingutfabrikanten Josiah Wedgwood (1730-1795), bringen ließen, nämlich Hugues d'Hancarvilles »Antiquites etrusques, grecques et romaines«, sowie Tischbeins »Collection of ancient Vases«. Tatsächlich hatte Wedgwood mit wohlwollender Unterstützung des Sammlers der Vasen, des englischen Diplomaten und Gelehrten Sir William Hamilton, dem an einer Wertsteigerung seiner Sammlung gelegen war, welche er durch eine Erhöhung ihres Bekanntheitsgrades zu steigern hoffen konnte, unmittelbar und direkt Formen und Motive aus diesen Veröffentlichungen auf sein Geschirr 324

übertragen lassen. In seinem Katalog von 1 7 7 4 wies er darauf ausdrücklich hin. 1 0 7 Dieser Katalog war ebenfalls in den Beständen der Landesbibliothek zu finden, und aus ihm wird deutlich, warum er den württembergischen Fabrikanten als Vorbild galt. Deshalb lohnt es sich, aus diesem frühen Meisterstück eines Reklametexts ausführlich zu zitieren. In einem ausfuhrlichen Vorwort charakterisierte Wedgwood selbst sich als Künstler und zwar als einen, welcher am Fortschritt der Künste wesentlichen Anteil hat, wegen seiner Erfindungs- und Gestaltungskraft und zugleich wegen der Förderung durch das Mäzenatentum der Mächtigen und - der zahlreichen Kundschaft: Beide werden geschickt in eins gesetzt: »Stets hing der Fortschritt der Kunst davon ab, daß sie durch Leute von Rang und Reichtum gefördert wurde, deren Macht und Einfluß sie zu Gesetzgebern in Geschmacksdingen gemacht hatte, und die allein in der Lage waren, industrielle Produktion und Hervorbringungen von Genies angemessen zu bezahlen. Durch ihren Einfluß entstanden die Epochenstile: sie können nach ihrem Gutdünken die Gegenstände menschlichen Verlangens bestimmen und sich mit angenehmen oder häßlichen Dingen umgeben, mit Barbaren oder mit Edelleuten. Große Fortschritte in den Künsten hängen von solchen mächtigen Beschützern ab; mit schwachen Anstrengungen und wenig Geld läßt sich keine Kunst voranbringen: es hängt vollkommen vom Blick und von der Großzügigkeit jener ab, welche über Macht und Reichtum verfugen, ob Künsder sich ruinieren oder ihre Industrie rekompensiert wird. / Die Einrichtung unserer Manufaktur verdanken wir der Güte und der großzügigen Protektion unserer hochwohlgeborenen SOUVERÄNE, dem Adel und den Connaisseuren dieses Königreichs: und nur weil ihr Wohlwollen andauerte und sie mehrere Prinzen und andere illustre Persönlichkeiten des Kontinents ermunterten, gleiches Wohlwollen zu gewähren, daß wir in die Lage versetzt waren, weitere Investitionen zu wagen, um zu einer größeren Perfektion zu gelangen und eine ansehnliche Vielfalt an Ornamenten herstellen zu können, welches Verdienst wir demütig dem Urteil der Leute von Geschmack und dem Kennern im Fache überlasen wollen. Zahlreiche neuartige Artikel, welche unsere Freunde noch nie gesehen haben und von denen eine Menge Leute von Geschmack und Kunstkennerschaft noch nie haben reden hören, machen den Katalog unentbehrlich«.108 Geschickt wurde die Protektion Mächtiger beschworen, deren Geschmack die Güte der Ware garantieren sollte ebenso wie deren pekuniäre Unterstützung fortschrittliche Produktionstechniken ermöglicht habe. 1 0 9 Weiter hinten im Katalog war sogar aufgelistet, wer von den illustren Personen des europäischen Hochadels Wedgwood-Vasen gekauft hatte. Neben der Königin von Rußland, dem König von Polen und zahlreichen anderen Zelebritäten war auch der Herzog von Württemberg angeführt. 1 1 0 Zugleich aber sprach der Unternehmer die Menge der Curieux und der Gens de Goüt an,

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welche nämlich, bewandert in der Kunstliteratur zur Antike, sich ein Urteil über die Produkte bilden sollten, weil sie die eigentlich angesprochenen Käufer der Produkte waren. Seine Kameen und Intaglien seien mit äußerster Sorgfalt nach den schönsten Vorbildern der Antike hergestellt. Die Kameen eigneten sich für Ringe, Armbänder und anderen Schmuck; und sie seien besonders gut als schmückende und zugleich preiswerte Marketterie für Schränke, Schreibtische, Bibliotheken und anderes geeignet. Mehrfigurig kosteten die Kameen zehnmal weniger und seien dabei haltbarer als alle anderen, die in Europa hergestellt würden; im übrigen seien die Umrisse der Figuren schärfer ausgebildet und lebendiger als in solchen aus Glas.111 Weiterhin schlug Wedgwood die Verwendung der Kameen zu Petschaften und schließlich zum Anlegen von Sammlungen nach dem Muster Caylus' und Hamiltons und der reichen Italientouristen vor. Außer Kameen hatte Wedgwood Reproduktionen von Plastiken (Sphinxe sowie Tritonen nach Vorbildern von Michelangelo), Porträtplaketten oder Büsten von historischen Berühmtheiten im Angebot - von den römischen Kaisern und Kleopatra über sämtliche Päpste bis zu Rousseau, Georg III. und weiteren Berühmtheiten der Zeitgeschichte. Er bot an, Gleiches von Auftraggebern anzufertigen. Schließlich offerierte er Gebrauchsgegenstände: Lampen, Kerzenhalter, Blumenübertöpfe, Tee- und Kaffeeservices, vor allem aber Vasen in verschiedenen Techniken »nach der Antike«.112 Umrißhaft wurde in Wedgwoods Ankündigungen sichtbar, daß in England eine aufstrebende Schicht auf der Suche nach einem Lebensstil war. Auf neue Weise zu Geld gekommen, orientierte sie sich teils am »modernen« Teil der alten Oberschichten, teils vereinnahmte sie die antiken Vorbilder direkt, wenn sie sich mit deren Imitationen umgab. Die Produkte Wedgwoods konnten nicht zuletzt deshalb praktisch in alle abendländisch zivilisierten Gegenden der Welt exportiert werden, weil die oben genannten, reich und sorgfältig illustrierten Werke Formen antik-griechischer Vasenmalerei populär und attraktiv gemacht hatten - was Wedgwood einkalkuliert hatte, wie sein Text deutlich machte.113 Nun war, wie sich herausgestellt hatte, auch in Württemberg der Geschmack einer tonangebenden bürgerlichen Schicht in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts tatsächlich von Kunst strukturiert, wie es die englischen Oberschichten und das Großbürgertum seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vorgemacht hatten und wie es sich von da aus auf dem Kontinent verbreitet hatte, und zwar nicht nur in Bezug auf Vorzeigestücke, auf Architektur, Möbel, Silberzeug und Festgarderobe, also den Schmuckstücken eines Haushalts, das, was bei Hofe dem Bereich der Angewandten Kunst zugehört hätte, sondern dem an Kunst oder Kunstreproduktionen gebildeten Geschmacksurteil war bereits vieles unterworfen worden, was der Wohnlichkeit und der Bekleidung dienen 326

konnte und käuflich war. Zudem war die neue Warenöffentlichkeit der großen Stadt von öffentlich gewordener Kunst durchzogen. Insofern das an Kunst orientierte bürgerliche Kulturmuster des Konsums und die neue Kunstöffendichkeit die Gestalt industrieller Produkte und dadurch den modernen Konsum über die gesellschaftlichen Kreise der tonangebenden Schicht hinaus bestimmten, konnte also in der Tat der Geschmacksbegriff auf Kunst und Konsum zugleich Anwendung finden. Dazu kam, daß überhaupt die bürgerliche Wahrnehmung der Wirklichkeit sich im Prozeß einer bildenden Aneignung von Kunst ästhetisiert hatte und auch von daher die Ambivalenz des Geschmacksbegriffs zugunsten seiner ästhetischen Bestimmung aufgehoben erscheinen konnte. Genau deshalb aber redeten die Abgeordneten-Fabrikanten als Bildungsbürger allen gleich gesinnten Kunstfreunden das Wort, um ihnen Bildungsgut verfugbar zu machen, welches per se der Zeit als allgemeines Eigentum gelten konnte, weil sie als Interessenvertreter der Kunstindustriellen und als Patrone der «fabrizierenden Künstler« in Zugzwang standen, sich der Bildenden Kunst als einer wichtigen Ressource für die gewerbliche Produktion möglichst auf Kosten der Allgemeinheit zu versichern, damit sie im internationalen Wettbewerb um den Geschmack der Konsumenten ihre Chancen verbessern konnten. Von Seiten der in ästhetischen Dingen vor Publikum im allgemeinen eher wortkargen Fabrikanten wurde der politische Dialog mit dem Bildungsbürgertum weniger aus Sorge um das Fortkommen von talentierten Kunstjüngern, fabrizierenden Künstlern und Kleingewerbetreibenden, sondern in erster Linie deshalb offensiv gefuhrt, weil die internationale Konkurrenz auf dem Gebiet der Konsumgüterproduktion eine neue Qualität erreicht hatte. Für das international denkende Wirtschaftsbürgertum war die Aufgabe der Kunst im neuen, bürgerlichen Zeitalter dadurch bestimmt, daß sie Maßstäbe und Vorbilder lieferte, an welchen sich der Konsumentengeschmack in der entstehenden Industriegesellschaft formierte. Geschmack und Geschmacksbildung von Gewerbetreibenden und Konsumenten war, wie sich gezeigt hatte, insbesondere zwischen den Wirtschaftsmächten England und Frankreich zu einem zentralen Faktor im Kampf um Absatzgebiete und beim weiteren industriellen Aufbau geworden und das insbesondere, seit sich die englische Regierung um einen Abbau von Zollschranken bemühte und seit die Verhandlungen über einen deutschen Zollverein Anfang der 1830er Jahre konkrete Formen annahmen. In diesem Sinne argumentierten die Industriellen im württembergischen Landtag, wenn sie nach Pariser Vorbild ein Kunstmuseum in der Landeshauptstadt eingerichtet haben wollten und dabei etwas unbeholfen, aber sich ihrer Sache als einer kollektiven Bemühung der administrativen, ästhetisch gebildeten und industriellen Elite des Landes sicher, die Be32 7

Ziehungen zwischen Kunst, Industrie und gewerblicher Entwicklung als notwendig, zwangsläufig und selbstverständlich hinstellten. Die Zweckgebundenheit der parlamentarischen Museumsbegeisterung läßt sich an der Baugeschichte, der inneren Organisation und den Sammlungsbeständen des Museums ablesen. Bis zu seiner Fertigstellung 1843 durchlief die Planung mehrere Phasen.114 Anfänglich war an einen Antikensaal gedacht, wo die Abgüsse berühmter griechisch-römischer Antiken endlich einen angemessenen Ort finden sollten, welche im zweiten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts durch Ankäufe des Kronprinzen und späteren Königs nach Stuttgart gelangt waren und in der Danneckerei provisorisch und allmählich immer gedrängter aufgestellt worden waren.115 Das Gebäude sollte in erster Linie Studienzwecken dienen und folgte darin der akademischen Tradition der Kunstbildung, wie etwa der Mannheimer Antikensaal oder ähnliche Einrichtungen in Dresden und Kassel, die im 18. Jahrhundert eingerichtet worden waren.116 Dadurch unterschied es sich deutlich von der etwa zur gleichen Zeit errichteten Glyptothek in München, die, wohl angeregt durch das Pariser »Musee des monumens fra^ais«, durch eine starke Betonung von Innendekorationen und stimmungslenkenden Bauelementen einem größeren Publikum ein antikes Bildungsgefühl vermitteln sollte, während in Stuttgart auf Nüchternheit geachtet wurde, um die Konzentration auf den Gegenstand zu lenken, die Idealbilder des Schönen, die Maßstäbe des Geschmacks.117 Danach wurde das Konzept eines Kunstgebäudes favorisiert, in welchem außer den AntikGipsen und Antikenfragmenten die Kunstschule sowie eine Gemäldegalerie und eine Kupferstichsammlung untergebracht werden sollte. Diese Erweiterung des ursprünglichen Plans entsprang in erster Linie der Überlegung, durch die Konzentration von Vorbildern die Ausbildungssituation für den künstlerischen Nachwuchs zu verbessern,118 der wiederum zu einem erheblichen Teil aus Gewerbeschülern bestand.119 Zwischenzeitlich wurde die Zurichtung des Kunstmuseums auf gewerbliche Zwecke noch dadurch besonders akzentuiert, daß Thouret in seinen architektonischen Entwürfen, wohl auf Anfrage der Landstände, Räume für die Industrieausstellungen vorsah, welche mittlerweile in Stuttgart alle drei Jahre ausgerichtet wurden. Diese Räume sollten in der übrigen Zeit der Kunstschule und dem Kunstverein zur Verfugung stehen.120 Eine solche integrierte Museumskonzeption war in Deutschland einzigartig. Nirgend sonst wurde ein Kunstmuseum so eng auf gewerbliche Ziele hin bezogen, wurde in dieser Weise eine Anbindung an das Pariser Vorbild,121 den Louvre, und dessen provinzielle Ableger wie beispielsweise der Lyoner palace des arts, gesucht. Die Sammlungen des 1842 endlich fertiggestellten Museums entsprachen dessen Auftrag. Die Abgußsammlung wurde stetig erweitert, wäh328

rend nur wenige antike Stücke ausgestellt waren. Kopien von Renaissanceplastik wurden den Antikenkopien beigesellt. Die chronologische Ordnung der Stücke folgte dem Münchner Vorbild, war aber für die Zwecke des Kunstunterrichts und durch hinzukommende Neuerwerbungen gestört. Moderne Plastik war durch Dannecker-Werke, Schenkungen von Modellen und Abgüssen der vielfach reproduzierten Werke des dänischen Klassizisten und Danneckerfreunds Bertel Thorvaldsen122 sowie neben weiteren Kopien auch durch Abgüsse einiger Plastiken Canovas vertreten, der seit der gemeinsam verbrachten Zeiten in Rom ebenfalls mit Dannecker befreundet war. So war die Geschichte der Kunst bei den Plastiken durch Abgüsse von der Antike bis zur Moderne präsent, aber reduziert auf Aspekte des Klassischen.123 Auch bei der Gemäldesammlung war das Vorbildliche und der klassische Kanon erstes Sammlungsprinzip. Aus den rund neunhundert Gemälden, welche aus der königlichen Sammlung bis 1833 in Staatsbesitz gelangt waren,124 wurden einhundertachtzig Bilder als museumswürdig eingeschätzt.125 Gegenwartsmalerei steuerten zum größten Teil die Stuttgarter Klassizisten bei. Andere Ankäufe folgten der zeitgenössischen Vorliebe für Historien- und Genremalerei sowie Landschaften. Um den mageren Bestand an Malerei früherer Kunstepochen zu decken, der im wesentlichen aus der wenig bedeutenden fürstlichen Sammlung stammte, wurde erwogen, Kopien nach Meisterwerken auszustellen.126 Diese Schätze waren in erster Linie für KünsÜer und Gelehrte sowie für die Arbeit der Kunst- und Gewerbeschüler bestimmt. Das allgemeine Publikum hatte nur Sonntags zwei Stunden Zeit, sich ihrer Betrachtung hinzugeben. 127 Die Boisseree-Sammlung hatte in diesem auf die Gewerbe ausgerichteten Museum keinen Platz gefunden. Zunächst zwar hatte die erstaunliche Anziehungskraft der altdeutschen Kunst als Argument benutzt werden können, den Ankauf der Sammlung zu befürworten. Ihr Verbleib in Stuttgart, so der Finanzminister 1825 in einem Gutachten an den König, fördere den Kunstsinn heranwachsender Künstler und ließe die mit der Reproduktion der Sammlung beschäftigte lithographische Presse florieren, was Arbeits- und Ausbildungsplätze »für Jünglinge aus dem Bürgerstande« schaffe.128 Sie könne ferner den höheren Kunstsinn fördern - das hatte der Erfolg der Ausstellung ja bewiesen. Ein solcher aber und ein gebildeter Geschmack übten einen positiven Einfluß auf alle Gewerbe des bürgerlichen Lebens und auf die Volksbildung aus. Der Minister schlug also vor, den Ankauf der Sammlung im Zusammenhang mit der Errichtung der schon lange geplanten Kunstsschule zu sehen, für die es ohnehin Vorbilder brauche, Gemälde, Zeichnungen, Abgüsse. Um aber die Nützlichkeit der Sammlung für die geplante Kunstschule plausibel zu machen, müßten die Landstände zuerst davon überzeugt werden, daß der Wohlstand Württem329

bergs nur durch eine gesteigerte Gewerbetätigkeit gehoben werden könne, jene aber fortdauernden großen Absatz finden müsse. Außer der gerühmten Solidität der Erzeugnisse der einheimischen Industrien seien dazu ein besserer Geschmack, mehr Kunstsinn und mehr Wissenschaft erforderlich. Bekanntermaßen sahen sich König Wilhelm und die oberen Behörden nach manchem Hinhalten nicht in der Lage, dem Landtag auch nur förmlich vorzuschlagen, die Kosten zu übernehmen. Das Vorhaben scheiterte endgültig an der Krise der staatlichen Finanzen. Die Sammlung wurde schließlich 1827 von Ludwig I. angekauft, zunächst im Schloß Schleißheim gezeigt und dann in der Alten Pinakothek in München. 129 Die vom Finanzminister bestellten Gegengutachten der zu Rate gezogenen einheimischen Künstler, welche der Sammlung nach anfänglicher Begeisterung einen Wert als Geschmacksmuster fur die Kunstausbildung absprachen,130 verraten einen zusätzlichen Ablehnungsgrund, daß nämlich die Kunst der Boisserees - Kunstwert hin, Popularität her - nicht mit der Geschmacksvorstellung zusammenpaßte, welche dem Kunstmuseum zugrundegelegt wurde. Damit paßten sie nicht in das Konzept einer Geschmacksbildung von Gewerbetreibenden und Publikum als Mittel der Gewerbeförderung. Sie beruhte darauf, daß Geschmack lehrbaren Regeln folgte. Eben das taten die altdeutschen Meisterwerke aber nicht in erkennbarer Weise. Für sie existierte keine Ästhetik, die begründete, warum sie schön sein sollten. Sie gefielen faktisch, und sie entsprachen dem Bedürfnis nach einer nationalen deutschen Kunstüberlieferung. Aber sie standen gegen die Tradition der Klassik, sie waren keine akademische Kunst und sie standen damit auch nicht in einem regelhaften Verhältnis zur Angewandten Kunst wie Werke der vorgenannten Richtungen. Wenn die Abgeordneten des Landtags, die Bildungsbürger und Fabrikanten die Kunst der Antike und zugleich die Kunst der einheimischen Klassizisten als Bildungsmittel bevorzugten, dann war das nicht einfach Befangenheit in den stilistischen Vorstellungen der Zeit. Sie hatten ja die Kunst verschiedener Zeiten und Gegenden in Reproduktionen betrachten können, sie hatten ja während der Boissereeschen Ausstellung gesehen, welche Aufmerksamkeit altdeutsche Kunst erregen, wie sie das schwäbische Publikum begeistern konnte. Vielmehr kann vermutet werden, daß ihnen eine allgemeine Kunstbildung an Werken der Klassik und des Klassizismus auf längere Sicht am ehesten den Nutzen versprach, um welchen es nüchtern kalkulierenden Wirtschaftsmenschen und Volksvertretern gehen mußte. Klassische Kunst war nach Regeln lehrbar, sie war wissenschaftlich fundiert und stand in einer Tradition, welche nicht, wie die altdeutsche Kunst, abgerissen war. Sie umfaßte die Gesamtheit der Bildenden Künste einschließlich der Angewandten Kunst, stellte einen gewaltigen Schatz von Formen und Ornamenten bereit, die sich beliebig neu zusammensetzen 330

ließen, und sie war in allen europäischen Zentren mit Werken, Abgüssen, Lehrinstitutionen vertreten. Wenn sie nationale Eigenheiten innerhalb des Regelkanons zuließ, blieben diese indessen Teil einer international verständlichen Formensprache. Den noch ungebildeten Geschmack von Kunst- und Gewerbeschülern und Publikum in dieser Richtung zu kultivieren, hieß, sich Gewißheit darüber verschaffen zu können, in welche Richtung sich ihr Geschmack, ihre Bedürfnisse entwikeln würden, und dieses überall, wo ähnliche Voraussetzungen schon vorhanden waren oder geschaffen wurden. Dagegen war der Wert der Boissereeschen Sammlung lediglich allgemein bildender und wissenschaftlicher Natur.

5.4. Gewerbeförderungsprojekte und die Popularisierung des musealisierten Vorbilderkanons Angesichts der engen Beziehungen zu Frankreich und der Attraktivität des französischen Vorbilds, welche sich bei der Errichtung einer modernen, hauptstädtischen Kunst- und Warenöffentlichkeit, moderner Kulturmuster des Konsums und einer modernen Kunstindustrie gezeigt hatten, kann es nicht erstaunen, daß sich neben Kunst- und Industrieausstellungen, der Kunst- und Gewerbeschule und dem Kunstmuseumsprojekt auch noch zwei nacheinander eingerichtete Instanzen Pariser Einrichtungen zuordnen lassen, welche explizit der Förderung der Gewerbe gewidmet waren, nämlich ein 1819 gegründeter, 1824 wieder aufgelöster Handels- und Gewerbeverein, dessen Zentrale bei der etwas früher gegründeten halbamdichen »Zentralstelle für die Landwirthschaft« angesiedelt war, sowie die 1830 gegründete, ebenfalls mit der Landwirtschaftsbehörde kooperierende, private »Gesellschaft für Beförderung der Gewerbe«.131 Ersterer ähnelte in Organisation und Zielsetzung dem »Bureau de consultation des arts et metiers«, einem dem französischen Innenministerium beigeordneten Gremium von Fachleuten, welche Erfindungen begutachteten, Förderungsmaßnahmen vorschlugen und sich überhaupt um die Verbindung von Wissenschaft und Handwerk kümmern sollten.132 Seit 1794 waren diese Aufgaben von verschiedenen Gremien wahrgenommen und wie später in Württemberg in Verbindung mit Landwirtschaftsförderung ministeriumsnah organisiert und mit Experten besetzt worden. 133 Die Gewerbeförderungsgesellschaft lehnte sich, dem württembergischen Staatsrechder Robert von Mohl zufolge, an das Vorbild der 1801 gegründeten »Societe d'encouragement pour l'industrie nationale« an,134 die wiederum eine Nachahmung der legendären englischen »Society for the encouragement of arts, manufactures, and commerce« darstellte.135 Ihre wöchendichen, öffendichen Sitzungen, auf welche Reisebeschreibungen nicht ver331

säumten hinzuweisen, waren einer der Treffpunkte der internationalen industriellen Öffentlichkeit in Paris, sie gab Protokolle und Forschungsberichte heraus, veranstaltete Erfindungswettbewerbe und war wesentlich an der Ausrichtung der Industrieausstellungen mitbeteiligt. Nicht nur in der französischen Provinz, sondern auch im Ausland hatte sie bald zahlreiche Nachahmungen gefunden, zu denen sich Preußens »Technische Deputation« und der »Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes«136 ebenso rechnen lassen wie der bayerische polytechnische Verein137 und zahlreiche weitere in Deutschland gegründete Vereine, mit denen die Stuttgarter Gesellschaft bald nach ihrer Gründung korrespondieren sollte. Im Gegensatz zu Frankreich, England, Preußen und Bayern spielten Kunstindustrie und Geschmacksbildung in den vergleichbaren württembergischen Institutionen keine herausragende Rolle. Immerhin oblag der Zentralstelle für die Landwirtschaft die Organisation der Kunst- und Industrieausstellungen, samt Jurierung und offizieller Berichterstattung, in welcher die Rolle der Kunstindustrie fur die industrielle Entwicklung des Landes hervorgehoben wurde - daraus ist in dieser Arbeit ausführlich zitiert worden. Darüber hinaus beschäftigten sich weitere Artikel in den von der Stelle herausgegebenen Publikationen138 mit der Notwendigkeit von Zeichenunterricht für die Geschmacksbildung der Handwerker, mit neuen Verfahren für die Kunstgewerbe, mit der Landesverschönerung und ähnlichem mehr, ohne daß sich insgesamt daraus ein schlüssiges Konzept ablesen ließe, welches dem französischen Projekt einer Enkultivierung von Industrie und Industrialisierung von Kultur nahegekommen wäre. In der Bibliothek der Zentralstelle, in deren Räumen zugleich das Vereinslokal der Gewerbeförderungsgesellschaft war, konnte eine größere Menge technologischer Literatur eingesehen werden,139 worunter etliche Werke zu kunstindustriellen Verfahren im weiteren Sinn waren. Einschlägige Neuerscheinungen wurden im Vereinsblatt angekündigt. Cotta warb dort für seine Verlagsware. Auch in der Arbeit der Gewerbeförderungsgesellschaft spielte Kunstindustrie keine herausragende Rolle, obwohl ursprünglich neben der Erhebung von Daten zur Lage der Gewerbe und der Unterstützung von Ausbildungsaufenthalten im Ausland die Beschaffung von Vorlagen, Mustern und Modellen und die Bildung des Geschmacks einheimischer Gewerbetreibender geplant waren.140 Die Förderungsmaßnahmen sollten sich in erster Linie auf Schlüsseltechnologien und Engpässe in der Textilindustrie richten, wobei moderner Geschmack insofern eine Rolle spielte, als darunter auch die Verbesserung der Kattundruckerei, des Appretierens, Strümpfestrickens und Seidenwebens und damit industrielle Produktion für den modernen Konsum fiel. Die Förderung von Messingund Bijouteriewarenherstellung betraf schließlich eindeutig kunstindustrielle Produktionszweige.141 Im Umkreis der Gewerbeförderung tauchte 332

schließlich, wenig überraschend, der Gedanke auf, nach französischem Vorbild verschiedene Sammlungen anzulegen: von vorbildlichen Waren aus dem Ausland, von neuen Techniken, Maschinen und Rohstoff-Arten oder von württembergischen Produkten, welche den Fortschritt der einheimischen Gewerbe demonstrierten oder sich für den Export eigneten und deren massenhafte Fabrikation daher wünschenswert schien. 142 Kunstindustrielle Projekte wurden, wie schon mehrfach erwähnt, auch tatsächlich gefördert, die Ausbildung von Musterzeichnern in Paris bezuschußt, die Jacquardtechnik gewürdigt, die Rolle des modernen Geschmacks in Ausstellungen hervorgehoben, schließlich wurden sogar Preise für Schülerzeichnungen ausgesetzt143 und Vorlagen beschafft, wobei Hittorff in Paris behilflich war.144 Daß in der Entwicklung eigener Kunstindustrien eine Perspektive für die nationale Wirtschaft gesehen wurde, läßt sich daraus ersehen, daß Kunstindustrielle wie Deffner, Barrier, Rapp oder Weigle eine wichtige Rolle bei den Gewerbeförderern spielten und daß Ternaux, dieser Heros der französischen Industrie, als Ehrenmitglied der Gesellschaft geführt wurde. 145 Indes verfugte die Gewerbeförderungsgesellschaft nur über begrenzte Fördermittel. 146 Sie war in erster Linie ein monatlich in den Räumen der Stuttgarter Museumsgesellschaft tagendes Forum fur die aktiven Mitglieder (worunter übrigens zugleich zahlreiche Kunstvereinsmitglieder) - Beamte, Unternehmer, Großgrundbesitzer, Gelehrte und Vertreter studierter Professionen, also Vertreter des sich konstituierenden modernen Bürgertums. 147 Hauptsächlich wurde die Frage verhandelt, ob der Weg in die Industrialisierung des Landes besser über große Industrien oder kleinere Betriebe, über eine Öffnung zum Welthandel oder eine zollpolitische Abschottung gelingen würde. 148 Kunstindustrie gehörte, wie sich gezeigt hatte, beiden Bereichen an und brauchte insofern in dieser Debatte nicht eigens thematisiert werden. Geschmacksbildung spielte in der praktischen Arbeit eine gewisse Rolle, was darauf schließen läßt, daß wohl nicht zuletzt dank der Kenntnis Frankreichs die Wichtigkeit von Kunstkenntnissen, Zeichenfertigkeit und ästhetischem Urteilsvermögen für gewerbliche Produktion und industrielle Entwicklung unbestritten war. Im Ausschuß der Gesellschaft, welcher über die Vergabe von Darlehen zu befinden hatte, saßen mit Moriz Mohl, Heigelin und Heinrich Rapp Spezialisten, welche sowohl über Frankreich-Erfahrung als auch über eine genaue Kenntnis der Kunstindustrie verfugten. Die Aktivitäten der Gesellschaft waren den Regierungsbemühungen um die Einrichtung der Kunst und Gewerbeschule und eines Kunstmuseums komplementär. Deren ökonomische Notwendigkeit und entwicklungsstrategische Bedeutung wurden jedoch von der Gesellschaft der württembergischen Gewerbeförderer nicht ausdrücklich thematisiert, keine Forderung erhoben, sie über das bürgerliche Kunstpublikum und den Künstlernachwuchs hinaus auszu-

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dehnen. Wie der moderne Konsum und die Sorge um die Landesverschönerung blieb Geschmacksbildung Kunstgenuß und bürgerlich gebildeten Kreisen vorbehalten. Mit wenigen Ausnahmen waren Handwerker und Kleingewerbetreibende in der Gewerbeförderungsgesellschaft nicht vertreten, also von der entwicklungspolitischen Debatte ausgeschlossen und damit zu bloßen Objekten einer Wirtschaftspolitik des neuen Bürgertums degradiert. Tagungen außerhalb der Hauptstadt oder die Gründung von Bezirksgewerbevereinen, welche sich als Ableger der Gewerbeförderungsgesellschaft verstanden, änderten daran nichts. 149 Seit 1 8 3 8 bemühten sich Lokalgewerbevereine darum, das moderne Ineinander von Kunst- und Warenöffentlichkeit in Lokal- und Bezirksgewerbeausstellungen wenigstens temporär nachzuinszenieren und so den lokalen Gewerben vor Ort vor Augen zu stellen. 150 Nach dem Vorbild der Stuttgarter Industrieausstellungen organisiert, freilich ohne eigenständigen Kunstbereich, bedeuteten sie einerseits Vergewisserung darüber, wie weit vor Ort eine Anpassung an den technischen Fortschritt und an den modernen Konsumentengeschmack gelungen war, andererseits pädagogische Veranstaltung insofern, als dieser Maßstab durch Teilnahmekriterien und durch die begleitende Rhetorik gegenüber den lokalen Produzenten und Konsumenten verbindlich gemacht wurde. Die Integration handwerklicher und kleingewerblich hergestellter Produkte in die Ausstellungsinszenierung erfolgte unter dieser Bedingung. So gab es auf der Reutlinger Gewerbeaussteilung 1 8 4 0 durchbrochene Frauenstrümpfe und gestrickte Unterhosen zu sehen, Geldbeutel, Glockenzüge, Quasten, Hosenträger und Hosenträgerschnallen, Kinderspielwaren (Husaren und Pferde, Wiegen und Korbwägelchen), Kinderkittel und -schuhe, Perlenhauben, Geld- und Tabaksbeutel, Messer, kurz, ein Gutteil der in der Reutlinger Gegend ansässigen, im Kleinen betriebenen Gewerbe. 151 Nur die drei ersten von insgesamt 108 Ausstellern - eine mechanische Wollspinnerei und zwei Tuchfabriken - sowie zwei Papierfabrikanten (davon einer von Kupferdruckpapier) ließen ausdrücklich fabrikindustriell produzieren. Viele der Aussteller gaben Berufsbezeichnungen wie Seckler, Bortenknopfmacher, Konditor, Drehermeister an und signalisierten so handwerkliche Herstellung und zünftische Zugehörigkeit. Auch ein Steindrucker mit einer »Partie Lithographieen« fehlte nicht. Ein wichtiger Gewerbezweig, die Reutlinger Buchgewerbe mit ihren populären Schriften, waren allerdings nicht vertreten. Die große Mehrzahl der auf der Ausstellung gezeigten Gegenstände wurde in der vorliegenden Beschreibung bloß mit der Gattungsbezeichnung angegeben (Handschuhe, Lederhosen, Kopfpolster), was darauf schließen läßt, daß es sich um Gebrauchsgegenstände ohne jeden Anspruch auf Mode, Geschmack oder Stil handelte. Einige, wie Regenschirme, Sofas,

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eine Kaffeemaschine, ein Teetisch oder ein Sekretär, tragen neuen, bürgerlichen Bedürfnissen Rechnung. Weitere Artikel sind eigens als neuartig bezeichnet: Stiefel nach französischer Art, modefarbenes Saffianleder, Wollmousseline, »aschgrauer Doppelperkai«, »gedruckte Westentücher mit verschiedenen Dessins«, zweifarbig bedruckte leinene Bodenteppiche und anderes mehr. Besonders ein Hersteller, J. G. Hecht, hatte lauter solche neue und bunt gemusterte Gegenstände im Programm, Teppiche, Schirmzeug, Westenstoff und farbig bedruckte Baumwollstoffe und Sacktücher. Ausgesprochene Prachtstücke gab es kaum, sieht man von einem »Monument und eine(r) Schlange von Haar« ab, welche der Phantasie eines Friseurs entsprungen waren, aus Zuckerhut geschnittenen Blumenvasen und einer Standuhr, welche sich durchs Öffnen und Schließen der Stubentür aufziehen ließ. Schließlich fehlte außer dem »Monument« und außer ein paar Laternen »in gothischem Stiel« jeder auch bloß vage Bezug zu Kunst. Eine ungewöhnlich kritische Besprechung der Ausstellung ließ an den meisten gezeigten Produkten kein gutes Haar: »Bei Vergleichung der bei uns producirten Waaren mit denen des Auslandes wird es Jedem auffallen, wie viel unsern Producten noch abgeht sowohl an Pünktlichkeit der Arbeit überhaupt, als namendich an Sorgfalt auf ihre zunächst in die Augen fallende Außenseite. In gar vielen Fällen ist Letzteres der einzige Grund, weßwegen solche Producte auswärts wenig Absatz finden oder wenigstens nur zu gedrückten Preisen, - der Grund, warum so Vieles von auswärts bezogen wird und bezogen werden muß, was man wohl eben so gut in der Heimath sollte bekommen können. Es ist dieß auch natürlich, denn sieht eine Waare von außen ungeordnet, nachläßig aus, so erregt dieß nothwendig im Käufer den Verdacht, die Waare sey auch sonst nachläßig ausgearbeitet worden, und manchmal möchte ein solcher Schluß des Käufers kein unrichtiger seyn, so gut, als man auch bey Menschen aus Nachläßigkeit in ihrem Anzug nicht mit Unrecht auf Nachläßigkeit in ihrem Wesen schließen kann. Gerade die feineren Waaren beziehen wir fast in allen Artikeln aus dem Auslande, theils weil die Anfertigung derselben eine Pünkdichkeit und Genauigkeit erfordert, wie man sie bei uns nicht gewöhnt ist, theils weil hiezu Geschmack in Formen und Farben gehört, der bei uns bis jetzt allzu sparsam verbreitet ist. Wo ordinäre Waare weder pünkdich, noch in ihrer Art schön gearbeitet wird, da läßt sich in feineren Waaren begreiflicherweise wenig hoffen.«152 Der Verfasser, ein Oberreallehrer, schob damit die Schuld an ihrer Misere den Kleingewerbetreibenden selber zu, die sie sonst auf das Fabrikwesen und die schlechten Zeiten abwälzten: »Fragen wir zuerst die Producenten selbst, so sehen diese, sofern der Fehler auf Geschmacklosigkeit oder, was häufig damit zusammenfällt, auf Mangel an letzter Politur beruht, diesen natürlich nicht ein, sofern er aber in nachläßiger, zu flüchtiger Arbeit seinen Grund hat, so hört man allgemein die Entschuldigung, daß die auf 335

größere Pünktlichkeit verwendete Mühe nicht bezahlt werden würde. Es ist freilich leider nur allzuwahr, daß Viele beim Einkauf über die Unpünkdichkeit einer Waare klagen, sie aber doch kaufen, weil sie um ein paar Kreuzer billiger zu stehen kommt, ohne zu bedenken, daß die im Ankauf etwas theurere Waare doch meistens wegen ihrer größeren Dauer minder theuer ist. Demnach ist nicht zu läugnen, daß das Publikum wohl eben so viel Schuld trägt wie die Producenten; technische Unkenntniß über die wahre Güte und Preiswürdigkeit einer Waare ist der Fehler auf Seiten der ersteren, Mangel am Geschmack und an dem Willen,... an dem Ehrgeiz, solide und pünkdiche Waaren zu produciren und besitzen zu wollen, fällt beiden Parthien zur Last.153

Von der Konkurrenz war keine erzieherische Wirkung zu erwarten, weil in der verarmten Provinz zwischen den Herstellern und ihrer Kundschaft eine Komplizität der Ansprüche und des Geschmacks bestand: »Die Concurrenz ist längst bei uns groß genug, reicht aber zu diesem Zwecke nicht aus, weil die Ansprüche der Consumenten ihr nicht entgegenkommen. Es fehlt also ein Mittel, letztere zu steigern.... eine Idee reift im Volke nur langsam; am wenigsten wird zu Stande gebracht, wenn man gleich der ganzen Masse die ihr noch ungewohnte Idee einpfropfen will. Man muß im Einzelnen und Kleinen anfangen«.154

Also half nur, die Problematik umfassend zu pädagogisieren, und das hieß, die an Kunst geschulten Geschmacksansprüche bürgerlicher Konsumenten den Herstellern systematisch durch eine Inszenierung des Zwangs der Zeitumstände vermitteln. Dazu reichten Zeichenschulen und Vorlagensammlungen, obgleich unabdingbar, nicht aus. Eigentlich sei es Sache der Kaufleute, durch entsrechende Ordre auf Verbesserung in der Warengestaltung zu dringen, aber die meisten seien daran nicht interessiert oder geschmacksmäßig nicht genügend qualifiziert. Auch der Nutzen von lokalen GeWerbeausstellungen sei dadurch begrenzt, daß nicht alle Gewerbetreibenden eines Ortes teilnähmen und daß die ausgestellten Produkte nur untereinander, aber nicht mit auswärtigen verglichen würden. 155 Da aber den hartnäckig altbackenen Gewerbetreibenden auf diese Weise nicht beizukommen sei, müßten in der Pädagogik der Umstände die Käufer, und zwar die bessergestellten, verantwortungsbewußten Käufer am Ort die wesentliche Rolle spielen, indem diese einen Lokal-Gewerbeverein gründeten, nicht um darin die fortschrittlicheren Produzenten, sondern die modernen Konsumenten zusammenzuschließen und dadurch Wünschen nach zeitgemäßerer Gestaltung bei den Handwerkern und Gewerbsleuten Nachdruck zu verschaffen: »Wenn ein Einzelner eine Waare irgend einer Art anders will, als sie der Gewerbsmann seither producirte, so ist das immer mit vielen Umständen und Ausführlichkeiten verbunden, und die Waare wird am Ende doch nicht so gut, und kommt nebendem theurer, als wenn man sie gerade von auswärts bezogen hätte, es wird

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daher meistens das letztere Mittel erwählt. Vereinigten sich dagegen Mehrere zu Bestellung zweckmäßigerer, besserer oder geschmackvollerer Waare, als seither zu erhalten war, so würde jeder Arbeiter auf die gemachten Anforderungen gerne eingehen, weil ihm größere Abnahme und damit größerer Vortheil in Aussicht gestellt wäre, und weil eine solche von einem Verein approbirte Waare eben hiedurch auch anderwärts empfohlen wäre.«156

Im Vorschlag des Oberreallehrers lassen sich unter einer gewerbepädagogischen Zielrichtung Argumentationsstränge über die Rolle von Geschmack, Industrie, Kunst wiedererkennen, aber sie waren auf die Situation von Handwerk und Kleingewerbe in einer Provinzstadt angewendet, deren Prosperität vom Flor eben jenes Kleingewerbes zu einem Gutteil abhing. 157 Der Reallehrer machte wie üblich für die desolate Lage das Kleingewerbe selbst verantwortlich: Die Produzenten weigerten sich, ihre Ware neuen Standards anzupassen, die sie gefragt machen würde. Dazu seien keine oder nicht in erster Linie Investitionen in Maschinen oder Geräte erforderlich, sondern Sorgfalt und Gleichmäßigkeit in der Ausführung, die richtigen (geschmackvollen) Formen und Farben. An der Weigerung, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, scheiterten alle Bemühungen, den Gewerben aufzuhelfen. Er muß allerdings zugeben, daß das Verhalten nicht ohne ökonomische Logik war. Am Ort und in der Region sähen die Käufer allein auf den Preis und nähmen fehlerhafte und geschmacklose Ware in Kauf. Solches Konsumentenverhalten schloß jedoch eine Entwicklung hin zu besserer Qualität, höherem Absatz, mehr Erlös aus und ließ die Gewerbe in der Konkurrenz mit ausländischen Waren immer weniger bestehen, Waren, welche auch von den Käufern der Gegend angenommen würden. Traditionellen Gewerben Möglichkeiten zu zeigen, unter den Bedingungen der Großen Industrie und der Gewerbefreiheit zu prosperieren, nahm sich der Ökonom Moriz Mohl ( 1 8 0 2 - 1 8 8 8 ) 1 5 8 vor, als er in einer umfangreichen Schrift die Ergebnisse jahrelanger, detaillierter Feldforschungen zur Situation von Verlagsgewerben in einigen französischen Departements - eine Art früher industrieller Ethnographie - auf die Situation der kriselnden alten Gewerbeorte Geislingen und seiner Beinschnitzer, der Schmuckproduzenten in Gmünd, der Tuchweber und Strumpfstricker in Göppingen anwendete159 und zur Verdeutlichung seiner Ergebnisse dem Staat eine umfangreiche Mustersammlung von Waren aus der Produktion der untersuchten Gewerbe vermachte, welche, öffentlich aufgestellt, zum Anschauungsunterricht und als Musterreservoir für Gewerbetreibende gedacht war. In seinen Analysen spielte Geschmacksbildung nicht nur des Kleingewerbes, sondern der Bevölkerung überhaupt eine zentrale Rolle. Letztere, in einem allgemeinen Sinn als Kultivierung von Bedürfnissen begriffen, war für Mohl, wie er 1 8 2 8 in einer Universitäts-Preisschrift dargelegt hatte, 160 nicht nur Folge, sondern zugleich Voraussetzung von 337

Industrialisierung, weil sie diejenige Nachfrage nach Konsumgütern stimulierte, deren industrielle Unternehmungen bedurften, und weil kultivierte Bedürfnisse mit guter Arbeitsmoral und Disziplin Hand in Hand gingen. Weit entfernt, die Bevölkerung zu demoralisieren, sei eine solche Kultivierung von Bedürfnissen positiver Ausdruck von Nationalwohlstand und kulturellem Niveau einer Nation. 161 Beides wiederum sei auf Dauer wegen der wachsenden Bevölkerung nur durch moderne Industrien zu garantieren. 162 Zu dieser Entwicklung gehörten aber neben Kapitalien vor allem Kenntnisse industrieller Produktionsverfahren und der richtige Geschmack: »Die wichtigsten Gewerbe werden jezt nicht nur in England ... durch Maschinen besser und wohlfeiler betrieben ... sie werden ... mit einer Intelligenz, einer Masse chemischer, mechanischer und merkantilischer Kenntnisse und mit einer Ausbildung des Geschmacks betrieben, die nur dem Fabrik-Unternehmer, nie dem Handwerker eigen seyn werden, und welche, wenn sie einem Handwerker eigen sind, ihn bei ungehinderter Entwicklung seiner natürlichen Kräfte nothwendigerweise bald zum Fabrikanten erheben«. 163

Mohl hatte also erkannt, daß der Prozeß der Industrialisierung von einer allgemeinen Transformation der Kulturmuster von Bedürfnissen wesentlich abhing und daß der moderne Geschmack Niederschlag jener Transformation war. Also war es folgerichtig, den modernen Geschmack gemein zu machen, das Vordringen von Moden zu begrüßen. Gerade von dieser wachsenden Differenzierung und Modernisierung von Bedürfnissen undvon der massenhaften Verbreitung, welche die Fabrikindustrie möglich machte, konnten, wie Mohl am Beispiel von Elfenbein- und Holzschnitzern zeigte, auch kleine Gewerbe profitieren, vorausgesetzt, sie ließen sich auf die Moderne und deren ästhetische Manifestationen und neuen Konsumentenansprüche ein, wie es etwa die Schnitzer in Dieppe machten, deren ungeheuer diverses Sortiment Kinderspielsachen, Gürtelschnallen, Lockenkämmchen, Hemdknöpfe, Fächer, Visitenkartentäschchen, Nadelkissen, Stickstifte, Fadenhaspel, Briefbeschwerer, Falzbeine, Siegelstöcke, Serviettenringe, Leuchter, Porträts, Büsten, Bildsäulen (darunter der Apoll von Belvedere und die medicäische Venus) und religiöse Gegenstände umfaßte. 164 Die Produktion dieser Sachen erforderte nur einen geringen technischen Aufwand und damit weniger Kapital als Geschicklichkeit, große technische Flexibilität, das rasche Aufgreifen modischer Trends und eine gute Absatzorganisation, weswegen fleißige Arbeiter sich, da sie gut verdienten, zu Fabrikanten emporarbeiten konnten. 165 Indem aus kriselnden Handwerksgewerben solche modernen Kleinindustrien entstünden, würde implizit wiederum ein Markt für Industrieprodukte geschaffen, Fachkräfte für die Industrie qualifiziert und damit das Emporkommen der

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Großen Industrie befördert. 166 Damit lief Mohls Strategie derjenigen der Gewerbeförderungsgesellschaft konträr, Kleinindustrien als Armenbeschäftigung zu organisieren, welche meist Produkte für etwas weniger Arme herstellten - zum Beispiel Holzuhren, Granatschmuck oder grobe Spitze für bäuerliche Trachten - die auf traditionelle Bedürfnisse ausgerichtet waren und also eine Geschmacksbildung der Herstellenden nicht erforderten, und deren Mitglieder aus den Kreisen der Industrie implizite gerade in der Armut und der Krise der Kleingewerbe einen Standortvorteil für die Industrie sahen. 167 Credo des ganzen Mohlschen Buches war, daß die Überlegenheit der französischen Tabletteriegewerbe sich dadurch erklären lasse, daß diese das Erfolgsrezept der französischen Industrie überhaupt übernommen hatten - den überlegenen Geschmack - und daß in einer Verbesserung des Geschmacks der Ansatzpunkt für die Verbesserung der Lage der württembergischen Kleingewerbe zu suchen sei: »Es bewährt sich also bei diesem Gewerbe die allgemeine Erscheinung, welche das französische Gewerbswesen darbietet, nämlich, daß der französische Arbeiter und Fabrikant viel mehr verdient als der deutsche, weil der erstere nicht ruht, bis er das Schönste, Geschmackvollste und Neueste in seinem Fache liefert, was überall und in allen Ländern von den wohlhabenderen Klassen gesucht und gut bezahlt wird, während wir in Deutschland uns hierin von den Franzosen haben weit überflügeln lassen, daher fur unsere ordinären und weniger geschmackvollen Waaren nur eine geringe Belohnung finden, und in unseren[!] Gewerbsbetriebe zum Theil zurück oder doch nicht so vorwärts kommen, wie wir könnten und sollten.« 168

Aus alten Gewerben neue Kunstindustrien zu machen - denn in diese Klasse gehörten die französischen Vorbilder wegen ihrer Arbeitsorganisation, ihrer Produkte und deren Vermarktung - bedurfte es in Württemberg Mohl zufolge einer Etablierung der Bildungsmittel der instruction publique, welche in Frankreich diejenige technische und kommerzielle Flexibilität und Geschmackssicherheit hervorgebracht hatte, die den Erfolg der untersuchten Gewerbe ausmachten, an den Zentralorten der kriselnden Kleingewerbe: Kunstmuseen, Gemäldegalerien, Vorbildersammlungen, Unterricht in Kunstgeschichte und Zeichenunterricht für die Geschmacksbildung, außerdem mathematische und gewerbetechnische Kurse und Grundelemente der Naturwissenschaften und Fremdsprachen. Dazu kamen öffentliche Vorträge, Bibliotheken, Naturalienkabinette und anderes mehr, was der Horizonterweiterung und der Fähigkeit zur Verknüpfung von Kenntnissen dienen konnte. 169 Eine solche Bildungsoffensive schien Mohl desto eher geboten, als in England zumindest in Bezug auf Geschmacksbildung und Zeichenunterricht Gleiches geschah, wie er die einschlägigen »Parliamentary Reports« zitierte. 170

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Die Grundvoraussetzung der Geschmacksbildungsanstrengung stand für Mohl dabei außer Frage, daß nämlich in der Kunst Regeln der Schönheit zu finden seien, welche auch auf den Konsumentengeschmack zuträfen, und daß daher eine an anerkannt schönen Kunstformen orientierte Warengestaltung sicheren Absatz garantiere: »Wäre der Diepper Fabrikant und Arbeiter nicht im Stande ... eine medizäische Venus, einen Apoll von Belvedere, eine Diana, einen Bacchus, einen Amor nach antiken Statuen darzustellen, so könnte er auch kein Jägerpfeifchen mit dem Kopfe der Diana, kein Falzbein mit der Büste der Flora, keine Visitenkartentäschchen mit einer Venus oder einem A m o r darstellen. ... /

... Hätte er nicht die vollkommene

Geschmacksbildung durch den besten Zeichnungs-Unterricht von einem Künstler erhalten, so könnte er auch keine Ohrgehänge u.s.w. mit Blumenstückchen schnitzeln, mit einem Worte, sein ganzes Gewerbe hängt von seiner künsderischen Ausbildung ab. Selbst für die glatten Gegenstände ist ihm diese Ausbildung von unschätzbarem Werthe, weil sie ihm auch hiefür die geschmackvollsten Formen an die Hand giebt«. 1 7 1

Mit anderen Worten: Geschmacksbildung sollte die Gewerbetreibenden und deren Nachwuchs in die Lage versetzen, sich der modernen Kulturmuster des Konsums zu vergewissern, denen die Kunst Formen, Zeichen und Begriffe lieferte. Dazu wie auch zur gewerbsmäßigen Ausrichtung des übrigen Unterrichts forderte Mohl eigenständige, wissenschaftlich begründete Curricula sowie speziell ausgebildete Fachlehrer, welche das Wissen zu vermitteln vermochten, welches für Produktion und Handel erforderlich war. Statt also für die Geschmacksbildung verkrachte Künstler dafür anzustellen, daß sie stupides Kopieren von Vorlagenblättern beaufsichtigten, plädierte Mohl dafür, die auf die Erfordernisse von Arbeitern in der Kunstindustrie zugeschnittene, populäre und erfolgreiche Zeichenmethode der Brüder Dupuis zu übernehmen, welche auf einem systematisch angeleiteten Studium des Verhältnisses von Figuren im Raum anhand zeichnender Analyse einer Serie geometrischer und plastischer Modelle bestand, welche zum richtigen Erfassen und zur zeichnerischen Umsetzung von Proportionen, Licht und Schatten usw. hinführten. 172 Museale Formen der Wissensvermittlung spielten also wie in Frankreich bei Mohl eine zentrale Rolle sowohl, was den Vorbilderkanon von Kunst und Kunstgeschichte betraf, als auch bei der Veranschaulichung von Rohstoffen, Produkten, Maschinen und Geräten. An den württembergischen Gewerbeorten sollte zum Nutzen von Handwerkern und Arbeitern um diese musealen Präsentationsformen herum eine Bildungsinstitution entstehen, welche auf die Zwecke der Kunstindustrie hin ausgerichtet war. Das aber hieß, daß sie mehr sein mußte als bloßes Mittel der Ausrichtung handwerklicher Produktion auf bürgerliche Ansprüche hin, wie der bis dahin hier und da recht und schlecht etablierte Zeichnungsunterricht für

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Handwerker es war. Noch konnte es sich um eine Übertragung der Bildungskonzeption von Kunstmuseum und Kunstakademie handeln, die beide der Bewahrung respektive Erneuerung des Kunsterbes und einer Vermitdung ästhetischer Prinzipien um der Kunst willen dienen sollten. Vielmehr implizierte der Entwurf wie schon die Stuttgarter Kunst- und Gewerbeschule einen pädagogisch reflektierten Zugriff auf die Welt auf der Basis der Wissenschaft und einen eigenständigen Zugang zur Kunst- und Warenöffentlichkeit als zentralem Bezugspunkt der ästhetischen Moderne, einen Zugang, welcher aber, anders als die Kunst- und Gewerbeschule, nicht in erster Linie künftigen Unternehmern, Ingenieuren, Künstlern oder allenfalls Lehrern als Ausbildungsstätte dienen sollte und damit als Bildungsinstitution des modernen Bürgertums konzipiert war. Mohls Entwurf dagegen war explizit darauf gerichtet, unterbürgerliche Schichten nicht bloß zu disziplinieren oder auszubilden, sondern sie insofern zu bilden, als sie in die bürgerliche Welt verständig und in eigenem Interesse hineinzuhandeln fähig gemacht werden sollten. Jenseits des Bürgertums sollte zu diesem Zweck die Beziehung von bürgerlicher Kultur und Konsum daraufhin thematisiert werden, auf welche Weise sie sich als kommerziell kalkulierbare Größe darstellte. Mohl fügte dem Verständigungszusammenhang über gesellschaftliche Aspekte des Dinggebrauchs, in dessen Zentrum das Bürgertum musealisierte Kunst gestellt hatte, eine weitere Dimension hinzu. Nicht allein setzte die Kunst Geschmacksstandards zwischen den verschiedenen Gruppen, aus denen sich das moderne Bürgertum zusammensetzte, und half so dabei, daß sie eine gemeinsame Kultur teilen, gemeinsame Wahrnehmungsformen entwickeln und sich als Mitglieder einer Klasse erkennen konnten. Nicht nur bedienten sich ihrer die Kunstindustrie und fabrizierende Künstler aller Art, um anhand empirisch evidenter oder theoretisch postulierter Analogien zwischen Kunst- und Konsumentengeschmack Aufschluß, also Kunde über letzteren zu gewinnen. Sollte Kunst durch Bildung über das neue Bürgertum hinaus Handwerkern, Kleingewerbetreibenden, Arbeitern gemein gemacht werden, dann, um ihnen Kunde von bürgerlicher Kultur zu geben, ein Wissen, das hinreichend systematisch war, um über die Warenproduktion Einflußnahme zu ermöglichen. Damit aber waren ihnen zugleich Mittel an die Hand gegeben, Teilhabe an der bürgerlichen Kultur zu suchen und auf diese Weise die kulturelle Selbstdefinition des Bürgertums zu unterlaufen - eine Art Volkskunde im umgedrehten Sinn eines anwendbaren Volkswissens über die Distinktionsmodalitäten des Bürgerlichen - und darüber hinaus mögliche Grundlage eigener moderner Selbstverständigungsweisen, Kunst- und Konsumformen, eigenständiger Beiträge zur Industriekultur. Aus der Perspektive der kleinen Produzenten konnte damit eine Bildungsinstitution, wie von Mohl avisiert, als ein 341

Schlüssel zur Existenz unter den Bedingungen der industriellen Moderne erscheinen, aus der Perspektive moderner Konsumenten ein Zuwachs an Auswahl und eine Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten an bürgerlicher Konsumkultur; aus der Perspektive des modernen Bildungsbürgertums dagegen stellte sie ein Sakrileg dar, die Banalisierung von wahrer Bildung, Kunst und Kultur. Das Projekt kam allerdings aus verschiedenen Gründen nicht voran. Von der Gewerbeförderungsgesellschaft als Sachverständige vorgeschickte Kaufleute bemängelten die Mustersammlung, denn die beigebrachten Gegenstände seien zwar schön und kunstvoll, aber »insofern weniger zu Mustern für vaterländische Gewerbetreibende geeignet, als dasselbe mehr zu den Mode- und Luxus-Artikeln gehört, welche füir unsere Verhältnisse weniger passen, und wozu es ebensowohl an geeigneten Arbeitern als an Abnehmern bey uns fehlen würde«,173 worauf Mohl erwiderte, Maßstab der Marktgängigkeit sei nicht Stuttgart, sondern die Absatzmärkte Frankreichs, und im übrigen die Gutachter für voreingenommen erklärte, da sie von den Absatzchancen und Fertigungsmethoden der französischen Produkte im allgemeinen nichts verstünden, aber ein Interesse daran hätten, das inländische Gewerbe niederzuhalten, um ihr Monopol auf teurere ausländische Waren zu behalten. Zwar wurden Teile der Sammlung dem Publikum zugänglich gemacht, aber zum Aufbau von Gewerbeschulen kam es erst, nachdem Gewerbeförderung von den 1848er-Revolutionären als Regierungsaufgabe eingefordert werden sollte - ein halbes Jahrhundert, nachdem die moderne Kunst- und Warenöffentlichkeit, die Kunstindustrie, das Kulturmuster des modernen Konsums sich entfaltet hatten und nachdem das System von Gewerbeförderung durch instruction publique auf dem Hintergrund der Konkurrenz zur englischen Wirtschaftsmacht zum Ausgangspunkt einer neuen kulturellen Hegemonie und damit zum Angelpunkt der französischen Wirtschaftspolitik gemacht worden war. Eben damit, mit der Errichtung einer Zentralstelle für Gewerbe und Handel, mit Musterlager, Vorbildersammlung und öffentlicher Gewerbebibliothek, mit der Organisation eines gewerblichen Fortbildungsschulwesens auf der Grundlage von Zeichenunterricht nahm seit der Jahrhundertmitte Württemberg Teil an einer neuen Geschichte,174 der Geschichte des endgültigen Durchbruchs der industriellen Ära, der Weltausstellungen, der modernen Metropolen und der Herausbildung moderner, das heißt, der Epoche adäquater Formen von Hoch- und Populärkultur mit ihren jeweiligen, sich überschneidenden Kunst- und Warenöffentlichkeiten, Künsten und Ästhetiken, Konsumformen und darauf zugeschnittenen Kunstindustrien. Daraus entwickelte sich im Laufe des Jahrhunderts im westlichen und mittleren Kontinentaleuropa und in England die visuelle Kultur der modernen Industriegesellschaft. Das sollte auf 342

der Grundlage derjenigen Figurationen von Kunst, Museum, städtebaulichem Ambiente und Konsumgesellschaft geschehen, welche das nachrevolutionäre Frankreich hervorgebracht hatte - mit einigen Modifikationen und Brüchen wirken diese bis heute in der Welt.

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IV. Schluß: Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik

Geschmacksbildung als Gewerbeförderung - hinter dieser heute unverständlichen und obsolet erscheinenden Verknüpfung zweier heterogener Begriffe steckte im letzten Jahrhundert ein popularitätsheischendes kulturund wirtschaftspolitisches Programm zur gewerbepädagogischen Fassung und institutionellen Befestigung einer ökonomisch begründeten Grundkonstellation von Kunst und Industrie, Warenproduktion und Kulturmustern des Konsums am Anfang der industriellen Moderne. In der vorliegenden Untersuchung, welche nach dem geschichtlichen Kontext des Programms »Geschmacksbildung als Gewerbeförderung« fragte, um seine Begründung, Funktion und Wirkung identifizieren und verstehen zu können, ist diese Grundkonstellation in je unterschiedlicher Perspektive hervorgetreten. Die Rekonstruktion des historischen Kontextes von Geschmacksbildung als Gewerbeförderung ging von der Annahme aus, daß die Entwicklung der industriellen Konsumgüterproduktion allmählich Lebensweise und Sachkultur immer weiterer Teile der Bevölkerung in doppelter Weise veränderte - zum einen, indem immer größere Mengen industriell produzierter Waren dem Konsum zur Verfugung standen, - zum anderen, indem immer weitere Teile der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise an der Marktökonomie partizipierten und damit über Geld verfügten, um solche Waren zu kaufen. Aus dieser kulturellen Tatsache mußte sich eine zweite ergeben, nämlich eine wie auch immer geartete Verständigung von Produzenten und Konsumenten darüber, wie Waren beschaffen sein sollten, welche rationell für einen anonymen Markt produziert wurden und zugleich unterschiedlichen, nicht mehr durch Traditionen gefestigten Konsumansprüchen entsprechen mußten, um absetzbar zu sein. Das hieß, daß in der Sphäre des Marktes Symbole und ästhetische Wertmaßstäbe eine wichtige Rolle spielten. Gemäß der Logik des industriellen Prozesses lag es demzufolge aber im Interesse sowohl der Produzenten als auch der Konsumenten, Strukturen und Institutionen zu schaffen, welche einen solchen Verständigungszusammenhang stifteten, mit dessen Hilfe sich alle symbolisch vermittelten, gesellschaftlichen Aspekte des Dinggebrauchs thematisieren ließen. Anders

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als der anonyme, ubiquitäre Austausch, der zwar geschichts- und kulturmächtig, aber nicht durch Quellenmaterial als Prozeß faßbar ist, anders auch als das Spiel der Bedeutung von Gegenständen, das, wie die Mode zeigt, rasch wechseln kann und sich im Nachhinein nur schwer rekonstruieren läßt, mußte die Arbeit an diesem Verständigungszusammenhang, das heißt der Aufbau von Strukturen und Institutionen und die Begründung dafür einen empirisch faßbaren Niederschlag gefunden haben, der die historische Rekonstruktion dieser Arbeit erlaubte. Programmm und institutioneller Niederschlag des Projekts »Geschmacksbildung als Gewerbeförderung« wurden als konkreter Ausdruck dieser Arbeit an einem Verständigungszusammenhang begriffen und als deren zentrales Anliegen die Verbreitung von Ordnungsprinzipien und Bedeutungsgehalten identifiziert, welche die Institution des kunst- und kulturgeschichtlichen Museums bereitstellte. Dieser Typ Institution lieferte den Schlüssel zur Begründung, Funktion und Wirkung von Geschmacksbildung. Zunächst wurde wurde gezeigt, inwiefern Paris seit der Wende zum 19. Jahrhundert der Ort war, an welchem der Verständigungszusammenhang programmatisch als Funktionalisierung von Kunst und Museum für die industrielle Entwicklung der französischen Nation vorgedacht und in einer Weise umgesetzt wurde, welche für den Rest der europäischen Welt vorbildlich werden sollte. Mit Hilfe des französischen Modells wurden dann Beziehungen zwischen Kunstöffentlichkeit, Konsum und Konsumgüterindustrie im Königreich Württemberg rekonstruiert. Kunst und Industrie, Warenproduktion und -konsum waren dort seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts in den Entstehungszusammenhang der (gesellschaftshistorischen) Moderne gestellt. Zum ersten: die praktisch mit Kunst umgingen - als Museumsbesucher, Kunstbetrachter, Kunstfreunde, kunsthistorisch Interessierte, Kunstgesellige oder Käufer - signalisierten damit, daß sie sich aus traditionalen Bindungen gelöst hatten: Sakrales (Kirchen, Statuen, Altäre) wurde ihnen zur Kunst ebenso wie Insignien weltlicher Herrschaft (Schlösser, Galerien, Skulpturen). Ihr Umgang mit Kunst band sie in eine neue urbane Kultur und Zivilisation ein und gab ihnen zugleich das Medium, sich darüber zu verständigen - einem Insgesamt von Kunst und Warenwelt, ästhetischer Bildung und Konsum. Was diese Leute, was Bürger an Möbeln, Hausrat, Kleidung, Accessoires auswählten, womit sie sich umgaben, schien sich der Logik von Kommerzialisierung und Industrialisierung zu fügen, gerade indem Auswahl und Interieur auf Kunst bezogen wurden. Kunst signalisierte, skandierte, strukturierte nicht nur eine im Entstehen begriffene gesellige Öffentlichkeit und öffentliche Gesellung, eine Öffentlichkeit, die hauptstädtischer Verdichtung von Ressourcen und Interessen bedurfte, sondern darüber hinaus war 346

sie ein zentrales Mittel der Vernetzung lokaler bürgerlicher Öffentlichkeiten, weil Kunst eine gemeinsame Basis der Verständigung zwischen Personen und Orten schuf, Gemeinsamkeiten des Wissens, des Fühlens und des ästhetischen Urteilens. Die Ausbreitung von Kunstinteresse zeigte eine intensivere Anbindung der Provinz an die Hauptstadt an und vermehrte zugleich die Ausstrahlung der Hauptstadt in die Provinz. Innerhalb der neuen Kunstöffentlichkeit signalisierte Kunst schließlich zugleich auch gesellschaftlichen Status innerhalb des entstehenden modernen Bürgertums in Konkurrenz zur ständischen Hierarchie. Ausstrahlung und Glanz der neuen Kunstöffentlichkeit wurden zugleich von einer neuen Warenwelt mitgetragen - Kunstwerke selbst, Kunstreproduktionen, Dinge, die durch Form und Zier auf Kunst Bezug nahmen - , auf die sich eine neue Kultur des Konsums gründete. Kunst erschien als Medium, den Konsum von vielerlei Waren zu enkulturieren. Die ästhetische Dimension des Auswählens war ebenso auf sie ausgerichtet wie der Statuswert von ausgewählten Dingen. Ein Kanon musealisierter Kunstwerke stand im Zentrum einer tendenziell umfassenden Ästhetisierung und zwar in doppelter Hinsicht: der Betrachtung (des Blicks) und des Handelns (der »Verschönerung«) von und im Stadtraum, von und in ländlichen Räumen und bürgerlichen Interieurs, von und in Bezug auf Natur, Dinge und Menschen insgesamt. Diese Ästhetisierung griff auf das unmittelbare Lebensumfeld aus, auf Bedürfnisse, das Gefühlsleben, auf religiöse Empfindungen und Bildungsprozesse. Das Museum stellte das organisierende Prinzip dieses ästhetischen Insgesamt. Es war nicht nur Ort einer neuen Urbanen öffentlichen Gesellung. Museales Präsentieren, Sammeln und Ordnen umfaßte Monumente und Objekte aller Art, Naturdinge ebenso wie Kulturdinge, ja selbst Waren und Maschinen. Das Museum stellte Objekte als typisch, besonders, wertvoll heraus und machte sie zum Maßstab und zum Vorbild. Es stellte sie in Entwicklungsreihen und Verwandtschaftsbeziehungen ein und machte dadurch Geschichte, Entwicklung, Fortschritt und Moderne sichtbar. Im Kunstmuseum verkörperte sich diese Ordnungsarbeit in besonderer Weise. Das Museum gab auch dem gewerblichen Ausstellungswesen die Form, welches gleich dem Museum auf die Dingwelt insgesamt ausgriff. Es gab dieser zeitlich begrenzten, periodisch wiederkehrenden Veranstaltung Organisationsprinzipien, Beurteilungskriterien und Betrachtungsweisen vor. Nicht allein daraus, daß Naturobjekte und Artefakte gesammelt, beurteilt, geordnet, ausgestellt wurden, gewannen Museum und Ausstellung also ihre Bedeutung für die Zeitgenossen. Ihnen wurde die Funktion übertragen, Geschmacksmaßstäbe zu setzen, wie sie im Anden Regime der Hof, König und höfische Gesellschaft gesetzt hatten. Ausgestellte Sammlungen waren allerdings bloß ein sichtbarer, unvollständiger, stellvertretender aber 347

zugleich bedeutsamer, Maßstäbe setzender Teil eines imaginären Museums. Dieses strukturierte die kollektive Erfahrung aller, welche Kunst betrachteten oder Natur erforschten (also zum Beispiel botanisierten oder Steine sammelten). Tendenziell konnte dieses imaginäre Museum alle Teile der Dingwelt umfassen. Ausstellungen trugen Dinge an dieses imaginäre Museum heran. Von daher läßt sich verstehen, warum ihnen seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine solche Bedeutung zugemessen wurde und warum es den Zeitgenossen notwendig, ja selbstverständlich schien, Kunstwerke und Industrieprodukte gemeinsam auszustellen und von der Einrichtung eines Kunstmuseums Impulse für die Gewerbeförderung zu erwarten. Mittels Museen und Ausstellungen wurden die vielfältig angebahnten Beziehungen zwischen Kunst, Industrie und bürgerlicher Gesellschaft: institutionalisiert. Sie waren weder zufällig entstanden noch willkürlich gesetzt und vor allem, sie waren weit mehr als lediglich Beziehungen zwischen Waren und Gestaltungsvorlagen: Kunst war nicht ohne weiteres einfach Vorlagensammlung für Muster, das Problem von Geschmacksbildung und Mode war nicht ein bloßes Informations- und Ressourcenproblem. Dazu wurde es erst im Laufe des ganzen Jahrhunderts gemacht. Am Anfang stand die Frage nach einer neuen, einer bürgerlichen, einer Industriekultur im emphatischen Sinn. An einer Fülle von konkreten Beispielen ließ sich zeigen, daß die Arbeit am Verständigungszusammenhang sich in Bemühungen um eine Ästhetisierung und Musealisierung des öffentlichen Raums, von Kulturmustern des Konsums und von Formgebung in der Konsumgüterherstellung konkretisierte und daß diese Bemühungen tatsächlich selbst in einem peripheren Land wie dem württembergischen Königreich als konstitutive Faktoren der industriellen Entwicklung und der Entstehung einer modernen bürgerlichen Konsumkultur angesehen werden können. Die formelhaften Behauptungen der Zeitgenossen über den Zusammenhang von Kunst, Geschmack und Gewerbe beruhten also nicht auf einer verspäteten und verkürzten Rezeption aufklärerischer Geschmacksästhetik, sondern waren der Ausdruck neuartiger praktischer Erfahrungen über den Zusammenhang von Kunst und Industrie, Produktion und Konsum, Musealisierung und ökonomischer Entwicklung, die das Wissen transportierten, daß Kunst Bedürfnisse entgrenzen und strukturieren konnte und zugleich das Mittel darstellte, sie abzubilden. Die französische Industrie, gebeutelt durch Revolution und Krieg, aber Hüterin der Traditionen und Kenntnisse bei der Herstellung von Luxusgegenständen, machte sich zuerst auf, diese Erkenntnisse umzusetzen und mit einer geschickten Kombination von modernen Techniken und handwerklichen Verfahren, fabrikindustrieller und werkstättenmäßiger Arbeitsorganisation eine äußerst differenzierte Produktpalette qualitätvoller, sorgfältig gestalteter Konsumgüter in einer

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Vielzahl kleiner Serien zu produzieren und damit den an der populär gewordenen, vielfach reproduzierten Kunst orientierten »modernen Geschmack« breiter neuer bürgerlicher Schichten zu treffen. Die Bemühungen um Gewerbeförderung mittels Bildung des Geschmacks der Gewerbetreibenden und des Publikums in Württemberg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich als eine Umsetzung der Erfahrungen auffassen, die am französischen Vorbild gewonnen wurden, ebenso wie die Entwicklung der Gewerbe selbst am französischen Vorbild der gewerblichen Entwicklung ausgerichtet war. Dieses Modell stellte in der Auffassung der Zeitgenossen eine Alternative zum (unheimlichen) Modell der englischen Großindustrie dar. Von daher war Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik sinnvoll, gerechtfertigt und anschaulich begründet. Insofern viele der in Württemberg gewonnenen Beispiele auf allgemeinere Bezüge verwiesen, also etwa als Waren für einen allgemeinen Markt bestimmt waren oder als bürgerliches Kulturmuster einen übergreifenden Anspruch verkörperten, läßt sich ziemlich sicher sagen, daß nachholend und im kleinen Maßstab sich in Württemberg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das gleiche abspielte wie andernorts in Mitteleuropa und in einigen europäisch dominierten Metropolen in Übersee, allerdings im gleichsam mikroskopischen Zugriff auf das kulturelle Leben, auf Konsum und Interieur, Lektüre und ästhetische Bildung biedermeierlicher Württemberger einerseits, auf Künstler, Handwerker, Kunstindustrielle und auf deren Produkte andererseits verdichtet und gerafft. Auf diese Weise gewannen die Arbeit am Verständigungszusammenhang, die Rolle des Museums, Kultur- und Wirtschaftspolitik Kontur und erschienen in konkreten Bezügen als zentrale Bestandteile und treibende Kräfte des bürgerlichen Projekts industrieller und kultureller Entwicklung ebenso wie als Bedrohung und Überwältigung traditionaler Kulturmuster des Wirtschaftens und der häuslichen Bedürfnisökonomie. Museale Ordnungsstrukturen wurden nicht bloß an zentralen Orten, in einzelnen Gewerben und bei einer kleinen Schicht hauptstädtisch-bürgerlicher Konsumenten wirksam, sondern sie breiteten sich aus und wurden zu einem entscheidenden Faktor für die gewerbliche Entwicklung ebenso wie für die Durchsetzung moderner Kulturmuster des Konsums. Industrielle und kulturelle Entwicklung haben sich im Verlauf der Untersuchung als derart miteinander verschränkt erwiesen, daß über die Kunst, vermittelt über deren museale Präsentation im öffentlichen Raum, ein Muster für die moderne Sachkultur der Industriegesellschaft formuliert wurde, welches sich über das Bürgertum hinaus erstreckte und indirekt die Gesamtheit aller Konsumenten von Sachgütern einbezog. Daran war jene Pädagogisierung der Kunst wesentlich beteiligt aber nicht ursächlich, welche im 19. Jahrhundert unter dem Schlagwort »Geschmacksbildung als 349

Gewerbeförderung« popularisiert und allmählich Bestandteil einer staatlichen Entwicklungspolitik wurde, die modernitätsabgewandt produzierenden und dadurch ökonomisch ins Hintertreffen geratenen Handwerkern und Kleingewerbetreibenden einen Zugang zum Zusammenhang von Kunst und Konsumentengeschmack vermitteln sollte, wie das auch in Württemberg der Fall war. Mit anderen Worten: Kultur im emphatischen Sinn von Kunstgeschichte und Pädagogik sollte im Verlauf des 19. Jahrhunderts Kultur im Sinne der materiellen Äußerung von Lebensformen überformen, ästhetisieren und damit im Sinne des industriellen Prozesses finalisieren. Als ein primär gesellschaftliches Phänomen fand die Arbeit am Verständigungszusammenhang in erster Linie im öffentlichen Raum statt. Dieser Raum umfaßte Abhandlungen, Aufrufe und Debatten ebenso wie Stadträume oder Reiserouten, Warensortimente oder jenen Bereich bürgerlicher Privatinterieurs, der nicht gänzlich engen Familienmitgliedern, privaten Verrichtungen oder dem Dienstpersonal vorbehalten war. In diesem Raum entwickelte sich ein Grundmuster von Beziehungen zwischen Kunst und Industrie, Produktion und Konsum, welches durch eine disparate, aber letztlich gleichgerichtete Arbeit am Verständigungszusammenhang über gesellschaftliche Aspekte des Dinggebrauchs in einem Prozeß der Musealisierung resultierte, der seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, markiert von Diskursen über »modernen Geschmack«, den öffentlichen Raum, Sachkultur und industrielle Produktion zu durchziehen begann. So kamen zusammen mit der Industrie, zusammen mit einer neuen Warenfulle, zusammen mit Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellungen die antiken Götter, die maurischen Arabesken, die Ornamente der griechischen und römischen Antike, der italienischen Renaissance und der deutschen Gotik über das Land. Etwas davon: ein Vorbilderwerk, ein gipsener Apoll von Belvedere oder ein Fragment eines cäsarischen Palastes oder einer pompejanischen Villa waren nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts an jedem Ort zu finden. In Grundzügen war dieser Vorgang, wie sich allmählich herausstellte, bereits in den 1830er Jahren in den Hauptzügen etabliert. Was danach kam, war bis zum Ende des Jahrhunderts das ökonomisch begründete und kulturpolitisch gestützte Bemühen, den einmal gewonnenen Verständigungszusammenhang zu einem quasi nahtlos geltenden, industrieller Verwertung restlos einverleibten zu machen. Das Wissen um seinen Ursprung ging dabei allmählich verloren, dafür wuchs die Überzeugung von der Gesetzmäßigkeit von Schönheit der Kunst und der Eifer, diese Gesetze als Regeln des Konsums zu verbreiten und auf Produkte zu übertragen. Am Höhepunkt dieses Verständigungs- und zugleich Täuschungszusammenhanges fielen bürgerliches Interieur, historistische Fassa-

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de und kulturhistorisches Museum in eins. Damit war die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Zwar wurden seit dem Ende des Jahrhunderts die offiziellen Geschmacksnormen allmählich abgelöst, indem die Orte ihrer Verbreitung von Vertretern einer neuen anti-historistischen, psychologisch und funktional begründeten Ästhetik systematisch erobert und besetzt wurden. Im bürgerlichen Interieur aber hielt sich das Museum hartnäckig, es behauptete sich bis in die Gegenwart als Wohnideal gegen Inflation, Krieg, Vertreibung, Funktionalismus und neue, synthetische warenästhetische Traumwelten.

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Anmerkungen

Abkürzungen ADB Bü HStASt NDB StAL

Allgemeine Deutsche Biographie Büschel Hauptstaatsarchiv Stuttgart Neue Deutsche Biographie Staatsarchiv Ludwigsburg

I. Einleitung 1 Vgl. Waentig, Wirtschaft und Kunst; Mai, Kunstpolitik. 2 Vgl. Bourdieu, Unterschiede. 3 Zum Konzept der Ökonomie symbolischer Formen vgl. Bourdieu, Theorie der Praxis, insbes. S. 3 3 5 - 3 7 7 . 4 Bourdieu, Croyance und ders., Unterschiede, S. 3 1 - 1 6 7 und passim. 5 Bourdieu, Unterschiede, S. 2 7 7 - 4 0 4 und passim. 6 Vgl. Beckmann, Gewerbeaussteilungen; Haltern, Weltausstellung; Holt, Art o f all nations; Kroker, Weltausstellung; Mainardi, Art and politics. 7 Vgl. Joerissen, Kunsterziehung; Kemp, Zeichenunterricht; Lipsmeier, Technik und Schule. 8 Vgl. Mündt, Kunstgewerbemuseen. 9 Vgl. Deneke u. Kahsnitz, Museum im neunzehnten Jahrhundert; Harten, Museen; Korffu. Roth, Historisches Museum; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1 8 0 0 - 1 8 6 6 , S. 5 5 1 - 5 6 9 ; M a i n . Waetzold, Kunstverwaltung; Calov, Museen und Sammler; Pomian, Ursprung des Museums. 10 Vgl. Giedion, Mechanisierung; Pevsner, Pioneers; Schaefer, Roots; Stürmer,

Handwerk.

11 Vgl. Reinhardt, Reklame. 12 Vgl. Campbell, Romantic ethic. 13 Vgl. Robinson, Boulton's marketing techniques. 14 Vgl. Braudel, Civilisation materielle, Bd. 2 , S. 4 9 5 - 5 3 4 . 15 Vgl. Wallerstein, Modern world system; Krippendorff, Landhandwerk; Kriedte, Spätfeudalismus.

Internationales System;

Schultz,

16 Als Beispiel Medick, Familienwirtschaft. 17 Max Weber hat die Grundlagen für derartige Überlegungen mit seinem Werk über die protestantische Ethik geschaffen. 18 Vgl. Braudel, Civilisation materielle, Bd. 2 , S. 1 5 1 - 1 5 3 ; Medick, Familienwirtschaft, S. 1 3 8 - 1 5 4 ; Wolff, Guildmaster; Mukerji, Mass culture. 19 Vgl. Thirsk, Economic policy; McKendrick, Commercialization; Brewer u. Porter, Consumption; Sandgruber, Konsumgesellschaft; Berg, Age o f manufactures.

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Anmerkungen zu S. 16-20 20 Vgl. McKendrick, Commercialization; Weatherill, Consumer behaviour; Brewer u. Porter, Consumption. 21 Vgl. Crossick u. Haupt, The historian, insbes. S. 3f. 22 Dazu Chapman, Enterprise. 23 Diese Überlegungen finden sich im wesentlichen in neueren angelsächsischen Arbeiten zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Vgl. Samuel, Workshop; Coleman, Textile growth; Crossick, Petite bourgeoisie in Britain, S. 6 5 - 7 1 ; Smith, Art, technology, and science, insbes. S. 527f.; Berg, Age of manufactures, S. 8 6 - 9 1 und passim. Auch in Frankreich wurde das Thema aufgegriffen, vgl. Gaillard, Petite entreprise. Systematisch entfaltet werden sie von Säbel u. Zeitlin, Mass production, sowie von Piore u. Säbel, Massenproduktion, S. 11-59. 24 Vgl. Walton, Crystal palace. 25 Vgl. Crouzet, Superiorite; Broder, Economie fran^aise. 26 Säbel u. Zeitlin, Mass production, S. 1 6 1 - 1 7 1 . Leicht verändert wurde der Text zu einigen Abschnitten in Piore u. Säbel, Massenproduktion, S. 4 8 - 5 5 . 27 Vgl. Coleman, Textile growth; McKendrick, Commercialization. 28 Dieses Konzept verfolgten in den letzten Jahren zahlreiche Ausstellungen von historistischem Kunsthandwerk. 29 Vgl. Glaser, Maschinenwelt; Bertsch, Maschinenräder; Buddensieg u. Rogge, Nützliche Künste. 30 Vgl. Stürmer, Handwerk; Klingensmith, Splendor. 31 Vgl. Pevsner, Academies; Koch, Kunstausstellung; Roche, Lumieres, S. 2 2 5 - 3 7 6 , S. 4 9 4 - 5 2 2 . 32 Sombart, Luxus und Kapitalismus. 33 Vgl. Stürmer, Handwerk; McKendrick, Commercialization. 34 Vgl. Pommier, Doctrines. 35 Vgl. Hunt, Politics; Leith, Propaganda; Vovelle, Revolution fran^aise. 36 Vgl. Sherman, Monuments; Pomian, Kulturelles Erbe. 37 Vgl. Pommier, Doctrines; Harten, Museen; Sherman, Monuments; Pomian, Collections. 38 Vgl. Burian, Nationalanstalt. 39 Vgl. Langewiesche, Reich, Nation und Staat. 4 0 Vgl. Breen, Baubles; Brewer u. Porter, Consumption. 4 1 » ... die gesellschaftliche Bedeutung eines Gegenstandes, die ihn fur eine bestimmte Kategorie von Menschen zu einem nützlichen macht, [ist] genausowenig aus seinen physischen Eigenschaften ersichtlich ... wie der Wert, der ihm im Tausch beigemessen werden kann.« Sahlins, Kultur, S. 240. Vgl. Hofer, Gegenstände. 42 »Instead of supposing that goods are primarily needed for subsistence plus competitive display, let us assume that they are needed for making visible and stable the categories of culture. It is standard ethnographic practice to assume that all material possessions carry social meanings and to concentrate a main part of cultural analysis upon their use as communicators.« Douglas u. Isherwood, World o f goods, S. 59. Die klassische Analyse des symbolischen Gebrauchs von Dingen in der wesdichen Kultur der Gegenwart ist die von Veblen, Theorie der feinen Leute, S. 7 9 - 1 8 3 . 4 3 »Die Produktion ist ein funktionales Moment einer kulturellen Struktur. So verstanden erscheint die Rationalität des Marktes und der bürgerlichen Gesellschaft in einem anderen Licht. Die berühmte Logik der Maximierung ist nur die manifeste Erscheinung einer anderen Vernunft, deren überwiegender Teil unbemerkt bleibt und die ihrer Art nach vollkommen anders ist.... auch wir haben eine Kultur, einen symbolischen Code der Gegenstände, dem der

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Anmerkungen zu S. 20-33 scheinbar preisbestimmende Mechanismus von Angebot-Nachfrage-Preis in Wirklichkeit unterworfen ist.« Sahlins, Kultur, S. 241. 44 Jede beliebige Reklame belegt das: Die propagierten Dinge werden in einen Zusammenhang gesetzt, der sie höchst bedeutungsvoll macht und die Vermittlung dieser Bedeutung als eigentlichen Zweck der Dinge erscheinen läßt. Dieser Zusammenhang stellt sich über kollektive Phantasien her, die die Reklame recht präzise zu akzentuieren weiß. 45 Eine systematische Beschreibung der symbolischen Ordnung und Funktion von Objekten des »modernen« Konsums in der Konsumgesellschaft liefert Baudrillard, Systeme des objets, und ders., Societe de consommation. 4 6 Vgl. Waentig, Wirtschaft und Kunst; Mündt, Kunstgewerbemuseen; Schwabe, Kunstindustrie; Waetzold, Kunstgewerbliches Unterrichtswesen; Bücher, Gewerbliche Bildungsfrage; Simon, Fortbildungs- und Fachschulwesen. Aufschlußreich in dieser Hinsicht sind Publikationen im Umkreis der Weltausstellungen. 47 Vgl. als Beispiele: Müntz, Enseignement; Dorn, Pflege; Alvin u. Chauvin, Expositions; Genauck, Gewerbliche Erziehung; Noeggerath, Anstalten. Der Vorbildcharakter wird auch in der Weltausstellungsliteratur thematisiert. Vgl. Wangemann, Schule. 48 Vgl. Vischer, Industrielle Entwicklung; Boelcke, Erfolgsgeschichte.

II. Musealisierung und Industrialisierung - das französische Modell II.l. Moderner Geschmack als Element der französischen Qualitätsindustrie 1 Bowring, Recollections, S. 1 - 1 6 . 2 Vgl. Briggs, Improvement. 3 Report silk trade, testimony o f John Bowring, LL.D. S. 524, § 8783. Diese und die folgenden Übersetzungen geben Sinn und Sprachduktus der zitierten Textpassagen so gut als möglich wieder, ohne philologische Exaktheit zu beanspruchen. Die Originalzitate sind in den Komplettausgaben der Dissertation zu finden (vgl. das Vorwort). 4 Ebd., S. 524, 8 7 8 7 . 5 Ebd., S. 5 2 6 - 6 3 3 und passim. 6 »Die französischen Bronzewaren sind wie deren Seidenstoffe auf den Märkten der ganzen Welt zu finden, und auch sie sind Artikel, bei deren Herstellung Kunst einen wesentlichen Teil der Produktionskosten ausmacht.« Report silk trade, S. 538, § 8 8 3 0 . 7 Ebd., S. 534f., § 8 8 1 3 . 8 Ebd., S. 520, § 8757. 9 Ebd., S. 534. 10 Ebd., S. 520, § 8757. 11 Ebd., S. 538, § 8826. 12 Ebd., S. 538; § 8 8 3 1 . 13 Ebd., S. 538, § 8 8 3 2 . 14 Ebd., S. 538, § 8829. 15 Ebd., S. 532f., § 8 8 0 6 . 16 Ebd., S. 526, § 8797; S. 555, § 8925; S. 5 5 6 - 5 6 0 ; S. 535, § 8814. 17 Ebd., S. 533, S. 538, S. 560. In Dyce, Report, S. 6 6 0 - 6 7 2 [Handschriftliche Paginati-

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Anmerkungen zu S. 33-36 on des Archivexemplars in der British Library, State Papers Room], ist eine genaue Beschreibung der Lyoner Kunstschule zu finden. 18 Report silk trade, S. 534f., S. 560 und passim, S. 6 8 5 - 8 9 passim. 19 Ebd., S. 533. 20 Ebd., S. 1 0 7 - 1 2 6 passim, S. 424—445 passim, S. 6 8 5 - 6 8 9 passim. 21 Ebd., S. 6 8 5 - 6 8 9 und passim. 22 Vgl. King, Taste. 23 Dieser Bericht kennzeichnet in der Designgeschichte zusammen mit der Berliner Gewerbeschule den Anfang der modernen Designerausbildung. Pevsner, Academies, S. 2 4 6 248; Waentig, Wirtschaft und Kunst, S. 1 0 4 - 1 0 8 . 24 Report select committee, testimony John Bowring, S. 2. 25 Vgl. Bell, Schools of design, S. 5 9 - 6 2 , S. 7 8 - 9 8 und passim; Kusamitsu, Design. 26 In den Worten John Stuart Mills: »no one whose opinion deserves a moment's consideration can doubt that most of the great positive evils of the world are in themselves removable, and will, if human affairs continue to improve, be in the end reduced within narrow limits.« Mill, Utilitarianism, S. 266. 27 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 154. 28 Der Herausgeber des »Mechanic's Magazine« charakterisierte in der Anhörung zum Nutzen von Zeichenschulen für die englische Industrie 1836 den englischen Fabrikanten im Unterschied zum französischen so: »He lays out himself accordingly to supply those manufactures that are most in demand the world over; and those that are the most in demand among mankind at large, will, in the nature of the things, always be of the least tasteful description;... till the bulk of mankind are much more cultivated than they now are«. Report select committee, testimony o f Joseph Clinton Robertson, S. 126. 29 Diese Einschätzung wird von neueren Standardwerken der vergleichenden Wirtschaftsgeschichte bestätigt. Vgl. O'Brien u. Keyder, Economic growth, S. 1 5 1 - 1 6 8 ; dies., Voies de passage, S. 1288; Bairoch, Commerce exterieur; Heywood, French economy; Broder, Economie fran£aise. Die Pariser Industrie während der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts war das beste Beispiel für die hier umrissene Struktur: eng verbunden mit der Provinz durch den Handel mit Halbfabrikaten und durch eine differenzierte Arbeitsteilung bei der Herstellung von Konsumgütern der gehobenen Art, ohne klare Trennung zwischen Handwerksbetrieben, Hausindustrie, Manufaktur und Fabrik, waren praktisch sämtliche einheimischen Produktionszweige auch in der Hauptstadt vertreten. Vgl. Daumard, Bourgeoisie, S. 440—458. Der diversifizierte und kunstindustrielle Charakter dieser Industrie wird zugunsten einer Fixierung auf die Textilindustrie vernachlässigt von Bergeron, Banquiers. 30 Landes, Prometheus, S. 88f.; Berg, Machinery question, S. 23f. 31 Costaz, Administration, Bd. 2 , S. 443. Nach Costaz war die erste, 1779 von Boulton und Watt gekaufte Dampfmaschine, in Chaillot aufgestellt worden, um Wasser für die Hauptstadt zu pumpen. Während des Empire war die Verbreitung maschineller Baumwollspinnerei in Frankreich dagegen rasch vorangekommen. Vgl. Bergeron, France, S. 172-180. Der langsame Weg Frankreichs in das industriell-kapitalistische System ist beschrieben von Soboul und Daumard in Leon, Histoire economique, Bd. 3, S. 5 - 1 5 9 . 32 Vgl. Uon u. Bergeron, Inerties, S. 3 5 8 - 3 6 9 . Nach Bergeron war die französische Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts auf die Baumwollindustrie beschränkt und wurde von der Indienne-Fabrikation, also von Produktion und Nachfrage nach Luxusstoffen stimuliert. Nach Crouzet und Levy-Leboyer waren die dynamischen Sektoren der kontinentalen und hier besonders der französischen Industrie die der modischen und qualitativ hochwertigen Konsumgüter. Vgl. Crouzet, Rattrapage, insbes. S. 3 3 8 - 3 5 2 .

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Anmerkungen zu S. 36-41 33 Die Technologie des Jacquard-Webstuhls läßt sich nur schlecht anhand von Literatur beschreiben, sie läßt sich am besten anhand von Modellen und Stoffproben wie denen im »Musee historique des tissus de Lyon« anschaulich nachvollziehen. Siehe auch Abbildung und Text in Leon u. Bergeron, Inerties, S. 4 8 8 - 4 9 1 . 34 Bowring in Report select committee, S. 3. 35 Report silk trade, S. 71. 36 Flachat, Industrie, S. 31 f. 37 Vgl. Cayez, Entwicklung. 38 Vgl. Flachat, Industrie, und Rapport jury 1834, Bd. 2 u. 3 passim. 39 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 3 7 3 - 3 7 5 ; Thiel, Kostüm, S. 294f.; Kybalovä, Costume, S. 295 und den Text zu Abbildung 402, S. 262. 40 Ludwig Börne nannte ihn in einem Bericht über die Pariser Industrieausstellung von 1823 den Fabrikanten, dem Frankreich technisch am meisten verdankte. Börne, Schriften, Bd. 3, S. 221. Vgl. Vanier, Mode, S. 49. 41 Archives biographiques franfaises. Microfiche. Bergeron nennt eine Reihe weiterer Textilindustrieller, ohne Ternaux unter ihnen eine Sonderstellung einzuräumen. Allerdings geht er nicht auf qualitative Aspekte der textilindustriellen Produktion ein. Vgl. Bergeron, Banquiers, S. 58 u. S. 201f. 42 Rapport jury 1834, Bd. 2, S. 8 1 - 8 4 ; Costaz, Administration, Bd. 2, S. 3 7 5 - 3 7 9 . 4 3 Rapport jury 1834, Bd. 2, S. 84. 4 4 Vanier, Mode, S. lOlf. 45 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 372f. 46 Ebd., Bd. 2, S. 4 0 1 u. ders., Memoire, S. 49f. Costaz betont den Charakter der Qualitätsindustrie mit handwerklichen Fertigungsschritten. 47 StAL Ε 170 Bü 404. 48 Dazu gehörte der Schalfabrikant Jean (Joseph) Rey ( 1 7 7 3 - 1 8 4 9 ) , der nebenher Mitarbeiter der »Annales de l'industrie manufacturiere, agricole et commerciale, de la salubrite publique et des beaux-arts« war, welche unter leicht veränderten Titeln 1 8 2 7 - 1 8 4 0 erschien. Außerdem war Rey Autor einer Geschichte des Kaschmirschals sowie etlicher Schriften zur Kulturgeschichte der Antike und Frankreichs. Weiterhin gehörte er dem »Conseil general des manufactures« und, neben weiteren gelehrten und literarischen Gesellschaften, der »Societe des antiquaires de France« an. Vgl. La France litteraire, Bd. 7, 1835, S. 559f. sowie La litterature fran^aise contemporaine, Bd. 6, 1857, S. 164f. 49 Flachat, Industrie, S. 3 5 - 4 8 . 50 Rapport jury 1834, Bd. 2, S. 232. Zur Tapetenindustrie und zu Zuber: ebd., S. 231f. Vgl. Nouvel, Papiertapeten. 51 Rapport jury 1834, Bd. 2, S. 233. 52 Vgl. Meyer, Briefe, Bd. 2, S. 140; Nemnich, Tagebuch; Viennet, Enquete; Mohl, Reise Frankreich. 53 Vgl. die »Encyclopedic du commcnjant« u. MacCulloch, Handbuch. Besonders aufschlußreich ist der »Guide pittoresque«. 54 So zum Beispiel Dupin, Forces produetives u. Herbin, Statistique generale. Hinzuweisen ist außerdem auf die Departementsbeschreibungen, welche unter dem Ministerium Frar^ois de Neufchäteaus von Du Couedic de Kergoular auf der Grundlage ausfuhrlicher Enqueten angefertigt wurden: Du Couedic de Kergoular, Tableau geographique. Vgl. ferner die Statistique de la France 1838. Zur Aussagekraft der Statistiken vgl. Perrot, Effets economiques. 55 Mohl, Reise Frankreich, S. 56.

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Anmerkungen zu S. 41-45 56 Vgl. Herbin, Statistique generale. 57 Mohl, Reise Frankreich, S. 64. 58 Ebd., S. 107. 59 Diese Ansicht widerspricht der klassischen Wirtschaftsgeschichtsschreibung, welche industrielle Entwicklung an einem überdies einseitigen Modell der englischen Großen Industrie mißt - dafür ist Clapham, Economic development, das beste Beispiel - aber sie gewinnt an Boden, beispielsweise bei O'Brien u. Keyder, Economic growth, S. 1 8 5 - 1 9 8 , und bei Roehl, French industrialization. Roehl (S. 2 7 2 ) und O'Brien u. Keyder (S. 1 6 0 - 1 6 8 ) betonen die Rolle der einheimischen Nachfrage gegenüber der Exportnachfrage fur den französischen Industrialisierungsprozeß.

11.2. Die Französische Revolution und der Beginn der modernen Konsumgesellschaft 1 Der kulturelle Faktor und der Zusammenhang von Revolution, Konsum, Kunst und Industrie ist in der neueren französischen Wirtschaftsgeschichtsschreibung vollkommen vernachlässigt worden. Vgl. Lion, Histoire economique, Bd. 3, sowie Bergeron, Wirtschaft. Bergeron faßt den Stand der Forschung zu den Auswirkungen der Revolution auf die Wirtschaftsentwicklung in Frankreich zusammen. 2 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 1 - 4 2 0 . 3 La litterature fran^aise contemporaine 1 8 2 7 - 1 8 4 4 . Dictionnaire bibliographique, Bd. 3, Paris 1848, S. 3 6 8 - 3 7 0 . 4 Außer dem dreibändigen Ausstellungsbericht hatte das Mitglied der »Academie des sciences« und der »Academie des sciences morales et politiques«, des Rats der Admiralität und des Generalrats für Agrikultur, Generalinspekteur des Marineingenieurwesens und Präsident der Kolonialdelegation zahllose Memoranden, Aufsätze und Opuskeln zum Marinewesen und zu den französischen Kolonien, zur Geometrie und Ingenieurskunst, zu Wirtschaft und Handel, zur Kinderarbeit, zur öffentlichen Moral und zum Sparkassenwesen verfaßt. 5 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 2 u. S. 4. 6 Ebd., S. 378. 7 Ebd., S. 4f.; dort zur Entwicklung der Künste S. 6 - 4 2 0 passim. 8 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 104f. 9 Ebd., S. 108. Vgl. Klänert, Mode; Pellegrin, Vetements. 10 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 104 u. S. 110. Die Attribute entsprechen denjenigen, durch welche in der »Encyclopedic« der Charakter von Häusern der praktischen Berufe gekennzeichnet wurde: solidite, commodite, utilite. Elias, Höfische Gesellschaft, S. 88. 11 Industrieausstellungen, S. 484. 12 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 1 5 5 - 1 6 5 . Zur Kleidung und zum Lebensstandard der verschiedenen Bevölkerungsschichten um 1830 und zur Pariser Bekleidungsindustrie vgl. Vanier, Mode, S. 1 3 - 1 0 5 . Nach einem Flugblatt gehörten 1833 zur Grundausstattung eines Pariser Schneidergesellen drei Hemden, drei Hosen, zwei Westen, Hut, Mantel, Taschentücher und Kravatten (S. 3). Auch die Arbeiter in den Textilfabriken des Nordens und in der Lyoner Seidenindustrie waren seit den 1830er Jahren gut und bisweilen modisch gekleidet (S. 4 9 - 5 2 ) . 13 Rapport jury 1834, Bd. 1 , S . 1 6 7 - 2 2 1 . 14 Weber, Saxa loquuntur, S. 4 9 - 5 8 .

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Anmerkungen zu S. 45-i8 15 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 3 7 2 - 3 7 8 . Folgende Serien kommen in Frage: Piroli, Monumens; Filhol, Cours historique; Laurent, Musee. Dabei handelte es sich um großformatige Serien von sorgfältig ausgeführten Reproduktionsstichen der im Louvre ausgestellten Kunst. Während der napoleonischen Feldzüge umfaßte diese neben antiken Statuen aus Italien Meisterwerke aus ganz Europa, die auf diese Weise nicht nur der öffentlichen Betrachtung, sondern auch - als Graphik - der privaten Aneignung zugänglich gemacht wurden. 16 Dupins Angaben mochten auf Beobachtungen in einigen begünstigten Orten gehören - ansonsten beschrieb er vorausschauend vieles, was erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts, langsam voranschreitend, die ländliche Alltagskultur durchdringen würde. Weber, Peasants, S. 1 4 6 - 1 6 6 und passim; Leon, Histoire economique, Bd. 3, S. 8 0 - 9 0 u. S. 7 5 2 - 7 6 0 . Einen anschaulichen Eindruck bürgerlicher und unterbürgerlicher Konsumkultur der Pariser im 19. Jahrhundert vermittelt der Ausstellungskatalog: Le Parisien chez lui. 17 Mohl, Reise Frankreich, S. 52. 18 Ebd., S. 54. 19 Baudrillart, Luxe public, S. 174f.; Pallach, Materielle Kultur, S. 1 2 4 - 1 5 8 ; Stürmer, Handwerk, S. 1 3 5 - 1 6 4 ; Roche, Lumieres, S. 4 9 4 - 5 2 2 u. S. 5 7 2 - 5 8 0 . 20 Fairchilds, Populuxe goods. 21 Vgl. Shammas, Pre-industrial consumer. 22 »Selbst diejenigen, die wir als arme Leute bezeichnen, die Handwerksgesellen und Arbeiter, können sich einiges leisten: Sie liegen warm, leben im vollen, arbeiten hart und kennen keine Not«. So Daniel Defoe 1728 in seinem »Plan of the English commerce«. Zitiert bei Landes, Prometheus, S. 58. 23 Thirsk, Projects, S. 106 und passim. 24 McKendrick, Commercialization. Als Reiseberichterstatter seien hier stellvertretend genannt: Nemnich, Tagebuch; Archenholtz, England und Italien; Wendeborn, Zustand des Staats. 25 Stürmer, Handwerk, S. 1 1 3 - 1 3 4 . 26 Archenholtz, England und Italien, Bd. 1, S. 2 2 l f . 27 Denvir, Eighteenth century, S. 7. 28 Eine der ersten englischen Kunstzeitschriften überhaupt war »The Copper-Plate Magazine, or monthly treasure for the admirers of the imitative arts«, welche 1 7 7 4 - 1 7 7 8 und 1 7 8 9 - 1 7 9 3 erschien. Vgl. Roberts, British art periodicals; Burton, Periodicals. 29 Denvir, Eighteenth century, S. 7f. 30 Archenholtz, England und Italien, Bd. 1, S. 192. 31 Denvir, Eighteenth century, S. 5. 32 Ebd., S. 1 - 2 4 . 33 »Häuser, Möbel und Kleidung der Reichen werden nach kurzer Zeit den mittleren und unteren Volksschichten zugänglich, sobald nämlich deren Besitzer, ihrer überdrüssig, diese verkaufen. Auf solche Art werden die allgemeinen Lebensverhältnisse des Volkes nach und nach verbessert, zumal wenn solche Ausgaben unter den Wohlhabenden Verbreitung finden. In Ländern, die schon über längere Zeit hin reich sind, findet man in den unteren Schichten häufig Häuser und Möbel, gut erhalten und unversehrt, die unmöglich von diesen selbst gebaut oder für ihren Zweck angefertigt sein konnten. So ist der frühere Sitz der Familie Seymour heute ein Gasthaus an der Bath Road.« Smith, Wohlstand, S. 287. 34 Archenholtz, England und Italien, Bd. 2, S. 24f. 35 Berg, Age of manufactures, S. 172 u. S. 174. 36 Adam Smith umriß bei seinen Ausführungen über den Nutzen gesellschaftlicher

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Anmerkungen zu S. 48-51 Arbeitsteilung »die Ausstattung eines ganz gewöhnlichen Handwerkers oder Tagelöhners in einem entwickelten und aufstrebenden Land« - England - so: Wolljacke aus farbiger Wolle, Leinenhemd, Schuhe, Bett, Küchenherd, Küchengerätschaften, Tisch, Messer und Gabeln, irdene Teller, Zinngeschirr, Haus mit Glasfenstern. Smith, Wohlstand, S. 14f. 37 McKendrick, Fashion, S. 5 6 - 6 6 . 38 Medick hat in seinem Aufsatz zur plebejischen Kultur zwei dieser Stiche als Dokumente zur Alltagskultur besitzarmer Schichten analysiert. Der Stich der beer lane (S. 176) zeigt eine Art Alltagsutopie kleinbürgerlichen Lebens in London, zu dem (außer Bier) modische Kleidung, gutes Essen und Wohnen und Kunst gehörten. 39 Vgl. Weather ill, Meaning. 40 McKendrick, Fashion, S. 56, betont in diesem Zusammenhang besonders die Rolle von Dienstmädchen als modischen Vermittlern zwischen den Klassen. 41 Ebd., S. 66. 42 Francois Marie Neveu ( 1 7 5 6 - 1 8 0 8 ) war Lehrer an der »Ecole Polytechnique«, Figuren-, Bildnis- und Landschaftsmaler. Sein Entwurf für einen revolutionären Zeichenunterricht für Ingenieure folgt weiter unten. 43 Neveu u. Mihes, Zeichnen, S. 8. 4 4 Ebd., Zeichnen, S. 9. 45 Hudson u. Luckhurst, Society of arts, S. 9 - 1 5 ; Braun, Technologische Beziehungen, S. 8 6 - 9 0 . 4 6 Hope, Thomes: Household Furniture and Interior Decoration. London 1807. 47 Boime, Revolution, S. 3 8 3 - 3 8 8 . 48 Ebd., S. 3 1 4 - 3 1 7 . Vgl. Cumberland, George: »Lord Elgin's Collection o f Marbles from Athens«. Aus dem Monthly Magazine, July 1, 1808, S. 519f. Ein Auszug ist abgedruckt in: Holt, Art for the public, S. 1 1 6 - 1 2 0 . 4 9 Die Lyoner Seidenindustrie wurde als Symbol des Ancien Regime und wegen royalistischer Sympathien der Fabrikanten praktisch völlig zerstört. 50 Baudrillart, Luxe public, Bd. 4 , S. 1 ^ 4 1 ; Pallach, Materielle Kultur, S. 2 3 - 8 5 , S. 1 6 9 273 und passim. Vgl. Stürmer, Handwerk; Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 13-82. 51 Die gelungene Transformation einer Luxusindustrie ist dargestellt am Beispiel der berühmtesten Fabrik für Indiennes in: Chassagne, Oberkampf, S. 1 5 1 - 2 2 5 . Die tatsächlichen Transformationen und Brüche in den unternehmerischen Strukturen müßten eigens untersucht werden. Vgl. dazu Bergeron, Capitalistes und ders., Banquiers. 52 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 3. 53 Ebd., S. 159. 54 Ebd., S. 9ff.: Über die positiven Auswirkungen der Parzellierung des Landes. Die Debatte über die Rolle der Agrikultur für die Industrialisierung in Frankreich dauert an. Vgl. Beaur, Question agraire. 55 »Der Geschmack ist der kostenlose Reichtum eines zivilisierten Volkes; er kann die bescheidenste Behausung schmücken.« Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 161. 56 Ebd., S. 3. 57 »Das Sehen, der ausgedehnteste unserer Sinne, ist für die mechanischen und die Schönen Künste am wertvollsten.« Ebd., S. 306. 58 Benoit, Art fran^ais, S. 2 2 8 - 2 3 9 ; Bruun-Neergard, Beaux-arts en France, S. 11-18. 59 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 3 1 0 - 3 2 8 . 60 Dupin, Charles: Geometrie et mechanique des arts et metiers et des beaux-arts. Cours normal, ä l'usage des artistes et des ouvriers, des sous-chefs et des chefs d'ateliers et de manufactures, professe au Conservatiore royal des arts et metiers. 3 Bände mit Kupfern. Paris.

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Anmerkungen zu S. 51-52 T . l : Geometrie 1825. T.2: Mechanique 1826. T.3: Dynamie 1826. Zweite Auflage 1829. Es handelt sich um ein Lehrwerk für geometrisches Zeichnen und dessen Anwendungen im Maschinenbau, auf welche die Grundfahigkeit indessen nicht beschränkt war, wie der Titel zeigt, sondern sie wurde als eine Grundqualifikation auch für den künstlerischen Entwurf und damit auch für die kunsthandwerkliche Arbeit betrachtet. 61 Zur Bedeutungsentwicklung des Begriffs im 18. Jahrhundert allgemein, ohne Rekurs auf französische Aufklärung: Williams, Culture and society, S. 1 6 - 1 9 . Nach Mensching, Enzyklopädie, galt den französischen Aufklärern die Welt als etwas von Menschen Produziertes und diese Produktion durch Vernunft verbesserbar zugunsten der menschlichen Lebensverhältnisse. Beneton zeigt, daß die Enzyklopädisten den Begriff Kultur im Artikel culture des terres noch im alten Sinn einer Bestellung des Bodens verwendeten, in anderen Artikeln aber schon im modernen Sinn einer Verbesserung der Sitten durch Bildung und Wissenschaft, wie es in anderen zeitgenössischen Dictionnaires erwähnt. Das Wort civilisation war nach Beneton ein späterer, im 18. Jahrhundert dem Kulturbegriff untergeordneter Begriff, der aber dem Fortschrittsgedanken enger verbunden ist als der Begriff Kultur. Beneton, Culture et civilisation, S. 2 9 - 3 6 . Ab 1800 gewann der Begriff der Zivilisation Bedeutung als Schlagwort gegen die Barbarei - des Terrors, der Primitiven, des Feindes etc. und als geschichtsphilosophischer Perspektivbegriff. Michel, Barbarie, S. 41. Der im Text in zahlreichen Zitaten vorgeführte Diskurs um das Verhältnis von Kunst und Industrie, Geschmacksbildung und Industrialisierung bediente sich weder des einen, noch des anderen Begriffs. Die Verbindung zu beiden war vielmehr indirekt hergestellt durch die Diskussion um Funktionen der Künste, der instruction publique und des Museums, um Bedürfnisse der Massen, um modernen Konsum, um luxe public und um den industriellen Fortschritt. Damit stand er quer zu beiden Begriffen. Die Benennung des Konzeptes einer Enkultivierung der Industrie und Industrialisierung der Kultur, welches den Diskurs strukturierte, ist insofern nicht beliebig, aber,/flute de mieux, willkürlich, da seine Einbettung in die Begriffsgeschichte von Kultur und Zivilisation nicht weiterführt, beide Begriffe aber für die Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts und damit für die spätere Wahrnehmung der Resultate des Diskurses und der von ihm inspirierten Bemühungen zentral sind. Die Wahl des Begriffs Kultur ging in dieser Situation von der Beobachtung aus, daß die Gebrauchsweise des zentralen Begriffs art im Diskurs größere Affinität zum Begriff culture besaß. Da Kunst aber dem Diskurs zufolge Industrie und Kulturmuster des Konsums hervorbringen sollte, erschien der Begriff dem einer Zivilisierung der Industrie vorzuziehen, abgesehen davon, daß der im heutigen Sprachgebrauch den historischen Sachverhalt noch weniger trifft. 62 Stürmer, Handwerk, S. 8 u. S. 1 3 5 - 1 6 4 ; ders., Scherben; Nef, Cultural foundations, S. 128-139. 63 In der Jury der Ausstellung von 1834 war diese Doppelstrategie personalisiert durch den Ökonomen Jerome Adolphe Blanqui ( 1 7 9 8 - 1 8 5 4 ) , Professor am »Conservatoire« und an der »Ecolc speciale du commerce«, welcher die Rolle des Kleingewerbes und der Qualitätsindustrie betonte, durch den Maler, Stecher und ornemaniste Claude-Aime Chenavard ( 1 7 9 8 - 1 8 3 8 ) , den Direktor der Porzellanmanufaktur von Sevres, Mineralogen und Geologen Alexandre Brongniart ( 1 7 7 0 - 1 8 4 7 ) , den Entwerfer, Dekorateur und Architekten PierreFraniois-Leonard Fontaine ( 1 7 6 2 - 1 8 5 3 ) - einer der Schöpfer des style empire - , die Historienmaler Paul (Hippolyte) Delaroche ( 1 7 9 7 - 1 8 5 6 ) und Francois Pascal Simon Gerard ( 1 7 7 0 - 1 8 3 7 ) sowie den elsässischen Textilindustriellen und Politiker Nicolas Koechlin (1781-1851). 64 »Nachdem es ihn von Italien empfangen hat, überträgt heute Frankreich den Impuls seines künstlerischen Geschmacks auf alle zivilisierten Völker. . . . /

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Anmerkungen zu S. 53-57 Auf der Universalausstellung erscheint dies als unbezweifelbare Tatsache. Was zuerst ins Auge sticht..., ist, daß Frankreich das einzige Land ist, wo die materielle Ausführung und die künsderische Erfindung wissen, wie sie sich verbinden sollen, und weiter, daß mit Ausnahme rein mechanischer Objekte die Kunst sich mit allen modernen Produkten verbindet, und daß diese Kunst aus Frankreich kommt.« tcole Nationale et Speciale de Dessin, de Mathematiques, d'Architecture et de Sculpture d'Ornement, appliques aux Arts Industrieis. Distribution des prix, 1. Sept. 1851. Rede des Direktors Belloc. S. 6f.

II.3. Kunst, Industrie und instruction publique 1 Baudrillart, Luxe public, Bd. 4, insbes. S. 164f. 2 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 309. 3 Ebd., S. 308f. 4 Schuttes, Fußreise, Bd. 1,S. 390; Dibdin, Tour in France, Bd. 2. S. 7 6 - 7 9 u.S. 5 0 4 - 5 1 2 . 5 Schuttes, Fußreise, Bd. 1, S. 245f. 6 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 109 u. S. 309. 7 Ebd., S. 309f. 8 »Sechs Wochen vor der ersten Industrieausstellung hatte man an derselben Stelle, auf dem Marsfeld, die Einweihung der an Frankreich gefallenen Meisterwerke gefeiert; sie waren durch chemische und mechanische Verfahren vor der Zerstörung gerettet und über die Alpen transportiert worden, welche derselben Industrie würdig waren; ... Die Schlachtenhelden ..., die Bezwinger Italiens hatten von dort den Tribut mitgebracht, der einer großartigen Epoche der Zivilisation würdig war. Es war der Apoll von Belvedere, die medicäische Venus, der farnesische Herkules und die Laokoongruppe zusammen mit vielen anderen Meisterwerken der Kunst und der Natur. AufWagen in antiker Form geleitete man den Tribut in die weite Umfassung des Marsfelds. Die Götter Roms und Griechenlands, die sich vor zweitausend Jahren auf den Altären des Kapitols, Delphis und des Olymps niedergelassen hatten, wurden, bekränzt von französischem Lorbeer, in diesem feierlichen Aufcug im Schatten der Fahnen mitgeführt, welche die Kinder Galliens den Abkömmlingen der Kimbern und Teutonen abgerungen hatten.« Ebd., S. 312f. 9 Haskell u. Penny, Taste, S. XIII. 10 Nach Haskell u. Penny blieben sie bis auf die venezianischen Pferde von St. Markus während der Zeremonie allerdings in ihren Transportkisten verpackt. Ebd., S. I I I . 11 Der Bericht Dupins gibt vom Festzug nur eine oberflächliche Beschreibung. Der Erlaß, der die Ordnung des Festzugs genau beschreibt und die Inschriften der Festwagen und Banner wiedergibt, ist abgedruckt in: Recueil des lettres... du citoyen Frangois de Neufchäteau, Bd. 1, S. 1 3 - 2 0 . 12 Francois de Neufchäteau war zuerst und nebenher Dichter, Jurist und Abgeordneter der Nationalversammlung. Dictionnaire de biographie franfaise, Bd. 14, Paris 1979, Sp. 1 0 6 2 - 1 0 6 5 . 13 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 109. 14 Extrait du proces-verbal de la seance du Directoire consecutif, du 10 Thermidor an 6 de la Republique. Discours prononce le 9 Thermidor par le Ministre de l'interieur, in: Recueil des lettres ... du citoyen Frangois de Neufchäteau, Bd. 1, S. 23. 15 Ebd., S. 25. 16 Discours prononce le 10 Thermidor par le Ministre de l'interieur, et adresse au Directoire executif, in: Ebd., S. 29.

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Anmerkungen zu S. 57-60 17 Haskell u. Penny, Taste, S. 111. 18 Blum, Louvre, S. 1 1 1 - 1 6 3 ; McClellan, Louvre; Sherman, Monuments, S. 98; FurcyRaynaud, Tableaux. 19 Nach einem Lexikoneintrag war die erste Industrieausstellung in Frankreich inspiriert von der Tradition der Salonausstellungen und von einer 1791 in Prag abgehaltenen Industrieausstellung - der ersten überhaupt: »Expositions commercialese in: La grande encyclopedie. Paris s.d. Bd. 16, S. 9 7 0 - 9 8 2 , dort S. 970. In manchen Publikationen werden zwei frühere Pariser Ausstellungen erwähnt, welche von Mazade de Aveze, dem Direktor der Gobelinmanufaktur organisiert worden waren, deren Charakter aber ein anderer war. Samuelson, Civilisation, S. 302; Mainardi, Art and politics, S. 199, Anm. 3. Zwei kleinere Prager Industrieausstellungen, welche auf höfisch-adelige Initiative hin zu Ehren eines Besuchs Maria Theresias 1754 und des Krönungsbesuchs Kaiser Leopolds II. von Österreich 1791 veranstaltet wurden, lassen sich als Weiterentwicklung der Tradition der Kunst-und Naturalienkabinette einerseits, als fürstliches Schauspektakel andererseits begreifen. Zechel, Industrieausstellung. 20 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 315f. Claude-Anthelme Costaz war damals Abteilungsleiter für Künste und Manufakturen im Handelsministerium, außerdem einer der Sekretäre der berühmten »Societe d'encouragement pour l'industrie nationale« und mehrerer Provinzgesellschaften, welche sich der Verbesserung von Landwirtschaft und Gewerbe verschrieben hatten. In seiner Verwaltungsgeschichte gab er Aufschluß über die Assoziationskette, die im Innenministerium schließlich zum Projekt einer Industrieausstellung führte. Zunächst wurde nach einer Attraktion gesucht, die dem jährlichen Volksfest zur Feier der Republik neuen Zulauf bringen sollte. Dabei war an einen Jahrmarkt nach herkömmlicher Art gedacht worden, bloß spektakulärer, um die Wettkämpfe und Tanzbelustigungen, die hinter der Symbolik einen rustikalen Charakter angenommen hatten, zu ergänzen. Ein weiterer Vorschlag war, das Volksfest um eine Kunstausstellung zu ergänzen. Die Idee einer Industrieausstellung soll sich aus einer Kombination der beiden Vorschläge ergeben haben. 21 Industrieausstellungen, S. 471. 22 Larousse, Dictionnaire du XIX" siede, Bd. XI, 1, S. 395. 23 Dictionnaire de biographie fran^aisc, Bd. 8, 1959, S. 448^451. Vgl. Peronnet, Chaptal. 2 4 Larousse, Dictionnaire du XIX' siede, Bd. XV, 2 , S. 1015. 25 Gazette nationale 1798, 4 , S. 2; Larousse, Dictionnaire du XIX® siede, Bd. XI, 1, S. 393. 2 6 Gazette nationale 1798, 3, S. 9. 27 Ebd., S. 1395. 28 Ozouf, Fete revolutionnaire; Baxmann, Feste. 29 Gazette nationale 1798, 3, S. 1395 u. S. 1399. 30 Bugge, Reise nach Paris, S. 376. 31 De Lanzac de Laborie, Paris sous Napoleon 6, S. 285. 32 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. XX-XL passim. Flachat, Industrie, S. 16f. 33 Bugge, Reise nach Paris, S. 3 5 8 - 3 6 9 . Der Katalog der ersten Industrieausstellung war schon fur die Zeitgenossen schwer aufzutreiben und durch das Fernleihsystem nicht aufzufinden. Bugges Beschreibung scheint dem Katalog in der Hauptsache zu folgen, wenn auch summarisch. 34 Selbst wenn einmal eine solche Angabe auftaucht, fehlt doch der Hinweis, ob es sich um Fabrikpreise, Großhandels- oder Endverkaufspreise handelte - das macht aber nach kaufmännischer Erfahrung einen entscheidenden Unterschied. Zudem dürfte es schwierig sein, ftir die krisen- und kriegsgeschüttelten Zeiten zuverlässige Lebenshaltungskosten zu erhalten jedenfalls ist die genauere Untersuchung ein ganz anderes Thema.

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Anmerkungen zu S. 61-64 35 Der Ansicht Benjamins, die Arbeiterschaft stehe als Kunde im Vordergrund der ersten Ausstellungen, kann nach Kenntnis der gezeigten Produkte anhand der Beschreibungen widersprochen werden. Vgl. Benjamin, Passagen, Bd. 1, S. 50. 36 Le Ministre de l'interieur, aux administrations centrales de Departement, et aux Commissaires du Directoire executif pres de ces Administrations. Paris, le 9 Fructidor, an 6 de la Republique, in: Recueil des lettres ... du citoyen Franfois de Neufchäteau, Bd. 1, S. 103. 37 Im folgenden wird nach dem Abdruck der Rede in der Gazette Nationale zitiert. Die Rede ist abgedruckt in: Ebd., Bd. 2, S. 2 9 2 - 2 9 7 . 38 Das zugrundeliegende nationalökonmische Denken analysiert Dimier, Economistes de la nation, insbes. S. 2 8 9 - 2 9 4 . 39 Gazette nationale 1798, 4, S. 2. 4 0 Ebd., S. 2. Vgl. Pommier, Doctrines. 41 Chaptal, Industrie, Bd. 2, S. 229f. 42 Vgl. Pommier, Doctrines; Leith, Propaganda, S. 37 u. S. 4 9 - 6 5 ; Mosse, Antiquite. 4 3 Zu Quatremere de Quincy sind außer dessen eigenen Schriften die Arbeiten von Rene Schneider maßgeblich. Ders., Quatremere de Quincy, sowie Esthethique classique. Vgl. Pommier, Doctrines, S. 6 3 - 6 8 und passim; Leith, Propaganda, S. 3 - 4 8 . 4 4 Quatremere de Quincy, Considerations, S. 2 8 - 3 3 . Zur Genese ästhetischer Theorie in Frankreich vgl. Becq, Genese, insbes. Bd. 2, S. 7 8 9 - 8 7 8 . Becq geht es um die Herausbildung der Ideen der Autonomie der Kunst und der Kreativität des Künsders. Daher unterschätzt sie die Rolle der Debatte um die nicht-autonomen Aspekte der Kunst, die im Begriff des art utile gefaßt wurde, und die Funktion des Konzepts des Idealschönen (beau ideal) in diesem Zusammenhang. 45 Quatremere de Quincy, Considerations, S. 5 3 - 6 2 . 4 6 Ebd., S. 63. 47 Ebd., S. 66. 48 Ebd., S. 7 0 - 8 7 . 49 Proces-verbaux du Comite d'instruction publique, S. 273. Zitiert nach Schneider, Quatremere de Quincy, S. 54. 50 Ebd., S. 1 6 4 - 1 7 9 . Pommier, Doctrines, S. 3 9 7 - 1 6 6 . 51 Benoit, Art fran^ais, S. 3 - 8 , S. 5 7 - 5 9 , S. 9 5 - 1 0 9 . Stierle weist besonders auf die Stadtbeschreibung von J.B. Poujoulx hin, ohne allerdings den programmatischen Kontext und das kultur-und wirtschaftspolitische Umfeld zu thematisieren: Ders., Paris ä la fin du XVIII e siecle. Esquisse historique et morale des monumens et des scenes de cette capitale, de l'etat des sciences, des arts et de l'industrie ä cette epoque, ainsi que des moeurs et des ridicules de ses habitans. Poujoulx versucht die Gesamtheit des nachrevolutionären Paris als neue gesellschaftliche Wirklichkeit zu fassen. Dabei greift er den Zusammenhang von Kunstöffentlichkeit und Kunstindustrie auf. Vgl. Stierle, Mythos von Paris, S. 1 4 4 - 1 5 4 . 52 Jacob, Notice, S. V. 53 Die dritte, unveröffendichte Preisschrift stammte von Amaury Pineux Duval: [De P] influence de la peinture sur les arts industriels. Paris 1805. Vgl. Benoit, Art fra^ais, S. 109. Der Advokat Duval ( 1 7 6 0 - 1 8 3 8 ) war Botschaftssekretär in Neapel und Malta gewesen, dann 1 7 9 4 - 1 8 1 1 Abteilungsleiter für die Bereiche Wissenschaft und Kunst im Innenministerium. Außerdem hatte er kunstphilosophische und museumstheoretische Schriften verfaßt und an der Herausgabe kunsthistorischer Werke mitgearbeitet. Vgl. Benoit, Art franfais, S. 98f.; La France litteraire ou Dictionnaire Bibliographique. Bd. 2. Paris, 1828. 54 Benoit, Art franfais, S. 100. 55 Jacob, Notice, S. XJ und passim.

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Anmerkungen zu S. 65-68 56 tmeric-David, Influence des arts du dessin, S. 219. 57 Ebd., S. 221. 58 » ... die erste Manufakturstadt der Alten Welt und zugleich Meisterin und Königin des Geschmacks in der Antike.« Ebd., S. 242. Vgl. Pommier, Doctrines, S. 5 9 - 9 2 , S. 3 3 4 - 3 3 7 und passim. 59 tmeric-David, Influence des arts du dessin, S. 2 4 3 - 2 4 5 . 60 Für Schloß Fontainebleau ließ Franz I. von Francesco Primaticcio große Mengen antiker Plastiken in Bronze reproduzieren, welche sich in römischen Adelspalästen befanden. Dieses Beispiel sollte in den folgenden Jahrhunderten an europäischen Fürstenhöfen Schule machen und das künstlerische Schaffen prägen. Zum epochalen Rezeptionsprozeß antiker Skulptur nördlich der Alpen insbesondere vgl. Haskell u. Penny, Taste, S. 1 - 3 6 und passim. 61 Die Gewerbepolitik Colberts war bekanntlich auf die Förderung der Luxusgewerbe gegründet und jene wurden durch eine systematische künstlerische Ausbildung von Kunsthandwerkern gefördert, denen in den Akademien Abgüsse antiker Skulpturen zugänglich gemacht wurden. Ebd., S. 3 7 - ^ 2 . 62 tmiric-David, Influence des arts du dessin, S. 277. 63 Ebd., S. 282. 64 »Wenn Schönheit real ist, folgt daraus, daß es einen guten Geschmack gibt, wenn es einen guten Geschmack gibt, folgt daraus, daß man ihm sicher gefallen kann, wenn man ihm wirklich schöne Dinge zeigt. Die Moden wechseln, die Vorurteile verschwinden; das Schöne ist ewig, und der Schöne Geschmack ist unvergänglich.« Ebd., S. 283. 65 »Die Kenntnis des Schönen in ganz Frankreich verbreiten; die Fabrikanten darüber aufklären und so Fehler abschaffen, welche sich noch an ihren Produkten finden; den Luxus lenken, den Geschmack festigen, in unsere verschönten Städte Scharen reicher Fremder locken; [das heißt] in unserer eigenen Industrie unerschöpfliche Ressourcen gegen England finden«, ebd., S. 284. 66 Ebd., S. 285f. 67 Ebd., S. 287f. 68 Ebd., S. 290f. 69 Ebd., S. 289. 70 Das größte Verdienst erwarb sich Ponce vermutlich damit, Senefelders Lehrbuch der Lithographie ins Französische zu übersetzen und damit in Frankreich die Verbreitung dieser Technik der Kunstreproduktion wesentlich zu befördern. Auf dem Titelblatt seiner 1826 erschienenen »Melanges sur les beaux-arts« firmierte er als Mitglied der Ehrenlegion sowie zahlreicher gelehrter Gesellschaften in Paris und in Provinzstädten - ein Indiz dafür, daß seine praktischen und theoretischen Verdienste um die Verbindung von Kunst und Industrie den Zeitgeist getroffen hatten. Zur Lithographie in Frankreich vgl. Weber, Saxa loquuntur, Bd. 1; Adhemar, Lithographie; Henker, Senefelder, S. 4 5 - 5 8 . Dort weitere Literatur. 71 Ponce, Melanges, S. 337f. 72 »Auch verdanken wir dem Einfluß der Malerei die beweglichen Kamine, Pfannen, Lampen, alle diese bemalten Sachen aus Blech oder Metallguß, die vor unseren Augen, in verschiedenen Formen zu unterschiedlichem Gebrauch die Meisterwerke der Antike reproduzieren.« Ponce, Melanges, S. 340f. 73 Ebd., S. 344. 74 Leith, Propaganda, S. 9 6 - 1 2 8 . 75 Ein Beispiel von vielen: Im offiziellen Katalog zum Salon von 1793 wurde die staatsbürgerliche Bildung und moralische Hebung des Betrachters zur wichtigsten Aufgabe der Kunst und als ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl bezeichnet. Es wurde vorge-

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Anmerkungen zu S. 70-75 schlagen, nach dem Vorbild der Griechen und Römer Skulpturengärten mit den Büsten von Staatsmännern und Helden anzulegen. Catalogue officiel, Salon an II (1793), Introduction. Abgedruckt in: Holt, Art for the public, S. 4 5 - 4 7 . Vgl. Sherman, Monuments, S. 1 6 - 1 8 ; Schneider, Quatremere de Quincy, S. 1 9 - 1 2 0 ; Harten, Museen, S. 1 1 5 - 1 3 7 , S. 1 5 7 - 1 9 5 , S. 3 1 6 - 5 4 2 und passim; Baxmann, Condorcet, S. 1 1 9 - 1 2 8 ; Stierle, Hauptstädte; Benoit, Art fran^ais, S. 1 1 0 - 1 2 3 , S. 1 5 4 - 1 6 4 , S. 2 2 8 - 2 3 9 . 76 Lipsmeier, Technik und Schule, S. 9 6 - 1 0 4 ; Blankertz, Geschichte der Pädagogik, S. 6 7 69; ders., Bildung Industrie, S. 6 4 - 7 2 ; Fourcy, Ecole Polytechnique. 77 Neveu u. Mihes, Zeichnen, S. V-VIII, dort S. VII. 78 Neveu, Cours de dessin. Vgl. Pommier, Doctrines, S. 2 8 5 - 2 9 5 . 79 Neveu u. Mihes, Zeichnen, S. Ulf. u. S. VI. 80 Zum Beispiel in den Illustrationen technischer Handbücher wie etwa Borgnis, J.A., Traite complet de mecanique appliquee aux arts, contenant l'exposition methodique des theories et des experiences les plus utiles pour diriger le choix, l'invention, la construction et l'emploi de toutes les especes de machines. 8 Bde., Paris 1 8 1 8 - 1 8 2 0 . 81 Neveu u. Mihes, Zeichnen, S. 5. 82 Ebd., S. 5f. 83 Ebd., S. 8. 84 Ebd., S. VT. Wie umfassend die Gegenstände waren, welche Bereiche der Wirklichkeit durch den Rekurs auf die Kunst abgedeckt werden sollten, darüber gab eine »Analytische Tabelle« Aufschluß, welche dem Lehrplan beigefugt war und die Gesichtspunkte graphisch aufeinander bezog, welche im theoretischen Teil des Unterrichts abgehandelt werden sollten. 85 Ebd., S. VIII. 86 Ebd., S. 1. 87 Die französische Ausgabe von Pieter Campers Vorlesungen über den Ausdruck der verschiedenen Leidenschaften durch die Gesichtszüge inspirierte nach Benoit, Art franiais, S. 93 u. S. 108 während der Revolutionszeit die Theorie der Verbindung von Kunst und seelischen Zuständen. 88 Hunt, Politics, S. 5 3 - 1 1 9 passim. 89 Herbin, Statistique generale, Bd. 3, S. 4; Benoit, Art fran^ais, S. 202; Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 670. 90 Buisson, Dictionnaire Bd. 1, S. 6 9 1 - 6 9 3 . Vgl. den Eintrag zu Duval in: La France litteraire ou Dictionnaire Bibliographique, T. 2., Paris 1828. 91 Blankertz, Geschichte der Pädagogik, S. 1 0 4 - 1 1 0 ; Wunderlich, Grundriß, S. 2 6 - 3 3 . 92 Leon, Enseignement, S. 4 9 - 5 5 und passim; Weber, Peasants, S. 3 - 2 2 u. S. 3 0 3 - 3 3 8 . 93 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 692f. Der Agronom, Industrielle, Philanthrop und Lithograph Charles-Philibert Lasteyrie-Dusaillant, wichtiges Mitglied der »Societe de l'encouragement pour l'industrie nationale«, veröffentlichte beispielsweise 1834 ein Büchlein: La lecture par images, als seinen Beitrag zur Verbesserung der Volksbildung. 9 4 Mohl, Reise Frankreich, S. 120. 95 Vgl. Bureau de consultation des arts et metiers, Reflexions Sur ^instruction publique presentees ä la Convention nationale, Paris 1794. 9 6 Vgl. Dyce, Report, S. 6 3 1 - 6 7 3 u. S. 6 5 1 - 6 6 0 . Der schottische Präraffaelit, akademische Zeichenlehrer, Gewerbeförderer und Elektromagnetismusforscher William Dyce ( 1 8 0 6 - 1 8 6 4 ) bereitete sich mit seiner Erkundungsreise auf den Kontinent 1838 und 1839 zum Studium des Zeichenschul wesens und dessen Zurichtung auf industrielle Bedürfnisse auf den Posten eines Direktors und Sekretärs des Council of Schools of Design vor, den er 1 8 4 0 - 1 8 4 3 bekleidete, und dessen Aufgabe es war, durch die Einrichtung und den Ausbau

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Anmerkungen zu S. 75-76 von Zeichenschulen den französischen Vorsprung auf dem Gebiet der Konsumgüterindustrie einzuholen. Bell, Schools of design, S. 5 9 - 6 2 , S. 7 8 - 9 8 und passim; Carline, Teaching o f art, S. 7 5 - 8 0 . 97 Leon, Enseignement, S. 47; Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 1 1 0 - 1 1 2 ; Pevsner, Academies, S. 162f.; Birembaut, Ecoles gratuites, S. 441f. u. S. 464; Chartier, Education en France, S. 2 2 2 - 2 2 5 . 98 Birembaut, Ecoles gratuites; Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 1 1 2 - 1 1 4 ; Dyce, Report; Courajod, Arts du dessin; Vitry, Amphitheatre. Demnächst wird zur Pariser »Ecole« eine Habilitationsschrift von Ulrich Leben erscheinen. Die in der Literatur angegebene Zahl von 1.5oo Schülern wurde zumindest in den 1840er Jahren deutlich unterschritten. Eine Tabelle von 1850 mit Berufsangaben der Schüler gibt über die Vielzahl der Berufe Auskunft, fur welche zeichnerische Vorbildung von Vorteil war - nicht nur für Dessinateure, Architekten, Lithographen, Dekorationsmaler und -bildhauer, Xylographen, Graveure und Ziseleure, Mechaniker, Porzellanmaler, sondern auch für Schuster, Friseure, Schneider, Papierarbeiter, Täschner und Konditoren, Schlosser, Schmiede und Töpfer, Färber und Vergolder, Klempner, Drechsler und Zimmerleute, Uhrmacher, Optiker, Gürtler und andere mehr. Auch einige Büroangestellte, »Professoren«, Studenten der Rechte und der Medizin waren eingeschrieben. Archives Nationales, Inventaire de l'ecole des arts decoratifs. Serie AJ 53 134. 99 Ecole Royale et speciale de dessin, de mathematiques, d'architecture et de sculpture d'ornement, appliques aux arts industriels. Distribution des prix. 22 aout 1847. S. lf. Mohl, Reise Frankreich, S. 3 9 8 - 4 0 8 . 100 Ecole de dessin, distribution des prix, 1847, S. 3. 101 Dyce, Report, S. 660. 102 Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 1 1 2 - 1 1 4 ; Benoit, Art fran^ais, S. 203. 103 Beide waren Maler, die es bis zur Salonausstellung brachten, aber letztendlich nicht reüssierten und als Zeichenlehrer arbeiteten. Ferdinand Dupuis starb 1851, Alexandre 1854, beider Geburtsdaten sind einschlägigen Biographien zufolge unbekannt. Wunderlich, Grundriß, S. 8 8 - 9 5 . 104 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 750f. 105 Dupuis, Al.[exandre]: De l'enseignement du dessin sous le point de vue industriel, Paris 1836. Ders., Enseignement general du dessin, Paris 1847. Dupuis, F.[erdinand]: Expose succinct du polychematisme ou methode concernant le dessin lineaire geometrique usuel et les differens phenomenes de la perspective, Paris 1841. 106 Bei Mohl, Reise Frankreich, ist die Methode S. 3 6 2 - 3 7 9 ausfuhrlich dargestellt. 107 Benoit, Art francais, S. 203; Dyce, Report, S. 651. Harten, Museen, S. 2 3 8 - 2 5 4 , nennt Vorhaben für Museen in Verbindung mit einer Zeichenschule in Toulouse, Blois, Narbonne, Troyes, Vienne, Bergues, Dunkerque, Lille, Dijon und an anderen Orten, welche zumindest teil- und zeitweise zur Ausführung gelangten. Nach dem Muster der ecole gratuite wurden 1806 weitere Schulen in Lyon, Dijon und Toulouse geplant. Gazette Nationale, 1806, 1, S. 357f. Costaz, Administration, Bd. 1, S. 337, nennt noch eine Schule für die Lehrlinge der Gobelin-Manufaktur. 1826 wurde in Lyon eine berühmte private Schule für die Ausbildung von Werkmeistern für die Textilindustrie eingerichtet, die fecole La Martiniere. Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 183; Dyce, Report, S. 6 6 1 - 6 7 3 passim. 108 Report select committee 1836, S. 2, testimony John Bowring. Die Pariser Schulen waren in dieser Schätzung eingeschlossen. 109 De Laborde, Union des arts, Bd. 1, S. 185. 110 Diese Reorganisation ist bei Dyce, Report, S. 6 6 1 - 6 7 3 , im einzelnen beschrieben.

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Anmerkungen zu S. 76-77 Nach Bowring, Report select committee 1836, S. 2, besuchten in den dreißiger Jahren rund zweihundert Schüler diese Schule. 111 Mohl, Reise Frankreich, S. 5 8 - 6 0 , S. 69, S. 7Of., S. 102, S. 120, S. 140, S. 345f. 112 Dyce, Report, S. 651. 113 Mohl, Reise Frankreich, S. 105 u. S. 120. 114 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 2 4 5 0 ; Dumreicher, Nationalwohlstand, S. 1 6 6 - 1 8 5 ; D'Henriet, Enseignement populaire, S. 9 8 4 ; Audiganne, Mouvement intellectuel, S. 8 7 7 886. 115 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, Artikel »Conservatoire des Arts et metiers«; Mohl, Reise Frankreich, S. 3 9 9 - 4 0 2 ; Audiganne, Mouvement intellectuel, S. 876f. Für handwerklichtechnische Ausbildung existierten bloß zwei staatliche Schulen, in Chalons-sur-Marne und in Angers. Costaz, Memoire, S. 32f.; Artz, Technical education. Außerdem gab es in den dreißiger Jahren in Lyon ein »Conservatoire des arts et metiers« nach dem Muster des Pariser Vorbilds, wo Zeichenunterricht sowie Kurse in Chemie und Mechanik angeboten wurden. Costaz, Administration, Bd. 2, S. 312. In den zwanziger Jahren gab es neben diesen staatlichen Fachschulen hundert Schulen fur Arbeiter, in welchen Grundzüge der Geometrie und der angewandten Mechanik gelehrt wurden. Dupin, Forces produetives Bd. 1, S. 60f. 116 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 2459f.; Artz, Technical education. Nachdem die revolutionären tcoles Centrales 1808 per Dekret abgeschafft worden waren, gab es keine schulische Regelung für weiterführenden oder berufsfachlichen Unterricht fur Lehrlinge und junge Arbeiter. Bis 1823 gab es nach Buisson, Dictionnaire, Bd. 1 (Stichwort Bibliographie) keine Schriften zu diesem Thema. Zuerst wurde 1824 von Dupin das Problem in einer Broschüre thematisiert: Oers., Avantages sociaux d'un enseignement public applique ä l'industrie. Paris 1824. Danach erschienen Untersuchungen zur Volksbildung allgemein in England und Deutschland, darunter auch Württemberg. In Frankreich wurde das Thema erst während der 48er Revolution wieder aufgegriffen. 117 »Das Umrißzeichnen gehört zu denjenigen Kenntnissen, welche in ganz Frankreich populär werden sollten. Es ist eine richtiggehende Schrift, die gleichfalls allen Menschen vertraut sein sollte«, Dupin, Forces produetives, Bd. 1, S. 71. 118 Ebd., S. 137. 119 Mohl, Reise Frankreich, S. 5 1 - 3 3 4 passim. 120 Benoit, Art fran^ais, S. 1 3 1 - 1 4 4 u. S. 244f. 121 ficole dessin, distribution des prix 1847, S. lf.; Mohl, Reise Frankreich, S. 3 9 8 - 4 0 7 ; Dupin, Forces produetives, Bd. 1, S. 134; Audiganne, Mouvement intellectuel, S. 8 7 7 - 8 8 6 . 122 Benoit, Art fran£ais, S. 203. 123 Zum artistischen Publikationswesen und dessen Wandel in der Französischen Revolution vgl. Benoit, Art fran^ais, S. 2 1 4 - 2 2 1 . 124 Mohl, Reise Frankreich, S. 71. 125 Tableau presentant, par arrondissement communal de la ville de Paris, les divers genres d'industrie dont lesproduits ont ete exposes au Louvre en 1819, in: De Moleon u. LeNormand, Musee des produits, Bd. 4 , S. 3 1 0 - 3 1 7 . 126 Hier seien nur zwei Beispiele von vielen angeführt. Zum einen die »Nouvelle collection d'etudes de dessin« von fetienne Rey, Professeur de dessin in Lyon, Mitglied der dortigen Akademie und Directeur des Museums im nahen Vienne, zum anderen [Adolphe Julien] Bilordeaux: Ecoles Communales. Etudes de dessins d'apres l'antique See., adoptees par la Ville de Paris. Paris s.d. (ca. 1830). Biographische Daten waren nicht nachzuweisen. 127 Dieser Gattung Werke ist äußerst schwer auf die Spur zu kommen, da sie bibliographisch oder archivalisch nicht als solche systematisch erfaßt wurden, sondern allenfalls

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Anmerkungen zu S. 77-80 dann, wenn sie zum CEuvre eines Künstlers gezählt wurden. Daher hilft das Standardwerk der Bibliotheque Nationale, der Inventaire du Fonds fran^ais apres 1800, nicht weiter. Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, nennt im Artikel »dessin« einige Autoren und Titel. Weitere Werke sind angeführt in: Denis, Manuel de bibliographie, unter »Dessin«. Ansonsten bleibt, sich über einzelne Musterblätter oder Konvolute französischer Provenienz zu freuen, welche - ohne Namen, ohne Datum, ohne Titel - bisweilen in Archiven, Museen oder privaten Nachlässen auftauchen. 128 Harten, Museen, S. 1 9 7 - 2 0 5 . 129 Recueil des lettres ... du citoyen Frangois de Neufchäteau, Bd. 1, S. 215. 130 Herbin, Statistique generale, Bd. 3, S. 4f. u. S. 46. 131 Stierle, Hauptstädte, S. 8 3 - 1 1 1 . Sehr aufschlußreich sind die Briefe von Sulpiz Boisseree aus Paris, abgedruckt in Moisy, Boisseree. Einblick in ein Gelehrtenleben unter Gelehrten in der Hauptstadt des Wissens, das des württembergischen Orientalisten Julius Mohl, eines Mitglieds der französischen Akademie der Wissenschaften, aus der Perspektive der Salongeselligkeit gibt O'Meara, Madame Mohl. 132 Lenoir, Musee des monumens, Bd. 1, S. 50f. 133 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 307f. 134 Baudrillart, Luxe public, Bd. 4 , S. 5 0 4 - 5 5 1 ; Hermant, Destructions; Sprigath, Vandalisme; Pommier, Doctrines, S. 1 7 - 5 8 u. S. 9 3 - 1 6 6 ; ders., Ideologie. 135 Schneider, Quatremere de Quincy, S. 81. 136 Ebd., S. 80f.; Harten, Museen, S. 37; McClellan, Louvre, S. 3 0 0 - 3 1 3 ; Babelon, Louvre. 137 Vgl. Wescher, Kunstraub; Chatelain, Denon, S. 1 0 3 - 2 5 4 u. S. 2 8 9 - 3 0 5 . 138 Benott, Art fran^ais, S. 233; Meyer, Briefe, Bd. 2, S. 140. 139 Meyer, Briefe, Bd. 1, S. 89f.; Schuttes, Fußreise, Bd. 2, S. 390. 140 In der Augsburger Allgemeinen Zeitung No. 203 vom 22. Julius 1835, S. 1618, wird Bowring mit seinen Beobachtungen zitiert: »In Frankreich ... sind die Museen und andere Kunstausstellungen allen Volksklassen geöfnet, und werden äußerst stark besucht. Sonntags wimmeln die Säle des Louvre von Schaulustigen.« Vgl. auch Larousse, Dictionnaire universel, vol. XI, S. 717. Zitiert wird eine Bemerkung des Gelehrten Robert de Lasteyrie. 141 Gazette nationale 13 germinal an 10 (1802. S. 772f. Der Palast und die Werke wurden als Ausdruck nationalen Glanzes gesehen: »II atteste le devouement que tous les arts doivent ä la splendeur nationale.« S. 773. 142 Harten, Museen, S. 115-137. 143 Vgl. Erlande-Brandenburg, Musee des Monuments; Bann, Poetik; Poulot, Lenoir. 144 Harten, Museen, S. 1 5 3 - 1 7 9 . Lenoir, Musee des monumens, Bd. 1, S. 51. Abbildungen der Saalarrangements dort und in: Vues pittoresques et perspectives des salles du musee des monumens frar^ais. Paris 1816. 145 Lenoir, Musee des monumens, Bd. 1, S. 6. Zur musealen Organisation des Museums Bann, Poetik. 146 Lenoir zitiert in der Einleitung zum ersten Band seines »Musee des monumens« seinen gelehrten Kollegen Lavallee: »L'ordre, l'art, la lugubre magie que Lenoir a mis dans la distribution de ce Musee, donnent tout ä la fois l'Histoire de son ame , et de son genie et de ses connaissances.« (S. 8). Ein deutscher Reisender beschreibt ganz entsprechende Eindrüke: »Allenthalben liegt hier das Buch der Geschichte aufgeschlagen, und redet aus den Zügen, welch die Kunst diesen Bildnissen gab, und aus dem Karakter , den sie diesen Denkmälern aufprägte. Ein gewisser geheimer Zauber liegt in dem wunderbaren Gemisch von Gegenständen, sichtbaren Spuren menschlicher Schwäche und Stärke, wahrer und scheinbarer Größe; in

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Anmerkungen zu S. 80-81 diesen Grab- und Ehrenmälern, Ueberresten von Herrschern, Helden, Staatsdienern, und Gelehrten; in diesen todten Körpern der Könige, nakt , unverhüllt, wie die Wahrheit der Geschichte ihrer Tugenden und Laster, hingerekt auf ihren Leichensteinen; in dieser friedlichen Vereinigung der todten Bilder derer, welche unvereinbar waren im Leben.« Meyer, Briefe, Bd. 1 , S . 107. 147 Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, S. 1993; Bugge, Reise nach Paris, S. 106-116. 148 Harten, Museen, S. 81-107; Buisson, Dictionnaire, Bd. 1, Artikel »Conservatoire des arts et metiers«; Bugge, Reise nach Paris, S. 2 5 3 - 2 6 7 ; Costaz, Administration, Bd. 2, S. 3 0 7 312. 149 Im Katalog der »Bibliotheque Nationale« ist das Werk unter folgendem Titel verzeichnet: Milizia, Francesco, De l'art de voir dans les beaux-arts; traduit de l'italien de Milizia; suivi des institutions propres ä les faire fleurir en France et d'un etat des objets d'art dont ses musees ont ete enrichis par la guerre de la liberte. Par le general Pommereul, Paris An 6. Die früheste gefundene italienische Ausgabe ist 1781 datiert. (National Union Catalog). Es handelt sich also um einen Cicerone, der den erbeuteten Antiken nach Frankreich gefolgt war. Francois Rene Jean de Pommereul (1745-1823) war General im Dienst des Königs von Neapel, später französischer Präfekt und Bibliothekar am Marineinstitut. Er schrieb neben Gedichten unter anderem ein Buch über die Kampagnen Napoleons in Italien sowie eins über Chausseebau und arbeitete am Supplement der »Encyclopedic« mit. Vgl.: La France litteraire ou Dictionnaire bibliographique T. 7. Paris 1835. S. 256f. 150 Gazette Nationale, 1802, 1, S. 1240. 151 Lenoir, Musee des monumens. Neben der hier zitierten Ausgabe habe ich noch drei weitere finden können, deren Titel den jeweiligen politischen Umständen angepaßt waren. Vgl. das Verzeichnis gedruckter Quellen. 152 Harten, Museen, S. 108-110. 153 Ebd., S. 56-67. 154 Ebd., S. 138-152. 155 Ebd., S. 2 6 - 3 7 . 156 Schneider, Quatremere de Quincy, S. 194-287. 157 Ebd., S. 8 5 - 8 9 u. S. 194-197. 158 {.mirk-David, Musee olympique, S. 298f. 159 Ders., Influence des arts du dessin, S. 299. Vgl. Harten, Museen, S. 110-114. 160 Peuchet, [Jacques]: D'un Museum national des arts et fabriques. In: Gazette nationale, 1 8 0 1 , 2 , S. 855f., dort S. 855. Der Autor (1758-1830) war ein politisch aktiver Publizist, Verwaltungsmann und Zensor. Er schrieb zahlreiche Beiträge fur Handbücher und erhob Statistiken zu Handel und Wirtschaft, so auch zu Herbins statistique generale (s.o.). Nouvelle biographie generale, Bd. 39. 161 »Für das Studium der Künste wird es sein, was die Kabinette der Mineralogie, der Zoologie und der Botanik für das Studium der Natur sind.« Gazette nationale, 1801, 2, S. 856. 162 »An der Stelle sind die eigentlichen Annalen der Kunst zu finden: dort unterrichten die wirklichen Denkmäler über ihre Geschichte; dort kann man Zeit, Ort und Personen vergleichen, die getroffenen Maßnahmen beurteilen, Hinweise auf diejenigen erhalten, welche getroffen werden müssen.« Camus, Notes, S. 430. Camus (1740-1804) war Jurist, Politiker und Archivar der Republik. Er schrieb zahlreiche Artikel in der Gazette Nationale. Dictionnaire de biographie franfaise, Bd. 7, 1956, S. lOlOf. 163 Vgl. Sherman, Monuments, S. 9 7 - 1 2 0 ; Harten, Museen, S. 196-237; Pommier, Musees de province.

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Anmerkungen zu S. 81-87 164 Larousse, Dictionnaire du XIXC siede, Bd. XI, S. 717; Herbin, Statistique generale, Bd. 3, S. 46, nennt siebzehn Museen, welche 1804 durch Konsulatsbeschluß gesichert worden seien. Vgl. Benoit, Art fran£ais,S. 116 u. S. 155; Pommier, Musees de province, S. 451; sowie Harten, Museen. Dort weitere Literatur. 165 Herbin, Statistique generale, Bd. 3, S. 46. 166 Benoit, Art fran^ais, S. 155. 167 Dyce, Report, S. 662. 168 Mohl, Reise Frankreich, S. 345. 169 Vgl. Agulhon, Imagerie civique; ders., Statuomanie. 170 Zur Entwicklung von Ordnungsprinzipien in der Naturgeschichte Lepenies, Ende, S. 2 1 - 4 0 und passim; Foucault, Ordnung, S. 1 6 5 - 2 1 0 . 171 Der Skulpturenpark ist beschrieben bei Meyer, Briefe, Bd. 1, S. 6 0 - 6 5 . 1806 war ein Führer durch Schloß und Garten neu aufgelegt worden: Lamadeleine, Philippon: Manuel ou nouveau guide du promeneur aux Tuileries, contenant la description de ce palais, et celle de toutes les statues qui embellissent le jardin. Paris 1806. Mit 78 Stichen. 172 Vgl. Schneider, Quatremere de Quincy, S . 1 9 - 1 2 0 passim. 173 Ders. nennt auf S. 22 Legrand, Molinos, Percier, Fontaine und andere. 174 Zur Finanzierung der Kulturpolitik vgl. Gerbod, Action culturelle. 175 Schneider, Quatremere de Quincy, S. 65. 176 Ebd., S. 7 8 - 8 0 . 177 Ebd., S. 1 1 6 - 1 2 0 . 178 Beide Zitate: Quatremere de Quincy, Destination des ouvrages de l'art, S. 7.

IIA. Kunstliteratur

und

Kunstinteresse

1 Vgl. Haskeil, Kunstbuch. 2 Ein Beispiel ist Montfaucon, Bernard, Les monumens de la monarchie franfaise qui comprennent l'histoire de la France. 5 Bde., Paris 1 7 2 9 - 1 7 3 3 . 3 Ein Beispiel: Piganiol de la Force, Jean Aywar, Description de Paris, et de toutes les autres belles maisons et chateaux des environs de Paris, Paris 1 7 3 0 / 1736. 4 Haskell, Kunstbuch, S. 8f. u. S. 17f. Ein Beispiel: Recueil d'estampes d'apres les plus celebres tableaux de la Galerie Royale de Dresde. I Volume contenant cinquante pieces avec une description de chaque tableau en Francois et en Italien. Imprime a Dresde MDCCLIII gr. fol. II volume contenant cincuante pieces avec une description de chaque tableau en Francois et en Italien. Imprime a Dresde MDCCLVII. gr.fol. 5 Ein Beispiel: Collection de villes, chateaux, edifices, theatres, places publiques, colonades & ce qu'il y a de plus remarquable dans toute l'Europe avec leur explication. Ouvrage dedie ... aux amateurs d'art, Paris 1765. 6 Besonders bekannt, studiert und überall als Kunstlehrbuch in Gebrauch war: Montfaucon, Bernard de, L'Antiquite expliquee et representee en figures. Thesaurus Antiquitatum, Paris 1 7 2 2 - 1 7 5 7 . Benoit hebt es als »venerable recueil« hervor: Art fi-a^ais, S. 125. Das Werk war auch in einer deutschen Ausgabe vorhanden, erschienen in Nürnberg 1757. Boime, Revolution, S. 91, erwähnt eine englische Ausgabe: »Antiquity Explained«. 7 Ein Beispiel: Cochin, Charles Nicholas, Voyage d'Italie ou recueil de notes sur les ouvrages de peinture et de sculpture qu'on voit dans les principales villes d'Italie. Nouv. ed., 3 Bde., Lausanne 1773.

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Anmerkungen zu S. 87-91 8 Ein Beispiel: Stuart, James u. Nicholas Revett, The Antiquities o f Athens measured and delineated. 4 Bde., London 1 7 6 2 , 1 7 8 7 , 1 7 9 4 , 1 8 1 6 . Es handelt sich um die Ergebnisse einer Forschungsreise, welche von der englischen »Society of Dilettanti« organisiert worden war, einer 1732 gegründeten Vereinigung vermögender Kunstfreunde, welche sich der Förderung der Erforschung der Antike widmeten, inspiriert von ihren Erlebnissen auf der Grand Tour, der Bildungsreise junger gentlemen. Die »Society« finanzierte Expeditionen und gab außer dem vorliegenden noch mehr Werke heraus. Die Veröffentlichungen der »Society« mit ihren aufwendigen Illustrationen trugen maßgeblich zur Begeisterung fur die bis dahin praktisch kaum bekannte antike Kunst Griechenlands bei und damit zum archäologischen Klassizismus des späten 18. Jahrhunderts. Die Mitglieder der Society trugen zahlreiche Antiken nach England, die heute zu den Schätzen des Britischen Museums zählen. Zur »Society of Dilettanti« vgl. Osborne, Companion, S. 315. 9 Zu den frühen Antikenpublikationen und Abgüssen Haskell u. Penny, Taste, S. 1 - 6 u. S. 1 6 - 2 2 . 10 Ebd., S. 2 3 - 1 0 7 . 11 Ebd., S. 7 - 1 4 , S. 2 3 - 3 0 , S. 6 2 - 7 3 und passim. 12 Im Namen der berühmtesten Antiken - etwa des Apoll von Belvedere, der medicäischen Venus, des borghesischen Fechters oder des farnesischen Herkules - wurde ihre Zugehörigkeit zu einer der großen Sammlungen Roms und der besitzenden Familien markiert. Ebd., S. 2 3 - 3 0 . 13 Ebd., S. 7 - 1 4 u. S. 2 3 - 3 0 . 14 Eine plastische Darstellung dieser Zirkel findet sich bei Boime, Revolution, S. 6 2 - 8 7 und passim, sowie bei Haskell u. Penny, Taste, S. 7 - 3 0 , S. 6 2 - 7 3 und passim. 15 Sein Leben ist beschrieben in Band 7 seines »Recueil«, einem posthum herausgegebenen Supplement. Zu Caylus vgl. Miller, Griechenstreit, S. 2 4 7 - 2 5 1 . 16 Vgl. Eriksen, Neo-classicism, S. 1 1 4 - 1 1 6 . 17 Caylus, Comte Anne Claude Philippe de, Recueil d'antiquites egyptiennes, grecques et romaines, 7 Bde., Paris 1 7 5 2 - 1 7 6 7 . 18 Ebd., S. IXf. 19 Ebd., S. Xlf. 20 Ebd., Bd. 5, S. VI. 21 Caylus, Anne Claude Philippe de, Memoire sur la peinture a l'encaustique et sur la peinture a la cire. Genf 1780. 22 Caylus' Aktivitäten in diese Richtung sind in der Eloge am Anfang des 7. Bandes näher beschrieben. 23 Caylus, Recueil, Bd. 3, S. IX. 24 Eriksen, Neo-classicism, S. 114-116. 25 Caylus, Recueil, Bd. 1, S. VII. 2 6 Beide Zitate ebd., Bd. 1, S. Vllf. 27 Ebd., Bd. 2, S. I. 28 Das läßt sich aus dem Vorwort des fünften Bandes entnehmen: Ebd., Bd. 5, S. VI. 29 Ebd., Bd. 6, S. V-X. 30 Unerfahreneren Sammlern soll er Fälschungen untergeschoben haben. Boime, Revolution, S. 1 4 5 - 1 5 0 , zu obigem: S. 148. 31 Vgl. Waetzold, Kunsthistoriker, Bd. 1, S. 5 1 - 7 3 . 32 Baeumer, Klassizität, S. 203. 33 Außerdem handelte er mit Fälschungen - die Engländer auf ihrer Grand Tour waren dankbare und zahlungskräftige Abnehmer. Boime, Revolution, S. 6 8 - 7 0 .

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Anmerkungen zu S. 92-94 34 Anton Raphael Mengs war einer dieser Künstler. Er malte 1760 ein Deckengemälde im neuen Stil für Albanis Galerie und griff dabei auf Figuren aus den pitture antiche d'Ercolano zurück sowie auf berühmte, als Meisterwerke griechischer Kunst geltende Skulpturen: den Apollon Belvedere und die Musen des Apollon Musagete. Diese Figuren hatten zu Albanis Sammlung gehört, bevor er sie an den Papst verkauft hatte. Winckelmann widmete dem Künstler seine »Geschichte der Kunst des Altertums«, sein Hauptwerk. Röttgen, Deutsche Kunst, S. 1 6 1 - 1 7 8 . 35 Winckelmann entfaltete seinen historischen Ansatz zuerst in seinen »Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst (Dresden 1754/ 55) und in seiner »Geschichte der Kunst des Altertums« (Dresden 1764). Vgl. Schlosser, Kunstliteratur, S. 433^135 u. S. 4 5 8 - 4 6 1 . Szondi, Poetik, S. 1 8 - 4 6 . Vgl. auch die Aufsätze in Gaehtgens, Winckelmann. 36 Unter diesem Motto war Winckelmanns Antikenbild populärer Bildungsschatz geworden. Er hatte es in seiner frühen Abhandlung »Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst« (Dresden 1754/55) geprägt. Winckelmanns Werke, Bd. 1 , S . 35. 37 Bekanntermaßen entwickelte Winckelmann diese Auffassung anhand römischer Kopien; griechische Plastik geriet erst mit den Elgin-Marbles Anfang des 19. Jahrhunderts in den Blick der Archäologen, Reisenden, Gelehrten. 38 Vgl. Lepenies, Winckelmann. 39 Winckelmanns Werke, Bd. 1, S. 58. 4 0 Auf dem Hintergrund der Schriften der französischen Aufklärung, von welchen Winckelmanns geschichtsphilosophische Ästhetik beeinflußt war, konnte sein Entwurf, anders als in Deutschland, als Plädoyer fur republikanische Freiheit als Voraussetzung der griechischen Kunst verstanden werden. Baeumer, Klassizität, insbes. S. 201f. 41 Lehmann, Kunstzeitschrift, S. 7 1 - 7 3 . 42 Vgl. Boime, Revolution; Eriksen, Neo-classicism; Hauser, Sozialgeschichte der Kunst, S. 6 4 8 - 6 6 9 und passim, Starobinski, Embleme, S. 1 0 8 - 1 1 9 und passim. 43 Stürmer, Handwerk, S. 1 3 5 - 1 6 4 und Abbildungen. Vgl. den Artikel »Neo-Classicism« in: Osborne, Companion, S. 5 9 1 - 5 9 3 . 4 4 Benoit, Art fran^ais, S. 1 2 4 - 1 3 0 . 45 Encyclopedic methodique ou par ordre de matieres, par une societe de gens de lettres, de savans et d'artistes. Paris 1 7 8 8 - 1 8 2 5 . 4 6 Antiquites. Vol. 1 - 5 . Paris 1 7 8 6 - 1 7 9 4 . Dazu gehörte: Recueil d'antiquites redige par Mongez, 380 Tafeln, Paris 1804. Architecture. Par A.C. Quatremerede Quincy. 3 Bd., 1 7 8 4 1825. Arts et metiers mechaniques. 8 Bde., Paris 1 7 8 2 - 1 7 9 1 . Beaux arts. 2 Bde., Paris 1 7 8 8 1791. Tafeln 1805. Commerce. 3 Bde., Paris 1 7 8 3 - 1 7 8 4 . Manufactures, arts et metiers. 4 Bde., Paris 1 7 8 5 - 1 8 2 8 . 47 Die wichtigsten waren: Miliin, Aubin Louis, Galerie mythologique. Recueil des monuments pour servir ä l'etude de la mythologie, de l'histoire de l'art, de l'antiquite figuree et du language allegorique des Anciens. 190 Tafeln, 2 Bde., Paris 1811. Mongez, Antoine u. Ennio Quirino Visconti, Iconographie ancienne ..., Paris 1 8 1 1 - 1 8 2 9 . Quatremere de Quincy, Antoine Chrysostome: Monuments et ouvrages d'art antiques restitues d'apres la description des ecrivains grecs et latins, et accompagnees de dissertations archeologiques, Paris 1829. Seroux d'Agincourt, Jeän Bapt. Louis George, Recueil de fragmens de sculpture antique en terre cuite, Paris 1814. 48 Als Beispiel: Mazois, Francois, Les ruines de Pompei. 4 Bde., Paris 1 8 2 4 - 1 8 3 8 . 49 Wichtige Beispiele: Denon, Vivant, Voyage dans la basse et haute figypte pendant les

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Anmerkungen zu S. 94-97 campagnes du General Bonaparte, Paris 1802. Eine deutsche Ausgabe erschien 1803. Millin, Aubin Louis, Aegyptiaques ou Recueil de quelques monuments Aegyptiens inedits, Paris 1816. Quatremere de Quincy, Antoine Chrysostome, De l'architecture egyptienne, consideree dans son origine, ses principes et son gout et comparee sous les memes rapports ä l'architecture grecque, Paris An XI (1803). 50 Zwei Beispiele: Lenoir, Alexandre, Parallele des anciens monuments mexicains avec ceux de l'Egypte, de l'Inde et du reste de l'ancien monde, Paris o.D. Cassas, Louis Francois, Voyage historique et pittoresque de la Syrie, de la Phenicie, de la Palestine et de la basse Egypte, Paris 1799/1800. 51 Quatremere de Quincy, Antoine Chrysostome, Histoire de la vie et des ouvrages de Raphael, Paris 1835. Grandjean de Montigny, Auguste Henri Victor u. A. Famin, Architecture toscane, ou palais, maisons et autres edifices de la Toscane ..., Paris 1815. Percier, Charles u. Pierre Francois Leonard Fontaine, Palais, maisons et autres edifices modernes dessines a Rome, Paris 1798. 52 Ein Beispiel: Artaud de Montor, Alexis Francois, Considerations sur l'etat de la peinture en Italie dans les quatre siecles qui ont precede celui de Raphael, Paris 1811. 53 Seroux d'Agincourt, Jean Bapt. Louis George, Histoire de l'art par les monuments depuis sa decadence au IVC siecle jusqu'a son renouvellement au XVI e . 6 Bde., Paris 1 8 1 1 - 1 8 1 4 . Das monumental angelegte Werk, welches insgesamt 325 Tafeln Abbildungen enthalten sollte, blieb Fragment. 54 Vgl. Bilder nach Bildern, S. 288. Das Werk sollte Aufbau und Herausgabe von Kunstbüchern in Deutschland direkt beeinflussen. 55 Ein Beispiel: Miliin, Aubin Louis, Voyages dans les Departemens du Midi de la France. 4 Bde., Paris 1807, 1808, 1811. 56 Millin, Aubin Louis, Antiquites nationales ou recueil de monumens pour servir a l'histoire de l'empire fran£ois tels que tombeaux, inscriptions, statues, vitraux, fresques ... tires des abbayes, monasteres, chateaux. 5 Bde., Paris 1 7 9 0 - 1 7 9 8 . 57 Benott, Art fran^ais, S. 114f.; Schuttes, Fußreise, Bd. 2 , S. 394. Nachstehend seien einige Titel von den wichtigsten Stichpublikationen aufgeführt. Sie machten einen Besuch des »Musee Central« quasi überall möglich. Nachfolgepublikatonen erschienen auch, nachdem die zusammengerafften Bestände wieder zurückgegeben worden waren. Bouillon, Musee des antiques, und Laurent, Musee, wurden schon oben genannt. Weitere wichtige Werke waren: Musee fran£ais. Recueil des plus beaux tableaux, statues et bas-reliefs qui existaient au Louvre avant 1815. ... par Duchesne aine. 4 Bde., Paris, 1 8 1 6 - 1 8 1 8 . Filhol, Antoine-Michel, Cours historique et elementaire de peinture, ou Galerie du Musee Napoleon. 10 Bde., Paris 1 8 0 4 - 1 8 1 5 . Piroli, Thommaso: Les monumens antiques du Musee Napoleon. 4 Bde., Paris 1 8 0 4 - 1 8 0 6 . Visconti, Ennio Quirino, Description des Antiques du Musee Royal. Commencee par..., continue et augmentee parM. le ComtedeClarac. Paris s.d. [1820]. Willemin, Nie. Xav., Parallele des plus anciennes peintures et sculptures antiques du Musee Napoleon. Paris 1808. 58 Lehel, Revues, S. 48. In der Bibliographie selbst weitere Angaben zu den Zeitschriften. 59 Bei drei Lieferungen im Monat sollten 144 Abbildungen 24 francs im Jahr kosten. Zum Vergleich: Die offizielle »Gazette Nationale« kostete bei täglichem Erscheinen 100 francs im Jahr, Abbildungen gab es keine. 60 Landon, [Charles Paul], Annales du Musee et de l'ecole moderne des beaux-arts, recueil de gravures au trait, d'apres les prineipaux ouvrages de peinture, architecture, ou projets d'architecture exposes chaque annee au sallon du Louvre; tableaux de la galerie du musee; sculptures antiques; edifices publics, etc... Gazette Nationale 1802, 3, S. 1210. Burton, Anthony, Periodicals, S. 4.

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Anmerkungen zu S. 97-103 61 Dupin, Producteur fran^ais 1, S. 20. 62 Ebd., S. 41. Man muß allerdings berücksichtigen, daß nach dieser merkwürdigen Statistik der goüts intellectuels (S. 42) Romane (belles-lettres) 1814 über dreizehn Millionen Seiten füllten, historische Darstellungen und Reisebeschreibungen über sechzehn Millionen; 1826 hatten die Romanseiten sich mehr als verdoppelt, die Beschreibungsliteratur war um das dreifache gewachsen - der Geschmack war realistischer geworden (S. 43). 63 Burton, Periodicals, S. 5. 64 » ... it is indeed the paper currency of art, and always represents sterling value.« Report select committee 1836, S. 50. Testimony Edward Cowper, engineer-manufacturer in printing machines, Manchester. 65 Ein Buch dagegen aber nur in 25%. Roche, Bilderhandel.

II.5. Kulturelle Hegemonie

und wirtschaftliche

Entwicklung

1 Rede Francis de Neufchäteaus, Gazette nationale, 4, S. 2. 2 Zu diesem Prozeß vgl. die Einleitung und den ersten Teil (The poetics of power) in Hunt, Politics, S. 1 - 1 1 9 . Wichtig sind ferner die ersten vier Aufsätze im ersten Abschnitt (La Revolution) in: Ozouf, Ecole, S. 2 7 - 1 2 7 . Eine solche Argumentation durchzieht auch schon ein neueres Standardwerk zur Geschichte der Französischen Revolution: Füret u. Richet, Revolution. Zum Verhältnis von Philosophie der Aufklärung und Volkswillen: Groethuysen, Philosophie, S. 118-180. 3 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 346f. 4 Diese Verbindung wurde von einem Pariser Tischler auf die prägnante LadenschildFormel gebracht: »Ici Ton fait des meubles antiques, dans le goüt le plus moderne.« Rapport jury 1834, Bd. 1 , S . 171. 5 Mainardi, Art and politics, S. 14. 6 Aufruf des Innenministers, des Chemikers Chaptal. Gazette Nationale, 1801, 2, S. 691. 7 Stellvertretend: Meyer, Briefe, Bd. 1. Aufschlußreich fur die Rezeption der politischen Symbolik in Deutschland, welche mit der zeitlichen Entfernung der Ereignisse - trotz der Restauration - eher zu- als abnahm, ist ein Brief Ludwig Börnes ( 1 7 8 6 - 1 8 3 7 ) über die Pariser Industrieausteilung von 1823: »Fast merkwürdiger, als das Schauspiel, dünkte mir der Schauplatz der Industrie-Ausstellung. Im Louvre fand sie statt; in diesem Louvre, das Jahrhunderte die mächtigsten Könige der Welt bewohnten, das nie ein bürgerlicher Fuß betreten, er müßte denn gekommen sein, dankend oder bettelnd hinzuknieen! Hunderttausende von Bürgern und Handwerkern / gingen nun mit bestäubten Füßen in den königlichen Sälen auf und ab; und die herrlichen so berühmten Säulenreihen waren ihrem Ergötzen und ihrem nahen Erstaunen preißgegeben, und sie sahen von dort auf den Platz hinab, von welchem fünf Menschengeschlechter nur immer ehrfurchtsvoll hinaufgesehen! Das französische Volk hat sich die Ehre des Louvre genommen - das ist nicht Etwas, das ist Viel.« Börne, Schriften, Bd. 3, S. 213f. Vgl. Stierle, Mythos von Paris, S. 2 9 3 - 3 0 3 . 8 De Laborde, Union des arts, Bd. 1, S. 218. 9 Ein Berichterstatter würdigte besonders » den sublimen Einfall, sowohl Fabrikanten als einfache Arbeiter aus ihrem engen Gesichtskreis der Tagesarbeit und der Fabrik herauszuholen, um ihnen ein Gefühl fur Ruhm zu vermitteln und ihr Verlangen und ihren Willen anzustacheln, sich einen Namen zu machen, der im Gedächtnis der Menschen fortlebt.« Camus, Notes, S. 430.

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Anmerkungen zu S. 103-109 10 » ... elegante Formen sind an Objekte für den gewöhnlichsten Gebrauch angebracht; die Möbel in unseren Wohnungen sind in ihren Einzelheiten Monumente der Kunst durch Marmor, Bronze, Bas-Reliefs und Kameen, welche sie bereichern; im ganzen sind sie Beispiele reiner, korrekter, bezaubernder Zeichnung.« Camus, Notes, S. 430. 11 Le Normand u. De Moleon, Annales, Bd. 1, S. 69; Journal of design and manufactures, II, 1850, S. 136. Diese Qualität der Beziehungen von Kunst und Industrie, kultureller Hegemonie und ökonomischer Produktivkraft hat Mainardi übersehen. Daher mußten ihr die Zusammenhänge zwischen Industrieausstellung und Louvre, wie sie sich in den von ihr angegebenen Quellen darstellte, als rein äußerlich oder als bloßes Mittel der Statusanhebung der Gewerbetreibenden erscheinen. Vgl. Mainardi, Art and politics, S. 7 - 2 1 . 12 Orte und Ausstellerzahlen: Industrieausstellungen, S. 4 8 4 ; De Laborde, Union des arts, Bd. 1,S. 222; Mainardi, Art and politics, S. 22; Journal of design and manufactures, II, 1850, S. 136. Das Platzargument: LeNormand u. De Moleon, Annales, Bd. 1, S. 65. 13 Das mit Napoleon nach Paris gezogene Piranesi-Atelier war in der Sektion der Schönen Künste mit Marmorkopien nach den eroberten Antiken vertreten. Le Normand u. De Molion, Annales, Bd. 1, S. 72f. 14 Ebd., S. 55. 15 Ebd., S. 88. 16 Ebd., S. 123. 17 Ebd., S. 135. 18 Tableau presentant, Bd. 4, S. 3 1 0 - 3 1 7 . 19 Börne, Schriften, Bd. 3, S. 215f. 20 Mohl, Reise Frankreich, S. 5 1 - 3 3 4 passim; De Guillebon u. de Plinval-Salques, Bibliographie; Brunner, Bibliographie; Carpenter, Industrial exhibitions, S. 471f. u. S. 474—478. Zu den lokalen Societes savantes einschließlich Gewerbeförderungsvereinen und deren Veröffentlichungen zu Kunst, Gewerbe, Industrie und Ausstellungswesen: Lasteyrie, Bibliographie. 21 Flachat, Industrie, S. 34. 22 Ebd., S. 63 und Abbildungen. Rapport jury 1834, Bd. 3, S. 387. 23 Flachat, Industrie, S. 35. 24 Die Identität und verwandtschaftliche Beziehung der beiden konnte auf Umwegen geklärt werden. Als Künstler ist Claude-Aime Chenavard in den einschlägigen Lexika gut dokumentiert, vgl. das Dictionnaire de biographie fran£aise. 25 Flachat, Industrie, S. 88. 26 Rapport jury 1834, Bd. 1, S. 176f. 27 Notice sur Aime Chenavard, in: Chenavard, Album. 28 Flachat, Industrie, S. 88. 29 Dictionnaire de biographie fran^aise, Bd. 8, S. 977. 30 Chenavard, Album; ders., Recueil de decorations. 31 Dictionnaire de biographie franjaise, Bd. 8, S. 977. De Laborde, Union des arts, Bd. 1, S. 208. 32 Der Architekt und Kunsttheoretiker Gottfried Semper ( 1 8 0 3 - 1 8 7 9 ) formulierte und radikalisierte unter dem Eindruck der ersten Weltausstellung in London dieses Konzept, welches ihm während seiner Studienjahre in Paris 1 8 2 6 - 1 8 3 3 aufgefallen sein mußte. Seine Schrift über »Wissenschaft, Kunst und Industrie« gilt als ein Basistext der modernen Designgeschichte. 33 Zum Saint-Simonismus vgl. Steinwachs, Stadien; Maag, Kunst und Industrie, S. 2 2 - 5 7 ; Pfeiffer, Kunsttheoretische Aspekte, S. 5 5 - 8 0 ; Thibert, Art saint-simonien; Lacroix, Idees religieuses; McWilliam, Dreams of happiness.

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Anmerkungen zu S. 109-121 34 Dictionnairc de biographie franchise, Bd. 13, S. 1431f. Bis er sich 1832 von der zur Sekte gewandelten Gemeinschaft löste, war Flachat einer der Protagonisten der Bewegung gewesen, aus deren Reihen weitere wichtige Männer des Ausstellungswesens hervorgehen sollten, wie etwa Michel Chevalier. 35 Flachat, Industrie, S. 35. 36 Ebd., S. 35. 37 Die merkwürdigen Debatten, welche darum gefuhrt wurden, ob die »Alten«, das heißt das antike Griechenland und Rom, Industrieausstellungen gekannt hatten, behandeln eigentlich dieses - moderne - Thema. Stellvertretend: Camus, Notes, S. 429f. Daß ein Museum der Industrieprodukte oft geplant wurde, aber nie zustande kam, läßt sich durch die Inkompatibilität musealer Ordnung mit industrieller Dynamik erklären.

III. Musealisierung und Industrialisierung in Württemberg III.l.

Konturen

einer modernen

Landeshauptstadt

1 Vgl. z.B. Meyer, Briefe. Zu Reisebeschreibungen vgl. Ruiz, Reisebeschreibungen; Grosser, Reiseziel Frankreich. 2 AD Β 21, Leipzig 1885, S. 224-226. 3 Meiners, Beschreibung, S. 88-97. 4 Vgl. Heideloff, Ansichten. 5 Die Familie, von der mehrfach die Rede sein wird, ist ausfuhrlich vorgestellt im ersten Band von: Mohl, Lebenserinnerungen. 6 Meiners, Reise, S. 93f. 7 Haug, Wirtemberg, S. 331. 8 Haug, Wirtemberg, S. 327-330; Antoni, Staatsgalerie, S. 62-72; Fleischhauer, Kunstkammer, S. 139-143. 9 Haug, Wirtemberg, S. 331; Ströhmfeld, Rapp, S. 6. 10 Haug, Wirtemberg, S. 340ff. 11 Im folgenden Meiners, Reise, S. 44-65 passim. 12 Ebd., S. 65. 13 Ebd., S. 51; Borst, Stuttgart, S. 168-212. 14 Meiners, Reise, S. 59f. 15 Heinen, Begleiter, Bd. 1, S. 326-328. 16 Ebd., S. 326. 17 Antoni, Staatsgalerie, S. 105. Vgl. Zahlten, Kunstakademie. 18 Heinen, Begleiter, Bd. 1, S. 327. 19 Dibdin, Tour in France, Bd. 3. 20 Ebd. Bd. 1,S. If. 21 Ebd., Bd. 3,S. 118. 22 Ebd., S. 131 und passim. 23 Antoni, Staatsgalerie, S. 73. Vgl. Bach, Stuttgarter Kunst. 24 Dibdin, Tour in France, Bd. 3, S. 166. 25 Dibdin streute immer wieder abschätzige Bemerkungen über die Lithographie in seinen Bericht ein, welche die Kunst hinabzöge, die Sitten durch vulgäre Darstellungen

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Anmerkungen zu S. 121-129 korrumpiere und die Stecher brodos mache. Das Vordringen der Lithographie markiere »the decline and downfall of art itself.« Ebd., Bd. 2, S. 513 u. ders., Tour in France, Bd. 3, S. 317321. 26 ADB 40, Leipzig 1896, S. 4 1 0 - Ü 4 . Vgl. Waetzold, Kunsthistoriker, Bd. 2, S. 2 9 ^ 5 . 27 Waagen, Kunstwerke, Bd. 2, S. 178-180. 28 Zu Johann Mattheus Mauch (1792-1856) vgl. den Katalogteil in Winkler, Lithographie; Zahlten, Dürer, S. 420f.; Mündt, Institut, S. 457. Mauch hatte 1809-1811 in München Architektur studiert. Bevor er, nach weiterer Lehrzeit bei Friedrich Schinkel, an der Gewerbeschule in Berlin unterrichtete, hatte er unter dem Stuttgarter Baumeister Nikolaus Thouret als Bauführer gearbeitet. 29 Waagen, Kunstwerke, Bd. 2, S. 138ff. 30 Vgl. Es er, Leben. 31 Das christliche Bewußtsein galt Dursch als Grundlage edlerer Lebensentwicklung, ergo als Grundlage des wahrhaft, die heidnische Antike übertreffenden, Schönen. Ein Kapitel widmete er dem bürgerlichen Leben als Schönes auf der Grundlage des Christentums. Zu Johann Georg Martin Dursch vgl. Eser, Leben, S. 239 u. S. 242-244. Dursch, Dr.theol. und Dr.phil. wurde nach Jahren als Gymnasialprofessor in Ehingen Kirchenrat und Stadtpfarrer von Rottweil. Er hatte anfangs der 1820er Jahre mittels eines Staatsstipendiums in Paris und London orientalische Sprachen studieren können und hatte während der Zeit Interesse an Bildender Kunst und Kunstgeschichte gewonnen. Er fing in Ehingen an, sakrale Holzplastik des 15. und 16. Jahrhundert zu sammeln, welche »hauptsächlich auf den Bühnen [Dachböden] katholischer und protestantischer Kirchen häufig in verstümmeltem Zustande unter Staub und Moder anzutreffen waren.« (S. 243). Seine Sammlung ist heute im Diözesanmuseum in Rottweil zu besichtigen. 32 Hartmann, Stuttgart, S. 17. 33 Vgl. Calw, Museen und Sammler, S. lOOf. 34 Die Sammlung gehört heute der Universität Tübingen. 35 Die Fassade der 1828 gebauten Kunsthandlung von Georg Ebner (1784-1863) in der Königstraße ist abgebildet bei Zeller, Privatgebäude. Zur Quellenkritik vgl. Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 135, Anm. 210 u. S. 148f. Zur Verlagsdynastie Ebner vgl. Ebner, Stammbaum; Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 4 7 - 7 6 passim; Brückner, Druckgraphik, Abschnitt Stuttgart; Winkler, Lithographie, passim bei den Künstlern, deren Lithographien bei Ebner verlegt wurden. 36 Hartmann, Stuttgart, S. 60. Es handelte sich um die Handelsgeschäfte von Authenrieth und Dithmarsch. 37 Ebd., S. 14. 38 Ebd., S. 76. 39 Ebd., S. 86. 40 Encyclopedic du commer^ant, Bd. 2, S. 2097. 41 Stellvertretend: Zeller, Literarisches Leben. In demselben Band ist S. 419-435 von Maria Kohler anhand von Adreßbüchern und einem Stadtplan von 1830 die literarische Szene der Landeshauptstadt identifiziert und verortet. Borst, Stuttgart, S. 163-167 u. S. 189f. 42 Vgl. Merten, Thouret. 43 Meiners, Reise, S. 62. 44 Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 48-50; Kerlen, Cotta, S. 353f. 45 Vgl. Waagen, England; ders., Paris. 46 Überhaupt finden sich darin keine Einträge unter »Ausstellung, Sammlung, Museum«, und der Artikel über »Kunst, im Zusammenhange mit Staat und Politik« im neunten Band,

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Anmerkungen zu S. 129-135 S. 5 3 8 - 5 9 8 , nimmt gar keinen Bezug auf eine solche institutionalisierte Form der Öffentlichkeit, ein solches Arrangement von Kunst-Objekten. Kunstvereine werden da fur die einzig legitimen Orte der Vertretung bürgerlicher Kunstinteressen gehalten. 47 Vgl. Nicolai, Reise, Bd. 10, S. 16, S. 31f., S. 45; Herdt, Hof, S. 60f., S. 73f., S. 93f. u. S. 9 7 - 1 0 6 . 48 Vgl. Sauer, Hof. 4 9 Vgl. die Liste deutscher Maler in Paris 1 7 3 6 - 1 8 3 9 in: Becker, Paris, S . 3 3 5 ^ 4 0 . Dort sind die Stuttgarter Künstler angeführt, welche in Paris studierten. 50 Antoni, Staatsgalerie, S. 5 3 - 1 7 2 . 51 Wagner, Carlsschule, Bd. 1, S. 4 5 3 ^ 8 0 . 52 Quarthai, Carlsschule, S. 40. 53 Ebd., S. 52f. 54 Zahlten, Dürer, S. 409. 55 Maurer, Elend, S. 5 1 - 5 3 . 56 Schnekenburger, Salucci. 57 Ebd., S. 442. 58 Zahlreiche plastische Vorbilder des klassischen Kanons dienten dem Künstler Konrad Weitbrecht als Vorlage. Vgl. Schahl, Weitbrecht, S. 12. 59 Schwarzmann, Handbuch, 1. Abt., S. XXXVIIf. 60 Schnekenburger, Salucci, S. 4 3 6 ; Schwarzmann, Handbuch, 1. Abt., S. XXXVIII. 61 Im folgenden stütze ich mich im wesentlichen auf Borst, Stuttgart, S. 1 6 8 - 2 1 2 . 62 »Zudem will bey der neuen Lebensart der Vermögliche mehrere Zimmer, Plaz zu Equipage und überhaupt weit mehr Bequemlichkeit haben als vorhin.« Zitiert von Borst, Stuttgart, S. 176. 63 A.M., Wöhnlichkeit, S. 37. 64 Borst, Stuttgart, S. 1 6 8 - 1 7 2 u. S. 178. 65 Zu Thouret s. ebd., S. 1 7 2 - 1 8 6 ; Faerber, Thouret; Merten, Thouret. 6 6 Borst, Stuttgart, S.175. König Friedrich hatte sich November 1809 bis Januar 1810 in Paris aufgehalten, vgl. HStASt Ε 31. Zur Stadtarchitektur Napoleons vgl. Pinon, Revolutions architecturales, S. 1 9 4 - 2 0 1 . 67 Die folgenden Ausführungen zur Architektur in Stuttgart basieren im wesentlichen auf der grundlegenden Arbeit von Beder-Neuhaus, Baukunst. Zum Stadtausbau König Friedrichs vgl. S. 13. 68 Ebd., S. 137f. 69 Borst, Stuttgart, S. 175. 70 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 15. 71 Ebd., S. 15f.; Borsf, Stuttgart, S. 1 6 9 - 2 1 3 passim, insbes. S. 178-181. 72 Borst, Stuttgart, S. 203. 73 Ebd., S. 180, zitiert Thouret: »Leider sind unsere meisten Städte ... und namentlich Stuttgart durch Zufall und Willkür planlos zusammengepfropft und selten einer Verbesserung mehr fähig. Vom Gegenteil gibt Ludwigsburg den Beweis, welchem nur Baulustige mangeln, um eine schöne, regelmäßige und bedeutende Stadt daraus zu erschaffen.« 74 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 156-177. 75 Ebd., S. 159f. 76 Ebd., S. 173. 77 Heigelin, K.[arl] M.[arcell], Lehrbuch der höheren Baukunst fur Deutsche. 3 Bde. m. Kupfern, Leipzig o.J. [ 1 8 2 9 - 1 8 3 3 ] . 78 NDB 8, Berlin 1969, S. 256.

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Anmerkungen zu S. 135-141 79 Heigelin, Lehrbuch, Bd. 1, S. 4. 80 Ebd., Bd. 2, S. 10. 81 Beide Zitate: Ebd., Bd. 3, S. 41. 82 Nach Borst, Stuttgart, S. 207f. Ohne Quellenangabe. Gebäude: 1811 1613 Häuser o. öffentl. Gebäude 1817 1976 » 656 Nebengebäude 1827 2 1 6 5 » 831 » 1839 3589 » inkl. 171 öffentl. Gebäude. 83 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 158 u. S. 167f. 84 Ebd., S. 1 7 2 - 1 7 6 ; Württembergisches Jahrbuch, 1840, S. 3 7 - 3 9 . 85 Boisseree, Tagebücher I, S. 426. Zitiert nach: Fleischhauer, Boisseree, S. 237. 86 Antoni, Staatsgalerie, S. 7 3 - 8 1 ; Holst, Dannecker, Bd. 1, S. 11 u. S. 75f. 87 Morgenblatt, Nr. 150, 23. 6. 1808, S. 5 9 8 - 6 0 0 . Zitiert nach Antoni, Staatsgalerie, S. 74. 88 Antoni, Staatsgalerie, S. 7 4 - 8 1 . 89 Zur Sammlung: Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 3 2 5 - 3 8 1 passim; Moisy, Boisseree; Waetzold, Kunsthistoriker, Bd. 1, S. 2 7 2 - 2 8 3 ; Antoni, Staatsgalerie, S. 9 3 - 1 0 4 ; Fleischhauer, Boisseree; Calov, Museen und Sammler, S. 7 4 - 1 1 0 . 9 0 Berichte über Verhandlungen durchziehen die Darstellung von Firmenich-Richartz, Boisseree, besonders S. 2 9 7 - 3 8 1 . 91 Fleischhauer, Boisseree, S. 2 3 6 - 2 4 2 . 92 Bei einem langen Studienaufenthalt in Paris bei dem frühromantischen Literaten, Sprachwissenschaftler, Orientalisten und Politiker Friedrich Schlegel ( 1 7 7 2 - 1 8 2 9 ) 1803 und 1804 hatte das Trio die Pariser Museumsszene kennenlernen können. Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 4 8 - 5 3 . 93 Wichtig war in diesem Zusammenhang der Besuch Schinkels und Waagens in Stuttgart im Juli 1824 und der Bericht Athanasius von Raczynskis in dessen Geschichte der neueren deutschen Kunst (Berlin 1836). Schinkel, Italien, S. 1 4 0 - 1 4 3 ; Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 332; Antoni, Staatsgalerie, S. 97. 9 4 Morgenblatt, Nr. 146, 19. 6. 1819, S. 581f. Zitiert nach Antoni, Staatsgalerie, S. 96. 95 »Der Wirth im >König von England« versichert, daß die Fremden, die sonst um neuen oder zehn Uhr zu Dannecker gegangen und dann weitergefahren seyen, jetzt den ganzen Tag bleiben, weil es bei uns so spät würde«, Brief Bertrams an Sulpiz Boisseree, 2 2 . 8 . 1819. Zitiert nach Antoni, Staatsgalerie, S. 99. 9 6 Ebd., S. 97f. 97 Sulpice Boisseree an Friedrich Kreuzer, 25. 6. 1819). zitiert nach: Fleischhauer, Boisseree, S. 243. 98 Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 335. 9 9 Sulpiz Boisseree an Goethe, 3. 7. 1819. Zitiert nach: Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 334. 100 Borst, Stuttgart, S. 1 8 4 - 1 9 0 . Die Entwicklung läßt sich anhand Stuttgarter Adreßbücher gut verfolgen. 101 Barth, Handel, S. 4 7 - 4 9 . 102 Württembergische Jahrbücher 1834, S. 24f.; 1836, S. 1 8 - 2 0 ; 1837, S. 27; 1840, S. 3 7 - 3 9 . Zum Basar: Borst, Stuttgart, S. 187, Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 151-153. 103 Adreßbuch Stuttgart 1829, S. 2 6 2 - 2 6 9 . Die Aufzählung macht deutlich, daß in Stuttgart weit mehr als die wenigen Handlungshäuser existierten, welche Borst der biedermeierlichen Metropole zugesteht. Borst, Stuttgart, S. 185.

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Anmerkungen zu S. 142-147 104 Vgl. den Eintrag »Stuttgart« in: Handlungsadreßbuch von Schwaben, sowie das Verzeichniß Stuttgarter Kaufleute. 105 Schwarzmann, Handbuch, 1. Abt. S. 1 8 0 - 1 8 3 . Eingerechnet Privatbankiers und Landwarenhandel. 106 Das Zitat stammt von Thouret und ist abgedruckt bei Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 8 7 - 8 9 . 107 Moisy, Boisseree, S. 1 0 8 - 1 1 6 . 108 Die Sammlung alt-, nieder- und oberdeutscher Gemälde der Brüder Sulpiz und Melchior Boisseree und Johann Bertram, lithographiert von Johann Nepomuk Strixner mit Nachrichten über die altdeutschen Maler von den Besitzern, Stuttgart 1 8 2 1 - 1 8 4 0 . Vgl. Antoni, Staatsgalerie, S. 9 9 - 1 0 1 . 109 Moisy, Boisseree, S. 1 1 7 - 1 2 1 . Sulpice Boisseree versuchte während seines dritten Parisaufenthaltes möglichst viele Subskriptionen auf das Werk zu erhalten. 110 Vgl. Württembergisches Jahrbuch 1839, S. 4 9 - 5 1 . 111 Württembergisches Jahrbuch 1842. Der Berichterstatter gründete seine Aussage auf die Statistik der Brandversicherung. 112 Württembergisches Jahrbuch 1 8 3 9 - 1 8 4 2 wie oben. 113 Anselm Feuerbach, Aus dem Tagebuch einer Wanderung von Freiburg nach Tübingen. Zitiert in: Schefold, Schwarzwald, S. 250. 114 Album der Feier des 16. November 1845. Schramberg 1846. S. 6 und passim. Außerdem lithographische Ansicht der Steingutfabrik. 115 Schwarzmann, Handbuch, 1. Abt. S. Xllf. 116 Ebd., S. XIII. 117 Hartmann, Stuttgart, S. 14f. 118 Schwäbische Chronik, 21. 2. 1842. S. 1389. Zitiert nach Antoni, Staatsgalerie, S. 129. 119 Ebd., S. 1 1 6 - 1 3 0 . 120 Löffler, Landesbibliothek, S. 47 und passim. 121 Quarthai, Carlsschule, S. 40f. 122 Ebd., S. 69. 123 Ebd., S. 84. 124 Ebd., S. 77. 125 Löffler, Landesbibliothek, S. 156 und passim: Höhere Beamte, Gebildete und Literaten besaßen besondere Zugangsprivilegien. Einen Eindruck kann die Reihe der Hof- und Staatshandbücher geben, in welchem alle höherrangigen Beamten und alle Titelträger (wie beispielsweise Kommerzienräte und Professoren) verzeichnet sind. Natürlich darf man nicht die gesamte Bevölkerungszahl (damals gegen 22.000) zum Maßstab nehmen. Für die Masse der abhängig Arbeitenden blieb die Bibliothek verschlossen und sei es allein wegen der Öffnungszeiten. 126 Anhand des Verzeichnisses im Württembergischen Jahrbuch von 1831, S. 1 9 2 - 2 1 2 läßt sich ein Überblick über die Gesamtheit der damals in Württemberg publizierten Periodika gewinnen. 127 Vgl. Dahm, Kunstblatt. 128 Löffler, Landesbibliothek, S. 129. Französische Werke wurden direkt aus Straßburg oder aus den Niederlanden bezogen oder vom Orientalisten Julius Mohl in Paris, einem geborenen Württemberger, besorgt. 129 Ebd., S. 91.

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Anmerkungen zu S. 147-150 130 Vericourt, Recherches, Col. 477f. 131 Ebd., Col. 479. 132 Löffler, Landesbibliothek, S. 152. 133 Herangezogen wurden zwei Kataloge. Im älteren, gebundenen, sind, alphabetisch nach Sachgruppen geordnet, die Bestände bis 1918 verzeichnet, einzelne Sachgruppen zusätzlich durch einen Stichwortkatalog erschlossen. Im zweiten, dem sogenannten Kapselkatalog, sind alle Bestände bis 1945 verzeichnet, aber nur die seit 1918 neu hinzugekommenen Bestände im zugehörigen Sachkatalog verzeichnet. Um sich über die in Frage stehenden Bestände zu informieren, schien es am besten, einen der alphabetischen Kataloge zu verwenden und anhand vorab erstellter Listen festzustellen, welche einschlägige Literatur vorhanden war, dabei außerdem aber die Liste zu erweitern um Titel, die bei der Katalogrecherche als einschlägig wichtig erschienen. Der (neuere) Kapselkatalog wurde herangezogen, weil er in der Württembergischen Landesbibliothek ohne weiteres zugänglich war. Die Existenz des anderen, älteren und der Zugriff darauf waren überhaupt erst später, nach mehrmaligem Nachfragen, gesichert, an ihm wurde bloß stichprobenartig gesichert, was mittels des alphabetischen Katalogs sich als Befund ergeben hatte. 134 Die Bestände sind im Krieg zu erheblichen Teilen zerstört worden. 135 Löffler, Landesbibliothek, S. 16. 136 Zweiter Band, S. 287ff. Nach Schlosser, Kunstliteratur, S. 441. 137 Im 55. Teil, erschienen Berlin 1793, S. 374ff. Vgl. ebd., S. 441. 138 Murr, Bibliotheque. Vgl. Grieger, Kunstkonzeptionen. 139 Vgl. Lehmann, Kunstzeitschrift. Von den von ihm S. 165f. genannten 41 Titeln waren 24 im Katalog verzeichnet, also mehr als die Hälfte. 140 Ebd., S. 1-19. 141 Vgl. Haskell, Baron d'Hancarville, S. 62-87. 142 Vgl. Miller, Griechenstreit, S. 242-247. 143 Vgl. Benoit, Art fran^ais, S. 106-109: Liste chronologique des publications estethiques de l'epoque revolutionnaire-imperiale. Von insgesamt neunzig Schriften zur Theorie der Architektur und der arts du dessin (d.i. Malerei und Skulptur), darunter auch italienische, deutsche und englische, angeführt zum Zeitpunkt ihrer Ubersetzung, waren zehn vorhanden, davon die meisten in Gesammelten Schriften oder in späteren Ausgaben. Vorhanden war das für den späten Klassizismus bedeutende »Dictionnaire d'architecture« von Quatremere de Quincy. Sich anhand von französischen Zeitschriften, welche unter anderem auch über Kunst berichteten, Nachrichten über Ausstellungen, Neuerscheinungen, Kupferstiche etc. zu verschaffen, war ebenfalls praktisch nicht möglich. 144 Dahm, Kunstblatt, Bd. 2, Anm. 53, S. 7f. zitiert aus Briefen des leitenden Redakteurs des »Kunstblatts«, Johann Karl Ludwig Schorn (1793-1842) an Cotta aus der Zeit vor seinem Weggang an die Akademie der Künste in München, in welchem er ihn darum bat, bestimmte Kunstjournale zu abonnieren, da er anders in Stuttgart nicht an nötige Kunstinformationen gelangen könne. Es waren vor allem Zeitschriften aus dem Ausland. 145 Ein wichtiges Beispiel war Carl Heideloffs Ornamentik des Mittelalters. 146 Neveu, Cours de dessin. 147 Vgl. Herbin, Statistique generale, Bd. 3. 148 Umfassende zeitgenössische Darstellungen dieser Politik scheint es nicht gegeben zu haben, ebenso keine ebenso umfassenden Gegenentwürfe, höchstens den einen oder anderen Aufsatz. In dieser Hinsicht kann man sich auf die Gelehrsamkeit von Schneider, Quatremere de Quincy, verlassen. In der Revue des Deux Mondes ließ sich seit deren erster Ausgabe 1829 bis zur Jahrhundertmitte kein einschlägiger Aufsatz finden. Die umfassende kritische

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Anmerkungen zu S. 150-156 Bestandsaufnahme von De Laborde, Union des arts, nennt keine einschlägige französische Schrift aus der ersten Jahrhunderthälfte. 149 Allgemeine Zeitung. Augsburg 22. Julius 1835. No. 203. S. 1 6 1 7 - 1 6 1 9 . [Bericht über eine Sitzung des englischen Unterhauses am 14. Juli 1835]. Dort wird über »eine Motion zur Niedersezung einer Committee, um über die besten Mittel zu begutachten, die Kenntniß der Künste, namentlich die Grundsäze der Zeichnungskunst unter den verschiedenen Volksklassen, besonders der manufakturtreibenden zu verbreiten« berichtet. Die Ergebnisse dieses Komitees werden, als sie am 16. August 1836 dem Parlament vorliegen, nicht referiert. 150 Das zeigen beispielsweise die Juryberichte über die französischen Industrieausstellungen, welche ab 1819 in der Bibliothek vorhanden waren, aber auch ein halboffizielles Werk wie Chaptal, Industrie. Aus Beschreibungen in dieser Art von Literatur ließ sich zum Beispiel in Erfahrung bringen, daß die Schalfabrikation bedeutend sei und etwas mit Geschmack zu tun habe, technische und kommerzielle Informationen bleiben aber ohne den Hintergrund einer vorgängigen anschaulichen Erfahrung spärlich und sind unanschaulich gehalten. 151 Das bekannteste Beispiel ist der Schauplatz der Künste und Handwerke. Es handelt sich um eine zunehmend eigenständig fortgeschriebene Ubersetzung der berühmten »Descriptions des arts et metiers« Colberts. Ein anderes wichtiges Standardwerke war Beckmann, Technologie. Es war 1777 der erste, unvollkommene Versuch, Technologie als Wissenschaft zu begründen, allerdings auf historischer und nicht empirischer Grundlage. 152 Museum rusticum et commerciale; Geissler, Transactionen; Bailey, Beschreibung. 153 Vgl. Braun, Technologische Beziehungen, S. 7 6 - 1 3 3 . 154 Vgl Boime, Revolution, Kapitel 3. Ein Beispiel: Ferguson, Mechanical Exercises. 155 Bernoulli, Dampfmaschinenlehre; ders., Baumwollenfabrikation; ders., Baumwollenspinnerei. Der Physiker, Naturwissenschaftler, Ökonom, Statistiker und Ingenieurwissenschaftler Christoph Bernoulli ( 1 7 8 2 - 1 8 6 3 ) war Abkömmling einer berühmten hugenottischen Mathematiker-Familie. Nach Studien in Neufchätel, Göttingen und Halle wurde er 1802 Professor in Halle. Als solcher bildete er sich auf einer längeren Reise nach Berlin und Paris fort. 1817 erhielt er einen Lehrstuhl für Naturgeschichte in Basel. 156 Ein aufwendig gemachtes Beispiel ist das Ornamenten-Buch von Bötticher. 157 Bereits von zeitgenössischen Rezensenten wurde Poppe mangelnde praktische Detailkenntnis, mangelhafte Kenntnis des Stands der Technik, Vielschreiberei und bloße Kompilation vorgeworfen. Den modernen Stand industrieller Technik konnte Poppe im abgeschiedenen Tübingen nicht mitvollziehen. Vgl. Eintrag in ADB 2 6 , Leipzig 1888, S. 4 1 8 - 4 2 0 . Dort wird die Zahl seiner Veröffentlichungen mit 149 angegeben. Vgl. X., Früchte, S. 1 4 3 - 1 4 6 . 158 Beide Zitate: Poppe, Volkswaarenkunde, S. III.

111.2. Die Ästhetisierung

des modernen Blicks

1 »Der Geschmack allein bringt Harmonie in die Gesellschaft, weil er Harmonie in dem Individuum stiftet«. Schiller, Erziehung, Siebenundzwanzigster Brief, S. 126. Die »Briefe« erschienen zuerst 1795 in der Zeitschrift »Die Hören«. 2 Ebd., S. 128. 3 Lipp, Verein, S. 279. Im Katalog der Bibliothek der Gesellschaft waren 1847 nur einige wenige Standardwerke zur bildenden Kunst verzeichnet, wie Fiorillos Geschichte der

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Anmerkungen zu S. 156-164 zeichnenden Künste, Kuglers Handbuch der Kunstgeschichte und das Naglersche Künstlerlexikon. 4 Beilage zum Schwäbischen Merkur, Nr. 262, 2. November 1827. Bekanntmachung die Bildung eines Württembergischen KunstVereins betreffend. Verzeichniß der Subskriptionen zum Verein für bildende Kunst. 5 Ebd.; Osterwold, Kunstverein, S. 9 - 9 4 ; Fleischhauer, Kunstverein, S. 10. 6 Württembergisches Jahrbuch, 1837, S. 27; Schwarzmann, Wegweiser, S. 31. 7 Rotteck u. Welcker, Staatslexikon, Bd. 15, S. 820. 8 Beilage zum Schwäbischen Merkur, Nr. 262, 2. Nov. 1827. Ohne Paginierung. 9 Jahresbericht Rottweil 1833. 10 Ebd. 1835, S. 2 0 - 2 4 . 11 Ebd. 1845, S. 7 8 - 8 1 . 12 Vgl. Koschnick, Kugler. 13 Zu Grüneisen vgl. Dahm, Kunstblatt, Bd. 2, S. 39 u. S. 64. Carl Grüneisen ( 1 8 0 2 1878) war evangelischer Theologe, Oberhofprediger, Lehrer der Cottaschen Kinder, als kunsthistorisch Interessierter ein Spezialist fur chrisdiche Ikonographie. Seit 1828 Mitarbeiter am im Cottaischen Verlag erscheinende Kunstblatt, wirkte er 1842 bis 1849 an dessen Redaktion zu wesendichen Teilen mit. 1857 sollte er den »Verein für christliche Kunst« gründen, seit 1858 zusammen mit Kunsthistorikern (Schnaase, Schnorr, Lübke u.a.) das »Christliche Kunstblatt« herausgeben. 14 Ebd., S. 8 - 1 4 , ist der Lebenslauf Schorns dargestellt. 15 Zitiert nach Kugler, Schriften, Bd. 3, S. 2 0 6 - 2 3 2 . 16 Ebd., S. 224f. 17 Ebd., S. 225. 18 Zu Karl Friedrich Eduard Mauch ( 1 8 0 0 - 1 8 7 4 ) Winkler, Lithographie, Katalogteil. 19 Eser, Leben, S. 267f. 20 Mitglieder des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, in: Ulmer Intelligenzblatt, 18. 4. 1845. Mit Aufforderung zum Beitritt. Zitiert von Trox, Bürger, S. 1 7 8 - 1 8 0 . 21 Eser, Leben, S. 2 6 9 - 2 7 5 . 22 Verhandlungen Ulm, 2. Bericht, 1844, S. 3 - 7 . 23 Den seit 1843 erscheinenden Berichten des Ulmer Vereins waren Illustrationen und aufwendige Reproduktionen von Kunstschätzen des Münsters beigefügt. 24 Vgl. Himmelheber, Möbelvorlagen. 25 Kienitz, Weiblichkeit, S. 3 2 1 - 3 2 4 . 26 Kugler, Schriften, Bd. 3, S. 210. 27 A.M., Wöhnlichkeit, S. 49. 28 Carl Alexander von Heideloff ( 1 7 8 9 - 1 8 6 5 ) war Architekt und königl. Professor der Baukunst an der polytechnischen Schule und königl. Conservator der Kunst- und Baudenkmale des Mittelalters in Nürnberg. 29 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 276. 30 Vgl. den Katalog der Museumsbibliothek. 31 Vgl. das Adreßbuch Schwaben 1804, Eintrag Ulm. 32 Köhler, Gewerberecht, S. 14. 33 Meyer, Jugendleben, S. 19f. 34 Kopf, Lebenserinnerungen, S. 7. 35 Vgl. Jaumann, Gemäldesammlung. 36 Vgl. Rundel, Hirscher.

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Anmerkungen zu S. 164-179 37 Eser, Leben, S. 2 4 2 - 2 4 4 . 38 Bauer, Erinnerungen, S. 30f. 39 Eser, Leben, S. 31 u. S. 125. 4 0 Ebd., S. 2 0 9 - 2 1 5 . 41 Schwäbische Chronik, 13. Jan. 1824, S. 34. 42 Bauer, Erinnerungen, S. 7. 43 Vischer, Lebensgang, S. 4 6 . 4 4 Bauer, Erinnerungen, S. 5f. 45 Schwäbische Chronik, 12. Jan 1824, S. 32. 4 6 Vacano, Antikensammlung, S. 73f. 47 Kopf, Lebenserinnerungen, S. 8 - 1 3 passim. 48 StAL Ε 2 4 4 Bü 40a. Produktkatalog der Wilhelmshütte. O.D. [Vor 1850], 49 Bauer, Erinnerungen, S. 39. 50 Von Buttlar, Landschaftsgarten, S. 2 1 - 1 3 1 . 51 Ebd., S. 1 7 1 - 1 7 7 . 52 Victor Heideloff im Text zu den Kupfertafeln. Ohne Paginierung. 53 Von Buttlar, Landschaftsgarten, zitiert S. 172 den Prinz de Ligne: Karl wolle in seinen Gärten in Wirklichkeit besitzen, was andere nur in Kupferstichen zu haben sich glücklich schätzen würden. 54 Perrot, Gravir-Kunst, S. 11-20. Perrot zitierte aus Ponce, Melanges. 55 Von Bartsch, Kupferstichkunde. Der Katalogteil des Werks wird in Fachkreisen noch heute konsultiert. 56 Ebd., S. 72. 57 Ebd., S. 67. 58 Ebd., S. 8 8 - 9 1 und passim. 59 Ebd., S. 7 3 - 7 6 . 60 Schwarzmann, Wegweiser, S. 31. 61 Heigelin, Kunst, S. 4f. 62 Ebd., S. 5. 63 Ebd., S. 5f. 64 Lankheit, Revolution, S. 28. 65 NDB 8, S. 256. 66 Heigelin, Bauarten, S. 3 u. S. 8. 67 Ebd., S. 139f. 68 Ebd., S. 148. 69 Ebd., S. 141. 70 Ebd., S. 145. 71 Ebd., S. 142. 72 Ebd., S. 149f. 73 Zu Vorherr und seinen Ideen vgl. ADB 4 0 , 1896, S. 303f. 74 Ebd., S. 304. Dort ohne genauen Nachweis zitiert. 75 Die Serie war abgedruckt im Wochenblatt, 1838, Nr. 4 6 , S. 2 0 5 - 2 0 7 ; Nr. 47, S. 2 0 9 212; Nr. 4 8 , S. 215f. 76 Ebd., Nr. 4 7 , Beilage 5, S. 215. 77 Ebd., S. 216. 78 Alle drei Zitate B.C., Volksleben, S. 167. 79 Ebd., S. 168f.

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Anmerkungen zu S. 180-200 80 Ebd., S. 169f. 81 Königlich württembergische Centralstelle des landwirtschaftlichen Vereins (Hg.), Muster-Plane zu ländlichem Bauwesen mit besonderer Rücksicht auf die verschiedenen im Königreiche Württemberg üblichen Bauformen. Erstes Heft, mit 55 lithographierten Tafeln, Stuttgart o.J. [ca. 1845]. 82 Heigelin, Bauarten, S. lOf. 83 Dies und die folgenden Zitate: Morgenblatt, Nr. 127, 27. Mai 1812, S. 5 0 5 - 5 0 7 . 84 Vgl. Steinwachs, Epochenbewußtsein, insbes. S. 9 - 2 6 und S. 4 7 - 6 1 . 85 Vgl. Nipperdey, Identität. 86 Vgl. Wagner, Allegorie. 87 A.M., Pflege, S. 311. 88 Ebd., S. 313. 89 Ebd., S. 314. 9 0 Ebd., S. 318. 91 Ebd., S. 322. 92 » ... den Rathäusern, den Gefangnissen, kurz allen öffentlichen Gebäuden wäre ein charakteristischer, der ganzen Umgebung sich anschmiegender Styl recht sehr zu wünschen.« Ebd., S. 322. 93 »Die öffentlichen Ehrendenkmale wünschen wir nach alter deutscher Sitte auf Brunnen aufgestellt zu sehen. Einmal sind sie dadurch vor dem leidigen Muthwillen eher geschützt, und dann verbindet sie der stets lebendige Wasserstrahl mit der Wirklichkeit, stellt sie gewissermaßen als wohlthätige höhere Mächte dar.« Ebd., S. 325. 9 4 Ebd., S. 324. 95 Ebd., S. 324. 9 6 Ebd., S. 316f. 97 Ebd., S. 326. 98 Vgl. Grieger, Kunstkonzeptionen. 9 9 Kunst als Teil der »Lebensthätigkeiten eines Volkes«: A.M., Pflege, S. 311. 100 Ebd., S. 314. 101 Ebd., S. 310. 102 Vgl. Pevsner, Academies, S. 1 9 0 - 2 4 2 . 103 A.M., Pflege, S. 325f. 104 Dazu stellvertretend Mündt, Institut. 105 A.M., Pflege, S. 326. 106 Der Satz verweist auf Foucaults Prophezeihung, mit der er seine Abhandlung über die Archäologie der Humanwissenschaften beschloß, der Mensch werde in dem Maße verschwinden, in dem sich eine klassifikatorische Sprache erneut gegen empirische Neugier und historisierendes Denken und deren transzendentale Fluchtpunkte durchsetzen würde. Den Anfang des Endes versetzt er in eben die Zeit, in welcher jener Aufsatz erschien. Vgl. Foucault, Ordnung, S. 459^162. 107 A.M., Pflege, S. 311. 108 Beilage zu No. 228 des Schwäbischen Merkur vom 20. September 1820, S. 8 8 1 - 8 8 4 ; Beilage zu No. 231 des Schwäbischen Merkur vom 23. Sept. 1820. 109 Vgl. Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 9f. 110 Vgl. Schwäbische Chronik 1848 passim. 111 Ebd., 5. Jan. 1800, S. 8: Fahrnis Ritterrat Friedrich Freiherr von Weiler, Weiler b. Heilbronn; 11. Jan. 1800, S. 14: Fahrnis Oberstleutnant Baron von Thumb, Stuttgart; 23. April, S. 180: Fahrnis Frau Geheimrat von Tessin.

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Anmerkungen zu S. 200-205 112 In Erinnerungen wurden solche Schenkungen gebührend hervorgehoben. Vgl. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 61. 113 Vgl. Von Maucler, Lebenserinnerungen. 114 Schwäbische Chronik, 28. Sept. 1800, S. 444. 115 Ebd., 13. Nov. 1800, S. 500. 116 Ebd., 9. Juli 1800, S. 316. 117 Ebd., 11. Jan. 1824, S. 31: Stadtdekan Duttenhofer, Stuttgart; 20. Jan., S. 46: Nachlaß im Hause Dieudonne u. Schiedmayer in Stuttgart; 8. Feb., S. 81f.: Küchenmeister Dreher in Stuttgart; 26. Feb., S. 114: Esslinger Nachlaß ohne nähere Angaben; 23. März, S. 162: Küchenmeister Lehemann, Stuttgart; 11. Mai, S. 274: Hofkaminfeger Kalber, Stuttgart; 3. Juli, S. 4 5 0 , Frau Helferin Hummel, Stuttgart; 30. Sept., S. 699, Frau Dr. Kerner, Stuttgart. 118 Ebd., 16. April 1824, S. 204: Fahrnis Frau Generalin Beulwitz, Esslingen. 119 Ebd., 25. Feb., S. 80. 120 Ebd., 20. Mai, S. 230. 121 Ebd., 1. Juni, S. 252: Diefenbach, Stuttgart. 122 Ebd., 20. Juli, S. 333 u. S. 400. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um Victor Wilhelm Peter Heideloff, getauft Stuttgart 1757, gestorben ebenda 1817, Schüler der Karlsschule und Professor ebendort, Dekorationsmaler und Maler. 123 Ebd., 22. Jan., S. 48. 124 Ebd., 9. April, S. 191. 125 Ebd., 22. Jan., S. 50. 126 Ebd., 4. Feb., S. 72. Vgl. Winkler, Lithographie, Abschnitt Georg Ebner. 127 Schefold, Schwarzwald, S. 12. Vgl. auch Henning u. Maier, Emminger. 128 Es handelt sich um die Handlung eines Friedrich Ebner, welche er im selben Jahr von seinem Vater Heinrich übernahm. Gehandelt wurden Spezereien, Schreib- und Farbwaren, französische Liköre und anderes mehr. Schwäbische Chronik 29. Juni 1824, S. 4 3 3 . Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen diesen beiden und den Brüdern Georg Ebner, dem Inhaber der Kunsthandlung, sowie dem Stecher, Lithographen und Kunstverleger Karl Ebner ließ sich nicht klären. Vgl. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie; Brückner, Druckgraphik, Abschnitt »Stuttgart«. 129 130 passim. 131 S. 546. 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141

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Schwäbische Chronik, 19. Feb., S. 103; 1. Juni, S. 338. Ebd., 24. Feb., S. 109; 29. Feb., Beilage; 25. März, S. 166; 22. Mai, S. 314 und Ebd., 24. Feb., S. 109; 13. April, S. 198; 25. April, S. 223; 27. Juni, S. 4 2 6 ; 29. Juli, Ebd., 7. Mai, S. 262; 11. Mai, S. 273. Ebd., 25. Mai, S. 320. Ebd., 2 6 . - 2 8 . Mai, S. 3 2 2 - 3 2 8 passim. Ulmer Kronik, 12., 16., 19. Okt. 1839. Vgl. Trox, Bürger, S. 226f. Ebd., 12. Okt. 1839, S. 560. Ebd., 16. Okt. 1839, S. 566. Stadtarchiv Ulm F10 Nr. 6. 10 Blatt Handzettel. AM., Wöhnlichkeit, S. 39. Ebd., S. 49f. Baudrillard, Systeme des objets, S. 1 8 9 - 2 0 2 .

Anmerkungen zu S. 207-213

III. 3. Künstler, Kunsthandwerker

und

Kunstindustrielle

1 Poppe, Volksgewerbelehre, Bd. 1, S. 10. 2 Schwäbische Chronik, 15. Juni 1824, S. 379. 3 StAL Ε 170 Bü 4 4 3 . 4 Vgl. Osterwold, Kunstverein, S. 1 2 - 2 4 . 5 Schwäbische Chronik, 12. Juni 1824, S. 373f. 6 Osterwold, Kunstverein, S. 1 4 - 2 4 ; Fleischhauer, Kunstverein, S. 13 u. S. 25. 7 Journal of design and maufactures, 1, 1849, S. 31f. 8 Vgl. Atterbury u. Batkin, Minton. 9 Von Rudolf Lohbauer und Karl Wenng. Vgl. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 59 u. S. 64. Außerdem muß es eine illustrierte Beschreibung von Carl Grüneisen und Johann Mattheus Mauch gegeben haben. Vgl. den Katalog der Museums-Bibliothek Tübingen von 1848. Im Stadtarchiv Stuttgart befinden sich eine Lithographie und ein Holzstich mit einer Abbildung der Ariadne, beide mit französischer Beschriftung. 10 Weitbrecht, Conrad, Die vier Jahreszeiten, eine Folge ländlicher Darstellungen, componiert und grössten Theils in Basrelief ausgeführt als Fries in dem k. Württembergischen Landhaus Rosenstein. ..., Stuttgart 1 8 2 9 - 1 8 3 3 . Vgl. Schahl, Weitbrecht. 11 Katalog Schick, S. 1 3 8 - 1 4 3 . 12 Das einzige eigentlich künstlerische Hofamt versahen nur noch die Schauspieler des kommerziell betriebenen Hoftheaters. Vgl. das Hof- und Staats-Handbuch 1824. 13 Vgl. diverse Stadtführer und Artikel in den Württembergischen Jahrbüchern. 14 De Groer, Arts decoratifs, S. 162. Wiese, Klinckerfüß, S. 13-21. 15 Hof- und Staats-Handbuch 1824. (Handwerks)-Künstler im Hofdienst (versch. Abteilungen, z.B. Bau- und Gartenamt): Stukkateure, Stecher, Ebenisten usw. 16 Vgl. Stürmer, Handwerk, S. 1 1 3 - 2 3 9 . 17 Schnekenburger, Salucci, S. 442. Wiese, Klinckerfuß, S. 21. 18 Wiese, Klinckerfüß, S. 2 8 - 3 8 . 19 Ebd., S. 157. 20 Schwäbische Chronik, 22. Mai 1824, S. 314; 25. Mai, S. 320. 21 Wiese, Klinckerfuß, S. 35 u. S. 42. 22 Correspondenzblatt, 1824, S. 245. 23 Ebd., 1827, S. 265 u. S. 314. 2 4 Vgl. dazu die Bezeichnungen von verschiedenen Schreinern und deren Verhältnis zum Hof in: Wiese, Klinckerfüß. 25 Correspondenzblatt, 1839, S. 95. 26 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 136. 27 Ebd., S. 135. 28 Der Katalog der Stuttgarter Kunst- und Industrie-Ausstellung von 1839 verzeichnet S. 61 Preise für Girandolen (660 fl.) und eine Tischplatte mit Aufsätzen (900 fl.). 29 A.M., Wöhnlichkeit, S. 3 9 - 4 2 , nennt Kriegsgewinnler, Rentiers und Juden als die neuen reichen, aber kulturlosen Klassen an der Wende zum 19. Jahrhundert. 30 Correspondenzblatt, 1827, S. 281. 31 Ebd., 1832, S. 175. 32 Ebd., 1837, 12, S. 336. Hervorhebung im Text. 33 Wiese, Klinckerfüß, S. 1 7 9 - 1 8 2 . 34 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 108.

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Anmerkungen zu S. 214-226 35 Mack, Möbelindustrie, S. 8 - 1 3 . Das Beispiel ist eine Ausnahme von der Regel, daß die Industrie in Württemberg vor allem von Kaufleuten und Unternehmern, nicht von Handwerkern gegründet wurde. Vgl. Borst, Staat und Unternehmer, Teil 2, S. 161f. 36 Correspondenzblatt, 1830, S. 158. Frank ließ einen Arbeiter seiner Fabrik, Johann Hayn aus Owen, mit den von ihm gefertigten Waren ausstellen. Das war ein sehr ungewöhnliches Anerkenntnis, daß er der Aussteller und Firmeninhaber, der Arbeiter aber fur die gute Qualität der Sessel verantwortlich war - vielleicht sogar entscheidend zur Entwicklung des Produkts beigetragen hatte. 37 Reyscher, Sammlung württembergischer Gesetze, Bd. IV, S. 475f. Zitiert nach Köhler, Gewerberecht, S. 64. 38 Schwäbische Chronik, 22. Sept. 1824, S. 675f. und passim. 39 S t A L E 170 Bü 443. 40 Schwäbische Chronik, 12. Sept. 1824, S. 657. 41 Ebd., 3. Okt. 1824 S. 709f. und passim. 42 Kunstblatt, Nr. 42, 24. Mai 1821, S. 168. 43 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, führt von den etablierten Künstlern die Maler Stirnbrand, Gegenbaur, Gutekunst und Pilgram an (S. 59 u. S. 65). In Winkler, Lithographie, wird Johann Baptist Seele ( 1 7 7 4 - 1 8 1 4 ) genannt. 4 4 Winkler, Lithographie; Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie. 45 In Winkler, Lithographie, sind 63 Lithographien von Wenng nachgewiesen. Vgl. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie S. 59 u. S. 62. 4 6 Riehmann, August, Neue Verzierungen für alle Fächer der Industrie, Stuttgart 1844/ 45. 47 Neunhofer, Georg Christian, Vorlagen fiir Torten-Kompositionen, o.O. o.D. 48 Archives de la ministere des relations exterieures. Correspondance commerciale, Stuttgart. Bd. 1, 1 8 2 5 - 1 8 3 3 , Bl. 132. 4 9 Vgl. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 6 2 - 7 5 . 50 Württembergische Jahrbücher 1832 und 1835/36. Zitiert nach Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 71. 51 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 6 4 u. S. 69. 52 Schwäbische Chronik, 9. Nov. 1800, S. 496. 53 Correspondenzblatt, 1830, S. 154f. 54 Ebd., 1824, S. 235. 55 Als Beispiel Schwarzmann, Wegweiser 1829, S. 2 6 7 - 2 6 9 . 56 Ebd., S. 2 8 1 - 2 8 4 passim. 57 Correspondenzblatt, 1827, S. 206. 58 Ebd., 1830, S. 168f. u. S. 170. 59 Sie sind im Museum für Volkskultur in Waldenbuch als Bestandteil der populären Bildwelt Württembergs ausgestellt. 60 Vgl. Maurer, Elend. 61 Ebd., S. 89. 62 HStASt Ε 14 Bü 1157. 63 S t A L E 170 Bü 12. 64 HStASt Ε 146 Bü 6768. Preis-Courant über nachstehende Bein- und Elfenbein-Waaren der vereinigten Gesellschaft der Kunst-Drechsler in Geislingen im Königreich Württemberg. o.D. [Ca. 1845/46], 65 Correspondenzblatt, 1824, S. 200. 6 6 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 8, 1838, S. 49.

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Anmerkungen zu S. 227-235 67 Vgl. die Jahrgänge 1807-1831 des Hof- und Staatshandbuchs. 68 Morgenbiatt, 1812, S. 523. 69 Vgl. Schumacher, Jugendzeit, S. 135. 70 Ramsauer, Joh., Zeichnungslehre. 2. Bde., Stuttgart 1821. Francceur, Louis Benjamin, Anleitung zum Zeichnen für den Selbstunterricht. A.d.Frz., Stuttgart 1829. Fischer, Albert, Die jungen Maler oder Anleitung zum Illuminieren und Malen mit Wasserfarben, Stuttgart 1836. Rosenau, L.[äpple] von, Zeichnungs- und Malerschule für die Jugend nebst einer kurzen Geschichte der Malerei und erläuterndem Texte, Tübingen 1841. 71 Nach Zahlten, Dürer, S. 415, S. 418 u. S. 4 2 0 war Seubert ab 1829 als Zeichenlehrer an der Kunst- und Gewerbeschule beschäftigt, außerdem firmierte er als selbständiger Zeichenlehrer im Stuttgarter Adreßbuch. 72 Schwarzmann, Wegweiser 1829, S. 271. 73 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 51 u. S. 62; Winkler, Lithographie. Dort Verzeichnis der Vorlagenwerke und des lithographischen Oeuvres. 74 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 52 u. S. 65; Schefold, Schwarzwald, S. 30. 75 Schwäbische Chronik, 3. Aug. 1824, S. 568. 76 Wunderlich, Grundriß, S. 3 8 - 1 0 . 77 Zitiert nach ebd., S. 39. 78 Ramsauer, Zeichnungslehre, Bd. 2, S. 18f. 79 Beide Zitate ebd., Bd. 2, S. 18. 80 Vgl. Kemp, Zeichenunterricht. 81 Dies und das folgende Zitat Rosenau, Zeichnungsschule, S. 3. 82 Zahlten, Dürer, S. 4 1 3 und passim. 83 StAL Ε 170 Bü 401. Eine solche typische Schule schildert Kochendörfer, Ausbildung, S. 1 5 5 - 1 5 9 . Zu den Vorlegeblättern vgl. StAL Ε 170 Bü 407a: Liste der in der Heilbronner Zeichenschule vorhandenen Modelle und Vorlagenwerke. Neben etlichen französischen Musterzeichnungen waren unter anderem Piranesis darunter. 84 Mangold, Gewerbeschule, S. 129f. Die Schule in Schwäbisch Gmünd, war 1776 vom Gemeinderat zur Förderung des Goldschmiedenachwuchses eingerichtet worden. In Esslingen nahm 1834 der Gemeinderat einen Kupferstecher unter Vertrag, welcher zuvor schon Zeichenunterricht auf privater Basis erteilt hatte. Der Unterricht wurde von den örtlichen Fabrikanten gefördert und umfaßte vor vor allem Freihandzeichnen, Projektionszeichnen, Maschinenzeichnen, Architekturzeichnen, Darstellende Geometrie und auch Modellieren. Kochendörfer, Ausbildung, S. 159. Vgl. Bauer, Erinnerungen, 25f. Dort wird über die Initiative des Heilbronner Silberwarenfabrikanten Bruckmann zur Einrichtung einer Zeichenschule berichtet. Zur Sonntagsgewerbeschule Stuttgart: StAL Ε 170 Bü 401. Sie war eine eigene, allerdings organisatorisch, baulich und personell mit der Kunstschule und der polytechnischen Schule eng verknüpfte Einrichtung, die sich an Lehrlinge richtete und nicht, wie die anderen, höhere Bildung vermittelte. Vielleicht gab es auch an den Schulen in Tübingen, Ravensburg, Schwäbisch Hall, Ulm und Rottweil, welche als bedeutend galten, einen besseren Zeichenunterricht. Vgl. Steinbeis, Fortbildungsschulen. 85 Von Marchthaler, Bruckmann. 86 Handlungsadreßbuch von Schwaben, S. 180-189. 87 Wenn nicht anders nachgewiesen, stammen die Angaben zu Heinrich Rapp aus Mohl, Reise Frankreich, S. 4 6 1 - 4 6 3 . Mohl stellt ihn als Vorbild fur die Gewerbetreibenden des Landes hin. Weitere Hinweise sind verstreut in Moisy, Boisseree. 88 Zeller, Rapp, S. 294f. 89 Haug, Wirtemberg, S. 330f.

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Anmerkungen zu S. 235-240 9 0 Zeller, Rapp, S. 294. Dort ist weitere Literatur angegeben. Über die Reise fertigte Rapp ein Reisetagebuch. 91 Correspondenzblatt, 1827, S. 58. 92 Zur Fabrik in Böblingen: Böblinger Bote 1875, Abdruck der Gründungsurkunde von 1834. Primärkataster von 1833 im Stadtarchiv. Die Informationen verdanke ich einem Hinweis H.J. Sostmanns vom Böblinger Stadtarchiv. 93 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1833, S. 5 7 - 6 8 . 9 4 Correspondenzblatt, 1831, S. 155f. 95 Ebd., 1833, S. 4 2 - 4 4 . 96 Mohl, Reise Frankreich, S. 462. 97 Vgl. Zeller, Rapp. 98 Huber, Festschrift, Bd. 2, S. 346. Vgl. den Bericht Karl Wilhelm Weigles über eine Verbesserung der Jacquardtechnik in: Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1843, S. 2 4 26. 99 Vgl. die Ausstellungspräsenz Karl Wilhelm Weigles 1830. Er präsentierte dort während jeder der vier Ausstellungswochen eine unterschiedliche Angebotspalette modern gemusterter Stoffe in verschiedenen Qualitäten. Danach schien Weigle nicht versucht zu haben, einfache Gewebe möglichst billig abzugeben, sondern ein vielfältiges und attraktives Angebot zu präsentieren und sich Anforderungen der Mode anzupassen, was bereits seit Gründung der Ludwigsburger Baumwollfabrikation in den siebziger Jahrendes 18. Jahrhunderts das Überleben der Firma trotz des starken ausländischen Konkurrenzdrucks gesichert hatte. Correspondenzblatt, 1831, S. 150. 100 Borst, Staat und Unternehmer, Teil 2, S. 1 6 3 - 1 6 5 . 101 Hartmann, Väter, S. 21. 102 Im Landesmuseum fur Technik und Arbeit und im Esslinger Stadtarchiv sind zwei Fabrikmusterbücher überliefert. Zu Deffner vgl. Burckhardt, Deffner. 103 Borst, Staat und Unternehmer, Teil 2, S. 166. Von Marchthaler, Bruckmann, S. 24. 104 Vgl. Bauer, Erinnerungen und von Marchthaler, Bruckmann, S. 15-31. 105 StAL Ε 170. Bü 407a: Nachlaß Zeichenlehrer Johann Läpple. 106 Waibel, Ehrhard. 107 Archiv des Ulmer Museums. Vgl. Gysin, Fabriken, S. 89. 108 Wintterlin, Weitbrecht, S. 356. 109 Kronberger-Frentzen, Bildergeschirr, S. 6 5 - 7 6 . Bitte des Gemeinderates von Schömberg an den König um Auszeichnung des verdienten Bürgers Isidor Faist. Stadtarchiv Schramberg. Kopie im Stadtmuseum. 110 Baumgärtel, Keramik, S. 9 - 1 3 . 111 Bitte des Gemeinderates von Schramberg an den König um Auszeichnung des verdienten Bürgers Isidor Faist. Im Stadtarchiv Schramberg. Kopie im Stadtmuseum. 112 Gewerbsfreund oder Kunst- und Gewerbe-Anzeiger im Königreich Württemberg, 1826, S. 60. 113 Zu Keramikindustrie in Württemberg Gysin, Fabriken, S. 2 8 - 3 5 . Zur Schrezheimer Manufaktur Pazaurek, insbes. S. 14 u. S. 30f. Die 1751 privilegierte Fabrik stellte in den 1830er Jahren vor allem Bierseidel her und ging 1851/52 in Konkurs. Zu den Crailsheimer Fayencen Uhlshöfer, Schwäbisch Hall, S. 123. Die 1714 gegründete Fabrik, welche vor allem Nachfrage aus regionalen Adelssitzen befriedigte, wurde 1830 stillgelegt. Zur Ludwigsburger Manufaktur vgl. die Oberamtsbeschreibung Ludwigsburg, S. 134. Die auf Luxusprodukte spezialisierte Fabrik existierte von 1737 bis 1824. 114 HStASt Ε 6 Bü 201.

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Anmerkungen zu S. 241-254 115 Kronberger-Frentzen, Bildergeschirr, S. 69. 116 Zu Johann Friedrich Cotta und dessen Bruder als Politiker und Publizisten Neugebauer-Wölk, Revolution und Constitution; Lohrer, Cotta, S. 4 7 ; Moisy, Boisseree, S. lOf. u. S. 2 9 6 - 3 1 1 passim; Heyck, Allgemeine Zeitung, S. 2. 117 Dazu Lohrer, Cotta, S. 67; Kerlen, Cotta. 118 Lohrer, Cotta, S. 67. 119 Zeller, Rapp, S. 306. 120 Zitiert nach Lohrer, Cotta, S. 67. 121 Vgl. Dahm, Kunstblatt. 122 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 5 5 - 5 9 . 123 Morgenblatt, 8. Dez. 1807, Nr. 293. 124 Zeller, Rapp. S. 3 0 7 - 3 0 8 . 125 Die folgenden Titel bei Lohrer, Cotta, S. 71. 126 Zeller, Rapp, S. 309f. 127 Börne, Schriften, Bd. 3, S. 232. 128 Firmenich-Richartz, Boisseree, S. 3 4 0 - 3 4 5 ; Antoni, Staatsgalerie, S. 99f., Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 60f.; Moisy, Boisseree, S. 27f., S. 1 1 3 - 1 1 6 und passim. 129 Börne, Schriften, Bd. 3, S. 236. 130 Lohrer, Cotta, S. 75. 131 Zum Vereinsleben in Ulm Hepach, Reichsstadt; Trox, Bürger. Zum Vereinsleben in Esslingen vgl. Tiessen, Esslingen, S. 8 5 - 9 8 . 132 Schwarzmann, Wegweiser 1829, S. 227.

II1.4. »Moderner Geschmack« als Motor und als Hindernis gewerblicher Entwicklung in Württemberg 1 Zur Beschreibung des württembergischen Ausstellungswesens vgl. Schwankt, Ausstellungswesen. Schwankl berücksichtigt die wesentliche Rolle der Kunst bei den Ausstellungen nicht. 2 Die beschreibenden Texte sollten vor allem denen als Merkhilfe dienen, welche die Ausstellung gesehen hatten. Zudem werden viele der damaligen Dinge heute anders genannt oder sind außer Gebrauch gekommen. Trotz solcher Verständnisbarrieren lassen sich die Beschreibungen im Wesentlichen nachvollziehen. 3 Regierungsblatt, 1811, S. 680f. 4 Ebd., 1816, S. 5. 5 Ebd., 1839, S. 374f. 6 Correspondenzblatt, 1826, S. 62f. 7 S t A L E 170 Bü 445. 8 Correspondenzblatt, 1827, S. 1 9 3 - 3 3 7 . Kunstblatt 1 8 2 7 / 2 , Nr. 6 1 , 6 2 , 63. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 5 8 - 6 0 . 9 Morgenblatt, 1827, S. 243. 10 Ebd., S. 241. 11 Correspondenzblatt, 1827, S. 221. 12 Ebd., S. 229f. 13 Ebd., S. 2 6 6 - 2 7 1 . 14 Ebd., S. 2 8 2 - 2 8 5 .

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Anmerkungen zu S. 254-271 15 S t A L E 170 Bü 445. 16 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1839, S. 41. 17 Ebd., S. 43. 18 Gewerbeaussteilung Esslingen 1844, S. 22. 19 Industrie-Ausstellung Leipzig, S. 67. 2 0 Kunst und Tracht, S. 349. 21 Im Stadtarchiv Ulm. 2 2 Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 78. 23 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 138. 2 4 Ebd., S. 227. 25 Vgl. die Kataloge der Museumsbibliotheken. 26 Gewerbeblatt aus Württemberg, 1852, S. 3 1 6 - 3 1 9 . 27 Poppe, Volkswaarenkunde, S. 648f. 28 Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 17. 29 StAL Ε 2 4 4 Bü 50. 30 StAL Ε 170 Bü 12; 13. 31 Mohl, Reise Frankreich, S. 441. 32 Ebd., S. 217 u . S . 436. 33 Verkaufsannonce in der Schwäbischen Chronik vom 9. Jan. 1824, S. 24. 34 1835 wurden sie bereits in drei verschiedenen Werkstätten Württembergs hergestellt. Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1835, S. 16. 35 Ebd., S. 2 8 - 3 4 . 36 Ebd., S. 6. 37 StAL Ε 2 4 4 Bü 40a. Abbildungen von Kochgeschirren und anderen kleineren [durchgestrichen] Gusswaren der Königl. würtemberg. Eisengiesserey Wilhelmshütte, bei Biberach. O. J. [vor 1850], Lithographische Abbildungen von Volz in Biberach. 38 StAL Ε 2 4 4 Bü 75. 39 StAL Ε 2 4 4 Bü 69. 4 0 Der »moderne Geschmack« war, so läßt sich umgekehrt schließen, also auch ein solcher neuen Schmeckens. Das soll hier nicht weiter untersucht werden. Vgl. Sandgruber, Konsumgesellschaft, S. 1 3 1 - 2 6 7 ; Teuteberg u. Wiegelmann, Nahrungsgewohnheiten. 41 Vgl. die Liste von Zeichnungen Weitbrechts in Wintterlin, Weitbrecht, S. 343f. 42 Schall, Wasseralfingen, S. 5 4 - 6 6 . 43 Ebd., S. 74. 4 4 Ebd., S. 66. 45 Ebd., S. 67f. 46 Ebd., S. 69. 47 Die einzige Untersuchung württembergischer Wirtschaftsgeschichte, welche »Kunstgewerbe« von anderen Gewerben unterscheidet, stammt von 1897, zur Hochzeit der deutschen Kunstgewerbebewegung. Die Klassifikation wird nicht näher erläutert. Für 1805 umfaßt sie Kunstdrechslerei, Uhren, Rechenmaschinen, einen Verlag fur gestochene Vorlagenwerke, Wachs- und Perlmutter-Arbeiten, Schmuck, Nippes aus Marmor, optische und musikalische Instrumente - mithin Dinge von Handwerkskünstlern alter Schule einerseits, von fabrizierenden Künstlern andererseits. Für 1862 werden Photographie, Bildhauerei, Glasmalerei und Taxidermie als Kunstgewerbe klassifiziert - eine ebenso willkürliche Einteilung. Beide entsprachen weder dem zeitgenössischen Sprachgebrauch, noch spielten sie in der Argumentation eine Rolle. Köhler, Gewerbe-Recht, S. 14f. u. S. 191f. 48 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 262.

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Anmerkungen zu S. 271-276 49 Schwarzmann, Handbuch, 2. Abteilung, Anhang, S. 204. Ein Band mit Abbildungen des Zuges in kolorierten Lithographien befindet sich im Stadtarchiv Stuttgart; außerdem sind die Tafeln im Museum fur Volkskultur in Württemberg in Schloß Waldenbuch ausgestellt. 50 Poppe, Volksgewerbelehre, S. 13f. 51 S t A L E 170 Bü 13. 52 Maschinenwesen, S. 89. 53 Ebd., S. 90. 54 Ebd., S. 90f. 55 Ebd., S. 94. 56 Die Aussagen stützen sich auf verstreute Informationen in Ausstellungsberichten, Firmenchroniken und Gewerbebeschreibungen verschiedener Art. Hausindustrie kann bei der Fertigstellung von Textilprodukten, in der Schmuckindustrie und bei der Uhrenherstellung angenommen werden. 1835 wurde in der Gewerbeförderungsgesellschaft über die optimale Arbeitsorganisation der Jacquardweberei referiert, welche zu den Kunstindustrien im textilen Bereich gezählt werden muß: »Wenn die Jaquardtweberei lohnend seyn soll, kann sie es nur dadurch werden, daß größere Unternehmer sie betreiben und mit reicheren Mitteln und den ihnen sich öffnenden ausgebreiteten Absatzwegen eine Mannigfaltigkeit der Muster möglich machen, wie sie der wechselnde Modegeschmack verlangt. Ein solcher Gewerbsunternehmer bedarf, außer der erforderlichen Appreturanstalten, nicht gerade großer, ausgedehnter Etablissements, in welchen er alle Arbeiten vereinigt, die zur Herstellung seiner Produkte vom rohen Stoff an bis zum fertigen Kaufmannsgut nothwendig sind. Weit zweckmäßiger erscheint ein G e w e r b s - / b e t r i e b , welcher der Art und Weise wie unsere Leinwände auf der Alb gefertigt werden, analog ist, der auch im Bergischen überall angewendet wird. Der Unternehmer gibt selbständigen Lohnarbeitern Beschäftigung, erhält von ihnen die gewobenen Stücke zur weiteren Verarbeitung, zur Bleiche, zum Appretiren kurz zu allen denjenigen Manipulationen zurück, welche die Waare erst zum Kaufmannsgut machen und besorgt den kaufmännischen Vertrieb der Erzeugnise. Diese Art des Industriebetriebes vereinigt alle Vortheile einer Fabrikanstalt, die mit Recht so sehr gepriesene Arbeitstheilung und Schnelligkeit der Produktion und vermeidet die Nachtheile, welche die Schattenseite der Fabrikindustrie bilden, indem sie einer Classe selbständiger fleißiger Bürger Beschäftigung und Nahrung gibt, und keineswegs einen Haufen Proletarier erzeugt, die jeder ungünstigen Conjunktur zum Opfer und ihren Gemeinden zur unerträglichen Last fallen.« Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1837, S. 9f. Detaillierte Untersuchungen der Produktionsabläufe in einzelnen Kunstindustrien sind ein Desiderat. Die Quellenüberlieferung ist, wenn überhaupt vorhanden, lückenhaft, verstreut und überaus mühsam zu finden. Für eine genauere Untersuchung von technischer Ausrüstung, Kapitalausstattung, Absatzmöglichkeiten, Arbeitsorganisation, sozialer Zusammensetzung und Ausbildung der Arbeiterschaft, betrieblicher Entwicklung, Querverbindungen zu anderen Industrien, kultureller Aktivitäten usw. bieten sich in Württemberg die Schwäbisch Gmünder Kunstindustrien als Gegenstand von Fallstudien an. 57 Plieninger, Gewerbs-Industrie, S. 74 (dort das Zitat). Vortrag des Hrn. Fabrikanten C. Deffner, in: GeWerbeausstellung Eßlingen 1844, S. 6 - 2 5 , dort S. 22. 58 Correspondenzblatt, 1827, S. 284f. 59 Industrie-Ausstellung Mainz, S. 137. 6 0 Ebd., S. 138. 61 Ganz im Sinne herkömmlicher Industriegeschichtsschreibung ignoriert Gysin diesen Aspekt völlig bei der Beschreibung württembergischer Manufakturen und Fabriken. 62 Vgl. das Handlungsadreßbuch von Schwaben.

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Anmerkungen zu S. 276-284 63 HStASt Ε 10 Bü 91. Zur Württembergischen Kattunmanufaktur vgl. Gehring, Wirtschaftsleben, S. 238f.; Wauschkuhn, Textilindustrie; Bloemer, Cattunmanufaktur; Flik, Textilindustrie^. 1 1 7 - 1 3 9 . 64 Adreßbuch 1825. Wohl um kurzlebige Spekulationsprojekte auszuschließen, führte der Autor nur Fabriken an, welche von Kaufleuten geleitet wurden, d.h. welche über eine gewisse Kapitalbasis verfugten. 65 Württembergisches Jahrbuch, 1832, 1. Heft, S. 148-211. Von den in einem Bericht des Finanzministers 1832 erwähnten 257 Fabrikunternehmungen waren neben mechanischen Spinnereien vor allem Fabriken für den gehobenen Konsum einzeln angeführt, Stoffdruckereien und -färbereien, Bijouteriefabriken, Instrumentenhersteller. HStASt Ε 10 Bü 91. Die Differenz in der Zahl der Fabriken gegenüber der bei Memminger abgedruckten Gewerbetabelle ergibt sich aus Klassifikationsschwierigkeiten - die Abgrenzung zwischen Handwerksbetrieb, Manufaktur und Fabrik war unscharf. 66 Vgl. Adreßbuch 1837. 67 In statistischen Klassifizierungen wurde deren spezifischer Charakter und Dynamik eingeebnet, denn indem etwa aus Fabriken für Dachrinnen und Bronzeleuchter metallverarbeitende Industrien gemacht wurden, oder, noch komplizierter, ein Betrieb beides herstellte, wurde das Kunstindustrielle als Faktor eliminiert. Das ist ein entscheidender Grund, warum es der auf aggregierte Daten fixierten Aufmerksamkeit der Wirtschaftshistoriker und den an der Entstehung und Verbreitung von Großtechnologien orientierten Industrialisierungsforschern entging. Etwas Vergleichbares passierte, wenn heute etwa die Computerindustrie teils der Kunststoff- teils der Metall-, teils der Elektro- teils der chemischen Industrie zugeschlagen würde. 68 Zur Lage der Wollweber vgl. Troeltsch, Zeughandlungskompagnie, S. 3 2 2 - 3 4 3 ; Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1833, S. 16f.; Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 77f. Zum Leinwandgewerbe ebd., S. 6 9 - 7 4 . Mohl beschäftigt sich noch mit einer Reihe weiterer traditioneller Hausindustrien, wie der Strumpfstrickerei, der Hutmacherei, der Bortenwirkerei usw. 69 Zum Handwerk insbesondere Sedatis, Liberalismus und Handwerk, S. 1 1 9 - 1 3 8 . 70 Köhler, Gewerbe-Recht, S. 9 - 1 4 , S. 19-21 u. S. 80f. 71 Troeltsch, Zeughandlungskompagnie; Braun, Gmünder Schmuckhandwerk, S. 29; Köhler, Gewerbe-Recht, S. 25; Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 6 8 - 9 7 . 72 Köhler, Gewerbe-Recht, S. 16f.; Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 6 9 - 9 7 passim. 73 Vgl. die Schrift über die Handelsbeziehungen von Ulm. Ulm 1834. Stadtarchiv Ulm. Bestand 774/41 Nr. 26. Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 6 8 - 9 7 passim. 74 Vgl. Crouzet, Guerres, insbes. S. 2 9 0 - 2 9 3 . 75 Vgl. die Encyclopedic du commer^ant, Bd. 2, S. 1097; Schmidt, Comptoir-Handbuch, S. 1364. 76 Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 78. 77 S t A L E 170 Bü 1029. 78 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1845, S. 19. 79 Stellvertretend Mohl, Gewerbs-Industrie, S. 187f.; ders., Reise Frankreich, S. lf. 80 Memminger, Beschreibung von Württemberg, S. 292. 81 Ulmer Kronik, 16. Okt. 1839, S. 566. 82 Materielle Zustände 2, S. 4 7 . 83 Ebd., S. 48. 84 Dazu grundlegend Hofer, Gegenstände. 85 Schwäbische Chronik, 20. April 1800, S. 175. Weitere Steckbriefe passim.

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Anmerkungen zu S. 284-287 86 Ebd., 23. April 1824, S. 216. 87 Materielle Zustände 1, S. 1077 u. S. 1087-1089. Abgesehen von diesen verborgenen Statistiken hat die moderne Wirtschaftsgeschichte noch keine »harten« Zahlen zu Reallöhnen, Kaufkraftentwicklung und Verbrauch an Lebensmitteln, Mieten usw. im südwestdeutschen Raum liefern können - ein Unterfangen mit enormen methodischen Problemen, vgl. Walter, Kommerzialisierung, S. 269-279. Walter nimmt, wobei er Daten aus den Württembergischen Jahrbüchern zugrundelegt und methodisch aufbereitet, vorsichtig an, in Württemberg habe 1830-39 der Tagesverdienst eines Fabrikarbeiters 47 Kreuzer, eines Handwerkers 39 Kreuzer und der eines Tagelöhners 30 Kreuzer betragen. Bei ganzjähriger Beschäftigung eine problematische Annahme - hätte dann im selben Zeitraum der Fabrikarbeiter 227 fl., der Handwerker 169 fl. und der Tagelöhner 145 fl. verdient. In etwa stimmen diese Berechnungen mit der oben genannten, zeitgenössischen Statistik (Materielle Zustände) überein. Diese bezog überdies regionale Unterschiede ein und gab Ausgabenanteile für Nahrungsmittel, Kleidung, Miete und Steuern an. Der Trend der Einkommen in den unteren Schichten wies laut Walter nach oben, eine zunehmende Verelendung ließ sich über längere Zeiträume hin nicht feststellen, vgl. Walter, Kommerzialisierung, S. 274. Die Statistik von 1847 warnte dagegen vor einer langfristigen Verarmung, vgl. Materielle Zustände 1, S. 1091. Walter nimmt einen durchschnittlich ziemlich hohen Fleischkonsum an. Daraus, und aus der Tatsache, daß Kaffee konsumiert wurde, läßt sich schließen, daß die Löhne im allgemeinen, vielleicht zusammengenommen mit selbst angebauter Nahrung und mit Nebenverdiensten, über einem absoluten Existenzminimum gelegen haben müssen, also im Normalfall ein gewisser finanzieller Spielraum fiir den Konsum von »geschmackvollen« Dingen vorhanden gewesen war, vgl. Walter, Kommerzialisierung, S. 269-273 u. S. 275-279. In der Statistik dagegen wird dieser Fleischkonsum fur das untere Drittel der Bevölkerung als außerordentlich niedrig angegeben, vgl. Materielle Zustände 1, S. 1083. Einkommensentwicklung und Konsumstandards in der Landwirtschaft, von der die meisten Menschen in Württemberg hauptsächlich oder teilweise lebten, berücksichtigte Walter in seiner Untersuchung nicht, in der Statistik von 1847 waren dagegen Bauern, Weinbauern, Handwerker und Arbeiter zusammengenommen. 88 1835 gab es nach Memmingers Statistik, die den Berechnungen der zitierten Statistik zugrunde gelegt waren, 342.000 Familien in Württemberg, vgl. Materielle Zustände 1, S. 1076. Gaben ein Drittel davon, wie angegeben, 100 Gulden/Jahr für Bekleidung aus, ein weiteres Drittel geschätztermaßen bloß 50 Gulden mehr und das letzte Drittel 200 Gulden im Jahr, so addiert sich das zur angegebenen, eher zu niedrig angesetzten Ziffer. 89 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1833, S. 17. Zu Johannes Merkel und Conrad Wolff im Kontext der Esslinger Gewerbeverhältnisse Tiessen, Esslingen, S. 63-67. 90 Vgl. den Brief, StAL Ε 170 Bü 1029. Dort werden die Namen Feuerlein und Konradi genannt. Vgl. das Verzeichniß Stuttgarter Kaufleute, S. 5. 91 Laut Beilage zum Schwäbischen Merkur 1827. 92 Huber, Festschrift, Bd. 2, S. 348. Dort wird die Einordnung Conradis nicht näher begründet. 1856-58 saß er im Landtag. 93 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1833, S. 17. 94 Vgl. Hauser, Dinge des Alltags. 95 HStASt Ε 6 Bü 201. 96 So argumentierte Hans Medick 1990 in einem Briefwechsel, um das Verschwinden der roten Farbe aus der Laichinger Frauenkleidung nach 1830 zu erklären, was er auf eine Verinnerlichung pietistischer Wertvorstellungen zurückführte. 97 Vgl. Hausieren und Jahrmärkte.

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Anmerkungen zu S. 287-295 98 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1845, S. 13. 99 Dibdin, Tour in France, Bd. 3, S. 182. Dibdin hatte diese Art von wegelagerndem Hausierhandel an einer viel befahrenen Wegstrecke nicht als erster in einem Reisejournal notiert. Vgl. Bauer, Geislingen, Bd. 2 , S. 220f. 100 Nach einer Preisliste von Waren aus dem Hause Knoll, 18. Jahrhundert. 101 Bauer, Geislingen, Bd. 2, S. 206. 102 Seit 1945 ist sie verschollen; eine Zeichnung befindet sich im Geislinger Stadtmuseum. 103 Stadtarchiv Geislingen G 250, 12. Gemeinderatsprotokoll vom 25. Oktober 1824. Auch die folgenden Zitate stammen aus diesem Protokoll. 104 Protokoll der Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des württembergischen Landtags, 3. Mai 1821: Petition sämtlicher Handwerks-Meister zu Geißlingen wegen Herstellung ihrer alten Zunftordnung. S. 929. Damals waren die alten Zunftordnungen von der Zentralregierung modifiziert und gelockert, jedoch noch keineswegs abgeschafft worden. Köhler, Gewerbe-Recht, S. 6 6 - 8 3 . HStASt Ε 146 Bü 6768. 105 Smith, Adam, An inquiry into the nature and causes of the Wealth of nations, London 1776. Zwei Ausgaben des Werks erschienen schon im selben Jahr in Leipzig, vgl. Smith, Wohlstand, S. 838. 106 Köhler, Gewerbe-Recht, S. 6 6 - 8 3 . Vgl Stratmann, Berufserziehung, S. 11-30;Fischer, Handwerksrecht. 107 Walter, Kommerzialisierung, nennt S. 164 das Beispiel eines Ebinger Bortenwebers, dessen Bändermühle 1781 auf Betreiben seiner Zunftgenossen beschlagnahmt wurde, da er seine Produktivität mit Hilfe der Maschine versiebenfacht hatte, was die örtliche Konkurrenz als Verstoß gegen das Zunftrecht betrachtete. Vgl. Anträge auf Gewerbeförderung, deren Begründung und Ablehnung: HStASt Ε 146 Bü 6768. StAL Ε 170 Bü 1 2 - 1 8 ; 1 1 5 7 - 1 1 6 7 . Vgl. Akten der Färberzunft im Stadtarchiv Heidenheim. 108 Kotelmann, Pauperismus, S. 150-152. 109 Vgl. Hall, Craftsmen. 110 Zitiert in Köhler, Gewerbe-Recht, S. 64. 111 HStASt Ε 146 Bü 6708; Bü 6 7 1 5 - 6 7 1 8 ; 6768. StAL Ε 170 Bü 2 0 4 - 2 1 5 ; Bü 1 1 5 7 - 1 1 6 7 . StAL Ε 175 Bü 801. 112 Troeltsch, Zeughandlungskompagnie, S. 3 2 2 - 3 4 3 . Troeltsch macht fiir den Niedergang der Kompagnie neben dem Verlust alter Absatzwege durch die politischen Verhältnisse und das Aufkommen der Industrie auch einen tiefgreifenden modischen Wandel verantwortlich, auf welchen die in die alten Verlagsverträge eingebundenen Weber nicht zu reagieren imstande waren, während die Verleger ihr Kapital in neue Industrien steckten. 113 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1832, S. 17-19. 114 Ebd., S. 17. 115 Ebd., 1833, S. l l f . 116 Ebd., 1832, S. 18. 117 Ebd., 1843, S. 4 - 6 . 118 Ebd., 1833, S. 3 2 - 3 8 , dort S. 36. 119 Ebd., 1833, S. 34. 120 Glaß, Handspitzenindustrie, S. 2 1 - 4 9 . 121 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1843, S. 12-14. 122 So Walter, Kommerzialisierung, S. 1 5 7 - 1 6 0 u. S. 2 7 9 - 2 8 1 ; Troeltsch, Zeughandlungskompagnie, S. 3 2 2 - 3 4 3 ; Wolff, Guildmaster. Schmoller, Kleingewerbe, fuhrt S. 1 6 6 - 1 7 6 die Strukturkrise des Kleingewerbes in Württemberg allgemein auf Veränderung von Ver-

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Anmerkungen zu S. 295-302 kehrs- und Transportmöglichkeiten zurück, die Bedürfnisse und Ansprüche von außen in die Kleinstädte trugen, welche bisher der Hauptsitz des Kleingewerbes waren.

111.5. Die Verzweckung des Museums durch die Industrie 1 Ein Beispiel ist der Karlsschüler und Maler Gottlieb Schick (1776-1812), der von 1798-1802 in Paris Kunst studierte, Schüler Davids war und sich am Wettbewerb der Pariser Kunstakademie um den Prix de Rome beteiligte. Er kehrte 1802 nur fiir ein Jahr nach Stuttgart zurück. In dieser Zeit schuf er neben anderen die Porträts von Danneckers Frau Heinrike geb. Rapp, einer Tochter des Kaufmanns und Kunstfreunds Rapp, und von Freiherrn von Cottas Frau Wilhelmine. Beide gehören zu den Hauptwerken des Stuttgarter Klassizismus im Übergang von höfischer zu bürgerlicher Kunst. Im Jahr darauf zog Schick zur weiteren Ausbildung nach Rom. Kaum von da zurückgekehrt, starb er. Für den Stuttgarter Klassizismus ist er einer der wichtigsten Künstler, im Stuttgarter Kunstleben dagegen blieb er eine Randfigur. Vgl. Katalog Schick. 2 Vgl. Becker, Paris, S. 335-140. 3 Vgl. Schultze Alt Cappenberg, Wille, S. 339f. 4 Moisy, Boisseree, S. 38, S. 101f.,S. 115 und passim. 5 Weitere Hinweise sind je und je in Zeitungsartikeln und Ausstellungsberichten verstreut. Zu Auslandsstipendien fiir Künstler und Kunsthandwerker vgl. HStASt Ε 200 Bü 484-496. 6 Wiese, Klinckerfiiß, S. 16f., S. 35-39 u. S. 42. 7 Haskell u. Penny, Taste, S. 1-6. 8 Heyck, Allgemeine Zeitung, S. 74f. und passim. 9 Ebd., S. 77. 10 Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 33, S. 41 u. S. 130-138. 11 Ebd., S. 131. 12 Vgl. Mohl, Reise Frankreich. 13 Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 31-38. 14 Vgl. O'Meara, Madame Mohl; Moisy, Boisseree, S. 91-94 und passim. 15 Moisy, Boisseree, S. 57-59; Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 134f.; Hall, Retrospect, Bd. 1, S. 395. Der Herausgeber des einflußreichen New Monthly Magazine traf 1831 in Cuviers Salon nicht nur Politiker und Literaten, sondern auch Sänger und Bildhauer. 16 Moisy, Boisseree, S. 87-91 und passim; Hammer, Hittorff. 17 Hammer, Hittorff, S. 41-64, S. 239 und passim. 18 Robert von Mohl konnte zum Beispiel im Hause Cuviers die Protokolle der englischen Parlamentsdebatten studieren. Mohl, Lebenserinnerungen, S. 134f. 19 Hall, Retrospect, Bd. 1, S. 395. Vgl. Munford, Ewart. 20 Hammer, Hittorff, S. 34-36. 21 Moisy, Boisseree, S. 6-11. 22 Ebd., passim. Beides zieht sich durch seine gesamte Pariskorrespondenz. Siehe stellvertetend S. 64-67. 23 Das läßt sich an den Stuttgarter Stadtführern ablesen. 24 Haug, Wirtemberg, S. 282-290. 25 Dazu Huber, Festschrift, Bd. 2, S. 371, S. 374f. u. S. 376. 26 Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 48f. 27 Hartmann, Väter, S. 19-22.

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Anmerkungen zu S. 302-306 28 In Poppe, Volksgewerbelehre, Bd. l . S . 580, sind mehrere Variationen dieses Verfahrens beschrieben, welche je verschiedene Effekte geben. Auch Figuren und Zeichnungen lassen sich erzielen. Vgl. Smith, Art, technology, and science, S. 519f. 29 Plieninger, Gewerbs-Industrie, S. 66. Wichtige Informationen zu Deffner dort S. 6 6 70. 30 Bugge, Reise nach Paris, S. 364. Auf Bugges Beschreibung der ersten französischen Industrieausstellung wurde von zeitgenössischen Berichterstattern als die genaueste in deutscher Sprache hingewiesen, dies um so mehr, als es in Deutschland schon damals kaum möglich war, den Ausstellungskatalog zu finden. Er ist in den westdeutschen Bibliotheken nicht vorhanden. 31 Gazette Nationale, 1802, S. 1181. 32 Zur Welt der Salons um Hittorff vgl. Hammer, Hittorff, S. 38 u. S. 74. Im Nachlaß Hittorffs im Kölner Stadtarchiv (Bestand 1053) fanden sich keine Hinweise auf private Kontakte zu württembergischen Industriellen. 33 Ebd., S. 1 0 1 - 1 2 7 u. S. 1 5 9 - 1 6 6 . Nachlaß Hittorff, Allgemeine Korrespondenz 1 8 3 3 1841, Bd. 2. 34 Bei denjenigen der oben vorgestellten Kunstindustriellen, bei denen ein Parisaufenthalt nachgewiesen werden konnte, wurde dies vermerkt. Aber sie waren nicht die einzigen Unternehmer, welche diese Öffentlichkeit aus eigener Erfahrung kannten. So hielt sich der Heilbronner Kolonialwarenhändler und spätere Papierfabrikant Moriz Rauch ( 1 7 9 4 - 1 8 4 9 ) 1816 in Paris auf und genoß das großstädtische Treiben. Rauch, Eindrücke, S. 1 2 3 - 1 3 5 . Hinweise auf einen Parisaufenthalt und Ausstellungsbesuch des Ludwigsburger Textilfabrikanten Weigle und des Stuttgarter Tapetenherstellers Hardegg 1844 in StAL Ε 170 Bü 404. 35 Huber, Festschrift Bd. 2 , S. 367; Borst, Staat und Unternehmer, S. 120, dort weitere Namen. 36 HStASt Ε 11 Bü 182 u. 183. 37 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1834, S. 12. 38 HStASt Ε 146 Bü 6768. 39 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1846, S. 41. Weitere Fälle vgl. HStASt Ε 146 Bü 6764 - 6768. 40 Vgl. die Ausstellungsberichte im Correspondenzblatt. 41 Correspondenzblatt, 1827, S. 212. 42 Ebd., S. 259. 43 Zu Kessler im Kontext der Esslinger Gewerbeverhältnisse Tiessen, Esslingen, S. 6 3 - 6 7 und passim. 4 4 Correspondenzblatt, 1827, S. 226. NDB 11, Berlin 1977, S. 549. Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1832, S. 3. 45 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1832, S. 3. 4 6 Vgl. dazu Hinweise in den Rechenschaftsberichten der Gewerbeförderungsgesellschaft. 47 Schuttes, Fußreise, Bd. 1, S. 339. Schultes schätzte die Zahl auf 25.000 deutsche Handwerker. Auch Mohl erwähnt, zahlreiche Tischlereiarbeiter in Paris seien Deutsche. Mohl, Reise Frankreich, S. 339. Diese Arten der Migration entzogen sich bürokratischer Erfassung und waren als kollektives Lebensschicksal nur in Ausnahmefallen Gegenstand einer Darstellung, vgl. Grandjonc, έα-angers ä Paris; Pabst, Subproletariat. 48 Zum Thema Auflösung des Horizonts Bausinger, Volkskultur, S. 6 3 - 8 5 . 4 9 Mohl, Polizei-Wissenschaft, Bd. 1, S. 5 3 6 - 5 4 2 u. S. 6 0 6 - 6 1 9 , Zitate S. 6 0 6 u. S. 607. 50 Herdt, Hof, S. 241.

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Anmerkungen zu S. 306-316 51 Ebd., S. 71. Vgl. Regierungsblatt, 1817, Nr. 12. 52 Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Württemberg im Jahre 1820, Stuttgart 1820, Beilage X: Haupt-Finanz-Etat 1 8 1 9 / 2 0 . Dort die absoluten Zahlen. 53 Verhandlungen 1820, S. 842. 54 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 61f. 55 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 29; Württembergisches Jahrbuch, 1821, S. 96f. 56 Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 51 u. S. 61f. 57 HStASt E l l Bü 83. 58 Zahlten, Dürer, S. 409. 59 HStASt Ε 11 Bü 75. 60 HStASt Ε 11 Bü 75. 61 Verhandlungen 1833, zweiter Landtag, 19. Band, 3. Beilagenheft. Bericht der Schulund Unterrichtskommission, S. 94. 62 Fleischhauer, Boisseree, S. 278f. 63 Dieses und die folgenden Zitate: Württembergisches Jahrbuch, 1819, S. 7 2 - 7 9 . 64 Ebd., 1821, S. 9 4 - 1 2 2 . Dieses und die folgenden Zitate S. 9 4 - 9 6 . 65 Zahlten, Dürer, S. 4 1 1 . 66 Schwäbische Chronik, Bekanntmachung, S. 507. HStASt Ε 200 Bü 473. 67 HStASt Ε 200 Bü 473. 68 HStASt Ε 200 Bü 4 7 3 . 69 Programm der polytechnischen Schule, S. 2. Dort ist angegeben, daß die Bauschüler und Handelsschüler nach wie vor einen großen Anteil an der Gesamtzahl ausmachten. Ein genauere Aufschlüsselung fehlt. 70 HStASt Ε 2 0 0 Bü 473. 71 Zahlten, Dürer, S. 405f. u. S. 413. Vgl. die einschlägigen Jahrgänge des württembergischen Staatshandbuchs. 72 Zahlten nimmt einen Funktionswandel von der ästhetischen Allgemeinbildung zur Gestaltungsschule an. Dagegen spricht aber nicht nur die Frankreich-Erfahrung, sondern auch die Absichten, welche im Zusammenhang mit der Gründungsvorbereitung geäußert wurden. Vgl. ders., Dürer, S. 428. HStASt Ε 200 Bü 473 u. 474. 73 Heigelin, Entwurf, S. 19. 74 Zahlten, Dürer, S. 416f. Antoni, Staatsgalerie, S. 1 0 5 - 1 1 1 . Zahlten, Kunstakademie. 75 Vgl. Mündt, Institut, S. 4 5 9 - 1 6 2 . 76 HStASt Ε 2 0 0 Bü 473. 77 Zu den Anschafftingen vgl. Gehring, Bibliothek. 78 Zahlten, Dürer, S. 4 1 6 . 79 Zweckbronner, Ingenieurausbildung, S. 81 f. 80 HStASt Ε 200 Bü 4 7 3 . 81 Zahlten, Dürer, S. 421. 82 Zu Weitbrecht vgl. Wintterlin, Weitbrecht. 83 Weitbrecht, Conrad, Ornamenten-Zeichnungsschule in 100 Blättern; fur Künsder, Manufacturisten u. Gewerbsleute. 5 Hefte, Stuttgart 1833. Daß 1853 eine weitere und noch 1878 eine neue, dritte Auflage erschien, beweist die große Popularität und langanhaitende Wirkung der Publikation. 84 Wintterlin, Weitbrecht, zitiert dazu S. 356 den Gmünder Fabrikanten Julius Ebner. 85 Vgl. Zahlten, Dürer, S. 420f. (der hier verwendete Name Mattheus ist der korrekte). Eintrag in Winkler, Lithographie. Lamparter u. Pfeiffer, Lithographie, S. 51 u. S. 69. 86 Mündt, Institut, S. 457f. Die Fachwelt hält ihn für den besten Berliner Ornament-

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Anmerkungen zu S. 316-326 Zeichner der 1820er und 1830er Jahre, der den Berliner Klassizismus wesentlich mit prägen sollte. 87 Mauch, Johann Mattheus, Vergleichende Darstellung griechischer Bauordnungen, Potsdam 1 8 3 2 - 1 8 3 9 . Eine sechste, stark erweiterte Auflage der Illustrationen mit aktualisiertem Text erschien 1872 in Berlin, herausgegeben von Ludwig Lohde. 88 Ders., Classische Verzierungen als Vorlegeblätter fur einen fortschreitenden Unterricht der Architecten und aller Gewerbtreibenden, auf Veranlassung einer königlichen hohen Verwaltung für Handel, Fabrikation und Bauwesen. 3 Hefte, Berlin 1 8 3 7 - 1 8 3 9 . 89 Ebd., Einleitung ins erste Heft. 90 StAL Ε 202 Bü 891. Zitiert nach Zahlten, Dürer, S. 427f. 91 Ebd., S. 421; Vischer, Industrielle Entwicklung, S. 200f. 92 Wagners Werdegang ist in seinem Bewerbungsschreiben angeführt. In den einschlägigen biographischen Nachschlagewerken ist er nicht vertreten. Die landwirtschaftliche Zentralstelle, welche die Interessen der Industrie mit vertrat, befürwortete seine Kandidatur. HStASt Ε 2 0 0 Bü 474. 93 StAL Ε 170 Bü 401. HStASt Ε 200 Bü 473. Gehring, Bibliothek, S. 115. 9 4 Verhandlungen 1833, Beilagenheft, Bericht der Schul- und Unterrichtskommission, S. 99. 95 Ebd., S. 39-^2. 96 Ebd., S. 6 - 8 . 97 Eser, Leben, S. 244. Biberach war während des 19. Jahrhunderts regionales Kunstzentrum Oberschwabens. 98 Verhandlungen 1833, S. 6f. 99 Vgl. Correspondenzblatt, 1836, S. 127 u. S. 138f. Zais hatte sich schon auf einer früheren Sitzung des Landtags von 1833 für die Einrichtung einer Kunstschule ausgesprochen, ohne dies jedoch näher zu begründen. Verhandlungen 1833, S. 39^42. 100 Verhandlungen 1833, S. 14f. 101 Der Name Rapp war in Württemberg recht häufig. Eine Verwandtschaft des Abgeordneten zur Stuttgarter Kaufmanns- und Honoratiorenfamilie Rapp, die im Bereich der Kunstpflege eine herausgehobene Rolle spielte, konnte nicht nachgewiesen werden, vgl. Hartmann, Regierung. 102 Verhandlungen 1833, S. 16f. 103 Ebd., S. 18. 104 Ebd., S. 3 9 - 4 2 passim. 105 Ebd., S. 19f. 106 Ebd., S. 44. 107 Wedgwood u. Bentley, Catalogue de camees, S. 6 7 - 7 9 passim. Wedgwoods erster Katalog war 1773 erschienen, von der zweiten Auflage wurde bereits eine französische Ubersetzung verbreitet. Diese war im Stuttgarter Kapselkatalog vorhanden, daraus ist das Folgende zitiert. Eine deutsche Übersetzung gab es 1779 von der 5. Auflage des Katalogs. Ein anderer Katalog von Tafelgeschirr (Queen's Ware) war bereits 1774 mit Abbildungen versehen. Vgl. Reilly u. Savage, Wedgwood. 108 Wedgwood u. Bentley, Catalogue de camees, S. lf. 109 Wedgwood hat systematisch chemisch-technisch experimentiert und etliche neue Produktionsverfahren im Bereich der Steingutherstellung erfunden. Dazu diverse Artikel in Reilly u. Savage, Wedgwood, außerdem Boime, Revolution, S. 206f. 110 Wedgwood u. Bentley, Catalogue de camees, S. 72f. 111 Ebd., S. 4.

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Anmerkungen zu S. 326-331 112 Zu den Marketingstrategien von Wedgwood ausführlich McKendrick, Wedgwood. 113 Die Zitate, welche McKendrick aus der Geschäftskorrespondenz Wedgwoods anfuhrt, lassen keinen Zweifel daran, daß der Fabrikant sich über die Mechanismen repräsentativen Konsums und der Tendenz bürgerlicher Aufsteiger, sich an adeligen Vorbildern zu orientieren, nicht bloß völlig im klaren war, sondern diese Tendenzen systematisch und erfolgreich zu manipulieren wußte, und zwar im europäischen Maßstab, wie sich auch am Beispiel der Beziehungen zu Württemberg ablesen läßt: Nennt sein Katalog von 1774 den württembergischen Herzog als Besitzer einer seiner Luxusgegenstände, verzeichnen seine Orderbücher 1783 die erste direkte Order aus Stuttgart fur gewöhnlichere Ware. McKendrick, Wedgwood, S. 134. Aber Wedgwood hatte weitere Werbemethoden entwickelt: Er schenkte Muster seiner Waren an englische Gesandte im Ausland, um sie dort gleich in den einflußreichen Kreisen zur Geltung zu bringen, er veranstaltete Ausstellungen fur ausgewählte Kunden in exklusivem Ambiente und anderes mehr. 114 Vgl. Plagemann, Kunstmuseum, S. 6 5 - 1 0 8 ; Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 2 9 - 6 8 ; Antoni, Staatsgalerie, S. 1 1 6 - 1 2 9 . 115 Plagemann, Kunstmuseum, S. 65; Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 3 0 - 4 0 . 116 Antoni, Staatsgalerie, S. 8 2 - 8 7 . 117 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 3 6 - 4 0 . Zur Vorbildlichkeit der Antike im 19. Jahrhundert und der Verbreitung der Kopien Haskell u. Penny, Taste, S. 1 1 7 - 1 2 4 ; Gerlach, Kanon. 118 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 6 4 - 6 8 ; Antoni, Staatsgalerie, S. 1 1 6 - 1 2 9 . 119 Zahlten, Dürer, S. 4 1 7 . 120 Beder-Neuhaus, Baukunst, S. 53 u. S. 67. 121 Ebd., S. 67. 122 Zur Kunstauffassung Thorvaldsens vgl. Wittstock, Thorvaldsen. 123 Antoni, Staatsgalerie, S. 1 3 8 - 1 5 3 . 124 Ebd., S. 112. 125 Ebd., S. 154. 126 Ebd., S. 1 5 4 - 1 6 7 . 127 Ebd., S. 138. 128 Finanzminister Weckherlin 1825 in einem Gutachten über den Ankauf der Sammlung. HStASt Ε 221 Β 131. Zitiert nach Fleischhauer, Boisseree, S. 267. Das folgende ebenfalls zusammengefaßt nach Fleischhauer. 129 Fleischhauer, Boisseree, S. 2 6 8 - 2 8 3 . 130 Fleischhauer zitiert ebd., S. 272f., die Stellungnahmen in der Zusammenfassung durch das Finanzministerium. 131 Wauschkuhn, Gewerbepolitik, S. 2 0 - 2 2 ; Vischer, Industrielle Entwicklung, S. 10-13. 132 Costaz, Memoire, S. 30f. Das Werk befand sich in Stuttgart laut exlibris in der Bibliothek des Ökonomen und Staatswissenschaftlers Moriz Mohl. Oers., Administration, Bd. 2, S. 3 0 3 - 3 0 7 . Costaz bestätigte dort die Einschätzung der Zeitgenossen über die Wichtigkeit dieser Institution fur die Industrialisierung in Frankreich, was dazu beitrug, daß Gewerbefbrderung a lafrangaise zur Forderung in Württemberg werden konnte: »C'est de l'epoque de la creation du bureau de consultation que date l'alliance des sciences et des arts; alliance qui a ete fort utile, rien ne contribuant plus aux progres de l'industrie que les communications entre les hommes qui ont des idees heureuses, et les savans qui indiqucnt les rectifications et des moyens pour obtenir une bonne execution.« (S. 307). 133 Costaz, Administration, Bd. 1, S. 128-151. 134 Richter, Handels-Consulent, S. 337. 135 Costaz, Administration, Bd. 2, S. 2 9 4 - 3 0 3 u. S. 296.

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Anmerkungen zu S. 332-333 136 Zu beiden Matschoss, Gewerbeförderung, S. 19-79. 137 Vgl. Pfisterer, Denken und Wirken. 138 Neben dem Correspondenzblatt wurde seit 1834 gemeinsam mit der Gewerbeförderungsgesellschaft, der Weinverbesserungsgesellschaft und dem pomologischen Verein das »Wochenblatt fur Land- und Hauswirthschaft, Gewerbe und Handel« herausgegeben. 139 Im ersten gedruckten Katalog der landwirtschaftlichen Zentralstelle von 1868 fehlt gewerbetechnische Literatur, abgesehen von Nahrungsmittelverarbeitung, ganz. Es ist zu vermuten, daß die Gewerbeliteratur nach 1849 an die Bibliothek der neu gegründeten Zentralstelle fur Gewerbe und Handel überging, in deren Bestand laut Katalog eine ganze Reihe technischer und ökonomischer Werke aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts eingereiht war, darunter viele französische und einige englische Werke vgl. den Katalog Centralstelle 1866. Die Akten der Bibliothek sind vernichtet. 140 Vischer, Industrielle Entwicklung, S. 10. Vgl. den Antrag des Abgeordneten Doertenbach zur Erhaltung des Gewerbsfleißes, Stuttgart 1830, Sonderdruck. 141 Wauschkuhn, Gewerbepolitik, S. 22. 142 Schwankt, Ausstellungswesen, S. 4 0 - 4 5 ; Correspondenzblatt, 1827, S. 195; Rechenschaftsberichte Gewerbeförderung, 1832, S. 16 und 1 8 4 0 , S. 1 6 - 2 0 . In der landwirtschaftlichen Zentralstelle befand sich 1829 eine Sammlung von Maschinen und Modellen, Correspondenzblatt, 1829, S. 288f. 143 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1845, S. 39. 144 Ebd. und 1846, S. 22f. 145 Ebd., 1 8 3 0 / 3 1 , S . 2 3 f . 146 Das Volumen der Kredite betrug zwischen 0,03% und 4,4% des staatlichen Jahresetats. Zwischen 1830 und 1848 wurden insgesamt 1,13 Millionen Gulden als Darlehen gegeben. Wauschkuhn, Gewerbepolitik, S. 23. 147 Vgl. die Rechenschaftsberichte der Gesellschaft. Ihnen waren Mitgliederlisten angefugt, aus denen sich Rückschlüsse auf die berufliche und soziale Position ziehen lassen. Die Mitglieder nach Berufsgruppen zu ordnen, scheiterte an Klassifizierungsproblemen, die durch die unterschiedliche Herkunft und den unsicheren gesellschaftlichen Status fabrikindustrieller Unternehmer in einer Zeit hervorgerufen wurde, in welcher altständische Kategorien ebenso wie eine strikte Hierarchie der Beamtenschaft fast ausschließlich über den offiziellen gesellschaftlichen Status bestimmten. »Räte« zum Beispiel waren zumeist Beamte, aber es konnten auch Unternehmer sein, welchen der Titel »Commerzienrath« verliehen worden war. Andere firmierten als »Stadtrath«, hatten einen Ratstitel also durch Wahl erhalten. Ob und welches Gewerbe sie betrieben haben mochten, ist weiter nicht angegeben. So bedürfte es umfangreicher Einzelforschungen, um festzustellen, wie viele der Mitglieder Fabrikanten im Sinne von Fabrikbesitzern waren. Im Gründungsjahr jedenfalls waren mehr als achtzig von ihnen Beamte, vom Oberförster in Ochsenhausen bis zum Finanzminister Freiherrn von Varnbühler. Grob geschätzt je zur Hälfte handelte es sich um Verwaltungsbeamte wie Oberamdeute, Assessoren (darunter Moriz Mohl) und Assistenten, Rentamtmänner und dergleichen, sowie um Minister, Ministerialen und andere hohe Beamte einschließlich aller Räte. Dazu kamen ein Prälat und ein Oberkonsistorialrat (Pfarrer waren ansonsten nicht vertreten) und zwanzig Professoren aus Tübingen, Hohenheim und von der Real- und Gewerbeschule sowie der Kunstschule (Karl Marceil Heigelin) in Stuttgart, darunter der Jurist Robert Mohl und der Technologe Poppe. Lehrer fehlten als Mitglieder noch. An Ärzten und sonstigen doctores, Juristen (»Rechts-Consulenten«) und Apothekern hatten sich fünfundzwanzig in die Gesellschaft eingeschrieben. Mehrere von den letzteren hatten sich auf den Kunst- und Industrieausstellungen von 1827 und 1830 als Fabrikanten chemischer Produkte vorgestellt, so Berg jun.

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Anmerkungen zu S. 333-334 aus Stuttgart, welcher 1830 Rübenzucker präsentierte, dessen Herstellung er in Frankreich gelernt hatte, wohin er auf Staatskosten geschickt worden war. Gewerbetreibende im weiteren Sinn waren etwas über hundert Mitglieder. Das Schloß zwei Bankiers ein, gut fünfzig Fabrikanten und gut vierzig Kaufleute und nicht mehr als dreizehn Handwerker, Techniker und Kleingewerbetreibende: Mechaniker, Färber, Zeugmacher, Bleicheinhaber, Uhrmacher, Silberarbeiter und ähnliches. Dem ganzen Kontext nach läßt sich ausschließen, daß diejenigen, welche sich als Fabrikanten bezeichneten, Arbeiter waren, wie dies durchaus noch zum Bedeutungsspektrum des Begriffe gehörte. Versucht man, mittels der Ausstellungsberichte näher zu erfahren, was die Fabrikanten im einzelnen herstellen ließen, stellt sich heraus, daß »Kaufmann« und »Fabrikant« nicht eindeutig gebrauchte Begriffe waren. Dieselben Personen firmierten mal auf die eine, mal auf die andere Weise, wie etwa Barrier, welcher als Fabrikant verzeichnet war, aber als Kaufmann 1827 »carrirtes Möbelzeug im schottischen Geschmack« ausgestellt hatte, oder wie der Esslinger Fabrikant Imanuel Steudel, 1827 auf der Ausstellung als Kaufmann bezeichnet und mit »Gesundheitsgeschirr« aus Weißblech, Bügeleisen, Vorhängeschlössern und Bestecken vertreten. Teilweise mochten die Kaufleute verlagsmäßig produzieren, wie etwa die Blaubeurer Leinwandhändler Butzhuber und Lang, welche 1827 Gewebe von Webermeistern aus Blaubeuren, Gerhausen und Laichingen ausgestellt hatten. Die Mehrzahl der Fabrikanten/ Kaufleute, welche in der Gewerbeförderungsgesellschaft eingeschrieben waren, hatten sich übrigens weder 1827 noch 1830 aktiv an der Stuttgarter Kunstund Industrieausstellung beteiligt. Die Zahl der Mitglieder blieb über die Jahre des Bestehens der Gesellschaft praktisch konstant: 271 waren 1831 eingetragen, 235 waren es 1847. Vgl. Kappel, Zollvereinigung, S. 1 4 0 - 1 5 8 u. S. 578. 148 Wauschkuhtt, Gewerbepolitik, S. 1 7 - 1 9 ; Kappel, Zollvereinigung; Denkschriften von Friedrich List und Moriz Mohl. Nach dem Beitritt zum Zollverein warb der Vorstand der Gewerbeförderungsgesellschaft um den Beitritt weiterer Unternehmer, da sie bis dahin nur die Hälfte der Mitglieder stellten: »Jetzt gilt es mehr als je, das Wichtigere herauszufinden und vorzugsweise zu bedenken, über die Ausführbarkeit dieser oder jener Unternehmungen ins Klare zu kommen, den kürzesten und sichersten Weg zum Ziel zu treffen und denselben unverweilt und mit den passendsten Mitteln zu verfolgen. Hiezu gehört aber nicht blos genaue Kenntniß des seitherigen Zustandes und der besondern/Verhältnisse, welche in Ansehung einzelner Fabrikationen in den verschiedenen Orten und Gegenden eintreten, sowie eine genaue Beobachtung des Fortgangs der Industrie in andern Ländern, sondern auch nähere Kenntniß der einzelnen Gewerbsleute und unmittelbares Einwirken auf dieselben, durch Aufmunterung und Belehrung.« Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1834, S. 20f. 149 Seit 1838 wurden in Heidenheim und Calw Bezirksversammlungen der Gewerbeförderungsgesellschaft unter der Federführung der großen Fabrikanten am Ort abgehalten. In Bezirks-Gewerbevereinen sollten diese auf die Region gerichteten Bemühungen eine dauerhafte Form erhalten. Ein weiterer Bezirksverein wurde kurz darauf in Heilbronn gegründet. 1840 wurde ein Lokal-Gewerbeverein in Reutlingen gegründet. Als Mitglieder der Gewerbeförderungsgesellschaft werden ferner Vereine in Crailsheim, Gaildorf und Hall genannt. Der ab 1838 im Mitgliederverzeichnis angeführte Gewerbeverein von Hall war schon 1827, vor der Gründung der Gewerbefördergesellschaft also, gegründet worden. 1841 kam der in Oberndorf dazu, 1842 landwirtschaftliche Gewerbevereine in Biberach und Ehingen. 1845 wurden die in Ludwigsburg und Balingen gegründet, auch in Tübingen, Esslingen, Ellwangen und Göppingen existierten Lokalgewerbevereine. Alle diese regionalen und lokalen Vereine sollten die spezifischen Interessen der Industriellen am Ort und in der Region gegenüber der Zentrale vertreten und der Verbreitung gewerbekundlichen Wissens dienen, sei es durch

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Anmerkungen zu S. 334-342 Vorträge, sei es durch gemeinsame Lektüre und Diskussion oder durch physikalisch-technische Versuche, sei es schließlich durch das Herstellen von Kontakten zu ähnlichen Vereinigungen andernorts. Die Vereine waren gleichzeitig neben den Bürgergesellschaften Brennpunkte des gesellschaftlichen Lebens und wohl auch Foren politischer Debatte. Vgl. Hepach, Reichsstadt; Lipp, Verein; Tiessen, Esslingen. Zur Konstitutierung des modernen Bürgertums als politischer Kraft vgl. Medick, Bürgerherrschaft, S. 7 2 - 7 9 . 150 Regionale GeWerbeausstellungen: 1838 in Calw, 1839 in Heilbronn und Schwäbisch Hall, 1840 in Reutlingen, 1841 in Ulm, 1842 in Heidenheim, 1843 in Crailsheim, Esslingen, Schwäbisch Hall und Reutlingen, 1844 in Göppingen, und Ellwangen, 1845 in Tübingen, 1846 in Hall, 1847 in Heilbronn, 1848 in Heidenheim, 1849 in Stuttgart. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 128-137. 151 Rechenschaftsbericht Gewerbeförderung, 1841, S. 2 2 - 2 6 . 152 Ebd., S. 19. 153 Ebd., S. 20. 154 Ebd. 155 Ebd. 156 Ebd., S. 21. 157 Vgl. Hall, Craftsmen. 158 ADB 52, 1906, S. 4 3 0 - 4 3 4 ; Mohl, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 3 8 - 4 5 . 159 Vgl. Mohl, Reise Frankreich. 160 Vgl. Mohl, Gewerbs-Industrie. 161 Ebd., S. 2 - 6 5 . 162 Ebd., S. 2f. 163 Ebd., S. 237. 164 Mohl, Reise Frankreich, S. 59, S. 1 0 2 - 1 0 5 und passim. 165 Ebd., S. 5 8 - 7 5 , S. 105 und passim. 166 Ebd., S. 4 5 0 - 4 6 0 . 167 Wauschkuhn, Gewerbepolitik, S. 22f. Sehr explizit in diesem Sinn äußerten sich 1839 die Textilfabrikanten Weigle, Barrier und Schüle auf eine Anfrage der Zentralstelle des landwirtschaftlichen Vereins. StAL Ε 170 Bü 954. 168 Mohl, Reise Frankreich, S. 1, S. 73, S. 179 und passim. 169 Ebd., S. 3 4 5 - 3 4 8 , S. 3 5 9 - 3 8 4 , S. 392-4-34 und passim. 170 Ebd., S. 359. 171 Ebd., S. 104f. 172 Ebd., S. 3 5 9 - 3 8 4 ; Wunderlich, Grundriß, S. 88f. schreibt der Publikation Mohls die Verbreitung der Dupuis'schen Methode in Deutschland zu. 173 HStASt Ε 143 Bü 3206. 174 Vgl. Vischer, Industrielle Entwicklung; Boelcke, Erfolgsgeschichte.

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Quellen und Literatur

1. Archivalische Quellen

V o r b e m e r k u n g zur Aktenlage Die vorliegende Arbeit sollte Charakter und Bedeutung des Phänomens Geschmacksbildung im gesellschaftshistorischen Kontext des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus hinreichend verdeutlicht haben. Beides strukturierte die Art, wie sie sich in der aktenmäßigen Überlieferung - Ausgangspunkt jeder zumeist immer noch vor allem am staatlichen Handeln und dessen sozialen Implikationen orientierten Geschichtsschreibung - niederschlug und damit zugleich Qualität und Umfang des Wissens über dieses Phänomen, das sich aus behördlichen Quellen im weiten Sinn ziehen läßt. Als Erscheinung fiel Geschmacksbildung aber nicht primär in den Bereich staadichen Handelns, sondern gehörte zunächst vor allem der Sphäre bürgerlicher Selbstverständigung einerseits, der des Konsums und damit des Produzierens andererseits an. Vermittelt über wirtschafts- und kulturpolitische Interessen, welche im nachrevolutionären Frankreich im Umkreis der ersten Kunst- und Industrieausstellungen formuliert und publiziert worden waren, wurde sie im Untersuchungszeitraum im Königreich Württemberg erst im Nachhinein zu einer - nachgeordneten - Sache staadicher Behörden. So kann eine historiographische Rekonstruktion behördlicher Bemühungen um Gewerbeförderung, Museumsgründungen, Ausstellungsorganisation oder Zeichenunterricht zwar auf ein ebenso umfangreiches wie breit gestreutes Material zurückgreifen, in welchem das Thema Geschmacksbildung eine große Rolle spielt, ohne daß indes deren Bedeutung, Funktion oder Wirkung sich daraus ohne weiteres erschlösse. Diese mußten im wesendichen prozeß-logisch konstruiert und dann auf der Grundlage breitgestreuten Materials, welches dem gesellschaftlichen Raum entstammte, in welchem Geschmacksbildung seine Wirkung entfaltete - der Kunst- und Warenöffentlichkeit - , durch detaillierte Analyse von einzelnen Beispielen konkretisiert werden. Eine angemessene Interpretation des behördlichen Aktenmaterials, welches nirgends auf den Begriff Geschmacksbildung hin archivalisch aufbereitet war (und mit dem die Fachleute vor Ort wenig anzufangen wußten), setzte diese Erkenntnisschritte voraus. Fruchtbar erwies auch dieses Material sich im wesendichen vor allem in Bereichen, in denen sich die gesellschaftlichen Sphären der Geschmacksbildung beispielhaft verdichteten. Solche Stellen ließen sich in einigen Beständen in größerer Dichte vermuten und manchmal auch tatsächlich finden, teils, indem ihnen exemplarischer Charakter zugesprochen wurde, ohne daß indes dieser in jedem Fall

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belegbar war - das hätte angesichts der Masse und der aus den genannten Gründen »dünnen« Aussagekraft des Materials einen nicht zu vertretenden Aufwand erfordert. Der Bereich der archivalischen Überlieferung von Firmenmaterial ist ebenfalls problematisch. Zunächst ist nur ein geringer Teil solchen Materials in öffentlichen Archiven zugänglich. Dann ist die Überlieferung aus den Anfangsjahren der Industrialisierung überhaupt in Württemberg nicht nur spärlich und zufällig, sondern auch, soweit privat, nicht öffentlich dokumentiert, geschweige denn erschlossen. Auch in diesem Feld wurde mit Beispielen operiert, Vollständigkeit nicht angestrebt. Herangezogene Bestände: Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStASt): Ε 6 ; Ε 9 ; Ε 10; Ε 11; Ε 16a; Ε 3 1 ; Ε 3 3 ; Ε 14; Ε 1 4 3 ; Ε 1 4 6 ; Ε 2 0 0 ; L 15 F u. G.; Q 2 / 7 . Staatsarchiv Ludwigsburg (StAL): Ε 170; Ε 175; Ε 202; Ε 244; PL 702. Archives Nationales: Archives de l'ecole nationale superieure des arts decoratifs (Sous-series AJ

5 3 .).

Archive du Ministere des relations exterieures: Correspondence consulaire et commerciale. Stuttgart 1 8 2 5 - 3 3 ; 1834—42; 1 8 4 3 - 5 4 .

Folgende Stadt- und Kreisarchive wurden aufgesucht oder halfen bei der Recherche: Biberach; Böblingen; Calw; Esslingen; Geislingen; Göppingen; Heidenheim; Heilbronn; Köln, Ludwigsburg; Rottweil; Stuttgart; Ulm. Material stellten ferner die städtischen Museen in Schramberg und Schwäbisch Gmünd, das hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, das Landesmuseum fur Technik und Arbeit in Mannheim und das Wirtschaftsarchiv Hohenheim zur Verfügung.

2. Gedruckte Quellen [Anonym], Blicke auf die materiellen Zustände in Württemberg, in: Zeitschrift des Vereins fur deutsche Statistik, 1 8 4 7 , 1, S. 1 0 7 6 - 1 0 9 1 , u. 1 8 4 8 , 2 , S. 4 7 - 6 1 . [Anonym], Das Hausieren und die Jahrmärkte, ihr nachtheiliger Einfluß auf Handel und Gewerbe und insbesondere auf die Sittlichkeit des Volkes, in: Wochenblatt, 1 8 3 5 , 2 , S. 5 - 7 und Beilage. [Anonym], Der Einfluß des Maschinenwesens auf Quantität und Qualität der gewerblichen Produktionen, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1 8 4 7 , 3. Heft, S. 7 0 - 1 4 8 . [Anonym], Kunst und Tracht, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1 8 4 4 , 1. Heft, S. 3 2 0 - 3 5 1 . A . M . , Die zweckmäßigste Pflege der schönen Künste in Deutschland, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1 8 3 8 , 3. Heft, S. 3 0 7 - 3 2 6 . - , Wöhnlichkeit und Lebensgenuß in Deutschland, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1 8 3 8 , 2 . Heft, S. 2 8 - 5 3 . Abbildung der Modelle zu Gußwaren bei der königlichen Eisengießerei Wasseralfingen, Stuttgart 1 8 4 7 . Abbildung von Oefen, Wasseralfingen 1 8 6 6 . Adam, Robert u. John Adam, Works in Architecture. 2 Bde., London 1 7 7 3 - 1 7 8 6 .

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Adreßbuch aller Kaufleute, Fabrikanten und Apotheker vom Königreich Württemberg. Nach den zuverläßigsten Quellen bearbeitet und meistens persönlich aufgenommen von einem praktischen Kaufmanne, Ulm 1 8 3 7 . Album der Feier des 16. November 1 8 4 5 . Schramberg 1 8 4 6 . Alphabetisches Verzeichnis der Bücher, welche sich in der Bibliothek der Lesegesellschaft zur obern Stube befinden. Ulm 1 8 3 6 . Neudruck 1 9 8 9 mit einer Bestandsanalyse von Elmar Schmitt, Weißenhorn 1 9 8 9 . Alvin, L. u. Aug. Chauvin, Expositions des travaux graphiques et plastiques dans les ecoles de Baviere, de France et du royaume de Wurtemberg. Rapports adresse ä M . Alph. Vandenpeereboom, Ministre de l'interieur, Bruxelles 1 8 6 5 . Ammermüller, Friederich, Die Real- und Gewerbs-Schulen, oder über die zweckmäßigste Einrichtung der Lehranstalten fur die gewerbtreibenden Volksklassen, Stuttgart 1 8 3 7 . Archenholtz, J.W. von, England und Italien. 5 Theile in 3 Bänden, Leipzig 1 7 8 7 . Armengaud Paine, [Jacques], Publication industrielle des machines, outils et appareils les plus perfectionnes et les plus recents employes dans les differentes branches de l'industrie franfaise et etrangere. 5 Bde., Paris 1 8 4 1 - 1 8 4 7 . Armonville, J.-R., Le guide des artistes, ou repertoire des arts et manufactures, Paris 1 8 1 8 . Artaud de Montor, Alexis Fran£ois, Considerations sur l'etat de la peinture en Italie dans les quatre siecles qui ont precede celui de Raphael, Paris 1 8 1 1 . Audiganne, A.[rmand], Du mouvement intellectuel parmi les populations ouvrieres. I.: L'enseignement industriel en France, in: Revue des Deux Mondes, 2 1 , 1 8 5 1 , S. 8 6 0 893. - , Les populations ouvrieres et les industries de la France dans le mouvement social du XIXe siecle. 2 Bde., Paris 1 8 5 4 - 1 8 6 0 . Ausfuhrlicher Bericht über die von dem Gewerbeverein fur das Großherzogthum Hessen im Jahre 1 8 4 2 veranstaltete Allgemeine deutsche Industrie-Ausstellung zu Mainz. Im Auftrag des Großherzoglich Hessischen Gewerbevereins verfaßt von Hektor Rößler, ... Darmstadt 1843. B . C . , Das Schöne im Volksleben, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1 8 4 6 , 1. Heft, S. 1 5 4 - 1 7 0 . Bailey, Wilhelm, Theoretisch-praktisches Werk der Künste, Manufacturen und Handelschaft betreffend oder, Beschreibung der nützlichen Maschinen ... Aus dem Englischen, München 1 7 7 9 . Baines, Edward, Geschichte der brittischen Baumwollen-Manufaktur. Aus d. Engl. v. Chr. Bernoulli, Stuttgart 1 8 3 6 . Bartsch, Adam von, Anleitung zur Kupferstichkunde. 2 Bde., Wien 1 8 2 1 . Bauer, Hermann, Erinnerungen aus meinem Leben. Seinen Kindern gewidmet. Typoskript o . D . , Stadtmuseum Schwäbisch Gmünd. Beauregard, C . de, Nouveaux tableaux de Paris ou observations sur les moeurs et usages des Parisiens au commencement du XIXe siecle. 2 Bde., Paris 1 8 2 8 . Beckmann, Johann, Anleitung zur Technologie, oder zur Kenntniß der Handwerke, Fabriken u. Manufakturen vornähmlich derjenigen, welche mit d. Landwirtschaft, Polizei- und Cameralwissenschaft in nächster Verbindung stehen; nebst Beiträgen zur Kunstgeschichte, Leipzig 1808 6 . Bemerkungen über die Vervollkommnung und Erhebung der Kunstgewerbe in Deutschland nebst einem Plane zur Einrichtung einer Bildungsschule für Handwerker, Künstler und Fabrikanten, Nürnberg 1 8 0 3 . Bericht über die erste Gewerbeaussteilung zu Eßlingen im September 1 8 4 3 , nebst einer gewerblichen Statistik der Stadt und des Oberamtes, Eßlingen 1 8 4 4 . Bernoulli, Christoph, Anfangsgründe der Dampfmaschinenlehre, Basel 1 8 2 4 . - , Betrachtungen über den wunderbaren Aufschwung der gesammten mechanischen Baum-

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