Künstler als Agents of Change: Auswärtige Kulturpolitik und zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen [1. Aufl.] 9783658310813, 9783658310820

Künstler und Kulturaktivisten nehmen als Agents of Change eine zentrale Rolle in gesellschaftspolitischen Transformation

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German Pages XIX, 209 [223] Year 2020

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Künstler als Agents of Change: Auswärtige Kulturpolitik und zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen [1. Aufl.]
 9783658310813, 9783658310820

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Künstler in Transformationsprozessen (Meike Lettau)....Pages 1-12
Qualitative Feldforschung in der Kulturszene (Meike Lettau)....Pages 13-21
Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen (Meike Lettau)....Pages 23-42
Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018 (Meike Lettau)....Pages 43-71
Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus (Meike Lettau)....Pages 73-116
Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen (Meike Lettau)....Pages 117-159
Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik (Meike Lettau)....Pages 161-177
Kultur und Demokratie – Zur Rolle von Kulturaktivisten als Agents of Change (Meike Lettau)....Pages 179-188
Back Matter ....Pages 189-209

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Auswärtige Kulturpolitik

Meike Lettau

Künstler als Agents of Change Auswärtige Kulturpolitik und zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

Auswärtige Kulturpolitik Reihe herausgegeben von Wolfgang Schneider, Institut für Kulturpolitik, Stiftung Universität Hildesheim, Hildesheim, Deutschland

„Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes“, heißt es in Artikel 32 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Die „Pflege“ geschieht durch Diplomatie und wirtschaftliche „Beziehungen“. Dritte Säule der Außenpolitik ist die Auswärtige Kulturpolitik, die es zu untersuchen gilt. Dialog und Austausch mittels Kunst und Kultur sind Gegenstände von Politikwissenschaft und Kulturwissenschaften. Studien der Kulturpolitikforschung analysieren und reflektieren Anspruch und Wirklichkeit von Projekten und Programmen der so genannten Mittlerorganisationen. Die von Wolfgang Schneider herausgegebene Reihe bei Springer fundiert Theorie und Praxis Auswärtiger Kulturpolitik auf nationaler Ebene, im komparatistischen internationalen Diskurs und im Rahmen der europäischen Integration.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/11802

Meike Lettau

Künstler als Agents of Change Auswärtige Kulturpolitik und zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

Meike Lettau Institut für Kulturpolitik Stiftung Universität Hildesheim Hildesheim, Deutschland Dissertation, Universität Hildesheim, Disputation am 18.12.2019 Gutachter: Prof. Dr. Wolfgang Schneider Prof. Dr. Raimund Vogels

Auswärtige Kulturpolitik ISBN 978-3-658-31081-3 ISBN 978-3-658-31082-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung

Diese Dissertation ist mit der Unterstützung zahlreicher Personen entstanden, welchen ich an dieser Stelle herzlich danke. Insbesondere möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Schneider für seine langjährige fachliche Beratung und kritischen Anmerkungen sowie die Möglichkeit zur Mitwirkung in internationalen Forschungsnetzwerken bedanken. Allen Interviewpartnern gebührt mein besonderer Dank für die offenen und tiefgehenden Gespräche, denn ohne diese wäre die Arbeit nicht möglich gewesen. Ebenso möchte ich mich bei meinen Kommilitonen und Kollegen am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim für den Austausch und die permanente Unterstützung bedanken. Mein spezieller Dank gilt Theresa Bärwolf, Michèle Brand, Özlem Canyurek, Hagen Gersie, Kristin Grün, Iyadh El Kahla, Anna Kaitinnis, Vera Klocke, Caroline Knoblich, Dorothea Lübbe, Charlotte Rauth, Helena Sproll, Pia Wagner, Marc Wetzler und meiner Familie. Meike Lettau

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Welche Rolle spielen Künste und Künstler in der Gesellschaft, insbesondere in Prozessen der Transformation? Sind sie „Seismografen“ im politischen Raum, sind sie „Watch dogs“ für die Zivilgesellschaft oder gar „Change Agents“ für die Umbrüche des Zusammenlebens? Und was können diese dazu beitragen, um Frieden und Freiheit, Demokratie und Partizipation zu stärken, zu sichern, nachhaltig zu gestalten? Der Diskurs darüber ist geprägt von zwei Antworten: Ja, Künste und Künstler reflektieren in ihren Werken, was ist und was sein könnte und nehmen so durchaus auch Einfluss auf Entwicklung. Und nein, Künste und Künstler lassen sich ungern vereinnahmen und sollten vor einer Instrumentalisierung eher geschützt werden. In diesem Zusammenhang ist die Kulturpolitik gefragt, und wenn es um internationale Beziehungen geht, die Auswärtige Kulturpolitik. Die Forschungen hierzu sind rudimentär, entweder geprägt durch die Idee einer Cultural Diplomacy, bei der Künste und Künstler strategisch zum Einsatz kommen, oder durch die politikwissenschaftlichen Analysen von gesellschaftlicher Entwicklung, bei denen Künste und Künstler bisher kaum Berücksichtigung fanden. Dass Künstler sogar als Akteure in Transformationsprozessen agieren, ist bisher noch nicht untersucht worden; dass sie sich selbst als Kulturaktivisten bezeichnen und mit künstlerischem Aktivismus zur Veränderung beitragen, das war zu beforschen. Von Meike Lettau wurde es jetzt beforscht. In ihrem Promotionsprojekt beschäftigt sie sich mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Tunesien, im Kontext der arabischen Revolution und mit besonderem Augenmerk auf „Aufgaben, Herausforderungen und Chancen auf dem Gebiet deutscher auswärtiger Kulturpolitik und internationaler Zusammenarbeit“.

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Zum Geleit

Auswärtige Kulturpolitik ist reformbedürftig Ihre Ausgangsthese ist, „dass auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen reformbedürftig ist und neue Konzepte benötigt werden, um auf lokale Bedürfnisse adäquat zu reagieren“. Sie fragt nach dem notwendigen Paradigmenwechsel von der Vermittlung eines Deutschlandbildes zur Selbstdarstellung und Repräsentation hin zur Förderung von demokratischer Teilhabe, Community Building und Ownership. Am Beispiel der sogenannten Transformationspartnerschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Tunesien nach 2014 und dem Beitrag der deutschen Mittlerorganisation Goethe-Institut werden Fallbeispiele erörtert und Akteure befragt, kommen Künstler zu Wort und werden Agenden und Methoden analysiert, werden Korrelationen zwischen künstlerischem Handeln und gesellschaftlichen Transformationsprozessen reflektiert. Die Untersuchung widmet sich den Künstlern in Transformationsprozessen, beschreibt die Relevanz des Themas und den Forschungsstand, stellt die „Qualitative Feldforschung in der Kulturszene“ in den Mittelpunkt der Erörterungen und weist nach, welche Daten wie erhoben und ausgewertet wurden. Es geht um „Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen“ und um die Begrifflichkeiten Zivilgesellschaft und Transformation. Die „Transformationsprozesse in Tunesien von 2010–2018“ sind Gegenstand der Forschung, in der die arabischen Umbrüche und demokratischen Hoffnungen ebenso geschildert werden, wie die Phasen tunesischer Kulturpolitik. Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus Meike Lettau beschäftigt sich mit „Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus“, mit der Kontextualisierung durch die politische Entwicklung, mit den Methoden und Impulsen demokratischer Partizipation. „Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen“ lautet ein Kapitel, das sich mit der Rolle des Goethe-Instituts als Akteur der Auswärtigen Kulturpolitik auseinandersetzt. Sie äußert sich „Zum Paradigmenwechsel in der Auswärtigen Kulturpolitik“ und nimmt die strategische Ausrichtung, die Kriterien, aber auch Dekonstruktionsprozesse in den Blick. zuletzt werden die Erkenntnisse zusammengefasst und unter dem Titel „Kultur und Demokratie – Zur Rolle von Kulturaktivisten als Agents of Change“ diskutiert. „Zivilgesellschaftliche Akteure können aufgrund ihrer Demokratisierungspotentiale eine Schlüsselrolle in Transformationsprozessen einnehmen“, heißt es schon eingangs. Von Anfang an lässt Meike Lettau keinen Zweifel an ihrer positivistischen Haltung ihrem Forschungsgegenstand gegenüber. Sie ist davon überzeugt, dass Künste und Künstler eine wichtige Rolle bei gesellschaftlichen

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Entwicklungen einnehmen und sie will es nachweisen. Vorweg sei bereits gesagt: es gelingt ihr! Sie sucht sich selbstverständlich die Beispiele heran, die sich besonders eignen und im Sinne des Erkenntnisgewinns ergiebig erscheinen. Ihre Fokussierung auf drei Kunstfestivals ist nachvollziehbar, die Auswertungen ergeben ein differenziertes Bild von Kulturarbeit vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen. Kulturpolitik für die Freiheit der Kreativität Sehr überzeugend werden die theoretischen und praktischen Schritte der Demokratisierung Tunesiens offen gelegt: Von der Liberalisierung über die Transition hin zur Konsolidierung. Das komplexe Gebilde von Volkeswille, Regierungshandeln und Kunstaktionen wird klug auseinander genommen und zur Diskussion gestellt. Es beginnt mit der Opposition gegen die Diktatur und endet mit dem Aufbau demokratischer Strukturen. Gut, dass auch im globalen Kontext gedacht wird; denn Transformationsprozesse in Tunesien haben auch die Kolonialzeiten zu berücksichtigen, die vieles an Machtmissbrauch und Unfreiheiten zu verantworten haben. Zudem war Kulturpolitik bisher wesentlich geprägt von staatlicher Kulturpolitik für die Zielgruppe der Eliten. Die Parallelen von Kultur und Politik sind evident und werden von Meike Lettau sinnvoll herausgearbeitet: Kultur als Faktor der Nationenbildung, Kultur als Bestandteil wirtschaftlicher Entwicklung, seit 2011 Kultur für die Freiheit der Kreativität und zur Stärkung kultureller Rechte. Kunstfestivals seien die Blaupause für demokratische Entwicklungen im politischen System; sie haben sich nachweisbar Freiräume erobert, den öffentlichen Raum genutzt und Räume gestaltet, die bisher für die Bevölkerung verloren gegangen waren. Die Beispiele der Kunstaktion auf den Hügeln im ländlichen Raum und die Beispiele jener künstlerischer Aktionen in der Altstadt von Tunis zeugen davon, dass es mehr als um Ästhetik und Ereignis geht. „Mit der Entstehung von Kunstfestivals findet eine Politisierung der Akteure in Transformationsprozessen statt“. Sie nehmen eine aktive Rolle ein, gewähren Teilhabe und sind durchaus auch subversiv. Und sie können auch Plattformen der Begegnung von Künstlern aus aller Welt sein. „Internationaler Austausch ist als Katalysator und Vehikel für die Entstehung kultureller Formate in Transformationsprozessen sehr relevant“. Kunstfestivals würden sogar gesellschaftliche Aufgaben zum Aufbau einer demokratischen Kultur einnehmen und spielten dabei eine reflexive Rolle. Sie schaffen Zugänge zu den Künsten, Zugänge aus dem Alltag und Zugänge zu Räumen, die bisher tabu waren oder in der Diktatur von den Eliten besucht wurden. Es kam zu

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Interaktionen zwischen Künstlern und Bewohner der Festivalorte, zum Community Building durch den „Prozess des Zusammenarbeitens, das Involvieren der Bewohner in die künstlerischen und organisatorischen Prozesse sowie Vermittlungs- und Kommunikationsprozesse“. Professionalisierung des Kultursektors Meike Lettau berichtet dabei auch von einer Netzwerkgenerierung und der Stärkung der Kooperationsfähigkeit unterschiedlicher Aktionsgruppen. Kunstfestivals hätten zur Entwicklung der Professionalisierung des Kultursektors beigetragen, neue Anreize und Handlungsimpulse für Kulturaktivisten und Gesellschaft gegeben und auf Desiderate in der Kulturpolitik hingewiesen. Und was erfahren wir über die Auswärtige Kulturpolitik in dieser Untersuchung? Zunächst einmal, dass Künste und Künstler keine große Rolle bei den Transformationspartnerschaften gespielt haben. Aber auch, dass insbesondere das Goethe-Institut seine Chance mit zusätzlichen Mitteln genutzt hat, um sich mit Projekten und Programmen in die gesellschaftlichen Prozesse einzubringen, vom „Sponsor“ über den „Ermöglicher“ hin zum „Partner“. Die Kooperationen mit dem Goethe-Institut waren hilfreich, zunächst zur Stärkung lokaler Kulturakteure, dann als physischer Ort in der Hauptstadt, an dem Kultur frei zugänglich war, und schließlich als Impulsgeber, der auch schon einmal den Wandel des Projektcharakters, „vom ausstellungsdominierten zum bürgernahen interaktiven Projekt“ beeinflusste. Auch am Beispiel der „Kulturakademie“ exemplifiziert Meike Lettau die Rolle des Goethe-Instituts und fragt kritisch, wer wem welche Kompetenzen von Kulturmanagement beibringt, welches Mitbestimmungsrecht tunesische Partner hatten und dass das Goethe-Institut gelegentlich immer noch als instrumentalisierender Akteur wahrgenommen wird. Offensichtlich sei es dem Goethe-Institut aber gelungen, die internationale kulturelle Zusammenarbeit auf neue Füße zu stellen, auch wenn Fragen nach nachhaltiger Entwicklung und langfristiger Konzeption noch nicht geklärt sind. Dekonstruktionen der Dominanz europäischer Kulturmittler Es gelte, Zielgruppen strategisch zu definieren, eine Diversifizierung der Partnerlandschaft vorzunehmen und dezentrale Regionen als neue Orte von Kulturvermittlung zu kreieren. Außerdem formuliert Meike Lettau eine ganz grundsätzliche Überlegung: „Mehr Kooperationen zwischen den einzelnen ausländischen Kulturinstitutionen in multi- statt nationalen Ansätzen umzusetzen könnte zur schrittweisen Dekonstruktionen der Dominanz einzelner europäischer Kulturmittler und einer postnationalen auswärtigen Kulturpolitik beitragen.“

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Die Forschungsarbeit schließt mit einer unerwarteten Wendung was den Titel betrifft. „Agents of Change“ sei eine Fremdzuschreibung und sollte im Kontext von Transformationsprozessen eher kritisch Verwendung finden. Dafür habe aber die Untersuchung gezeigt, dass sich der klassische Künstlerbegriff erweitert und Kulturaktivisten als neue Selbstbezeichnung Anwendung finden kann. Denn es gehe nach wie vor um die Schaffung von Freiräumen, um die Aneignung der öffentlichen Räume, um Methoden der demokratischen Partizipation und deshalb brauche es Künste und Künstler als Akteure der Zivilgesellschaft. Dies bedürfe auch der außenkulturpolitischen Würdigung durch Qualifizierung und Vernetzung, durch Förderung von Capacity und Community Building: „Junge Kulturaktivisten und Akteure in dezentralen Regionen sind hierbei bedeutende Zielgruppe“. Und deshalb gelte es auch, die Reform der Auswärtigen Kulturpolitik in Struktur und Konzeption weiter zu entwickeln. Denn: „Der Zugang zu Kunst und Kultur bleibt trotz der Erschließung neuer Zielgruppen lediglich auf einen kleinen Teil der Bevölkerung beschränkt“. Meike Lettau hat ein großes Werk verfasst, sie hat eine Forschungslücke geschlossen und der Auswärtigen Kulturpolitik einen Dienst auf dem Weg zu einer neuen Konzeption erwiesen. Sie hat überzeugend politikwissenschaftliche Grundlagen genutzt und Transformationsprozesse als Phänomen für die Kulturpolitik erschlossen. Ihre Beispiele (Land, Programme, Projekte) sind von großer Relevanz, ihre Untersuchungen nachvollziehbar und erkenntnisreich. Teilnehmende Beobachtungen haben sie bereichert, mit zwanzig Experteninterviews bereichert sie mit Aussagen der Akteure die Authentizität ihrer Arbeit. Sie kennt sich bestens aus, war nah dran und mittendrin. Sie bringt die komplexe Gemengelage auf den Punkt und weiß vom Beispielhaften zu abstrahieren und die Kulturpolitikforschung zu fundieren. Professor Dr. Wolfgang Schneider

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1 Künstler in Transformationsprozessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Relevanz des Themas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.3 Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Qualitative Feldforschung in der Kulturszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Forschungsdesign und -methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2 Forschungsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.3 Datenerhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.4 Datenauswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3 Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen. . . . 23 3.1 Zum Transformationsbegriff im Kontext von Demokratisierungsprozessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.2 Zum Begriff von Zivilgesellschaft als Akteur im Transformationsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.3 Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.3.1 Liberalisierung: Strategische Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . 36 3.3.2 Transition: Konstruktive Zivilgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . 37 3.3.3 Konsolidierung: Reflexive Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 38 3.4 Demokratisierungspotenziale von Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 40 4 Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.1 Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . 43 4.1.1 Arabische Umbrüche und demokratische Hoffnungen . . . . . 43

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4.1.2 Vom politischen Übergang zur Konsolidierung der Demokratie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.1.3 Zur Komplexität des demokratischen Transformationsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.2 Kulturpolitische Transformationsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2.1 Kulturpolitisches Framework zwischen altem und neuem Regime. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.2.2 Staatliche Kulturpolitik: Elitenkontinuitäten und Öffnung gegenüber der Zivilgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2.3 Zivilgesellschaftliche Akteure: Von der Marginalisierung zu schwachem Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.2.4 Implementierung kulturpolitischer Reformen zur Stärkung des Kultursektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.2.5 Kunstfreiheit als kulturpolitischer Indikator . . . . . . . . . . . . . 67 4.2.6 Dilemmata von Kulturpolitik in Transformationsprozessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5 Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1 Kulturaktivisten als gesellschaftspolitische Akteure. . . . . . . . . . . . . 73 5.2 Kunstfestivals als Formate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 5.2.1 Dream City. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.2 De Colline En Colline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.2.3 Interference . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5.3 Entstehung des Formats Kunstfestival. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.3.1 Kunstfestivals im Kontext der Politisierung. . . . . . . . . . . . . 84 5.3.2 Internationaler Austausch als Impulsfaktor. . . . . . . . . . . . . . 85 5.4 Demokratisierung als gesellschaftspolitische Agenda. . . . . . . . . . . . 89 5.4.1 Liberalisierungsphase: Widerstand und Mobilisierung. . . . . 89 5.4.2 Transitionsphase: Demokratische Debatte und Austausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.4.3 Konsolidierungsphase: Aufbau demokratischer Kultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.5 Neue Methoden demokratischer Partizipation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.5.1 Aneignung des öffentlichen Raums und Ansätze von Dezentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.5.2 Prozessorientierte, kontextbasierte und interdisziplinäre Produktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.5.3 Community Building in Kunstproduktion und Kulturvermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

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5.5.4 Formatentwicklung und Strukturbildung von Kunstfestivals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.6 Defizite staatlicher Kulturpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.7 Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus und gesellschaftspolitischen Entwicklungen …. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6 Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen. . . . . . . . . . . . 117 6.1 Grundprinzipien deutscher auswärtiger Kulturpolitik. . . . . . . . . . . . 117 6.2 Bedarfe zur Neuausrichtung Auswärtiger Kulturpolitik . . . . . . . . . . 120 6.3 Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.4 Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.4.1 Liberalisierung: Konventioneller Kulturaustausch und Repräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.4.2 Transition: Erweiterte Herangehensweise und Capacity Building . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.4.3 Konsolidierung: Stärkung der Kulturakteure und Diversifizierung des Engagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.4.4 Rollen des Goethe-Instituts: Sponsor, Ermöglicher, Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.4.5 Undifferenzierter Kooperations- und Partnerschaftsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.5 Kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung des ­Goethe-Instituts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.6 Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7 Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik. . . . . . . . . 161 7.1 Reform und strategische Ausrichtung von Transformationspartnerschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.1.1 Strategische langfristige Ausrichtung nach Transformationsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.1.2 Konzeptionelle Stärkung des Kulturbereichs. . . . . . . . . . . . . 164 7.2 Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen. . . . . . . . . . 165 7.2.1 Strategische Programmentwicklung nach Transformationsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7.2.2 Genese von Kulturproduktion durch Kulturaustausch und Künstlermobilität. . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7.2.3 Capacity Building und Formatförderung. . . . . . . . . . . . . . . . 168

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7.2.4 Zielgruppenorientierung und Diversifizierung der Partnerlandschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 7.2.5 Dezentrale Regionen als neue Orte von Kulturvermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 7.3 Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik. . . . . . . . . . . . . 172 7.3.1 Abkehr von der Vermittlung des Deutschlandbilds und Entwicklung einer postnationalen Programmatik . . . . . . . . . 172 7.3.2 Stärkung der Autonomie lokaler Akteure. . . . . . . . . . . . . . . 174 7.4 Internationale kulturelle Zusammenarbeit: Von Kooperation zu Ownership. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 8 Kultur und Demokratie – Zur Rolle von Kulturaktivisten als Agents of Change . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Abkürzungsverzeichnis

48 HPAC 24 h pour l’Art Contemporain ACTIF Association Culturelle Tunisienne pour l’Insertion et la Formation ANC Assemblée Nationale Constituante AKP Auswärtige Kulturpolitik AKBP Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik BTI Bertelsmann Transformationsindex CIN Cultural Innovators Network CPR Congrès pour la République DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DiA Deutschlandbild im Ausland EIK Europäisch-Islamischer Kulturdialog EU Europäische Union EUNIC European Union National Institutes for Culture EUROMED Euro-Mediterrane Partnerschaft FACT Forum des Associations Culturelles Tunisiennes ifa Institut für Auslandsbeziehungen IFEDA Centre d’Information, de Formation, d’Études et de Documentation sur les Associations IP Interviewpartner ISMT Institut Supérieur de Musique de Tunis LTDH Ligue Tunisienne des Droits de l’Homme MENA Middle East and North Africa NCPG National Cultural Policy Group ONAT Ordre National des Avocats de Tunisie PACT Programme d’Appui à la Culture en Tunisie PASCH Partnerschulinitiative des Auswärtigen Amtes

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Abkürzungsverzeichnis

RCD Rassemblement Constitutionnel Démocratique (Einheitspartei Ben Ali’s) RTCI Radio Tunis Chaîne Internationale SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands TROIKA Regierung von Ennahda, Congrès pour la République, Ettakatol UGTT Union Générale Tunisienne du Travail UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UTICA Union Tunisienne de l’Industrie, du Commerce et de l’Artisanat

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1 Transformationsphasen und Durchführungsjahre der Festivals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Abbildung 2.2 Überblick der teilnehmenden Beobachtung der Festivals. . . 20 Abbildung 3.1 Freedom Rating für Tunesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abbildung 3.2 Bertelsmann Transformationsindex (BTI) für Tunesien . . . . 27 Abbildung 3.3 Typ und Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft in den Transformationsphasen in Tunesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abbildung 4.1 Tunesische Regierungen 2011–2018. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Abbildung 4.2 Phasen tunesischer Kulturpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abbildung 4.3 Kulturminister in Tunesien 2008–2018. . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Abbildung 5.1 Kulturaktivismus im Transformationsprozess. . . . . . . . . . . . 115

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Künstler in Transformationsprozessen

1.1 Relevanz des Themas „Dass sie die Welt zeigen, wie sie sein könnte oder wirklich ist, macht die ‚soft power‘ von Kunst und Kultur eigentlich aus. In der Zeit des ‚Übergangs‘ in eine ungewisse Zukunft ist diese ‚power‘ gefragter denn je.“ (Hasenkamp 2012: 111)

Eine Gesellschaft, die sich in einem komplexen politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess, im Übergang zur Demokratie, befindet, wird von verschiedenen Akteuren und Bewegungen geprägt. Eine hiervon ist künstlerischer Aktivismus als Strategie für Veränderung. In Tunesien begannen im Jahr 2010, ausgelöst durch die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers, politische Umbrüche, in denen die Bevölkerung Freiheit, Würde und Gerechtigkeit forderte (vgl. Perthes 2011: 161) und welche zum Sturz der Diktatur führten.1

1Der

Transformationsprozess in Tunesien vollzog sich relativ idealtypisch nach den Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung). Bereits im Jahr 2014 wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Tunesien ist momentan das einzige Land in der Region, welches sich progressiv zu einer Demokratie entwickelte. Die Konsensbildung und das zivilgesellschaftliche Engagement im Transformationsprozess wurden im Jahr 2015 international mit dem Friedensnobelpreis für das tunesische Nationale Dialog-Quartett anerkannt (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018a: 33; Ettijahat 2016: 23; Masri 2017: XXXII).

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_1

1

2

1  Künstler in Transformationsprozessen

Künstler2 waren gesellschaftspolitische Akteure der arabischen Umbrüche3 in Tunesien, haben durch künstlerisches Schaffen die politische und gesellschaftliche Situation kritisch reflektiert und bewertet, Grenzen ausgetestet und gesellschaftliche Missstände aufgezeigt. Die Kunstproduktion wurde in den öffentlichen Raum verlagert und neue Formensprachen in zahlreichen Aktionen erprobt. Hierzu zählen beispielsweise Street Art, Graffiti, Break Dance, Performances, Fotografie (insbesondere im öffentlichen Raum), Karikatur und Comic, „which brought with it both a new space of representation and a location of democratic expression“ (Mtimet 2014). Hiermit wurde ein Beitrag zur demokratischen Entwicklung Tunesiens geleistet (vgl. Ben Soltane 2012: 224 ff.; Bruckbauer, Triki 2016: 69; Dunoyer 2012: 11; Karoui 2012: 206; Machghoul 2012: 136; Mtimet 2014; Triki 2012b: 36): „Die tunesischen Künstler/innen handeln in der Überzeugung, dass Demokratisierung auch über Kunst erfolgt. Es entsteht eine zunehmend ‚politische‘ Kunst“ (Karoui 2012: 206). Indem sich Kunst für freie Meinungsäußerung einsetzt, ist sie Gestalter und Indikator von Demokratie (vgl. Dussollier 2012: 27; IP Bruckbauer 2013: 87–90; Machghoul 2012: 134).4 Ebenso wird eine Korrelation von politischem Kontext und künstlerischem Handeln beschrieben: „Ich denke, die arabische Welt hat infolge des Arabischen Frühlings einen großen Wandel erlebt; und es ist nicht der Arabische Frühling, der diese jungen Leute hervorgebracht hat, es ist umgekehrt. Diese explosive Kreativität war schon eine ganze Weile latent vorhanden.“ (Fahim 2013: 267)

Künstlern und Kulturakteuren wird im Transformationsprozess eine gesellschaftspolitische Rolle zugeschrieben, wie Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, beschreibt:5

2In

dieser Arbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Wenn die männliche Form verwendet wird, schließt dies immer die weibliche Form ein. 3In diesem Kontext verwendete Begrifflichkeiten werden oft nicht einheitlich und teilweise positiv oder negativ konnotiert. Beispiele sind Arab Spring, Tunisian Spring, Arab Awakening, Arab Winter, Arab Rebellion, Arab Uprisings, Unfinished Revolutions, Jasminrevolution (nach Tunesiens Nationalpflanze) (vgl. Masri 2017: 50). 4Die Abkürzung IP steht für Interviewpartner. 5Der auswärtigen Kulturpolitik liegt „ein erweiterter Kulturbegriff zugrunde, der neben den Künsten auch das Nachdenken über gesellschaftliche Entwicklungen und Phänomene im weiteren Sinne einschließt“ (Ebert 2012: 7).

1.1  Relevanz des Themas

3

„Die darstellenden und bildenden Künstler, Filmemacher und Schriftsteller haben dem Widerstand und der Aufklärung ein Gesicht und eine Stimme gegeben – als eine von vielen gesellschaftlichen Kräften –, und der Kunst kam eine neue gesellschaftspolitische Bedeutung zu.“ (Ebert u. a. 2013: 9)

Die Abteilung Kultur und Entwicklung des Goethe-Instituts behauptet darüber hinaus: „Kulturakteure sind nicht nur Seismographen, sondern eben auch Protagonisten der gesellschaftlichen Veränderung“ (Becker, Wetzel 2011: 2). Schneider schreibt Künstlern eine Begleitfunktion während der Arabischen Umbrüche zu (vgl. Schneider 2014: 26) und Anranter u. a. konstatieren: „[T]he arts have once more become a driver for revolutionary interventions in the Arab world and beyond, questioning ruling regimes and value settings“ (Anranter u. a. 2016: 116). Ebenso beschreibt Masri: „[A]rt forms were powerful tools that gave substantive, symbolic, and organizational force to the revolution“ (Masri 2017: 51). O’Donnell und Schmitter schreiben individuellem Handeln eine große Kapazität in Transformationsprozessen zu, um kollektive Prozesse zu initiieren und konstatieren Künstler als zentrale Akteure eines Transformationsprozesses (vgl. O’Donnell, Schmitter 1986: 49, 57): „Usually, artists and intellectuals are the first to manifest public opposition to authoritarian rule, often before the transition has been launched. Their capacity to express themselves by oblique metaphors no doubt protects them, as does their membership in a de facto world system of cultural exchange. The talent and courage of poets, musicians, playwrights, novelists, and satirists poke holes in the regime’s pretense of incarnating supreme ‚national values and virtues‘, often by subjecting this pretense to ridicule and humor. Certain artists – singers and actors especially – come to symbolize by their sheer presence resistance to the regime and the survival of alternative values.“ (O’Donnell, Schmitter 1986: 49)

Abseits des beschriebenen progressiven Beitrags von Künstlern im Transformationsprozess, existieren auch Positionen, die Künstlern zuschreiben, die Umbrüche zu instrumentalisieren und eine weniger proaktive Rolle einzunehmen, wie Jaibi konstatiert: „Aber weder die formelle noch die echte Opposition oder die Intellektuellen oder die Künstler haben die Revolution gemacht. Sie haben sie begleitet, aber sie waren weder die Auslöser noch die treibenden Kräfte. Deshalb sagt man ihnen heute auch: Versucht nicht, die Revolution nachträglich für euch zu reklamieren. Seid dieser Revolution würdig.“ (Jaibi nach Spiegel 2011: B3)

Demnach gilt es in dieser Forschungsarbeit die gesellschaftspolitische Rolle von Künstlern als Agents of Change (vgl. Martin 2015: 22) und Formen von künstlerischem Aktivismus im Transformationsprozess zu untersuchen.

4

1  Künstler in Transformationsprozessen

Im Kontext des Transformationsprozesses hat sich eine neue Kulturszene in Tunesien entwickelt, die nach jahrzehntelanger Marginalisierung begann sich gesellschaftlich zu verankern. Künstler entwickelten neue Vermittlungsstrategien von Kunst, um ihre Wahrnehmbarkeit zu verbessern, ihre Veränderungspotenziale zu nutzen und Zugänge für die Bevölkerung zu schaffen (vgl. IP Ben Soltane 2013: 72; IP Bruckbauer 2013: 219–221; IP Dunoyer 2013: 101–103; IP Karoui 2013: 30–38; IP Tamzini 2013: 55–58; Machghoul 2012: 140). Ein grundlegender Wandel in der Kulturszene vollzog sich, indem Kunst vermehrt in den öffentlichen Raum verlagert wurde; eine Strategie, die Kulturproduktion und Kulturvermittlung per se verbindet. Wie Anranter u. a. beschreiben, lag in der Aneignung des öffentlichen Raumes ein Hauptelement der Umbrüche: „After decades of rather hidden and scattered struggles, public space and its ­re-appropriation by artists and civil society have become key elements in current processes of protest, activism, and change“ (Anranter u. a. 2016: 116; vgl. IP Triki Bouazizi 2013: 79). Durch Kunst wurden freie Handlungs- und Denkräume ermöglicht, die anderweitig nicht existiert hätten: „In den letzten Jahren haben sich vielfältige unabhängige Strukturen für die Produktion zeitgenössischer Kunst in Tunesien formiert. Dort wo der Staat auslässt, ergreifen Künstler_innen die Initiative und schließen sich zu Kollektiven zusammen, gründen Kunstvereine, eröffnen neue Ausstellungs- bzw. Handlungsräume und organisieren engagierte Kunstprojekte, zu denen sie auch Künstler_innen aus dem Ausland einladen. Die Grenzen zwischen den Begriffen Künstler, Kurator, Projektmanager, Stadtteilarbeiter, Kunstkritiker, Kulturpolitiker, Rezipient etc. verfließen. Das macht die Realisierung vieler bemerkenswerter Interventionen im urbanen sowie ruralen Raum Tunesiens erst möglich. Hinter jedem Projekt stehen überzeugte Individualisten, die mit großem persönlichen Einsatz für die kreative Revolution der Gesellschaft kämpfen.“ (Bruckbauer, Triki 2016: 72 f.)6

Die Zivilgesellschaft gilt in der arabischen Region häufig als ein Hauptakteur, um Orte freier Meinungsäußerung und demokratische Räume – im Sinne von

6Die

Dynamik der Kulturszene im postrevolutionären Tunesien zeigt sich ebenso durch eine starke internationale Präsenz. Der Film Hedis Hochzeit gewann 2016 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin den Silbernen Bären für den besten Schauspieler Mastoura (vgl. Aboudi 2017: 3). Im gleichen Jahr wurde die tunesische Stadt Sfax zur Arabischen Kulturhauptstadt ernannt (vgl. Ettijahat: 2016: 24). Im Jahr 2017 eröffnete Tunesien den ersten Pavillon seit 1958 auf der Biennale di Venezia mit dem Beitrag The Absence of Path (vgl. Kamel Lazaar Foundation 2018). Die Hauptstadt Tunis war im Jahr 2019 Capital of Islamic Culture (vgl. Islamic Educational, Scientific and Cultural Organization 2019).

1.1  Relevanz des Themas

5

bottom up-Prozessen – zu gestalten und stellt nach dem Tocquevilleschen Konzept „Schulen der Demokratie“ (Keane, Merkel 2015: 447; vgl. ebd.) dar. In Tunesien hat sich bereits unter der Diktatur ein eigenständiges Handeln und Wirken der Zivilgesellschaft entwickelt, welche zwar teilweise für staatliche Zwecke instrumentalisiert wurde, aber keineswegs ausschließlich. Die Existenz und lange Historie zivilgesellschaftlichen Engagements in Tunesien unterstützten die Mobilisierungs- und Organisationsformen während der Umbrüche 2010/2011 (vgl. Deane 2013: 12; Diamond 1999: 252; Martin 2015: 22), in welchen die Zivilgesellschaft einen stark engagierten Akteur darstellte: „The mobilisation of people across MENA illustrated new areas where citizens act collectively in the public space between home and government. ‚New‘ civil society is characterized by the fast-moving, collaborative way Arab citizens influence institutional changes creating newly institutionalized frameworks for public participation.“ (Deane 2013: 8)

Die arabischen Umbrüche als historische Zäsur7 eröffneten auch neue Aufgaben, Herausforderungen und Chancen auf dem Gebiet deutscher auswärtiger Kulturpolitik8 und internationaler kultureller Zusammenarbeit. Die Umbrüche und der veränderte lokale Kontext erforderten eine Neuorientierung deutscher auswärtiger Kulturpolitik.9 Zahlreiche Projekte wurden seit dem Jahr 2011 initiiert

7Als

vorhergehende historische Zäsur werden oft die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York City am 11. September 2001 genannt. 8Der Begriff auswärtige Kulturpolitik wird in dieser Arbeit stellvertretend für auswärtige Kultur- und Bildungspolitik verwendet. Tunesien stellt in dieser Arbeit ein Beispielland zur Untersuchung deutscher auswärtiger Kulturpolitik in den arabischen Transformationsprozessen dar. 9Bisherige Ausgangslage des internationalen Engagements ist, „dass westliche Politik [bis Stand 2011] eine demokratische Entwicklung in der arabischen Welt nicht wirklich vorwärtsgebracht hat“ (Perthes 2011: 20), sondern eher auf Stabilität setzte und die diktatorischen Regime unterstützte. Demokratieförderung war jedoch ebenso Teil der Agenda. Die arabischen Umbrüche stellen eine Chance dar, Demokratieförderung neu und nachhaltiger auszurichten, denn wie Perthes darlegt wird „[d]er Erfolg des demokratischen Experiments in Tunesien […] stark von europäischer Unterstützung abhängen“ (ebd.: 170). Auch Perthes argumentiert aus politikwissenschaftlicher Perspektive für Reformbedarfe im internationalen Engagement mit Nordafrika: „Tatsächlich hat Europa sowohl eine Verantwortung als auch ein Interesse, die Zusammenarbeit mit der Region – und insbesondere mit den Umbruchstaaten – auszuweiten und zumindest partiell neu zu gestalten“ (ebd.: 202).

6

1  Künstler in Transformationsprozessen

und auf politischer Ebene Rahmenverträge entwickelt, um den gesellschaftspolitischen Transformationsprozess und die Demokratisierung in den arabischen Ländern aktiv zu begleiten. Das Goethe-Institut,10 als kulturpolitischer Akteur und größte deutsche Mittlerorganisation im Kulturbereich, definiert in seinem Rahmenkonzept zur Transformationspartnerschaft, dass es „kulturspezifische Wege zur Förderung von Demokratie identifizieren und begehen“ (Becker, Wetzel 2011: 2) möchte. Der Abbau von Strukturdefiziten und die schnelle Schaffung von Angeboten im Transformationsprozess sollen gefördert werden. Die Neuorientierung deutscher auswärtiger Kulturpolitik in der Region zeigt sich durch das neue Leitmotiv Transformation & Partnerschaft, unter welchem das ­Goethe-Institut in Tunesien und der Region agiert (vgl. Goethe-Institut 2012c): „Die Veränderungen in Nordafrika und dem Nahen Osten halten bis heute die ganze Welt in Atem und haben auch einen direkten Einfluss auf die Arbeit des Goethe-Instituts. Noch nie war eine Revolution so stark von Kulturschaffenden und Künstlern beeinflusst, noch nie war so deutlich, wie sehr dieser Sektor einer Gesellschaft Einfluss nehmen kann und – wie im Fall Tunesien und vor allem Ägypten – auch nehmen will.“ (Knopp, Gross 2011: 5)

Die Arbeit des Goethe-Instituts orientiert sich seit den Umbrüchen verstärkt an den Begebenheiten und dem Bedarf vor Ort (vgl. IP Bohrer 2013: 3–57).11 Durch einen entscheidenden Wandel in der Ausrichtung der kulturellen Programmarbeit des Goethe-Instituts ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit lokalen zivilgesellschaftlichen Akteuren und deren Stärkung zentrales Element im Transformationsprozess. Dieser Empowerment-Ansatz ist entscheidend zur Unterstützung eines langfristigen Wandels, da eine unabhängige starke Zivilgesellschaft als Kontinuum in einem Transformationsprozess fungiert.

10Das

Goethe-Institut steht in dieser Arbeit beispielhaft als ein Akteur der zahlreichen Mittlerorganisationen im Bereich auswärtiger Kulturpolitik. 11Das Goethe-Institut Ägypten eröffnete beispielsweise die Tahrir-Lounge, um Kulturaktivisten Raum für Austausch und Diskussion zu ermöglichen und richtete den „Artists Support Fund zur Unterstützung von Künstlern, die den revolutionären Prozess ästhetisch begleiten wollten“ (El Ahl 2018: 471) sowie das Webjournal Transit ein (vgl. ebd.). Ein regionsübergreifendes Projekt ist das Cultural Innovators Network, welches internationalen Austausch im Kulturbereich zwischen Europa und der MENA-Region unterstützt und im Kontext der Transformationspartnerschaft das finanziell gemessen größte Projekt des ­Goethe-Instituts darstellt (Goethe-Institut 2014b: 30). Auf die Projekte und Programme des Goethe-Instituts Tunesien wird detailliert in Abschnitt 6.4 Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation eingegangen.

1.2 Erkenntnisinteresse

7

Internationale Kooperationen sind hierbei zentral, um die Zivilgesellschaft zu unterstützen und zu befähigen, Wandel voranzutreiben. Gleichzeitig sind jedoch Abhängigkeitsverhältnisse sehr präsent und die Machtpositionen oft von europäischer Seite dominiert.

1.2 Erkenntnisinteresse Erkenntnisleitendes Interesse dieser Forschungsarbeit ist, die Rolle von Künstlern im tunesischen Transformationsprozess (Fragekomplex A) und den Beitrag der deutschen Mittlerorganisation Goethe-Institut im Transformationsprozess (Fragekomplex B) zu analysieren: In Fragekomplex (A) wird die Rolle von Künstlern als Agents of Change im Transformationsprozess im Kontext von Selbst- und Fremdzuschreibungen analysiert. Hierbei wird untersucht, inwiefern sich das Künstlerbild im Kontext gesellschaftspolitischer Umbrüche verändert. Anhand des konkreten Formats Kunstfestival werden gesellschaftspolitische Agenda und Methoden im Kontext des Transformationsprozesses analysiert, um die spezifischen Handlungsfähigkeiten und Einflussmöglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Akteuren am Beispiel künstlerischen Handelns zu untersuchen. Hieraus erfolgen ebenso Rückschlüsse auf die Korrelationen zwischen künstlerischem Handeln und gesellschaftspolitischem Transformationsprozess. • Inwiefern definieren sich Künstler als Agents of Change im Transformationsprozess? • Welche gesellschaftspolitische Agenda und Methoden verfolgen Kunstfestivals im Transformationsprozess? • Welche Korrelationen existieren zwischen künstlerischem Handeln und gesellschaftspolitischem Transformationsprozess? Im Fragekomplex (B) wird das Agieren deutscher auswärtiger Kulturpolitik im Kontext des Demokratisierungsprozesses und die Umsetzung partnerschaftlicher Zusammenarbeit untersucht. Ausgangsthese ist, dass auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen reformbedürftig ist und neue Konzepte benötigt werden, um auf lokale Bedürfnisse adäquat zu reagieren (vgl. Ernst 2011: 5). Hierfür werden die Agenda und kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation deutscher auswärtiger Kulturpolitik am Beispiel der Transformationspartnerschaft und der Unterstützung von Kunstfestivals kritisch hinterfragt. Hierbei wird der Ansatz verfolgt, aus der Perspektive der Akteure des

8

1  Künstler in Transformationsprozessen

Partnerlands die Rolle des Goethe-Instituts zu analysieren, da die Unterstützung dieser als zentrales Element im Kontext auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen angesehen wird. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird ein Paradigmenwechsel auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen entwickelt, um Demokratisierungsprozesse progressiv zu unterstützen. • Welchen Beitrag leistet deutsche auswärtige Kulturpolitik im Transformationsprozess im Kontext der Demokratisierung? • Mit welchen Strategien und Herangehensweisen unterstützt das ­Goethe-Institut im Kontext der Transformationspartnerschaft Künstler im Transformationsprozess? • Welchen Paradigmenwechsel benötigt auswärtige Kulturpolitik, um Demokratisierungsprozesse progressiv zu unterstützen?

1.3 Forschungsstand Politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse im Kontext der arabischen Umbrüche sind interdisziplinäre wissenschaftliche Forschungsgebiete. Der theoretische Hintergrund dieser Untersuchung basiert auf politikwissenschaftlichen Forschungen zur Zivilgesellschaft in Transformationsprozessen (Carothers 2002; Carothers, Ottaway 2000; Diamond 1997; Diamond 1999; Ekiert 2015; Ibrahim 1995a; Ibrahim 1995b; Jendoubi 2018; Keane 1988; Keane, Merkel 2015; Merkel 2010; Merkel, Heyne 2015; Merkel, Lauth 1997; Merkel, Lauth 1998; O’Donnell, Schmitter 1986; Schmitter 1997; Seligman 1992).12 Transformationsprozesse wurden weltweit politikwissenschaftlich umfassend analysiert, so auch in Tunesien (vgl. Abderrahim u. a. 2017; Asseburg 2011; Jünemann 2012; Masri 2017; Mattes 2013; Mersch 2017; Perthes 2011; Preysing 2012; Rang 2011; Schiller 2011). Die Betrachtung der Perspektive zivilgesellschaftlicher Akteure stellt jedoch eine Forschungslücke dar. Wie Ekiert beschreibt „ist bis heute überraschend wenig bekannt, wie Zivilgesellschaft Demokratie beeinflusst und genauer: welche spezifischen Merkmale oder Aktivitäten der Zivilgesellschaft welche konkreten Facetten und Funktionen von Demokratie affizieren“ (Ekiert 2015: 200; vgl. Merkel, Lauth 1997: 15 f.). Wie auf

12Es

ist darauf hinzuweisen, dass der theoretische Teil dieser Arbeit überwiegend auf westlichen Konzepten basiert, welche nicht in direkter Verbindung zur arabischen Region stehen.

1.3 Forschungsstand

9

dem Kairoer Forum Culture & Politics im Jahr 2011 konstatiert, wurden bislang Künstler als zivilgesellschaftliche Gruppe im Kontext der arabischen Umbrüche kaum wissenschaftlich untersucht: „The role of culture and cultural activists in ‚revolutions‘ and transitional processes needs still to be examined in more detail“ (Coalition pour la Diversité des Expressions Culturelles 2011). Auch Aboudi betont aus tunesischer Perspektive die Notwendigkeit von Forschungen in diesem Bereich mit einem spezifischen Fokus auf Kultur: „Future studies about civil society associations in the culture sector may be an opportunity to promote an important element of the cultural sphere“ (Aboudi 2013: 56). Zum Forschungsgebiet des tunesischen Kultursektors im Transformationsprozess existieren viele Beiträge und Berichte von Kulturakteuren aus der arabischen Region, die Einblicke und einzelne Perspektiven liefern. Diesbezüglich ist maßgeblich auf den Sammelband connect: Rosige Zukunft, Un avenir en rose. Aktuelle Kunst aus Tunesien (Ben Soltane 2012; Dunoyer 2012; Machghoul 2012; Ounaina 2012b) zu verweisen. Wissenschaftliche Fachpublikationen auf dem Gebiet sind jedoch bislang nur in sehr geringem Maße vorhanden. Des Weiteren dienen Publikationen der drei untersuchten Kunstfestivals (Dream City, De Colline en Colline, Interference) als Grundlage der Untersuchung. Bezüglich kulturpolitischer Entwicklungen in Transformationsprozessen ist der vor den Umbrüchen veröffentlichte Sammelband Cultural policies in Algeria, Egypt, Jordan, Lebanon, Morocco, Palestine, Syria and Tunisia (Van Hamersveld u. a. 2010) relevant. Hinzu kommen weitere Veröffentlichungen arabischer Experten (Aboudi 2013; Aboudi 2016; Aboudi 2017; El Husseiny 2016; El Husseiny 2018) und die Berichte der Organisation Ettijahat zu kulturpolitischen Entwicklungen in der arabischen Region (Ettijahat 2012, Ettijahat 2013a; Ettijahat 2013b; Ettijahat 2014a; Ettijahat 2014b; Ettijahat 2015; Ettijahat 2016; Ettijahat 2017; Ettijahat 2018) sowie Beiträge der Webseite Cultural Policy in the Arab Region (ARCP 2016a; ARCP 2016b; ARCP 2016c; ARCP 2017). Laut dem 8. Bericht zu Kulturpolitik in der arabischen Region aus dem Jahr 2016 existieren Forschungsdefizite bezüglich Gesetzgebungen im Kulturbereich, Strategien und Politiken sowie Programmen und dem Status von Kulturakteuren und Künstlern (Ettijahat 2017: 29). Die Forschungen zur auswärtigen Kulturpolitik basieren maßgeblich auf Sammelbänden und Forschungsarbeiten im Kontext auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen (Adam 2018; Ernst 2011; Ernst 2015; Hampel 2015; Maaß 2015a; Schneider 2008; Schneider 2010; Schneider 2014; Schneider

10

1  Künstler in Transformationsprozessen

2016; Schneider 2018a; Schneider 2018b; Weigel 2019).13 Ernst hat ebendiese im Maghreb von 2001 bis 2011 untersucht, die vorliegende Forschungsarbeit schließt an diesen Untersuchungszeitraum an. Der spezifische Fokus auf Kultur und Transformationsprozesse gilt in der Forschung zur auswärtigen Kulturpolitik als neuerer Ansatz, hierbei ist insbesondere auf folgende Artikel und Publikationen zu verweisen (Ernst 2011; Grimm, Stumptner 2015; Hasenkamp 2012; Kaitinnis 2014; Kaitinnis 2018; Schneider 2016; Schneider 2018a; Schneider, Kaitinnis 2016). Im Bereich auswärtiger Kulturpolitik und Demokratieförderung knüpft die Forschungsarbeit an die Untersuchungen von Kaitinnis und Kneuer an (Kaitinnis 2018; Kneuer 2016). Im Kontext der Transformationspartnerschaft wird auf einzelne Veröffentlichungen (Asseburg u. a. 2016; Becker, Wetzel 2011; Grimm, Stumptner 2015) sowie Publikationen und Dokumente des Auswärtigen Amts und des Goethe-Instiuts zurückgegriffen (Auswärtiges Amt 2011a; Auswärtiges Amt 2012a; Auswärtiges Amt 2013; Auswärtiges Amt 2014a; Auswärtiges Amt 2016; Auswärtiges Amt 2017; Auswärtiges Amt 2019a; Auswärtiges Amt 2019b; Goethe-Institut 2008; Goethe-Institut 2011a; Goethe-Institut 2011b; Goethe-Institut 2012a; Goethe-Institut 2012b; Goethe-Institut 2012c; Goethe-Institut 2013a; Goethe-Institut 2013c; Goethe-Institut 2014a; Goethe­ Institut 2014b; Goethe-Institut 2014c; Goethe-Institut 2015b; Goethe-Institut 2017; G ­ oethe-Institut 2018). Ebenso fließen Erkenntnisse zur externen Demokratieförderung ein (Kneuer 2009; Kneuer 2016; Leininger 2015; Sandschneider 2003). Das Feld der externen Demokratieförderung in Bezug auf zivilgesellschaftliche Akteure stellt eine Forschungslücke dar, zu der wenige Forschungsarbeiten existieren (Freise 2004). Ebenso zeigt eine Studie des Instituts für Auslandsbeziehungen die Relevanz von Untersuchungen zu zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Außenpolitik auf (Lohmann u. a. 2016). Schneider und Kaitinnis postulieren die Notwendigkeit weiterer Forschung zu auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen und benennen die arabische Region als ein Beispiel (vgl. Schneider, Kaitinnis 2016: 181): „Die auswärtige Kulturarbeit des Goethe-Instituts sollte im Rahmen von Demokratisierungsprozessen hinsichtlich des Aspekts der externen Demokratieförderung in anderen Regionen und Ländern analysiert werden, mit denen zum Beispiel eine Transformationspartnerschaft besteht.“ (Kaitinnis 2018: 345) 13In

Bezug auf Kulturpolitikforschung in Tunesien im Kontext der Transformationsprozesse ist auf drei Masterarbeiten am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim zu verweisen (vgl. Brand 2016; Knoblich 2015; Lettau 2013).

1.4  Aufbau der Arbeit

11

Ferner ist auf das allgemeine Theoriedefizit in der Forschung zur auswärtigen Kulturpolitik hinzuweisen (vgl. Bauer 2007: 645), welches in dieser Arbeit adressiert wird, indem ein politikwissenschaftliches theoretisches Konzept auf den Kulturbereich angewendet wird und somit eine Weiterentwicklung der Theorie erfolgt.

1.4 Aufbau der Arbeit Die Forschungsarbeit beginnt im ersten Kapitel mit einer Einleitung zu Künstlern in Transformationsprozessen, in welcher die Relevanz des Themas (1.1), Erkenntnisinteresse (1.2), Forschungsstand (1.3) sowie Aufbau der Arbeit (1.4) vorgestellt werden. In Kapitel 2 werden das Forschungsdesign und die qualitative Feldforschungsmethode (2.1) erläutert. Hierbei werden der Forschungsprozess (2.2), die Datenerhebung (2.3) und die Datenauswertung (2.4) vorgestellt. Aufbauend auf die definitorischen Begriffsbestimmungen von Transformation (3.1) und Zivilgesellschaft (3.2) wird in Kapitel 3 der theoretische Bezugsrahmen erläutert. Hierbei wird die Rolle zivilgesellschaftlichen Engagements in den Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) (3.3) dargestellt und der Einfluss auf Demokratisierungsprozesse (3.4) analysiert. Kapitel 4 untersucht die Transformationsprozesse in Tunesien in den Jahren von 2010 bis 2018 im gesellschaftspolitischen (4.1) und kulturpolitischen Kontext (4.2). Zuerst werden die politischen Geschehnisse vorgestellt und die Komplexität von Transformationsprozessen beschrieben. Die kulturpolitischen Entwicklungen werden anhand staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure untersucht. Eine Darstellung der Implementierung kulturpolitischer Reformen sowie der Kunstfreiheit als kulturpolitischem Indikator und Dilemmata von Kulturpolitik in Transformationsprozessen vervollständigen das Kapitel. In Kapitel 5 erfolgt die konkrete Analyse von Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus. Eingangs wird die Rolle von Kulturaktivisten als gesellschaftspolitischen Akteuren (5.1) eruiert. Danach folgt eine Vorstellung der drei untersuchten Kunstfestivals in Kurzprofilen. Die Entstehungsmechanismen (5.3), gesellschaftspolitische Agenda (5.4) und Methoden demokratischer Partizipation (5.5) der Festivals werden umfassend dargestellt. Eine Darstellung der Defizite der öffentlichen Kulturpolitik (5.6) sowie die zusammenfassende Analyse von Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus und gesellschaftlichen Entwicklungen (5.7) schließen das Kapitel ab.

12

1  Künstler in Transformationsprozessen

Auf einer weiteren Untersuchungsebene wird in Kapitel 6 deutsche auswärtige Kulturpolitik im Transformationsprozess untersucht. Eingangs werden die Grundprinzipien vorgestellt (6.1) und Bedarfe zur Neuausrichtung (6.2) abgeleitet. Danach werden das Rahmenkonzept der Transformationspartnerschaft (6.3) und die kulturelle Programmarbeit sowie die Rolle des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation (6.4) analysiert. Zusammenfassend werden die kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung (6.5) sowie die Transformationspartnerschaft (6.6) kritisch untersucht. Darauf aufbauend wird in Kapitel 7 ein Paradigmenwechsel auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen erläutert. Dieser beinhaltet die Reform und strategische Ausrichtung von Transformationspartnerschaften (7.1), Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen (7.2) und Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik (7.3) sowie ein Fazit zum Paradigmenwechsel (7.4). Abschließend wird in Kapitel 8 die Rolle von Kulturaktivisten als Agents of Change resümierend betrachtet und die Ergebnisse der Forschungsarbeit zusammenfassend dargestellt.

2

Qualitative Feldforschung in der Kulturszene

2.1 Forschungsdesign und -methode Das Forschungsdesign beruht auf einer qualitativen Feldforschungsmethode nach der Grounded Theory mit leitfragengestützten Experteninterviews und teilnehmender Beobachtung als Erhebungsinstrumenten. Die Grounded Theory ist eine Methode, die das Ziel verfolgt, eine auf qualitativen Feldforschungsdaten basierende Theorie zu generieren (vgl. Glaser, Strauss 2008: 39 f.). Mittels komparativer Analyse der einzelnen Fallbeispiele, d. h. dem Eruieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, werden übergeordnete Kategorien und Hypothesen entwickelt, um schrittweise eine Theorie zu erarbeiten (vgl. ebd.: 45 ff.). Die prozessuale Dimension der Forschung ist hierbei von besonderer Bedeutung. Datenerhebung, -analyse und Theoriegenerierung finden gleichzeitig statt und stehen in gegenseitigen Wechselbeziehungen (vgl. ebd.: 41, 49, 52). Dieser zirkuläre Forschungsprozess bietet sich für den Untersuchungsgegenstand besonders an, da während des gesamten Forschungsprozesses mit Zwischenreflexionen weitere Schwerpunktsetzungen erfolgen können. Das Forschungsdesign verfolgt zwei Ansätze, um die zwei Fragekomplexe mit ihren unterschiedlichen Erkenntnisinteressen adäquat zu analysieren. Für Fragekomplex (A) wurde ein gezieltes Sampling ausgewählt, um eine Vergleichsstudie durchzuführen (vgl. Flick 2010: 179 f.). Nach der Grounded Theory erfolgt die Auswahl der zu untersuchenden Fallbeispiele nach der „theoretische[n] Relevanz für die Ausarbeitung emergenter Kategorien“ (Glaser, Strauss 2008: 57; vgl. ebd.). Hierdurch können Unterschiede und Gemeinsamkeiten verglichen werden (vgl. ebd.: 62). Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden ausgehend von einem Mapping künstlerischer Projekte

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_2

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2  Qualitative Feldforschung in der Kulturszene

in Tunesien drei Fallbeispiele interdisziplinärer, unabhängiger Kunstfestivals im öffentlichen Raum in Tunesien ausgewählt: Dream City (2007–2017), De Colline en Colline (2013) und Interference (2016–2018).1 Die Auswahl basiert auf folgenden gemeinsamen Kriterien: Vermittlung und Präsentation von Kunst im öffentlichen Raum, gesellschaftspolitische Zielstellungen, Initiierung in einer der Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) sowie Kooperationserfahrungen mit dem G ­ oethe-Institut. Des Weiteren sind zu allen drei Festivals umfangreiche Informationen zur Analyse erhältlich (z. B. Kataloge, Webseiten, Pressemitteilungen, Projektbeschreibungen). Aufgrund ihres spezifischen Entstehungszeitpunktes repräsentieren sie unabhängige Kunstfestivals in den drei Phasen eines Transformationsprozesses und ermöglichen somit eine detaillierte, phasenspezifische Analyse. Dream City wurde erstmals 2007 vor den Umbrüchen während der Liberalisierungsphase realisiert und findet seitdem kontinuierlich statt. De Colline En Colline wurde einmalig im Jahr 2013 in der Transitionsphase implementiert und Interference ist ein Phänomen der postrevolutionären2 Konsolidierungsphase, das seit 2016 stattfindet (Abbildung 2.1).

Abbildung 2.1   Transformationsphasen und Durchführungsjahre der Festivals

1Interference

bezeichnet sich in der Selbstdarstellung als International Light Art Project. Da es als wiederkehrendes Format konzipiert ist und starken Festivalcharakter aufweist, wird Interference in dieser Arbeit unter der Kategorie Festival eingeordnet und analysiert. 2Die Begriffe vor- und postrevolutionär werden in dieser Arbeit als Kategorien zur Beschreibung der Umbrüche in den Jahren 2010/11 genutzt und orientieren sich zeitlich am Fall des Regimes und dem Sturz des Diktators. Zu beachten ist jedoch, dass Umbrüche in der Praxis prozessual erfolgen und kaum in trennende Kategorien eingeordnet werden können.

2.1  Forschungsdesign und -methode

15

Die ausgewählten Beispiele ergeben durch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede eine fundierte Basis für eine umfassende Untersuchung der Rolle von Kunstfestivals im tunesischen Transformationsprozess im Zeitraum von 2007 bis 2018.3 Der Vergleich von konkreten Fallbeispielen ermöglicht sowohl eine empirische Verallgemeinerung als auch Typenbildungen (vgl. Hering, Schmidt 2018: 526 f.). Um die Forschungsfragen aus Fragekomplex (B) zu beantworten wird eine Einzelfallanalyse als Forschungsdesign verwendet: „Bei der Einzelfallanalyse (Case Study) handelt es sich […] um eine umfassende Forschungsstrategie, bei der eine abgrenzbare Einheit – ein Fall – in ihren Binnenstrukturen und Umweltverhältnissen umfassend verstanden werden soll.“ (Hering, Schmidt 2018: 529)

Einzelfälle als „neue, [bislang] unbeschriebene Phänomen“ (Hering, Schmidt 2018: 530) werden in ihrer Komplexität tiefgreifend im interpretativen Verfahren analysiert (vgl. ebd.: 529 f.). Die Untersuchung konzentriert sich auf den Einzelfall des Goethe-Instituts als Hauptakteur4 deutscher auswärtiger Kulturpolitik, bezogen auf das Budget und die Anzahl der Institute weltweit.5 Als Mittlerorganisation ist das Goethe-Institut für kulturelle Programmarbeit und internationalen Kulturaustausch verantwortlich. In Tunesien ist es der Hauptakteur der deutschen auswärtigen Kulturpolitik (vgl. Auswärtiges Amt 2015b). Indem sich das Forschungsdesign auf einen Einzelfall beschränkt, können fokussierte Daten gesammelt werden und eine umfassende Analyse der Arbeit des Goethe-Instituts im Transformationsprozess durchgeführt werden. Tunesien wurde als regionaler Bezugspunkt ausgewählt, da es in der Region Nordafrika das einzige Land ist, welches sich im Kontext der arabischen Umbrüche zu einer Demokratie konsolidiert hat und die Demokratisierungsprozesse von der deutschen Regierung mit dem neuen politischen Rahmenkonzept der Transformationspartnerschaft unterstützt werden.

3Unabhängig

von der Feldforschung fließen auf der Basis von Dokumentenanalysen alle Festivaljahre in die Analyse mit ein. 4Ein weiterer deutscher Hauptakteur ist die Deutsche UNESCO Kommission, welche auch als Mittlerorganisation im Transformationsprozess aktiv ist, in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht untersucht wird. 5Es existieren 159 Goethe-Institute weltweit (vgl. Goethe-Institut 2015c).

16

2  Qualitative Feldforschung in der Kulturszene

2.2 Forschungsprozess Um Transformationsprozesse als komplexe Phänomene zu analysieren, empfiehlt sich eine langfristige Beobachtung. Aus diesem Grund umfasst der Forschungsprozess den Zeitraum von 2013 bis 2018, mit insgesamt fünf Feldforschungsphasen (2013, 2014, 2016, 2017, 2018): (I) Die Forschungen begannen in der ersten Phase mit der Masterarbeit der Autorin im Jahr 2013 zum Thema Kunst und Kulturvermittlung in Transformationsprozessen. Eine Untersuchung von Relevanz und Potenzialen am Beispiel eines Projektes der bildenden Kunst im postrevolutionären Tunesien (Lettau 2013). Die Arbeit basiert auf einer teilnehmenden Beobachtung des Kunstfestivals De Colline en Colline und acht Experteninterviews. Sie schildert die Entwicklungen in der Kunstszene Tunesiens mit den Umbrüchen 2010/11 und analysiert die Potenziale von Kunst im öffentlichen Raum am Beispiel des Festivals. Ebenso wird die kulturpolitische Situation Tunesiens am Beispiel von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren untersucht und die Arbeit des Goethe-Instituts im Kontext der Umbrüche analysiert (vgl. Lettau 2013). (II) Während der zweiten Feldforschungsphase wurden im Jahr 2014 sechs Experteninterviews durchgeführt. Die Autorin war von 2014 bis 2016 Research Fellow in der deutsch-tunesischen Forschungsgruppe Tunisia in Transition,6 einem akademischen Forschungs- und Austauschprojekt mit Universitäten aus Deutschland und Tunesien, welches mit einer Publikation abschloss (Abderrahim, Krüger, Besbes, McLarren 2017). Die Forschungsergebnisse der Autorin und ihrer Kollegin Knoblich sind im ENCATC Journal of Cultural Policy and Management veröffentlicht (Lettau, Knoblich 2017). (III) Den dritten Teil der Feldforschung stellt das von der Autorin und ihrer Kollegin Brand konzipierte und durchgeführte siebentägige trinationale Forschungsatelier The role of arts in transitional Tunisia. Rethinking Cultural Policy and international cultural relations7 im November 2016 in Tunis

6Siehe

Webseite www.tunisia-in-transition.org. waren die Universität Hildesheim (Institut für Kulturpolitik), die Universität Tunis (Institut Supérieur de Musique de Tunis (ISMT)) und die Universität Hassan II Casablanca (Faculté des Lettres et des Sciences Humaines). Weitere Kooperationspartner waren das Goethe-Institut Tunesien, L’Art rue, Al Mawred Al Thaqafy, Deutsche UNESCO-Kommission, Institut für Auslandsbeziehungen. Finanziert wurde das Projekt vom DAAD.

7Partneruniversitäten

2.3 Datenerhebung

17

dar, welches Kulturpolitik im tunesischen Transformationsprozess und die Zukunft von internationaler kultureller Zusammenarbeit zwischen Europa und Nordafrika erforschte. In Expertengesprächen, Round Tables und Field Visits diskutierten 26 teilnehmende Studierende aus Tunesien, Marokko und Deutschland gemeinsam mit lokalen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Vertretern der tunesischen Regierung und internationalen Organisationen und Stiftungen. (IV) In der vierten Phase der Feldforschung erfolgte im Jahr 2017 eine teilnehmende Beobachtung der sechsten Edition des Kunstfestivals Dream City in Tunis. (V) Abschließend wurde in der fünften Feldforschungsphase im Jahr 2018 das Kunstfestival Interference teilnehmend beobachtet und vier Experteninterviews geführt. In den letzten beiden Feldforschungsphasen wurden darüber hinaus mehrere Diskussionsrunden und eine Fachkonferenz besucht, welche weiteres Kontextwissen für die Forschungsarbeit liefern. Erste Ergebnisse der Forschungen sind bereits in verschiedenen wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht (Lettau 2016; Lettau 2018; Lettau 2019a; Lettau 2019b; Lettau, Knoblich 2017).

2.3 Datenerhebung Die Datenerhebung erfolgte durch Experteninterviews und teilnehmende Beobachtungen im Zeitraum von 2013 bis 2018. Im Folgenden werden Datenerhebung und -analyse der Einfachheit halber in zwei Abschnitten getrennt dargestellt, in der Praxis erfolgten beide Schritte jedoch parallel (vgl. Flick 2008: 78). In qualitativen, leitfadengestützten Experteninterviews wurden tunesische und deutsche Kulturakteure befragt und ihre jeweiligen Perspektiven untersucht, um Erkenntnisse für die Forschungsfragen zu generieren. Experten besitzen „spezifisches Rollenwissen“ (Przyborski, Wohlrab-Sahr 2014: 119), welches Zugang zu Betriebs-, Deutungs- und Kontextwissen für die Analyse ermöglicht (vgl. ebd.: 119 ff.). Die Experteninterviews fungieren dazu, durch „methodisch kontrolliertes Fremdverstehen“ (ebd.: 11) relevante Daten im natürlichen Umfeld

18

2  Qualitative Feldforschung in der Kulturszene

zu erheben (vgl. ebd.). Hierbei ist die Reflexionsfähigkeit der Rolle als Forscher, „zwischen forschender Distanz und empathischer Teilhabe“ (ebd.: 48) zum Forschungsobjekt, von besonderer Bedeutung (vgl. ebd.: 46 ff.). Für diese Forschungsarbeit wurden Künstler und Kulturakteure der drei ausgewählten Kunstfestivals sowie Künstler und Kulturakteure, die Kooperationserfahrungen mit dem G ­ oethe-Institut besitzen, und Mitarbeiter des Goethe-Instituts als Experten befragt. Die Interviewleitfäden wurden basierend auf der Methodik von Przyborski und Wohlrab-Sahr entwickelt und beinhalten verschiedene Themenkomplexe, welche aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklung während des Forschungsprozesses variieren. „Diese Vorgehensweise ermöglicht, dass Sachverhalte in ihrer situativen Einbettung und in ihrem sozialen, personalen und institutionellen Kontext“ (ebd.: 129) untersucht werden können. Durch die Offenheit des Leitfadens sind flexibles Nachfragen und individuelle Schwerpunktsetzungen in den Experteninterviews möglich (vgl. ebd.: 129 f.). Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte nach dem theoretischen Sampling, indem Interviewpartner zur Generierung der Erkenntnisse solange weiter ausgewählt werden, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist, bei welcher weitere Befragungen keine neuen Erkenntnisse für die Untersuchungskategorien hervorrufen würden (vgl. Flick 2010: 159; Glaser, Strauss 1998: 53 ff., 69). Insgesamt wurden 20 Experteninterviews mit 26 Personen durchgeführt. 16 Interviews erfolgten als Einzelinterviews, vier Interviews wurden mit jeweils zwei bzw. einmal mit vier Interviewpartnern geführt. Zwei Interviewpartner wurden per Telefon und ein Interviewpartner per Email befragt. Die Interviews erfolgten auf Englisch, Französisch und Deutsch und dauerten zwischen 22 und 86 Minuten. Zwei Interviews wurden von Knoblich im Kontext eines gemeinsamen Forschungsprojektes geführt, alle anderen von der Autorin selbst. Die Audioaufnahmen sind bei der Verfasserin gespeichert. Zur Untersuchung des Festivals De Colline en Colline wurden im Jahr 2013 und 2018 zwei Interviews mit der Künstlerin und Initiatorin Rouissi und mit der Kuratorin Bruckbauer geführt, sowie mit zwei teilnehmenden Künstlerinnen Tamzini und Amara. Vom Festival Dream City wurden in den Jahren 2013 und 2018 drei Akteure befragt: die Produktionsleitung Dunoyer, die Koordinatorin Ben Salah und der Produktionsassistent El Mekki. Für das Festival Interference

2.3 Datenerhebung

19

wurden im Jahr 2018 das tunesisch-deutsche Leitungs- und Kuratorenteam Gharbi und Pelz sowie der teilnehmende Künstler Aissaoui und die ­Studio-Kuratorin Kossemtini befragt. Alle Interviews wurden nach Abschluss der Kunstfestivals durchgeführt. Die Leitfäden der Interviews umfassten folgende drei Themenblöcke: (1) Intentionen/Motivation der Akteure, (2) Beitrag des Festivals zum gesellschaftlichen Wandel und (3) Kooperationserfahrungen mit dem Goethe-Institut. Um das Engagement des Goethe-Instituts im Transformationsprozess zu analysieren, wurden in den Jahren zwischen 2013 und 2018 die zwei Leiterinnen des Goethe-Instituts, Bohrer und Mirschberger,8 sowie Meissner, eine externe Mitarbeiterin und die Leiterin des Programms der Kulturakademie, interviewt, um Erkenntnisse zur Arbeit des Goethe-Instituts in Tunesien seit dem Jahr 2011 zu erhalten. Die Interviewleitfäden umfassten folgende Themenbereiche: (1) Zielsetzungen des deutschen Engagements im Kulturbereich seit 2011 und die Transformationspartnerschaft, (2) Programmarbeit und Projektimplementierung des Goethe-Instituts in den Bereichen Qualifizierung, Partizipation, Vernetzung im Kontext der Transformationspartnerschaft und (3) die Einschätzung des Engagements und der Rolle des Goethe-Instituts zur Unterstützung der Kulturszene im Transformationsprozess. Darüber hinaus wurden sechs Experteninterviews mit tunesischen Kulturakteuren geführt, um die Arbeit des Goethe-Instituts in der Praxis aus tunesischer Perspektive, auf der Basis konkreter Erfahrungen in der Zusammenarbeit, zu analysieren. Die Auswahl der tunesischen Interviewpartner basierte auf zwei Kriterien: auf der Grundlage von Kooperationserfahrungen mit dem ­Goethe-Institut und ihrem Engagement in Initiativen, Vereinen oder Institutionen, welche im Kontext des Transformationsprozesses in kulturellen Projekten oder Programmen tätig sind. Daher lagen verschiedene institutionelle Hintergründe der Interviewpartner vor (Cultural Innovators Network (CIN), FACT Forum des Associations Culturelles Tunisiennes, L’art vivant, Kulturministerium, Tun’Act, Tunisian National Cultural Policy Group). Der Fokus war hierbei auf zivilgesellschaftlichen Akteuren. Der Interviewleitfaden enthielt drei Fragekategorien: (1) Erfahrungen mit der Transformationspartnerschaft seit den tunesischen Umbrüchen, (2) Kooperationserfahrungen und Unterstützung der Kulturakteure

8Leitung

des Goethe-Instituts Tunesien während des Transformationsprozesses: Junghänel (bis 08/2011), Bohrer (09/2011–01/2016), Mirschberger (seit 02/2016) (vgl. GoetheInstitut 2015b: 133).

20

2  Qualitative Feldforschung in der Kulturszene

oder -initiativen durch das Goethe-Institut und (3) Bewertung des Engagements des Goethe-Instituts im tunesischen Transformationsprozess. Die tunesischen Interviewpartner, welche zur Arbeit des Goethe-Instituts befragt wurden, werden anonymisiert zitiert (IP 1–IP 6), um keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zuzulassen. Als weitere Datenerhebungsmethode wurde eine teilnehmende Beobachtung gewählt, bei welcher sich der Forscher aktiv ins Feld begibt und beobachtet, auch als „going native“ mit dem Ziel der „Gewinnung der Innenperspektive“ (Flick 2010: 291) bezeichnet (vgl. ebd.: 287). Durch die teilnehmende Beobachtung wird versucht „Prozesse, Organisationen, Beziehungen, Handlungsabläufe oder Interaktionsmuster zu verstehen“ (Thierbach, Petschick 2014: 855). Das Verhältnis aus Nähe und Distanz zum Forschungsgegenstand ist eine Herausforderung dieser Methode (vgl. ebd.: 856). Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden drei zeitgenössische Kunstfestivals in Tunesien ausgewählt, um durch die Beobachtung vor Ort Erkenntnisse über die Praxis von Kunstfestivals im tunesischen Transformationsprozess zu erlangen (Abbildung 2.2).

Abbildung 2.2   Überblick der teilnehmenden Beobachtung der Festivals

Hierbei wurde die Teilnahme als Festivalbesucherin gewählt. Die Ausstellungsorte und Veranstaltungen (z. B. Diskussionsrunden, Musikkonzerte) wurden den natürlichen Dynamiken nach besucht, jedoch wurde darauf geachtet, möglichst alle Kunstwerke und Veranstaltungen zu beobachten. Somit konnte eine nahezu vollständige Beobachtung der Festivals erfolgen. Der Fokus lag auf der Beobachtung von Kunstwerken, Künstlern, Festivalteam sowie Publikum und Passanten. Die teilnehmenden Beobachtungen erfolgten im Zeitraum zwischen zwei und fünf Tagen. Es wurde eine verdeckte Beobachtung durchgeführt, um möglichst natürlich am Festival zu partizipieren (vgl. Flick 2010: 289), in einzelnen Gesprächen und den nachfolgenden Experteninterviews wurden jedoch die Ziele der Forscherin offengelegt. Zur Dokumentation erfolgten analoge und

2.4 Datenauswertung

21

digitale Feldnotizen als unstrukturierte Protokolle, um möglichst ohne vorgefertigte Kategorien zu beobachten und offen für ablaufende Phänomene zu sein (vgl. ebd.; Thierbach, Petschick 2014: 863).

2.4 Datenauswertung Alle 20 Interviews wurden wörtlich transkribiert. Die Texte wurden nach der Grounded Theory mit der „Methode des ständigen Vergleichens“ (Glaser, Strauss 2008: 107) kodiert, kategorisiert und ausgewertet, um eine Theorie zu generieren und gleichzeitig eine Nachvollziehbarkeit der Analyse zu gewährleisten. Hierbei wurde das Verfahren des theoretischen Kodierens angewendet (vgl. Flick 2010: 387 ff.). Die Kodierung orientierte sich an den Themenbereichen der Interviewleitfäden, ergänzt durch weitere Kodes für neue, während des Forschungsprozess aufkommende Aspekte bezüglich der Forschungsfragen. Sie erfolgte demnach sowohl deduktiv als auch induktiv. Aus den Kodes wurden in einem zweiten Schritt übergeordnete Kategorien entwickelt. Für Themenkomplex (A) wurden folgende Kategorien definiert: (1) Entstehung der Festivals, (2) Ziele der Festivals, (3) Mission der Festivalmacher, (4) Methoden der Festivals, (5) Künstlerauswahl, (6) Beitrag zum gesellschaftspolitischen Wandel durch Festivals, (7) Probleme/Herausforderungen der Festivals, (8) externe Unterstützung/Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, (9) staatliche Unterstützung. Die Kategorien für Themenkomplex (B) sind: (1) Erfahrungen mit der Transformationspartnerschaft, (2) Unterstützung durch das Goethe-Institut sowie Kooperationserfahrungen und (3) Bewertung des Engagements des GoetheInstituts. Zusätzlich zu den Interviews wurden Dokumente, wie beispielsweise Publikationen, wissenschaftliche Artikel und Zeitschriftenartikel, politische Konzeptpapiere, Medien- und Konferenzberichte sowie themenrelevante Webseiten analysiert. Diese Dokumente beziehen sich explizit auf die Transformationspartnerschaft und das Engagement des Goethe-Instituts im Transformationsprozess und wurden auf einschlägigen Websites für deutsche auswärtige Kulturpolitik recherchiert, z. B. vom Goethe-Institut, dem Auswärtigen Amt, dem Institut für Auslandsbeziehungen. Darüber hinaus wurde die Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, eine wissenschaftliche Spezialbibliothek für auswärtige Kulturpolitik, für die Forschung genutzt.

3

Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

In diesem Kapitel werden die Begriffe Transformation (Abschnitt 3.1) und Zivilgesellschaft (Abschnitt 3.2) definiert und, darauf aufbauend, der theoretische Hintergrund der Forschungsarbeit unter dem Titel Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) (Abschnitt 3.3) dargelegt. Abschließend werden die Demokratisierungsprozesse von Zivilgesellschaft analysiert (Abschnitt 3.4).

3.1 Zum Transformationsbegriff im Kontext von Demokratisierungsprozessen Transformation ist ein in vielen wissenschaftlichen Disziplinen verwendeter Begriff, welcher unterschiedliche Definitionen aufweist und dessen Verwendung oft kritisch betrachtet wird. Der Begriff wurde hauptsächlich während der Erforschung der Transformationsprozesse in Osteuropa und Südamerika in den 1980er Jahren entwickelt und als Übergang zu demokratischen Systemen definiert (vgl. Merkel 2010: 66). Im politikwissenschaftlichen Sinne wird aktuell meist eine breite Definition verwendet; der Transformationsbegriff „besitzt keine spezifische Bedeutung, sondern wird […] als Oberbegriff für alle Formen, Zeitstrukturen und Aspekte des Systemwandels und Systemwechsels benutzt […]. Er schließt Regimewandel, Regimewechsel, Systemwandel, Systemwechsel oder Transition mit ein“. (Merkel 2010: 66)

Bei der Untersuchung eines Transformationsprozesses ist zu beachten, dass dieser häufig nicht linear abläuft, der Ausgang stets offen analysiert und demnach © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_3

23

24

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

nicht vorab ein Demokratisierungsprozess impliziert wird, wie Carothers konstatiert (vgl. Carothers 2002: 6, 14). Im erweiterten Ansatz erfolgen Transformationsprozesse auf drei Ebenen: Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Die politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse werden in dieser Arbeit als miteinander korrelierende Phänomene betrachtet und nicht differenziert untersucht, der wirtschaftliche ist nicht Teil der Analyse. Das Konzept von Transformation dient als analytischer Rahmen, da im Falle Tunesiens der Ablauf der Demokratisierung nah am idealtypischen Verlauf eines Transformationsprozesses verlief.1 Der Transformationsbegriff wird in diesem Kontext als Demokratisierungsprozess definiert. Im tunesischen Transformationsprozess2 im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2018 liegt ein Wechsel von einem autoritären System zum neuen System der Demokratie vor, welcher durch einen überwiegend gewaltfreien, „von unten erzwungene[n] Systemwechsel“ (Merkel 2010: 102) vom tunesischen Volk erfolgte. Der Übergang verlief relativ schnell; bereits im Jahr 2014 wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Somit erfolgte der wichtige Schritt zur Konsolidierung der Demokratie. Bezugnehmend auf einen Wechsel von einem diktatorischen zu einem demokratischen System werden nach Merkel und Heyne drei Phasen definiert: „Ein Systemwechsel lässt sich im Allgemeinen als Intervall zwischen einem alten und einem neuen politischen System definieren. Er beinhaltet also die Auflösung der alten Strukturen, Funktionen und Integrationsmechanismen (Entdifferenzierung), und den anschließenden Aufbau einer neuen politischen Herrschaftsstruktur (Redifferenzierung). Der Wechsel von der Autokratie zur Demokratie ist somit nach zwei Seiten hin abgegrenzt: auf der einen Seite durch den Beginn der Auflösung des alten, autoritären Regimes und auf der anderen Seite vom neu etablierten, demokratischen System. Zwischen dem autokratischen System und der konsolidierten Demokratie liegen die drei Phasen des eigentlichen Systemwechsels: (1) Ende des autokratischen Systems; (2) Institutionalisierung der Demokratie; (3) Konsolidierung der Demokratie.“ (Merkel, Heyne 2015: 733)3

1Eine

Differenzierung nach politischem System eines jeweiligen Landes stellt eine weitere Analysemöglichkeit dar. In dieser Forschungsarbeit wird beispielhaft die Transformation Tunesiens von einer Diktatur zu einer Demokratie betrachtet. Am Beispiel Ägyptens zeigt sich jedoch, dass dieser Wandel nicht immer eintritt und Verläufe von Transformationsprozessen sehr komplex sind. 2Zur detaillierten Beschreibung des tunesischen Transformationsprozesses siehe Abschnitt 4.1 Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse. 3Diese enge Definition des Systemwechsels ist ebenso Teil der in dieser Arbeit verwendeten übergeordneten Definition des Transformationsprozesses.

3.1  Zum Transformationsbegriff im Kontext von Demokratisierungsprozessen

25

Zur Analyse von Transformationsprozessen werden häufig quantitative Verfahren verwendet. Im Folgenden werden das Freedom Rating von Freedom House und der Bertelsmann Transformationsindex (BTI) beispielhaft vorgestellt. Das Freedom Rating der unabhängigen Organisation Freedom House legt einen Fokus auf Menschenrechte und Gesetze im demokratischen Transformationsprozess (Abbildung 3.1).4

Abbildung 3.1   Freedom Rating für Tunesien (vgl. Freedom House 2019)

4Für

Tunesien liegen Daten im Zeitraum von 1999 bis 2019 außer für das Jahr 2000 vor. Die Skala erfolgt von eins (am besten) bis sieben (am schlechtesten).

26

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

Der Transformationsprozess kann durch den Status der Freiheit eines Landes (not free, partly free, free) nachvollzogen werden. Im Zeitraum von 2011 bis 2012 erfolgt ein Wechsel von der Einstufung Tunesien von not free zu partly free und ab 2015 wird das Land, als einziges in der arabischen Region, als free eingestuft (vgl. Freedom House 2019). Die bürgerlichen Freiheiten (civil liberties) verbessern sich mit den Umbrüchen auf der Skala von fünf auf vier und weiter nach Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2014 auf drei. Die politischen Rechte (political rights) sind insbesondere von 2008 bis 2011 mit sieben Punkten am schlechtesten eingestuft, nach den Umbrüchen erfolgt eine Verbesserung auf drei, nach Verabschiedung der neuen Verfassung auf eins bzw. später auf zwei (vgl. ebd.). Das Freedom Rating zeigt anhand von drei relevanten Kategorien wichtige Tendenzen zum Status der Freiheit im Transformationsprozess auf und gibt hiermit Aufschlüsse im internationalen Vergleich zwischen einzelnen Ländern, bleibt jedoch limitiert auf quantitative Werte und erhält keine weiterführenden qualitativen länderbezogenen Analysen. Ein weiteres weltweit renommiertes Messinstrument ist der Bertelsmann Transformationsindex (BTI). Dieser erfasst systematisch Transformationsveränderungen in Ländern am Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft anhand der zwei Indexe politische Transformation und wirtschaftliche Transformation. Diese werden zum Statusindex zusammengefasst und durch einen Managementbzw. Governance-Index5 ergänzt, ebenso werden soziale Verhältnisse in die Analyse einbezogen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018d). Der BTI verknüpft die wirtschaftliche Entwicklung stark mit der demokratischen Entwicklung und stellt dabei Regierungshandeln in den Fokus (Abbildung 3.2).6

5Der

Management-Index wurde im Jahr 2018 in Governance-Index umbenannt (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018c). 6Für Tunesien liegen Daten im Zeitraum von 2003 bis 2018 vor. Die Skala erfolgt von eins (am schlechtesten) bis zehn (am besten).

3.1  Zum Transformationsbegriff im Kontext von Demokratisierungsprozessen

27

Abbildung 3.2   Bertelsmann Transformationsindex (BTI) für Tunesien (vgl. Bertelsmann Stiftung 2003; Bertelsmann Stiftung 2006; Bertelsmann Stiftung 2008; Bertelsmann Stiftung 2010; Bertelsmann Stiftung 2012; Bertelsmann Stiftung 2014; Bertelsmann Stiftung 2016; Bertelsmann Stiftung 2018a)

Beim Statusindex, dem Mittelwert aus politischer und wirtschaftlicher Transformation, liegt Tunesien im Jahr 2018 mit einem Wert von 6.27 auf Platz 44 von 129 untersuchten Ländern im Mittelfeld und wird in die Kategorie des Demokratiestatus als Land mit eingeschränktem Entwicklungsstand eingeordnet.7 Beim ersten Index der politischen Transformation wird anhand von fünf Untersuchungsindexen (Staatlichkeit, Politische Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität demokratischer Institutionen, Politische und gesellschaftliche Integration) der Demokratiestatus untersucht. Tunesien wird im Jahr 2018 in die Kategorie einer defekten Demokratie eingeordnet.8 Der zweite Index der wirtschaftlichen Transformation stuft Tunesien anhand der sieben Indexe (Sozialökonomische Entwicklung, Markt- und Wettbewerbsordnung, Währungs- und Preisstabilität, Privateigentum, Sozialordnung, Wirtschaftliche Leistungskraft, Nachhaltigkeit) als Marktwirtschaft mit Funktionsdefiziten ein (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018d).9

7Kategorien:

nicht vorhanden, gescheitert, stark eingeschränkt, eingeschränkt, fortgeschritten, weit fortgeschritten (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018d). 8Kategorien: harte Autokratie, gemäßigte Autokratie, stark defekte Demokratie, sich konsolidierende Demokratie (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018d). 9Kategorien: rudimentäre Marktwirtschaft, schlecht funktionierende Marktwirtschaft, Marktwirtschaft mit Funktionsdefiziten, funktionsfähige Marktwirtschaft, entwickelte Marktwirtschaft (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018d).

28

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

Zusätzlich zum Statusindex wird der Management- bzw. Governance-Index erhoben, um Regierungshandeln und effektive Steuerung zu untersuchen, welche vom BTI als zentraler Erfolgsfaktor im Transformationsprozess Richtung Demokratie angesehen wird. Die vier Indexe (Gestaltungsfähigkeit, Ressourceneffizienz, Konsensbildung, Internationale Zusammenarbeit) werden eruiert und ins Verhältnis zum Schwierigkeitsgrad gesetzt. Tunesien liegt im Jahr 2018 mit einem Wert von 5.33 in der Kategorie mäßig und im Ländervergleich auf Platz 51 von 129 (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018c).10 Den Gesamtzeitraum der vorliegenden Daten betrachtend, weist der politische Transformationsprozess in Tunesien, mit Ausnahme des Jahres 2010, eine kontinuierliche progressive Entwicklung von 1.60 (2003) auf 6.50 (2018) auf. Insbesondere im Jahr 2014 ist ein Zuwachs um 1.95 Punkte von 3.85 auf 5.80 im Vergleich zum Jahr 2012 zu verzeichnen. Dies kann dem in den Jahren 2010/11 beginnenden politischen Umbruch zugeschrieben werden. Da Transformationsprozesse immer auch gesellschaftliche Prozesse sind, stellen sich quantitativ fokussierte Studien als weniger zielführend für Analysen im Kulturbereich heraus. Hierfür werden qualitative Verfahren benötigt, für die keine standardisierten Instrumente und Methoden existieren, da länder- und kontextspezifisch gearbeitet wird.

3.2 Zum Begriff von Zivilgesellschaft als Akteur im Transformationsprozess Transformationsprozesse werden durch verschiedene Akteure und Gruppen gestaltet, welche jeweils Interessen verfolgen und unterschiedliche Einflusssphären aufweisen. Seit den 1980er Jahren sprechen Sozial- und Politikwissenschaftler der Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle in Transformationsprozessen zu (vgl. Diamond 1997: XXX; Diamond 1999: 218 f.; Ekiert 2015: 196; Keane, Merkel 2015: 443; Merkel, Lauth 1997: 15 ff.; Merkel, Lauth 1998: 3 ff.): „Die Idee der Zivilgesellschaft brach am Ende der 1970er Jahre in die intellektuelle und akademische Szene ein. Neue oppositionelle Bewegungen, die das kommunistische Herrschaftsregime herausforderten, lehnten den marxistischen

10Kategorien:

nicht vorhanden, (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018c).

gescheitert,

schwach,

mäßig,

gut,

sehr

gut

3.2  Zum Begriff von Zivilgesellschaft als Akteur im Transformationsprozess

29

Revisionismus ab. Sie entwickelten die Strategie einer wiederzubelebenden pluralistischen Zivilgesellschaft und sozialer Netzwerke im Sinne einer parallelen Polis, um den totalitären Staat zu überwinden.“ (Ekiert 2015: 195)

Der Begriff der Zivilgesellschaft11 besitzt unterschiedliche Auslegungen (vgl. Keane, Merkel 2015: 444). Merkel und Lauth definieren diesen aus politikwissenschaftlicher Sicht wie folgt: „Die Zivilgesellschaft befindet sich in einer vorstaatlichen oder nicht-staatlichen Handlungssphäre und besteht aus einer Vielzahl pluraler, auf freiwilliger Basis gegründeter Organisationen und Assoziationen, die ihre spezifischen materiellen und normativen Interessen artikulieren und autonom organisieren. Sie ist im Zwischenbereich von Privatsphäre und Staat angesiedelt. In ihr artikulierte Zielsetzungen betreffen auch immer die res publica. Akteure der Zivilgesellschaft sind damit in die Politik involviert, ohne jedoch nach staatlichen Ämtern zu streben.“ (Merkel, Lauth 1998: 7)

Die Zivilgesellschaft zeichnet sich durch gewaltfreies Handeln aus (vgl. ebd.). Die expliziten Eigenschaften der Zivilgesellschaft in Demokratisierungsprozessen formulieren Keane und Merkel wie folgt: „Ihre ausgeprägte Heterarchie und ihr lebendiger Pluralismus tragen zur Demokratisierung der Demokratie bei. […] Ohne eine starke pluralistische und tolerante Zivilgesellschaft kann es keine starke Demokratie geben“ (Keane, Merkel 2015: 452 f.). Durch den, im Habermasschen Sinne, „Aufbau einer vorinstitutionellen pluralistischen Interessens-

11Der

Begriff der Zivilgesellschaft findet seinen Ursprung in westlichen wissenschaftlichen Diskursen und Ansätzen. Bei der Anwendung auf außereuropäische Länder sollte dies stets kritisch betrachtet werden. Dennoch dient der Begriff in dieser Arbeit als theoretisches Konzept der Analyse von zivilgesellschaftlichen Akteuren, auch wenn das Konzept nicht in allen Ländern unter diesem Begriff etabliert ist (vgl. Ekiert 2015: 198; Keane Merkel 2015: 444). Weitere Intellektuelle, die den Begriff der Zivilgesellschaft geprägt haben, sind beispielsweise Dahrendorf, Gramsci, Habermas, Hegel, Kant, Locke, Marx, Montesquieu, Paine, Putnam, Tocqueville (vgl. Keane, Merkel 2015: 445 ff.; Merkel, Lauth 1998: 5; Smolar 1997: 263). Theoretisch ist der Begriff der Zivilgesellschaft aufgrund seiner inneren Beschaffenheit immer im Plural und nicht im Singular zu verwenden. In dieser Arbeit wird er jedoch der Einfachheit halber im Singular genutzt. Dies schließt selbstverständlich diverse Formen der Zivilgesellschaften ein. Bei der Definition von Zivilgesellschaft ist immer eine Kontextualisierung erforderlich, um einen jeweils spezifischen analytischen Rahmen zu definieren.

30

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

vermittlung“ (ebd.: 448) übernehmen zivilgesellschaftliche Akteure wichtige Aufgaben im Bereich der „Stimulierung politischer Partizipation, der Strukturierung der Kanäle der Interessenartikulation, Aggregation und Repräsentation sowie in der Produktion querliegender politischer Differenzierungslinien (cross-cutting cleavages) […]. Sie werden zudem als wichtiger Faktor in der Reduktion oder mindestens Mediation politischer Konflikte, in der Rekrutierung und Ausbildung politischer Führungskräfte, im Aufbau demokratischer Institutionen, der Verbreitung von Informationen, Bildung und der Ermächtigung der Bürger (empowerment) angesehen“. (Ekiert 2015: 199 f.)

Diese Bereiche sind insbesondere in Transformationsprozessen von hoher Relevanz, um Demokratisierung und Partizipation zu fördern sowie marginalisierten Interessen und Ansichten öffentliche Artikulationsforen zu ermöglichen. Durch die Schaffung unabhängiger, nichtstaatlicher Organisationsformen „und durch eigenbestimmte Partizipationsformen“ (Keane, Merkel 2015: 448) üben die Akteure politischen Einfluss aus (vgl. ebd.). Akteure im Konzept der Zivilgesellschaft sind divers und vielfältig organisiert. Zentral ist der Ansatz des einzelnen Bürgers, des Individuums als Hauptakteur (vgl. Seligman 1992: 5). Im Kulturbereich schreibt Norten u. a. Künstlern und Kulturvereinen eine Rolle als zivilgesellschaftliche Akteure zu (vgl. Norton 1995: 8); ebenso konstatiert Diamond die Relevanz von „publishing houses, theatres, filmmakers, and artistic performances and networks“ (Diamond 1999: 222). Beim Begriff der Zivilgesellschaft handelt es sich um ein überwiegend westliches politik- und sozialwissenschaftliches Konzept (vgl. Seligman 1992: 2), welches sich an ebendiesem Demokratiekonzept orientiert und meist positiv ausgelegt wird. Im Folgenden wird diskutiert, wie im Kontext dieser westlichen Konzepte ein spezifisch arabisches Konzept von Zivilgesellschaft definiert werden kann (vgl. Ibrahim 1995a: 23 ff.).12 Der liberal ausgelegte Begriff der Zivilgesellschaft (vgl. Diamond 1999: 219) wird im Arabischen als al-mujtama‘ al-madani bezeichnet (vgl. Bellin 1995: 121; Ibrahim 1995a: 33).13 In diesem Konzept versuchen „vor allem Intellektuelle, Alternativen zu den autoritären Systemen zu suchen“ (Ibrahim 1995a: 24). Ibrahim definiert Zivilgesellschaft als

12Zur

historischen Entwicklung der Zivilgesellschaft in Tunesien siehe Jendoubi 2018. Zum Status der Zivilgesellschaft in Tunesien siehe Europäische Union 2012.

13Zum

islamischen Konzept der Zivilgesellschaft basierend auf der Umma siehe Ibrahim 1995a: 27.

3.2  Zum Begriff von Zivilgesellschaft als Akteur im Transformationsprozess

31

agierende Kraft abseits des Staates, welche dessen Macht einschränken kann und ein Instrument darstellt, um Wandel voranzutreiben (vgl. ebd.: 29 f.): „Das Hauptziel liegt jedoch in der Ermöglichung demokratischer Transformation in den arabischen Gesellschaften. Die Zivilgesellschaft und ihre Institutionen haben die Funktion, demokratische Prinzipien zu verwurzeln und den demokratischen Wandel gegen die Gefahr des Scheiterns zu schützen.“ (ebd.: 31).

Jendoubi definiert Zivilgesellschaft ähnlich dem westlichen Konzept. Sie ermöglicht „Orte der Sozialisation und des Kontakts“ und „öffentlichen Raum der Diskussion in Abgrenzung zum politischen Raum der Entscheidungsfindung“ (Jendoubi 2018: 14). Partizipation von Bürgern ist entscheidend im Diskurs des arabischen Konzepts von Zivilgesellschaft, wie Bellin beschreibt: „[W]hat is important to recognize […] is that the current Arab debate over the nature of civil society represents an important departure for politics in the region – it marks the unprecedented engagement of ordinary citizens in political life“ (Bellin 1995: 123). Im arabischen Raum existiert eine lange Historie des zivilgesellschaftlichen Engagements, wenn auch nicht immer unter dem Begriff der Zivilgesellschaft definiert: „In a majority of the Arab countries ‚civil society‘ is a new and seldom used term in political debates. However, this does not imply that civil society does not exist. The way cultural life was traditionally organized in neighborhoods, associations, clubs and cafés as spaces for cultural circles and debates, and the way in which the young generation of artists is entering the international art market and cultural cooperation, both endorse independent, civil cultural production and dissemination.“ (Dragićević 2010: 243)

Darüber hinaus gilt es im Transformationsprozess begrifflich zwischen Zivilgesellschaft und demokratischer Zivilgesellschaft zu differenzieren. Diamond konstatiert letztere wie folgt: „[T]hey must function democratically in their internal processes of decision making and leadership selection. And they should encourage and institutionalize multiple avenues for active participation among the members. The more their own organizational practices are based on political equality, reciprocal communication, mutual respect, and the rule of law, the more civil society organizations will socialize members into these democratic norms and the more they will generate the social trust, tolerance, cooperativeness, and civic competence that undergird a vibrant and liberal democracy.“ (Diamond 1999: 228)

32

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

Zivilgesellschaftliche Akteure nehmen nach Diamond eine relevante Rolle im Transformationsprozess ein: „[C]ivic organizations do play the key role in shaping whether regime change will occur, and how it will occur – violently or peacefully, gradually or abrupt, to democracy or to some new authoritarian or hybrid regime. Beyond the transition, elites have profound – and I would even concede, preeminent – impact in determining whether new democracies become stable, effective, and consolidated“. (Diamond 1999: 218 f.)

In diesem Sinne ist im Kontext von Transformationsprozessen zu beachten, dass Demokratisierungsprozesse inhärent mit Zivilgesellschaft verknüpft sind, wie Norton beschreibt:14 „The symbol of democracy is the contested election and the secret ballot. This is altogether understandable, since the right to cast meaningful ballot free of coercion is a metaphor for a participant political system. But, democracy does not reside in elections. If democracy – as it is known in the West – has a home, it is in civil society, where a mélange of associations, clubs, guilds, syndicates, federations, unions, parties and groups come together to provide a buffer between state and citizen. Although the concept of civil society is resistant to analytical precision, the functioning of civil society is literally and plainly at the heart of participant political systems.“ (Norton 1995: 7)

Norton ergänzt: „[A] vital and autonomous civil society is a necessary condition of democracy (though not a sufficient one)“ (ebd.: 9) und Keane konstatiert, dass Zivilgesellschaft in Verbindung mit sozialen Bewegungen steht (vgl. Keane 1988: 12) und somit auch im Kontext von Transformationsprozessen.15 Ebenso argumentiert Diamond: „Although democratic transitions are typically inaugurated and negotiated by political elites in both the regime and the opposition, civil society has played a crucial role in building pressure for democratic transition and pushing it through to completion“ (Diamond 1997: XXX). Ibrahim ergänzt aus arabischer Perspektive: „Democracy after all is a

14Die

Korrelation von Demokratisierungsprozessen und der Entwicklung von Zivilgesellschaft ist ungeachtet der dargestellten Ansicht differenziert zu betrachten, da diese nicht ausschließlich korrelieren und sich stattdessen auch unabhängig voneinander entwickeln können (vgl. Ibrahim 1995a: 37). 15Zu konkreten Aufgaben von Zivilgesellschaft im demokratischen Transformationsprozess siehe Diamond 1999: 239 ff.

3.3  Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen

33

set of rules and institutions of governance through a peaceful management of competing groups and/or conflicting interests. Thus the normative component of ‚civil society‘ is essentially the same as that of ‚democracy‘“ (Ibrahim 1995b: 29). Nach Keane und Merkel liegen die Demokratisierungspotenziale der Zivilgesellschaft in der „Sicherung eines privaten wie gesellschaftlichen Raums“ (Keane, Merkel 2015: 449), der Beobachtungsfunktion gegenüber staatlicher Macht, „der demokratisch-partizipatorische[n] Sozialisierung der Bürger“ (ebd.), der Etablierung eines Austauschs- und Artikulationsforums von Interessen, der Förderung von Citizenship im lokalen Kontext, sozialer Kohäsion und Konfliktminderung (vgl. ebd.: 449 f.).16 Auch wenn in dieser Arbeit der progressive Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure in Transformationsprozessen untersucht wird, sei ebenso auf negative Aspekte verwiesen, welche beispielsweise durch divergierende Zielstellungen, starke Konkurrenz in Macht und Einfluss oder intoleranten Haltungen, gesellschaftlichen Segmentierungen und Polarisierungen entstehen. Ebenso ist eine Kollision des Einflusses mit dem politischer Parteien in der Konsolidierungsphase kritisch (vgl. Diamond 1999: 259; Merkel, Lauth 1998: 11 f.; Schmitter 1997: 248). Diese Faktoren können Demokratisierungsprozesse regressiv beeinträchtigen, nach Merkel und Lauth hat „die Existenz einer Zivilgesellschaft nicht immer per se positive Wirkungen auf jede Form und Phase der Demokratie […]. Auch wenn sich Demokratie und Zivilgesellschaft in vielen Aspekten ergänzen und wechselseitig verstärken, bleiben Spannungen bestehen.“ (Merkel, Lauth 1997: 30)

3.3 Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen Etablierte wissenschaftliche Theorien zur Analyse von Transformationsprozessen fokussieren meist Systeme, Strukturen, Akteure oder Kultur (vgl. Kaitinnis 2018: 89 ff.; Merkel 2010: 67).17 Wie Kollmorgen, Merkel und Wagener beschreiben liegt ein Fokus der kulturwissenschaftlichen Transformationsforschung auf der Untersuchung des „Kontext[es], [den] Begleiterscheinungen des Systemwandels

16Siehe

auch Abschnitt 3.4 Demokratisierungspotenziale von Zivilgesellschaft. Übersicht von Ansätzen verschiedener Theorien in der Transformationsforschung siehe Kollmorgen, Merkel 2015: 210 f.

17Zur

34

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

sowie [den] mannigfaltigen Alltagspraktiken“ (Kollmorgen, Merkel, Wagener 2015: 24).18 Zur Analyse der Transformationsprozesse in Tunesien wird in dieser Arbeit ein Fokus auf die Akteure der Zivilgesellschaft gelegt: „Der Ansatz der Zivilgesellschaft kann […] als eine analytische Anstrengung beschrieben werden, die Gesellschaft wieder in die Untersuchung politischer Transformationen einzubringen. Bis heute ist ein allgemeiner Bias hinsichtlich Eliten und institutionellen Ansätzen in den Studien zu Demokratisierung und politischen Transitionen unverkennbar. Demgegenüber besitzt der analytische Fokus auf zivilgesellschaftliche Akteure und Aktivistennetzwerke als wichtige Träger (agents) der Transformationen und deren Interaktion mit dem Staat und den Eliten das Potenzial, unser Verständnis der Mechanismen und Prozesse politischen Wandels zu verändern.“ (Ekiert 2015: 203)

Hierfür werden die Theorien von (A) Ekiert Zivilgesellschaft als politische Strategie und theoretischer Ansatz (vgl. Ekiert 2015: 195 ff.) und (B) Keane und Merkel Zivilgesellschaft in der Transformation politischer Regime19 genutzt (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.). (A) Ekiert definiert zivilgesellschaftlich geleitete Übergänge20 (civil societyled transition) als Strategie, welche sich durch Gewaltfreiheit auszeichnet „und

18Ebenso

bieten sich beispielsweise Institutionstheorien an. Diese untersuchen angelehnt an Konzepte von Lauth, wie „interne Institutionen (durchgesetzt durch die Gesellschaft, nicht durch den Staat wie externe Institutionen) den politischen Prozess beeinflussen und damit indirekt auf die Demokratie wirken. In Transformationsländern sind interne Institutionen von besonderer Bedeutung, weil in der Phase, in der die alten externen Institutionen keine Gültigkeit mehr besitzen und sich die neuen externen Institutionen noch nicht etabliert haben, nur auf interne Institutionen zur Verhaltenskoordination zurückgegriffen werden kann“ (Dauner, Voigt 2015: 58). Institutionstheorien werden in dieser Arbeit jedoch nicht genutzt, da die nachfolgend beschriebenen Theorien von Ekiert sowie Keane und Merkel zielführender für die Forschungsfragen sind.

19Das

Konzept entwickelten erstmals Merkel und Lauth im Jahr 1997 unter dem Titel Zivilgesellschaft im Transformationsprozess (vgl. Merkel, Lauth 1997: 31 ff.) und im Jahr 1998 unter dem Titel Idealtypen der Zivilgesellschaft im Systemwechsel (vgl. Merkel, Lauth 1998: 8 ff.). Da Keane und Merkel das Konzept weiterentwickelt haben, wird in dieser Arbeit auf die Fassung der beiden Autoren aus dem Jahr 2015 Bezug genommen (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.). 20Ein zivilgesellschaftlich geleiteter Übergang trägt keineswegs immer zu Demokratisierungsprozessen bei. Historische Beispiele zeigen ebenso gegenläufige Entwicklungen auf (vgl. Ekiert 2015: 200).

3.3  Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen

35

in der eine breite Oppositionsbewegung die herrschende Elite zu einer Öffnung und Reform des politischen Systems zwingt. […] Das explizite Ziel solcher Transitionen ist die Etablierung eines pluralen, offenen und demokratischen politischen Systems“ (Ekiert 2015: 202). Der Ansatz legt einen Fokus auf die Analyse gesellschaftlicher, „reale[r] soziale[r] Akteure, ihre[r] Präferenzen, Entscheidungen und Motivationen [so]wie ihre[r] Handlungskontexte“ (ebd.: 205) im Transformationsprozess. Darüber hinaus „hat sich die zivilgesellschaftliche […] Strategie […] als hegemoniales Ideal innerhalb der internationalen politischen Entscheidungszirkel, der Interessenvertretungsnetzwerke und auswärtiger Hilfsorganisationen durchgesetzt“ (ebd.: 204). Nach Ekiert werden in dieser Arbeit zur Untersuchung der Zivilgesellschaft „[d]as Verhalten von zivilgesellschaftlichen Akteuren (Organisationen wie Individuen) in ihrer Interaktion mit dem Staat und anderen öffentlichen Akteuren“ (ebd.: 199) sowie die Einstellungen und Präferenzen der Akteure analysiert (vgl. ebd.). Als Beispiel fungieren Künstler und Kulturakteure als zivilgesellschaftliche Gruppe. Im Falle Tunesiens konstatiert Ekiert den Einflussbereich der Zivilgesellschaft im Transformationsprozess (vgl. ebd.: 202 f.): „Wie die jüngsten Ereignisse im Mittleren Osten und Nordafrika zeigen, besitzt die zivilgesellschaftliche Strategie selbst unter Bedingungen von Repression, politischer Gewalt und Brutalität eine deutliche Attraktivität“ (ebd.: 204). Auch Martin benennt die tunesische Zivilgesellschaft als „effective agent of change“ (Martin 2015: 22) und konstatiert: Zivilgesellschaftliche Organisationen „play a role in making subtle and observable, rather than recordable, changes to a society. The numerous awareness-raising, ‚sensibilisation‘ groups have helped Tunisians make the transition from subjects to citizens and understand the meaning of citizenship“ (ebd.: 24). (B) Keane und Merkel definieren in ihrem Konzept von Zivilgesellschaft in der Transformation politischer Regime (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.) drei Formen zivilgesellschaftlichen Engagements innerhalb der drei Phasen des Transformationsprozesses: (1) die strategische Zivilgesellschaft während der Liberalisierung, (2) die konstruktive Zivilgesellschaft während der Transition und (3) die reflexive Zivilgesellschaft während der Konsolidierung (vgl. ebd.).21 Diese drei Phasen werden idealtypisch definiert. In der Praxis können die Phasen ineinander übergehen und sich teilweise überlagern. Einzeln fungieren sie jedoch als Modell zur Analyse und Strukturierung von Transformationsprozessen.

21Ebenso

ist jedoch darauf zu verweisen, dass zivilgesellschaftliche Akteure nicht unbedingt eine Rolle im Demokratisierungsprozess einnehmen müssen (vgl. Diamond 1999: 237).

36

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

3.3.1 Liberalisierung: Strategische Zivilgesellschaft Die Liberalisierungsphase zeichnet sich durch den Niedergang des diktatorischen Regimes aus, im Falle Tunesiens erfolgte dieser aufgrund systeminterner Ursachen und einer Legitimitätskrise des diktatorischen Regimes, welche in einer Mobilisierung der breiten Bevölkerung und Massenproteste mündete (vgl. Merkel, Heyne 2015: 733 f.):22 „Von unten erzwungene Systemwechsel werden von einer mobilisierten Öffentlichkeit ausgelöst, deren Protest zu massiv ist, um durch Repression unterdrückt zu werden. Sie sind fast immer durch eine rasche und vollständige Absetzung der alten politischen Herrschaftsträger gekennzeichnet.“ (ebd.: 734)

Innerhalb der Phase der Liberalisierung, während der Repression in der Diktatur, kommt der Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft aufgrund fehlender oder der mangelnden Existenz von Oppositionsparteien eine Rolle in der Opposition zu (vgl. Keane, Merkel 2015: 450). Brückner argumentiert, dass „[s]oziale Bewegungen und people power, wie sie etwa während des Arabischen Frühlings zu beobachten waren“ (Brückner 2015: 95) zwar temporäre Phänomene seien, jedoch „zu Beginn demokratischer Transitionen eine Rolle für das Handlungskalkül autoritärer Regimeeliten und demokratischer Gegeneliten spielen“ (ebd.). Bezugnehmend auf Przeworski „ist das Handeln der Zivilgesellschaft umso erfolgreicher, je mehr sie ihr regimekritisches Potenzial zunächst zurückhaltend einsetzt und nicht eine frühzeitige offene Konfrontation mit dem Herrschaftsapparat des autokratischen Regimes riskiert“ (Keane, Merkel 2015: 450). Ferner ist es erforderlich, dass sich die Gruppierungen erfolgreich organisieren, um Einfluss auszuüben. Dies kann durch wenige Key Player oder auch Einzelakteure erfolgen, welche idealerweise eine hierarchische Position einnehmen und eine effiziente und strategische Organisationsform zivilgesellschaftlichen Handelns in der Liberalisierungsphase darstellen (vgl. ebd.): „Will die Zivilgesellschaft eine wirkungsvolle Opposition formieren, muss sie in der Lage sein, ihre internen Differenzen soweit zu kontrollieren, dass sie wirkungsvoll den Herrschaftsanspruch des alten autoritären Regimes herausfordern kann.“ (ebd.)

22Siehe

auch Abschnitt 4.1 Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse.

3.3  Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen

37

Die Zivilgesellschaft kann strategisch Einfluss auf den Transformationsprozess ausüben, wenn sie Handlungs-, Reaktions- und Durchsetzungsfähigkeit erreicht. Der Einfluss ist stärker, je breiter die zivilgesellschaftlichen Akteure in der Gesamtgesellschaft aufgestellt sind. Keane und Merkel beschreiben die strategische Zivilgesellschaft während der Liberalisierungsphase „als für die Demokratisierung am förderlichsten“ (ebd.: 451; vgl. ebd.).

3.3.2 Transition: Konstruktive Zivilgesellschaft Die zweite Phase, die Transition, beginnt mit dem Fall des alten Regimes im Jahr 2011 und schließt in Tunesien im Jahr 2014 mit der Legitimierung einer neuen Verfassung ab (vgl. Merkel, Heyne 2015: 735). In dem neuen „machtpolitische[n] Vakuum […] öffnet sich ein weiter Handlungskorridor für die Akteure der Zivilgesellschaft“ (Keane, Merkel 2015: 451), da „alte Normen und Institutionen nicht mehr oder nur noch teilweise gelten, während neue Regeln erst noch etabliert werden müssen“ (Merkel, Heyne 2015: 735). Diese Phase wird von einer konstruktiven Zivilgesellschaft geprägt. Durch den Legitimitätsverlust der alten Institutionen und eine Neuverteilung der Macht wird der Zivilgesellschaft Handlungsfähigkeit im Bereich des Aufbaus von demokratischen Strukturen und Institutionen zugeschrieben. Ein Fokus liegt darauf, „Werte und Normen zu etablieren, die ein Gleichgewicht zwischen mächtigen Partikularinteressen und Allgemeinwohl herstellen – sonst droht das Abrutschen in eine defekte Demokratie, ein hybrides Regime oder eine Autokratie“ (ebd.). „Kommunikation, Kooperation und Kompromiss“ (Keane, Merkel 2015: 451) sind für dieses Gleichgewicht zentrale, in der Gesellschaft zu etablierende Elemente. „Das aus zweckrationalen Gründen immer noch notwendige Charisma erprobter Oppositionsführer muss nun innerhalb der Zivilgesellschaft zunehmend durch demokratische Kommunikations- und Entscheidungsprozesse ersetzt werden“ (ebd.). Auf das vormals überwiegend einheitliche Ziel, die Autokratie zu stürzen und eine Demokratie durchzusetzen, erfolgt nun eine Differenzierung der gesellschaftspolitischen Ziele und Interessen, die wichtiger Teil des pluralistischen Demokratisierungsprozesses sind (vgl. ebd.): „Die zuvor homogene Ausrichtung an gemeinsamen Zielen (Sturz des autokratischen Regimes) und Werten (Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat) wird sukzessiv durch Partikularinteressen überlagert, die das für jede Demokratie lebenswichtige Netz pluraler Interessensorganisationen entfalten. Die heroische

38

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen Phase der Zivilgesellschaft ist zu Ende und mündet in einen wirtschaftlichen und politischen Alltagspluralismus.“ (ebd.)

Der Zivilgesellschaft kommt „eine wichtige Rolle in der konstitutionellen Konstruktion der neuen Demokratie zu. Die Transition ist die Hochzeit der konstruktiven Zivilgesellschaft. In dieser Phase kann sie die staatliche Politik stärker als je zuvor und je danach beeinflussen“ (ebd.) und besitzt größere Einflussmöglichkeiten als in der Konsolidierungsphase (vgl. Merkel, Heyne 2015: 735). Förderlich ist in dieser Phase, wenn bereits zivilgesellschaftliche Vorerfahrungen oder eine generelle befürwortende Einstellung bezüglich demokratischer Handlungsweisen und Systeme existiert „und das transitorische Machtvakuum nicht sofort von traditionellen politischen und staatlichen Akteuren gefüllt wird bzw. in der Kontrolle der Eliten verbleibt“ (Merkel, Lauth 1997: 37 f.; vgl. ebd.: 36). Ebenso ist diese Phase von starker Unsicherheit geprägt, da sich entscheidet ob eine demokratische Konsolidierung erfolgt (vgl. Merkel, Heyne 2015: 735 f.).

3.3.3 Konsolidierung: Reflexive Zivilgesellschaft Die Konsolidierungsphase zeichnet sich durch einen abgeschlossenen Regimewechsel aus, im Falle Tunesiens durch die Etablierung einer Demokratie mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung.23 Die Beziehung von Staat und Zivilgesellschaft ist in dieser Phase durch ein neues demokratisches Staatsverständnis geprägt: „Das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft verändert sich. Der Staat wird nicht mehr als Verkörperung repressiver Herrschaft verstanden, sondern als Garant rechtsstaatlicher Prinzipien. Dieser Perspektivwechsel verlangt von den zivilgesellschaftlichen Akteuren nicht nur ein anderes Staatsverständnis, sondern auch ein tiefer gehendes Verstehen der Offenheit demokratischer Verfahren und seiner konstitutiven rechtsstaatlichen Garantien.“ (Keane, Merkel 2015: 452)

Jedoch versteht sich „eine reflexive Zivilgesellschaft […] nicht als Alternative zur, sondern als komplementäre Ergänzung des demokratischen Staates“ (ebd.).

23Zur

detaillierten Abfolge einer Konsolidierung siehe Merkel 2010: 110 ff.

3.3  Zivilgesellschaftliches Engagement in den Transformationsphasen

39

Sie übernimmt gesellschaftliche Aufgaben abseits des Zuständigkeitsbereiches des Staates und behauptet diesem gegenüber eine kritische Unabhängigkeit. In dieser Phase agiert die Zivilgesellschaft in der neuen, durch die Verfassung legitimierten Demokratie, in welcher „die wichtigsten politischen Spielregeln normiert und die zentralen politischen Institutionen etabliert sind“ (Merkel, Heyne 2015: 736). Nun erfolgt eine Reduktion des Handlungsspielraums zivilgesellschaftlicher Akteure, da dem Staat vermehrt Legitimität entgegengebracht wird (vgl. Keane, Merkel 2015: 452). Der Beitrag zivilgesellschaftlicher Akteure in dieser Phase ist divers, „by stabilizing expectations and social bargaining, generating a more civic normative environment, bringing actors closer to the political process, reducing the burdens of governance, and checking potential abuses of power“ (Diamond 1997: XXX). Zivilgesellschaftliche Akteure übernehmen eine Gestaltungsfunktion im neuen System indem sie beispielsweise unterschiedliche Interessen und Werte in der Gesellschaft etablieren und beim Aufbau und der Entwicklung einer politischen Kultur unterstützen (vgl. Keane, Merkel 2015: 452): „Die interne demokratische Verfasstheit der zivilgesellschaftlichen Organisationen gewinnt weiter an Bedeutung, da sie für die Herausbildung einer demokratieförderlichen politischen Kultur von erheblicher Relevanz ist. Der Bedeutungsgewinn ziviler Tugenden und binnendemokratischer Ausprägung der Zivilgesellschaft soll so dazu beitragen, die deutlich zutage tretenden Partikularinteressen und unterschiedlichen Wertevorstellungen zivil und demokratieverträglich auch jenseits der staatlichen Sphäre zu gestalten. Eine nur auf Konsens beruhende Gesellschaft ist schwerlich als Demokratie vorstellbar“. (ebd.)

Die Entstehung einer neuen politischen Kultur und die Involvierung sowohl von Eliten als auch Bürgern mit Rollen und Funktionen im neuen Staat sind hierfür zentral (vgl. Carothers 2002: 15; Diamond 1999: 20, 65). Abschließend ist zu erwähnen, dass die Zivilgesellschaft zwar bedeutenden Einfluss besitzt, jedoch nicht allein Träger der Konsolidierung ist (vgl. Schmitter 1997: 240), wie auch Diamond erwähnt: „A rich, dense, vibrant, institutionalized, and highly ‚civic‘ civil society is not strictly necessary for democratic consolidation, but democracy will be more likely to achieve consolidation, and will undoubtedly be of higher quality, to the extent that such a society emerges.“ (Diamond 1997: XXXII)

Politische Parteien und ihre Entwicklung sind in dieser Phase ebenfalls ausschlaggebend für den Konsolidierungsprozess (vgl. Diamond 1999: 259).

40

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen

3.4 Demokratisierungspotenziale von Zivilgesellschaft Zivilgesellschaftliche Akteure können aufgrund ihrer Demokratisierungspotenziale eine Schlüsselrolle in Transformationsprozessen einnehmen. Je nach Transformationsphase besitzen sie unterschiedliche Handlungsfähigkeiten und Einflussbereiche: die strategische Zivilgesellschaft während der Liberalisierung, die konstruktive Zivilgesellschaft während der Transition und die reflexive Zivilgesellschaft während der Konsolidierung (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.). In der ersten Phase nehmen zivilgesellschaftliche Akteure eine Rolle in der Opposition und als demokratische Gegeneliten ein, in der zweiten Phase tragen sie zum Aufbau demokratischer Strukturen und Institutionen sowie Werten und Normen bei, in der dritten Phase nimmt die Gestaltungsfunktion als Organisation abseits des Zuständigkeitsbereiches des Staates eine prioritäre Rolle ein. Die Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft ist während der Liberalisierungsphase sehr hoch, erhöht sich weiter in der Transitionsphase und reduziert sich wieder in der Konsolidierungsphase (Abbildung 3.3).

Transformationsphase Liberalisierung Transition Merkmale

Ende des autokratischen Regimes bis 2011

Konsolidierung

Institutionalisierung Konsolidierung der der Demokratie Demokratie 2011 – 2014 ab 2014

Zeitraum Tunesien Typ der Zivilgesellschaft

Strategische Konstruktive Zivilgesellschaft Zivilgesellschaft

Reflexive Zivilgesellschaft

Handlungsfähigkeit

Sehr hoch

Reduziert sich

Erhöht sich

Abbildung 3.3    Typ und Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft in den Transformationsphasen in Tunesien (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.)

Dieses Phasenmodell bleibt selbstverständlich nur eine Annäherung und dient als idealtypisches analytisches Modell, um zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen zu untersuchen. Mit diesem lässt sich generell der

3.4  Demokratisierungspotenziale von Zivilgesellschaft

41

progressive Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure im Transformationsprozess analysieren. Hemmende oder regressive Faktoren werden dabei kaum berücksichtigt. Außerdem orientiert sich das Modell an einer linearen Entwicklung des Transformationsprozesses hinsichtlich der Demokratisierung eines Landes, wie sie im Falle Tunesiens erfolgte. Der generelle Anwendungsbereich ist jedoch stark begrenzt. Die gesamte arabische Region betrachtend, konsolidierten sich die meisten Länder im Transformationsprozess nicht demokratisch. Durch die Anwendung des theoretischen Ansatzes von Zivilgesellschaft wird ein neuer Forschungsansatz zur Untersuchung gesellschaftspolitischer Transformationsprozesse im Kultursektor etabliert, welcher gesellschaftliche Phänomene relevanter Akteursgruppen – statt reiner politischer oder wirtschaftlicher Aspekte – analysiert.24 Demnach wird ein Fokus auf die Erforschung der Prozesse und Verfahrensweisen von Transformationsprozessen gelegt, denn freie Wahlen oder die Verabschiedung einer neuen Verfassung definieren eine konsolidierte Demokratie überwiegend in der Theorie. Merkel und Heyne definieren hierzu vier Ebenen, um Konsolidierungschancen im Transformationsprozess zu analysieren:25 „(a) die konstitutionelle Konsolidierung, (b) die repräsentative Konsolidierung, (c) die Verhaltenskonsolidierung und (d) die Konsolidierung der Bürgergesellschaft“ (Merkel, Heyne 2015: 736). Ebene (a) umfasst die Verabschiedung der neuen Verfassung und Etablierung der staatlichen/politischen Institutionen, Ebene (b) beinhaltet „die Form der intermediären Interessenvermittlung zwischen der Gesellschaft und den staatlichen Entscheidungsinstanzen“ (ebd.: 737), wie Parteien und Verbände. „[A]us demokratietheoretischer Sicht ist eine verbandliche und zivilgesellschaftliche Selbstorganisation der Gesellschaft wichtig, um der Gesellschaft mehr Autonomie zu verleihen und eine Steuerentlastung des Staates zu erreichen“ (ebd.). Ebene (c) bezieht sich darauf, dass informelle politische Akteure zu unterstützenden Befürwortern und nicht zu Gegnern des Demokratisierungsprozesses werden. Abschließend umfasst Ebene (d) den relevantesten Aspekt der Konsolidierung (vgl. ebd.: 736 ff.): „Sind die drei ersten Ebenen konsolidiert, ist eine Demokratie überlebensfähig. Dennoch kann ohne die Zustimmung großer Teile der Bevölkerung eine Demokratie

24Siehe

Kapitel 5 Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus. erstmalige Nennung der Konsolidierungschancen erfolgte durch Lauth und Merkel (vgl. Lauth, Merkel 1997: 19).

25Die

42

3  Zivilgesellschaftliches Engagement in Transformationsprozessen nicht als konsolidiert gelten. Eine stabile Unterstützung kann nur entstehen, wenn es auch eine solide Staatsbürgerkultur gibt. Eine solche Staatsbürgerkultur lässt sich in zwei miteinander verflochtene Dimensionen unterteilen, die civic culture [politische Kultur] und die civil society. […] Insbesondere wenn politische und zivilgesellschaftliche Akteure sich in wechselseitiger Selbstbeschränkung immer wieder zur Kooperation bereitfinden, kann eine demokratisierte Zivilgesellschaft zur Legitimität und Effizienz der politischen Steuerung beitragen. Hat sich eine solche Kooperation etabliert, ist davon auszugehen, dass sich die vierte Ebene der Demokratie konsolidiert hat – und erst dann kann man von einer weitgehend krisenresistenten Demokratie sprechen, deren Existenz nicht von kurzfristigen ökonomischen, sozialen oder politischen Krisen gefährdet ist.“ (ebd.: 738)

Dieser Ansatz zeigt, dass erst die Konsolidierung der Bürgergesellschaft eine tiefgreifende Konsolidierung der Demokratie bedingt. Aus dem Grund ist eine stärkere Einbeziehung und Analyse zivilgesellschaftlicher Akteure, welche diese Bürgergesellschaft mitgestalten, in Forschungskontexten zu Transformationsprozessen geeignet.

4

Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

4.1 Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse Zum Kontextverständnis der Forschungsarbeit werden in diesem Kapitel beispielhaft der gesellschaftspolitische (Abschnitt  4.1) und kulturpolitische Transformationsprozess (Abschnitt 4.2) Tunesiens im Kontext der Umbrüche 2010/11 erläutert. Bei dieser Darstellung werden ausgewählte Aspekte analysiert und keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.1 Die Entwicklungen im Zuge der gesellschaftspolitischen Transformationsprozesse werden chronologisch beschrieben, im Kapitel des kulturpolitischen Transformationsprozesses erfolgt stattdessen eine inhaltlich ausgerichtete Untergliederung.

4.1.1 Arabische Umbrüche und demokratische Hoffnungen Tunesien, ein flächen- und bevölkerungsmäßig kleines Land in Nordafrika, stellt eine Sonderrolle im Kontext der Transformationsprozesse in der arabischen Region seit 2010/11 dar. Es ist das einzige Land in Nordafrika, welches sich nach

1Zur

detaillierten Darstellung der Transformation in Tunesien in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Governance siehe Bertelsmann Stiftung 2018a. Zum Überblick des Transformationsprozesses in Tunesien siehe Masri 2017.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_4

43

44

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

den Umbrüchen progressiv demokratisch entwickelt und stabilisiert hat (vgl. Anderson 2017: XIV; Preysing 2012: 43).2 Historisch betrachtet erreichte das Land im Jahr 1956 die Unabhängigkeit, nachdem es seit 1881 französisches Protektorat gewesen war. Die folgenden Jahrzehnte waren politisch von zwei diktatorischen Herrschaften geprägt: Bourguiba (1956–1987) und Ben Ali (1987–2011). Sie etablierten ein repressives System, welches durch schlechte Regierungsführung, mangelnde Reformbereitschaft, Willkür und Menschenrechtsverletzungen geprägt war (vgl. Mersch 2017). Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, vor allem unter Hochschulabsolventen, welche nach verschiedenen Angaben zum Zeitpunkt der Umbrüche 2010/11 bei über 30 Prozent (vgl. Masri 2017: 34) bis zu 40 Prozent (vgl. Perthes 2011: 31, 43) lag, stellte eines der Hauptprobleme Tunesiens dar. In den Jahren 2010/11 wurde die Diktatur in einem überwiegend friedlichen Prozess durch das Volk gestürzt. Als Auslöser der arabischen Umbrüche wird die Selbstverbrennung des Obst- und Gemüsehändlers Bouazizi in Sidi Bouzid am 17. Dezember 2010 beschrieben, welcher keine Lizenz zum Verkauf seiner Produkte besaß und von der Polizei aufgefordert wurde seine Verkaufstätigkeiten einzustellen.3 Ausgehend von diesem Ereignis entstand eine Welle von Massenprotesten in Tunesien, die sich auch auf weitere arabische Länder ausbreitete (vgl. Masri 2017: 29; Schiller 2011: 14). Bereits wenige Wochen nach Beginn der Proteste, am 14. Januar 2011, verließ der bis dahin amtierende Diktator Ben Ali das Land (vgl. Mattes 2013: 3; Preysing 2012: 45). „Würde, Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und ein Ende der Korruption“ (Perthes 2011: 161) stellten die wichtigsten Forderungen dar. Aus diesem Grund werden die Umbrüche auch „‚Revolution für die Würde‘ (thaurat al-karāma)“ (Preysing 2012: 44) bezeichnet: „Dabei ging es zunächst keineswegs um die Machtfrage, sondern um eine allgemeine Forderung nach Würde, nach einer anständigen Behandlung der Menschen durch ihren Staat, an der es im Fall Bu Azizis [Bouazizis] so deutlich gefehlt hatte. Das Regime setzte auf Repression.“ (Perthes 2011: 44)

2Tunesien

ist als Einzelfall zu betrachten und kann nicht als Modell für andere Länder der Region angesehen werden. 3Bereits im Jahr 2008 fanden Aufstände in einem Phosphatabbaugebiet in Gafsa im Süden Tunesiens statt, die oft als erste Vorläufer und Beginn der Umbrüche beschrieben werden (vgl. Kübler, Saliba 2014: 18; Masri 2017: 37).

4.1  Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse

45

Die Akteure setzten sich primär für die Würde des Menschen und soziale Gerechtigkeit ein und verfolgten kaum islamistische und nationalistische Ideologien (vgl. Perthes 2011: 34, 161). Die Aufstände zeichneten sich durch Massenproteste und eine breite Verankerung in allen Gesellschaftsschichten aus. Perthes beschreibt, „dass […] [die] Protestbewegungen einen vorwiegend jugendlichen, unideologischen und im traditionellen Sinne führerlosen Charakter hatten. Es gab weder den einen charismatischen Anführer noch eine Gruppe verschworener, durch lange Auseinandersetzungen mit dem Regime ge- und verhärteten Ideologen, die, wie etwa die ägyptische Muslimbruderschaft, gewissermaßen mit den Regimeeliten gealtert waren. Vielmehr wurden die Aufstände meist von jungen Aktivisten geführt, die den Sicherheitsbehörden noch nicht bekannt waren.“ (Perthes 2011: 161)

Die sozialen Medien, insbesondere Facebook, waren eine Hauptinformationsquelle und wichtiger Bestandteil der Mobilisierungsprozesse. Internetverbindungen waren in Tunesien leicht zugänglich, günstig und flächendeckend verfügbar (vgl. Masri 2017: 43; Perthes 2011: 27; Röder-Tzellos 2015: 63 ff.).

4.1.2 Vom politischen Übergang zur Konsolidierung der Demokratie Die Organisation des Übergangs der Macht vom alten System zu einer demokratischen Regierung ist entscheidend im Transformationsprozess. Die Transitionsphase zeichnet sich durch eine Neuverteilung der politischen Macht und den Aufbau neuer institutioneller Ordnungen aus (vgl. Mattes 2013: 3). Der politische Übergang in Tunesien war durch eine hohe Instabilität und zahlreiche Regierungswechsel geprägt. Von März 2011 bis Februar 2015 agierten fünf Übergangsregierungen und technokratische Regierungen, welche sich durch kurze Regierungszeiten und stark eingeschränkte politische Handlungskraft auszeichneten (Abbildung 4.1).

46

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Abbildung 4.1   Tunesische Regierungen 2011–2018 (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018a: 3; Tunisia in Transition 2015)

Am 23. Oktober 2011 erfolgten die ersten freien Wahlen zur Assemblée Nationale Constituante (ANC), einer konstitutionellen Nationalversammlung, mit dem Ziel, die neue Verfassung zu erarbeiten (vgl. Aboudi 2013: 5), welche als progressiver Schritt im politischen Transformationsprozess bewertet werden (vgl. Preysing 2012: 54). Darauf konstituierte sich eine TROIKA-Regierung aus Ennahda, Congrès pour la République (CPR) und Ettakatol, welche konservative und liberale politische Richtungen vereinte (vgl. Perthes 2011: 164 f.). Masri beschreibt diese politische Kompromissbereitschaft und Konsensbildungsprozesse als wichtige Aspekte für Stabilisierung im politischen Transformationsprozess an (vgl. Masri 2017: XXVI).

4.1  Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse

47

Am 27. Januar 2014 trat die neue tunesische Verfassung in Kraft, welche durch einen breiten öffentlichen Aushandlungsprozess erarbeitet wurde und als sehr progressiv bewertet wird (vgl. Boufrikha, Jerba 2014: 113). Sie zeichnet sich u. a. durch die Garantie von Menschenrechten und Meinungsfreiheit, Geschlechtergleichstellung sowie Gewaltentrennung und eine unabhängige Justiz aus (vgl. Masri 2017: 62). Masri sieht die Verfassung als Vorbild für die Umsetzung demokratischer Prinzipien in einem islamischen Land (vgl. ebd.: 17). Mit der Verabschiedung der Verfassung endete die Transitionsphase und die Konsolidierung der Demokratie begann. In dieser Phase galt es, die Verfassung in der neu konstituierten Demokratie zu implementieren. Von Februar 2015 bis August 2016 regierte die erste gewählte Regierung unter Premierminister Essid mit Essebsi als erstem demokratisch gewählten Präsidenten Tunesiens. Darauf folgte die Regierung unter Premierminister Chahed, welche seitdem im Amt ist (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018a; Masri 2017: 69 f.).

4.1.3 Zur Komplexität des demokratischen Transformationsprozesses Ein Demokratisierungsprozess erfolgt im Kontext vieler Herausforderungen und hoher Ansprüche an umfassende Reformen, welche jedoch oft nicht zügig politisch umgesetzt werden (vgl. Masri 2017: 75). Mangelnde Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung, enttäuschte Hoffnungen aufgrund langsamer Reformprozesse sowie die Fortexistenz grundlegender Probleme wie Perspektivlosigkeit der Jugend, Arbeitslosigkeit, schwache Wirtschaft, Marginalisierung dezentraler Regionen, Rückgang des Tourismus und anhaltend hohe Korruption werden als Hauptprobleme in Tunesien formuliert (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018a: 36; Gehlen 2012; Masri 2017: 19). Die Sicherheitslage im Transformationsland Tunesien gilt darüber hinaus durch politische Morde im Jahr 2013 und mehrere Terrorattentate im Jahr 2015 – auf das Bardo Museum, den Strandort Sousse und einen Bus mit Wachpersonal des Präsidenten – als instabil (vgl. Masri 2017: XXXIII; Mersch 2017). Schmuggel, unsichere Grenzen und zunehmende Radikalisierung und Anschlüsse an die Terrororganisation Islamischer Staat bilden weitere Sicherheitsrisiken (vgl. Kübler, Saliba 2014: 20; Masri 2017: 18 f.). Von 2011 bis März 2014 herrschte in Tunesien der Ausnahmezustand (vgl. Kübler, Saliba 2014: 23). Die Relevanz progressiver Vorbedingungen ist ausschlaggebend im Transformationsprozess (vgl. Carothers 2002: 16). Der demokratische Wandel Tunesiens gründete sich auf endogenen Faktoren und einer Tradition von

48

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Reformprozessen, welche bereits unter der Diktatur begannen (vgl. Masri 2017: 6, XXVII). Im Transformationsprozess schreibt Masri dem fortschrittlichen, modernen Bildungssystem eine primäre Schlüsselrolle zu: „Tunisian education helped ensure that the country’s middle class understood and supported democratic process, and that its elites were able to make such processes work“ (ebd.: 13). Ebenso stellten ein funktionierendes Steuersystem mit Rechenschaftsmechanismen und ein praktizierter politischer Pluralismus, insbesondere auch durch die staatliche Genehmigung von Oppositionsparteien unter dem Ben ­Ali-Regime, förderliche Bedingungen dar. Demnach konnten nach dem Sturz der Diktatur alternative politische Akteure Rollen und Funktionen übernehmen – anders als beispielsweise in Ägypten mit der Übernahme der Regierung durch die Muslimbrüder. Ferner existierte in Tunesien weder in Politik, noch in Regierung und Gesellschaft eine dominierende Rolle von Religion. Das Land zeichnet sich historisch durch eine Trennung von Staat und Religion aus, was das Fehlen einer zentralen Steuerung durch religiöse Interessensgruppen im Transformationsprozess erklärt (vgl. ebd.: 15, 20). Jedoch wurden religiöse Gruppierungen und ihre Interessen nach den Umbrüchen stärker sichtbar. Darüber hinaus existieren weitere Faktoren, die den Transformationsprozess begünstigten wie die Abwesenheit von internen und externen Ressourceninteressen, da Tunesien weder Öl- noch Gasvorkommen besitzt und somit geostrategische Bedeutung und externe Einflüsse relativ gering ausfallen. Außerdem verfügt Tunesien über ein kleines und relativ schwaches Militär. Unter Ben Ali wurde das Polizeisystem stärker ausgebaut als das Militär, welches keine politische Macht und Einfluss besitzt. Auch dieser Faktor unterstützte die Entwicklung zur Demokratie, da keine intervenierenden Machtübernahmen des Militärs wie etwa in Ägypten stattfanden (vgl. ebd.: 14, XXVII). Bereits vor der Unabhängigkeit wurde eine Kultur des zivilgesellschaftlichen politischen Aktivismus in Tunesien praktiziert. Insbesondere unter der Diktatur entwickelte sich trotz der Unterdrückung eine starke Zivilgesellschaft, welche ein wachsendes Engagement der Bürger zeigte (vgl. ebd.: 17, XXVII). Eine gut organisierte und etablierte Gewerkschaftsbewegung – in dieser Form einmalig in der arabischen Region – unterstützte den Demokratisierungsprozess.4 Beispielhaft ist in diesem Kontext die Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT),

4Die

vier ältesten und größten Organisationen sind: Ligue Tunisienne des Droits de l’Homme (LTDH), Ordre National des Avocats de Tunisie (ONAT), Union Tunisienne de l’Industrie, du Commerce et de l’Artisanat (UTICA), Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) (vgl. Martin 2015: 24).

4.1  Gesellschaftspolitische Transformationsprozesse

49

die größte Arbeitergewerkschaft des Landes mit 750.000 Mitgliedern und 150 landesweiten Büros, welche die Mobilisierung im Land unterstützte, politische Diskussionen zu transparenten demokratischen Strukturen förderte und ebenso als Institution in diesem Sinne agierte (vgl. ebd.: 15 f.). Der Zivilgesellschaft, insbesondere der Gewerkschaft UGTT, wird im Transformationsprozess eine bedeutende Vermittlerrolle für den nationalen Dialog zugeschrieben, wie die Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 2015 für das tunesische Quartett für nationalen Dialog bestätigt (vgl. Bertelsmann Stiftung 2018a: 33; Ettijahat 2016: 23; Masri 2017: XXXII): „[T]he transition in Tunisia shows that civil society institutions and organisations can play a crucial role in a country’s democratisation, and that such a process, even under difficult circumstances, can lead to free elections and the peaceful transfer of power.“ (Anderson 2017: XVI)

Ebenso gründeten sich zahlreiche Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen, welche den politischen Gestaltungswillen bestätigten (vgl. Masri 2017: 56). Im Jahr 2014 wurde die Wahrheitskommission (Instance Vérité et Dignité) zur Aufarbeitung der Vergangenheit und der Verbrechen unter der Diktatur eingesetzt (vgl. Kübler, Saliba 2014: 23; Mersch 2017). Auch die emanzipierte Rolle der Frauen in der Gesellschaft in Tunesien trug, nach Masri, zu einer Förderung des Transformationsprozesses bei (vgl. Masri 2017: 11; Perthes 2011: 41): „Most important is that women have played multiple key roles in civic society and are credited for their mobilisation efforts during Jasmine Revolution. Tunisians insist that it is primarily women who will safeguard the consolidation of the democratic experience and prevent a rolling back of the gains they have made.“ (Masri 2017: 11)

Darüber hinaus ist der Faktor der Demografie des Landes entscheidend, denn die Umbrüche waren „vor allem ein Aufstand der Jugend“ (Perthes 2011: 24). Im Jahr 2011 waren 27,9 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 29 Jahre alt sowie 38,5 Prozent zwischen 30 und 59 Jahre (vgl. Aboudi 2013: 5). Andere Quellen bestätigen, dass fast 59 Prozent der Bevölkerung jünger als 35 Jahre waren (vgl. Perthes 2011: 30). Auch das Vorhandensein einer kleinen, gesellschaftlich relativ homogenen Bevölkerung wird als förderlich beschrieben (vgl. Masri 2017: XXVI). Ebenso stellen die gesamtgesellschaftlich geringe Analphabetenquote sowie der vergleichsweise hohe Zugang zum Internet von 34 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2010 relevante Faktoren dar (vgl. Perthes 2011: 41 f.).

50

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Zusammenfassend zeigt die Analyse, dass Transformationsländer vor komplexen gesellschaftspolitischen Herausforderungen stehen, die teilweise fortexistieren oder neu entstehen. Die Vorbedingungen im Land sind relevante Voraussetzungen für einen progressiven Demokratisierungsprozess. Darüber hinaus existiert eine weitere Dimension von Transformationsprozessen: Im globalen Kontext sind Dekolonialisierungsprozesse ebenso als Teil des tunesischen Transformationsprozesses zu berücksichtigen. Die arabischen Umbrüche werden auch als „letztes Kapitel der Dekolonialisierung“ (Ben Amor, Ratka 2014: 49) angesehen, da Tunesien von 1881 bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1956 französisches Protektorat gewesen war und demnach der Aufbau des Landes stark von externen Akteuren dominiert wurde (vgl. Ibrahim 1995b: 33). Die Umbrüche stellen einen zentralen Moment der kontinuierlichen Unabhängigkeitsbestrebungen dar.

4.2 Kulturpolitische Transformationsprozesse 4.2.1 Kulturpolitisches Framework zwischen altem und neuem Regime Die Kulturszene in Tunesien ist seit den Jahren 2010/11 stark durch die Neudefinition und -strukturierung von Arbeitsweisen, Rollenbildern und Strategien geprägt. Diese Situation trägt dazu bei, dass Fragmentierung, Transformation und Unsicherheit als Haupttrends im Kulturbereich in Tunesien im EU Country Report 2014 angesehen werden (vgl. Helly 2014: 4). Trotzdem beschreibt El Husseiny Tunesien als Ausnahmeland, welches verglichen mit anderen Ländern der Region als einziges Land eine progressive kulturpolitische Entwicklung im Transformationsprozess zu verzeichnen hat (vgl. El Husseiny 2016: 63 f.).5

5Zur

ausführlichen Darstellung der Kulturpolitik Tunesiens siehe Aboudi 2013; Aboudi 2017; Arfaoui, Ben Slama 2017; Belgacem 2010: 203 ff.; Fendri 2012; Helly 2014; Mtimet 2014. Zur historischen Perspektive der Kulturpolitik Tunesiens siehe Saïd 1970. Zu kulturpolitischen Entwicklungen in der arabischen Region von 2012 bis 2017 siehe Ettijahat 2012; Ettijahat 2013a; Ettijahat 2013b; Ettijahat 2014a; Ettijahat 2014b; Ettijahat 2015; Ettijahat 2016; Ettijahat 2017; Ettijahat 2018.

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

51

Im ersten Gesamtwerk zur Kulturpolitik im arabischen Raum Cultural Policies in Algeria, Egypt, Jordan, Lebanon, Morocco, Palestine, Syria and Tunisia6 wird der Begriff der Kulturpolitik, bezugnehmend auf die Definition der UNESCO, wie folgt definiert: „Cultural policy is the entire amalgam of plans, actions and practices, or absence of actions, that aim to meet the cultural needs of a country or society by means of the optimal investment of all the human and material resources available to that society“. (Hajj Ali 2010: 23 f.)

Der Betonung auf die Abwesenheit von Aktionen im Bereich der Kulturpolitik kommt besondere Beachtung zu. Hajj Ali kritisiert, dass die Kulturpolitiken in der arabischen Region oftmals theoretische Konstrukte bleiben und keine operationale Umsetzung in die Praxis erfolgt, wie konkrete Maßnahmen oder eine Reform von Gesetzen. Demnach bewertet sie die Kulturpolitiken als inadäquat bis hin zu nicht existent (vgl. ebd.: 24). Ein weiterer Aspekt ist die Instrumentalisierung von Kultur in der Region: „They put culture at the service of politics […] rather than putting politics at the service of culture“ (ebd.). Wie El Husseiny herausstellt, dominiert darüber hinaus eine restriktive Dimension: „The term ‚cultural policies‘ could be defined in several ways, […] I will use the most common one: namely those measures, actions, and laws made by governments and public, private, or civil organisations to organise, support, and promote artistic and cultural production and the cultural resources and heritage of certain countries. This definition also includes those measures, actions, and laws designed to restrict, prohibit, threaten or endanger cultural creativity, production, resources and heritage. In this sense of the term, we can agree that all Arab countries have cultural policies; yet the term has not been used widely, and is rarely used in official documents, before 2010.“ (El Husseiny 2018)

Im Transformationsprozess eröffnet sich die Frage einer Neugestaltung und Reform der Kulturpolitik im tunesischen Staat (vgl. Dragićević Šešić 2010: 227; Dragićević Šešić 2015a: 233; Dussollier 2012: 27). Da Tunesien die ­UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller

6Im

Jahr 2010 fand ebenso die erste Kulturpolitikkonferenz im arabischen Raum statt, welche von Al Mawred Al Thaqafy organisiert wurde (vgl. Hasenkamp 2012: 108).

52

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Ausdrucksformen im Jahr 2005 ratifiziert hat, ist das Recht auf die Gestaltung einer Kulturpolitik impliziert (vgl. Deutsche Unesco Kommission 2012a). „Offenkundig besteht in den arabischen Ländern das Bedürfnis, die Kulturpolitiken gründlich zu überprüfen. Allerdings ist dieses Bedürfnis untrennbar verbunden mit dem Prozess des politischen Wandels“ (El Husseiny 2016: 62). Die Mitglieder der Arab Cultural Policy Groups forderten im Jahr 2016 in einem offenen Brief an alle arabischen Kulturministerien integrative Kulturpolitiken (vgl. ARCP 2016a): „The development of integrated cultural policies between different actors and cultural stakeholders which promote democratic, decentralized collaboration and equitable distribution of cultural services, support freedom of creativity, and emphasise cultural diversity and a variety of cultural expression in all mediums and forms“. (ebd.)

Statt vertikaler Entscheidungsprozesse existiert die Notwendigkeit horizontaler partizipativer Ansätze zur Einbeziehung von Kulturakteuren (vgl. Lajili 2016). Von Maltzahn argumentiert „that cultural frameworks are negotiated by a multitude of actors on the basis of both explicit and implicit policies, but also unwritten laws and practices“ (Von Maltzahn 2017: 76). El Husseiny erwähnt ebenso die Relevanz informeller Kulturpolitiken, betont jedoch auch die Herausforderung, mit diesem Ansatz Reformen in der staatlichen Kulturpolitik zu implementieren: „On the ground, there are informal cultural policies that govern cultural work in most Arab countries. The policies are formed by the practices of official cultural institutions and the accumulation of regulations and rules they follow, which are often contradictory and chaotic. The effectiveness of these informal policies depends largely on the efficiency and devotion of those who implement them. As such, in a few instances, we find positive advancement in the performance of a cultural institution in a certain country because of an official’s personal interest and genuine desire to develop cultural work. However, such efforts often fail to translate to a meaningful change in cultural policies. This is due to a number of complex reasons, including the political reality of any given situation, in which cultural work is manipulated into propaganda to support the regime’s political agenda, and the general animosity of official bureaucratic apparatuses to any fundamental change.“ (El Husseiny 2018)

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

53

4.2.2 Staatliche Kulturpolitik: Elitenkontinuitäten und Öffnung gegenüber der Zivilgesellschaft Im Kontext von kulturpolitischen Entwicklungen in Transformationsprozessen nimmt der Staat eine zentrale Rolle ein. Wie El Husseiny beschreibt, agiert „der Staat durch sein Kulturministerium […] als Gesetzgeber, Patron, Produzent, Verteiler und Kontrolleur von Kultur“ (El Husseiny 2016: 58) und ist „responsible for the development, planning and implementation of cultural policy“ (Aboudi 2013: 16). Somit hat der Staat die höchste Gewalt auf die Regelgestaltung und ebenso Einfluss auf Inhalte sowie durch Zensur Möglichkeiten zur Einschränkung der künstlerischen Freiheit. Kulturministerien besaßen eine wichtige Rolle zur Machterhaltung repressiver Regime und zur Steuerung der öffentlichen Meinung (vgl. El Husseiny 2016: 58). Der Kultursektor Tunesiens zeichnete sich durch eine hohe Zentralisierung, Monopolisierung und Regimegehorsamkeit der Akteure aus (vgl. ebd.: 59). Die staatliche Kulturproduktion war stark auf die Zielgruppe der Eliten ausgerichtet, demzufolge erfolgte durch die Exklusivität der staatlichen Kooperationen die Förderung einer systemtreuen Elite und die Marginalisierung der Bevölkerung. Diversität bei den Kulturakteuren wurde bewusst vermieden. Somit konnte die öffentliche Repräsentation künstlerischer Arbeiten eingeschränkt und gesteuert werden (vgl. ebd.). Diese Vorgehen „erzeugten den weit verbreiteten Eindruck, dass Kultur eine staatliche Domäne war, in der Ideen und Aktivitäten von Intellektuellen durch komplizierte und langweilige Sprache ausgedrückt und durchgeführt wurden und in der die Künste lediglich der kommerziellen Unterhaltung dienten, ohne Verbindung zu ernsten modernen und gegenwärtigen Künsten.“ (ebd.)

Historisch betrachtet definiert Aboudi seit der Unabhängigkeit Tunesiens drei Phasen der staatlichen Kulturpolitik mit unterschiedlichen Prioritätensetzungen (Abbildung 4.2):7

7Zur

Geschichte der Kulturpolitik Tunesiens siehe Aboudi 2013.

54

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Abbildung 4.2   Phasen tunesischer Kulturpolitik (vgl. Aboudi 2013: 7 ff.; Aboudi 2016)

(1) Traditionell verfolgte Tunesien aufgrund der Diktatur eine Kulturpolitik, welche sich in der Kontrolle des Regimes befand, dieses unterstützten sollte und sich am Modell des Wohlfahrtsstaates orientierte. Geprägt von der französischen Kolonialzeit wurden nach der Unabhängigkeit Elemente aus dem französischen System übernommen. Kultur war in dieser Phase in den nationalen Entwicklungsplan für Bildung integriert und kein eigenständiger Bereich. Personalentwicklung und Capacity Building wurden als zentrale Elemente beschrieben und der Bildungsfaktor von und durch Kultur betont. Durch den Aufbau von kulturellen Institutionen wurde eine partielle Unabhängigkeit von staatlicher Kontrolle in den Bereichen Theater, Musik, Bildende Kunst und Film erreicht. Aboudi beschreibt, dass die Abwesenheit einer innovativen Kulturpolitik dazu führte, dass Kulturakteure, insbesondere im Theaterbereich, Oppositionspositionen einnahmen und verbreiteten. Mitte der 1980er entwickelte der Staat eine proaktive Kulturpolitik, um vermehrt Einfluss zu nehmen, basierend auf den drei Prinzipien: Demokratisierung, Renationalisierung und Dezentralisierung von Kultur (vgl. Aboudi 2013: 7, 9). Unter dem ersten Präsidenten Bourguiba wurde 1961 das erste Kulturministerium Tunesiens (Ministry of State for Cultural Affairs and Information) gegründet, welches als sehr fortschrittlich galt. Schwerpunkt der Arbeit lag auf Kulturerbe und der Verbindung mit aktuellen Kontexten sowie einer Bewusstseinsschärfung für Identität und Vergangenheit des Landes (vgl. Fendri 2012). Modernität und Progressivität sowie die Förderung einer offenen Gesellschaft mit Bezug auf die eigenen kulturellen Wurzeln wurden von Bourguiba als Ziele verfolgt. Fendri beschreibt die Kulturpolitik Bourguibas als Fundament des postkolonialen tunesischen Staates, welche bis 2011 das Land prägte (vgl. ebd.). (2) Die zweite Phase zeichnet sich durch Kultur als integralem Element von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung aus. Wichtige Veränderungen

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

55

waren u. a. die Unterstützung der Dezentralisierung durch den Ausbau regionaler Delegationen, die Schaffung neuer Kulturinstitutionen, die Einführung partizipativer Ansätze mit Beratungsgremien für Kulturpolitik, die Aufnahme von digitaler Kultur und Kulturtourismus in den Kultursektor, die Förderung und der Schutz der Künstlerrechte, die Förderung der Marktorientierung und der Aufbau der Kreativwirtschaft sowie die Einführung von kulturellen Großprojekten wie der Cité de la Culture8 (vgl. Aboudi 2013: 9). Diese Phase war von der Herrschaft des neuen Diktators Ben Ali geprägt, der grundsätzlich die Kulturpolitik seines Vorgängers fortsetzte, jedoch die Staatspropaganda verstärkte. Seine Kulturpolitik wird als „propaganda-driven discourse highlighting openness“ (Fendri 2012) angesehen. Aufgrund der starken Kontrolle in der Diktatur wurde in dieser Phase die Kunstfreiheit kaum realisiert. In den 1990er Jahren wurde Kultur zu einem zentralen Interesse der Regierung und die nationale Kulturproduktion ausgebaut. Kultur diente der Stärkung der nationalen Identität (vgl. Aboudi 2013: 8 f.). (3) In Phase Drei, nach den Umbrüchen 2010/11, wurden schrittweise Prozesse implementiert, um die Kulturpolitik zu reformieren: „[E]ffective structural reform of the culture sector and its workers, as well as for cultural rights, freedom of expression and freedom of media“ (ebd.: 24). Nahm die Regierung in Phase Eins und Zwei vor den Umbrüchen durch direkte Interventionen Einfluss auf die Kulturpolitik, wird ihr in Phase Drei die Rolle des Facilitators und Katalysators zugeschrieben (vgl. Aboudi 2016). Trotzdem ist das Modell weiterhin durch eine hohe Zentralisierung mit starken vertikalen staatlichen Machtstrukturen und mangelnder Transparenz gekennzeichnet (vgl. Aboudi 2013: 10 ff.). Die staatliche Kulturpolitik zeichnet sich durch einen Fokus auf Großprojekte und repräsentative große Festivals aus (Hariri, Kassis 2016: 27 f.).9

8Die

Cité de la Culture ist ein kontrovers diskutiertes kulturelles Großprojekt, welches darauf hinzielt, einen spartenübergreifenden Kulturkomplex im Zentrum von Tunis zu bauen. Das Projekt wurde unter der Diktatur seit den 1990er Jahren geplant und 2001 initiiert. Nachdem das Projekt mit den Umbrüchen zum Stillstand gekommen war, wurde das Vorhaben wieder aufgegriffen und von 2015 bis 2018 fertiggestellt. Hierfür wurde ein Gesamtbudget von 125 Millionen Dinar aufgewendet (vgl. Ettijahat 2018: 20; Zinelabidine 2012: 116 f.). 9Die Entwicklungen des Budgets des Kulturministeriums werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt, da die Aussagen diesbezüglich zu sehr variieren und die allgemeinen Schwankungen selbst nur gering ausfallen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sich das Budget in Tunesien an der UNESCO-Empfehlung von einem Prozent des Nationalbudgets orientiert (vgl. Aboudi 2013: 39 f.; Bel Hedi 2018; Hariri, Kassis 2016: 25).

56

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Abseits der drei Phasen ist internationale kulturelle Zusammenarbeit ein relevanter Aspekt der Kulturpolitik im Transformationsprozess. Internationale Kulturkooperationen und Cultural Diplomacy sind seit den 1990er Jahren verstärkt Teil der tunesischen Kulturpolitik; bereits 1956 trat Tunesien der UNESCO bei. Die Implementierung erfolgt hauptsächlich in den großen staatlich organisierten internationalen Festivals10 und indirekt durch die Vergabe von finanziellen Zuwendungen des Kulturministeriums für Kulturorganisationen (vgl. Aboudi 2013: 19 f., 22, 24; Hariri, Kassis 2016: 25). Unter der Diktatur benötigten alle internationalen Kulturkooperationen eine offizielle Genehmigung durch das Kulturministerium (vgl. Aboudi 2013: 19). Nach den Umbrüchen nehmen unabhängige Kulturvereine eine neue Rolle bei der Forcierung des Ausbaus internationaler Kulturkooperationen ein (vgl. ebd.: 24). Die Zielstellungen im Bereich internationaler kultureller Zusammenarbeit weisen eine Kontinuität auf und erfuhren nach den Umbrüchen kaum Veränderungen: „[C]ultural exchange programs that encompass foreign participation in cultural events in Tunisia, artistic residencies, and training sessions; the implementation of joint international projects; and the promotion of Tunisian cultural products, artists and Tunisian cultural events abroad“. (ebd.: 21)

Die Zuständigkeit für internationale Kulturbeziehungen liegt bei zwei Ministerien, dem Kulturministerium und dem Außenministerium, demnach existiert keine eigene Abteilung mit einem expliziten Arbeitsauftrag für den Bereich (vgl. ebd.). Das Kulturministerium11 ist das zentrale staatliche Organ zur Implementierung der Kulturpolitik in Tunesien. Der Wandel im Ministerium ist im Trans-

10Zum

Beispiel: Journées théâtrales de Carthage, Journées cinématographiques de Carthage, Hammamet International Festival, Carthage Film Festival, International Tunisia Book Fair (vgl. Aboudi 2013: 22). 11Von 1988 bis 2017 wurde das Kulturministerium sechs Mal umbenannt. Dies ging auch häufig mit strukturellen Umorganisationen einher, es erfolgten sechs Reformen zwischen 1993 und 2005. Chronik zur Bezeichnung des Kulturministeriums: 1988–1990 Ministry of Cultural Affairs; 1990–1992 Ministry of Culture; 1992–2001 Ministry of Cultural Affairs; 2002– 2004 Ministry of Culture, Youth and Entertainment; 2005–2010 Ministry of Culture and Heritage Preservation; 2011–2016 Ministry of Culture; seit 2016 The Ministry of Cultural Affairs (vgl. Aboudi 2013: 10; Aboudi 2017: 2).

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

57

formationsprozess von Inkontinuität, stetigen Prioritätswechseln und Stagnation geprägt. Im Zeitraum von 2011 bis 2018 waren insgesamt sieben Kulturminister im Amt, korrelierend mit den kurzfristigen Regierungsperioden (Abbildung 4.3) (vgl. Bel Hedi, Cherif, Rmadi 2016). Auffällig ist, dass alle Kulturminister während des Transformationsprozesses parteilos waren.

Abbildung 4.3   Kulturminister in Tunesien 2008–2018 (vgl. Wikipedia 2018)

Die Ausrichtung der staatlichen Kulturpolitik und die Gesetzesreformen sind im Transformationsprozess zu einem hohen Grad abhängig von der Person des Kulturministers, den persönlichen kulturpolitischen Zielen, Strategien und Entscheidungen (vgl. IP 2 2014: 151–153; IP 3 2014: 324–333; IP 6 2014: 159– 164, IP Bohrer 2014: 266–270; IP Tamzini 2013: 222–232; Marcus 2016). Im Folgenden werden beispielhaft die Prioritäten der einzelnen Kulturminister im Zeitraum von 2011 bis 2018 vorgestellt. Die Phase nach dem Umbruch von 2011 bis 2012 zeichnete sich durch Reformforderungen mit ersten progressiven Reaktionen aus: „[T]he new era can be described as promising a real evolution for the dynamics of associative environment including cultural associations“ (Aboudi 2013: 57). In den Jahren von 2011 bis 2012 unter den Kulturministern Tlatli (01/2011), Beschaouch

58

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

(01/2011–12/2011) und Mabrouk (12/2011–02/2014) evaluierte das Kulturministerium seine Beschäftigungsstruktur, stärkte den Partnerschaftsaufbau sowie die Partizipation der Zivilgesellschaft und kooperierte mit internationalen Organisationen, um den Kultursektor zu stärken. Der Fokus lag auf Kultur als Entwicklungsfaktor, Dezentralisierung sowie Kultur und nationaler Identität (vgl. ebd.: 9, 12). Die Reform- und Dezentralisierungsbestrebungen zeichneten sich beispielsweise durch die Suspendierung des zentralen Beratungsgremiums Supreme Council of Culture im Jahr 2011 aus. Das Kulturministerium trat stattdessen in Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, um eine Neustrukturierung mit dem Ziel einer Stärkung der Unabhängigkeit und Erhöhung der Repräsentation der Zivilgesellschaft zu diskutieren (vgl. ebd.: 16). Ebenso wurde im Jahr 2013 die Neustrukturierung der 24 Regional Delegations durch die Einrichtung eines neuen Advisory Committees für die Regional Delegations of Culture gefördert (vgl. ebd.: 15, 17). Unter Kulturminister Mabrouk (12/2011– 01/2014) wurden im Jahresbericht zur Kulturpolitik 2012 folgende zentrale Prioritäten beschrieben: Gesetzesreformen, Förderung und Aufbau von Partnerschaften mit zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie Capacity Building und Qualifizierung von Kulturakteuren (vgl. ebd.: 12). Weitere Schlüsselaspekte sind die Diversifizierung der Finanzierungsmöglichkeiten und die Förderung von wirtschaftlichen Investitionen im Kultursektor (vgl. ebd.). Während der Amtszeit der zweiten technokratischen Regierung und der Ernennung des Musikers Sakli zum Kulturminister (01/2014–02/2015) entwickelte sich die kulturpolitische Situation progressiv (vgl. IP 6 2014: 159–164; IP Bohrer 2014: 266–270; IP Tamzini 2013: 42–52). Eine Phase der internen Neustrukturierung des tunesischen Kulturministeriums begann, um auf die neuen Rahmenbedingungen in der Demokratie zu reagieren und sich für neue Partner in der unabhängigen Kulturszene zu öffnen. Das Involvieren von zivilgesellschaftlichen Akteuren in die ministerialen Strukturen wurde als neuer Mechanismus etabliert, indem beispielsweise Künstler als Berater im Kulturministerium fungierten und ihre Positionen somit politisch vertreten konnten (vgl. IP 2 2014: 147–153): „I am an independent artist, I am not from the Ministry of Culture and I will leave with this Minister. I am just here for that period […]. [W]e are a group of artists now working in the Ministry and it’s important to make these connections.“ (ebd.: 72–76)

Diese neue Kooperation hat von der parteipolitisch unabhängigen Regierung von 2014 bis 2015 profitiert, wie ein Interviewpartner erklärt (vgl. ebd.: 72–76):

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

59

„[I]t is important to work in a non-political government and after the elections it will be a political government. It is important to work with this Minister because I know his strategy, his vision and I believe in it and I can work at the same time with an artist, because he is an artist too“. (ebd.: 150–153)

Sakli beendete damit eine Tradition, in welcher Künstler sich von politischen Parteien instrumentalisiert sahen, indem sie innerhalb des eingeschränkten staatlichen Rahmens nach den Prinzipien der Partei handeln, anstatt sich frei auszudrücken. Dieser partizipative Ansatz des Einbezugs der Zivilgesellschaft umfasste ebenso regelmäßige Diskussionsformate mit Experten, Künstlern und kulturpolitischen Akteuren zur zukünftigen Strategie der Kulturpolitik – eine Methode, um die gegenseitige Akzeptanz der implementierten Kulturpolitik zu gewährleisten: „Because it is important to not separate the Ministry and the artists. And we have so many bad experiences in other countries, when the Ministry makes its own cultural policy and doesn’t let the artists participate, they will refuse it. They will say: ‚I am not considered by this proposition. I don’t feel comfortable to work with them.‘ It happened even with us before.“ (ebd.: 84–89)

Für das Jahr 2014 definierte Sakli als Prioritäten die Förderung des künstlerischen Ausdrucks, die Demokratisierung von Kultur, Dezentralisierung sowie den Zugang zu Kultur (vgl. Mtimet 2014). Das Dezentralisierungsprogramm unterstützte kulturelle Aktivitäten in ländlichen Gebieten abseits der Hauptstadt und verband Capacity Building von Kulturakteuren mit kultureller Infrastrukturentwicklung. Mit der Förderung öffentlich-privater Partnerschaften wurden zusätzliche Finanzierungsquellen für Kultur ermöglicht. Im September 2014 wurde hierfür ein Gesetz zu Kulturfinanzierung und -sponsoring implementiert,12 welches Investitionen in Kultur als steuerabzugsfähig deklariert (vgl. IP 2 2014: 301–307, 309–319). Die folgende Kulturministerin Lakhdar (02/2015–01/2016) definierte neue Prioritäten wie die Fertigstellung des Großprojekts der Cité de la Culture, Kulturerbeerhalt, rechtliche Reformen, Inventarisierung und Bewahrung der staatlichen Kunstsammlung und die Stärkung kultureller Infrastruktur und Ausstattung (vgl. Ettijahat 2016: 22). Während der Amtszeit der Kulturminister Lakhdar,

12Siehe Abschnitt 4.2.4 Implementierung kulturpolitischer Reformen zur Stärkung des Kultursektors.

60

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

M’Barek (01/2016–08/2016) und Zinelabidine (seit 08/2016) wurden kontinuierlich folgende Prioritäten verfolgt: Dezentralisierung, Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft, Künstlerberuf und Status des Künstlers, Kulturtourismus sowie Zusammenarbeit mit anderen Ressorts (vgl. Aboudi 2017: 9). Kulturminister Zinelabindine legt einen Fokus auf die Etablierung einer neuen, demokratischen Kulturpolitik mit der Zivilgesellschaft. Weitere Prioritäten sind die Nachwuchsförderung, die Förderung etablierter Infrastruktur, wie den seit den 1960er Jahren operierenden 240 Kulturhäuser (Maisons de la Culture) aber auch die Förderung unabhängiger Projekte und Initiativen (vgl. Baumstieger 2017: 9).13 Die Ernennung Zinelabidines zeigt die ambivalente Rolle der Kulturminister und bestätigt den Faktor der Elitenkontinuitäten. Im August 2016 wurde eine Petition gegen den Verlust der Kultur: Für eine Kulturpolitik, die mit der Propaganda abschließt14 gegen die Ernennung Zinelabidines veröffentlicht, die über 400 Kulturschaffende unterzeichneten. Sie kritisierten sehr stark seine Verbindungen zum Ben Ali-Regime – u. a. seine leitende Funktion im Kontext des Großprojekts Cité de la Culture – eine mangelnde kulturpolitische Vision und die Instrumentalisierung von Kulturarbeit zu Propagandazwecken (vgl. Baumstieger 2017: 9; Bel Hedi, Cherif, Rmadi 2016).

4.2.3 Zivilgesellschaftliche Akteure: Von der Marginalisierung zu schwachem Einfluss Zivilgesellschaftliche Akteure nahmen im Transformationsprozess vor und nach den Umbrüchen unterschiedliche Rollen ein. Unter der Diktatur war seit Bourguiba eine Autorisierung für Vereinsgründungen vorgeschrieben, um staatliche Kontrolle auszuüben. Unter Ben Ali erfolgten zwei Reformen des Gesetzes (1986, 1992). Die zugelassenen Vereine waren überwiegend regimenah (vgl. Aboudi 2013: 57), „with the exception of associations concerned with human rights and woman’s rights, that fought against the dictatorship, and also for certain associations in the fields of environment or culture that have succeeded somewhat in being neutral“ (ebd.). Eine kleine Sparte von Vereinen verschaffte

13Zum

kulturpolitischen Programm Zinelabidines siehe BelHadj Ali 2017. Pétition contre les sinistres de la culture: Pour une politique culturelle qui tranche avec la propagande (vgl. Bel Hedi, Cherif, Rmadi 2016). 14Originaltitel:

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

61

sich bereits unter der Diktatur Handlungsspielräume. El Husseiny beschreibt in der arabischen Region eine freie, unabhängige Szene, präsent seit den 1990er Jahren, welche sich durch individuelle und kollektive sowie institutionelle Organisation auszeichnet und sich mit Widerstand gegen die etablierte ‚Staatskultur‘ einsetzt (vgl. El Husseiny 2016: 60). Mit den Umbrüchen 2010/11 änderte sich der Einflussbereich unabhängiger, zivilgesellschaftlicher Akteure und somit ihre Rolle im kulturpolitischen Kontext: „[N]ew cultural initiatives […] gave new momentum to the cultural movement which may indicate the start of moving out of the governmental frame of culture towards the independent culture phase. This explains the current discrepancy between a segment of young artists who try to diversify the funding sources for their cultural production and look for reducing the public funding, and the older age group, which remained tied to the traditional role of the Ministry of Culture and looks forward to enhancing the public support for its cultural production.“ (Aboudi 2017: 3) „Tunisia has witnessed a significant associative boom since the revolution, with the creation of more than 5,000 associations in the different governorates of the country and in various fields: civic engagement and governance, cultural and artistic creativity. These associations have led to the development of the situation on the ground, breaking the passivity experienced by most Tunisians before, allowing an unprecedented appropriation of public space for dialogue and mutual respect, and setting in motion the civic engagement process.“ (Boufrikha, Jerba 2014: 113)

Insbesondere der hohen Anzahl neu gegründeter Vereine im Kulturbereich kommt eine große Bedeutung zu, wie Aboudi analysiert, jedoch gleichzeitig konstatiert, dass die reine Quantität noch keine Aussagen über die Qualität ermöglicht: „According to the latest statistics of IFEDA Center for Associations on 1 December 2016, the number of associations interested in culture and arts hit 3515 associations, 18 % of the total associations were represented by activity (there are 17 specialized activities), and they came in the second rank after school associations (23.5 %) and before the sports associations (10 %)“. (Aboudi 2017: 9)

Während viele neu gegründete Vereine im Kulturbereich tätig sind,15 arbeiten jedoch nur wenige direkt an kulturpolitischen Themen. Im Folgenden werden

15Zum

Beispiel Ciné Mad’Art, Art Solution, Muzaq mit Dream City, Lefest, B’Chira Art Center (vgl. Helly 2014: 6 f.).

62

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

zwei unabhängige zivilgesellschaftliche Interessengruppen für Kulturpolitik beispielhaft vorgestellt, die Tunisian National Cultural Policy Group (NCPG) und das Forum des Associations Culturelles Tunisiennes (FACT). Der Interessensverband der Tunisian National Cultural Policy Group ist Teil der Arab Cultural Policy Group, welche 2011 von Al Mawred Al Thagafy in Ägypten gegründet wurde. Die Vereinigung ist eine Lobbygruppe für kulturpolitische Reformen und Prozesse (vgl. Al Mawred Al Thaqafy 2012). Im Oktober 2016 organisierte die Arab Cultural Policy Group mit Unterstützung des Gewerkschaftsdachverband Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) das Forum For a Cultural Policy Stemmed From Civil Society in Sfax, um den Einfluss der Zivilgesellschaft auf die Kulturpolitik zu erhöhen und Empfehlungen zu erarbeiten (vgl. ARCP 2016c; Ettijahat 2017: 25 f.; Lajili 2016). Die Entstehung und die internen Definitionsprozesse der Gruppe stellen eine Herausforderung dar (vgl. Ettijahat 2013: 9). Anstelle institutioneller Kontinuität durch regelmäßige Treffen mit einer stabilen Teilnehmerzahl verfolgt die Tunisian National Cultural Policy Group eine überwiegend flexible Arbeitsweise (vgl. IP 1 2014: 181–183; IP 2 2014: 41–45).16 „The major problem in the functioning of the groups was its managing mechanisms. This was the weakest part of the whole program, as the work relied mostly on enthusiasm and motivation of its members. Thus, in the future, more appropriate model of functioning and governance should be identified, to ensure efficiency and impactful outcomes of the group work.“ (Dragićević Šešić 2015a: 236)

Die Initiative Forum des Associations Culturelles Tunisiennes (FACT) des Vereins Association Culturelle Tunisienne pour l’Insertion et la Formation (ACTIF) wurde 2012 als Dachorganisation für kulturelle Initiativen und Vereinigungen in Kooperation mit der Deutschen UNESCO-Kommission unter

16Dragićević

Šešić evaluierte im Jahr 2014 die National Cultural Policy Groups im arabischen Raum. Sie empfiehlt den Aufbau von Partnerschaftsmechanismen zwischen lokalen Kulturakteuren und den Kulturpolitikgruppen, Regularien zur Aufnahme neuer Mitglieder sowie den Einbezug von Experten anderer Felder, um eine breitere Aufstellung zu erreichen, die Einrichtung eines internationalen Beratungsgremiums sowie die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern (vgl. Dragićević Šešić 2015a: 234 f.; Dragićević Šešić 2015b).

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

63

der Programmlinie CONNEXXIONS initiiert.17 FACT zielt darauf ab, Netzwerkbildung und Selbstorganisation im Kulturbereich zu stärken und sich als unabhängige Organisation im Kulturpolitikbereich zu professionalisieren (vgl. Deutsche UNESCO Kommission 2012b: 22; Deutsche UNESCO Kommission 2014b).18 Das Engagement von FACT umfasst das Training von Kulturverbänden zur Professionalisierung ihrer Arbeit, Künstlerresidenzen und -austausch, die Zusammenarbeit mit Universitäten und den Ausbau internationaler Kooperationen (vgl. IP 3 2014: 378–380, 450–455). Darüber hinaus begann FACT eine erste progressive Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium mit einer Konvention zwischen beiden Parteien, die einen weiteren Schritt zur Einbeziehung und Unterstützung von Akteuren der Zivilgesellschaft in kulturpolitische Prozesse darstellt (vgl. ebd.: 324–328, 335–338): „[I]t is a historical thing that an NGO and the Ministry work together. It is the first time in our history“ (ebd.: 333–334). Eine nachhaltige Strukturentwicklung der Organisation FACT konnte jedoch nicht erreicht werden. Zusammenfassend mangelt es den neuen zivilgesellschaftlichen Akteuren, sowohl im Kultur- als auch im kulturpolitischen Bereich, an Selbstorganisation, repräsentativen Organen, Lobby und Netzwerken: „For many independent cultural operators, setting up their own organisation and managing it is a completely new experience, a huge challenge for which they have rarely been trained“ (Helly 2014: 9; vgl. ebd.; L’art rue 2016: 18). Der Einfluss zivilgesellschaftlicher Organisationen im kulturpolitischen Bereich ist unkoordiniert und stark abhängig von Individuen, weshalb dieser relativ gering ausfällt. Eine Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren existiert teilweise erfolgreich, beispielsweise durch den Einbezug zivilgesellschaftlicher Akteure ins Kulturministerium oder Konventionen mit zivil-

17CONNEXXIONS

war von 2012 bis 2018 ein Projekt zur Unterstützung von Demokratie und kultureller Partizipation im arabischen Raum. Es unterstützte Kapazitätsaufbau, förderte Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer sowie Vernetzung (vgl. Deutsche UNESCO Kommission 2012b; Deutsche UNESCO Kommission 2012c; Deutsche UNESCO Kommission 2014a). 18FACT wurde ursprünglich als Konferenz konzipiert, die im Juni 2013 zum ersten Mal mit 112 Teilnehmern aus ganz Tunesien und der Deutschen UNESCO-Kommission als Partner stattfand. Diese verfolgte das Ziel lang-, mittel- und kurzfristige Empfehlungen für die Entwicklung einzelner Sektoren im Kulturbereich zu erarbeiten, welche an das Kulturministerium zur Implementierung weitergeleitet wurden (vgl. Association Culturelle Tunisienne (ACTIF), Deutsche UNESCO Kommission 2013: 9 ff., 14 ff.; Deutsche UNESCO Kommission 2014b).

64

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

gesellschaftlichen Organisationen. Im Gesamten betrachtet ist die Kooperation jedoch überwiegend schwach ausgeprägt (vgl. Hariri, Kassis 2016: 27).

4.2.4 Implementierung kulturpolitischer Reformen zur Stärkung des Kultursektors Die Implementierung kulturpolitischer Reformen und deren gesetzliche Verankerung, welche in der Transitionsphase beginnt, stellt einen relevanten Indikator für kulturpolitische Entwicklungen in Transformationsprozessen dar. In Tunesien existieren im Kulturbereich hauptsächlich Gesetze aus den 1960er und 1980er Jahren (vgl. Mtimet 2014). Nach den Umbrüchen 2010/11 konnten viele Reformprozesse im Kulturbereich verzeichnet werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Reformen beispielhaft vorgestellt. Der Einbezug der Zivilgesellschaft in die staatlichen Reformprozesse ist hierbei ein zentraler Ansatz (vgl. Ettijahat 2017: 28). Im September 2011 wurde ein neuer Gesetzeserlass zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Vereinen (Gesetznummer 2011–88) verabschiedet, welcher u. a. die Freiheit zur Vereinsgründung und ihren Aktivitäten garantiert (vgl. Jendoubi 2018: 17; République Tunisienne 2011). Dieses Gesetz ermöglichte bereits im Jahr 2011 eine Stärkung der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen im Transformationsprozess. Darüber hinaus wurde im November 2011 ein Gesetz zum rechtlichen Status von öffentlichen Kulturinstitutionen verabschiedet, welches die langjährige Restriktion der Institutionsentwicklung beendete (vgl. Aboudi 2013: 45): „In 2011, with a consideration to strengthening the legal and administrative structure of cultural institutions Decree-law 2011-121 of 17 November 2011 on public cultural institutions was issued to regulate cultural institutions according to their areas of intervention and classify their descriptive names according to their functions. As a result, this new legal text founded a clear framework for the administrative and financial management of public institutions for cultural action that permit better management and development“. (ebd.)

Im Jahr 2013 erfolgte durch die Einrichtung eines neuen Advisory Committees für die Regional Delegations of Culture eine Reform bezüglich der Neustrukturierung und Dezentralisierung, indem die Struktur der 1992 etablierten 24 Regional Delegations reformiert wurde (Gesetznummer 2013-1440) (vgl. ebd.: 15, 17). Im gleichen Jahr wurde ein Fonds zur künstlerischen Kreativitätsförderung verabschiedet, der bereits 2010 entwickelt wurde und an eine Tradition

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

65

der Künstlerförderung in den 1980er Jahren anknüpft (vgl. ebd.: 46). Hierbei zeigt sich, dass die Reformen teilweise schon vor den politischen Umbrüchen entwickelt wurden und, kurze Zeit später, in der Transitionsphase bereits implementiert werden konnten. Im Januar 2014 wurde ein Gesetz zur Registrierung und zu rechtlichen Rahmenbedingungen der Veröffentlichung von Kunstwerken (Gesetznummer 2014-59) verabschiedet sowie eine staatliche Institution für Kulturveranstaltungen und -festivals als administrative Reform etabliert (vgl. Ettijahat 2015: 17). Die bislang relevanteste Reform ist die im Januar 2014 verabschiedete neue Verfassung der Republik Tunesien, welche als eine der fortschrittlichsten in der Region gewertet wird: „[A] constitution qualified as one of the most modern and vanguardist in the whole Arab region, providing equal rights to women and introducing a system based on universal principles of human rights and the respect of freedoms“ (Boufrikha, Jerba 2014: 113; vgl. ebd.). Für den Kultursektor ist sie eine grundlegende Neuerung durch die Verankerung des Rechts auf Kultur und der Kunstfreiheit, wie Artikel 42 beschreibt: „Das Recht auf Kultur wird garantiert. Die Freiheit des kreativen Ausdrucks wird garantiert. Der Staat fördert die kulturelle Kreativität und unterstützt die Stärkung der nationalen Kultur, ihrer Vielfalt und Erneuerung, so dass die Werte von Toleranz, Ablehnung von Gewalt, Offenheit gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Dialog zwischen den Zivilisationen gefördert werden. Der Staat schützt das kulturelle Erbe und bewahrt es für künftige Generationen.“ (Sprachendienst des Deutschen Bundestages 2014: 11)

Mit der Verabschiedung der Verfassung ist in der Selbstdefinition des Staates Tunesien das Recht auf Kultur beschrieben und gesetzlich verankert. Ergänzend findet sich in Artikel 31 die Garantie der Meinungsfreiheit und das Verbot der Zensur sowie in Artikel 41 der Schutz geistigen Eigentums und in Artikel 32 das Recht auf den Zugang zu Informationen (vgl. ebd.: 9, 11). Im August 2014 wurde ein Gesetz zu Kulturfinanzierung und -sponsoring erlassen (Gesetznummer 2014–54, Kapitel 49). Es ermöglicht eine bis zu 70-prozentige steuerliche Absetzbarkeit für Investitionen und Spenden im Kultursektor von privaten Unternehmen. Das Gesetz stellt eine wichtige Reform im Bereich der Diversifizierung der Kulturfinanzierung dar (vgl. El Husseiny 2018; Ettijahat 2015: 17; IP 2 2014: 301–307, 309–313). Im November 2015 erfolgte die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zum Projekt Tunisia Balad El Fann (Deutsch: Tunesien Land der Künste) der zivilgesellschaftlichen Organisation Al Mawred al Thaqafy mit dem tunesischen

66

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Kulturministerium, welche als Errungenschaft im Bereich eines neuen Kooperationsansatzes zwischen Zivilgesellschaft und Staat im Kultursektor bezeichnet werden kann. Das Projekt zielte darauf ab, durch Workshops Training und Capacity Building für staatliche und zivilgesellschaftliche Kulturakteure von unabhängigen Vereinen und den staatlichen Kulturhäusern anzubieten (vgl. Ettijahat 2015: 17; Yazaji 2015). Im Januar 2016 wurde ein neues Gesetz mit Regularien zur Gründung von privaten, unabhängigen Kulturzentren verabschiedet. Diese Bereitstellung eines transparenten Rahmens ermöglicht und erleichtert das legale Agieren unabhängiger Kulturakteure, demnach fördert es die weitere Entwicklung des Kultursektors (vgl. Ettijahat 2017: 11). Im August 2016 verabschiedete die Regierung das City of Arts-Programm, welches Dezentralisierung im Kultursektor fördert (vgl. ebd.: 17). Im Januar 2017 wurde ein Gesetz zum künstlerischen Beruf präsentiert, welches u. a. die Definition des Künstlers und Künstlerberufs, Künstlerrechte und Verträge, Sozial- und Krankenversicherung, Berufskarte und Steuerzahlungen regelt (vgl. ARCP 2017; Ettijahat 2018: 15 f.). Diese Reformbestrebungen des Kulturministeriums bezüglich des rechtlichen Status des Künstlers sind prioritäre Aufgabe im Transformationsprozess, um den Status des Künstlers in der Gesellschaft als „Innovator, Ideengeber und Initiator des Dialoges“ (L’art rue 2016: 20, Übersetzung der Autorin) zu fördern.19 Der neue Gesetzentwurf wurde wie folgt kommentiert:

19Der

mangelnde rechtliche Status des Künstlers und die Abhängigkeit von staatlichen Behörden stellen seit langem ein Defizit im Kultursektor dar. Mit einem seit den 1960er Jahren etablierten Verfahren wird der Künstlerstatus mit der Berufskarte, einer Professional Licence, nachgewiesen (Gesetznummer 1969-32) (vgl. Mtimet 2014). Unter der Diktatur ermöglichte die Berufskarte die Kontrolle, Überwachung und Reglementierung von Künstlern. Sie wird vom Kulturministerium für die Bereiche Theater, Musik und Bildende Kunst ausgestellt und besitzt eine Gültigkeit von drei bis fünf Jahren. Andere Sparten und Amateurkünstler sind nicht zur Beantragung berechtigt und werden demnach ausgeschlossen. Auch die Prüfungsverfahren zur Ausstellung werden stark kritisiert. Durch den eingeschränkten Zugang zur Berufskarte ist eine Sozialversicherung (Gesetznummer 2002-104), welche im Jahr 2002 eingeführt wurde, für viele Künstler kaum möglich, da die Berufskarte Voraussetzung für die Konditionen für Künstler ist, welche mit elf bis 15 Prozent Selbstbeteiligung, gemessen an den Einnahmen, berechnet wird. Darüber hinaus sind kontinuierliche Beitragszahlungen für viele Künstler nicht möglich. Bedingt durch die existierenden Hürden können nur wenige Künstler die Künstlersozialversicherung in Anspruch nehmen (vgl. Aboudi 2013: 33 f.; L’art rue 2016: 16 f., 23).

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

67

„Der Text enthält eine weit gefasste Definition der Berufe im Kulturbereich, fördert die Rechte an geistigem Eigentum, schafft einen klaren sozialen Rahmen für Künstler und überprüft den Zugang zum Beruf, um die in der Vergangenheit aufgetretenen Abweichungen, insbesondere bei der Erteilung des Berufsausweises, zu vermeiden. Schließlich sieht der Text Möglichkeiten zur Vertretung der Akteure im Kunst- und Kulturbereich vor, um ihre Beteiligung an der Formulierung der öffentlichen Politik und an der politischen Debatte zu erleichtern.“ (L’art rue 2016: 19, Übersetzung der Autorin)

Die Vorbereitungen zu diesem Gesetz wurden maßgeblich seit 2016 von zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Tunisian National Cultural Policy Group (NCPG) getragen. Im August 2016 wurde durch das Bildungsministerium in einem öffentlichen Forum, ein Entwurf für das Gesetz unter der Beteiligung von 200 unabhängigen Kulturakteuren diskutiert (vgl. ARCP 2016b). Hierbei fällt auf, dass dies nicht durch das Kultur- sondern durch das Bildungsministerium erfolgte.

4.2.5 Kunstfreiheit als kulturpolitischer Indikator Unter der Diktatur in Tunesien existierten politische Zensurmechanismen.20 Für künstlerische Aktivitäten mussten offizielle Genehmigungen beim Kulturministerium eingeholt werden (vgl. L’art rue 2016: 16 f.). Viele Kulturveranstaltungen wurden nicht genehmigt und künstlerische Aktivitäten im öffentlichen Raum wie auch Fotografieren und Filmen waren nicht erlaubt. Somit erfolgte eine strategische Marginalisierung einiger Künstler: „It was a system with a few artists that are kind of friends of the regime. They had the opportunities to travel and to make exhibitions outside [of the country], but they were not good artists. And the others were considered as non-existent. So we considered also the Minister of Culture as not existing.“ (IP Ben Soltane 2013: 80–83)

Die starke staatliche Kontrolle von Künstlern in der Liberalisierungsphase führte, über die politische Zensur hinaus, auch zu interner Selbstzensur und einer geringen öffentlichen Präsenz (vgl. Belgacem 2010: 206; Ben Soltane 2012: 216 ff.; Bruckbauer, Triki 2012: 19 f.; Dussollier 2012: 27; L’art rue 2016: 24; Ounaina 2012a: 9; Ounaina 2012b: 184; Triki 2013: 313). Trotzdem konnten Wege und Möglichkeiten zur Kunstproduktion entwickelt werden:

20Zur

Geschichte der Zensur in Tunesien siehe Ounaina 2012b: 182 ff.

68

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018 „Uns wurde klar, dass wir zwar in einer Diktatur leben, aber deshalb nicht handlungsunfähig sind. Wir müssen uns in Acht nehmen, aber wir können trotz der Unterdrückung etwas erreichen. Und dabei ist es nicht relevant, um welche Künste es geht, es geht um das Miteinander.“ (Chebli 2013: 175) „Die Künstler/innen zeigten daher ihre Kunst in Galerien oder Veranstaltungssälen im Land oder auch im Ausland, wobei sie teilweise Metaphern verwendeten, um die politische Zensur zu umgehen, beziehungsweise eine völlig unpolitische Kunst entwickelten.“ (Machghoul 2012: 130)

Darüber hinaus argumentiert Norton, dass Unterdrückung und die Abwesenheit der Meinungsfreiheit ebenso auch zur Entstehung von wichtigen Kulturorganisationen in Tunesien führten, die unter der Diktatur als alternative Orte abseits des Staates fungierten (vgl. Norton 1995: 17 f.). Mit dem Zusammenbruch der Diktatur und den Umbrüchen 2010/11 entfiel größtenteils die staatliche Kontrolle über den Kultursektor. Doch die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Zensur existierte keineswegs nur während der Liberalisierungsphase. Gerade in der Transitionsphase stellte die noch nicht vollständig gewährleistete Kunstfreiheit einen zentralen Aspekt dar (vgl. Bousquet 2012; Ounaina 2012a: 9). Insbesondere in den Jahren von 2011 bis 2013 waren Künstler und Kulturprojekte vermehrt Attacken und Angriffen ausgesetzt (vgl. Aboudi 2013: 6, 25; Helly 2014: 6), welche die Kunstfreiheit bedrohten. Beispielhaft sind die Vorkommnisse während des Printemps des Arts im Juni 2012 zu nennen, einer jährlichen Ausstellung im Palais Al Abdelliya in La Marsa, bei welcher religiöse Extremisten Kunstwerke attackierten und zerstörten, nachdem ein Imam einige Werke als blasphemisch bezeichnet hatte. Mehrere beteiligte Künstler erhielten Morddrohungen. Der amtierende Kulturminister Mabrouk unterstützte die Künstler nicht, ließ den Ausstellungsort schließen und die Organisatoren anklagen. Er vertrat die Meinung, Kunst solle schön, aber nicht revolutionär sein (vgl. Abrougui 2012; Binder, Haupt 2012; Bruckbauer, Triki 2012: 22; Claes 2013: 4; Downey 2014: 31 f., 38). Ouissi und Ouissi resümieren hierzu: „What a paradox to assert today that it is even more difficult than yesterday [before the uprisings] to be an artist in Tunisia!“ (Ouissi, Ouissi 2012: 6). Die bereits unter der Diktatur ausgeübte politische Zensur war weiterhin präsent, indem das Eingreifen des Staates in den Kultursektor in der Transitionsphase zeitweise wieder zunahm (vgl. Bousquet 2012; Ounaina 2012a: 9). Nach den Umbrüchen entstand darüber hinaus eine neue Form gesellschaftlicher Zensur, teilweise auch als „moralisch-religiös“ (Marcus 2016; vgl. Ounaina 2012a: 9) bezeichnet. Ounaina sieht die politische Zensur nach den Umbrüchen als weniger stark an, gesellschaftliche Zensur hingegen als „noch schwerwiegender, denn […] [dieser Zensurtyp] ist strukturell bedingt und mit dem

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

69

gesellschaftlichen Status des Bildes verbunden“ (Ounaina 2012b: 196; vgl. ebd.). Interne Selbstzensur ist nach den Umbrüchen weniger präsent. In der Konsolidierungsphase existieren weiterhin Einschränkungen der Meinungsfreiheit, obwohl theoretisch eine legislative Garantie implementiert ist. Bezogen auf die gesamte arabische Region wird Meinungsfreiheit sukzessive vernachlässigt und kaum gefördert (vgl. Ettijahat 2017: 6 ff.): „Although Tunisia ranks better than any Arab country on freedom scores, there are serious limitations to freedom of expression and the media. Journalists, bloggers, artists, and intellectuals are prosecuted for defamation, committing offenses against state agents, and harming public order“. (Masri 2017: 82)

Einen spezifischen Bereich der Meinungsfreiheit stellt die Kunstfreiheit dar, wie Recki konstatiert: „Kultur [fungiert] als die Sphäre menschlicher Selbstverwirklichung […] – und damit als Ort der Realisierung von Freiheit. Die Politik, in welcher der ausgezeichnete Bereich der Handlungsfreiheit zu sehen ist, dient zugleich deren institutioneller Sicherung. In der Kunst und der ihr angemessenen ästhetischen Einstellung ist der Bereich der spielerischen Erprobung von Freiheit zu sehen.“ (Recki 2009: 87)

Im Transformationsprozess Tunesiens, insbesondere in der Transitionsphase, ist der Stand der Kunstfreiheit ein kulturpolitischer Indikator für den Stand der Meinungsfreiheit, wie Yazaji beschreibt: „Art proved to be an effective platform to inspire and promote freedom of expression and innovation among long-stifled Tunisians. However, the fight for freedom of expression is not over. It remains an important struggle in Tunisia and the region“ (Yazaji 2015). Einschränkungen im Bereich der Kunstfreiheit sind ebenso relevante Einschränkungen im Bereich der Meinungsfreiheit. Die Garantie der Kunstfreiheit ist ein zentrales Kriterium im Transformationsprozess, welches jedoch nicht allein durch gesetzliche Absicherung implementiert werden kann.

4.2.6 Dilemmata von Kulturpolitik in  Transformationsprozessen Die Erarbeitung und Implementierung einer konzeptbasierten und langfristig ausgerichteten Kulturpolitik, basierend auf transparenten Verfahrensweisen, stellt ein Dilemma im Transformationsprozess dar, da alte Eliten und Strukturen weiter dominant bleiben. Die implementierten Reformen vernachlässigen wichtige

70

4  Transformationsprozesse in Tunesien 2010–2018

Aspekte, wie Maßnahmen für zivilgesellschaftliche Akteure, die Förderung künstlerischen Ausdrucks oder die Etablierung neuer Finanzierungsmechanismen (vgl. Aboudi 2016: 7). Die Herausforderungen für die Umsetzung der Reformen sind die Abwesenheit von relevantem Fach- und Praxiswissen, um neue kulturpolitische Konzepte zu etablieren, der erhöhte Finanzbedarf sowie der Generationenkonflikt. Letzterer bezieht sich darauf, dass alte Eliten Entscheidungen für die junge Generation, welche nach den Umbrüchen verstärkt im Kultursektor vertreten ist, treffen (vgl. ebd.: 8). Ein weiteres Dilemma ist die Kontinuität der Finanzierungsmechanismen. Ein Großteil des öffentlichen Budgets fließt in die existierende öffentliche Infrastruktur oder große staatliche Festivals (vgl. Aboudi 2013: 40; Mtimet 2014).21 Neu entstandenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und neuen Projekten steht aus diesem Grund nur ein kleiner Anteil zur Verfügung. Ebenso existiert eine starke Abhängigkeit freier zivilgesellschaftlicher Akteure von der öffentlichen Kulturfinanzierung, da kaum eine Diversität in den Finanzierungsmöglichkeiten, beispielsweise durch den Privatsektor, zu verzeichnen ist (vgl. Aboudi 2015: 11; Ettijahat 2017: 25; Helly 2014: 7). Zivilgesellschaftliche tunesische Kulturakteure sind demnach gezwungen, sich in das etablierte tunesische staatliche System einzufügen, um finanzielle Unterstützung zu bekommen. Sie bemängeln das Fehlen einer tatsächlichen künstlerischen Freiheit (vgl. Ettijahat 2017: 25): „From the perspective of cultural dynamics, the excessive dependence on public funding in the cultural production and in artists and cultural associations may reduce, directly or indirectly, the level of artistic independence of the creator and of various players in the culture sector as a result of the strong material link with the State or the governing system (valid for any political framework). This may cause a reduction in the richness and the diversity of cultural expressions in the framework of compromise that is set between the creator and the authority. In fact, the cultural enterprise (as an artist or as a private structure) in Tunisia needs new mechanisms of funding that take in consideration the specificities of the financial cycle in cultural production and that can reinforce the relative independence from public funds controlled by political intentions“. (Aboudi 2013: 40)

21Beispielsweise

beschränkt sich die staatliche Künstlerförderung hauptsächlich auf die Aspekte Produktion und Förderung durch finanzielle Zuwendungen (z. B. Reiseunterstützung, Übernahme von Teilnahmegebühren). Hauptinstrument sind allgemeine und spartenspezifische finanzielle Zuwendungen. Hinzu kommen Preise und Stipendien (vgl. Aboudi 2013: 45 f.).

4.2  Kulturpolitische Transformationsprozesse

71

Institutionsaufbau und -reformen stellen darüber hinaus ein Dilemma dar. Die grundlegenden Strukturen von unter der Diktatur entstandenen staatlichen Institutionen existieren im Transformationsprozess unverändert oder nur partiell verändert weiter und das Agieren erfolgt oftmals nach vorrevolutionären Mechanismen, wie beispielsweise das Kulturministerium, Kulturhäuser, Museen und Theater (vgl. ebd.: 43, 55; El Husseiny 2016: 59). Durch die lange zurückliegende Phase der Institutionenbildung (1957–1987), wie z. B. der Aufbau der Kulturhäuser (vgl. Aboudi 2013: 43), ist auf staatlicher Seite eine gewisse Stagnation zu verzeichnen.22 Das Kulturministerium nimmt im Transformationsprozess aufgrund mangelnder Kontinuität und mangelnder Prioritätensetzung überwiegend eine schwache Rolle ein: „[T]he Ministry is more an ‚assistance agency‘ than a policy-making body“ (Helly 2014: 8). Die Kulturpolitik ist durch die Fluktuation der Kulturminister und ihrer Prioritäten stark personalisiert und unsystematisch (vgl. Dragićević Šešić 2015a: 222). Neue zivilgesellschaftliche Akteure agieren im Transformationsprozess in einem neuen Spannungsfeld zu existierenden Eliten und Strukturen. Ihr Agieren zählt zum Bereich impliziter Kulturpolitik, welche auf bottom-up-Prozessen durch die Zivilgesellschaft basiert und im Transformationsprozess wichtige Funktionen abseits der expliziten Kulturpolitik übernimmt. Im kulturpolitischen Bereich üben im Falle Tunesiens eher Einzelakteure aus der Zivilgesellschaft statt Organisationen Einfluss aus.

22Die Kulturhäuser (Maisons de la Culture) operieren landesweit mit dem Auftrag, Kulturproduktion zu fördern und Zugänge zu Kunst und Kultur zu ermöglichen (vgl. Mtimet 2014). Doch wie Aboudi und Mtimet bestätigen, wird dieser Auftrag kaum erfüllt trotz des großen Budgets und der großen Anzahl an Institutionen (vgl. Aboudi 2013: 55; Mtimet 2014).

5

Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

In diesem Kapitel wird zu Beginn eine Definition von Kulturaktivismus vorgenommen (Abschnitt 5.1). Nach der Vorstellung der Untersuchungsbeispiele der drei Kunstfestivals (Dream City, De Colline en Colline, Interference) in Kurzprofilen (Abschnitt 5.2.1, 5.2.2 und 5.2.3), erfolgt die Analyse spezifischer Aspekte der Kunstfestivals (Entstehung, Agenda, Methoden, Defizite staatlicher Kulturpolitik) im Transformationsprozess (Abschnitt 5.3, 5.4, 5.5 und 5.6). Abschließend werden die Ergebnisse im Abschnitt 5.7 Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus und gesellschaftspolitischen Entwicklungen resümieren dargestellt.

5.1 Kulturaktivisten als gesellschaftspolitische Akteure Um künstlerisches Handeln und Kulturakteure in Transformationsprozessen zu beschreiben, werden unterschiedliche Begrifflichkeiten und Definitionen verwendet, die meist über den klassischen Begriff des Künstlers hinausgehen. In Bezug auf die arabische Region findet sich insbesondere eine Verwendung englischer Begriffe wie cultural activists (vgl. British Council 2012: 5, Dragićević Šešić, Dragojević 2005: 11; Knoblich 2015: 56), cultural operators as activists (vgl. Xuereb 2013: 220), citizen activism (vgl. Jensen, Miszlivetz 2014: 46), social activism (vgl. Deane 2013: 16; Spath u. a. 2014: 105) oder artivism (vgl. Baladi 2013: 126). Gemeinsamkeiten dieser genannten Begriffe sind die meist informellen Handlungsweisen der Akteure und ein Einsatz für bestimmte Ziele und Absichten, die häufig gesellschaftspolitische Dimensionen aufweisen. Bei den Akteuren ist die Überzeugung eines existierenden Veränderungspotentials und eines gewissen Handlungsspielraums vorhanden (vgl. Becker 2013). Deane © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_5

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

konstatiert die Notwendigkeit von neuem Aktivismus im Kontext des tunesischen Transformationsprozesses: „The Tunisian revolution required social activists to bridge existing divisions between non-state actors and activists and to bond around the demand for regime change, in order to generate a spirit of solidarity“ (Deane 2013: 16). Auch Spath u. a. schreiben sozialem Aktivismus in der arabischen Region eine zentrale Rolle im Transformationsprozess zu: „Civic participation is at the centre of discussions on the changing nature of politics in the Arab world […]. Social activism in the region, particularly in relation to the region-wide uprisings, is often understood in terms of its ability to bring about democratisation or regime change. Consequently perceptions of civil society are two-fold, referring either to election-related activities or to contentious events such as strikes and protests. The result is a stereotyped image of social activism in Arab countries labeled as either weak and ineffective or as riotous and erratic.“ (Spath u. a. 2014: 105)

Sozialer Aktivismus ist ein breit definiertes Phänomen und der konkrete Einfluss schwierig zu messen. Boufrikha und Jerba kritisieren beispielsweise das Konzept von zivilgesellschaftlichem Handeln aufgrund seiner Fragilität durch schwache Organisationsformen der Akteure im Transformationsprozess (vgl. Boufrikha, Jerba 2014: 114). Aktivismus zeichnet sich durch eine hohe Diversität der spezifischen Formen und einzelnen Akteursgruppen aus, wie Boufrikha und Jerba am Beispiel von Tunesien darlegen: „Some are conservative currents, and others are liberal. Some are ideological and others are more pragmatic. Some seek to ensure a level of societal continuity and others are calling for a model that breaks with the entire post-independence heritage. It is important that in light of this dynamism and the bewildering change that some events are undergoing, we can understand the dynamics that led to the current landscape in Tunisia.“ (ebd.: 113)

Sowohl kollektives Handeln als auch individuelles Handeln ist Teil von Aktivismus (vgl. Becker 2013). Beiden werden Potenziale im Transformationsprozess zugeschrieben, wie der Anna Lindh Report 2014, eine große repräsentative Umfrage in 13 euro-mediterranen Ländern, darlegt. Die größte Gruppe der Befragten (38 Prozent) konstatiert, durch individuelles Handeln am effektivsten gesellschaftliche Probleme lösen zu können. 16 Prozent der Befragten bewerten die Nutzung sozialer Medien und weitere 16 Prozent der Befragten das Engagement in sozialen Bewegungen als effektivste Methode. Engagement in politischen Parteien (6 Prozent), religiösen Gruppierungen (6 Prozent) und Nichtregierungsorganisationen (4 Prozent) werden hingegen als weniger relevant ein-

5.1  Kulturaktivisten als gesellschaftspolitische Akteure

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geschätzt (vgl. Anna Lindh Foundation 2014: 114).1 Demnach sehen die Akteure einen Handlungsspielraum im Transformationsprozess, u. a. durch individuelles und kollektives Handeln in sozialen Bewegungen. Ausgehend von diesen Definitionen von sozialem Aktivismus wird deutlich, dass Aktivismus aufgrund unterschiedlicher Organisationsformen und Zielstellungen kaum unter einer Definition zusammengefasst werden kann. Aus diesem Grund werden neue Definitionen benötigt, welche die neuen Phänomene und Ansätze im Transformationsprozess beschreiben (vgl. Jensen, Miszlivetz 2014: 46). Zur Analyse der Kunstfestivals wird in dieser Forschungsarbeit die spezifische Form von Kulturaktivismus (Englisch: Cultural Activism) neu definiert. Kulturaktivismus zielt darauf ab, mit künstlerischen Herangehensweisen zu einem gesellschaftspolitischen Wandel beizutragen. Hierzu zählt nicht nur Widerstand unter der Diktatur, sondern auch eine gesellschaftspolitische Agenda und aktive Mitgestaltung, wie im Rabble Wörterbuch definiert: „Cultural activism is a mash up of artistic expression and activism grounded in the need for social justice and political change. These performances and direct actions focus on creating social change by working outside of structured organizing. It plays directly off of shared cultural beliefs, questioning and spoofing ideas that are taken as ‚natural‘. It reflects the unique culture, creative sensibilities and experiences of the activists involved. Rather than placing an issue at the centre of a campaign, cultural organizing focuses on art and culture. Activists can then use the shared tools of their community like language, tradition and stories to fight oppression.“ (Rabble 2019)

Kulturaktivisten nehmen eine aktive Rolle im gesellschaftspolitischen Transformationsprozess ein, wie Baladi und Akteure des Kairoer Forums Culture & Politics bezugnehmend auf die arabische Region konstatieren: „Dieser künstlerische Diskurs ist keine politische Kunst, wie wir sie kennen, sondern eine Form von Kunst, die ich ‚Artivism‘ nenne. Wie die Collage zwischen den beiden Weltkriegen wurde sie aus der Notwendigkeit heraus geboren, dem bestehenden System etwas entgegenzusetzen (dem politischen System […]). Kunst als Waffe gegen den repressiven Staat.“ (Baladi 2013: 126)

1Darüber

hinaus antworteten elf Prozent der Befragten mit ‚Nein‘ und drei Prozent mit ‚Ich weiß nicht‘ (vgl. Anna Lindh Foundation 2014: 114).

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus „[C]ultural activists in Tunisia, Egypt and other places have embarked on direct political action. Many artists and cultural activists have crossed the line and are directly involved in the political process. The ‚social function‘ of art becomes prevalent and is gaining ground.“ (Coalition pour la Diversité des Expressions Culturelles 2011)

Im Transformationsprozess erfolgt durch die neue gesellschaftspolitische Einflussnahme eine Erweiterung des klassischen Künstlerbegriffs2 hin zum Begriff des Kulturaktivisten, wie Keroui hervorhebt: „Ein Künstler muss sich auch mit Menschen und Gesellschaften auseinandersetzen, denn seine Definition von ‚schön‘ ist nicht nur ästhetisch und/oder kontemplativ, er ist ebenso auch ein Bürger“ (L’art rue 2016: 12, Übersetzung der Autorin). Der Künstler Ben Soltane beschreibt ebenso einen neuen gesellschaftspolitischen Auftrag: „Künstler haben die Macht, eine entscheidende Rolle in unserem Land zu spielen. […] Der Künstler [soll sich] in das Leben seines Landes integrieren können und nicht am Rand bleiben. Kunst ist in der Lage, die Gesellschaft voranzubringen, weil sie Werte und Mentalitäten beeinflusst und sich nicht nur über Zahlen definiert.“ (L’art rue 2016: 11, Übersetzung der Autorin)

Die Künstlerin Rouissi verortet sich als Akteurin im gesamten Transformationsprozess: „Wir mussten also die Dinge in die Hand nehmen und ich sagte mir, jetzt oder nie ist die Gelegenheit, jetzt, wo wir eine Öffnung haben, müssen wir [Künstler] anders arbeiten“ (IP Rouissi 2018: 80–81, Übersetzung der Autorin; vgl. ebd. 85–87). Ben Soltane beschreibt, dass Künstler „viele Rollen“ (L’art rue 2016: 14, Übersetzung der Autorin) einnehmen und Bruckbauer betont ebenso die multidimensionalen Rollen im Transformationsprozess:

2Eine

in Tunesien verwendete Definition fasst unter dem Begriff des Künstlers professionelle Künstler zusammen, welche Kunstwerke produzieren und dies als Hauptbeschäftigung und Einkommensquelle ausüben. Einer professionellen Ausbildung wird hierbei keine Rolle zugeschrieben, auch Amateure und Autodidakten werden als Künstler definiert. Zusätzlich zum allgemeinen Begriff des Künstlers existieren spezifischere Bezeichnungen je nach Sparte (z. B. Musiker und Bildhauer). Darüber hinaus wird die Ambivalenz des Begriffes hervorgehoben. Die Bezeichnung Künstler diene auch dazu, Personen einzuordnen, zu bewerten und zu kritisieren, was insbesondere auf die Marginalisierung von Künstlern unter der Diktatur hinweist. Diese Definition wurde von tunesischen Teilnehmern der Veranstaltung Le statut de l’artiste en Tunisie. Droits humains, droits culturels et droits de l’artiste des Vereins L’art Rue in Kooperation mit dem Arterial Network verfasst, welche vom 12. bis 15.07.2016 stattfand (vgl. L’art rue 2016: 13 ff.).

5.1  Kulturaktivisten als gesellschaftspolitische Akteure

77

„At present, I do see the role of the artist as an energizer and a utopian agitator which wishes to change society. […] Thus they played the role of journalists, documentarists, archeologists, archivists, anthropologists and sometimes simply just as interlocutors and listeners. Others on the other hand were utopists who developed customized proposals for improvement and tried to break up the out-of-phase models of thinking.“ (Bruckbauer 2013: 17)

Deutlich wird, dass es sich um eine neue Akteursgruppe handelt, die sich im Transformationsprozess herausgebildet hat, mit der Motivation „to transform the artistic action, to give a new role to the artist“ (Ounaina 2012a: 9). Hierbei ist die Verwendung ästhetischer Mittel ein zentraler Aspekt von Kulturaktivismus: „Es gibt Menschen, die künstlerischen Aktivismus betrieben haben, um etwas anzuprangern. Wir glauben nicht daran, wenn es keine Ästhetik gibt, weil genau diese Ästhetik in der Lage ist, die Realität zu transformieren, eine kontextuelle Realität, aus der eine universelle Realität entsteht und genau das ist es, was Sinn macht – wenn es keine Ästhetik gibt, gibt es keinen Sinn. Wir sagen also kultureller Aktivismus, ja, aber es braucht wirklich eine ästhetische Absicht, das ist für uns entscheidend.“ (IP Dunoyer 2018: 390–396, Übersetzung der Autorin)

Ein entscheidender Faktor der Herausbildung dieser neuen Gruppe der Kulturaktivisten könnte in der Marginalisierung der Künstler vor den Umbrüchen unter der Diktatur liegen, wie El Husseiny argumentiert: „Vor der Revolution waren die meisten dieser Künstler und Intellektuellen sowie weitere Kulturschaffende der allgemeinen Öffentlichkeit unbekannt. Sie waren – einige seltene Fälle ausgenommen – keine Stars der kommerziellen Filmindustrie oder offizielle Koryphäen. Weder wurden sie von der staatlichen Medienmaschinerie unterstützt noch waren sie auf die Konferenzen und in die Seminare, die vom Kulturministerium organisiert wurden, eingeladen. Die meisten Künstler, die an der Revolution teilnahmen, wurden von den Möglichkeiten der Beschäftigung, der Medienpräsenz und der Mobilität, die die arabischen Kulturministerien so lange monopolisierten, ausgeschlossen.“ (El Husseiny 2016: 57 f.)

Kulturaktivisten schreiben sich selbst eine aktive Rolle im Transformationsprozess zu und verorten sich als neue gesellschaftspolitische Akteure. Der Begriff des Kulturaktivisten stellt demnach einerseits eine Erweiterung der klassischen Definition des Künstlers dar. Andererseits umfasst er eine weite Gruppe von Akteuren, die sich gesellschaftspolitisch engagieren, hierzu kreative Mittel und Formate nutzen, sich aber selbst nicht unbedingt als Künstler definieren oder nicht formal als Künstler ausgebildet sind. Der Begriff bleibt jedoch überwiegend eine Fremdzuschreibung, durch welche versucht wird, die neuen kulturellen

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Phänomene in Transformationsprozessen zu beschreiben. Die Akteure selbst bezeichnen sich meist weiterhin als Künstler, betonen jedoch den gesellschaftspolitischen Auftrag. Im Transformationsprozess ist Kulturaktivismus hauptsächlich nicht-institutionell im Bereich des individuellen (z. B. Einzelkünstler) und kollektiven Engagements (z. B. Künstlergruppe, Kulturverein) vorzufinden. Die Akteure der in dieser Arbeit untersuchten drei Kunstfestivals verorten ihr Handeln als Kulturaktivismus.3

5.2 Kunstfestivals als Formate Die besondere Situation des politischen Umbruchs stellt einen Katalysator, eine „sprudelnde Atmosphäre“ (IP Rouissi 2018: 87, Übersetzung der Autorin), für Kreativität und künstlerische Ausdrucksformen dar, welche zu einer spezifischen neuen gesellschaftspolitischen Verortung der Künstler führt. Im Transformationsprozess ist, insbesondere nach den Umbrüchen, eine starke Zunahme künstlerischer Aktivitäten zu verzeichnen (vgl. IP Amara 2013: 56–57; IP Dunoyer 2013: 123). Der öffentliche Raum spielt hierbei eine zentrale Rolle. Künstler verfolgen im Transformationsprozess u. a. folgende Zielsetzungen: (1) Kritik, Protest und Widerstand durch künstlerische Interventionen; während der Diktatur erfolgte dies meist subversiv und im Untergrund, (2) Reflexion und Dokumentation sowie (3) Vermittlung und gesellschaftspolitische Mitgestaltung durch die Initiierung künstlerischer Projekte. Kunstfestivals, sowohl öffentliche als auch unabhängige, sind in Tunesien eine renommierte Form von Kulturproduktion und -vermittlung (vgl. Belgacem 2010: 218; Bouquerel, El Husseiny 2009: 98).4 Im Transformationsprozess entstehen

3Hierzu

wird in Abschnitt 5.7 Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus und gesellschaftspolitischen Entwicklungen die politische und gesellschaftliche Dimension von Kulturaktivismus dargestellt. 4Beispiele sind die jährlich stattfindenden staatlichen Theater- und Filmfestivals Journées théâtrales de Carthage und Journées cinématographiques de Carthage oder das unabhängige Festival Dream City. Auf den Journées théâtrales de Carthage im Jahr 2015, welche sich thematisch Theater und Menschenrechten widmeten, wurde die Carthage Declaration on the Protection of Artists in Vulnerable Situations von zahlreichen Kulturakteuren unterzeichnet. Sie wurde von der tunesischen Regierung anerkannt sowie den Vereinten Nationen präsentiert und ebenso von der UNESCO im Bericht Reshaping Cultural Policies 2018 honoriert (vgl. Rdiss, Bousselmi, Jammoussi 2015; UNESCO 2017: 217).

5.2  Kunstfestivals als Formate

79

unabhängige Kunstfestivals im öffentlichen Raum, die sich aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer Temporalität spezifisch neu verorten, wie Teissl beschreibt: Festivals und „[f]estivaleske Veranstaltungen fungieren als Zwischenreich zwischen Kunstwerk und Publikum, sie verdichten, schaffen Plattformen und sind Gestalter der Beziehung zwischen Kunstwerken, Kunstschaffenden und Publikum. Durch diese Funktionen konzipieren sie regionale, nationale und internationale Räume mit, prägen Kulturbegriffe und Kunsterfahrungen, tragen zur kulturellen Bildung und zum internationalen Austausch bei. Sie sind sensible Gebilde an der Schnittstelle der drei kulturwissenschaftlichen Raumbedeutungen: dem politischen, dem historischen und dem soziologischen Raum.“ (Teissl 2013: 19 f.) Kunstfestivals erfüllen „eine besondere Aufgabe […], indem sie einen inszenierten Ausnahmezustand, Aufmerksamkeitsdichte und weiträumige Netzwerkstrukturen herstellen. Durch diese Besonderheiten sind sie weniger von den Dynamiken eines nationalen Marktes abhängig und unterstützen in hohem Maße die Weiterentwicklung von künstlerischen Formensprachen und gesellschaftspolitischen Diskursen.“ (Teissl 2013: 165)

Ebenso erfolgt durch Kunstfestivals eine gesellschaftspolitische Verortung, wie Leysen definiert: „Ein Festival muss darüber nachdenken, wie es sich zum kulturellen Angebot einer Stadt, zu den gesellschaftspolitischen Problemen eines Landes verhält. Es kann das Vorhandene ergänzen oder sich komplementär dazu verhalten, auf Lücken hinweisen und versuchen, diese punktuell zu schließen.“ (Leysen 2014)

Ausgehend von dieser Definition wird im Folgenden anhand von drei Kunstfestivals in Tunesien (Dream City, De Colline En Colline, Interference) untersucht, wie sich intendiertes und nicht-intendiertes zivilgesellschaftliches Handeln und die damit verbundene gesellschaftspolitische Agenda in einem Transformationsprozess gestalten. Alle drei Festivals verfolgen eine gesellschaftspolitische Agenda im Transformationsprozess und finden im öffentlichen Raum über einen Zeitraum von zwei bis fünf Tagen statt. Sie sind interdisziplinär ausgerichtet und involvieren sowohl tunesische als auch ausländische Künstler und Akteure. Als Rechtsform wird in der Regel ein Verein gewählt. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer spezifischen Ausrichtung und Genese sowie dem Entstehungszeitpunkt. Dream City fand in den Jahren 2007, 2010, 2012, 2013, 2015 und 2017 statt. De Colline en Colline wurde einmalig im Jahr 2013 durchgeführt und Interference wurde in den Jahren 2016 und 2018 implementiert. Dies ermöglicht die Analyse von Kunst-

80

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

festivals in allen drei Phasen des Transformationsprozesses: Liberalisierungsphase (bis 2011) (Dream City), Transitionsphase (2011–2014) (Dream City, De Colline en Colline) und Konsolidierungsphase (seit 2014) (Dream City, Interference).

5.2.1 Dream City Die vom tunesischen Verein L’Art Rue seit 2007 organisierte Biennale Dream City im öffentlichen Raum in der Medina von Tunis gilt als das größte zeitgenössische Kunstfestival in Nordafrika.5 Dream City wird von den tunesischen Initiatoren und Choreografen Ouissi und Ouissi als ein „Akt der Reflexion und Kreation über eine zeitgenössische Ästhetik und die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft“ (Dream City 2017, Übersetzung der Autorin) beschrieben. Die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Festivals ist von Beginn an ein Grundbestandteil des Konzepts. Im Jahr 2007 erfolgte das erste Dream City Festival trotz der schwierigen Bedingungen während der Diktatur wie beispielsweise Zensurmaßnahmen (vgl. Machghoul 2012: 132), mit dem Ziel, Alternativen für die Gesellschaft zu schaffen und eine Verbindung von Kunst und Bevölkerung zu realisieren (vgl. Beauvallet 2017). Selma Ouissi forderte im tunesischen Radio einen „friedlichen Marsch für die Rechte von Künstlern“ (Beauvallet 2017, Übersetzung der Autorin), die Übertragung des Radiobeitrags wurde jedoch live zensiert. Trotzdem konnte das Festival realisiert werden, indem die Arbeit im Untergrund organisiert und die Idee des Festivals über Mundpropaganda verbreitet wurde. Damit wurde trotz der Repressionen ermöglicht, die Öffentlichkeit zu erreichen (vgl. Beauvallet 2017). Dream City wurde 2007 offiziell von dem Verein Muzaq und dem Young Arab Theatre Fund produziert, ab 2012 übernahm der Verein L’art rue die Produktion, welcher sich erst im selben Jahr offiziell registrieren konnte (vgl. IP El Mekki 2018: 182–184; L’art rue 2012: 136; Muzaq 2007). Im Jahr 2017 nahmen vom 4. bis 8. Oktober 27 tunesische und ausländische Künstler und Künstlergruppen aus den Bereichen Tanz, Bildende Kunst, Video, Theater, Musik, Literatur und Performance am Festival teil. Auf individuellen Routen, sogenannten parcours, wurde der Besucher mit Pfeilen und Karten durch

5Festivaleditionen:

2007, 2010, 2012, 2013, 2015, 2017. Im Jahr 2013 wurde das Festival in Marseille und nicht in Tunesien implementiert, daher fließt dieses Jahr nicht in die Analyse ein (vgl. L’art rue 2013).

5.2  Kunstfestivals als Formate

81

die Medina an Orte mit künstlerischen Interventionen geleitet. Verlassene Häuser, ehemalige Herbergen, Dachterrassen, historische Denkmäler und die Straßen und Gassen der Medina wurden zu Schauplätzen des Festivals. Die Themen reichten von gesellschaftlichen und politischen Problemen wie der Auseinandersetzung mit marginalisierten Gruppen über die Zukunft der Medina bis zu Reflexionen über kulturelles Erbe. Das Programm wurde ergänzt durch öffentliche Diskussionsrunden, kostenlose Konzerte und Filmvorführungen. Ebenso wurde durch das kurze Residenzprogramm Dream Guests ausländischen Künstlern ermöglicht (Rimini Protokoll, Belaza, De Keersmaeker), temporär ihre Projekte vor Ort vorzubereiten (vgl. L’art rue 2017: 13). Der Eintritt zum Festival war kostenlos für die Bewohner der Medina sowie Kinder unter zwölf Jahren. Besucher zahlten zehn Dinar (ca. 3,30 Euro), Studierende sieben Dinar (ca. 2,40 Euro) pro Tag (vgl. ebd.: 16).6 Die Tickets konnten online oder in Verkaufsstellen vor Ort erworben werden. Ebenso existierte ein Tickethandel außerhalb offizieller Verkaufsstellen. Das Festival hatte 2017 ein Gesamtbudget von 600.000 Euro (vgl. IP Dunoyer 2018: 442), im Jahr 2007 startet es mit einer sehr viel kleineren Summe von 5.000 oder 10.000 Dinar (ca. 1.500 oder 3.000 Euro) (vgl. ebd.: 158). Die Implementierung erfolgte über eine Mischfinanzierung. Als Unterstützer wurden für das Jahr 2017 folgende Partner genannt: Foundouk el Atrien, Dorémail, Pâtisserie Sucré Salé, Dar Ben Gacem und Carlton. Partner der Konzerte war die Deutsche Botschaft in Tunis. Als weitere Festivalpartner wurden beispielsweise das Theatre National Tunesien, Bibliothèque Nationale de Tunisie und die deutsche Firma Knauf sowie Medienpartner genannt (vgl. L’art rue 2017: 6 f.).

5.2.2 De Colline En Colline Das Kunstfestival De Colline en Colline wurde von der tunesischen Künstlerin Rouissi initiiert und vom im Januar 2012 gegründeten tunesischen Verein 24h pour l’Art Contemporain (48 HPAC) in Kooperation mit dem Goethe-Institut umgesetzt (vgl. IP Rouissi 2018: 100). Als Kuratorinnen wurden die Österreicherin Bruckbauer und die Tunesierin Triki involviert. Die erste und einzige Edition des Festivals im März 2013 präsentierte in-situ Kunst im öffentlichen

6Diese

Zahlen sind aus dem Jahr 2017. Der Eintrittspreis des Festivals war verhältnismäßig günstig, im Vergleich dazu kostete der Eintritt für die renommierten Journées théâtrales de Carthage zwischen 50 und 70 Dinar.

82

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Raum von 23 Künstlern aus unterschiedlichen Ländern.7 Das Festival wurde an drei Wochenenden jeweils 24 Stunden auf drei ausgewählten bewohnten Hügeln in unterschiedlichen Regionen des Landes implementiert: in Sidi Bou Saïd, einem Künstlerdorf in der Nähe von Tunis, sowie in Takrouna und Chénini, Berberdörfern im Süden Tunesiens. Diese dezentrale Ausrichtung zeigte den Fokus des Festivals, kulturelle Events in abgelegenen Regionen Tunesiens durchzuführen. Die Orte zeichneten sich durch ihre unterschiedlichen Historien sowie anthropologischen und geografischen Faktoren aus. Der Schwerpunkt des Festivals lag auf der Förderung und Präsentation zeitgenössischer Kunst unterschiedlicher Sparten, wie Bildende Kunst, Theater, Tanz und Musik, sowie der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Leben in der ‚Höhe‘. Darüber hinaus zielte das Festival darauf ab, Zugänge zu Kunst für die Bevölkerung und Öffentlichkeit zu generieren, Interaktionsprozesse zwischen Künstlern und Bewohnern der Hügel sowie nationalen und internationalen Austausch zwischen Künstlern zu fördern (vgl. Association 24 h pour l’Art Contemporain 2012; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013a; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013b). Besucher zahlten einen symbolischen Eintritt von einem Dinar (ca. 0,50 Euro) und erhielten ein Programmheft. Für die Bewohner der Festivalorte war das Event kostenlos (vgl. Association 24 h pour l’Art Contemporain 2012; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013a; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013b). Das Festivalbudget betrug 80.000 Euro, hiervon wurden 40.000 Euro von der Europäischen Union und 40.000 Euro vom Goethe-Institut Tunesien bereitgestellt. Hinzu kamen Sachleistungen des Vereins, von Bürgern und Freiwilligen (vgl. IP Rouissi 2018: 217–231). Kooperationspartner des Festivals waren neben dem Goethe-Institut die Europäische Union, das tunesische Kulturministerium, das tunesische Tourismusministerium, die Gemeinde von Sidi Bou Said, die Gemeinde von Enfidha und das Gouvernement Tataouine (vgl. Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013a).

7Es

nahmen 15 Künstler aus Tunesien, vier Künstler aus dem arabischen Raum (Ägypten, Algerien, Iran, Marokko) und vier Künstler aus Europa (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich) teil (vgl. Association 24h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013b).

5.2  Kunstfestivals als Formate

83

5.2.3 Interference Das Festival Interference realisiert das erste Lichtkunstfestival in Afrika und zielt darauf ab, einen Zugang zu zeitgenössischer Kunst für die Bevölkerung zu ermöglichen sowie den öffentlichen Raum der Medina zu beanspruchen (vgl. IP Gharbi 2018: 7–8, 15–18; IP Pelz 2018: 3). Die künstlerische Leitung des Festivals liegt bei einem tunesisch-deutschen Team, der deutschen Kuratorin Pelz und dem tunesischen Architekten Gharbi. Interference wurde erstmals im Jahr 2016 umgesetzt und 2018 zum zweiten Mal durchgeführt. Das Festival agiert unter dem tunesischen Verein Collectif Creatif, der als Dachorganisation für viele kulturelle Projekte fungiert, die selbst über keine legal anerkannte Rechtsform verfügen. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Festivals ist, dass es ausschließlich nachts von 18 bis 24 Uhr in der Medina von Tunis implementiert wird, eine Zeit in der üblicherweise keine kulturellen Aktivitäten stattfinden (vgl. IP Gharbi 2018: 23–24). Mit einem communitybasierten Ansatz sieht sich das Festival an der Schnittstelle von Künstlern, Freiwilligen, Bewohnern der Medina und Institutionen (vgl. Interference 2018). Als weitere Ziele werden der Zugang zu internationalen Netzwerken und der Aufbau eines afrikanischen Netzwerks im Bereich Lichtkunst formuliert (vgl. IP Pelz 2018: 149–150, 169). An der zweiten Edition im Jahr 2018 nahmen vom 5. bis 9. September 40 tunesische und ausländische Künstler und Künstlergruppen teil. Das Festival zeichnete sich durch eine hohe Prozessoffenheit aus. Der Ansatz des Festivals basierte auf Nachwuchsförderung und Freiwilligenarbeit: Im Jahr 2016 haben sich insgesamt 200 Freiwillige bei der Realisierung engagiert. Teil des Festivals waren ebenso Trainings- und Fortbildungsmöglichkeiten, damit sich die Freiwilligen beispielsweise zu Kuratoren und Tourguides ausbilden konnten (vgl. Interference 2016; Interference 2018). Der Eintritt zum Festival war kostenlos, Spenden waren erwünscht. Im Jahr 2016 wurde das Festival ohne ein festes Budget realisiert, 2018 standen dem Festival 150.000 Dinar (ca. 46.000 Euro) zur Verfügung (vgl. IP Pelz 2018: 294). Kooperationspartner im Jahr 2018 waren beispielsweise ­NET-MED Youth, Association Internationale des Maires Francophones, US-Botschaft Tunis, Agence de Mise en valeur de patrimoine et de promotion culturelle, GAT Assurances, Heinrich-Böll-Stiftung, Institut Francaise und Culture Resource (vgl. Interference 2018).

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

5.3 Entstehung des Formats Kunstfestival 5.3.1 Kunstfestivals im Kontext der Politisierung Eine Schlüsseldimension ist die Entstehung des Ausdrucksformats Kunstfestival als Teil der Politisierung im Transformationsprozess. Indem Kunstfestivals als Formate entwickelt werden, zeigt sich, dass Kunstproduktion aus der Notwendigkeit heraus entsteht, etwas verändern und bewegen zu wollen mit dem Ziel die Gesellschaft mitzugestalten. Mit der Entstehung von Kunstfestivals findet eine Politisierung der Akteure im Transformationsprozess statt. Hierbei können zwei unterschiedliche Formen identifiziert werden, die sich je nach Transformationsphase unterscheiden: In der Liberalisierungsphase entstehen Kunstfestivals als Aktion gegen Zensur und eingeschränkte Meinungsfreiheit. Sie nehmen eine aktive Rolle ein und agieren meist subversiv. In den Transitionsund Konsolidierungsphasen ist die Entstehung überwiegend eine Reaktion auf strukturelle Defizite im Kultursektor zur Förderung der Kulturproduktion. Die Festivals nehmen nach dem Wegfall der Diktatur meist eine reaktive Rolle ein.8 Am Beispiel des Festivals Dream City, welches im Jahr 2007 in der Liberalisierungsphase entstand, wird die erste Form der Politisierung im Kontext der Kunstfestivals analysiert. Konkreter Auslöser von Dream City war ein Aufruf im Radio Tunis Chaîne Internationale (RTCI), bei dem Selma Ouissi alle Künstler zu einem friedlichen Marsch für den Status von Künstlern aufrief. Dieser Aufruf wurde live zensiert (vgl. IP Dunoyer 2018: 9–15). Diese Einschränkung der Meinungsfreiheit führte zur konkreten Entwicklung des Festivals, wie Dunoyer beschreibt: „Und dann haben sie sich gesagt, dass dies nicht möglich ist, dass der öffentliche Raum vollständig beschlagnahmt wird und dass wir nicht einmal das Recht haben, einen Spaziergang auf der Straße zu machen. In diesem Moment ist die Idee entstanden und wir haben beschlossen, ein Festival zu entwickeln, welches für die Bürger und auf der Straße stattfindet. Dream City war am Anfang genau dies, eine choreographierte, geführte Route für die Bevölkerung, bei dem sich Menschen treffen, wo es Wege gibt, auf denen Menschen ihre Energie von einem Kunstwerk zum anderen übertragen, indem sie sich kreuzen, miteinander sprechen und alles

8Dies

bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Entstehung von Kunstfestivals ausschließlich als Aktion und Reaktion erfolgt und sich auf die jeweiligen Phasen beschränkt. Im Fall der drei Festivals wurde dies jedoch so analysiert.

5.3  Entstehung des Formats Kunstfestival

85

tun, was die Diktatur verbietet. Tatsächlich war es das.“ (ebd.: 15–23, Übersetzung der Autorin)

Dieses Beispiel zeigt, dass Zensur in der Liberalisierungsphase eines Transformationsprozesses indirekt als Katalysator zur Entstehung von Kunstfestivals beitragen kann. Des Weiteren ist in dieser Phase aufgrund der eingeschränkten Meinungsfreiheit die Arbeit im Untergrund von Relevanz, da „der öffentliche Raum komplett beschlagnahmt ist“ (ebd.: 16–17, Übersetzung der Autorin). Die ersten Treffen zur Festivalorganisation fanden heimlich statt (vgl. ebd.: 24–25). Dunoyer beschreibt die Arbeit als großes Risiko und Herausforderung für die teilnehmenden Künstler der ersten Edition im Jahr 2007 (vgl. ebd.: 289, 304). Eine partielle Risikobereitschaft der Künstler war eine Voraussetzung in der Entstehungsphase. Ferner ist die Relevanz des Datums des ersten Festivals im Jahr 2007 besonders hervorzuheben. Die Eröffnung wurde am 7. November 2007 geplant, dem Tag des Putsches von Ben Ali im Jahr 1987, an dem die Polizei mit Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag beschäftigt war und somit nur wenig Kapazitäten zur Kontrolle und Überwachung hatte (vgl. Beauvallet 2017). In den Transitions- und Konsolidierungsphasen existiert eine zweite Form der Politisierung, in welcher Kunstfestivals als Reaktion auf strukturelle Defizite im Kultursektor entstehen, um Kulturproduktion zu ermöglichen, wie die Festivals De Colline en Colline und Interference zeigen. Rouissi beschreibt einen Mangel an Galerien und Museen als relevanten Faktor der Entstehung (vgl. IP Rouissi 2018: 26): „This event was a response to a real lack of infrastructures for contemporary art and for this sort of projects. A kind of laboratory for artists and the public space in Tunisia“ (Rouissi 2013: 15). Pelz nennt darüber hinaus fehlende Kuratoren in Tunesien und die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Kuratoren als Ansatzpunkt für Interference (vgl. IP Pelz 2018: 230–232).

5.3.2 Internationaler Austausch als Impulsfaktor In Bezug auf die Entstehung von Kunstfestivals in Transformationsprozessen zeigt sich, dass internationaler Austausch als Impulsfaktor eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess einnimmt. Dream City wurde von den tunesischen Künstlern Ouissi und Ouissi entwickelt, De Colline en Colline wurde von der tunesischen Künstlerin Rouissi konzeptioniert und Interference basierte auf einer gemeinsamen Ideenentwicklung der deutschen Kuratorin Pelz und dem

86

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

tunesischen Architekten Gharbi. Obwohl demzufolge die Ideen für die drei Festivals von Akteuren aus Tunesien entwickelt wurden (trotz der partiellen Mitentwicklung durch externe Akteure), war internationaler Austausch im Entstehungsprozess ein entscheidender Faktor. Dream City wurde im Kontext eines internationalen Austauschs entwickelt. Die beiden tunesischen Künstler Ouissi und Ouissi wurden im Jahr 2007 von der belgischen Festivalorganisatorin Leysen zu Meeting Points 5 eingeladen, einer Veranstaltung der in Brüssel ansässigen Organisation Young Arab Theatre Fund, die den Austausch zwischen Künstlern im arabischen Raum unterstützt. Meeting Points war ein Format, um Kunstfestivals in der Region zu fördern (vgl. Mophradat 2018).9 Diese Einladung stellte ein wichtiges Element für die Entstehung des Festivals Dream City dar (vgl. IP Dunoyer 2018: 156; IP El Mekki 2018: 160–162). Die beiden Künstler bekamen durch eine konkrete Frage einen konkreten Auftrag: „Wenn Sie etwas für Ihr Land tun müssten, was würden Sie tun?“ (IP Dunoyer 167–168, Übersetzung der Autorin). Dieser Auftrag führte zu einer Ermutigung der Künstler sowie der Entwicklung des Konzepts und der Methode für das Festival Dream City (vgl. IP Dunoyer 2018: 172–173). Die Entstehung des Festivals De Colline en Colline beschreibt Rouissi als endogene künstlerische Idee: „The idea for this event was born on the terrace of my studio in Sidi Bou Said. From this site I imagined an artistic and cultural connection between three heights in Tunisia. Sidi Bou Said, as it is already perched on a hill, is obviously the project’s first hill, followed by Takrouna and Chénini, two memorable sites.“ (Rouissi 2013: 14)

Bei dem Festival war überwiegend der internationale Austausch vor Ort in Tunesien von Relevanz. Dies zeigt sich darin, dass das Goethe-Institut in Tunesien wichtiger Ansprechpartner in der Entstehungsphase war und die ausländische, in Tunesien lebende Kuratorin Bruckbauer in den Entwicklungsprozess involviert war (vgl. IP Rouissi 2018: 87–92, 243–246). Beim Festival Interference war ebenso internationaler Austausch wichtiger Teil des Entstehungsprozesses. Die deutsche Kuratorin Pelz wurde aufgrund

9Meeting

Points 5 wurde an folgenden Orten implementiert: Alexandria, Amman, Beirut, Berlin, Brüssel, Damaskus, Kairo, Minia, Rabat, Ramallah, Tunis (vgl. Mophradat 2018).

5.3  Entstehung des Formats Kunstfestival

87

ihrer Expertise vom Goethe-Institut Tunesien für einen Workshop nach Tunis eingeladen:10 „I came with a workshop to Tunisia with the Goethe-Institut and the idea was about how to introduce, or how to strengthen creative economies in Tunisia and that links to what I am doing elsewhere what is professionalizing the arts or how to make a living with the arts“. (IP Pelz 2018: 188–192)

Es folgten über ein halbes Jahr mehrere Workshops mit Pelz, die sich an Künstler und Kuratoren richteten (vgl. ebd.: 194–196, 230). Der tunesische Co-Initiator des Festivals Gharbi war nicht Teil dieser Workshops, wurde jedoch durch einen Freund mit der Kuratorin Pelz in Kontakt gebracht, da er für das National Institute of Heritage arbeitete und inhaltliche Interessenüberschneidungen existierten (vgl. IP Gharbi 2018: 200–204). Kontakte und Netzwerke erwiesen sich im Entstehungsprozess als sehr relevant. Auf die vorausgegangenen Workshops aufbauend wurde im Jahr 2015 das Online Learning-Programm Flux zur Stärkung von Kooperationen zwischen Künstlern und Kuratoren initiiert, an welchem Gharbi dann teilnahm. Dieses Programm dauerte drei Monate und schloss mit einer einwöchigen Produktionsphase vor Ort ab (vgl. IP Gharbi 2018: 240; IP Pelz 2018: 241–242). Als konkreten Auslöser für die Festivalentwicklung beschreiben Gharbi und Pelz Spaziergänge durch die Medina: „That was maybe one of the first tours that I officially gave […] I think Bettina [Pelz] was the second or the third person to whom I showed the Medina in that form. It was more like a test tour. Back then I was working as an architect in the National Institute of Heritage but there was no expertise on guided tours in my department neither being in contact with visitors or foreigners. The visit started with Bettina [Pelz] asking ‚From when is the gate of Beb Bahr?‘ and ended by me offering a quick night tour for the next day. This was the triggering experience, by the end of the night tour we were having dinner and talking about the idea of investing the empty night streets of the Medina with light artworks.“ (IP Gharbi 2018: 207–216) „I came back in the night and I liked that because it was deserted, because I like to work in off spaces, so I think it’s more interesting to do something unexpected than expected and that’s how it started.“ (IP Pelz 2018: 221–223)

10Zur

Analyse der Rolle des Goethe-Instituts in der Projektgenese und -implementierung der Kunstfestivals siehe Abschnitt 6.4 Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation.

88

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Darüber hinaus wurde der Austausch mit dem Lichtkunstfestival Lichtungen in Hildesheim und die Einladung tunesischer Akteure nach Deutschland als wichtiges Element für die Entstehung das Festival beschrieben (vgl. IP Gharbi 2018: 225– 226; IP Pelz 2018: 311). Neben dem Spaziergang durch die Medina waren für den Entstehungsprozess auch andere Formate relevant, wie Workshops, Online Learning-Programme, Ausstellungen, Künstlerresidenzen und Gespräche. Darüber hinaus waren mehrere Phasen des Austauschs zentral (vgl. IP Pelz 2018: 244–261). Internationaler Austausch ist als Katalysator und Vehikel für die Entstehung kultureller Formate im Transformationsprozess sehr relevant. Impulsfaktoren durch internationalen Austausch, zirkuläre Prozesse mit unterschiedlichen Formaten und Netzwerkbildung stellen zentrale Elemente im Entstehungsprozess von Kunstfestivals dar. Insbesondere personeller Austausch ist ein entscheidender Faktor. Ein weiterer Aspekt ist die im biografischen Kontext verankerte internationale Erfahrung der Festivalinitiatoren. Ouissi und Ouissi sind nach dem Tanzstudium in Frankreich und Belgien zurück nach Tunesien gekommen (vgl. IP Dunoyer 2018: 2–3), Rouissi lebt zwischen Tunis und Brüssel (vgl. Rouissi 2019), Pelz ist international als Festivalkuratorin tätig und Gharbi nahm an internationalen Austauschprojekten teil. Auch abseits des Entstehungsprozesses kann internationaler Austausch ein relevanter Aspekt für Kunstfestivals sein. So wurden Ouissi und Ouissi von Dream City im Jahr 2013 im Rahmen der Kulturhauptstadt Marseille-Provence 2013 eingeladen, einen Monat im sozial benachteiligten Stadtviertel L’Estaque in Marseille, zu arbeiten und die Methoden von Dream City im neuen Kontext zu implementieren (vgl. Guiot 2013: 10; Ouissi, Ouissi 2013). Diese Einladung des Kunstfestivals nach Europa stellte für die Festivalmacher eine bedeutende Errungenschaft dar: „Dies ist das erste Mal, dass tatsächlich eine Methodik aus dem Süden im Norden angekommen ist“ (IP Dunoyer 2018: 107–108, Übersetzung der Autorin). Darüber hinaus wurde für das Festival Dream City im Jahr 2015 der belgische Kurator Goossens von Ouissi und Ouissi nach Tunis eingeladen, um einen neuen Input in der Ausrichtung des Festivals umzusetzen. Er übernahm als Vermittler eine Brückenfunktion zwischen Europa und Tunesien, insbesondere auch bezüglich ausländischer Finanzierung für das Festival (vgl. ebd.: 144–146, 149–150).

5.4  Demokratisierung als gesellschaftspolitische Agenda

89

5.4 Demokratisierung als gesellschaftspolitische Agenda Die gesellschaftspolitische Agenda von Kunstfestivals ist Teil des Mitwirkens am Transformationsprozess und nach den drei Phasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) mit den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen differenzierbar (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.). In der Liberalisierungsphase sind Kunstfestivals Teil der prä-revolutionären Veränderungsbewegungen und nehmen eine strategische Rolle in Mobilisierung und Widerstand ein, trotz der eingeschränkten Freiheiten und der Marginalisierung von Kunst. Nach den Umbrüchen liegen die Ziele größtenteils in der Gestaltung der neuen Demokratie. In der Transitionsphase können Kunstfestivals eine konstruktive und in der Konsolidierungsphase eine reflexive Rolle einnehmen.

5.4.1 Liberalisierungsphase: Widerstand und Mobilisierung In der Entstehungsphase des Festivals Dream City, während der Liberalisierung (bis 2011), hatten sich die Festivalakteure zum Ziel gesetzt, künstlerisches Arbeiten im öffentlichen Raum zu realisieren und „diesen wieder zu einem Raum für die Bevölkerung zu machen und das erstarrte soziale Leben wiederzuerwecken“ (Machghoul 2012: 132). Zugänge zu Kunst und neue Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Künstlern und Bürgern wurden gefördert, indem die Rezipienten aktiv einbezogen und Teil des künstlerischen Prozesses wurden (vgl. Ouissi, Ouissi 2012: 6; Triki 2013: 319). Die Demokratisierung von Kunst sowie die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit (vgl. IP Dunoyer 2018: 4–7, 216–219, 223–225) waren ebenso zentrale Ziele. Der gemeinsame Austauschund Entwicklungsprozess stand hierbei im Fokus (vgl. Dunoyer 2012: 11). Indem durch Dream City eine dynamische Verbindung der Bereiche Kunst, Stadt und Gesellschaft entstand (vgl. ebd.), „gilt [es] als Plattform für Experimente, bei der das Verhältnis zwischen Künstler/innen und Bürger/innen zur Stadt, zum öffentlichen Raum und zur Kunst in Tunesien auf den Prüfstand gestellt wird“ (ebd.). Ebenso förderte die erste Edition des Festivals im Jahr 2007 künstlerische Innovationsprozesse, wie Triki beschreibt: „Für viele Künstler, die sich bisher nicht in den öffentlichen Raum begeben hatten, war Dream City der Beginn eines komplett neuen künstlerischen Ansatzes und

90

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus lieferte den Anreiz für neue Arbeitsweisen, die es so in Tunesien noch nicht gegeben hatte.“ (Triki 2013: 318)

Dream City adressierte gesellschaftliche und politische Probleme, Repressionen und fehlende Meinungsfreiheit und nahm somit eine wichtige Rolle als Oppositionsakteur unter der Diktatur ein. Kunst im öffentlichen Raum wurde als Strategie verwendet, da „der öffentliche Raum kein Raum des Lebens, des Austauschs, des freien Ausdrucks oder Protests – beziehungsweise […] es nicht mehr“ (Machghoul 2012: 132) war. Es wurden Formen und Methoden entwickelt, um sich mit künstlerischen Mitteln gegen Einschränkungen der Meinungsund Ausdrucksfreiheit und für die Freiheit des Individuums einzusetzen. Genehmigungen wurden bei den Behörden durch bewusste Umschreibungen beantragt, durch die Beschreibung des Fokus auf ästhetischen Komponenten des Kunstwerks und der gleichzeitigen Vernachlässigung der inhaltlichen Aussagen (vgl. IP Dunoyer 2018: 237–243; IP El Mekki 2018: 244–247, 250–256). Indem gesellschaftspolitische Inhalte eines Festivals auf ästhetische Weise vermittelt werden, kann in Systemen mit eingeschränkter Meinungsfreiheit das subversive Potenzial von Kunst genutzt werden (vgl. IP El Mekki 2018: 262–267). Dieser Ermöglichungsprozess mit Kunst ist zentral in der Liberalisierungsphase des Transformationsprozesses. Kunst im öffentlichen Raum wird genutzt, um einerseits Meinungsfreiheit zu propagieren und andererseits diese zu ermöglichen, indem beispielsweise unter der Diktatur verbotene Themen behandelt werden. Gleichzeitig ist die Einschränkung der Meinungsfreiheit in dieser Phase auch ein Katalysator für die Entstehung künstlerischer Aktionen. Dem Kunstfestival Dream City wurde in den Jahren 2007 und 2010 eine besondere Bedeutung zugeschrieben (vgl. Belgacem 2010: 210; Triki 2010), da durch Kunst ein „Ort für eine demokratische Debatte geschaffen und belebt [wurde]. In diesem Sinne war der künstlerische Impuls von Dream City ein Akt des Widerstands“ (Machghoul 2012: 132). Dieser künstlerische Widerstand war gleichzeitig ein politischer, da die Ziele der Künstler mit den Bestrebungen und Idealen der Umbrüche korrelierten. Triki bestätigt hierzu „[e]in[en] unmittelbare[n] Zusammenhang zwischen künstlerischem Anspruch und revolutionärem Gedankengut, der schon im Vorfeld des Umsturzes vom Januar 2011 bestand“ (Triki 2012: 37) und die strategische Rolle von Kunstfestivals in dieser Phase herausstellt. In der Liberalisierungsphase, die in Tunesien bis 2011 erfolgte, wird der Zivilgesellschaft eine strategische Rolle und ein großer Handlungsspielraum zugeschrieben (vgl. Keane, Merkel 2015: 450). Künstler entwickeln neue Ausdrucksformen und sind somit Teil der Protestbewegungen und leisten Widerstand,

5.4  Demokratisierung als gesellschaftspolitische Agenda

91

indem sie beispielsweise künstlerische Freiheitsräume für gesellschaftspolitische Diskurse schaffen, die sonst kaum existieren. Das Arbeiten im Untergrund und spontane Formen sind hierbei oft zentral. Kunstfestivals nehmen ebenso wichtige Koordinations- und Mobilisierungsfunktionen ein, wenn sie Handlungs-, Reaktions- und Durchsetzungsfähigkeit erreichen (vgl. ebd.: 451).

5.4.2 Transitionsphase: Demokratische Debatte und Austausch Während Dream City in der Zeit der Diktatur das Ziel verfolgte, Ausdrucksund Freiräume für Künstler zu schaffen, ergaben sich nach den Umbrüchen in der Transitionsphase (2011–2014) erweiterte Zielstellungen. Indem die Bedrohung und Einschränkung der künstlerischen Freiheit thematisiert wurde (vgl. IP Dunoyer 2013: 96–99), erfolgte die Reflexion aktueller gesellschaftlicher Gegebenheiten in einem künstlerischen Format. Das erste Festival nach den Umbrüchen widmete sich im Jahr 2012 dem Thema „Artists Facing Freedom“ (Ouissi, Ouissi 2012: 6). Aber nach der Abdelliya-Attacke konnten nicht alle geplanten Ideen und Aktionen im Festival realisiert werden (vgl. IP Dunoyer 2013: 98, 101):11 „[I]ch rechnete damit, einige engagierte Werke mit politischer und gesellschaftlicher Kritik vorzufinden. Doch nach der ‚Abdellia-Affäre‘ […] mussten einige als provokant geltende Werke ‚entschärft‘ werden, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Ausstellung und die Sicherheit der Künstler nicht zu gefährden“. (Triki 2013: 323)

Die Teilhabe an der Demokratisierung wurde durch Bestrebungen die künstlerische Freiheit (wieder)herzustellen sowie das Aufzeigen von Möglichkeiten des alternativen Denkens implementiert (vgl. IP Dunoyer 2013: 101–107): „The question was how can we work and exist and participate in democratic process“ (ebd.: 101–102). Durch Dream City wurde „ein Ort für eine demokratische Debatte geschaffen und belebt“ (Machghoul 2012: 132). Das in dieser Phase entstandene Festival De Colline en Colline verfolgte ähnliche Zielsetzungen und definierte den Zugang zu Kunst und die damit entstehenden Austauschräume für die Bevölkerung als zentrale Elemente. Der

11Zur

Abdelliya-Attacke siehe Abschnitt 4.2.5 Kunstfreiheit als kulturpolitischer Indikator.

92

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

öffentliche Raum war relevant, um neue Partizipationsansätze als Teil des Demokratisierungsprozesses zu erproben (vgl. Association 24 h pour l’Art Contemporain 2012; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013a; Association 24 h pour l’Art Contemporain, Goethe-Institut 2013b). Die gesellschaftspolitische Agenda bei De Colline en Colline wird deutlich, indem die Initiatorin die gesellschaftliche Dimension ihres künstlerischen Handelns betont: „Ich bin Bürgerin, eine künstlerische Bürgerin. Ich kann auch Aktivistin sein, aber nicht immer“ (IP Rouissi 2018: 263–264, Übersetzung der Autorin). Rouissi spricht von einem inneren Bedürfnis, als Künstlerin im Transformationsprozess aktiv zu werden und ihre künstlerische Vision durch das Festival in der Gesellschaft umzusetzen. Diese Einstellung betont die Rolle des Künstlers als Ideengeber und Initiator im Transformationsprozess: „Also war ich wütend und ich denke, ich muss etwas tun, weil ich eine Bürgerin bin. Ich muss sagen, wir brauchen Kunst und Kultur, weil wir weder Galerien noch Museen haben. [Es gibt] sehr wenig [Kunst und Kultur], aber die Menschen brauchen etwas Interessantes und da muss die Politik mitmachen, da muss jeder mitmachen.“ (ebd.: 24–28, Übersetzung der Autorin)

Den Beitrag zur Demokratisierung durch das Festival beschreibt Rouissi als „real laboratory for artistic and cultural democratization. Going forth towards the other, offering alternatives for equal opportunity between the regions and inventing new strategies for the reappropriation of public space. […] The ‚Three Hills‘ project turned out to be a real platform for diverse artistic and social actions which clearly demonstrated creativity, polyvalence and the reactivity of the public.“ (Rouissi 2013: 14 f.)

Die dezentrale, landesweite Ausrichtung des Festivals stellt einen neuen Ansatz in dieser Transformationsphase dar, welcher durch die überwiegend freie Nutzung des öffentlichen Raumes möglich wurde. In der Transitionsphase übernimmt die Zivilgesellschaft eine konstruktive Rolle (vgl. Keane, Merkel 2015: 451), so beschreibt Dunoyer im Kontext des Kunstfestivals Dream City „[a]rt as an active force of intervention within society“ (Dunoyer 2012: 11). Kunstfestivals verorten sich aktiv im Demokratisierungsprozess und ermöglichen Austauschräume und Zugang für Bevölkerung und Festivalbesucher. Indem sie gesellschaftliche Austauschprozesse initiieren, fügen sie sich in „das für jede Demokratie lebenswichtige Netz pluraler Interessensorganisationen“ (Keane, Merkel 2015: 451) und seine Dynamiken ein. Die Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft erhöht sich in dieser Phase, da staatliche

5.4  Demokratisierung als gesellschaftspolitische Agenda

93

Repressionen wegfallen und die Institutionalisierung der Demokratie beginnt. Es erfolgt eine vermehrte Nutzung des öffentlichen Raumes und die Entwicklung neuer Partizipationsansätze. Die Implementierung der Meinungsfreiheit bleibt ein zentraler Aspekt.

5.4.3 Konsolidierungsphase: Aufbau demokratischer Kultur Dream City wurde in der Konsolidierungsphase (seit 2014) in den Jahren 2015 und 2017 implementiert und hat sich als renommiertes Festival mit großer regionaler und überregionaler Bekanntheit etabliert. Im Jahr 2015 besuchten über 10.000 Gäste das Festival (vgl. L’art rue 2015a). Der Fokus lag in dieser Phase auf der Gestaltung der Gesellschaft mit künstlerischen Mitteln und Methoden. So wurde 2015 das Thema Ästhetik mit gesellschaftspolitischen und sozioökonomischen Fragen verbunden (vgl. Goossens, Ouissi, Ouissi 2015: 19): „What spaces may one invent that may confront local challenges, while remaining conscious of the work beyond, in order to re-create Tunisia? How to defend the originality of every individual while remaining open to the Other, in a world that is segregated by fear?“ (ebd.: 18)

In dieser Phase wurde bei Dream City eine neue Arbeitsmethode implementiert. Der belgische Kurator Goossens, der einen ähnlichen Ansatz wie die Initiatoren verfolgt, wurde im Jahr 2015 von den Initiatoren Ouissi und Ouissi als Gastkurator in die Festivalleitung mit einbezogen und übernahm im Jahr 2017 die alleinige künstlerische Leitung. Goossens schreibt: „Dream City is a festival that reflects a hybrid and contemporary world in constant evolution“ (Goossens 2017: 9). Das Festival setzte jedoch im Jahr 2017 keinen spezifischen thematischen Fokus, wie es in den Jahren zuvor gängige Praxis war. Das Festival Interference, welches in der Konsolidierungsphase entstand, zielte darauf ab, mit zeitgenössischer Kunst den Demokratisierungsprozess zu fördern, wie Pelz beschreibt: „[W]e understood that contemporary art has no place yet and we consider it an important part of democratic culture“ (IP Pelz 2018: 12–13). Kossemtini ergänzt eine direkte Demokratisierungsagenda des Festivals und beschreibt einen bürgerorientierten, gesellschaftlichen Auftrag: „I think it’s more democratizing things and democratizing culture what we are aiming to do by presenting it, like working with the Medina, working with the

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus community, and working within public space, exhibiting […]. So it’s more getting the people to get the access to these kind of activities“. (IP Kossemtini 2018: 430– 434) „I think if it reaches people, then it makes them think and it reaches their thoughts and make them wonder about something or even they like or don’t like, it’s just they have a position out of it and that’s I think one of the starting points to get some reactions and one of the subject points to get into the scene. So maybe […] having the culture accessible also is something.“ (ebd.: 502–506)

In der Konsolidierungsphase nehmen zivilgesellschaftliche Akteure und Kunstfestivals mit der Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben zum Aufbau einer demokratischen Kultur eine reflexive Rolle ein. Der Einfluss der Zivilgesellschaft ist jetzt geringer als in den vorhergehenden Phasen (vgl. Keane, Merkel 2015: 452). Organisationsentwicklung, Institutionenaufbau und Professionalisierung im Kultursektor bekommen eine verstärkte Relevanz. Am Beispiel von Dream City ist nachzuvollziehen, wie die anfängliche strategische, subversive Rolle vor den Umbrüchen, sich während der Transition zu einer konstruktiven Rolle und während der Konsolidierung der Demokratie zu einer reflexiven Rolle entwickelt. Dem Festival Interference kann aufgrund des communitybasierten Ansatzes und dem Fokus auf dem zivilgesellschaftlichen Engagementsfeld ebenso eine überwiegend reflexive Rolle in dieser Phase zugeschrieben werden. Eine direkte politische Ausrichtung der Thematik des Festivals ist nicht festzustellen.

5.5 Neue Methoden demokratischer Partizipation 5.5.1 Aneignung des öffentlichen Raums und Ansätze von Dezentralisierung Eine Methode der Festivals ist die Aneignung des öffentlichen Raumes als neuem Ort, da dieser vor 2011 nicht als Ausdrucks- und Präsentationsort genutzt werden konnte. Kunstproduktionen erfolgten daher überwiegend in geschlossenen Räumen (vgl. IP Dunoyer 2018: 16–17; IP Rouissi 2018: 37–42). „Before the revolution the important point was to occupy the public space“ (IP Dunoyer 2013: 92). Aber auch nach den Umbrüchen wurden für kritische und politische Kunst neue Orte benötigt, wie Rouissi beschreibt: „Und so ging es auf die Straße, um die Menschen dort zu erreichen, wo sie sind, in den Regionen, auf der Straße, in den Nachbarschaften, besonders in den Gegenden, in denen es nichts gibt“ (IP

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

95

Rouissi 2018: 28–30, Übersetzung der Autorin). Der öffentliche Raum wurde zum zentralen Orten der Kunstproduktion und -distribution: „When the street produces common sense, the public space becomes political; when a work of art meets a crucial moment of the collective awareness, it becomes its messenger, and the image becomes a symbol. It is important to note that the street is at this moment playing a leveraging role in the changes occurring in the societies of the Arab world.“ (Dussollier 2012: 27) „Dafür ist es notwendig, den geschützten Raum des Ateliers und die konventionellen Ausstellungsorte zu verlassen und in neue Orte und Plätze für die Kunst zu investieren. Kunst braucht nun mehr denn je die öffentliche Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang rückt der öffentliche Raum, sei es in seiner virtuellen (Social Media) oder auch in seiner physisch-materiellen Beschaffenheit (Straßen, öffentliche Plätze), in den Mittelpunkt. Der öffentliche Raum ist der neue Austragungsort oder Handlungsraum für zeitgenössische Kunstpraktiken. Der öffentliche Raum in seiner Bedeutung als Agora, als frei zugänglicher Versammlungsplatz, als Begegnungsort für Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen oder sogar als Ort für Gegenöffentlichkeiten hatte es in der jüngeren Vergangenheit Tunesiens nicht gegeben, er musste von der Bevölkerung mit dem Anspruch auf das Recht am Gemeingut (‚Common Good‘) erst zurückerobert werden.“ (Bruckbauer, Triki 2016: 70)

Die Auswahl neuer, öffentlicher Orte zur Durchführung der Kunstfestivals stellt ein wichtiges Element im Transformationsprozess dar. Die Festivalmacher entscheiden sich bewusst gegen institutionelle Orte und geschlossene Räume, die unter der Diktatur meist von elitären Kreisen besucht wurden, um Zugänge zu gewährleisten und Orte des Alltagslebens zu nutzen: „For us it is really important because this is the only way to have art in situ, to get the art more close to the citizen“ (IP Dunoyer 2013: 56–57). Die Verbindung von Kunst und alltäglichem Leben, welche unter anderem durch die Nutzung des öffentlichen Raumes erfolgt, ist ein zentrales Kriterium im Transformationsprozess. Der öffentliche Raum wird als Ort angesehen, in dem Demokratie ausgelebt wird. Durch Kunstfestivals erfolgt eine temporäre Nutzung und Funktionsumschreibung von Orten. Diese neuen Orte werden durch künstlerische Interventionen als neue Ausdrucksräume genutzt. Die Politisierung des öffentlichen Raumes dient demnach als Strategie, um neue Artikulationsmöglichkeiten für die eigenen Interessen zu finden. Kunst im öffentlichen Raum ist historisch betrachtet ein traditionelles Kulturvermittlungsformat in Tunesien, welches jedoch unter der Diktatur unterdrückt wurde (vgl. Bruckbauer, Triki 2016: 70 f.; Machghoul 2012: 130):

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus „Man denke nur an die öffentlichen Erzähler, die mit theatralischen Mitteln ihre Geschichten unters Volk brachten, an die Boussadias, jene Tänzer und Straßenmusikanten, denen magische Kräfte zugesprochen werden und deren Wurzeln südlich der Sahara liegen, oder an die große Karakouz-Tradition, das satirische Schatten-Puppentheater, das in Tunesien bereits im 14. Jahrhundert seine Anfänge nahm.“ (Bruckbauer, Triki 2016: 70 f.)

Im Kontext der Umbrüche erfuhren Kunstformen im öffentlichen Raum einen bedeutenden Aufschwung, mit der Neuerung partizipativer Aspekte anstelle traditioneller Präsentationen (vgl. Bruckbauer, Triki 2016: 71). Die Aneignung und Nutzung neuer Orte im öffentlichen Raum war insbesondere in der Phase der Liberalisierung und Transition von enormer Relevanz, erfolgte jedoch unter der Diktatur aufgrund der Restriktionen nur punktuell. Die Relevanz des künstlerischen Arbeitens im öffentlichen Raum und auf der Straße veränderte sich jedoch im Laufe des Transformationsprozesses und wurde in der Konsolidierungsphase teilweise weniger umgesetzt. Beim Festival Dream City ist festzustellen, dass im Jahr 2017 viele ausgewählte Orte nicht im öffentlichen Raum lagen, nicht frei zugänglich waren und viele künstlerische Interventionen hinter geschlossenen Türen stattfanden. Das entscheidende Kriterium des freien Zugangs wurde in dieser Phase nicht prioritär implementiert. Die Festivals Dream City und Interference wählten die Medina, die Altstadt von Tunis, als Festivalort aus. Die Medina in Tunis wurde 698 n. Chr. gegründet und entwickelte sich schnell zu einer großen, reichen Stadt in der arabischen Region. Heute mischen sich Alltags- und Geschäftsleben in diesem Stadtteil, der mit 700 historischen Denkmälern zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt (vgl. Masri 2017: XXIX). Die Medina wird jedoch geprägt durch viele verfallene Gebäude, der alte Souk als traditioneller Handelsort hat durch die moderne Ökonomie an Relevanz verloren und stellt hauptsächlich einen Verkaufs- und Handelsplatz für touristische Produkte dar. Dream City begründete die Auswahl dieses Ortes aufgrund der Präsenz von Kulturerbe und der Möglichkeit unbekannte Gebäude zu nutzen, die im Alltag nicht immer zugänglich sind (vgl. IP Dunoyer 2018: 34–38). Das Festival Interference begründete die Auswahl der Medina aufgrund der Besonderheit und historischen Relevanz des Ortes und um einen Beitrag zu Nutzung der Medina sowie der Belebung des Kulturerbes zu leisten (vgl. IP Gharbi 2018: 207–216; IP Pelz 2018: 221–223). Aufgrund verschiedener historischer Migrationsbewegungen sind in der Medina alle sozialen Schichten und Gruppen Tunesiens vertreten, wodurch viele soziale Probleme existieren (vgl. IP Dunoyer 2018: 38–42). Dunoyer und Kossemtini beschreiben, dass die Medina als teilweise gefährlich konnotiertem

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

97

Ort von einem Großteil der Bevölkerung gemieden und keinesfalls in der Nacht oder nur während des Ramadans zum Einkaufen besucht wird. Die Kunstfestivals trugen dazu bei die Wahrnehmung des Durchführungsortes, der Medina, positiv zu verändern, schufen Sichtbarkeit und Zukunftsperspektiven für den marginalisierten Stadtteil (vgl. IP Dunoyer 2013: 76–77; IP Dunoyer 2018: 343–349, IP Kossemtini 2018: 527–528): „[I]t’s getting them to see and to feel that it has another option rather than Ramadan to visit the Medina and we have another way to look at the Medina“ (IP Kossemtini 2015: 531–533). Somit erfolgte eine Bewusstseinsgenerierung und neue Bedeutungszuschreibung für marginalisierte Stadtteile und Kulturerbe.12 Im Kontext der Nutzung des öffentlichen Raumes erfolgte ebenso ein Beitrag zur Stadtentwicklung. Alle Festivals hatten direkte temporäre und dauerhafte Auswirkungen auf das Stadtbild. So wurde beispielsweise ein historisches Haus in der Medina, das 2007 als Festivalort für Dream City diente, von einer wohlhabenden tunesischen Familie erworben und renoviert, um darin das Restaurant Fondouk Attarine zu eröffnen (vgl. IP Dunoyer 2018: 349–352; IP El Mekki 2018: 353–357). Das Festival De Colline en Colline förderte das Bewusstsein der Bewohner für ihren Ort. Der Ort Takrouna stand kurz vor dem Abriss, durch das Kunstfestival wurde ein Verein der Freunde von Takrouna13 gegründet, welcher sich für die Erhaltung kulturellen Erbes einsetzt (vgl. IP Bohrer 2013: 235–236, 244–247). Einen weiteren relevanten Aspekt im Transformationsprozess stellen Dezentralisierungsstrategien dar. Das Festival De Colline en Colline fand sowohl in der Hauptstadt als auch in zwei dezentralen Regionen des Landes statt. Die Auswahl der Berberdörfer in Tunesien begründete sich durch das Ziel, Orte kulturellen Erbes wiederzubeleben und neu zu definieren. Historisch gesehen erfolgten verschiedene Migrationsbewegungen zwischen den einzelnen Dörfern (vgl. IP Amara 2018: 7–9; IP Tamzini 2013: 281–282). Die Verbindung der programmatischen Arbeit in städtischen und ländlichen Regionen führt zu einer Erweiterung des geografischen Radius der Wirkungs- und Handlungsorte von Kunstfestivals abseits der urbanen Zentren, an denen häufig erstmalig Kunstfestivals stattfinden. Die Kulturproduktion in Tunesien ist immer noch sehr zentralistisch geprägt und findet meist in den Großstädten statt. Im Kontext von

12Darüber

hinaus hatten die Festivals Auswirkungen auf das Agieren der Behörden der Stadt, welche zum Beispiel wahrnahmen, dass während der Festivals auf Sauberkeit zur Verschönerung der Medina geachtet wurde (vgl. IP Dunoyer 2018: 363–365). 13Originalname: Association des Amis de Takrouna.

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

De Colline en Colline erfolgte oftmals der erste Kontakt der Bewohner mit zeitgenössischer Kunst. Kunstfestivals können somit in infrastrukturarmen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und geringen Zukunftschancen neue Perspektiven aufzeigen (vgl. IP Bohrer 2013: 231–234). Hierbei entsteht eine Wechselwirkung, denn auch für die Künstler entstehen durch die Arbeit in dezentralen Regionen neue Perspektiven: „Dadurch, dass die Künstler aus einer gewissen Gesellschaftsschicht kommen, entdecken sie durch dieses Projekt [bzw. Festival] jetzt erst das eigene Land, selbst waren sie an diesen Orten noch gar nicht“ (ebd.: 133–135). Somit wird deutlich, dass Dezentralisierungsstrategien dazu beitragen, neue Interaktions- und Kommunikationsprozesse zu fördern. Die Organisation L’art rue vom Festival Dream City entwickelte ebenso Projekte im ländlichen Raum Tunesiens, wie Laaroussa, und die Akteure des Festivals Interference implementierten ein weiteres Kunstprojekt See Djerba auf der Insel Djerba im Süden Tunesiens (vgl. See Djerba 2018). Diese Beispiele zeigen, dass die Nutzung dezentraler Räume einen neuen Fokus von Kulturakteuren im Transformationsprozess darstellt.

5.5.2 Prozessorientierte, kontextbasierte und interdisziplinäre Produktion Ein langfristiger, prozessualer und kontextbasierter Produktionsprozess ist ebenso ein zentrales Element im Transformationsprozess. Dream City beschreibt den Prozess als wichtiger als das Ergebnis (vgl. IP Dunoyer 2013: 48), daher lag der Fokus der Produktionsphase auf dem kleinen Forschungsformat Remi Dreams (bis 2015). Zwei bis drei Tage pro Monat wurde über ein Jahr hinweg mit den Künstlern an der Ideenentwicklung für das Festival gearbeitet, die Medina und die Orte erforscht und ausgesucht: „Was bei diesen Vorbereitungstreffen passierte, war mindestens so wertvoll und spannend wie das daraus entstandene Projekt [bzw. Festival]. Der kreative Prozess war von zentraler Bedeutung; er bezeugte, dass gemeinsames Arbeiten möglich war. […] Diese Treffen, bei denen ein Querschnitt der gesamten tunesischen Gesellschaft zusammenkam, waren eine gute Übung in Demokratie.“ (Triki 2013: 319 f.)

Ab 2015 erfolgte ein 15-tägiger Arbeitsprozess der Künstler in der Medina, mit dem Ziel kontextbasiertes Arbeiten noch stärker zu forcieren (vgl. IP Dunoyer 2018: 87–92, 123–129, 135–136). Dieser Wandel im Produktionsprozess wurde

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

99

durch den neu involvierten belgischen Kurator Goossens initiiert und fand in der Konsolidierungsphase des Transformationsprozesses statt (vgl. ebd.: 140–141).14 Die Relevanz kontextbasierter Formate im Transformationsprozess wird ebenso von Triki herausgestellt: „Deshalb ist die Frage der Botschaft, der Verbindungslinien und der Spur, die diese Projekte [bzw. Festivals] hinterlassen, so wesentlich. Es reicht nicht, Veranstaltungen oder Biennalen aus anderen Ländern zu reproduzieren. Für Interventionen in Tunesien bedarf es eigener Modelle, die eine wirkliche Interaktion mit der Bevölkerung ermöglichen. Wie schwierig und doch unerlässlich es ist, kulturelle Veranstaltungen mit dem Ort des Geschehens zu verbinden!“ (Triki 2013: 324)

De Colline en Colline entschied sich ebenfalls für eine prozessorientierte Produktionsweise. Die erste Phase umfasste eine Forschungsreise zur Vorbereitung mit den Künstlern im Dezember 2012, darauf folgte die Durchführungsphase im März 2013 (vgl. Rouissi 2013: 14). Diese Vorbereitungen waren relevant, um die Interaktion zwischen Künstlern und Bewohnern der Festivalorte zu realisieren. Die Kuratorin betont kongruent zu Dream City die Relevanz des Prozesses im Vergleich zum Produkt: „In my experience the result of collaboration is not foreseeable and often is even very far removed from what was initially expected. The ‚final product‘ thus progressively lost importance whereas the ‚path of design‘, the ‚process of creation‘ gained importance so that the ‚items‘ presented during the 24-hour event are rather to be interpreted as the ‚remains‘ of the proceeding work process“. (Bruckbauer 2013: 17)

Interference beschreibt ebenso die prozessuale Herangehensweise: „[W]e spent the last two years [2016 – 2018] talking to artists, visiting festivals, researching on internet but as well making a research on Africans artists and Tunisian artists“ (IP Gharbi 2018: 125–127). Ein monatliches Workshopformat wurde für das Festivalteam zur Vorbereitung über ein halbes Jahr hinweg umgesetzt (vgl. ebd.: 48). Die strategische Auswahl der teilnehmenden Künstler erfolgt über zwei Verfahren: Einladung und Ausschreibung. Bei der ersten Edition des Festivals Dream City im Jahr 2007 wurden die teilnehmenden Künstler durch die Festivalleitung

14Zum

Einbezug des Kurators Goossens in das Festival siehe Abschnitt  5.4.3 Konsolidierungsphase: Aufbau demokratischer Kultur.

100

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

ausgewählt. In den Jahren 2010 und 2012 wurde dann eine Ausschreibung für künstlerische Projekte durchgeführt. Ein Auswahlkomitee wählte nach bestimmten Kriterien (Relevanz des Projekts, Bezug zum öffentlichen Raum, Partizipativer Aspekt, Politischer Aspekt, Ästhetischer Aspekt) die teilnehmenden Künstler aus (vgl. IP Dunoyer 2018: 77–86). Im Jahr 2015, während der Konsolidierungsphase, entschied sich die Festivalleitung wieder zur Einladung von Künstlern, jedoch mit einem neuen Fokus. 2015 und 2017 luden die Kuratoren Künstler ohne bereits produzierte oder konzeptualisierte Projekte ein. Stattdessen wurde während des 15-tägigen Arbeitsprozesses in der Medina ein spezifisches künstlerisches Projekt entwickelt, um die prozessorientierte Produktion und partizipative Aspekte des Festivals zu verstärken. Die Auswahlkriterien orientierten sich weiterhin an den bereits genannten (vgl. ebd.: 123–129, 140–141). Beim Festival De Colline en Colline ging die Initiatorin Rouissi direkt auf potenziell teilnehmende Künstler zu und vermittelte den prozess- und kontextbasierten Ansatz des Festivals (vgl. IP Rouissi 2018: 103–105). Sie suchte gezielt nach Künstlern, welche die Arbeit im öffentlichen Raum und mit Bürgern präferieren (vgl. ebd.: 113–116). Für die Teilnahme wurden vorab gewisse Vorgaben gesetzt: „Wir sagten also, dass das Kunstwerk aus der Begegnung mit lokalen Materialien und mit Menschen entstehen muss, mit den Geschichten der Stadt. Das heißt, dass der Künstlerforscher, der Künstlerhistoriker, der Dokumentarzeichner, der aktive und sehr offene Künstler gefragt ist. Es war eine der Bedingungen.“ (ebd.: 117–119, Übersetzung der Autorin)

Die Auswahl der Künstler erfolgte durch ein Gremium bestehend aus zwölf Personen (vgl. ebd.: 119–124). In der Vorbereitungsphase bereisten die Künstler die verschiedenen Orte und entwickelten ihre Projekte gemeinsam mit der künstlerischen Leitung (vgl. ebd.: 124–131). Beim Festival Interference wurden die Künstler von den Kuratoren zur Teilnahme eingeladen (vgl. IP Pelz 2018: 128–132), teilweise auch von sogenannten Partnerkuratoren anderer Lichtkunstfestivals, welche sich am Festival mit einer kleinen Anzahl von Künstlern beteiligten (vgl. ebd.: 135–145). Aufgrund der Neuartigkeit der Kunstsparte in Tunesien stellten sich zu Beginn des Festivals Herausforderungen Künstler zu identifizieren und zur Teilnahme zu bewegen (vgl. ebd.: 158–159). Dies basierte auf der Tatsache, dass die Festivalinitiatoren

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

101

nicht aus der etablierten Kunstszene Tunesiens kommen und damit auch kaum Zugang zu dieser hatten. Aus diesem Grund waren auch Empfehlungen anderer Künstler sehr relevant (vgl. IP Gharbi 2018: 162–168). Da die Festivalmacher neue Akteure in der Kulturszene im Transformationsprozess waren, wurden eben genau von diesen neuen Akteuren auch neue Impulse in die Kunstszene und im Transformationsprozess ermöglicht. Zusammenfassend ist die bewusste Auswahlmethode der Künstler im Transformationsprozess von hoher Relevanz. Die Methode der Ausschreibung kann ebenso als Methode von Demokratisierung in der Kunstszene bewertet werden, wie das Festival Dream City zeigt. Ein weiterer Aspekt ist die interdisziplinäre Öffnung des Produktionsprozesses durch das Involvieren von fachfremden Experten und Austauschprozesse mit diesen. Dream City lud „Anthropologen, Soziologen, Philosophen, Architekten und Stadtplaner“ (IP Dunoyer 2018: 32–33, Übersetzung der Autorin) sowie Historiker und Kunsthandwerker ein, um den Forschungsprozess der Künstler zu begleiten (vgl. ebd.: 28–34, 104–105, 131, 133). Auch während der Durchführung der Festivals wurde der Aspekt des interdisziplinären Austauschs weiterverfolgt. Dream City führte beispielsweise 2017 das Diskussionsformat Les Ateliers de la Ville Rêvée ein, Interference setzte 2018 das Konferenzformat Candela um, mit dem Ziel „to bring together curators, museum people, artists from all over“ (IP Pelz 2018: 170–171). Die Überwindung der Isolation des Künstlers, sowohl innerhalb des Kunstsektors zwischen Künstlern unterschiedlicher Sparten als auch extern zwischen Künstlern und Bevölkerung, wird als neue Methode insbesondere im Entstehungsprozess des Festivals beschrieben, indem hierdurch „Euphorie“ (IP Dunoyer 2018: 305, Übersetzung der Autorin) und neue Energie in den Kunstsektor eingebracht wurde (vgl. ebd.: 289–307). Rouissi vom Festival De Colline en Colline beschreibt: „Bis dahin waren wir Künstler ja alle getrennt[,] […] unter Ben Ali wusste doch keiner von uns, was der andere macht. Hier fanden wir zum ersten Mal zusammen. Raus aus den Ateliers, raus aus den Museen – das ist der Geist des neuen Tunesiens“ (Rouissi nach Bloch 2013: 66). Die interdisziplinäre Öffnung erfolgt somit sowohl auf der Ebene von Experten als auch der Künstler, die in den Festivals spartenübergreifend zusammenarbeiten und somit neue Netzwerke generieren. Prozessorientierte, kontextbasierte und interdisziplinäre Produktion ist somit eine neue Methode im Transformationsprozess.

102

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

5.5.3 Community Building in Kunstproduktion und Kulturvermittlung Community Building stellt eine weitere zentrale Methode von Kunstfestivals im Transformationsprozess dar. Diese wird im Folgenden auf einer internen und einer externen Ebene analysiert: (1) dem Festivalteam und (2) der Bevölkerung. Letztere Ebene lässt sich wiederum in (2a) Bewohner der Festivalorte und (2b) Festivalbesucher unterteilen. (1) Community Building im Festivalteam stellt einen wichtigen Aspekt dar. Insbesondere die tunesische Jugend zeichnet sich in der postrevolutionären Phase durch eine stark ausgeprägte Freiwilligenkultur aus, so haben beispielsweise mehr als 100 Freiwillige Dream City im Jahr 2017 unterstützt. Bei Interference waren abseits des Kernteams über 200 Freiwillige im Jahr 2018 involviert, welche Interesse an der Arbeit mit Künstlern zeigten und im Vorfeld durch Interviews ausgewählt wurden (vgl. IP Gharbi 2018: 42–43, 50).15 Teambuildingprozesse wurden als zentrale Methode implementiert. Über ein halbes Jahr hinweg traf sich das Festivalteam zu einem monatlichen Workshop und bildete sich in den Bereichen Kulturproduktion, -administration und -vermittlung weiter (vgl. ebd.: 44–48). Der Fokus lag hierbei auch auf dem Training von neuen Führungspersönlichkeiten, da dies als ein Bedürfnis im Transformationsprozess identifiziert wurde (vgl. ebd.: 72–73; IP Pelz 2018: 81–82). Im Jahr 2018 wurden beispielsweise Kuratorenteams gebildet, um Nachwuchskuratoren auszubilden.16 Die Initiatoren sprechen von einer durch das Festival kreierten „learning environment“ (IP Gharbi 2018: 62), basierend auf den initiierten partizipativen Prozessen und kritischem Austausch. Das Festival sah seine Rolle im Aufbrechen hierarchischer Strukturen und dem Aktivieren aller Beteiligten, dem Ermöglichen einer Rollenfindung der Akteure und der Etablierung neuer partizipativer Führungs- und Managementmechanismen als Teil des Demokratisierungsprozesses (vgl. IP Gharbi 2018: 71–72; IP Pelz 2018: 65–70). Dieser Ansatz wurde von den Freiwilligen positiv beschrieben (vgl. IP Pelz 2018: 83). Das Festival Interference baute ein Team auf, welches sich weniger aus

15Teilweise

engagierten sich die Freiwilligen in mehreren Festivals, beispielsweise sowohl bei Dream City als auch bei Interference. 16Kuratorenteams im Jahr 2018: Benzarte und Macaulay; Essaddi und Ben Hadid; Gharbi und Doghri; Kossemtini und Touati; Mahmoud und Kammoun; Siala und Malachowski (vgl. Interference 2018).

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

103

professionellen Akteuren, sondern aus motivierten und insbesondere jungen Freiwilligen zusammensetzte. Aufgrund eines Mangels an professionellen Kuratoren und Kulturvermittlern im Transformationsprozess übernehmen neue Akteure Aufgaben im Kulturbereich. Dies ist auch Teil der Nachwuchsförderung. Rouissi beschreibt für das Festival De Colline En Colline einen weiteren Aspekt der internen Mechanismen im Festivalteam. Sie beobachtete einen Mangel an Kooperationsfähigkeit jeweils unter den Künstlern und unter den Organisatoren, da diese jeweils innerhalb ihrer Gruppe wenig Erfahrungen in der Zusammenarbeit haben. Dies stellte eine Herausforderung im Transformationsprozess da, da sich Teamarbeit, Organisationsformen und zivilgesellschaftliches Engagement noch im Entstehungsprozess befanden (vgl. IP Rouissi 2018: 176–194). Insbesondere in der Transitions- und noch stärker in der Konsolidierungsphase des Transformationsprozesses kommt diesem Aspekt von Community Building eine hohe Relevanz zu. Es kann die These aufgestellt werden, dass eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und gesellschaftliche Restriktionen, wie beispielsweise eine mangelnde Entscheidungsfreiheit bei der Berufswahl durch ökonomische Zwänge, zu einer Suche nach Entfaltungsmöglichkeiten führen. Kunstfestivals bieten hierfür ein Engagementsfeld, speziell für junge Menschen und Universitätsabsolventen, welches sich durch eine große Freiheit in der Wahl der Handlungsmöglichkeiten auszeichnet. (2a) Darüber hinaus ist Community Building in der Bevölkerung ein relevanter Aspekt der Festivals. Partizipative Prozesse mit Bewohnern der Festivalorte weisen eine hohe Relevanz im Transformationsprozess auf. Hierzu zählen der Prozess des Zusammenarbeitens, das Involvieren der Bewohner in die künstlerischen und organisatorischen Prozesse sowie Vermittlungs- und Kommunikationsprozesse. Dream City betont das künstlerisch-partizipative Arbeiten zwischen Künstlern und Einwohnern sowie Kunsthandwerkern in der Medina (vgl. IP Dunoyer 2018: 133). Die Bewohner der Medina wurden in die künstlerischen Prozesse involviert und eine aktive Partizipation ermöglicht. Beauvallet beschreibt, dass die lokale Bevölkerung, insbesondere Jugendliche, Protagonistenrollen in den partizipativen Kunstwerken eingenommen haben oder aber als Sicherheitskräfte während der Festivaldurchführung einbezogen wurden (vgl. Beauvallet 2017). Ebenso war die Vermittlung des künstlerischen Konzepts von Bedeutung für die Akzeptanz des Festivals in der Bevölkerung:

104

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

„Because we have a big work together with the citizens. Before going to the places where we will work in the public space we go to the neighborhood. We speak, we present Dream City, we take coffee in the neighborhood, we discuss with the storekeepers there, with everybody.“ (IP Ben Salah 2013: 58–61)

Das Festival De Colline en Colline verfolgte einen ähnlichen Ansatz. Rouissi definiert sich als Künstlerin und Bürgerin, die mit der Bevölkerung in Austauschprozesse treten möchte (vgl. IP Rouissi 2018: 49–50). Künstler und Bürger arbeiteten in dem Festival zusammen an Kunstwerken, um eine reine Präsentation zu vermeiden (vgl. ebd.: 103–108). Auch hier war die Involvierung der Bewohner zentral: „[D]ieser Gang von Sana Tamzini mit den beiden Dorffrauen mit den Bündeln auf dem Rücken, das ist gut angekommen, weil diese beiden Dorffrauen involviert waren, weil das etwas ist, was sie kannten, weil es etwas ist, wo die Leute mitgehen konnten, wo alle informiert waren.“ (IP Bohrer 2013: 252–255)

Das Festival legte einen Fokus auf die Schaffung von Zugängen zu Kunst für die Bevölkerung: „Contemporary art is perceived as being elitist. How to make it accessible to a wider public and contribute towards preparing a better cultural future for Tunisia?“ (Rouissi 2013: 14). Die teilnehmenden Künstler beschreiben ein entstandenes Bewusstsein für die Vermittlung von Kunst und die direkte Einbeziehung der Bevölkerung (vgl. IP Amara 2013: 28; IP Tamzini 2013: 60–63). Sie waren sich ihrer Vermittlerfunktion sehr bewusst und setzten diese aktiv um. Amara beschreibt, dass der Bewohner, mit dem sie zusammenarbeitete, sehr froh und enthusiastisch war (vgl. IP Amara 2013: 36–37). Relevante Komponenten für eine erfolgreiche Vermittlung sind für Amara die Verbindung der Bewohner des Ortes mit dem Festival und eine aktive Partizipation sowie die Vermittlung von Kunst im direkten Lebenszusammenhang außerhalb elitärer Institutionen (vgl. ebd.: 42–44). Aber für einige Künstler gestaltete es sich auch als Herausforderung, Sensibilität und Zugang zu den Bewohnern vor Ort zu finden (vgl. IP Bruckbauer 2013: 138–141). Das vollständige Involvieren der Bewohner in die künstlerischen und organisatorischen Prozesse sowie Kommunikation aller Prozesse und Abläufe waren hierbei zentral (vgl. IP Bohrer 2013: 251–255, 272– 273). Bohrer betont jedoch auch, dass erst aus der Idee, Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren, die Notwendigkeit der Vermittlung entstand, um die Akzeptanz des Festivals bei den Bewohnern der Hügel zu erreichen (vgl. ebd.: 175–178). Auch Interference verfolgte den Ansatz der gemeinsamen Produktionsprozesse mit den Bewohnern der Medina: „[W]e want to bring international

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

105

artists in the Tunisian context and not just to come and put the art work and go but to dive and produce with the community, so that’s very important“ (IP Gharbi 2018: 151–153). Das Festival kreierte darüber hinaus einen Beitrag zum kollektiven Gedächtnis, es bleibt weiterhin in der Erinnerung von vielen Menschen wie beispielsweise der Ladenbesitzer und dient als weiteres Gesprächsforum. Darüber hinaus formulierten Bewohner der Medina den Wunsch nach einer Fortführung des Festivals (vgl. IP Kossemtini 2018: 509–513; IP Pelz 2018: 514–515, 524). Dieser beschriebene Ansatz der Involvierung der Bevölkerung in die Prozesse des Festivals, seien es künstlerische oder organisatorische Tätigkeiten, kann als eine zentrale Methode künstlerischer Arbeit in Transformationsprozessen definiert werden. Eine Anknüpfung von zeitgenössischer Kunst an Traditionen kann eine effektive Zugangsmöglichkeit für die Bevölkerung sein (vgl. IP Bohrer 2013: 246; IP Dunoyer 2013: 20).17 (2b) Eine weitere Ebene sind Community Building-Prozesse durch die aktive Involvierung der Festivalbesucher. Für Dream City waren Austausch und Kommunikationsprozesse in der Durchführung des Festivals zentral: „Tatsächlich wurde der gesamte Aspekt der Begegnung als Choreografie genau gedacht, damit die Menschen miteinander reden können“ (IP Dunoyer 2018: 65–67, Übersetzung der Autorin). Um dies zu ermöglichen und zu unterstützen, wurden verschiedene sich überkreuzende parcours entwickelt, die Festivalbesucher mit Pfeilen durch die Medina leiten, damit sich Menschen an Orten trafen und Besucher in Interaktionsprozesse mit den Bewohnern der Medina kamen. Auch das Verlaufen in der unübersichtlichen Medina war hierbei Teil des Prozesses. Dieser freie Austausch im öffentlichen Raum war unter der Diktatur nicht möglich (vgl. ebd.: 49–52, 63–64, 74–75). Künstlerische „Aktionen verleihen dem Publikum einen neuen Status, weil dieses insofern zum Performer wird, als seine unmittelbare Reaktion essenziell für eine Entstehung des Werks ist, nämlich einer Demokratie in der Kunst mit Beteiligung der ZuseherInnen und einer gleichsam horizontalen Hierarchie“. (Machghoul, Ouissi 2011: 48)

17Darüber

hinaus ist die ökonomische Relevanz für die Geschäftsleute der Medina ein wichtiger Faktor der gesellschaftlichen Verankerung der Festivals. Im Verlauf von Dream City konnten beispielsweise während fünf Festivaltagen die Einnahmen von drei Monaten in Tunis und während drei Festivaltagen fast die Einnahmen eines halben bis einen Jahres in Sfax erwirtschaftet werden (vgl. IP Dunoyer 2018: 335–342).

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5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Interference betonte ebenso den sozialen Aspekt abseits des künstlerischen Produktionsprozesses und legte einen Fokus auf die Schaffung eines Zugangs der Bevölkerung zum Festival und Kunstvermittlung mit Site Guides und Tour Guides (vgl. IP Gharbi 2018: 54–58; IP Kossemtini 2018: 433–434). Diese übernahmen eine wichtige Vermittlungsrolle, da die Festivalbesucher sich nachts nicht gerne alleine durch die Medina bewegen und Gruppentouren bevorzugen (vgl. IP Pelz 2018: 30–31). Indem durch Kunstfestivals gesellschaftliche Austauschprozesse initiiert werden, beispielsweise zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten oder Menschen unterschiedlichen Alters, können modellhaft gesellschaftsgestaltende Prozesse erfolgen und Partizipation gefördert werden (vgl. IP Dunoyer 2018: 366–369; IP Kossemtini 2018: 447–449; IP Pelz 2018: 440–444, 539). Somit können Kunstfestivals eine Art Vorbildfunktion für gesellschaftlichen Wandel und Partizipation übernehmen: „One of the audience that came, he was young and he told me that ‚It’s not true that young people they cannot make something here and we have the proof‘. And somehow that what I really liked from this experience is to give faith and to show that things can happen here and doesn’t need to, you don’t need to go somewhere else to make things.“ (IP Aissaoui 2018: 398–402)

Die Verbindung des künstlerischen Festivals mit sozialen Prozessen kann ein Mittel sein, um Zugang zu generieren, wie die Akteure von Interference beschreiben: „[A] lot of people see more the social aspect [of the festival] and that’s a general aspect and general approach in Tunisian culture, […] I think we succeed to channel this artistic direction or conceptualization through the social aspects“ (IP Gharbi 2018: 104–108). Zusammenfassend kann Community Building bei allen drei untersuchten Festivals auf zwei Ebenen identifiziert werden: im Produktionsprozess, überwiegend durch künstlerisch-partizipatives Arbeiten mit den Bewohnern der Festivalorte, und im Vermittlungsprozess mit den Besuchern der Festivals. Diese Ebenen sind jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Eine Gemeinsamkeit aller Festivals ist die Generierung eines neuen Kommunikationsforums, welches gemeinschaftsstiftend in der Gesellschaft fungiert. Indem Kunstfestivals Künstler, Bewohner und Festivalbesucher zusammenbringen, werden Austauschprozesse zwischen unterschiedlichen Akteuren initiiert. Community Building kommt demnach eine zentrale Relevanz im Transformationsprozess zu, da es Teil von Netzwerkgenerierung und Stärkung der Kooperationsfähigkeiten unterschied-

5.5  Neue Methoden demokratischer Partizipation

107

licher Akteursgruppen ist. Gleichzeitig sind sowohl Bewohner als auch Festivalbesucher neue Zielgruppen im Transformationsprozess.18

5.5.4 Formatentwicklung und Strukturbildung von Kunstfestivals Formatentwicklung und Strukturbildung sind zentral, damit Kunstfestivals eine nachhaltige Rolle im Transformationsprozess übernehmen können. Die Genese von Kunstfestivals zeichnet sich insbesondere durch eine Relevanz der Prozessualität aus. Sie entwickeln sich prozessual, meist in Korrelation mit Vorgängerprojekten der Akteure, welche entscheidend auf dem Weg zur Entstehung sind (vgl. IP Dunoyer 2018: 175–178; IP Gharbi 2018: 207–208; IP Rouissi 2018: 2–3). Dream City wird als „die Frucht einer langen Reflexion von [den Initiatoren] Salma und Sofiane“ (IP Dunoyer 2018: 1–2, Übersetzung der Autorin) beschrieben. Als Vorgängerprojekt wird Laaroussa genannt, ein Projekt, welches in Sejnane im ländlichen Raum Tunesiens eine ähnliche Zielstellung mit gesellschaftlichen Prozessen verfolgte und mit Töpferinnen arbeitete. Mit Dream City wurde dieser Ansatz im urbanen Raum weiterverfolgt (vgl. IP Dunoyer 2013: 6–13, 17–27; IP Dunoyer 2018: 175–178). Rouissi erwähnt ebenso Vorgängerprojekte im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Art dans la rue – Art dans le quartier im Jahr 2011, welche Einfluss auf die Konzeption von De Colline en Colline hatten (vgl. IP Rouissi 2018: 2–3, 23–24). Die Akteure von Interference betonen den zweijährigen Geneseprozess mit unterschiedlichen Formaten, welcher im Jahr 2014 begann (vgl. IP Pelz 2018: 199). Ein parallel hierzu entstandenes Projekt ist Doolesha, welches interaktive Medinaführungen mit einem Fokus auf Kulturerbe und Kunsthandwerk in der Medina anbietet (vgl. IP Gharbi 2018: 207–208). Bei den Festivals zeigt sich eine Entwicklung vom einmaligen Projekt zum wiederkehrenden, langfristigen Format des Festivals. Die Etablierung eines Formates gewährleistet eine Regelmäßigkeit und ein wiederkehrendes Element. Dream City wurde zuerst als einmaliges Event konzipiert und nicht als mehrjähriges Festival. Die Festivalidee entstand erst nach der ersten Edition: „[A] need coming from the audience but also from the artist“ (IP El Mekki 2018:

18Auch

die Arbeit mit Kindern und kulturelle Bildung waren ein wichtiger Ansatzpunkt der Festivals Dream City und De Colline en Colline, auf welchen hier jedoch nicht spezifisch eingegangen wird (vgl. IP Dunoyer 2018: 189–190).

108

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

313–314). Aus dieser Nachfrage sowohl von Seiten der Künstler als auch von Seiten der Öffentlichkeit entwickelte sich die Formatidee. Die Forderung zur Wiederholung des Events von Seiten der Bevölkerung dient den Festivalmachern ebenso als Nachweis einer erfolgreichen Umsetzung (vgl. IP Dunoyer 2018: 310–311, 315–316). Auch die Akteure von Interference betonen die Bedeutung der Wiederholung des Festivals für die Weiterentwicklung des Formates (vgl. IP Gharbi 2018: 76–78). Die durch das wiederkehrende Format etablierte Stabilität im Transformationsprozess ist relevant, um eine ‚Marke‘ zu etablieren. So konnte beispielsweise Dream City auch Bekanntheit im tunesischen Innenministerium erlangen (vgl. Beauvallet 2017). Die generierte Präsenz kann die Einflussmöglichkeiten stärken. Beispielsweise zeigt sich, dass durch das zehnjährige Bestehen Durchsetzungskraft und Handlungsfähigkeit etabliert und ebenso eine schrittweise Verantwortungsübernahme staatlicher Akteure erreicht werden konnte. Dies wird durch den Beitrag des Kulturministeriums von zehn Prozent des Festivalbudgets im Jahr 2017 deutlich, obwohl es bereits seit 2010 offizieller Festivalpartner ist. Dieser Aspekt kann einerseits als Fortschritt in der öffentlichen Wertschätzung durch die staatlichen Instanzen betrachtet werden, andererseits kritisieren die Initiatoren jedoch, dass trotz des großen Einflusses des Festivals die Subventionen sehr gering ausfallen (vgl. ebd.). Durch wiederkehrende Formate entwickeln sich Key Player im Transformationsprozess, die sich durch Qualität und Stärke auszeichnen und als Leitfiguren wichtige Funktionen übernehmen, um Institutionen aufzubauen und Nachhaltigkeit zu ermöglichen (vgl. Ekiert 2015: 196). L’Art Rue übernimmt mit Dream City hierbei eine Leitungsfunktion im Kultursektor, wie Aboudi beschreibt: „Among the emerging activities, empowering artists and associations on the cultural policy and rights, as well as empowering the civil society and issuing of artistic residencies for foreign and Tunisian artists [w]e can mention ‚l’Art Rue‘‚ ‚Art Street‘ as an example of the evolution of these cultural sector associations which executed projects and activities in new fields such as cultural rights, culture and development, artists empowerment, artist residencies“. (Aboudi 2017: 11)

Der Entwicklung von Institutionen und professionellen Organisation von Kunstfestivals wird insbesondere in den postrevolutionären Transformationsphasen (Transition, Konsolidierung) eine hohe Relevanz zugeschrieben. Azari, Smith und Stefes argumentieren für die Relevanz unabhängiger, informeller Organisationen in Transformationsprozessen, welche einen sukzessiven institutionellen Wandel

5.6  Defizite staatlicher Kulturpolitik

109

unterstützen können: „Informal institutions can complete or fill gaps in formal institutions; operate parallel to formal institutions, jointly structuring behavior in some domain; or coordinate the operation of intersecting institutions“ (Azari, Smith 2012: 41; vgl. Stefes 2015: 135). Die Etablierung von Institutionen und der Aufbau von Strukturen ermöglichen nachhaltiges Handeln unabhängiger Akteure wie z. B. Kunstfestivals im Transformationsprozess. Ferner erfolgt im Kontext der Prozesse des Strukturaufbaus auch eine Weiterentwicklung der Festivals und Kulturorganisationen. Die Akteure von Dream City beschreiben, dass die Entwicklung ihrer fünf Programmbereiche (Künstlerresidenzen, Kunst und Bildung, Debatte und Reflexion, Produktion, Dream City) und die Verzahnung untereinander sowohl Einfluss auf das Festival als auch die eigene Weiterentwicklung der Organisation hatten: L’art rue „was founded officially in 2012 and having this official structure, it helped develop the programs we were talking about earlier and actually the programs were driven from the Dream City project“ (IP El Mekki 2018: 183–185). Somit kann Dream City als Festival sowie auch den Methoden des Vorgängerprojektes Laaroussa eine Relevanz für die Entwicklung der Organisation L’art rue und der Programme zugeschrieben werden (vgl. ebd.: 212–213); die Verbindung von Format- und Strukturentwicklung ist hierbei zentral. Relevant ist ein wiederkehrendes Format wie Dream City sowie ein organisatorischer Rahmen, zum Beispiel der eines Vereins. L’art rue unterstützte eine langfristige, kontinuierliche Produktion von Kunst und trug somit als Organisation zur Entwicklung der Kunstszene in Tunesien bei (vgl. IP Dunoyer 2018: 190–202). Beim Festival De Colline en Colline, welches nur einmalig stattfand, erfolgte eine andere Form externer Strukturbildung. Das Festival gab den Impuls zur Gründung des Vereins der Freunde von Takrouna in einem der Festivalorte (vgl. IP Bohrer 2013: 244–247). Darüber hinaus wird die Notwendigkeit der Bedeutung des Formats eines Großprojekts im postrevolutionären Tunesien betont (vgl. IP Tamzini 2013: 271). Interference verfolgt die Vision des Aufbaus eines dezentralen Museums für Lichtkunst, um aus dem Festival eine dauerhafte Struktur zu entwickeln (vgl. IP Kossemtini 2018: 490–491; IP Pelz 2018: 472).

5.6 Defizite staatlicher Kulturpolitik Die Herausforderungen für Kulturproduktion in Transformationsprozessen sind aufgrund struktureller Defizite im kulturpolitischen Bereich hoch. Insbesondere die Finanzierung ist schwierig zu organisieren und sicherzustellen; damit verbunden sind ebenso Abhängigkeiten von ausländischen Geldgebern (vgl. IP

110

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Dunoyer 2018: 237; IP Rouissi 2018: 168–174; Kausch 2013: 8). Hauptsächlich erfolgt in der Transitionsphase ein enormer Anstieg an ausländischen finanziellen Mitteln in Tunesien (vgl. Kausch 2013: 8). Fehlende eigene Förderstrukturen in Tunesien, mangelnde öffentliche Unterstützung und mangelndes Interesse der staatlichen Verantwortungsträger werden darüber hinaus von den Festivals kritisiert (vgl. IP Dunoyer 2018: 237; IP Rouissi 2018: 169–170). Aufgrund mangelnder Finanzierungsmechanismen entwickeln die Festivals Kompensationsstrategien und arbeiten mit Freiwilligen und Sachspenden. Die Zusammenarbeit mit dem Staat19 beschränkt sich hauptsächlich auf formale Genehmigungen, teilweise auch die Bereitstellung von Strom und Wasser (vgl. IP El Mekki 2018: 264; IP Rouissi 2018: 200–204). El Mekki von Dream City spricht von einer Gratwanderung in der Beziehung: „The idea is always to not to break the exchange, or the discussion between us as a festival and the government“ (IP El Mekki 2018: 278–279). Rouissi von De Colline en Colline beschreibt eine mangelnde Unterstützung des Staates und fordert eine stärkere Begleitung durch die Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium (vgl. IP Rouissi 2018: 209–215). Auch die Akteure von Interference beschreiben Enttäuschungen und intransparente Prozesse bezüglich der Zusammenarbeit mit staatlichen Autoritäten wie beispielsweise dem Kulturministerium und deren Unterstützungsbereitschaft. Die Bürgermeisterin erschien zwar zur Eröffnung von beiden Festivals in den Jahren 2016 und 2018, die Zusage erfolgte jedoch sehr kurzfristig. Ferner wurden öffentliche Unterstützungsversprechen von ihrer Seite nicht weiter erfüllt. Der Kulturminister nahm am letzten Festivaltag im Jahr 2018 teil (vgl. IP Pelz: 332– 335, 347–348, 354–355). Der Wunsch nach staatlicher Unterstützung zeigt, dass Festivalakteure nach den Umbrüchen eine generelle Kooperationsbereitschaft mit dem Kulturministerium besitzen, trotz des zuvor subversiven Agierens unter der Diktatur und einer bewussten Abgrenzung zum Staat. Trotzdem kann auch nach den Umbrüchen weiterhin von Vorbehalten vor staatlicher inhaltlicher Einflussnahme oder auch Zensur ausgegangen werden. Dieser Fall kann insbesondere eintreten, wenn sich ein Land nicht progressiv in Richtung Demokratie entwickelt, sondern regressive Kräfte im Transformationsprozess dominieren und beispielsweise die Meinungsfreiheit wieder einschränken. Das Kriterium der Unabhängigkeit

19Hierbei

ist zu betonen, dass die Festivals in Bezug auf den Staat von unterschiedlichen Autoritäten sprechen, wie beispielsweise Staat, Regierung, Ministerium oder Bürgermeisterin. Es ist keine Einheitlichkeit festzustellen.

5.7  Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus …

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der Festivals bleibt zentral im gesamten Transformationsprozess und ist in der öffentlichen Kulturpolitik mit zu berücksichtigen. Zusammenfassend beruhen die Beziehungen auf strengen Hierarchien, Intransparenz und mangelndem Vertrauen sowie einem gegenseitigen Überlassen von Handlungsspielräumen. Der Dialog zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren ist im Transformationsprozess stark eingeschränkt, der Aufbau gegenseitigen Vertrauens und Interesses ist hierbei eine zentrale Komponente zur Verbesserung der Beziehungen. Das Kulturministerium scheint als Kooperationspartner für die Kunstfestivals kaum eine Rolle im Transformationsprozess einzunehmen. Teilweise werden andere Ministerien wie das Tourismus- und das Innenministerium als relevantere Partner eingeschätzt (vgl. ebd.: 342–343). Eventuell haben einige Festivalmacher auch übersteigerte Erwartungen an die Rolle des politisch instabilen Kulturministeriums im Transformationsprozess. Ein weiteres kulturpolitisches Defizit sind die kaum vorhandenen staatlichen Ausbildungsprogramme und Studiengänge im Kulturbereich, welche zu einem Mangel an Fachkräften wie Kulturmanager, Kuratoren, Kulturvermittler, Ausstellungs- und Medientechniker führen (vgl. IP Bruckbauer 2013: 150–151; IP Pelz 2018: 280–283, 286–287; IP Rouissi 2018: 174–176). Auch hierfür existieren verschiedene Kompensationsstrategien. Alle Festivals arbeiten für die Umsetzung mit einer hohen Zahl an Freiwilligen, die ohne spezifische Ausbildungen oder Vorerfahrungen direkt in die Praxis einsteigen. Interference verfolgte zusätzlich den Ansatz der Qualifizierung des eigenen Teams (vgl. IP Pelz 2018: 283–184; IP Rouissi 2018: 176–177). Darüber hinaus existierte bei Interference aufgrund der spezifischen Anforderungen eines Lichtkunstfestivals ebenso ein Mangel an technischen Ressourcen und damit waren sehr hohe, teilweise nicht tragbare Kosten verbunden (vgl. IP Pelz 2018: 288–289).

5.7 Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus und gesellschaftspolitischen Entwicklungen Zusammenfassend sind Kunstfestivals ein progressives Format im tunesischen Transformationsprozess, indem sie zur Förderung von Kulturproduktion, zur Entwicklung und Professionalisierung des Kultursektors und zur Förderung demokratischer Partizipation beitragen. Kunstfestivals als Formate geben neue Anreize und Handlungsimpulse für Kulturaktivisten und Gesellschaft und stellen

112

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Engagement- und Ermöglichungsfelder in Transformationsprozessen dar. Sie agieren sowohl auf der Ebene des Individuums als auch im strukturellen Bereich. Bereits in der Entstehung der Festivals findet eine Politisierung der Akteure statt, welche als Aktion gegen Zensur und eingeschränkte Meinungsfreiheit (Liberalisierungsphase) oder Reaktion auf strukturelle Defizite (Transitions- und Konsolidierungsphasen) erfolgt. Ein bedeutendes Kriterium beim Zusammenbruch einer Diktatur im Übergang zu einem neuen System ist die Schaffung von Freiräumen und Alternativen zu etablierten Strukturen und Mustern, denn „Revolutionen starten […] immer mit symbolischen Neugründungsakten des Zusammenlebens“ (Rau 2017: 22). Diese Prozesse des Neudefinierens im Transformationsprozess können durch Kunstfestivals erfolgen, um Leerstellen zu füllen und Alternativen zu erproben. Impulsfaktoren durch internationalen Austausch, wie beispielsweise die Förderung von Mobilität im Rahmen personellen Austauschs, sind ein entscheidender Katalysator für die Entstehung von Kunstfestivals. Die gesellschaftspolitische Verortung von Kunstfestivals in Transformationsprozessen erfolgt sowohl über die Agenda der Festivals als auch über neue Methoden demokratischer Partizipation. Demokratisierung wird von den Festivalmachern als direkter Auftrag angesehen. Unter dem Begriff Kulturaktivismus wird eine neue Akteursgruppe überwiegend nicht-institutioneller Akteure beschrieben, welche mit künstlerischen Herangehensweisen zu einem gesellschaftspolitischen Wandel beitragen. Hierdurch erfolgt eine Erweiterung des klassischen Künstlerbegriffs. Die gesellschaftspolitische Agenda von Kulturaktivismus kann im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Dimension analysiert werden. Hierbei ist nach der jeweiligen Phase des Transformationsprozesses zu differenzieren. Die folgende Zusammenfassung der Haupterkenntnisse dieses Kapitels zeichnet ein Modell von Kulturaktivismus im Transformationsprozess (Abbildung 5.1). Das Festival Dream City verortet sich sowohl in der politischen und gesellschaftlichen Dimension (vgl. IP El Mekki 2018: 386–389). Der Künstler wird als politischer Akteur und Kunst als Methode für gesellschaftspolitischen Wandel definiert:

5.7  Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus …

113

„Für uns ist Kunst ein Mittel und ein Zweck, das heißt für uns ist die Kunst grundsätzlich politisch, politisch bedeutet in dem Sinne des Lebens in der Stadt, und wir sind überzeugt, dass der Künstler durch seine Sensibilität am besten geeignet ist, um die heutige Gesellschaft zu verstehen und die Gesellschaft von morgen zu erträumen. Wir möchten, dass es Künstler gibt, die an der Macht sind, das ist wirklich eine Idee, ich bin sicher, dass es viele Dinge gibt, die besser funktionieren würden, wenn es Künstler im Bereich der Macht gäbe. Sie könnten Handlungsmöglichkeiten und Ideen aufzeigen. Für uns ist es wichtig, Aktivismus zu betreiben, aber der ästhetische Zweck ist das Zentrum der Aufmerksamkeit.“ (IP Dunoyer 2018: 377–385, Übersetzung der Autorin)

Das Beantragen von Genehmigungen für Kunstwerke – und damit auch die Ermöglichung des Festivals durch subversives Agieren in der Liberalisierungsphase – beschreibt Dunoyer als sehr politischen Ansatz (vgl. ebd.: 258–259). Am Beispiel von Dream City zeigt sich die Tendenz der starken Korrelation der jeweiligen Festivalthemen und Zielsetzungen von 2007 bis 2017 mit der jeweiligen politischen Situation im Kontext des Transformationsprozesses. In der Liberalisierungsphase wurden visionäre Themen wie beispielsweise ‚Träume von deiner Stadt‘ (2010) gesetzt. In der Transformationsphase reagierte das Festival auf die neuen gesellschaftspolitischen Umstände mit dem Thema ‚Artists facing freedom‘ (2012); hierbei wurde konkret über folgende Fragen reflektiert: „Wie kann sich der Künstler in den demokratischen Prozess integrieren? Was ist seine Rolle beim Aufbau einer Demokratie?“ (ebd.: 322–323, Übersetzung der Autorin). In der Konsolidierungsphase wurde unter dem Thema ‚Art and social ties‘ (2015) die soziale Spaltung in Tunesien im Kontext des aufstrebenden Einflusses islamistischer Bewegungen künstlerisch bearbeitet und der Austausch unterschiedlicher sozialer Gruppen forciert (vgl. ebd.: 323–329; L’art rue 2010; L’art rue 2012; L’art rue 2015b). Die Initiatorin von De Colline en Colline verortet ihr Handeln nicht direkt in einer politischen Dimension: „Aber ich habe keine Politik gemacht, ich habe Kunst gemacht. Ich war also in meinem Leben als Künstlerin, aber auch so, dass ich durch meine Kunst sprechen kann, dass ich sagen kann, was ich will“ (IP Rouissi 2018: 69–71, Übersetzung der Autorin). Diese Selbstdefinition der Initiatorin ist jedoch nicht zu generalisieren, denn das Festival verortet sich in seiner Programmatik auch dezidiert politisch, wie die Kuratorin Bruckbauer beschreibt: „Art became transformed into a political playing field when the artist, taking on the role of moderator, discussed themes like ‚freedom‘, ‚women’s role‘ and the ‚protection of the environment‘“ (Bruckbauer 2013: 17).

114

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Die Akteure vom Festival Interference verorten ihr Handeln überwiegend im Kontext der gesellschaftlichen und weniger in der politischen Dimension. Der Fokus liegt auf der Arbeit mit der Zivilgesellschaft und dem durch das Kunstfestival geschaffenen Engagementsfeld. Eine direkte Verbindung zu politischen Agenden, Institutionen und Repräsentanten wird nicht beschrieben (vgl. IP Kossemtini 2018: 417–418). Durch die unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte der Kunstfestivals wird deutlich, dass sich die Rollen der Kulturaktivisten je nach Transformationsphase unterscheiden. In der Liberalisierungsphase (bis 2011) existiert die strategische Zivilgesellschaft und die Festivals nehmen eine Widerstands- und Mobilisierungsrolle ein. Während der Transitionsphase (2011–2014) dominiert der konstruktive Typ der Zivilgesellschaft und Kunstfestivals nehmen eine Rolle in der demokratischen Debatte ein. Die reflexive Zivilgesellschaft in der Konsolidierungsphase (seit 2014) führt zur einer Rollenzuschreibung im Aufbau demokratischer Kultur. Die Dimensionen der gesellschaftspolitischen Agenda von Kulturaktivismus sind ebenso nach der Transformationsphase zu differenzieren. Die politische Dimension nimmt bis zum Ende der Liberalisierungsphase stetig zu und erreicht am Ende dieser Phase den Höhepunkt. In den Transitions- und Konsolidierungsphasen nimmt sie, mit der schrittweisen Etablierung der Demokratie, kontinuierlich ab. Der Fokus verschiebt sich nun stärker auf die gesellschaftliche Dimension, welche in der Liberalisierungsphase sehr schwach ausgeprägt ist und nach den Umbrüchen in den Transitions- und Konsolidierungsphasen stetig anwächst. Die gesellschaftliche Dimension ist in der Konsolidierungsphase am höchsten. Der Status der Meinungsfreiheit wird in der Darstellung mit aufgeführt, da dieser die Entwicklungen stark beeinflusst. In der Liberalisierungsphase existiert eine stark eingeschränkte Meinungs- und Kunstfreiheit mit politischer Zensur und Selbstzensur. Nach den Umbrüchen herrscht eingeschränkte Meinungs- und Kunstfreiheit mit politischer und gesellschaftlicher Zensur vor. Mit Etablierung der Demokratie wird in der Konsolidierungsphase eine theoretisch vorhandene Meinungs- und Kunstfreiheit ohne Zensur implementiert. Bei der allgemeinen Quantität der Kulturproduktion erfolgt durch den Wegfall der politischen Zensur eine starke Zunahme der künstlerischen Aktivitäten direkt nach den Umbrüchen zu Beginn der Transitionsphase, danach und in der Konsolidierungsphase steigt sie nur noch leicht weiter an.

115

5.7  Kunstfestivals zwischen künstlerischem Aktivismus …

Transformationsphase

Liberalisierungsphase

Transitionsphase

Konsolidierungsphase

Zeitraum

Bis 2010/11

2011 – 2014

Seit 2014

Typen der Zivilgesellschaft

Strategische Zivilgesellschaft

Konstruktive Zivilgesellschaft

Rollen der Kulturaktivisten

Widerstand und Mobilisierung

Demokratische Debatte und Austausch

Relevanz der Dimensionen der gesellschaftspolitischen Agenda von Kulturaktivismus

Status der Meinungsund Kunstfreiheit

Reflexive Zivilgesellschaft Aufbau demokratischer Kultur

Gesellschaftliche Dimension

Stark eingeschränkt mit politischer Zensur und Selbstzensur

Eingeschränkt mit politischer und gesellschaftlicher Zensur

Quantität der Kulturproduktion

Abbildung 5.1   Kulturaktivismus im Transformationsprozess

Theoretisch vorhanden ohne Zensur

116

5  Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus

Neue Methoden demokratischer Partizipation sind ein weiterer relevanter Aspekt von Kunstfestivals in Transformationsprozessen. Die Aneignung des öffentlichen Raumes und Dezentralisierungsansätze zeigen, dass die Auswahl des Ortes von entscheidender Relevanz im Transformationsprozess ist. Ebenso sind prozessorientierte, kontextbasierte und interdisziplinäre Produktion sowie Community Building in Produktion und Kulturvermittlung Teil der neuen Methoden demokratischer Partizipation. Im Utopieraum Kunstfestival können durch partizipatorische Prozesse Zugänge zu Kunst und Kultur geschaffen und demokratische Teilhabestrukturen modellhaft erprobt werden. Es entstehen neue Netzwerke der Festivalmacher mit neuen Akteuren im Kulturbereich, die sich durch ein hohes Maß an freiwilligem Engagement auszeichnen. Weiteres zentrales Element ist die strategische Auswahl der Künstler, welche sich meist an den Arbeitsmethoden orientiert und durch Einladung und Ausschreibung erfolgt. Formatentwicklung und Strukturbildung können als Inkubator für Nachhaltigkeit im Transformationsprozess fungieren. Hierbei ist die Entwicklung vom einmaligen Projekt zum wiederkehrenden, langfristigen Format Festival von zentraler Bedeutung, um Stabilität im Transformationsprozess zu garantieren. Key Playern kommt in Bezug auf strukturbildendes Handeln eine spezifische Rolle zu. Unabhängige, zivilgesellschaftliche Akteure und informelle Institutionen sind wichtige Akteure im Transformationsprozess, wie Hasenkamp konstatiert: „In der Tat können die ‚independents‘ veränderungsaffiner, reaktionsschneller, flexibler, innovativer, enger an jungen Zielgruppen orientiert sein als traditionsreiche staatliche Einrichtungen“ (Hasenkamp 2012: 110; vgl. ebd.). Dies wird auch anhand der Kunstfestivals deutlich, wie Pelz argumentiert: „[I]t’s made possible by a civil society, so all the resources, all the development is not primarily done by institutions, if we would have waited for others, it wouldn’t be happening“ (IP Pelz 2018: 435–437). Die Analyse der Beispiele zeigt deutlich, dass trotz der Relevanz von Kunstfestivals im Transformationsprozess die Handlungsfähigkeit der Kulturakteure durch mangelnde lokale kulturpolitische Unterstützung oft eingeschränkt ist. Öffentlicher Kulturpolitik mangelt es an einer Implementierung struktureller Fördermechanismen, welche unabhängige, zivilgesellschaftliche Akteure umfassend integriert.

6

Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

In diesem Kapitel werden basierend auf den Grundprinzipien auswärtiger Kulturpolitik (Abschnitt 6.1) Bedarfe zur Neuausrichtung (Abschnitt 6.2) formuliert. Darauf aufbauend werden das Rahmenkonzept der Transformationspartnerschaft (Abschnitt 6.3) und die kulturelle Programmarbeit des GoetheInstituts als Mittlerorganisation (Abschnitt 6.4) analysiert. Abschließend werden die kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung des Goethe-Instituts (Abschnitt 6.5) und die Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument (Abschnitt 6.6) untersucht.

6.1 Grundprinzipien deutscher auswärtiger Kulturpolitik Interkultureller Austausch, Augenhöhe, Dialog und Kooperation auf partnerschaftlicher Ebene oder Lerngemeinschaften (vgl. Hampel 2015: 49; Knopp 2016: 169; Lepenies 1996: 48; Weigel 2019: 24) sind Begrifflichkeiten, die mit deutscher auswärtiger Kulturpolitik verknüpft werden.1 Bereits HammBrücher postulierte 1982 in ihren Zehn Thesen zur kulturellen Begegnung und Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt die „Gegenseitigkeit der Kulturbeziehungen“ sowie „Kulturaustausch und partnerschaftliche Zusammenarbeit“ (Hamm-Brücher, Auswärtiges Amt 1982: 191). Das Auswärtige Amt definiert

1Die

Begriffe Augenhöhe und Partnerschaft sollen eine Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Partner und ihrer Perspektiven und Werte als Handlungsmaxime definieren (vgl. Hampel 2015: 49).

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_6

117

118

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Koproduktion im 21. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als zentralen Ansatz für den Dialog auf Augenhöhe: „Durch die Koproduktion von Wissen, Bildung und Kultur werden grenzüberschreitend Kulturen vernetzt und so Dialog, Verständnis und Verständigung gefördert. Koproduktion setzt an bei Dialog und Austausch auf Augenhöhe, aus dem neue Netzwerke und Arbeitsformen in globalen Zusammenhängen und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit inländischen und internationalen Kulturakteuren entstehen.“ (Auswärtiges Amt 2019a: 45)

Kulturpolitik ist neben Sicherheits- und Wirtschaftspolitik die dritte Säule deutscher Außenpolitik (vgl. Auswärtiges Amt 2015a; Maaß 2015b: 47).2 Sie zielt darauf ab, kulturellen Austausch zwischen Deutschland und anderen Ländern zu fördern, beispielsweise durch Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut. Die Implementierung auswärtiger Kulturpolitik ist dezentral organisiert, d. h. das Auswärtige Amt initiiert, koordiniert und finanziert Maßnahmen u. a. in den Bereichen Kultur, Bildung, Forschung und Soziales. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgt hauptsächlich durch Mittlerorganisationen, bei denen es sich um rechtlich unabhängige Nichtregierungsorganisationen handelt, die für die Konzeption von Programmen und Projekten verantwortlich sind. Dies steht jedoch in gewissem Widerspruch zu den Zielvereinbarungen, welche die Mittlerorganisationen mit dem Auswärtigen Amt abschließen und die strategische Ziele für deren Handeln vorgeben. Dieses System der Übertragung von Verantwortung für staatliche Kulturarbeit an Mittlerorganisationen wurde implementiert, um die Entscheidungskompetenzen in der deutschen Außenkulturpolitik nach dem zweiten Weltkrieg zu dezentralisieren und so einer Instrumentalisierung der Kulturpolitik für staatliche Propaganda strukturell entgegenzuwirken (vgl. Auer u. a. 2015: 44; Auswärtiges Amt 2015a).3 Public Diplomacy und Soft Power sind zentrale Konzepte in den Diskursen internationaler Beziehungen, in deren Kontexten u. a. auswärtige Kulturpolitik

2Das

Konzept der dritten Säule wurde ursprünglich von Willy Brandt in den 1960er Jahren etabliert (vgl. Maaß 2015b: 47). 3Zur weiterführenden Information siehe auch das Kapitel Abhängigkeit und Freiräume: Wechselspiele der Macht zwischen Auswärtigem Amt und Kulturmittlern (vgl. Adam 2018: 137 ff.), das Kapitel Zur Konzeption der Arbeit des Goethe-Instituts im Ausland (vgl. Kaitinnis 2018: 27 ff.) und das Kapitel Das Goethe-Institut als Mittlerorganisation der AKP. Eine Verortung im Rahmen innenpolitischer, außenpolitischer und außenkulturpolitischer Entwicklungen (vgl. ebd.: 45 ff.).

6.1  Grundprinzipien deutscher auswärtiger Kulturpolitik

119

erfolgt (vgl. Auer u. a. 2015: 29 ff.; Nye 2004: 5 ff.). Public Diplomacy ist ein Kommunikationsmittel für internationale Akteure, das auf den Aufbau von Beziehungen und der Beeinflussung der Wahrnehmung eines Landes im Ausland hinzielt.4 Dies ermöglicht die Stärkung der Beziehungen, indem eigene Interessen verfolgt und umgesetzt werden: „Public Diplomacy bezeichnet die Kommunikationsaktivitäten internationaler Akteure (z.  B. Regierungen, multinationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen), die darauf abzielen, politische, wirtschaftliche, kulturelle oder wissenschaftliche Beziehungen zu anderen internationalen Akteuren und Öffentlichkeiten zu gestalten, insbesondere die eigene Wahrnehmung im Ausland positiv zu beeinflussen. Public Diplomacy gehört damit zu den Instrumenten internationaler Akteure, um internationale Beziehungen zu verbessern und damit langfristig die Durchsetzung eigener Interessen zu erleichtern.“ (Auer u. a. 2015: 39)

Das Konzept der Soft Power von Nye umfasst die Komponenten Kultur, politische Werte sowie politische Handlungen und „zielt darauf ab, die Präferenzen anderer Akteure zu beeinflussen, ohne dabei militärischen oder wirtschaftlichen Druck (Hard power) auszuüben“ (ebd.: 40; vgl. Nye 2004: 5 ff.). Der Einfluss eines Landes in einem anderen ist der Kern beider Konzepte. Indem auswärtige Kulturpolitik außenpolitische Interessen und Zielsetzungen unterstützt, ist sie Teil der Soft Power und Public Diplomacy eines Staates, wie im Folgenden erläutert wird. Nach Schneider besteht eine Herausforderung auswärtiger Kulturpolitik darin, dass sie immer zwischen zwei Polen operiert: Einerseits der Förderung von Kunst und Kultur im Interesse der Autonomie der Künste und andererseits der Förderung kultureller Prozesse als politisches Instrument u. a. zur Vermittlung des Deutschlandbilds und Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Letzteres weist auf das wirtschaftliche Eigeninteresse Deutschlands hin, da die politische, soziale und kulturelle Entwicklung in Transformationsländern ein enormes wirtschaftliches Potenzial birgt (vgl. Schneider 2014: 23). Wie in der Konzeption 2011 zur auswärtigen Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes ersichtlich, wird auswärtige Kulturpolitik für außenpolitische Ziele instrumentalisiert: „Es geht für Deutschland darum, Einfluss in der Welt zu sichern und die Globalisierung verantwortlich mitzugestalten“ (Auswärtiges Amt 2011b: 3; vgl. Schneider 2014: 23). Maaß

4Nach

dem 11. September 2001 änderte sich das Konzept von Public Diplomacy in Richtung der Entwicklung gegenseitiger, dauerhafter Beziehungen wie Auer u.  a. argumentieren (vgl. Auer u. a. 2015: 39 f.).

120

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

argumentiert ebenfalls, dass klare nicht-altruistische Interessen in der Unterstützung außenpolitischer Ziele in den Partnerländern sowie der Förderung deutscher Werte, Normen und Prinzipien existieren (vgl. Maaß 2015b: 47 f.).5 Pamment ergänzt, dass die Förderung des Einflusses Deutschlands im Ausland durch kulturelle Kampagnen und Projekte sehr hoch auf der Agenda steht (vgl. Pamment 2013: 5 ff.).

6.2 Bedarfe zur Neuausrichtung Auswärtiger Kulturpolitik Aktuelle Diskurse auswärtiger Kulturpolitik zeigen, dass der veränderte globale Kontext – wie u. a. die in den Jahren 2010/11 begonnenen Transformationsprozesse in arabischen Ländern, aber auch aktuelle postkoloniale Debatten – politische Entscheidungsträger und Kulturakteure dazu veranlasst, internationale Konzepte zur Unterstützung im Rahmen auswärtiger Kulturpolitik, Rahmenbedingungen, Strukturen und Ziele zu überdenken. So postuliert Wagner: „Meine These ist, dass das Credo der deutschen Auslandskulturpolitik, ja sein Mantra, der gegenwärtigen Situation Deutschlands in der globalen und europäischen Politik nicht mehr gerecht werden kann, und dass zu wenig Anstrengungen sichtbar werden, das Verhältnis von autonomer Kulturarbeit und den Interessen Deutschlands neu zu bestimmen.“ (Wagner 2018: 245 f.)

Es gilt das Nationale zu überwinden und eine auswärtige Kulturpolitik fern von Interessen einzelner Nationalstaaten zu implementieren, wie Dahrendorf bereits Anfang der 1970er Jahre forderte: „Wir müssen von einer Außenpolitik der Staaten zu einer Außenpolitik der Gesellschaften kommen“ (Dahrendorf nach Steinmeier 2015). Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit das Konzept der dritten Säule obsolet ist: „Braucht Kulturarbeit im Ausland die Außenpolitik?“ (Schneider 2018b: 304). Zudem ist zu erörtern, ob Kulturpolitik unabhängig von den anderen beiden Politikbereichen agieren sollte. Grätz, Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen, spricht von einer Anpassung der Rahmenbedingungen der auswärtigen Kulturpolitik an die Globalisierung und die neuen Kontexte (vgl. Grätz 2018a: 219 f.). Laut ihm wird

5Bezüglich

des Impacts der Konzeption 2011 konstatiert Maaß, dass keine bemerkenswerten Veränderungen in der Praxis erreicht wurden (vgl. Maaß 2015b: 51).

6.2  Bedarfe zur Neuausrichtung Auswärtiger Kulturpolitik

121

„[e]ine partizipative, transparente und auf breiter Basis von Akteuren fußende Entwicklung von Leitlinien einer künftigen [a]uswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ (Grätz 2018b: 140) benötigt. Roth (Bündnis 90/Die Grünen) fordert die Perspektive der Künstler stärker in die auswärtige Kulturpolitik einzubeziehen und Schmidt (SPD) ergänzt die stärkere Bedeutung der Empfänger- statt Senderdimension (vgl. Roth 2018: 137; Schmidt 2018: 135). Auch Wissenschaftler argumentieren für den Bedarf einer Neuausrichtung, wie Schneider beschreibt: „Es geht nicht mehr um AKP, es ist falsch auf die amerikanisch deformierte Cultural Diplomacy zu setzen, es sollte endlich auch Schluss sein, das Ganze auch noch als Soft Power zu stilisieren“ (Schneider 2018b: 312; vgl. Schneider 2008: 28 f., 87 ff.; Schreiner 2008: 5 ff.). „Die AKP war schon immer gesellschaftlichen Transformationsprozessen unterworfen. Bisher wurde ihre Ausrichtung allerdings einzig und allein von den Strategien der staatlichen Außenpolitik bestimmt, wie zahlreiche Untersuchungen belegen. Neuere Forschungsansätze beschäftigen sich inzwischen mit der Möglichkeit, bisherige Formate zu reformieren und denken dazu darüber nach, wie internationale Beziehungen künftig kulturell und künstlerisch neu zu konzeptionieren wären.“ (Schneider 2018b: 302)

Hampel betont die Relevanz, die Interessen der Partnerländer in der auswärtigen Kulturpolitik zu berücksichtigen (vgl. Hampel 2015: 24) und Crückeberg geht in seiner Argumentation noch weiter: „Es ist an der Zeit, AKP nicht mehr lediglich als dritte Säule der Außenpolitik zu begreifen, sondern als eigenständiges Politikfeld unabhängig von außenpolitischen Zwängen“ (Crückeberg 2019: 168). Auch das Auswärtige Amt hinterfragt auswärtige Kulturpolitik kritisch, wie Steinmeier in dem durch ihn initiierten Review Prozess formuliert: „Wir dürfen bei der Frage ‚Tun wir das Richtige?‘ nicht stehen bleiben. Es geht auch um die Anschlussfrage ‚Tun wir es auf die richtige Art und Weise?‘“ (Steinmeier 2014: 13, vgl. Auswärtiges Amt 2014b). Hiermit wird ein Fokus auf ein Überdenken der Prozesse und Herangehensweisen gelegt und eine Kulturpolitik gefordert, „die über die Repräsentation, die Darstellung unseres Landes hinausgeht, die Kooperation ermöglicht und die die gemeinsame Arbeit an der Weltvernunft, die Koproduktion von Bildung, Wissen und Kultur zu ihrem Schwerpunkt macht und dadurch die Trennung von Innen und Außen zu überwinden hilft.“ (Steinmeier 2015)

Um dies umzusetzen, wird u. a. die Arbeit mit der Zivilgesellschaft als neuer Schwerpunkt beschrieben (vgl. Leininger 2015: 511; Steinmeier 2015), welcher

122

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

auch für die Transformationsländer von Bedeutung ist, da diese in der Region seit den Umbrüchen 2010/11 mehr Mitsprache fordert. Obwohl nach Schneider die Rolle der Zivilgesellschaften schon lange berücksichtigt wird, ist die Vermittlung des Deutschlandbilds auch im Jahr 2018 noch der Fokus der auswärtigen Kulturpolitik (vgl. Schneider 2018b: 311 f.). Deshalb fordert Schneider eine „grundlegende Neuorientierung“ (ebd.: 312) sowie eine „Aufgabe der Nationalstaatlichkeit als Prinzip. […] Demokratieförderung ist das Gebot der Stunde“ (ebd.). Letztere ist seit den 2000er Jahren wichtige Aufgabe auswärtiger Kulturpolitik (vgl. Weigel 2019: 7, 19). Im Kontext der arabischen Umbrüche gilt es diese Forderungen unter besonderer Berücksichtigung des Aspekts der Demokratisierung zu überdenken. Aufgrund neuer politischer Rahmenbedingungen und „veränderte[r] Interessenslagen“ (Wagner 2018: 259) ist auf die neuen situationsspezifischen Herausforderungen zu regieren, um durch auswärtige Kulturpolitik gesellschaftliche und demokratische Entwicklungen zu unterstützen: „Nach dem 11. September 2001 sind die Ereignisse im Januar 2011 zu einem Schlüsseldatum in unserem Umgang mit der arabischen Welt geworden. Dieser Aufbruch hat deutlich gemacht, dass ein komfortables Paktieren mit ungerechten Machtgefügen nicht von Dauer ist. Ein Impuls wurde gesetzt, der zur Folge hat, dass auch die westlichen Strategien der Kooperation neu bewertet werden müssen. Notwendig erscheint daher ein revidierender Blick auf die arabische Welt und auf die Beziehungen zwischen Europa, Nordafrika und Nahost“. (Ebert u. a. 2013: 9)

Das Auswärtige Amt hat mit der Etablierung der Transformationspartnerschaft im Jahr 2012 auf die Umbrüche in Tunesien reagiert und ein neues politisches Rahmenkonzept etabliert, um explizit die Demokratisierungs- und Reformprozesse sowie Zivilgesellschaft und substaatliche Akteure zu unterstützen. Dieses Konzept wird im Folgenden auf die auswärtige Kulturpolitik hin analysiert.

6.3 Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept Rechtlich basiert die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tunesien auf einem Kulturabkommen aus dem Jahr 1967 (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 1967). Unter den Begriffen Dialog mit der islamischen Welt, Europäisch-Islamischer Kulturdialog (EIK) und Islamdialog arbeitet das Auswärtige Amt seit den 1990er Jahren in der arabischen

6.3  Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept

123

Region. Schon damals, wie auch verstärkt seit dem 11. September 2001, besteht ein Ziel darin, Demokratisierungsprozesse zu fördern (vgl. Auswärtiges Amt 2006; Maaß 2015b: 50).6 Die Transformationspartnerschaft kann basierend auf dem ­Europäisch-Islamischen Kulturdialog als Konzept zur Anpassung der Zusammenarbeit betrachtet werden, ohne weiterhin den Fokus auf den religiösen Aspekt des Dialogs zu legen (vgl. Ernst 2014: 132).7 Die Entwicklung und Implementierung neuer politischer Rahmenkonzepte bietet Potenziale, die Zusammenarbeit neu zu gestalten und Schwerpunkte neu zu definieren: „[D]er ‚Islamdialog‘, der aus dem mit Anti-Terrorkampf-Mitteln zu Beginn finanzierte EIK [Europäisch-Islamischer Kulturdialog] hervorgegangen ist, [ist] diskursiv eher einseitig geprägt. Mit dem 2011 begonnenen ‚Transformationsdialog‘ könnte hingegen eine andere Richtung hinzu mehr Gemeinsamkeit und wechselseitiger Verständigung im Sinne eines ‚partnerschaftlichen Ansatzes‘ und des ‚Zweibahnstraßen-Prinzips‘ eingeschlagen werden.“ (Ernst 2014: 321)

Ernst fordert einen „Bedeutungszuwachs der ‚Arabischen Welt‘ (‚Region Nahost/Nordafrika‘) in der deutschen AKBP, insbesondere nach den Diskursereignissen 2001 [Anschläge vom 11. September] und 2010/11“ (ebd.: 225). Er spricht dabei von „politisch gesteuerten Bedeutungszuwächsen“ (ebd.: 257), welche dem zuvor „von der AKBP vernachlässigte[n] Magreb“ (Ernst 2011: 8) zugeschrieben werden: „Denn während im Jahr 2002 noch 5,1 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt für den ‚Europäisch-Islamischen Kulturdialog‘ bereitgestellt worden waren, waren es im Berichtszeitraum 2009/2010 nur noch etwa 2,4 Millionen Euro. Die bereitgestellten Finanzmittel wurden innerhalb von sieben Jahren um mehr als die Hälfte (53 Prozent) reduziert.“ (ebd.: 12 f.)

6Die

Euro-Mediterrane Partnerschaft (EUROMED) zwischen der EU und Ländern der MENA-Region unterstützte bereits seit 1995 u. a. Transformations- und Demokratisierungsprozesse in der Region (vgl. Zimmermann 2011: 211). 7Die Transformationspartnerschaft und der Europäisch-Islamische Kulturdialog werden durch Sondermittel finanziert (vgl. Ernst 2014: 218).

124

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Deutsche auswärtige Kulturpolitik reagierte auf die aktuellen Herausforderungen im arabischen Raum. In der Konzeption 2011 des Auswärtigen Amts wird unter dem Ziel Frieden sichern ein neuer Fokus auf Transformationsländer gelegt:8 „Die dramatischen Umbrüche [2010/11] in der arabischen Welt sind eine historische Chance für Frieden und Wohlstand in der Region. Diese Aufbrüche streben nach Freiheit und nach Teilhabe. Wir wollen die betroffenen Länder dabei unterstützen, eine tragfähige Demokratie in einer starken Zivilgesellschaft zu verankern.“ (Auswärtiges Amt 2011b: 8)

Um den friedlichen, demokratischen Wandel zu unterstützen, wurde im Jahr 2012 das Instrument der deutsch-tunesischen Transformationspartnerschaft geschaffen, ein bilaterales partnerschaftliches Abkommen zwischen der deutschen und tunesischen Regierung, finanziert durch das Auswärtige Amt und umgesetzt u. a. durch die Mittlerorganisationen (vgl. Auswärtiges Amt 2012b: 1 ff.).9 Die Transformationspartnerschaft ist demnach eine Reaktion auf die Umbrüche 2010/11 im arabischen Raum (vgl.  Knoblich 2015: 15). Das Programm legt einen neuen Schwerpunkt auf die arabische Region, mit Tunesien als sogenanntem „Leuchtturmpartner“ (Auswärtiges Amt 2018c; vgl.  ebd.;

8Als

weitere Ziele der Außenpolitik werden „Europa stärken“ und „Alte Freundschaften pflegen, neue Partnerschaften gründen“ (Auswärtiges Amt 2011b: 5) genannt. Bereits im Grundsatzpapier, den Leitsätzen für die auswärtige Kulturpolitik aus dem Jahr 1970, wird vom erweiterten Kulturbegriff gesprochen und Friedensarbeit als übergeordnetes Ziel der deutschen Außenpolitik genannt (vgl. Auswärtiges Amt 1970: 184).

9Der

Einfachheit halber wird im Folgenden der Begriff Transformationspartnerschaft genutzt. Die offiziellen Begriffe sind Deutsch-tunesische Transformationspartnerschaft oder Transformationspartnerschaft mit der arabischen Welt (vgl. Auswärtiges Amt 2018c). Die Transformationspartnerschaft wird in dieser Arbeit als Beispiel für ein Förderprogramm betrachtet. Die Unterstützung Deutschlands beschränkt sich keinesfalls nur auf dieses Instrument. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit erfolgt beispielsweise eine umfassende zusätzliche Unterstützung. Auch die Europäische Union reagierte auf die Umbrüche mit Unterstützungsmechanismen und veröffentlichte hierzu im Jahr 2011 das Strategiepapier A Partnership for Democracy and Shared Prosperity with the Southern Mediterranean (vgl. Europäische Kommission 2011). Die Partnerländer der Transformationspartnerschaft waren zuerst Tunesien und Ägypten, später kamen Jemen, Jordanien, Libyen, Marokko und im Jahr 2016 Irak und Libanon hinzu (vgl. Auswärtiges Amt 2018c).

6.3  Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept

125

Ernst 2014: 229 f.)10 und „sollte in einem flexiblen und über klassische Entwicklungszusammenarbeit hinausgehenden Rahmen“ (Asseburg u. a. 2016: 37) greifen. Der damalige deutsche Außenminister Westerwelle und sein tunesischer Kollege Abdelsalem unterzeichneten im Januar 2012 die Gemeinsame Absichtserklärung,11 um mit der Transformationspartnerschaft Projekte im Bereich „Demokratie und Zivilgesellschaft zu fördern, und die Stellung von Frauen zu stärken, die Justiz- und Verwaltungsbehörden zu beraten, Medien zu stärken sowie die Modernisierung des Bildungswesens zu unterstützen“ (Auswärtiges Amt 2019c), wie die Prioritäten des Programms beschrieben werden. Die Partnerschaft beinhaltet regelmäßige Regierungskonsultationen (2012, 2014, 2016, 2018), gemeinsame Absichtserklärungen und die Umsetzung von Schlüsselprojekten. Sie bietet insbesondere neu definierte Arbeitsbereiche und zusätzliche finanzielle Ressourcen für den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Sektor (vgl. Auswärtiges Amt 2012b: 1 ff.; Auswärtiges Amt 2018c). Das Dokument stellt keinen rechtsverbindlichen Vertrag zwischen beiden Staaten dar, sondern formuliert überwiegend Absichten in allgemeinen Handlungsfeldern. Statt konkreter Projekte erfolgte die Formulierung allgemeiner Ziele: Wirtschaftspolitische Aspekte und ein Beschäftigungspakt zur Aus- und Weiterbildung, für den das Goethe-Institut die Aufgabe der Sprachvermittlung übernimmt, werden als erster Punkt genannt. Weitere Foki sind Sicherheitspolitik sowie Zusammenarbeit und Unterstützung im Bereich guter Regierungsführung und Menschenrechten, im Rechtswesen, im Hochschul- sowie Mediensektor.12 Ferner sollen Dezentralisierungsprozesse unterstützt werden (vgl. Auswärtiges Amt 2012b: 1, 4; Auswärtiges Amt 2018c). Die Ziele der auswärtigen Kulturpolitik liegen darin, zur „Schaffung und Aufrechterhaltung vorpolitischer Freiräume beizutragen, die aufbauend auf einem sozialen Kulturbegriff zivilgesellschaftliche Teilhabe und eine Begleitung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse ermöglichen“ (Auswärtiges Amt 2018b: 1). Abseits der klassischen Mittlerorganisationen werden im Rahmen der

10Die

Leuchtturmfunktion Tunesiens ist eine Zuschreibung aus Deutschland. Sie ist „von oben gedacht und […] für den Partner hier nicht relevant“ (IP Mirschberger 2018: 452). 11Offizieller Titel: Gemeinsame Absichtserklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik (vgl. Auswärtiges Amt 2012b). 12Die Deutsche Botschaft in Tunis hat eine Webseite mit Informationen in arabischer und französischer Sprache zu den verschiedenen Projekten eingerichtet, die im Rahmen der Transformationspartnerschaft in Tunesien durchgeführt werden. Siehe Deutsche Botschaft Tunis 2015.

126

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Transformationspartnerschaft auch Kooperationen mit politischen Stiftungen und Partnern aus der Zivilgesellschaft eingegangen (vgl. ebd.). Die Relevanz der Transformationspartnerschaft im Kontext auswärtiger Kulturpolitik zur Unterstützung von Demokratisierung wird in den Berichten zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik13 des Auswärtigen Amtes, insbesondere in der Transitionsphase (2011–2014), deutlich herausgestellt: „Die revolutionären Umbrüche in der arabischen Welt haben gezeigt, auf welche Weise Instrumente der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zur gesellschaftlichen Öffnung und Demokratisierung und damit zur Konfliktlösung beitragen können. 2011 hat die Bundesregierung Transformationspartnerschaften ins Leben gerufen, die durch Bildungsinitiativen und Demokratieförderung zum Wandel in den entsprechenden Partnerländern beitragen sollen.“ (Auswärtiges Amt 2011a: 11)

„Die Transformationspartnerschaften beruhen auf dem Prinzip der Zusammenarbeit auf Augenhöhe und orientieren sich am tatsächlichen Bedarf. Dies setzt einen kontinuierlichen Austausch mit den Partnerländern voraus“ (Auswärtiges Amt 2012a: 57). Die Mittlerorganisationen sind Teil der Akteure, um die Bedarfsbestimmung durchzuführen und können Vorschläge für Projekte und Programme einreichen (vgl. ebd.). „Die Beiträge des Goethe-Instituts zur Transformationspartnerschaft in Ägypten und Tunesien bauen darauf, dass lebendige kulturelle Szenen und vielfältige Kulturangebote eine sich entwickelnde Zivilgesellschaft unterstützen“ (Auswärtiges Amt 2013: 99). Im 18. Bericht wird die Transformationspartnerschaft als Schwerpunkt im Bereich Kooperation und Dialog vorgestellt und die arabische Region „seit 2002 [als] ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik“ (Auswärtiges Amt 2014a: 130; vgl. ebd.) genannt. Das Auswärtige Amt spricht u. a. vom „deutsche[n] Beitrag zum Aufbau der Zivilgesellschaften“ (ebd.: 12). Im 19. Bericht wird ergänzt: „Erklärtes Ziel ist die Unterstützung einer aktiven und verantwortlichen Zivilgesellschaft, die sich in ihrer ganzen Breite am Übergangsprozess beteiligen kann“ (Auswärtiges Amt 2016: 25). In den Berichten wird auch deutlich, dass das Auswärtige Amt mit der Zusammenarbeit und Unterstützung Nordafrikas auch eine Stabilisierung der Region, insbesondere bezugnehmend auf das Zusammenleben unterschiedlicher Religionsgruppen, erreichen möchte: „Die Gestaltung von Prozessen der inter-

13Diesbezüglich

gewertet.

wurden der 15. bis 22. Bericht im Zeitraum von 2010/11 bis 2018 aus-

6.3  Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept

127

kulturellen Auseinandersetzung mit Fragen von Identität und Wertvorstellungen ist Gegenstand des vom Auswärtigen Amt geförderten europäisch-islamischen Kulturdialogs“ (ebd.): „Gerade in Zeiten des Umbruchs und fehlender Stabilität ist die zum Teil vorhandene Ablehnung politischer Konzepte und Werte wie Demokratie, Menschenrechte oder Pluralismus sowie die Instrumentalisierung von Religion problematisch für die politischen Dynamiken in der islamischen Welt. Diesen Entwicklungen will der Islamdialog entgegenwirken. Antiwestliche Feindbilder, die in Teilen der islamischen Welt Nährboden finden und einer konstruktiven Zusammenarbeit im Wege stehen, sollen durch Projekte mit der Zivilgesellschaft abgebaut werden.“ (Auswärtiges Amt 2014a: 130 ff.)

Im Jahr 2018 erfolgte eine neue Ausrichtung des Programms der Transformationspartnerschaft für die auswärtige Kulturpolitik. Das Auswärtige Amt (Zuständigkeitsbereich Abteilung 6 Kultur und Kommunikation) veröffentlichte Förderkriterien für Projekte der Transformationspartnerschaft mit Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) (Auswärtiges Amt 2018b). Tunesien wird als erstes Land unter den Zielländern genannt und erfährt somit weiterhin eine besondere Bedeutungszuschreibung. Der Fokus liegt auf den „Ländern, in denen sich eine positive Entwicklung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus abzeichnet“ (ebd.: 1). Wie das Auswärtige Amt beschreibt, umfasst die Transformationspartnerschaft zwei Bereiche: den krisenpräventiven Gesamtansatz und die Strategie zur auswärtigen Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes (vgl. ebd.). Diese doppelte Zuschreibung stellt die auswärtige Kulturpolitik in ein instrumentalisiertes Verhältnis zum Bereich der Krisenprävention. Die Zielsetzungen, welche gleichzeitig auch die Förderkriterien sind, werden in zwei Oberziele mit dazugehörigen Unterzielen gegliedert: „Oberziel 1: Stärkung von Anreizen für gesellschaftlichen Wandel zur Unterstützung beim Aufbau demokratischer politischer Ordnungen; Oberziel 2: Förderung zivilgesellschaftlicher Partizipation durch Instrumente der AKBP“ (ebd.).14 Die Zielsetzungen zeigen eine dezidiert fokussierte konzeptuelle

14Die

Unterziele im ersten Bereich konzentrieren sich auf Reformen im Hochschul- und Schulbereich sowie der Schaffung von Räumen für Meinungsaustausch. Die Unterziele im zweiten Bereich widmen sich der Zivilgesellschaft, Qualifizierungsprozessen, Institutionsstärkung im zivilgesellschaftlichen Bereich und Vernetzung sowie Teilhabe von Bürgern, u. a. junge Menschen und Frauen (vgl. Auswärtiges Amt 2018b: 1 f.). Künstler und Kulturakteure werden in diesem politischen Rahmenkonzept nicht ausdrücklich als eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Akteure genannt. Ihre Engagementsbereiche gehören jedoch zum Fokus des zweiten Oberziels.

128

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Ausrichtung der auswärtigen Kulturpolitik im Kontext der Transformationspartnerschaft seit 2018. Die klare Definition von Oberzielen und Kriterien kann als eine progressive Entwicklung in der Phase der Transformationspartnerschaft seit 2018 bewertet werden, da das vorher überwiegende vage Konzept in der Phase von 2012 bis 2017 nun konkretisiert und durch Kriterien auch transparenter geworden ist. Die Einrichtung der Transformationspartnerschaft zeigt das klare Interesse Deutschlands zur Unterstützung der Transformationsprozesse und der Demokratisierung.15 Sie kann als strategisch relevantes Instrument der deutschen Regierung bewertet werden, welches durch die kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel die Unterstützung des Wandels und u. a. die kulturelle Entwicklung entsprechend fördert. Die Unterstützung des Transformationsprozesses im Kontext deutscher auswärtiger Politik folgt dem klaren Konzept der Demokratieförderung. Demnach verfolgt Deutschland im Rahmen auswärtiger Kulturpolitik „die Verbreitung und Absicherung ihrer eigenen politischmoralischen Wertvorstellungen“ (Sandschneider 2003: 17). Sandschneider formuliert im Kontext externer Demokratieförderung sechs voneinander abhängige Aspekte, welche auch auf auswärtige Kulturpolitik angewendet werden können: Internationale Rahmenbedingungen, Motive/Ziele, Akteure, Transformationsphase, Adressaten, Strategien/Instrumente (vgl. ebd.: 10). Nach Leininger dient Demokratieförderung der „Unterstützung und Durchsetzung politischer und gesellschaftlicher Demokratisierungsprozesse“ (Leininger 2015: 509) mit dem Ziel der „Etablierung und Verstetigung eines bestimmten Regimetyps“ (ebd.) und erfolgt in folgenden Unterstützungsbereichen:

15Ausländisches

Engagement im Kontext von Demokratisierungsprozessen weist eine lange Tradition auf. Insbesondere im Kontext der dritten Welle der Demokratisierung (1974 bis Mitte der 1990er Jahre) und nach Ende des Ost-West-Konfliktes wurde die Unterstützung der Zivilgesellschaft forciert, nachdem die ersten beiden Wellen mit dem Kollaps vieler neuer Demokratien endeten. Die Förderung der Zivilgesellschaft stellte einen neuen Ansatz dar, nachdem zuvor seit den 1980er Jahren die Förderung von freien Wahlen, staatlichen Organen oder legislativen Reformen fokussiert wurden (vgl. Carothers, Ottaway 2000: 3 ff.; Diamond 1999: 1 f.; Leininger 2015: 509). Der Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure in Transformationsprozessen wurde wissenschaftlich postuliert, beispielsweise in Osteuropa, Subsahara-Afrika, Südkorea oder Taiwan (vgl. Diamond 1997: XXX; Ekiert 2015: 203).

6.3  Transformationspartnerschaft als neues politisches Rahmenkonzept

129

„(a) des Auf- und Ausbaus demokratischer Prozesse und Institutionen, inklusive Wahlen; (b) der Entwicklung einer Zivil- und Bürgergesellschaft; (c) des Aufbaus rechtsstaatlicher Strukturen, inklusive eines funktionsfähigen Justizsystems; (d) beim Schutz und der Gewährleistung von Menschenrechten.“ (ebd.: 511)

Auswärtige Kulturpolitik bezieht sich demnach insbesondere auf Aspekt (b), „der Entwicklung einer Zivil- und Bürgergesellschaft“ (ebd.), und beschränkt sich darüber hinaus auf positive Instrumente und Maßnahmen wie Sozialisation oder „Vermittlung demokratischer Werte, Praktiken und Einstellungen“ (ebd.: 512). Kaitinnis spezifiziert bezüglich externer Demokratieförderung und auswärtiger Kulturpolitik folgende Instrumente: „Aus- und Fortbildungsförderung, beratende Unterstützung, materielle Unterstützung, finanzielle Unterstützung, räumliche Unterstützung, strukturelle Unterstützung und ideelle Unterstützung“ (Kaitinnis 2018: 330).16 Kneuer betont darüber hinaus die spezifischen, wenn auch begrenzten Möglichkeiten auswärtiger Kulturpolitik in Demokratisierungsprozessen: „AKP kann nicht – wie etwa Demokratieförderung während eines Demokratisierungsprozesses – politische oder gesellschaftliche Prozesse steuern. Wohl aber kann sie wiederum in Bereichen tätig werden, die der Entwicklungszusammenarbeit oder Demokratieförderern verschlossen sind (so etwa in Autokratien) oder eben von diesen kaum oder gar nicht anvisiert werden (wie etwa Bildung).“ (Kneuer 2016: 34)

Die Prioritäten der Transformationspartnerschaft liegen jedoch deutlich in den Bereichen Politik und Wirtschaft, um die deutsch-tunesischen Beziehungen auszubauen. Kultur wird eine nachgeordnete Rolle zugeschrieben (vgl. Ernst 2014: 229 f.). Die Betonung der wirtschaftlichen Prioritäten wird auch durch das Auswärtige Amt vermittelt, beispielsweise durch die Nennung von über 62.000 Arbeitsplätzen deutscher Firmen in Tunesien (vgl. Auswärtiges Amt 2018a). Klare wirtschaftliche Interessen Deutschlands im arabischen Raum bzw. speziell in Tunesien im Kontext der Förderung der politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung zeigen das deutsche nicht-altruistische Engagement.

16Siehe

auch Kapitel Externe Demokratieförderung. Handlungsfelder, Maßnahmen und Instrumente (Kaitinnis 2018: 86 ff.).

130

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Deutschen Einfluss auszuüben liegt jedoch nicht im Interesse der Künstler und ist daher im Feld der internationalen Kulturkooperationen stets kritisch zu hinterfragen. Auswärtige Kulturpolitik agiert, auch in Transformationsprozessen, im Spannungsfeld zwischen der Autonomie der Künste und der Instrumentalisierung dieser für ökonomische Interessen (vgl. Schneider 2014: 23).

6.4 Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation Im Folgenden wird das Engagement des Goethe-Instituts als Hauptakteur der deutschen auswärtigen Kulturpolitik in Tunesien im Rahmen der Transformationspartnerschaft untersucht.17 Die übergeordneten Ziele des ­Goethe-Instituts umfassen die Förderung von „Sprache, Kunst, Kultur und Bildung“ (Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2018: 1) im Austausch mit den Partnerländern, wie in der Zielvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt beschrieben.18 In dieser Arbeit wird ein Fokus auf den Bereich Kulturelle Zusammenarbeit, bis 2017 als Kulturaustausch und interkultureller Dialog bezeichnet, gelegt, welcher in den Zielvereinbarungen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut formuliert wird (vgl. Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2013: 2; Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2018: 4).19 Die Phaseneinteilung des Transformationsprozesses (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) dient zur Strukturierung der Analyse, um in jeder Transformationsphase das Engagement des Goethe-Instituts zu analysieren. Hierbei wird jeweils erst auf die allgemeine Programmarbeit eingegangen und darauf folgend auf die Unterstützung der drei untersuchten Kunstfestivals (Dream City, De Colline en Colline, Interference).20 Darüber hinaus werden die Rolle sowie der Kooperations- und Partnerschaftsaufbau des Goethe-Instituts analysiert.

17Eine

Wirkungsmessung oder Evaluation ist hierbei nicht Ziel der Untersuchung. verfolgt das Goethe-Institut in Tunesien wie auch weltweit acht übergeordnete Ziele: Deutsche Sprache, Kulturaustausch und interkultureller Dialog, Deutschlandbild im Ausland, Bildungszusammenarbeit, Europa, Öffentlichkeitsarbeit und Kundenorientierung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Weiterentwicklung von Netzwerk und Organisation (vgl. Goethe-Institut 2014c: 62 ff.). 19Die Spracharbeit steht nicht im Fokus der Untersuchung, obwohl diese ebenso wie die kulturelle Programmarbeit ein Arbeitsbereich des Goethe-Instituts ist. 20Siehe auch Kapitel 5 Kunstfestivals als Format von Kulturaktivismus. 18Insgesamt

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

131

6.4.1 Liberalisierung: Konventioneller Kulturaustausch und Repräsentation Das Goethe-Institut besitzt eine lange Tradition in Tunesien und agiert dort seit 1958 mit der Eröffnung des Büros in Tunis. Während der Diktatur bis 2010/11 konzentrierten sich die Aktivitäten hauptsächlich auf Sprachkurse und kulturelle Aktivitäten mit tunesischen Partnerorganisationen,21 z. B. die Organisation von Ausstellungen, kulturellen Programmen im Film-, Musik- und Theaterbereich sowie Diskussionsformate (vgl. Junghänel 2008).22 Vor den Umbrüchen 2010/11 waren die Möglichkeiten für Projekte und Initiativen des Goethe-Instituts sehr begrenzt aufgrund durch das politische Regime auferlegter Beschränkungen. In der Regionalstrategie des Goethe-Instituts für die Jahre 2008 bis 2010 für Tunesien wird festgehalten: „Meinungs- und Pressefreiheit, politische Partizipation und eine staatsunabhängige kulturelle Entwicklung sind weitgehend unmöglich“ (Goethe-Institut 2008: 22). Diese Situation stellt die Ausgangslage des Kulturaustauschs dar. Dementsprechend war während der Diktatur aufgrund eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten beispielsweise die Zusammenarbeit mit tunesischen Partnern sowie die Arbeit im öffentlichen Raum schwierig zu realisieren. Daher beschränkte sich die Arbeit des Goethe-Instituts bis 2011 darauf, das eigene Gebäude als politisch „neutralen Boden“ (IP Bohrer 2013: 34) zu nutzen. Dieser begrenzte Raum bot unterdrückten Künstlern unter dem Regime von Ben Ali einen Ort des Dialogs und der freien Meinungsäußerung, der in einem Land, in dem Zensur vorherrschte, von hoher Relevanz war, auch wenn das Institut nur für ein kleines Publikum zugänglich war (vgl. ebd.: 22–23). Die Regionalstrategie des Goethe-Instituts zeigt, dass ausländische Kulturmittler eine zentrale Funktion in der Ermöglichung des Kunst- und Kulturlebens unter der Diktatur einnahmen: „Die Kunst- und Kulturszene weist einige größere Zentren auf wie das Stadtmuseum in der Medina von Tunis, das Zentrum für arabische Musik und das Stadttheater, die auf Grund fehlender Mittel fast ausschließlich mit Programmen der europäischen Kulturinstitutionen bespielt werden. Hinzu kommen zahlreiche Festivals in allen

21Partnerorganisationen:

„Stadtmuseum, Stadttheater, Privattheater El Teatro, Zentrum für arabische Musik, Filmfestival, Theaterfestival, Acropolium (Kunstzentrum in der ehemaligen Kathedrale von Karthago), Kultus- und Erziehungsministerium, Kunsthochschulen, Germanistische Abteilungen der Universitäten“ (Goethe-Institut 2008: 23). 22Da zu den Projekten und der Arbeit des Goethe-Instituts vor den Umbrüchen nur wenig Material zur Verfügung steht, wird in der Arbeit die Zeit nach 2011 stärker in den Vordergrund gestellt.

132

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Sparten. Hier werden ebenfalls die europäischen Kulturinstitutionen bzw. den [sic] Kulturabteilungen der Botschaften um inhaltliche Beiträge gebeten. In letzter Zeit ist hier aber eine gewisse Zurückhaltung von offizieller Seite zu spüren bei gleichzeitiger Zunahme arabischer Projekte.“ (Goethe-Institut 2008: 22 f.)

Bohrer merkt an, dass sich die kulturelle Programmarbeit vor 2011 überwiegend auf deutsche Beiträge für große Film- und Theaterfestivals konzentrierte, die hauptsächlich vom tunesischen Staat organisiert wurden (vgl. IP Bohrer 2013: 9–12). Im Jahr 2010 wurde von März bis November das Deutschlandjahr in Tunesien organisiert, um ein positives Bild Deutschlands im Ausland zu fördern (vgl. Ernst 2011: 12; Goethe-Institut 2011b: 50). Die Programmarbeit des Goethe-Instituts in der Liberalisierungsphase folgte somit überwiegend der Tradition der kulturellen Repräsentation Deutschlands im Ausland. Als Potenziale identifizierte das Goethe-Institut bereits in der Liberalisierungsphase internationale Austausch- und Kulturprojekte zwischen Deutschland und Tunesien sowie Möglichkeiten zum binationalen Netzwerkaufbau. Ebenso wurden die kulturelle Ausbildung an Hochschulen sowie die Deutschlehrerausbildung in Kooperation mit dem Erziehungsministerium unterstützt (vgl. GoetheInstitut 2008: 23).23 Als Zielgruppen wurden „künftige Entscheidungsträger in Kultur, Bildung, Wissenschaft, Politik und in den Medien sowie n­ icht-staatliche künstlerische und zivilgesellschaftliche Initiativen“ (ebd.) definiert. Bereits im Jahr 2008 in der Liberalisierungsphase definierte das Goethe-Institut u. a. „kleinere Kunstinitiativen im NGO-Bereich“ (ebd.) als zu gewinnende Partner. In der Liberalisierungsphase erfolgte beim Festival Dream City im Jahr 2007 vorerst keine deutsche Beteiligung des Goethe-Instituts. Im Jahr 2010 wurde ein deutscher Beitrag zum Festival geleistet, indem durch klassischen Kulturaustausch drei Künstler aus Deutschland mit Beiträgen zum Festival eingeladen wurden (Strack/Performance; Ottinger/Fotografie und Film; Lorbeer/Performance) (vgl. L’art rue 2010: 13, 44, 47). Die befragten Akteure von Dream City beschreiben, dass insbesondere in der Liberalisierungsphase internationale Kooperationen im künstlerischen Bereich als indirektes Druckmittel fungieren konnten, um Genehmigungen für Kunstveranstaltungen unter der Diktatur bei der Regierung zu erhalten. Wie Mumme argumentiert, „wirken Kulturinstitute demokratischer Staaten in autoritär regierten Staaten immer subversiv“ (Mumme 2006: 143). Im Jahr 2010 wurden viele europäische Künstler im Sinne einer Schutzfunktion zu Dream City eingeladen. Unter der Androhung von Problemen mit europäischen Botschaften für das Ben Ali-Regime wurden Genehmigungen

23In

Tunesien existieren sechs PASCH-Schulen (Partnerschulinitiative des Auswärtigen Amtes) (vgl. Auswärtiges Amt 2011a: 26; Goethe-Institut 2013a: 20).

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

133

erfolgreich eingeholt, so beschreibt El Mekki (vgl. IP Dunoyer 2013: 117–119; IP Dunoyer 2018: 268–277; IP El Mekki 2018: 278–286): „[O]k you’re not allowing the festival, ok but we’ll stop but then you have problems with different embassies like the French or German or English embassy who are paying the fees or funding for the artists to be here. And we were always pointing, ok you will have problems with them if we stop it. So these were the keys that helped also the festival to keep on with its program“. (IP El Mekki 2018: 281–285)

Dies zeigt die zentrale Relevanz und das Potenzial der Unterstützung ausländischer Organisationen für lokale Kulturakteure in der Liberalisierungsphase. Das Goethe-Institut nimmt hierbei die Rolle des Ermöglichers ein, der Kulturaustausch selbst begrenzt sich jedoch auf repräsentative Aspekte und deutsche Beiträge sowie die Vermittlung eines Deutschlandbilds.

6.4.2 Transition: Erweiterte Herangehensweise und Capacity Building Im Jahr 2012 legte Generalsekretär Ebert für das Goethe-Institut einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Transformationsländer in Nordafrika (vgl. Ebert 2012: 9). Die Jahrbücher des Goethe-Instituts im Zeitraum von 2010 bis 2018 zeigen insbesondere während der Transitionsphase (2011–2014) eine prominente Betonung des Engagements im Rahmen der Umbruchprozesse in Nordafrika, der Transformationspartnerschaft und der Rolle von Kunst und Kultur in Transformationsprozessen (vgl. Goethe-Institut 2011a: 70 ff.; Goethe-Institut 2012b: 46 ff.; Goethe-Institut 2014a: 28 ff.).24

24Beispielsweise

wird 2010/11 unter dem Titel Umbruch in Nordafrika auf sechs Seiten berichtet, 2011/12 als Fokus Im Dialog mit der islamisch geprägten Welt ebenfalls auf sechs Seiten und 2013/14 unter dem Titel Transformationspartnerschaft auf vier Seiten (vgl. Goethe-Institut 2011a: 70 ff.; Goethe-Institut 2012c: 46 ff.; Goethe-Institut 2014a: 28 ff.). In den folgenden Jahren von 2015 bis 2018 erhält der Bereich keine bedeutende Präsenz in den Jahrbüchern (vgl. Goethe-Institut 2015d; Goethe-Institut 2017; Goethe-Institut 2018) und zeigt daher, dass das Engagement verstärkt in der Transitionsphase (2011–2014) stattgefunden hat. Inhaltlich sind die Jahresberichte im Kontext dieser Untersuchung weniger relevant, da die Aktivitäten eher im Überblickswissen durch Projektbeispiele und Einblicke in die Praxis dargestellt werden. Es ist jedoch hervorzuheben, dass auch stellenweise die Schwierigkeiten des Goethe-Instituts im Transformationsprozess aufgrund des ungewissen Ausgangs thematisiert werden.

134

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Im Kontext der Umbrüche 2010/11 reagierte das Goethe-Institut Tunesien mit einer kurzfristigen Schließung des Instituts und daraufhin mit einer Anpassung der Arbeit: „Bis zum 17. Januar, also drei Tage nach der Revolution, war unser Institut geschlossen, danach haben wir alle bisherigen Planungen nach Gesprächen mit unseren tunesischen Partnern hinterfragt und geändert“ (Junghänel nach Bloch 2013: 65). Dies verdeutlicht ebenso die Regionalstrategie 2011–2014: „Für die Arbeit des Goethe-Instituts bedeutet die völlig veränderte Situation eine Verlagerung der Schwerpunkte, die zum Teil an begonnenen Initiativen anknüpft, so z. B. der Ausbau der Unterstützung und Vernetzung tunesischer Künstler und Experten mit deutschen Künstlern in Tunesien und in Deutschland sowie Qualifizierungsprojekte im Sprach- und Kulturbereich und Projekte zur Förderung von Demokratisierungstendenzen im Kulturbereich, besonders in strukturschwachen Gebieten.“ (Goethe-Institut 2011b: 49)

Das Goethe-Institut25 als kulturpolitischer Akteur im Kontext des tunesischen Transformationsprozesses formuliert in seinem Rahmenkonzept zur Transformationspartnerschaft in der Region Nordafrika und Naher Osten aus dem Jahr 2011 eine erweiterte Herangehensweise und strategische Entwicklung der Arbeit in der Region. Auf strategischer Ebene bedeutet die Transformationspartnerschaft nicht nur ein zusätzliches Budget für neue Kulturprojekte, die für die Transformation relevant sind, sondern auch die Unterstützung der Demokratisierung durch Kulturarbeit. Das Goethe-Institut definiert, dass es „kulturspezifische Wege zur Förderung von Demokratie identifizieren und begehen“ (Becker, Wetzel 2011: 2) und einen „wechselseitigen institutionellen Austausch“ (ebd.) etablieren möchte. Der Abbau von Strukturdefiziten und die schnelle Schaffung von Angeboten in der Transformationsphase sollen gefördert werden. Des Weiteren soll die Förderung des Engagements der Zivilgesellschaft und des Zusammenspiels von Kultur- und Entwicklungspolitik erreicht werden (vgl. ebd.). Letzteres erscheint im Zusammenhang von komplexen Transformationsprozessen von besonderer Relevanz. Gleichzeitig wird „ein klares Eigeninteresse an der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Region“ (ebd.) formuliert.

25In

der Region Nordafrika/Naher Osten existieren insgesamt 13 Goethe-Institute und drei Verbindungsbüros in folgenden Ländern: Ägypten, Algerien, Irak, Israel, Jemen, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Palästinensische Gebiete, Sudan, Syrien, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate (vgl. Goethe-Institut 2013c: 144 f.).

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

135

Zur Umsetzung dieser Ziele in der Praxis im Kulturprogramm des ­Goethe-Instituts werden im Jahr 2011 folgende fünf Aktionsfelder benannt: • „Partizipation in Kultur- und Bildungspolitik • Qualifizierung im Kultur- und Bildungsbereich • Zivilgesellschaft • Schulunterricht und Bildung außerhalb der Schulen • Unterstützung künstlerischer Produktionen und Dokumentationen“ (ebd.: 2 f.) Nach den Umbrüchen 2010/11 hat das Goethe-Institut eine neue Akzentuierung der Programmarbeit aufgrund vergrößerter Aktionsmöglichkeiten und veränderter Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung vollzogen, wie Bohrer erläutert (vgl. IP Bohrer 2014: 3–7): „Wir unterstützen vielmehr dann, wenn es darum geht, Neues auf den Weg zu bringen, neue Richtlinien einzuschlagen, und Voraussetzungen für Veränderung zu schaffen“ (Bohrer 2013: 5). Dem ­Goethe-Institut Tunesien eröffneten sich durch die Transformationspartnerschaft und die Aufstellung eines zusätzlichen Budgets „mehr Aktionsmöglichkeiten“ (IP Bohrer 2013: 4), um als Akteur den Transformationsprozess zu unterstützen: „In dem sich demokratisierenden Tunesien sieht das Goethe-Institut seine Aufgabe vor allem darin, gemeinsam mit tunesischen und deutschen Partnern Kulturund Bildungsmaßnahmen sowie künstlerische Projekte zu entwickeln und zu realisieren“ (vgl. Bohrer 2012: 7).26 Dialog auf Augenhöhe ist die Herangehensweise, um faire, kooperationsbasierte Partnerschaften aufzubauen. Wurden vor den Umbrüchen überwiegend deutsche Beiträge für große Film- und Theaterfestivals gezeigt, erfolgt seit 2011 eine „Akzentverschiebung“ (IP Bohrer 2013: 55) auf Koproduktionen mit lokalen Akteuren und Prozessorientierung als zentraler Komponente der Zusammenarbeit (vgl. ebd.: 56–57). „Projekte dazu werden in Tunesien und in Deutschland präsentiert und der Kulturaustausch intensiviert“ (Goethe-Institut 2011b: 50). Dieser partnerschaftliche Ansatz und die Möglichkeit, gemeinsam mit lokalen Kulturakteuren Projekte zu entwickeln, sind stärker gegeben. Es gilt den Präsentationscharakter zu reduzieren, vermehrt eine Verbindung zwischen deutscher Kultur und lokalen Kontexten zu schaffen und auch außerhalb der eigenen Institution im öffentlichen Raum, in Partnerorganisationen oder im Landesinneren zu arbeiten (vgl. IP Bohrer 2013: 38–45).

26Als

Zielgruppen des ­Goethe-Instituts Tunesien werden „(Junge) Eliten, Entscheidungsträger, Organisatoren von Kunst- und Kulturprojekten im NGO-Bereich, lokale und deutsche Medienvertreter“ (Goethe-Institut 2011b: 52) definiert.

136

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Ebenso ist „eine Tendenz zu mehr eigenständigen tunesischen Kulturprojekten festzustellen“ (Goethe-Institut 2011b: 51). Qualifizierung, Fortbildung und Professionalisierung im Kulturmanagement und den Aufbau einer kulturellen Infrastruktur beschreibt Bohrer als Hauptbedarfe in Tunesien, auch im Zuge der hohen Arbeitslosenzahlen (vgl. Goethe-Institut 2011b: 50; IP Bohrer 2014: 138–147, 179). Darüber hinaus wird die Förderung von innovativen Festivals als Schwerpunkt genannt (vgl. Goethe-Institut 2011b: 50). Zu den Entwicklungen resümiert der Jahresbericht 2013 des Goethe-Instituts Tunesien: „Im Jahr drei nach der tunesischen Revolution ist das aktuelle Profil des ­Goethe-Instituts in Tunesien deutlicher sichtbarer geworden. Kompetenzgewinn für Kulturakteure, Bildungsverantwortliche und Deutschlehrer, Zusammenarbeit von Menschen oder Gruppierungen unterschiedlicher Interessen oder Erfahrungen sowie die Unterstützung tunesischer Künstler bei ihrer Suche nach Öffentlichkeit machen das wesentliche unserer Zielsetzungen aus.“ (Bohrer 2013: 5)

Im Rahmen der Programme der Transformationspartnerschaft hat das ­Goethe-Institut in den Bereichen Qualifizierung, Partizipation und Vernetzung vielfältige Projekte initiiert.27 Hierzu zählen beispielsweise das erste Menschenrechtsfilmfestival Human Screen Festival im Jahr 2012, die Ausstellung Être là (2012) mit Künstlern, die im Kontext der Attacke auf den Printemps des Arts Morddrohungen erhielten, Mobilitätsstipendien nach Deutschland für Kulturakteure und Théâtre Demain (2012–2013), eine deutsch-tunesische Theaterkoproduktion in Kombination mit der Ausbildung junger Theatertechniker. Ferner wurde das Kulturministerium im Bereich Kulturerbe beraten und eine Fortbildung für 14 Leiter der staatlichen Kulturhäuser in Deutschland organisiert. Das Profil des Goethe-Instituts wurde unter der Programmlinie Qualifizierung durch die Kulturakademie (2012–2017) vor allem im Bereich der Fort- und Ausbildung im Kulturmanagement gestärkt. Verschiedene Maßnahmen zum Capacity Building wurden durchgeführt, wobei junge tunesische Kulturaktivisten als Hauptzielgruppe angesprochen wurden. Auf letzteren liegt laut Bohrer ein besonderer Fokus im Transformationsprozess (vgl. Bohrer 2013: 5). In den Jahren 2012 und 2013 nahmen 34 Kulturakteure an der Kulturakademie teil. Im Jahr 2013 wurde auch ein Kurzfilmwettbewerb für Studenten von fünf

27Zur

Information über Programmlinien und Projekte des Goethe-Instituts siehe Jahresrückblicke Goethe-Institut Tunesien 2012–2014 (vgl. Goethe-Institut 2012a; GoetheInstitut 2013a; Goethe-Institut 2014a) und die Publikation Transformation & Partnerschaft (vgl. Goethe-Institut 2012c).

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

137

Filmhochschulen veranstaltet, welcher 2014 zum zweiten Mal stattfand und eine tunesische Jury über die Preise entschied. Das Projekt Me3marouNA (2012–2014) unterstützte die Erhaltung und Bewahrung tunesischen Kulturerbes. Deutsche und tunesische Experten kooperierten miteinander, um Empfehlungen für das architektonische Kulturerbe zu erarbeiten und für kulturelle und pädagogische Zwecke zu nutzen (vgl. Goethe-Institut 2012a: 24, 34 ff., 56 ff.; Goethe-Institut 2012b: 46 f.; Goethe-Institut 2013a: 5, 18 f., 30 ff.; Goethe-Institut 2014a: 5, 8 f., 12, 34 ff.). Ein Beispiel für die Programmlinie Partizipation ist der Frauenradiosender 9altelhom osktou, welcher von 2013 bis 2014 unterstützt wurde (vgl. ­Goethe-Institut 2013a: 42 f.; Goethe-Institut 2014a: 18 f.). Austausch und Begegnung sind Teil der Programmlinie Vernetzung, welche Mobilität als einen Schwerpunkt der Transformationspartnerschaft fördert. In dieser Hinsicht engagiert sich das Goethe-Institut mit dem Mobilitätsfonds Moving MENA, der Künstlern Reisen nach Deutschland ermöglicht, indem Reiseund Unterkunftskosten, Tagegeld und VISA-Unterstützung geleistet werden (vgl. Goethe-Institut 2012a: 54 f.; Goethe-Institut 2014b: 28).28 Ein weiteres Projekt, das 2012 im Kulturbereich initiiert wurde, ist das Cultural Innovators Network (CIN), welches junge Aktivisten aus der Zivilgesellschaft des gesamten Mittelmeerraums dazu aufruft, sich in gegenseitigem Austausch und Projekten für sozialen Wandel zu engagieren (vgl. Goethe-Institut 2015a). „79 Tunesierinnen und Tunesier reisten im Jahr 2013 mit dem Goethe-Institut nach Deutschland“ (Goethe-Institut 2013a: 52), was in Anbetracht der Relevanz von Mobilität und Austausch in Transformationsprozessen eine relativ kleine Anzahl darstellt.29

28Durch

Moving MENA konnten 13 Künstler der Ausstellung Rosige Zukunft der ifaGalerie Berlin nach Deutschland reisen. 29Darüber hinaus ist die Nachfrage nach Deutschunterricht im Transformationsprozess gestiegen, da mit dem Erwerb der Sprache überwiegend eine Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt angestrebt wird. Nach der Statistik ist insbesondere ab 2012 ein enormer Anstieg der Kursteilnehmer zu verzeichnen, mit mehr als einer Verdoppelung der Kursteilnehmer im Zeitraum von 2010 bis 2014 (vgl. ­Goethe-Institut 2013a: 50; Goethe-Institut 2014a: 61; IP Mirschberger 2018: 190–192). Um zur Arbeitsmobilität beizutragen, wurden 2012 und 2013 Intensivsprachkurse in Deutsch für bestimmte Zielgruppen wie tunesische Ingenieure angeboten (vgl. Goethe-Institut 2012a: 40; Goethe-Institut 2013a: 38). Ebenso ist zu erwähnen, dass das Goethe-Institut am 11. Dezember 2014 zum ersten Mal einen Rahmenvertrag zur Zusammenarbeit mit dem tunesischen Erziehungsministerium unterzeichnet hat mit dem Ziel der Beratung für Reformen im Bildungswesen und an Schulen sowie der Förderung des Deutschunterrichts (vgl. Goethe-Institut 2014a: 44, 46).

138

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Bezüglich der finanziellen Rahmenbedingungen wird die kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts seit dem Jahr 2012 größtenteils durch die Transformationspartnerschaft finanziert. Das Goethe-Institut erhält dafür circa zwei Millionen Euro pro Jahr für Ägypten, Tunesien und weitere Länder der Region. Tunesien steht circa eine halbe Million Euro zur Verfügung (vgl. Ebert 2012: 11; IP Bohrer 2014: 100–101). Am Goethe-Institut Tunesien gab es durch die Umbrüche im Grundbudget keine Veränderungen, durch die Transformationspartnerschaft und die gestiegenen Einnahmen aus Sprachkursen stehen jedoch insgesamt mehr finanzielle Mittel zur Verfügung (vgl. IP Bohrer 2013: 162–164). Im Folgenden wird das Engagement des Goethe-Instituts bezüglich der beiden Festivals Dream City und De Colline en Colline untersucht. Beim Kunstfestival Dream City änderte sich während der Transitionsphase bei der dritten Edition im Jahr 2012 das deutsche Engagement. Das Goethe-Institut entschied sich, auf einen „deutschen [künstlerischen] Beitrag“ (IP Bohrer 2014: 82–83) zu verzichten und stattdessen einen finanziellen Beitrag zu leisten, um die sonst nicht mögliche Honorierung der tunesischen Künstler Ammar, Bouderbala und Kallel (vgl. L’art rue 2012: 16, 28, 40) zu ermöglichen: „Wir haben aber jetzt, das letzte Mal [2012], keinen deutschen Beitrag geliefert, sondern wir haben einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, um die tunesischen Künstler überhaupt honorieren zu können. Sonst hätten die überhaupt kein Geld für ihre Sachen bekommen, aber das ist keine befriedigende Beteiligung, das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen eigentlich was anderes, entweder wir lassen uns für Dream City was anderes einfallen oder wir lassen Dream City sein. Die sind eigentlich groß genug, sag ich mal, inzwischen, um selbst zurechtzukommen.“ (IP Bohrer 2013: 83–90)

Diese Unterstützung wird von Bohrer als unbefriedigend eingeschätzt, da der Aspekt des Kulturdialogs fehlte und der Wunsch nach neuen bzw. anderen Kooperationsformen wurde formuliert. Konkrete Ideen hierfür wurden jedoch nicht beschrieben. Die Kooperationsform im Jahr 2012 bestätigte die verfolgte Strategie des GoetheInstituts, den Präsentationscharakter zu minimieren und zur Unterstützung der lokalen Szene beizutragen, um kulturelle Akteure in ihrer Eigenständigkeit zu bestärken. Dies zeigt ein flexibles Reagieren auf die Bedürfnisse vor Ort. Im Jahr 2013 unterstützte das Goethe-Institut den Beitrag der tunesischen Künstlerin Kallel (vgl. L’art rue 2013: 28). In der Regionalstrategie 2011–2014 des Goethe-Instituts wird Dream City als neuer Partner genannt (vgl. Goethe-Institut 2011b: 50). Das Festival De Colline en Colline entstand in Kooperation mit der tunesischen Künstlerin und Initiatorin Rouissi, die das Goethe-Institut als Ansprechpartner für ihre Idee nutzte (vgl. IP Rouissi 2018: 88–89): „Faten Rouissi hatte sich, wie viele andere Künstler, in der Phase des Umbruchs ans Goethe-Institut in Tunis gewandt.“

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

139

(Bloch 2013: 65). Das Goethe-Institut übernahm insbesondere in der Entstehung eine relevante Vermittlerrolle bei dem wichtigen Schritt der Finanzierungsfindung und initiierte die gemeinsame Bewerbung des Vereins 48 Heures Pour l’Art Contemporain (48 HPAC) und des Goethe-Instituts für eine öffentliche Ausschreibung der Europäischen Union (vgl. IP Rouissi 2018: 86–89). Nach erfolgreicher Bewilligung erfolgte die Finanzierung des Festivals gemeinsam durch die EU und das G ­ oethe-Institut. Insbesondere der dezentrale Ansatz des Festivals war ein Grund der Förderzusage (vgl. ebd.: 99). Da keine dauerhaften Förderstrukturen im Transformationsprozess existieren, ist die Finanzierungsfindung von Kunstfestivals kaum gesichert und überwiegend der Dimension des Zufalls, wie beispielsweise durch Ausschreibungen, überlassen. Ebenso dominieren Abhängigkeiten lokaler Akteure von internationalen Organisationen, um an Wissen über Finanzierungsmechanismen zu gelangen. Eine über die einmalige Unterstützung im Jahr 2013 hinausgehende Förderung wurde vom Goethe-Institut nicht gesichert, obwohl es von der Initiatorin von Beginn an als ein jährliches Format geplant war (vgl. IP Bohrer 2013: 77–79). Dies bestätigt den im Transformationsprozess verfolgten kurzfristigen Projektförderungscharakter, welcher eine große Flexibilität in der Projektförderung ermöglicht, jedoch eine Strukturbildung und Formatentwicklung nicht unterstützt. Ein weiterer Schwerpunkt des Engagements des Goethe-Instituts in der Transitionsphase ist Capacity Building, welches im Folgenden beispielhaft anhand des Qualifizierungsprogrammes der Kulturakademie (2012–2017), gefördert durch die Transformationspartnerschaft, analysiert wird. Die ­Kulturakademie bot von 2012 bis 2017 jährlich ein bedarfsorientiertes Training im Kulturmanagement für „Multiplikatoren“ (IP Meissner 2014: 213) an. Von 2014 bis 2017 wurde die Kulturakademie durch eine deutsch-tunesische CoLeitung realisiert. Ziel war es, einen Beitrag zur Professionalisierung im Projektmanagement und -implementierung im Kulturbereich zu leisten (vgl. IP 3 2014: 565–566; IP 6 2014: 139–143; IP Bohrer 2014: 138–144; IP Meissner 2014: 213–216, 248– 249). Mit dem Angebot reagierte das Goethe-Institut auf einen lokalen Bedarf.30

30Neben

praktischen Trainings sind akademische Ausbildung und Forschung im Bereich Kulturmanagement und Kulturpolitik in Tunesien und in der arabischen Region ein dringendes Bedürfnis. Die meisten Akteure, welche an kulturpolitischen Themen in Tunesien arbeiten, sind künstlerisch ausgebildet und nicht spezifisch in den Feldern Kulturmanagement und -politik. Dies ist hauptsächlich auf fehlende einschlägige Bachelor- oder Masterstudiengänge an tunesischen Universitäten zurückzuführen (vgl. IP 1 2014: 145– 146; IP 2 2014: 108; IP 3 2014: 534–535). Ein Engagement des Goethe-Instituts in diesem Bereich erscheint kaum vorhanden.

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6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Qualifizierung und professionelles Training im Kultursektor, insbesondere in den Bereichen Fundraising, Projektentwicklung und -planung, werden als zwei der wichtigsten Bedürfnisse neu gegründeter Vereine und Künstler in Tunesien formuliert: „The main point is how to give training to the young associations, because training is the most important thing to build our [cultural infra]structure“ (IP 3 2014 451–452; vgl. ebd.: 275–279, 450–452; IP 6: 139–143; IP Bohrer 2014: 138–144, 179; IP Meissner 2014: 64–72, 244–249). „[W]e started from the idea that, for the last maybe ten or twenty years, this particular subject, I mean, training a cultural manager, has been neglected in Tunisia and we are now getting aware of the need to have more support, particularly for young people who are willing to engage in cultural projects. So, this is quite a positive initiative taken by the Goethe-Institut. And I think it’s opening the eyes of our rulers and our Ministry to this lack.“ (IP 6 2014: 139–144)

Das Engagement des Goethe-Instituts im Bereich Capacity Building wird diesbezüglich positiv wahrgenommen, vor allem auch durch die Ermöglichung des Zugangs zu internationaler Finanzierung, der Unterstützung durch Expertise im Kulturbereich und im Bereich der Professionalisierung (vgl. IP 3 2014: 565–566; IP 4 2014: 298–305; IP 6 2014: 139–143). Trotzdem sieht Bohrer nach wie vor ein starkes Bedürfnis, den Zugang zu lokalen und internationalen Finanzierungsquellen in der Praxis zu vereinfachen (vgl. IP Bohrer 2013: 101–102). Mit der Kulturakademie adressierte das Goethe-Institut den von den Befragten festgestellten Mangel an universitären und praktischen Ausbildungsmöglichkeiten im tunesischen Kunst- und Kulturbereich (vgl. IP 1 2014: 145–146; IP 3 2014: 533–535, 558–562). Darüber hinaus erklärt Meissner: „[W]ir bestärken vor allen Dingen die Kulturschaffenden in ihrer Rolle, wir nehmen sie ernst, wir bestärken sie, dass sie ihr Land mit den Projekten, […] mit ihren Ideen, […] gestalten“ (IP Meissner 2014: 227–229). Durch Kompetenzen im Projektmanagement gewinnen Kulturaktivisten zum einen Autonomie und zum anderen wird ihre Rolle gestärkt. Nach Ansicht des Goethe-Instituts übernehmen professionelle Kulturmanager im Idealfall mit wachsender Autonomie und Unabhängigkeit im Projekt- und Kulturmanagement eine aktive Rolle, um den lokalen Kultursektor mit eigenen Projektideen zu gestalten (vgl. IP Meissner 2014: 64–72, 244–245). Allem voran stellen junge Künstler und Kulturmanager, die Nachwuchsgeneration, als potenzielle Führungspersönlichkeiten und aufgrund der demografischen Situation Tunesiens eine besonders wichtige Zielgruppe dar: In Tunesien ist etwa die Hälfte der Bevölkerung unter 30 Jahre alt und gut ausgebildet (vgl. Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit 2015; IP 1 2014: 280–281; IP 4 2014: 242– 244, 250–251; IP 6 2014: 142; IP Meissner 2014: 214–215). Bohrer betont auch,

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

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dass die Kulturakademie beispielsweise dazu beiträgt partizipative Prozesse in Kultureinrichtungen zu fördern (vgl. Bohrer 2016).

6.4.3 Konsolidierung: Stärkung der Kulturakteure und Diversifizierung des Engagements In der Konsolidierungsphase ist ein Fokus auf die Stärkung lokaler Kulturakteure und ihrer Interessen sowie eine Diversifizierung des Engagements des ­Goethe-Instituts zu verzeichnen, wie Mirschberger beschreibt: „Man nimmt uns, glaube ich, weniger über eine Breitenförderung wahr als über spezifische Projekte“ (IP Mirschberger 2018: 304–305). Im November 2014 wurde beispielsweise die Ausstellung Klee Macke Moilliet 1914–2014 im Bardo Museum zum Jubiläum der Tunisreise der deutschen Maler im Jahr 1914 realisiert. Ebenso wurden eine deutsche Filmwoche und ein deutsches Rapprojekt sowie ein Theater- und Fotowettbewerb durchgeführt (vgl. Goethe-Institut 2014a: 22, 40, 50, 52, 56). In dieser Phase werden lokale Projekte verstärkt gefördert und Präsentationen aus Deutschland weiter reduziert, wie in der Regionalstrategie 2015–2018 formuliert: „Die (Ko-)Finanzierung von künstlerischen Produktionen aus Deutschland ist nur dann sinnvoll, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zielsetzungen und Bedürfnissen der tunesischen Künstlerszenen steht. […] Qualifizierung und Vernetzung von Kulturakteurinnen und Kulturakteuren und Künstlerinnen und Künstlern, Unterstützung zivilgesellschaftlich engagierter Gruppen, Förderung von Mobilität und partizipativen Arbeitsweisen haben Vorrang vor der Präsentation künstlerischer Produktionen aus Deutschland und vor der Diskussion auf einer theoretischen oder Metaebene.“ (Goethe-Institut 2014c: 62 f.)

Diese strategische Ausrichtung zeigt eine kontinuierliche Anpassung des Engagements des Goethe-Instituts im Transformationsprozess. Der neue Fokus der Arbeit zur Unterstützung gesellschaftlichen Wandels wird nun dezidiert beschrieben. Als konkrete Vorhaben für den Zeitraum 2015 bis 2018 werden folgende Punkte genannt: „Förderung des politisch-sozialen Engagements tunesischer Künstlerinnen und Künstler durch partizipatorische Kunstprojekte (Schwerpunktthema Partizipation); Austausch und Kooperation durch Nutzung von Residenzmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler in Tunesien und durch Aufenthalte tunesischer Künstlerinnen und Künstler in Deutschland/Besucherprogramm.“ (Goethe-Institut 2014c: 62)

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Beispiele für Projekte in dieser Phase sind Tasawar Curatorial Studios, ein Kurzfilmwettbewerb oder Houmtek zur Entwicklung von Interventionen im öffentlichen Raum (vgl. Goethe-Institut Tunesien 2019). Der Fokus der Qualifizierung wird ebenso weiterhin verfolgt, beispielsweise wurde das Programm der Kulturakademie bis 2017 weiter ausgebaut (vgl. Goethe-Institut 2014c: 63). Darüber hinaus zeigt das gemeinsame europäische Engagement über das ­EUNIC-Programm Tfanen – Tunisie Créative31 einen neuen Fokus auf transnationale Zusammenarbeit in der Konsolidierungsphase und unterstreicht die Diversifizierung des Engagements (vgl. Goethe-Institut Tunesien 2019). Das Engagement des Goethe-Instituts für das Festival Dream City änderte sich erneut während der Konsolidierungsphase. Im Jahr 2015 finden sich keine Angaben zu einem deutschen Beitrag, im Jahr 2017 unterstützte das ­Goethe-Institut die Produktion Remote Tunis von Rimini Protokoll (vgl. L’art rue 2015b; L’art rue 2017: 53). Die Kooperation mit Dream City im Jahr 2017 wird von Mirschberger kritisch bewertet, es wurde ein „relativ konkrete[r] Vorschlag an uns herangetr[agen], nämlich Rimini Protokoll. […] Und wir hätten, glaub ich, selber was Anderes vorgeschlagen. Aber man hat uns dann überzeugt“ (IP Mirschberger 2018: 234–239). Die Förderung der Performance Remote X begründete sich darauf, dass „[d]er Vorschlag […] qualitativ gut“ (ebd.: 252–253) war. Diese Aussage bestätigt den Ansatz des Goethe-Instituts, bereits in den Entwicklungsprozess eines Kooperationsprojektes einbezogen zu werden und Einflussmöglichkeiten zu besitzen. In der Konsolidierungsphase ist die Programmentwicklung zwischen dem Verein L’art rue und dem GoetheInstitut nun breit gefächert und nicht nur auf das Festival Dream City beschränkt. Gemeinsam wurden Konferenzen, Workshops und Round Tables organisiert,

31Tfanen

– Tunisie Créative ist ein großes EU-Projekt zur Unterstützung des tunesischen Kultursektors, das seit 2016 als Teil des Programme d’Appui à la Culture en Tunisie (PACT) vom British Council in Kooperation mit EUNIC Tunesien und dem tunesischen Kulturministerium umgesetzt wird. Insgesamt standen 2,4 Mio. Euro im Zeitraum von 02/2017 bis 05/2019 zur Verfügung. Hiervon entfielen 1.750.000 Euro in der zweiten Phase für die drei Programmstränge Fonds d’Engagement Culturel Local en Tunisie, Fonds d’Appui à la Création, Fonds de Pérennisation des Festivals et de Valorisation du Patrimoine mit einer jeweiligen Projektfinanzierung von 10.000 bis 100.000 Euro für eine Projektlaufzeit von drei bis zwölf Monaten. Tfanen verfolgt einen dezentralen Ansatz, der durch Open Calls möglichst viele neue Zielgruppen landesweit erreichen soll (vgl. Tfanen 2017; Tfanen 2018).

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

143

beispielsweise zu Themen wie DJing und Feminismus. Vorschläge und Ideen kamen sowohl von der Partnerorganisation L’art rue als auch vom GoetheInstitut, wurden gemeinsam von beiden Seiten entwickelt und implementiert (vgl. IP Dunoyer 2018: 415–422; IP El Mekki 2018: 400–414). Das Festival Interference wurde im Jahr 2016 vom Goethe-Institut unterstützt, indem Vorbereitungsworkshops und Reisekosten für zwei Künstler finanziert und Unterkunftskosten für die Kuratorin Pelz aus Deutschland einmalig übernommen wurden. Deutsche Künstler wurden nicht finanziert. Relevant ist, dass die Festivalidee ausgehend von einer auf einem Workshop mit Pelz basierenden Ausstellung zur Wiedereröffnung des Goethe-Instituts Tunesien entwickelt wurde. Die Förderentscheidung des Goethe-Instituts basierte auf der positiven Bewertung des Ansatzes der Qualifizierung junger Freiwilliger und der Unterstützung des Aufbaus lokaler Strukturen (vgl. IP Gharbi 2018: 228–229; IP Mirschberger 2018: 287–293; IP Pelz 2018: 97–100, 302–305). Im Jahr 2018 erhielt Interference jedoch keine Unterstützung durch das Goethe-Institut. Die Begründung hierzu ist nicht eindeutig und bezieht sich nur auf dieses bestimmte Jahr: „Wir haben uns dagegen entschieden, weil die in der Vergangenheit schon relativ viel Förderung von Seiten des Goethe-Instituts bekommen haben und insgesamt sind unsere finanziellen Kapazitäten allen voran limitiert und wir wollen sie nicht immer den Usual Suspects geben […]. Auch Interference neigt ein bisschen dazu, uns als Sponsoren zu sehen.“ (IP Mirschberger 2018: 273–278)

Entsprechend enttäuschend wurde die Unterstützungsabsage von den Festivalmachern wahrgenommen: „[T]hat is cutting the chain of solidarity and we don’t understand that“ (IP Pelz 2018: 309–310, vgl. ebd.: 305–309). Insgesamt erscheint das Engagement des Goethe-Instituts aufgrund wenig transparenter Finanzierungskriterien und Förderrichtlinien überwiegend situativ und kurzfristig angelegt. Der Ansatz einer breiten Verteilung der Mittel wird verfolgt, lässt jedoch Partner, die langfristige Kooperationen aufbauen möchten, unberücksichtigt. Dies wird aus Mirschbergers Erläuterungen ersichtlich: „Gleichzeitig kann es sein, dass wir dann in ein, zwei Jahren sagen, wir hätten da gerade selber eine Idee, vielleicht können wird die zusammen so weiterentwickeln, dass wir uns wieder an dem Festival beteiligen. Also das ist immer im Fluss und ein ständiger Prozess. Denn wir wollen vermeiden, dass unsere Mittel jedes Jahr an die gleichen fünf Festivals gehen.“ (IP Mirschberger 2018: 281–285)

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6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

6.4.4 Rollen des Goethe-Instituts: Sponsor, Ermöglicher, Partner Am Beispiel des Engagements des Goethe-Instituts werden im Folgenden die multiplen Rollen der Mittlerorganisation im Transformationsprozess analysiert. Hierbei werden die Rollen des Sponsors, des Ermöglichers und des Partners definiert. Tunesische Kulturaktivisten sehen die Rolle des Goethe-Instituts in der Praxis primär als Sponsor, der zusätzliche oder einzige finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt: „just […] give[s] money for projects and the result“ (IP 2 2014: 224–225; vgl. ebd.: 62–64, 223–225; IP 3 2014: 57; IP 4 2014: 132–134, 337– 338; IP Bohrer 2014: 372). Bohrer beschreibt, dass Initiativen wie Dream City finanziell stark abhängig von ausländischen Organisationen sind und nimmt die Haltung von Dream City wahr, das Goethe-Institut überwiegend als Sponsor zu sehen (vgl. IP Bohrer 2013: 98–107; IP Bohrer 2014: 332–336). Dies beobachtet auch Mirschberger bei der Kooperation im Jahr 2017: „Das Projektmanagement lief weitgehend über Dream City. Also es war kein reines Sponsoring, aber es war auch noch nicht unbedingt so, wie wir uns eine Zusammenarbeit wirklich vorstellen“ (IP Mirschberger 2018: 241–243). Obwohl starke finanzielle Abhängigkeiten der lokalen Kulturakteure von internationalen Organisationen existieren, ist die Frage der Unabhängigkeit zentral im Transformationsprozess, wie Bohrer und Mirschberger formulieren: „Man möchte unabhängig sein, aber was fehlt, ist das Know-how, das Wissen, wie man zu einer finanziellen Ausstattung kommt“ (IP Bohrer 2013: 101–102). „Es gibt viele, die sind dankbar für das europäische Engagement, aber es gibt inzwischen auch Stimmen, die sagen, bleibt uns mit eurem Geld weg, weil euer Geld kommt nicht ohne Interessen“ (IP Mirschberger 2018: 459–462). Das Goethe-Institut bleibt aufgrund der Abhängigkeiten lokaler Kulturakteure in einer Machtposition. Eine transparente und offen kommunizierte Strategie der Transformationspartnerschaft im Kulturbereich könnte zu Vermittlung und Verständnis beitragen. Diese starke Wahrnehmung als Sponsor widerspricht dem Selbstbild und Anspruch des Goethe-Instituts, welches darin besteht, ein Partner zu sein, der als Moderator, Facilitator und Ermöglicher fungiert und in erster Linie immaterielle Unterstützung und Expertise bietet (vgl. IP Bohrer 2014: 394–399): „[W]ir sehen uns als Moderator, als Facilitator, wie man auf Englisch sagt, also wir möchten Dinge ermöglichen. Das ist unsere Art den Transformationsprozess zu unterstützen. Das heißt, wir versuchen mit tunesischen Ideen, oder tunesische Ideen aufzugreifen und dahin zu bringen, dass die eine veränderte Kulturlandschaft am Ende ergeben, die Dinge ermöglichen, nicht selber tun, sondern ermöglichen.“ (ebd.)

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Da diese Rolle von lokalen Experten weniger wahrgenommen wird, zeigt sich hier die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Diese ­Sponsoren-Haltung zu überwinden, ist auch eine Herausforderung, da die meisten anderen europäischen Institute genau nach dem Sponsoren-Prinzip arbeiten und demnach auch an das Goethe-Institut so herangetreten wird (vgl. ebd.: 373–377). So fungiert beispielsweise das Institut Français sehr wohl nach dem allgemeinen Sponsorenprinzip. Demnach ist es für lokale Akteure schwierig, die Unterschiede zwischen verschiedenen nationalen Kulturinstituten zu erkennen (vgl. IP Mirschberger 2018: 111–114). Gerade in Transformationsprozessen ist die Vermittlung der Rolle abseits des Sponsors von hoher Relevanz, wie auch Schott beschreibt: „Was tatsächlich gebraucht werde […] seien weder große Geldsummen noch weitere Trainings, sondern eher Begleitung („mentoring“), Austausch, Einbindung in Netzwerke, Ansprechpartner und Berater“ (Schott 2016: 16 f.). Beim Festival Dream City nimmt das Goethe-Institut unterschiedliche Rollen ein, wie El Mekki beschreibt: „it really depends, it can take several ranges of partnership in dimensions“ (IP El Mekki 2018: 400–401). In allen Phasen des Transformationsprozesses erfolgt eine Unterstützung, jedoch nicht kontinuierlich und ohne eine nachvollziehbare Strategie. Die Kooperation ist stark abhängig von den subjektiven Entscheidungen der handelnden Akteure. Während der Liberalisierungsphase fungiert das Goethe-Institut als Ermöglicher, implementiert jedoch klassische Austauschformate und wird als Sponsor wahrgenommen. Während der Transitionsphase überwiegt die Rolle des Sponsors, indem hauptsächlich finanzielle Beiträge geleistet werden. In der Konsolidierungsphase wird dem Goethe-Institut eine neue Rolle als Partner zugeschrieben, das Team als jung und offener für neue Kooperationsformen beschrieben (vgl. IP Dunoyer 2018: 415–422; IP El Mekki 2018: 400–414, 427– 428). Die Rolle des Sponsors bleibt jedoch auch weiterhin bestehen. Beim Festival De Colline en Colline ist das Goethe-Institut in der Rolle des Sponsors, Ermöglichers und Partners, wobei letzteres laut ­Goethe-Institut dominiert, da das Projekt explizit gemeinsam entwickelt wurde und das Sponsoring weniger im Vordergrund stand. Das Goethe-Institut hatte die alleinige Finanzierung des Festivals von Beginn an abgelehnt und als Bedingung für die Zusammenarbeit den partnerschaftlichen Dialog gestellt, die Projektidee und das Konzept gemeinsam weiterzuentwickeln, wie Bohrer beschreibt: „Das Goethe-Institut macht mit, wenn das ein Konzept ist, was nicht fertig ist, was wir noch gemeinsam erarbeiten können und da war sie [Rouissi] aber sehr flexibel“ (IP Bohrer 2013: 186–188). Dieser Ansatz betont explizit die Rolle des ­Goethe-Instituts als Partner.

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Durch die Kooperation mit dem Goethe-Institut wurde ein inhaltlicher Eingriff in die Idee vorgenommen. Es entstand die Vorgabe an die Künstler, direkt mit den Bewohnern der Festivalorte zusammenzuarbeiten, da Bohrer ein besonderes Interesse am zivilgesellschaftlichen Ansatz des künstlerischen Projektes verfolgte (vgl. ebd.: 184–185, 193–195). Das Goethe-Institut war demnach ein entscheidender inhaltlicher Impulsgeber für den Wandel des Projektcharakters, vom ausstellungsdominierten zum bürgernahen, interaktiven Projekt, kann aber ebenso als instrumentalisierender Akteur wahrgenommen werden. Bohrer betont eine Involvierung des Goethe-Instituts auf drei Ebenen: „finanziell und konzeptionell“ (ebd.: 203) sowie organisatorisch, beispielsweise durch die Übernahme der Öffentlichkeitsarbeit und Teamorganisationsprozessen (vgl. ebd.: 204, 219–222). Demnach sieht sie die deutsche Organisation als gleichberechtigten Kooperationspartner an. Rouissi hingegen beschreibt die Partnerschaft mit dem Goethe-Institut wie folgt: „Ich habe mit dem Goethe eine Union gebildet, wir haben gemeinsam mein Projekt vorgestellt. Das Goethe war wie der Sponsor und ich der Autor und Partner und gemeinsam gingen wir zur Europäischen Union“ (IP Rouissi 2018: 93–95, Übersetzung der Autorin). Die lokale Akteurin betont die Rolle des Sponsors. Folglich nahm das Goethe-Institut beim Festival De Colline en Colline während der Transitionsphase drei Hauptrollen ein, je nach dem aus welcher Perspektive es analysiert wird: Sponsor, Ermöglicher und Partner. Beim Festival Interference kann dem Goethe-Institut in der Konsolidierungsphase die Rolle des Ermöglichers und Partners zugesprochen werden, da das Festival ausgehend von einem Workshop des Goethe-Instituts entstand und ebenso Vorbereitungsworkshops gefördert wurden. Die Rolle des Sponsors tritt hier maßgeblich in den Hintergrund. Demnach wird deutlich, dass sich die Rolle des Goethe-Instituts im Transformationsprozess schrittweise vom Sponsor über den Ermöglicher hin zum Partner entwickelt, auch wenn teilweise die Rolle des Sponsors bei den lokalen Kulturakteuren dominiert. Da das Image des Sponsors nicht dem „Selbstverständnis“ (IP Mirschberger 2018: 108) des Goethe-Instituts entspricht, unterscheiden sich Selbst- und Fremdwahrnehmung demnach stark. Ein weiterer Aspekt bei der Untersuchung der Rolle des Goethe-Instituts ist die Relevanz des physischen Ortes im Transformationsprozess. Dies wird deutlich, da das Goethe-Institut Tunesien während des Transformationsprozesses an unterschiedlichen Orten präsent gewesen ist. Von 2006 bis 2015 agierte das Goethe-Institut wegen Renovierungsarbeiten des Institutsgebäudes aufgrund von Erdbebenschutzbestimmungen aus einem Verwaltungsgebäude in Les Berges du Lac, einem Vorort von Tunis, und die Sprachkurse wurden an einem weiteren

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Ort in der Nähe des geschlossenen Institutsgebäudes im Stadtzentrum durchgeführt (vgl. Goethe-Institut 2011b: 51; IP Bohrer 2014: 405–408). Das fehlende Institutsgebäude wurde von den lokalen Kulturakteuren in der Transitionsphase als stark problematisch wahrgenommen (vgl. IP 1 2014: 62–66, 116–117; IP 4 2014: 363–365, 382). Auch das Goethe-Institut sah hierin Schwierigkeiten: „Die Zwischenunterbringung und die sich hieraus ergebenden problematischen Arbeitsbedingungen stellen für das gesamte Institut eine große Herausforderung dar, vor allem für die Sprachabteilung. Der schwierigen Situation wird mit systematischer Personalentwicklung Rechnung getragen.“ (Goethe-Institut 2011b: 51)

„Veranstaltungen finden derzeit nur bei Partnerorganisationen statt – und ausgerechnet während der Revolution keinen eigenen bespielbaren Raum zu haben, sondern jedes Mal auf Hilfe angewiesen zu sein, war dann doch ein ziemliches Handicap“ (Bloch 2013: 67). Die Präsenz des physischen Ortes für Treffen und Austausch ist von großer Bedeutung in Transformationsprozessen und das Goethe-Institut hätte hier eine Lücke in der kulturellen Infrastruktur Tunesiens füllen können (vgl. IP Bohrer 2013: 22–27; IP Bohrer 2014: 460–461): „[E]s ist immer wahnsinnig wichtig, dass man ein Haus hat, wo ein Schild dranhängt und da steht Goethe-Institut drauf, worunter wir ja im Moment so leiden, dass wir das im Moment nicht haben“ (IP Bohrer 2013: 24–27). Dies betont auch Knopp für die allgemeine Arbeit des Goethe-Instituts: „[W]enn beispielsweise in einem Land Zensur herrscht, ist es sinnvoll, mit einem Institutsgebäude vor Ort präsent zu sein, möglicherweise auch zur Repräsentation in den Hauptstädten“ (Knopp 2016: 169). In der Konsolidierungsphase im Jahr 2015 wurde das Gebäude wiedereröffnet und kann seitdem als Begegnungsort und Austauschraum genutzt werden. Durch den ungeplanten Verlauf eines Transformationsprozesses ergeben sich jedoch neue Herausforderungen bezüglich des Ortes. Mirschberger beschreibt das Institutsgebäude als „zu klein für die Wichtigkeit, die Tunesien inzwischen hat“ (IP Mirschberger 2018: 215–216). Es wird den Bedürfnissen nach den Umbrüchen nicht mehr gerecht, da beispielsweise Räume für viel mehr Deutschkurse benötigt werden und ein Veranstaltungsraum und eine Bibliothek fehlen. Zeitweise kann der Garten für Veranstaltungen genutzt werden, dies ist jedoch nicht ausreichend. Gleichzeitig bedeutet dies auch immer wieder das Verlassen der eigenen Institution und damit die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern in deren Räumlichkeiten (vgl. ebd.: 192–200).

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Zusammenfassend ist die Präsenz des Goethe-Instituts durch einen physischen Ort im Transformationsprozess insbesondere in den Liberalisierungs- und Transitionsphasen von hoher Relevanz. In Ländern, die in der Konsolidierungsphase als stabile Demokratie existieren, kann die Legitimität des Ortes eines ausländischen Instituts durchaus hinterfragt werden, da eine plurale Partnerlandschaft zivilgesellschaftlicher Träger existiert, welche als dezentrale Orte genutzt werden, um die lokale kulturelle Infrastruktur nachhaltig zu stärken. Abschließend wird in einem Exkurs auf die Rolle des Goethe-Instituts für die Unterstützung einer Reform der lokalen Kulturpolitik in Tunesien eingegangen. Für tunesische Kulturaktivisten ist die Neudefinition und Implementierung der lokalen Kulturpolitik eine entscheidende Grundlage für die Reform lokaler Strukturen und die langfristige Unterstützung der Kulturszene. Dies erfordert internationalen Austausch und Zusammenarbeit, Wissen über ­Best-Practice-Beispiele, Evaluation und Ausbildungsprogramme (vgl. IP 1 2014: 219–222; IP 2 2014: 119–131; IP 3 2014: 427–428; IP 6 2014: 144–150, 159– 164). In dieser Hinsicht ist das Goethe-Institut auf zivilgesellschaftlicher Ebene nicht der sichtbarste Akteur, der Unterstützung leistet, und nimmt demnach keine aktive Rolle ein. Dies zeigt sich beispielsweise, indem relevante Initiativen im engeren kulturpolitischen Kontext nicht direkt vom Goethe-Institut unterstützt werden, wie das Forum des Associations Culturelles Tunisiennes (FACT) und die Tunisian National Cultural Policy Group (NCPG) (vgl. IP 1 2014: 215; IP 3 2014: 211–217; IP Bohrer 2014: 260–261). Im Allgemeinen fordern einige tunesische Akteure, dass das Goethe-Institut diese Initiativen unterstützt (vgl. IP 3 2014: 211–217). Dies würde dem Goethe-Institut ermöglichen, eine signifikantere Rolle in Bezug auf kulturpolitische Gestaltungsprozesse im Transformationsprozess zu übernehmen. Im Bereich der staatlichen kulturpolitischen Akteure kooperiert das ­Goethe-Institut „ganz gut und relativ eng“ (IP Bohrer 2014: 266) mit dem tunesischen Kulturministerium. Die Zusammenarbeit findet hauptsächlich im Rahmen gemeinsamer Projekte statt. Ferner übernimmt das Goethe-Institut eine Beratungsfunktion, begleitet Reformmaßnahmen der kulturellen Infrastruktur des Ministeriums und unterstützt kulturpolitische Reformen im öffentlichen Sektor. Ein Beispiel sind die landesweiten groß angelegten Leuchtturmprojekte des Kulturministeriums, die eine Reform und Stärkung staatlicher Kulturhäuser und Bibliotheken sowie Kulturerbeprojekten vorsehen (vgl. ebd.: 265–279). Indem Leiter der Kulturhäuser am Kulturakademieprogramm teilnahmen, erfolgte darüber hinaus eine Unterstützung im Bereich der Professionalisierung des staatlichen Kultursektors und seiner Institutionen. Auf europäischer Ebene erfolgt

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im Projekt Tfanen eine Kooperation zur Reform des Kulturministeriums, hierbei spricht Mirschberger jedoch eher von einem indirekten Engagement (vgl. IP Mirschberger 2018: 367–376). Ferner wird auf staatlicher Ebene ebenso die Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium bezüglich Beratung zu Reformen und dem Filmförderungsamt betrieben (vgl. ebd.: 13–17, 367–368). Zusammenfassend ist die Rolle des Goethe-Instituts im Bereich der lokalen Kulturpolitik in Tunesien nicht besonders stark verankert und insbesondere auf staatlicher Seite vorhanden. Im Bereich der zivilgesellschaftlichen Akteure existiert Potenzial für eine stärkere Beteiligung.

6.4.5 Undifferenzierter Kooperations- und Partnerschaftsaufbau Der Anspruch des Goethe-Instituts besteht darin, mit den Akteuren vor Ort in einen Dialog auf Augenhöhe zu treten, um faire, kooperationsbasierte Partnerschaften durch Kulturprojekte zu realisieren. Das Goethe-Institut möchte lokale Gruppen und Bewegungen unterstützen, welche daran arbeiten, kulturelle Projekte und Infrastruktur u. a. durch Graswurzelbewegungen zu etablieren (vgl. Goethe-Institut 2012b: 11). Hasenkamp, ehemaliger Leiter der kulturellen Programmarbeit für Nordafrika/Nahost des Goethe-Instituts in Kairo, weist darauf hin, dass „zivilgesellschaftliches Handeln nicht nur ein selbstverständliches und notwendiges Korrektiv, sondern nachgerade eine Bedingung gesellschaftlicher Stabilisierung in Transformationsprozessen darstellt“ (Hasenkamp 2012: 110). Sowohl Bohrer als auch Mirschberger betonen den Wunsch, echte Partnerschaften aufzubauen und das Image des Sponsors zu reduzieren (vgl. IP Bohrer 2014: 372–378, 394–399; IP Mirschberger 2018: 107– 108, 115–117, 316–319). Der Aufbau von Kooperationen und Partnerschaften erfolgt durch „unterschiedliche Genesen“ (IP Mirschberger 2018: 132) der Projekte. In den Partnerschaften versucht das Goethe-Institut möglichst offen zu sein und sich „als verlässlicher, nahbarer Partner zu präsentieren“ (ebd.: 318–319). Die Partnerschaften können in drei Formen unterschieden werden: (A) Langzeitkooperationen, welche als „historisch gewachsen“ (ebd.: 97) beschrieben werden, wie beispielsweise mit dem Erziehungsministerium; (B) Kooperationen, welche lokale Kulturakteure mit oder ohne Projektvorschlägen an das Goethe-Institut herantragen; oder (C) Initiierung neuer Projekte durch das Goethe-Institut als sogenannte „Dienstleister-Partnerschaft“ (ebd.: 98):

150

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

„Also bei der Kulturakademie Tunesien beispielsweise, da sind wir rausgegangen zu Partnern, um dort das Training durchzuführen oder wir haben mit lokalen Experten gearbeitet, aber das war keine Partnerschaft im eigentlichen Sinne, sondern da sind Akteure der tunesischen Kulturszene für uns als Dienstleister letztlich tätig geworden.“ (ebd.: 99–103)

Hierzu zählen ebenso Ideen aus der Zentrale des Goethe-Instituts, dem Vorstand oder dem Regionalinstitut, die von Seiten der deutschen Organisation instruiert werden (vgl. ebd.: 129–132). Generell beschreibt Mirschberger erfolgreiche Projekte als Projekte, die „dialogisch entstanden sind“, die „Impulse setzen“ sowie in „Nischen“ arbeiten, um „die Szene zum Nachdenken anzuregen“ (ebd.: 306, 303, 303, 304) und die „über einen längeren Zeitraum [umgesetzt werden], wo es wirklich zu einem Austausch kommt, weil wir davon überzeugt sind, dass die deutsche Seite genau so viel von dem Austausch hat, wie die tunesische. Ich glaube, das ist vielleicht auch etwas, was sich jetzt nochmal geändert hat in den letzten Jahren, direkt nach der Revolution“. (ebd.: 136–140)

Es geht darum „möglichst nahbar“, „möglichst hip und jung“ und „möglichst wenig elitär […] [a]ber schon so elitär wie notwendig“ (ebd.: 307–308, 308, 309) zu sein. „Insgesamt ist es so, dass wir versuchen, ein möglichst offenes Haus zu pflegen, dass grundsätzlich jeder an uns heran treten kann mit Projektvorschlägen“ (ebd.: 103–105). Nach Schilderung von Bohrer besteht der Ansatz für die Entwicklung von Projekten primär darin, die Anforderungen und Bedürfnisse im tunesischen Kultursektor „auf der Grundlage eines nicht-empirisch und nicht wissenschaftlich ermittelten Bedarfs, aber auf der Grundlage von Gesprächen mit unseren Partnern“ (IP Bohrer 2014: 126–128) zu ermitteln. Es wird ein „geschätzter oder eingeschätzter Bedarf“ (ebd.: 136) genannt. Vereine und Kulturaktivisten, die vom Goethe-Instituts als „interessante“ (ebd.: 215) Akteure betrachtet werden, erhalten die Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Es erfolgt jedoch keine genaue Definition des ‚interessanten Akteurs‘. Mirschberger nennt als Faktoren für eine erfolgreiche Partnerschaft, dass die Kooperation in einer frühen Projektphase beginnt, „wo man erst die Idee gemeinsam entwickelt und nicht als ein Sponsoring im weitesten Sinne. Das ist nicht immer ganz leicht vermittelbar“ (IP Mirschberger 2018: 116–118). Ebenso ergänzt Bohrer, dass teilweise starke Eigeninteressen der Kulturakteure existieren, „oftmals geht es auch sehr egoistisch um das Umsetzen eigener künstlerischer Vorhaben“ (IP Bohrer 2014: 348–349). Somit wird deutlich, dass das Goethe-Institut Mitsprache

6.4  Kulturelle Programmarbeit des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation

151

und das Einbringen der eigenen Intentionen als zentral für eine erfolgreiche Kooperation betrachtet und demnach einen starken Sendungsauftrag verfolgt.32 Diese Selbstdarstellung des Goethe-Instituts wird im Folgenden mit Kooperationserfahrungen lokaler Kulturakteure in Bezug gesetzt. Auf der Untersuchungsebene der Projektimplementierung wird das Prinzip der partnerschaftlichen Herangehensweise wahrgenommen. Sobald eine Partnerschaft einmal etabliert ist, loben die tunesischen Kulturakteure den gleichberechtigten, kooperativen Ansatz bei der Entwicklung und Implementierung gemeinsamer Projekte, ohne durch die deutsche Organisation instruiert zu werden. Das ­Goethe-Institut garantiert Freiheit in der künstlerischen Arbeit und die Unabhängigkeit der tunesischen Initiativen und Vereine (vgl. IP 4 2014: 32–34, 40–41; IP Dunoyer 2018: 433–434): „It means like they do not impose or give artists and say ok, we invite this, would you like to have him, but it’s a conversion from the beginning. It’s more cooperative, they really melt in the discussion with the society, the civil society and the different actors.“ (IP El Mekki 2018: 435–438)

Die Autonomie des Goethe-Instituts als eigenständiger Verein und die Unabhängigkeit von der deutschen Regierung wird von tunesischen Kulturaktivisten im Allgemeinen als positiv bewertet (vgl. IP 3 2014: 59–61). Grundsätzlich werden Partnerschaften mit dem Goethe-Institut begrüßt, wie ein Interviewpartner resümiert: „We were a new NGO, association. We were really lucky that they [the Goethe-Institut] believed in us and helped us to start“ (IP 4 2014: 13–14; vgl. ebd. 74–76, 100; IP 3 2014: 58–59; IP Dunoyer 2013: 115). Aufgrund der hohen internationalen Reputation des Goethe-Instituts wird es von lokalen Akteuren als beliebter Partner wahrgenommen, auch um die Glaubwürdigkeit gegenüber anderen potenziellen Partnerorganisationen zu erhöhen (vgl. IP 4 2014: 21–25; IP 6 2014: 120). Eines der größten Bedürfnisse der tunesischen Akteure im Hinblick auf internationalen Kulturaustausch ist die Etablierung eines nachhaltigen und langfristigen gleichberechtigten Partnerschaftsansatzes, der eine Win-Win-Situation

32Die

konkrete Organisations- oder Rechtsform des Partners hat für das Goethe-Institut keine Relevanz beim Aufbau von Partnerschaften (vgl. IP Bohrer 2014: 251–253; IP Mirschberger 2018: 155–158). Eine Ausnahme stellt das EUNIC-Programm Tfanen dar, in welchem das Goethe-Institut involviert ist und bei dem eine offizielle Registrierung der Organisation die Voraussetzung zur Teilnahme ist.

152

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

schafft (vgl. IP 1 2014: 114–116, 129–131, 277; IP 2 2014: 119–131, 231–236, 259–262; IP 3 2014: 134–138, 657–659; IP 4 2014: 44–48, 161–165, 320–323). Ein Interviewpartner erklärt beispielsweise, er unterstütze den Ansatz, „that goes towards encouraging real exchange projects where for instance young people from Germany and people from Tunisia work together on one project and present it both, here and in Germany“ (IP 6 2014: 83–86). Ebenso wird Vertrauen in die Zusammenarbeit und die Akteure als relevant erachtet (vgl. IP 3 2014: 8–11, 134–138, 518–520). In dieser Hinsicht betonen tunesische Kulturakteure, wie wichtig die notwendige Interaktion zwischen den europäischen Kulturinstituten und der tunesischen Zivilgesellschaft auf Augenhöhe ist. Dies beinhaltet Interessen, Ideen und Visionen, die von beiden Seiten ausgehend entwickelt werden, um einen „two-way, not one-way exchange“ (IP 6 2014: 81–82) zu etablieren, welcher jedoch lediglich teilweise realisiert wird (vgl. IP 1 2014: 148–153, 247–249, 277, 304–309, 327–332; IP 2 2014: 231–236, 239–424; IP 3 2014: 8–11, 249–252). Die Kulturakteure beschreiben, dass Zugang und Partizipation leichter werden, sobald eine Beziehung zum Goethe-Institut erstmals etabliert ist (vgl. IP Meissner 2014: 273–279; IP Tamzini 2013: 152–161). Von einigen Kulturakteuren wird jedoch eine stärkere immaterielle Unterstützung und aktivere Kommunikationshaltung gegenüber den etablierten Partnern und anhaltendes Interesse auch nach der Beendigung von Projekten formuliert (vgl. IP 4 2014: 148–157, 320–323, 332–334, 336–338; IP 5 2014: 36–47, 120–129, 133– 136, 149–152). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass beim Aufbau von Kooperationen und Partnerschaften kaum eine strategische Partnerauswahl erfolgt. Das ­Goethe-Institut verfolgt diesbezüglich überwiegend eine passive Haltung und nutzt konventionelle Formen des Partnerschaftsaufbaus, die u. a. auch durch eigene Projektideen instruierte Formate beinhalten. Strategien, um neue und im Transformationsprozess relevante Akteure als Partner zu gewinnen, werden kaum aktiv von Seiten des Goethe-Instituts verfolgt. Lokale Kulturakteure kritisieren, dass der Ansatz der Ermittlung der Bedürfnisse und der Entwicklung von Kooperationen und Partnerschaften wenig transparent ist und dass keine spezifische, nachvollziehbare Herangehensweise existiert (vgl. IP 1 2014: 71–74, 91–93, 125–126, 129–131, 252–253, 266– 269; IP 2 2014: 205–213, 241–245; IP 3 2014: 245–252; IP 4 2014: 292–295; Knoblich 2015: 19). Anstatt definierter, transparenter Kriterien zur Identifikation von Partnern wird eine auf starken persönlichen Interessen basierende Herangehensweise der Entscheidungsträger implementiert. Die Relevanz von Projektvorschlägen und die

6.5  Kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung des …

153

Entscheidung über die Projektförderung wird von der Institutsleitung bestimmt und nicht nach klaren Kategorien getroffen: „[M]eine Vorgängerin war ja ganz klar so, dass sie sagte, keine Festivals. Ihre Vorgängerin, glaub ich, hat fast nur Festivals unterstützt. Es gibt da, glaube ich, kein Richtig oder Falsch, es geht da eher ums Austesten.“ (IP Mirschberger 2018: 264–266)

Zur Auswahlentscheidung des Festivals Dream City existieren keine Strategie und keine konkreten Förderkriterien. Eine subjektive Relevanzzuschreibung ist zentral für die Förderentscheidungen des deutschen Instituts. Festivals wird zeitweise eine hohe Relevanz zugeschrieben und zu anderen Zeitpunkten weniger. Diese Zuschreibung erfolgt unsystematisch und ohne konkrete Begründungen (vgl. IP Bohrer 2014: 244; IP Mirschberger 2018: 229–233, 291–294). Im Kontext der Transformationspartnerschaft stellt sich auch die Frage des Mitbestimmungsrechts der tunesischen Partner bei der Förderauswahl und der Benennung transparenter Förderkriterien. Die Bildung einer Kommission, die Bedürfnisse eruiert und Projektentscheidungen trifft, könnte zum Beispiel ein neuer Ansatz sein: „[A] kind of commission including Tunisian researchers, Tunisian artists and independent Tunisians“ (IP 2 2014: 268–269; vgl. ebd. 265– 277, 343–344; IP 1 2014: 104–114; IP 3 2014: 404–410). Dadurch würden lokale Experten auch als Entscheidungsträger strategisch mitbestimmen.

6.5 Kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung des ­­­ Goethe-Instituts Zusammenfassend wird im Folgenden die kulturspezifische Demokratisierungsunterstützung des Goethe-Instituts im tunesischen Transformationsprozess dargestellt. Das Goethe-Institut ist ein sichtbarer Akteur der Kulturszene in Tunesien. Die deutsche Mittlerorganisation zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Transformationsprozess als Konstante fungiert, eine hohe Handlungsflexibilität und zeitnahe Reaktionsmöglichkeiten besitzt. Seit den Umbrüchen 2010/11 wird das Engagement des Goethe-Instituts im Rahmen der neuen Transformationspartnerschaft verstärkt und eine Erweiterung der Herangehensweise verfolgt. Das Goethe-Institut reagiert auf lokale Bedürfnisse und den veränderten politischen und gesellschaftlichen Kontext, um die Demokratisierung durch kulturspezifisches Engagement zu fördern. Die Ausweitung der Arbeit basiert insbesondere auf der Unterstützung lokaler Akteure in den Handlungsfeldern Qualifizierung,

154

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Partizipation und Vernetzung. Ein besonderer Fokus in Tunesien liegt seit den Umbrüchen auf Capacity Building und dem professionellen Training für Kulturschaffende als Strategie, um deren Selbstermächtigung zu fördern. Hierbei wird der neue Ansatz der Kooperation verfolgt und dadurch die vor den Umbrüchen überwiegende Praxis der Präsentation künstlerischer Arbeiten abgelöst. Durch das langjährige Engagement des Goethe-Instituts, die hohe Reputation der ausländischen Organisation sowie den unabhängigen Status wird das Goethe-Institut von lokalen Akteuren als verlässlicher Partner wahrgenommen. Tunesische Akteure schätzen die Freiheit in ihrer Arbeit, ohne inhaltliche Einschränkungen eines ausländischen Akteurs. Grundsätzlich ist ausländisches Engagement willkommen und das Goethe-Institut nimmt eine wichtige Rolle in der Stärkung und im Empowerment lokaler Kulturakteure ein. Hierbei fungiert die Mittlerorganisation als selbstdefinierter Mediator und Facilitator. Sie leistet immaterielle Unterstützung und Expertise und versucht, das Image des primären Sponsors abzulegen. In der öffentlichen Kommunikation des neuen politischen Rahmens der Transformationspartnerschaft zeigt sich jedoch eine Diskrepanz. Die neu verfolgten Strategien werden von den lokalen Akteuren kaum wahrgenommen: „I don’t think that there is any […] new change“ (IP 2 2014: 293–295). „I don’t remember that I heard that they increased the budget. I don’t feel that they have more projects and more money from the Goethe-Institute“ (ebd.: 287–289; vgl. IP 1 2014: 291). Eine klare Positionierung des Engagements des Goethe-Instituts im Transformationsprozess erfolgt nicht, da überwiegend „grobe[…] Linien“ (IP Mirschberger 2018: 49) in der Programmimplementierung verfolgt werden. Dennoch wird das Goethe-Institut für „really active since the revolution“ (IP 4 2014: 4) gehalten (vgl. ebd.: 7–8, 45–48, 292–295; IP 1 2014: 91–93, 125–126, 240–241, 249–250; IP 2 2014: 216–218).

6.6 Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument Basierend auf den vorangegangenen Erkenntnissen wird in diesem Abschnitt eine kritische Einschätzung der Transformationspartnerschaft im Kulturbereich vorgenommen. Im Bereich der Transformationspartnerschaften erfolgt eine überregionale Planung des Goethe-Instituts in der Region mit ein bis zwei Treffen pro Jahr, teilweise auch mit Vertretern des Auswärtigen Amtes. Zusätzlich gibt es am Goethe-Institut Ägypten eine Projektstelle mit ausschließlichem Zuständigkeitsbereich

6.6  Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument

155

Transformationspartnerschaft (vgl. IP Mirschberger 2018: 49–51). Die Schwerpunkte und Themensetzung erfolgen durch einen Dialog auf drei Ebenen, „ein Dialog einerseits am Institut, eine Bedarfsanalyse, dann ein regionaler Dialog und dann auch ein Dialog mit der Zentrale und mit Berlin“ (ebd.: 41–43). Obwohl Mirschberger den engen Austausch mit dem Auswärtigen Amt als „für beide Seiten gewinnbringend“ (ebd.: 59–60) bezeichnet, wird deutlich, dass das Auswärtige Amt die finalen Förderentscheidungen trifft und sich demnach in der Machtposition befindet. Besonders seit 2016 wird die Transformationspartnerschaft mit „relativ starke[n] Signale[n] vom Zuwendungsgeber“ (ebd.: 5), dem Auswärtigen Amt, gelenkt und demnach das Interesse Deutschlands stärker in den Fokus gerückt, wodurch die strategische Ausrichtung zugenommen hat: „Und gleichzeitig – ich würde vermuten, dass das stärker geworden ist – findet ein stärkerer Austausch mit dem Auswärtigen Amt statt, was auch schon relativ genaue Vorstellungen davon hat, in welche Richtung es gehen soll und in gewisser Weise müssen wir dann auch darauf reagieren.“ (ebd.: 34–38)

Die Förderung im Rahmen der Transformationspartnerschaft erfolgt von Seiten des Auswärtigen Amtes als kurzfristige Projektförderung. Die Bewerbungen für einzelne Projekte laufen über die Zentrale des Goethe-Instituts, welches die Vorschläge gesammelt beim Auswärtigen Amt einreicht (vgl. IP Bohrer 2014: 101–107). Dieses Verfahren wird als sehr komplex beschrieben: „Momentan [im Jahr 2014] ist das noch ein klein-klein halbjähriger oder ganzjähriger Prozess, Antragsverfahren, ja und ziemlich kompliziert“ (ebd.: 91–93). Die vage Beschreibung der Transformationsrelevanz wird als entscheidendes Kriterium für die Förderentscheidungen genannt (ebd.: 105). Der jährliche Beantragungszyklus der Projekte stellt eine Herausforderung dar, da die Goethe-Institute keine Sicherheit für die langfristige Förderung von Projekten haben, stattdessen jedes Jahr erneuert Projektvorschläge und -verlängerungen einreichen müssen (vgl. ebd. 2014: 91–93; IP Mirschberger 2018: 357–359). Grimm und Stumptner kritisieren, dass ihrer Beobachtung nach „eher kurzfristige Projekte (z. B. ein Training, ein Seminar, ein Austauschprogramm) mit messbarem Output (z.  B. 15 ausgebildete Journalisten, 30 professionalisierte Wahlbeobachter, ein Studienplatz) gefördert werden. Aus wissenschaftlicher Perspektive stehen damit die Nachhaltigkeit und der Beitrag zur institutionellen Konsolidierung der Demokratie in Tunesien zur Disposition. […] Der Beitrag zur Demokratisierung des Regimes durch kurzfristige Einzelprojektförderung ist zweifelhaft.“ (Grimm, Stumptner 2015: 205)

156

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

Die Projektförderung im Rahmen der Transformationspartnerschaft ist auf eine Maximalförderdauer von fünf Jahren beschränkt, diese Praxis erschwert eine Verstetigung von Erfolgsprojekten im Transformationsprozess (vgl. Auswärtiges Amt 2018b: 1; IP Mirschberger 2018: 81–82). Obwohl das Gesamtprogramm auf eine Förderlaufzeit von zehn Jahren verlängert wurde, dominiert weiterhin ausschließlich die Projektfinanzierung. Eine Förderlinie zur Strukturförderung wurde nicht etabliert. Somit liefen im Jahr 2017 erste Projekte wie z. B. die Kulturakademie aus. Das Auswärtige Amt forderte „neue Impulse“ (IP Mirschberger 2018: 6) und Themen wie Deradikalisierung (vgl. ebd.: 36–41). Diese Anforderung führt zu einer Anpassung der Projekte des Goethe-Instituts. Die von Mirschberger bei der Kulturakademie als erfolgreich bewerteten Ansätze wie „Qualifizierung von Akteuren“, „Begleitung“, „Coaching“ und „Projektmanagement“ (ebd.: 12–13, 13, 13, 77) werden in diesem Fall auf neue Projekte in den Bereichen Partizipation, Zivilgesellschaft und Nachbarschaftsinitiativen angewendet oder das Konzept der Kulturakademie Tunesien nun auf ein neues Land (Kulturakademie Libyen) übertragen, in welchem teilweise auch tunesische Kulturakteure weiter gefördert werden (vgl. ebd.: 7–13, 74–79). Das Ende der Kulturakademie in Tunesien wird als Verlust beschrieben, da die Strukturen gerade etabliert waren: „Was wir schon spüren ist dieser Wegfall von Kulturakademie Tunesien, wo ich persönlich das Gefühl habe, dass es schwierig ist, diese Lücke zu schließen. […] Über die Kulturakademie Tunesien haben wir uns einen, glaube ich, sehr guten Ruf in der Stadt, im Land aufgebaut und das wird immer wieder zitiert als Best Practice und dass das ersatzlos gestrichen wurde, ist nicht immer einfach.“ (ebd.: 67–74)

Jedoch konnte das Projekt der Kulturakademie eine partielle Verankerung vor Ort erreichen indem ähnliche Angebote anderer Organisationen implementiert wurden. Auf universitärer Ebene erfolgte allerdings keine Übernahme des Projekts (vgl. ebd.: 82–88) wie beispielsweise durch die Einrichtung eines Studiengangs oder Modulen in Kulturmanagement. Einzelne Projekte wie die Kulturakademie, die als sehr erfolgreich eingeschätzt werden, würden eine Aufwertung erfahren, wenn sie auch nach fünf Jahren weiter gefördert werden oder in eine Strukturförderung übergehen könnten, bis sie in lokalen Strukturen verankert sind. So könnte eine Nachhaltigkeit erreicht werden. Bohrer sieht eine langfristige Unterstützung der Projektförderung als essentiell an (vgl. IP Bohrer 2014: 505–510). Die mit der Transformationspartnerschaft verbundene Mittelerhöhung erfolgte jedoch vorerst nur für die Jahre 2012

6.6  Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument

157

bis 2013 und wurde dann bis 2014 verlängert.33 Aufgrund der Ausrichtung als Projektförderung wird sie von Bohrer als „institutionell nicht gesichert“ (ebd.: 524; vgl. ebd.; Becker, Wetzel 2011: 3) beschrieben.34 Erst im Jahr 2014, mit Beginn der Konsolidierungsphase wurde die Transformationspartnerschaft für einen längeren Zeitraum von drei Jahren bis 2017, und danach schrittweise bis 2022 verlängert (vgl. Bundesministerium der Finanzen 2014: 13). Diese Praxis der anfänglich kurzfristigen Verlängerung des politischen Rahmens im Transformationsprozess zeigt, dass von deutscher Seite aus die Verlängerung und die Mittelzusagen an die Feststellung einer progressiven Entwicklung im Transformationsprozess geknüpft sind. Dieser Mangel an Kontinuität widerspricht dem Konzept einer nachhaltigen Förderung im Transformationsprozess. Die Analyse zeigt deutlich, dass die Eigeninteressen Deutschlands im Fokus der Zusammenarbeit stehen. Das politische Rahmenkonzept der Transformationspartnerschaft wird als externes Steuerungsinstrument genutzt und zeigt eine klare Haltung Deutschlands als externem Unterstützer im Transformationsprozess, welche jedoch im Widerspruch zu den Ansätzen auswärtiger Kulturpolitik steht:

33Im

Rahmen der Transformationspartnerschaft mit Nordafrika wurden für die Jahre 2012/13 zusätzlich 100 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt für den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel bewilligt. Über 50 Prozent hiervon erhielt Tunesien, welches eines der wichtigen Zielländer der Partnerschaft ist (vgl. Auswärtiges Amt 2013). „In den Haushaltsjahren 2012 bis 2015 standen jeweils 20 Mio. Euro für Bildungs-, Medien- und Kulturarbeit zur Verfügung, außerdem jeweils 30 Mio. Euro für Maßnahmen im politischen und wirtschaftlichen Bereich“ (Auswärtiges Amt 2016: 25). Im Jahr 2014 wurden von den 20 Millionen Euro zwei Millionen Euro für die Arbeit der Goethe-Institute in der Region bereitgestellt (vgl. Ebert 2012: 11). Für den Zeitraum 2012 bis 2014 wurden bezogen auf die gesamte Region im Kontext der Transformationspartnerschaft 37 Prozent der Mittel für die Bereiche Kultur, Bildung und Wissenschaft und 63 Prozent für die Bereiche Politik und Wirtschaft verwendet. Zusätzlich wurden Tunesien 60 Millionen Euro Schulden im Rahmen einer Schuldenumwandlung erlassen (vgl. Grimm, Stumptner 2015: 203). Dies zeigt, dass dem Kultursektor bezüglich der Mittelzuwendungen keine Priorität zugesprochen wird. Bezüglich der finanziellen Sondermittel der Transformationspartnerschaft betont Mirschberger, dass diese jährlich variieren, das Goethe-Institut Tunesien allerdings über ausreichend Mittel verfügt (vgl. IP Mirschberger 2018: 411–414). 34Im Jahr 2014 wurde die Fortführung der Transformationspartnerschaft bis 2017 mündlich durch das Auswärtige Amt zugesichert (vgl. IP Bohrer 2014: 548–549).

158

6  Auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen

„Die Transformationspartnerschaft war nach meinem Gefühl am Anfang schon relativ stark darauf ausgerichtet: Da kommt ein deutscher Experte und erklärt den Tunesiern mal, wie man’s machen könnte. Oder zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt. Also, ich glaube, das war nicht sehr kolonial im Auftreten, aber trotzdem, es war ganz klar, in welche Richtung das Wissen transferiert wird. Und wir versuchen in unserer regulären Programmarbeit das wirklich stark aufzuweichen. Weil wir glauben, dass auch angesichts der Entwicklungen in Deutschland ein Austausch in beide Richtungen wichtiger denn je ist.“ (Mirschberger 2018: 140–147)

Darüber hinaus betont Mirschberger, die Transformationspartnerschaft „als Label nicht überzubewerten“ (ebd.: 439–440), denn „die Transformationspartnerschaft ist grundsätzlich ein internes Label [für die Akteure des Auswärtigen Amts und die Mittlerorganisationen]. Und die Partner in der Stadt, im Land interessiert es nicht, auf welchem Budget ein Projekt basiert. Das ist wirklich sehr intern und von dem her nicht wirklich relevant für die Partner.“ (ebd.: 92–95)

Diese Aussage zeigt, dass die Transformationspartnerschaft von deutscher Seite dominiert wird. Indem auswärtige Kulturpolitik im Kontext der Transformationspartnerschaft agiert, wird eine zusätzliche Agenda mit demokratieförderlichen Interessen verfolgt, welche vom Auswärtigen Amt gesteuert wird. Das ­ Goethe-Institut, als eine dem Auswärtigen Amt untergeordnete Mittlerorganisation, ist im Transformationsprozess stärker abhängig als unter dem allgemeinen Aktionsrahmen der Zielvereinbarungen. Die Zielvereinbarungen im Zeitraum von 2008 bis 2022 zwischen Auswärtigen Amt und Goethe-Institut, welche als Instrument zur Steuerung der Ziele in der auswärtigen Kulturpolitik fungieren, zeigen, dass die Unterstützung durch auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen auf konzeptueller Ebene eine verstärkte Berücksichtigung findet.35 Bereits im Zeitraum von 2008 bis 2010, in der Liberalisierungsphase in Tunesien, wird Nordafrika als Schwerpunktregion definiert, in welcher das Engagement verstärkt ausgebaut werden soll (vgl. Auswärtiges Amt, Goethe-Institut o. J.: 23).36 Für den Zeitraum 2015

35Hierbei

ist aber auch die Entwicklung einer möglichen Vernachlässigung des Transformationsprozesses festzustellen, da in der Zielvereinbarung von 2019 bis 2022 kein Fokus mehr auf die Transformationsprozesse in Nordafrika gelegt wird (vgl. Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2018). 36Die Zielvereinbarung von 2011 bis 2014 lässt keinen Bezug zu Nordafrika erkennen, da sie bereits im Jahr 2010 vor den arabischen Umbrüchen veröffentlicht wurde (vgl. Auswärtiges Amt, ­Goethe-Institut 2010).

6.6  Transformationspartnerschaft als externes Steuerungsinstrument

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bis 2018, während der Konsolidierungsphase in Tunesien, wird unter dem Ziel Vier Bildungszusammenarbeit von Kooperation mit Transformationsländern im Bereich Kultur und Entwicklung gesprochen (vgl. Auswärtiges Amt, GoetheInstitut 2013: 9). In der Zielvereinbarung von 2019 bis 2022 wird erstmals der Zivilgesellschaft ein „besondere[r] Stellenwert“ (Auswärtiges Amt, GoetheInstitut 2018: 12) zugeschrieben, wie unter dem neuen Ziel Vier Förderung der Zivilgesellschaft beschrieben (vgl. ebd.: 1, 4). Ferner wird auch erstmals die Unterstützung von Demokratisierungsprozessen betont, indem vom „Eintreten für ein demokratisches und pluralistisches Gesellschaftsmodell“ (ebd.: 1) gesprochen wird: „Das Goethe-Institut unterstützt insbesondere Programme zur Förderung übergreifender professioneller Kompetenzen (Capacity Building). Es leistet durch Beratung, Qualifizierung und Vernetzung einen Beitrag zum Ausbau und zur Stärkung von unabhängigen zivilgesellschaftlichen Infrastrukturen insbesondere in Ländern, die durch gesellschaftliche Umbrüche, Entwicklungs- und Transformationsprozesse gekennzeichnet sind. Hierfür werden zensurfreie physische und digitale Räume in eigenen oder in temporär betreuten Strukturen als wichtige Voraussetzungen geschaffen.“ (ebd.: 12)

Insgesamt wird das politische Rahmenkonzept der Transformationspartnerschaft, das auch die Bereiche Wirtschafts- und Sicherheitspolitik umfasst, im Zeitraum von 2012 bis 2015 von Asseburg u. a. als wenig einflussreich bewertet, da es hauptsächlich auf Budgeterhöhungen und Ausstattungsunterstützung basiert. Die Wissenschaftler empfehlen insbesondere einen neuen Schwerpunkt und eine Neuausrichtung des politischen Rahmens, der zivilgesellschaftlichen Akteuren Priorität einräumt und eine spezifische Zielgruppenorientierung anstatt einer breitgefächerten Unterstützung vieler Aktivitäten. Eine spezifischere politische Ausrichtung Deutschlands würde die nachhaltige Unterstützung und Stabilisierung erhöhen (vgl. Asseburg u. a. 2016: 37 ff.). Wird dieses Argument auf auswärtige Kulturpolitik angewendet, können Künstler und Kulturakteure eine starke zivilgesellschaftliche Gruppe sein, auf die sich deutsches Engagement in Transformationsprozessen fokussieren könnte. Momentan besitzt auswärtige Kulturpolitik keinen übergeordneten Stellenwert im Kontext der Transformationspartnerschaft. Ebenso ist in diesem Kontext eine Verzahnung auswärtiger Kulturpolitik mit anderen Ressorts erforderlich, um Kulturarbeit als integralen Bestandteil in Transformationsprozessen zu verankern.

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Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zeigen, dass trotz einer progressiven Anpassung der Zusammenarbeit mit Ländern im demokratischen Umbruch insbesondere in Transformationsprozessen die Notwendigkeit existiert, einen Paradigmenwechsel deutscher auswärtiger Kulturpolitik sowie neue Konzepte und effektive Implementierungsmodelle internationaler kultureller Zusammenarbeit zu etablieren. Existierende Arbeitsparadigmen, Strategien und Kooperationsformen gilt es zu überdenken und neue Ansätze zu formulieren. Anhand einzelner Bereiche wird exemplarisch aufgezeigt, wie dies umgesetzt werden kann. Zuerst werden Reformen der politischen Strategien im Kontext von Transformationspartnerschaften (Abschnitt  7.1), dann Kriterien für Kulturarbeit zur Unterstützung von Transformationsprozessen (Abschnitt 7.2) und Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik (Abschnitt  7.3) erläutert. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse unter dem Titel Von Kooperation zu Ownership (Abschnitt 7.4). Die Ergebnisse basieren auf den vorangegangenen Analysen und dem exemplarischen Fall Tunesiens.

7.1 Reform und strategische Ausrichtung von Transformationspartnerschaften 7.1.1 Strategische langfristige Ausrichtung nach Transformationsphasen Die Transformationspartnerschaft ist wie viele andere politische Programme im Kontext auswärtiger Kulturpolitik eine reaktive Gesamtstrategie auf die politischen Umbrüche 2010/11 (vgl. Bauer 2015: 115) und setzt daher erst in der © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_7

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7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

Transitionsphase (2011–2014) an. Wie die Analyse gezeigt hat, differenziert das Rahmenkonzept nicht nach den einzelnen Phasen eines Transformationsprozesses (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) und den jeweils spezifischen Bedürfnissen in diesen. In Anbetracht der Unterstützung von komplexen Transformationsprozessen gilt es eine proaktive Strategie mit einer Differenzierung nach der Phase eines Transformationsprozesses zu entwickeln. Eine Orientierung der Instrumente auswärtiger Kulturpolitik an den politischen Rahmenbedingungen ermöglicht eine stärkere politische Steuerung auswärtiger Kulturpolitik für gesellschaftspolitische Transformationsprozesse und die aktive Mitgestaltung und somit das gezielte Unterstützen in allen Transformationsphasen, auch bereits unter der Diktatur. Transformationsländer können bereits in der Liberalisierungsphase gezielte Aufmerksamkeit bekommen, denn Sandschneider konstatiert, dass externe Unterstützung in der Liberalisierungsphase „als Katalysator für die weitere Liberalisierung und Demokratisierung dien[t]“ und „als Stabilisator die negativen Effekte und Begleiterscheinungen der unmittelbaren Übergangszeit auf[…]fangen“ (Sandschneider 2003: 29) kann. Der „richtige[…] Interventionszeitpunkt“ (Leininger 2015: 515) ausländischen Engagements wird als entscheidender Aspekt angesehen. Kaitinnis empfiehlt hierzu auch den Beginn des Engagements in der Liberalisierungsphase zur Zeit der Diktatur (vgl. Kaitinnis 2018: 335). Für jede Phase gilt es eine eigene Strategie zu entwickeln, welche kurz-, mittel- und langfristige landesspezifische Ziele klar formuliert, angepasst an den jeweiligen politischen Kontext (vgl. Kneuer 2016: 31; Sandschneider 2003: 28 ff.). Kneuer fordert eine passgenaue Auswahl der Instrumente, Methoden und Zielgruppen, angelehnt an die Phasen von Transformationsprozessen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung), da jede Phase durch eine eigene politische Dynamik und unterschiedliche Rahmenbedingungen gekennzeichnet ist. Sie definiert eine idealtypische „Sequenzierung von Maßnahmen“ (Kneuer 2016: 30; vgl. ebd.: 29 f.): „[J]e nachdem, ob es sich um Aktivitäten handelt, die in einem autokratischen Regime der Bevölkerung demokratische Werte und Prinzipien näher bringen und demokratische Gruppierungen unterstützen wollen; oder ob es sich um Maßnahmen in einem Land handelt, das sich bereits für Demokratie entschieden hat und wo die Entstehung gesellschaftlicher Institutionen wie Parteien, Verbände, unabhängige Medien, zivilgesellschaftliche Gruppierungen unterstützt oder Regierungen bei der Installierung demokratischer Institutionen beraten werden sollen etc. In der Konsolidierungsphase wiederum steht die Vertiefung demokratischer Werte, Normen und Regeln im Vordergrund.“ (ebd.: 31)

7.1  Reform und strategische Ausrichtung von Transformationspartnerschaften

163

Wie Kneuer resümiert, ist ein integrativer Ansatz relevant: „Im Kern geht es […] um eine konsistente Kette von der strategischen Zielformulierung über die gewählte Methode, aus der sich dann wiederum die geeignete (und damit erfolgsversprechende) Maßnahme ableitet“ (ebd.: 34). Asseburg u. a. sprechen von einer benötigten „klare[n] Prioritätensetzung und politische[n] Steuerung“ (Asseburg u. a. 2016: 38; vgl. Schreiner 2008: 28). Bislang existieren beim Goethe-Institut Regionalstrategien, spezifiziert für die einzelnen Länder. Indem die Regionalstrategien für die Region Nordafrika/Nahost für die Jahre 2008 bis 2010, 2011 bis 2014 und 2015 bis 2018 verabschiedet wurden (vgl. Goethe-Institut 2008; Goethe-Institut 2011b; ­ Goethe-Institut 2014c), erfolgt eine erste Orientierung an den Transformationsphasen, die strategisch jedoch noch konkretisiert werden könnte.1 Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Langfristigkeit von ausländischem Engagement. Transformationsprozesse benötigen kontinuierliche Unterstützung und langfristige Finanzierungsmechanismen, um Nachhaltigkeit in der auswärtigen Kulturpolitik zu erreichen, meint auch Weigel: „Die Ziele der AKBP und der Entwicklungszusammenarbeit (wie nachhaltige Entwicklung, Demokratieförderung etc.) vertragen aber keine Ausrichtung an kurzfristigen strategischen Interessen“ (Weigel 2019: 102). Adam kritisiert die Kurzlebigkeit von Projektförderung und Sonderprogrammen: „Diese Flüchtigkeit zeigt sich zunächst an der Vielzahl von Formaten, die darauf abzielen, in komplexen Debatten oder zu vielschichtigen Problemfeldern […] einen ‚Impuls‘ zu setzen“ (Adam 2018: 274). Um von diesem Impulsansatz zur Etablierung langfristiger Unterstützungsmechanismen zu kommen, empfiehlt sich ein Zehn-Jahre-Zyklus für Programme auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen einzuführen. Damit würde, wie beispielsweise bei der Kulturakademie in Tunesien, der Beendigung eines Programms, bevor es in lokale Strukturen integriert wird, entgegengewirkt. In diesem Sinne argumentieren auch Ben Amor und Ratka für eine strukturelle Ausrichtung: „Transformation ist ein langwieriger Prozess, und diese Soforthilfe für den Kulturund Bildungsbereich gilt es nun in eine strukturelle Zusammenarbeit zu überführen. Ad-hoc-Maßnahmen alleine, von denen zudem oft nur besonders mediatisierte und international bereits gut sichtbare und vernetzte Gruppen profitieren,

1Konkrete

Vorschläge für eine strategische Programmentwicklung nach den einzelnen Transformationsphasen werden in Abschnitt 7.2.1 Strategische Programmentwicklung nach Transformationsphasen erörtert.

164

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

reichen nicht aus, um den kultur- und bildungspolitischen Herausforderungen in Tunesien zu begegnen und Europa dort als glaubwürdigen Partner zu etablieren.“ (Ben Amor, Ratka 2014: 52)

Bei der praktischen Organisation der Mittelbeantragung der deutschen Mittlerorganisationen beim Auswärtigen Amt empfiehlt sich die Ausweitung von der momentan jährlichen Beantragung auf ein mehrjähriges Format. Dies würde ebenso eine langfristige Verpflichtung zur Unterstützung des Transformationsprozesses implizieren.

7.1.2 Konzeptionelle Stärkung des Kulturbereichs In Transformationsprozessen empfiehlt sich auf konzeptioneller Ebene eine Stärkung des Kulturbereichs im Verhältnis zum Politikbereich. Mit der Unterstützung von Demokratisierungsprozessen werden sowohl politische als auch ideelle Ziele verfolgt. In diesem Kontext sollte die Transformationspartnerschaft nicht mehr primär dem Primat der Politik folgen. Momentan „liegt der Schwerpunkt [der Transformationspartnerschaft] auf einem ‚politischen‘ und weniger auf einem ‚kulturellen Dialog‘“ (Ernst 2014: 292). Die Entwicklung und Implementierung neuer politischer Rahmenkonzepte bietet Potenziale einer neuen Schwerpunktsetzung und einem Überdenken etablierter Kooperationsmechanismen. Der Kultursektor könnte ein Teil der Fokussierung der Transformationspartnerschaft sein, welche Asseburg u. a. fordern (vgl. Asseburg u. a. 2016: 37): „In jedem Partnerland sollten wenige zentrale Bereiche für strategische Weichenstellungen dieser Art identifiziert werden. Darauf aufbauende umfassende und tiefgreifende Reformen würden Effizienz und Effektivität der Institutionen in diesen Bereichen substantiell verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in sie stärken. Schließlich würden sie den Transformationspartnerschaften auch eine größere Sichtbarkeit verleihen. Eine derartige Neuausrichtung der Transformationspartnerschaften würde auf deutscher Seite eine klare Fokussierung, Prioritätensetzung sowie Bündelung und Aufstockung von Ressourcen voraussetzen.“ (ebd.: 39)

Die Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure, wie Künstler und Kulturaktivisten, welche gesellschaftspolitische Funktionen übernehmen, könnte gezielt gefördert werden und somit einer der Schwerpunkte des deutschen Engagements im Transformationsprozess sein.

7.2  Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen

165

7.2 Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen Ausgehend von der grundlegenden Reform der Transformationspartnerschaft werden in diesem Abschnitt Kriterien für Kulturarbeit zur Unterstützung von Transformationsprozessen formuliert. Diese beziehen sich auf strukturelle Aspekte und – aufgrund der Freiheit der lokalen Kooperationspartner in Projektinhalten und -implementierung – nicht auf spezifische Inhalte und Formate.

7.2.1 Strategische Programmentwicklung nach Transformationsphasen Die Programmatik auswärtiger Kulturpolitik ist entscheidend in Transformationsprozessen und erfordert eine konsequente strategische Orientierung an lokalen Bedürfnissen der Kulturakteure in der entsprechenden Transformationsphase (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) und somit an der konkreten politischen Situation des Landes. So kann ein progressives Engagement im Kontext auswärtiger Kulturpolitik und der Unterstützung des Transformationsprozesses umgesetzt werden. Ferner gilt es eine gewisse Flexibilität zu bewahren, um sich an neue Entwicklungen anpassen zu können, da die idealtypischen Phasen eines Transformationsprozesses in der Realität kaum trennscharf ablaufen und der Ausgang von Entwicklungen nicht immer vorhersehbar ist. Im Folgenden werden einige Tendenzen einer strategischen Programmentwicklung nach der jeweiligen Transformationsphase aufgezeigt. (1) In der Liberalisierungsphase gilt der Fokus der Programmarbeit informellem und subversivem Agieren, dem Ermöglichen von Freiräumen und Kulturproduktion, ohne direktes Kritisieren des Regimes. Mobilität und Austausch sind in dieser Phase entscheidend, da internationaler Austausch als sehr relevanter Impulsfaktor für kulturelle Projekte und Programme in Diktaturen fungieren kann, wie die untersuchten Kunstfestivals zeigen. In dieser Phase sind Einzelaktionen von besonderer Relevanz und das Experimentieren an neuen Orten wie dem öffentlichen Raum. Es gilt Handlungs-, Reaktionsund Durchsetzungsfähigkeit der Kulturakteure zu unterstützen (vgl. Keane,

166

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

Merkel 2015: 451). Die Nutzung des öffentlichen Raumes2 als Ort für Kulturveranstaltungen ist insbesondere in der Liberalisierungsphase von zentraler Relevanz, um Zugänge und Partizipation der breiten Gesellschaft zu ermöglichen, da dieser nicht frei genutzt werden kann.3 Als Zielgruppen gilt es „im Spektrum etablierter und/oder oppositioneller Eliten eines Transformationssystems alternative Adressaten zu erkennen, die zieladäquat im Sinne der Einleitung eines möglichst nachhaltigen Demokratisierungsprozesses unterstützt werden können“ (Sandschneider 2003: 30).4 Hierbei sind unabhängige Kulturakteure als Teil der zivilgesellschaftlichen Opposition zu betrachten. Sie handeln subversiv und sind wichtiger Teil der Demokratisierungsbestrebungen. Unter einer Diktatur ist das Gebäude des Goethe-Instituts als physischer Ort von enormer Relevanz, um freiheitliche Räume zu ermöglichen, da in autokratischen Systemen keine oder kaum Vereine oder andere starke und funktionale Institutionen der Zivilgesellschaft existieren. (2) In der Transitionsphase gilt es die neuen Möglichkeitsräume zu gestalten, Künstler und Kulturaktivisten in ihrer Rolle zu stärken sowie kulturpolitische Reformbestrebungen zu begleiten. Mobilität und Austausch bleiben weiterhin wichtige Aspekte. Hinzu kommen in dieser Phase Capacity Building, Beratung und die Unterstützung von Professionalisierung der neuen Akteure in der Kulturszene. Während der Transitionsphase wird die Förderung neuer Akteure und Eliten relevant wie die der zahlreichen neu gegründeten Vereine und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die oft noch dysfunktional agieren und in ihrer Gründung und Institutionsentwicklung unterstützt werden können. Hinzu kommen in dieser Phase staatliche Akteure und Institutionen, welche in ihren Reformprozessen gefördert werden können, beispielsweise werden Ministerien und Regierungen zu Partnern. (3) In der Konsolidierungsphase werden die neuen Möglichkeitsräume weiterentwickelt; Capacity Building sowie Mobilität und Austausch bleiben zentral. Auswärtiger Kulturpolitik schreibt Kneuer aufgrund der Relevanz von

2Über

den physischen öffentlichen Raum hinaus kann ebenso der digitale öffentliche Raum von Relevanz sein, wie die Mobilisierung über Facebook im Kontext der Umbrüche 2010/11 gezeigt hat. Zu letzterer siehe Röder-Tzellos 2015: 63 ff. 3Siehe auch Abschnitt 5.5.1 Aneignung des öffentlichen Raumes und Ansätze von Dezentralisierung. 4Relevant ist im Transformationsprozess keinen spezifischen Fokus auf die institutionellen Organisationsformen der Akteure zu legen, da dieser zu Einschränkungen in der Auswahl der Partner führen kann.

7.2  Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen

167

„transnationale[n] Netzwerkbildungen und Dialogstrukturen“ (Kneuer 2016: 32) in dieser Phase eine besondere Bedeutung zu. In der neu etablierten Demokratie werden langfristige Aktivitäten, „die auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind (Stichwort ‚Empowerment‘ oder ‚Ownership‘)“ (ebd.; vgl. Sandschneider 2003: 33) fokussiert. Eine verstärkte Förderung von Emanzipationsprozessen der lokalen Akteure sowie die Vermittlung von Ownership sind in dieser Phase von Bedeutung. Zivilgesellschaftliche Akteure bilden eine Hauptzielgruppe. Neue Eliten und Institutionen sind weiterhin wichtiger Teil der Partnerlandschaft. Nun gilt es neben Einzelakteuren auch Kooperationen der lokalen Akteure untereinander zu stärken und beispielsweise Partnerschaften von Vereinen zu fördern. Im Folgenden werden weitere Kriterien erläutert, die unabhängig von der jeweiligen Transformationsphase als förderlich zur Unterstützung von Kulturarbeit in Transformationsprozessen identifiziert wurden.

7.2.2 Genese von Kulturproduktion durch Kulturaustausch und Künstlermobilität Internationaler Austausch ist eine Strategie, um lokale Kulturprojekte in ihrer Genese zu stärken und den Kultursektor zu unterstützen, wie die Entstehung der Kunstfestivals in Tunesien zeigt, und übernimmt somit eine wichtige Ermöglichungsfunktion in Transformationsprozessen, insbesondere in den Liberalisierungs- und Transitionsphasen.5 Der Initiierung von internationalen Austauschformaten in Transformationsprozessen kann in allen Phasen eine hohe Relevanz zugeschrieben werden. Mobilität ist auch für Perthes ein zentrales Kriterium im Kontext der Transformationsprozesse (vgl. Perthes 2011: 208). Personenaustausch, Begegnungsformate und Dialogforen können hierfür Formate sein. Programme des Goethe-Instituts wie Moving Mena oder Cultural Innovators Network zeigen Engagement in den entsprechenden Bereichen und tragen zum Aufbau nachhaltiger internationaler Netzwerke im Kulturbereich sowie zur Sensibilisierung für kulturelle Vielfalt bei. Basierend auf den Ergebnissen dieser Forschungsarbeit ist es empfehlenswert bereits in der Liberalisierungsphase verstärkt Künstlermobilität und

5Siehe

auch Abschnitt 5.3.2 Internationaler Austausch als Impulsfaktor.

168

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

Austausch zu fördern. So betonen auch Merkel und Lauth die Rolle internationaler Kontakte in dieser Phase (vgl. Merkel, Lauth 1997: 32). Adäquate Visaregelungen für Künstler und Kulturaktivisten sind hierbei ein zentrales Kriterium. Ferner nehmen Residenzformate im In- und Ausland eine wichtige Rolle ein.

7.2.3 Capacity Building und Formatförderung Die Förderung von Capacity Building, wie in Tunesien mit der Kulturakademie implementiert, kann als effektives Instrument zur Professionalisierung des Kultursektors in Transformationsprozessen bewertet werden. Wenn Capacity Building mit der Unterstützung des Aufbaus kultureller Infrastruktur im Partnerland kombiniert wird, kann dies besonders nachhaltig sein, um Projekte ausländischer Akteure langfristig in den lokalen institutionellen Strukturen zu verankern.6 Hasenkamp nennt als Beispiel das Arab Shorts Festival in Ägypten, welches zeigt, dass die Projekt- und Programmarbeit des Goethe-Instituts momentan als paralleles System implementiert wird: „Ideal wäre gewesen, das inzwischen zur ‚Marke‘ gewordene Label an eine arabische Institution oder Initiative zu übergeben, vom Seniorpartner zum Juniorpartner zu mutieren und hernach ganz den Rückzug anzutreten. Was aber, wenn solche Strukturen vor Ort nicht vorhanden sind? Es bleibt unser Wunschdenken, dass es ausreichend sein möge, Dinge nur anzustoßen, um sie dann, nach ‚empowerment‘, in die alleinige Obhut der Partner im Gastland zu entlassen.“ (Hasenkamp 2012: 107)

Der Aspekt einer nachhaltig ausgerichteten Projekt- und Programmarbeit sollte insbesondere in Transformationsprozessen fokussiert werden. Im Bereich Capacity Building und Fortbildung sind auch Kooperationen mit Regierungen zu verstärken, um die Nachhaltigkeit des ausländischen Engagements zu sichern. Ferner ist auch über eine Zertifizierung von Programmen nachzudenken, da formale Abschlüsse im Kulturmanagement in Tunesien bislang noch nicht erwerbbar sind.

6Im

Falle der Kulturakademie konnte dies nicht realisiert werden. Auch das Cultural Innovators Network wurde nach Ende der Förderperiode des Goethe-Instituts nicht aktiv fortgeführt.

7.2  Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen

169

Ferner ist der Aspekt der Formatförderung von Relevanz. Interdisziplinäre und wiederkehrende Formate wie Kunstfestivals konnten in dieser Forschungsarbeit als zentraler erfolgsversprechender Ansatz im Transformationsprozess identifiziert werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Förderpolitik des ­Goethe-Instituts punktuelle Projekte, aber keine langfristigen Programme und Formate unterstützt. Grimm und Stumptner kritisieren, dass „Einzelprojekte keine dauerhaft stabilen demokratischen Institutionen erschaffen können. […] Ein positiver Effekt auf die institutionelle Konsolidierung der Demokratie lässt sich nicht nachweisen“ (Grimm, Stumptner 2015: 206). Die Förderung von Formaten vermittelt den Partnern vor Ort langfristiges, verbindliches Engagement und würde ebenso dazu beitragen, das Image des Sponsors zu dekonstruieren, da die Komponenten der immateriellen Unterstützung und des Interesses überwiegen. Auch große, längerfristige Pilotprojekte können eine Möglichkeit sein, die Formatentwicklung und damit verbundene Fokussierung in Transformationsprozessen zu erproben. Auszeichnungen und Preise für innovative und wiederkehrende Formate könnten ein weiteres wirksames Instrument im Transformationsprozess sein, um die Sichtbarkeit von Kulturprojekten zu erhöhen und gesellschaftliche Anerkennung zu fördern. Mit der Förderung von Formaten kann ebenso eine institutionelle Strukturförderung einhergehen. Grimm und Stumptner sprechen vom Bedürfnis einer „langfristige[n], institutionenfördernde[n] Strategie für eine effektive Unterstützung einer demokratischen Transformation“ (ebd.; vgl. Knoblich 2015: 51). Die Zielvereinbarung des Goethe-Instituts für die Jahre 2019 bis 2022 zeigt mit der „Einrichtung eines Strukturfonds zur mittelfristigen Förderung von zivilgesellschaftlichen und kulturellen Einrichtungen in den Gastländern“ (Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2018: 2) eine Entwicklung in diese Richtung. Auch die Stärkung internationaler institutioneller Kooperationen im Transformationsprozess ist sehr relevant. Langzeitkooperationen und Austauschformate mit ausländischen Kulturinstitutionen wie Festivals, Museen oder Theatern könnten hierfür effektive Instrumente sein, um die Entwicklung der kulturellen Infrastruktur im Partnerland zu fördern.

7.2.4 Zielgruppenorientierung und Diversifizierung der Partnerlandschaft In Transformationsprozessen gilt es Zielgruppen für Programme und Projekte strategisch zu definieren und demnach eine aktive Diversifizierung der Partner-

170

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

landschaft zu erreichen. Die Partnerauswahl ist zentral, da Akteure, welche die Demokratisierung erfolgreich gestalten, identifiziert werden müssen (vgl. Sandschneider 2003: 34). Darüber hinaus variiert die Auswahl je nach Transformationsphase, von Kulturakteuren in der Opposition bis hin zu staatlichen Akteuren und Institutionen, welche wiederum jeweils unterschiedliche Einflusssphären aufweisen.7 Üblicherweise richtet sich deutsche auswärtige Kulturpolitik an Multiplikatoren, Personengruppen, die sich für Deutschland interessieren, und an Deutsche im Ausland. In Transformationsprozessen verfolgen zivilgesellschaftliche Akteure und Kulturakteure jedoch als primäres Interesse, den Wandel im eigenen Land zu gestalten. Hierdurch ergeben sich auch neue Zielgruppen und neue Akteure. Herkömmliche Arbeitspraxis ist meist mit bereits etablierten Partnern, den usual suspects, zusammenzuarbeiten. Grimm und Stumptner empfehlen hingegen das gegenteilige Vorgehen, „[e]ine aktive Rekrutierung neuer demokratieorientierter Partner“ (Grimm, Stumptner 2015: 205) mit dem Ziel, eine Akteursvielfalt zu gewährleisten. Perthes argumentiert dafür „Vertrauen auch zu Akteuren zu entwickeln, die man noch nicht kennt, ihnen einen gewissen Vertrauensvorschuss entgegenzubringen“ (Perthes 2011: 210). Ein aktiver Scouting-Prozess könnte hierbei eine Rolle spielen, um Akteure selbst zu identifizieren, anstatt überwiegend passiv darauf zu warten, dass diese auf ausländische Institutionen zugehen. Strategien hierfür könnten sein, neue Orte wie ländliche Räume aufzusuchen oder Gruppen anzusprechen, die noch keinen Zugang zu internationalen Akteuren haben. Auch die Wahl der Arbeitssprachen sollte hierbei beachtet werden. Um Ausschlüsse zu verhindern, könnte beispielsweise auch Arabisch als Arbeitssprache eingeführt werden. Ben Amor und Ratka schreiben hierzu: „Wo immer möglich, sollten die europäischen Kulturinstitute jenseits ausgetretener Pfade und etablierter Beziehungen zu lokalen Partnern über spezifische Förderprogramme und über offene, direkte und transparente Auswahlverfahren der jungen Generation eine Chance geben.“ (Ben Amor, Ratka 2014: 51)

Eine aktive und strategische Zielgruppendiversifizierung sowie der Aufbau neuer Partnerschaften sind relevant, um Elitenkontinuitäten entgegenzuwirken und neue Zugänge zur auswärtigen Kulturpolitik für einen Großteil der tunesischen Bevölkerung zu ermöglichen. Indem auswärtige Kulturpolitik junge Akteure und

7Siehe

auch Abschnitt 7.1.1 Strategische langfristige Ausrichtung nach Transformationsphasen.

7.2  Kriterien für Kulturarbeit in Transformationsprozessen

171

Akteure in dezentralen Regionen fördert, kann sie bei der Generierung neuer Eliten unterstützen. „[A]l-Hussaini [El Husseiny] […] findet, ausländische Kulturinstitute können helfen, den Demokratisierungsprozess zu beschleunigen, indem sie Akteure unterstützen, die nicht zur zentralen Elite gehören und von außerhalb der großen Städte kommen und indem sie Graswurzel-Initiativen sichtbar machen.“ (Frefel 2012: 20)

Darüber hinaus sind Kulturakteure, die im Exil im Ausland leben, eine relevante Zielgruppe, da diese nach ihrer Rückkehr aus dem Exil wichtige Funktionen im Kulturbereich übernehmen können (vgl. Kaitinnis 2018: 256). Auch Partnerschaften u. a. mit neu gegründeten Stiftungen können in Erwägung gezogen werden, da diese staatsfern agieren und eine zentrale Rolle im Demokratisierungsprozess übernehmen können, wie Lorentz es beispielsweise für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beschreibt (vgl. Lorentz 2011: 113).

7.2.5 Dezentrale Regionen als neue Orte von Kulturvermittlung Dezentrale Regionen können in Transformationsprozessen als neue Orte von Kulturvermittlung dienen, da kulturelle Veranstaltungen meist in den Hauptstädten und großen Städten stattfinden. Aus diesem Grund sind dezentrale Orte, wie beim Festival De Colline en Colline, besonders relevant, da Kulturveranstaltungen dort meist zum ersten Mal stattfinden und dadurch Impulse im Transformationsprozess gegeben werden können. Das Goethe-Institut sieht Dezentralisierung als seinen Auftrag (vgl. ­GoetheInstitut 2014c: 65). Eine gezielte Dezentralisierungsstrategie auswärtiger Kulturpolitik könnte die Initiierung neuer Dialoge in oftmals marginalisierten Gebieten ermöglichen: „Die Suche nach geeigneten Partnern in der Provinz mag mühsamer sein und der Projekterfolg dort wesentlich langwieriger. Doch durch gezielte Programme für marginalisierte Regionen und die Eröffnung entsprechender Dependancen oder zumindest mittels fester lokaler Kontaktpersonen und Ansprechpartner können die europäischen Kulturinstitute nicht nur benachteiligten Bevölkerungsschichten helfen. Indem sie beispielgebend deutlich machen, dass der Zugang zu Kultur und Bildung ein Bürgerrecht für Tunesier aus allen Regionen ist, setzten sie auch ein kraftvolles Zeichen gegenüber der tunesischen Elite in der Hauptstadt.“ (Ben Amor, Ratka 2014: 51)

172

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

7.3 Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik 7.3.1 Abkehr von der Vermittlung des Deutschlandbilds und Entwicklung einer postnationalen Programmatik Im Kontext internationaler Kooperationen im Kulturbereich zur Unterstützung von Demokratisierungsprozessen ist auswärtige Kulturpolitik in Transformationsprozessen strukturell zu überdenken. In diesem Zusammenhang werden im Folgenden Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik erörtert. Emanzipationsprozesse der Akteure im Partnerland werden als Leitmotiv in Transformationsprozessen angesehen (vgl. Echagüe 2012: 93). In der Programmatik auswärtiger Kulturpolitik existiert hingegen eine inhärente Vermittlung des Deutschlandbilds, wie Adam herausstellt: Es „lässt sich auch eine dem Politikbereich eingelagerte implizite Dimension der kulturellen Selbstdarstellung herausarbeiten. Denn auch Zielvorstellungen, die in ihrer Ausformulierung andere Schwerpunkte setzen – etwa Konfliktprävention, Förderung von Zivilgesellschaft, von Demokratisierungsprozessen oder der Europäischen Integration – tragen zu einer Produktion und Mobilisierung von Deutschlandbildern bei: Einerseits, da sie zumeist innerhalb der institutionellen Strukturen der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik bearbeitet, in Projektformate übersetzt und hierdurch mit Repräsentationstechniken und -modi der kulturellen Selbstdarstellung verknüpft werden. Andererseits, da auch solche universelleren, ursprünglich nicht nationalkulturell begründeten Zielsetzungen häufig konzeptionell mit ‚deutschen Erfahrungen‘ und Entwicklungen verbunden werden“. (Adam 2018: 46)

Die Förderung des Deutschlandbilds im Ausland ist ein Hauptauftrag des ­Goethe-Instituts (vgl. Auswärtiges Amt, Goethe-Institut 2013: 7), wie im 21. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik für das Jahr 2017 erläutert: „Eine wichtige Säule der Strategischen Kommunikation des Auswärtigen Amts ist die Förderung des Deutschlandbildes im Ausland (DiA). Ziel ist es, Interesse und Sympathie für Deutschland zu wecken, Diskurse zwischen Menschen und Gesellschaften in aller Welt zu ermöglichen, Wege zu ebnen für persönliche Begegnungen sowie Austausch durch Kommunikation zu befördern. Gleichzeitig stärkt die DiA-Kommunikation das Vertrauen in die deutsche Politik, weil sie gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen erläutert und politische Entscheidungen nachvollziehbar macht.“ (Auswärtiges Amt 2019a: 127)

7.3  Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik

173

Repräsentation und Sichtbarkeit sind für das Goethe-Institut relevante Aspekte in der Implementierung von Projekten und Programmen.8 Doch gerade im Rahmen von Transformationsprozessen sollte der Aspekt der Selbstdarstellung und Repräsentation Deutschlands als Fokus überdacht werden, denn lokale Bedürfnisse und Prozesse sind von stärkerer Relevanz für die Förderung des Demokratisierungsprozesses. Eine schrittweise Abkehr von der Vermittlung des Deutschlandbilds und der damit verbundenen deutschen Interessen könnte eine Orientierung an lokalen Bedürfnissen und eine Stärkung der Interessen der Akteure im Partnerland fördern.9 Die Unterstützung von Transformationsprozessen ist wenig wirksam und nachhaltig, wenn Interessen ausländischer Akteure überwiegen. Noch steht eine sichtbare Veränderung in der Implementierung auswärtiger Kulturpolitik in diesem Bereich aus. Insbesondere in Transformationsprozessen ist für auswärtige Kulturpolitik das gemeinsame europäische Engagement von stärkerer Bedeutung. Potenziale in diesem Bereich werden vom Goethe-Institut gesehen, wie Mirschberger beschreibt „ist die Zusammenarbeit im europäischen Kontext schon bereichernd, weil man weniger anfällig ist, für Seilschaften, neue Partner erschließt, sich gegenseitig beraten kann. Was noch ausbaufähig ist, ist die Sichtbarkeit des europäischen Engagements.“ (IP Mirschberger 2018: 382–385)

Europäische Kulturmittler werden teilweise von Kulturakteuren in der Praxis wenig differenziert wahrgenommen. Kooperationserfahrungen mit einzelnen Kulturinstitutionen werden in den Experteninterviews subsummiert beschrieben und häufig wird von ausländischen Kulturinstitutionen im Allgemeinen gesprochen. Mehr Kooperationen zwischen den einzelnen ausländischen Kulturinstitutionen in multi- statt nationalen Ansätzen umzusetzen könnte zur schrittweisen Dekonstruktion der Dominanz einzelner europäischer Kulturmittler und

8Mirschberger betont, dass die Sichtbarkeit des Goethe-Instituts beispielsweise bei Kunstfestivals nicht optimal eingeschätzt wird, da viele Förderer gemeinsam genannt werden und keine klare Zuordnung erfolgt (vgl. IP Mirschberger 2018: 256–263). 9Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Vermittlung eines Deutschlandbilds in bestimmten Phasen auch förderlich für den Transformationsprozess sein kann, um lokalen Akteuren im Partnerland Perspektiven und neue Ansichten zu vermitteln.

174

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

einer postnationalen auswärtigen Kulturpolitik beitragen (vgl. Weigel 2019).10 Ferner gilt es im Kontext auswärtiger Kulturpolitik regionale Verbindungen in Nordafrika und der MENA-Region selbst zu stärken und die Zusammenarbeit von Ländern im Süd-Süd-Dialog zu fördern, um die Dominanz von Ländern des globalen Nordens schrittweise zu dekonstruieren. So konstatiert Wagner: „Ich meine daher auch, dass jedes europäische Kulturinstitut, insbesondere aber ein deutsches Institut, heute die machtvolle Bedeutung von Interessen im Verhältnis zur autonomen Kulturarbeit gar nicht mehr (nur) national diskutieren, verstehen und verändern kann, sondern nur kooperativ im Verbund mit Partnern im globalen Norden und Süden.“ (Wagner 2018: 248)

7.3.2 Stärkung der Autonomie lokaler Akteure Kontinuierliche, langfristige Unterstützung und nachhaltige Stärkung der lokalen Strukturen sind essenziell für einen erfolgreichen Demokratisierungsprozess. Die Konsequenz hieraus ist, dass das Handeln ausländischer Akteure diese Prozesse unterstützt und dabei die eigenen Interessen, die eigene Sichtbarkeit und Einflussnahme in den Hintergrund treten. Die Stärkung der Autonomie lokaler Akteure und die damit verbundene Dekonstruktion der Macht ausländischer Akteure sind hierbei zentrale Kriterien. Programmplanungen und Förderentscheidungen des Goethe-Instituts werden momentan vor allem von einer aus Deutschland entsandten Institutsleitung getroffen: „In der Regel entscheiden die Institutsleiter dabei alleine über die Verteilung von Programmgeldern und bestimmen hierdurch maßgeblich über den Charakter und die Dauer einer Kooperation. Ebenso dominieren in der Programmarbeit Formate, in denen bezahlte deutsche Gäste, Expertinnen oder Workshopleiter lokalen Teilnehmenden begegnen.“ (Adam 2016)

Dieses Verfahren ist im Zusammenhang mit Transformationsprozessen deutlich kritisch zu betrachten, denn bei der Auswahl der Inhalte und Formate sollten eine stärkere Transparenz und Autonomie lokaler Akteure Hauptkriterien sein, wie Grimm und Stumptner beschreiben:

10Das

EUNIC-Programm Tfanen zeigt einen ersten Ansatz europäischer kultureller Zusammenarbeit im Transformationsprozess in Tunesien.

7.3  Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik

175

„Lokalen Projektpartnern wird selten zugestanden, den Prozess selbst zu steuern und dabei auch Fehler zu machen, um aus diesen zu lernen. Dies kann den Lernfortschritt der zu fördernden Akteure beeinträchtigen und dem Ziel, selbstständiges Handeln und Eigeninitiative zu fördern, zuwiderlaufen.“ (Grimm, Stumptner 2015: 206)

Um eine dauerhafte Legitimation eines ausländischen Akteurs im Kulturbereich zu erreichen, sollten die inhaltlichen, strukturellen und finanziellen Entscheidungskompetenzen auf den lokalen Partner ausgeweitet werden, beispielsweise durch eine Doppelleitung aus Deutschland und dem Partnerland. Damit könnten Interessen beider Seiten vertreten und strukturell implementiert werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Etablierung eines Expertengremiums, das aus tunesischen und deutschen, später vielleicht auch weiteren arabischen und europäischen Akteuren, besteht und Entscheidungen gemeinsam trifft. Ebenso erörtern Ben Amor und Ratka eine strukturell benötigte Veränderung: „Partnerschaft bedeutet, die Zielgruppe europäischer Programme bei deren Konzipierung von Anfang an einzubinden. Dies betrifft vor allem die Zivilgesellschaft, die gerade in Tunesien seit der Revolution eine ungeahnte Blüte erfährt“ (Ben Amor, Ratka 2014: 51). Der 22. Bericht zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amts stellt diesbezüglich eine progressive Entwicklung dar, indem als Agenda formuliert wird „eine strukturell stärkere Öffnung herbeizuführen und die Perspektiven des Auslands noch mehr in unsere eigene Entscheidungsfindung einzubeziehen“ (Auswärtiges Amt 2019b: 11). Machtbegriffe und -strukturen der Mittlerorganisationen sind insbesondere in Transformationsländern auch bezüglich der Personalpolitik zu überdenken. Adam spricht in diesem Zusammenhang von „internen Asymmetrien“ (Adam 2018: 181) zwischen sogenannten Ortskräften und der aus Deutschland entsandten Leitung (vgl. ebd.: 181 ff.): „Die Orts- und Sprachkenntnisse der lokalen Mitarbeiter gelten zwar als unverzichtbar für die Planung und Realisierung der Programmarbeit, werden aber dennoch den global einsetzbaren, generalisierten Expertisen der Entsandten nachgeordnet“ (ebd.: 275). In der Regionalstrategie des Goethe-Instituts spiegelt sich diese Asymmetrie bezogen auf die Besetzung nach lokalen Richtlinien vergüteter Stellen stark wider, welche die tunesischen Kandidaten benachteiligt: „Die Mitarbeit in einem hoch motivierten und engagierten Team sowie die Möglichkeit, sich fortzubilden, können die für aus Deutschland übersiedelnde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unattraktive Vergütung eine Zeitlang kompensieren. Bewerberinnen und Bewerber aus Tunesien entsprechen nur sehr selten den Anforderungen.“ (Goethe-Institut 2014c: 64)

176

7  Zum Paradigmenwechsel in der auswärtigen Kulturpolitik

Zur Stärkung der Autonomie lokaler Akteure gilt es eine politische Kultur der umfassenden Partizipation der Partner zu etablieren, indem lokalen Akteuren Ownership vermittelt wird (vgl. Echagüe 2012: 99 f.; Kneuer 2016: 32). Adam beschreibt hierzu die Relevanz „lokal situiertes Wissen zu den Präsenzen und Effekten der komplexen Gefüge, von den teilweise unsichtbaren Bruchlinien und globalen Verflechtungen, von den häufig ambivalenten Potenzialen zu einer ‚Verständigung‘ sowie von den elementaren Bedürfnissen örtlicher Kulturszenen zum eigentlichen Ausgangspunkt der Arbeitspraxis zu machen. Dies bedeutet nicht, dass die translokalen Raumbezüge und Erfahrungen der Entsandten, ihr ‚Blick von außen‘ auf lokale Problemlagen nicht gleichfalls wertvoll sind. Aber eine symmetrischere Verzahnung dieser beiden Wissensformen und ihrer Träger erschiene als angemessen.“ (Adam 2018: 275)

Eine schrittweise Machtdekonstruktion ausländischer Akteure ist essenziell, um die Arbeitsmechanismen auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen partnerschaftlich und mit gleichberechtigten Verhandlungspositionen zu gestalten: „Wenn wir von der Notwendigkeit sprechen, eine gemeinsame Kommunikationskultur zu entwickeln, müssen wir uns dabei im Klaren sein, dass die arabischen Länder südlich des Mittelmeeres den Norden immer noch in einer diskurs- und dialogbestimmenden Position sehen. Daraus erwächst die Vorstellung, der Norden habe dem Süden gegenüber Erwartungen zu erfüllen, er befinde sich gewissermaßen in einer ‚Bringschuld‘, wie es der tunesische Germanistikprofessor Mounir Fendri […] ausgedrückt hat“. (Ernst 2011: 40)

7.4 Internationale kulturelle Zusammenarbeit: Von Kooperation zu Ownership Transformationsprozesse sind auch Chancen für einen Paradigmenwechsel politischer Agenden. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Projekten und Programmen in Transformationsprozessen können neue diskursive und konzeptionelle Erkenntnisse für auswärtige Kulturpolitik generieren. Anhand der erläuterten Aspekte wurde exemplarisch aufgezeigt, wie etablierte Verfahren und Mechanismen auswärtiger Kulturpolitik überdacht werden können. Besonders im Kontext der Erstellung des neuen konzeptionellen Grundsatzpapiers zur auswärtigen Kulturpolitik, welches im Jahr 2020 veröffentlicht wird (vgl. Auswärtiges Amt 2019b: 11), sollten die Erfahrungen aus bisherigen Transformationsprozessen einbezogen werden.

7.4  Internationale kulturelle Zusammenarbeit: Von Kooperation zu Ownership

177

Die Entwicklung des politischen Rahmenkonzepts der Transformationspartnerschaft zu einer proaktiven, langfristigen, an den spezifischen Transformationsphasen ausgerichteten Strategie kann einen wichtigen Ansatz darstellen. Insbesondere gilt es bereits in der Liberalisierungsphase aktiv ausländisches Engagement zu verstärken. Ferner kann eine neue konzeptionelle Stärkung des Kulturbereichs zu einer Fokussierung des Engagements in Transformationsprozessen führen. Internationaler Kulturaustausch und Künstlermobilität können Kulturproduktion ermöglichen. Community Building, Capacity Building, Format- und Strukturförderung können Schwerpunkte der Kulturarbeit zur Unterstützung von Transformationsprozessen sein. Eine aktive Diversifizierung der Partnerlandschaft und dezentrale Regionen als neue Orte von Kulturvermittlung sind darüber hinaus relevant. Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik stellen ein zentrales Handlungsfeld dar. Der oft propagierte Ansatz der Kooperation (vgl. Auswärtiges Amt 2019a: 45; Hampel 2015: 24) in der internationalen kulturellen Zusammenarbeit ist in Transformationsprozessen zu überdenken. Aus diesem Grund wird für eine Entwicklung des Konzepts von Kooperation zu Ownership argumentiert. Die Abkehr von der Vermittlung des Deutschlandbilds, die Etablierung postnationaler Mechanismen und die Stärkung der Autonomie lokaler Akteure sind Teil der geforderten Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik. Mit der Umsetzung dieser Vorschläge eines Paradigmenwechsels auswärtiger Kulturpolitik in der Praxis könnte Deutschland im Bereich der internationalen kulturellen Zusammenarbeit die Rolle eines progressiven Wegbereiters einnehmen, auch im Vergleich zu anderen europäischen Kulturmittlern. Teil dieses Prozesses ist „ein gemeinsames Kommunikations- und Kooperationsmodell [zu entwickeln], das einem auf Wechselseitigkeit angelegten Austausch zugrunde gelegt wird“ (Ernst 2011: 41). Dadurch könnte internationale kulturelle Zusammenarbeit mit Transformationsländern implementiert werden, die auf lokalem Ownership basiert. Gleichzeitig ist hierbei ein bestehender Widerspruch festzuhalten, da auswärtige Kulturpolitik aufgrund ihres inhärenten Auftrags nie neutral agieren kann, sondern immer eine Agenda verfolgt. Darüber hinaus ist die Etablierung von Finanzierungsmechanismen abseits internationaler Unterstützung äußerst relevant, um strukturell die Abhängigkeiten von ausländischen Organisationen zu reduzieren (vgl. El Husseiny 2016: 61), denn der Wandel in Transformationsländern evolviert aus der Autonomie lokaler Akteure und Initiativen heraus.

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Kultur und Demokratie – Zur Rolle von Kulturaktivisten als Agents of Change

Die vorliegende Forschungsarbeit zeigt, dass Kulturaktivisten als Agents of Change eine zentrale Rolle im tunesischen Transformationsprozess einnehmen. Kultur und Demokratisierungsprozesse sind inhärent miteinander verbunden, indem Kulturaktivisten Demokratisierung als eigenen Auftrag ansehen und mit künstlerischen Formaten Austausch- und Dialogforen schaffen (Abschnitt 5.1, 5.4, 5.5 und 5.7). Demnach können sie mit künstlerischen Herangehensweisen zu einem gesellschaftspolitischen, demokratischen Wandel beitragen. Kulturaktivisten sind neue, alternative Akteure im Transformationsprozess, welche in ebendiesem Handlungsfähigkeit erreichen und eine neue gesellschaftspolitische Relevanz bekommen. Eine Erkenntnis hierbei ist, dass zur Entfaltung der sogenannten Soft Power der Künste die endogene Entwicklung des Aktivismus durch lokale Kulturakteure ein zentraler Aspekt ist. Ausgehend von individuellem künstlerischem Handeln entwickeln Kulturaktivisten neue, informelle Handlungsweisen, welche auf kollektiven Prozessen basieren und sich abseits staatlichen Handelns ­verorten. Kulturaktivisten definieren ihr Handeln selbst als aktive gesellschaftspolitische Teilhabe am Transformationsprozess. Somit können sie sowohl Akteure als auch Träger des Transformationsprozesses sein, agieren aber nicht als direkte politische Akteure. Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich demnach im ­Transformationsprozess der klassische Künstlerbegriff hin zu einer breiten Definition des Kulturaktivisten erweitert. Die Bezeichnung Agents of Change stellt hingegen eine Fremdzuschreibung dar, welche Kulturaktivisten einen externen Auftrag zum Wandel zuschreibt und daher überwiegend mit einer Instrumentalisierung gleichgesetzt werden kann. Demnach weist der Begriff Limitationen auf und ist im Kontext von ­Transformationsprozessen kritisch zu verwenden. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Lettau, Künstler als Agents of Change, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31082-0_8

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Basierend auf der Analyse von drei Kunstfestivals in Tunesien im Z ­ eitraum von 2007 bis 2018 nehmen Kulturaktivisten als zivilgesellschaftliche Akteure in den drei Phasen des Transformationsprozesses (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) unterschiedliche gesellschaftspolitische Rollen ein (Abschnitt 3.3 und 5.4). In der Liberalisierungsphase (bis 2011) mit Zusammenbruch des diktatorischen Regimes nimmt die strategische Zivilgesellschaft mit einer sehr hohen Handlungsfähigkeit eine Rolle in der Opposition ein. Kulturaktivisten setzen Kunst als Akt des Widerstands sowie für die Mobilisierung und Implementierung der Meinungsfreiheit ein. Somit harmonisieren die Ziele mit denen der politischen Umbrüche. Das Agieren von Kulturaktivisten erfolgt in dieser Phase subversiv. In der Transitionsphase (2011 bis 2014), welche mit den Umbrüchen beginnt und mit der Verabschiedung der neuen Verfassung endet, eröffnen sich neue Handlungsspielräume. Mit der konstruktiven Zivilgesellschaft erhöht sich die Handlungsfähigkeit von Kulturaktivisten, indem die Restriktionen der Diktatur wegfallen und neue Freiräume entstehen. Kunst ist ein Mittel zur demokratischen Debatte und zum gesellschaftlichen Wandel im Demokratisierungsprozess. Die Ziele der Kulturaktivisten pluralisieren sich in dieser Phase. Dies zeigt sich beispielsweise durch viele neue Vereinsgründungen. In der Konsolidierungsphase (seit 2014) dominiert der Typ der reflexiven Zivilgesellschaft. In dieser Phase reduziert sich die ­Handlungsfähigkeit zivilgesellschaftlicher Akteure wieder, da staatliche Akteure schrittweise ­Verantwortlichkeiten übernehmen. Kulturaktivisten übernehmen eine Gestaltungsfunktion abseits der Verantwortlichkeiten des Staates und eine Rolle im Aufbau demokratischer Kultur. Im Transformationsprozess existieren demnach verschiedene Einflussbereiche zivilgesellschaftlicher Akteure im Kultursektor, welche je nach Transformationsphase zu differenzieren sind. Die unterschiedlichen Korrelationen zwischen künstlerischem Handeln und gesellschaftspolitischem Transformationsprozess zeigen sich je nach der dominierenden Dimension von Kulturaktivismus: In der Liberalisierungsphase dominiert der Widerstand unter der Diktatur und damit die politische Dimension von Kulturaktivismus. In den darauffolgenden Transitionsund Konsolidierungsphasen wird die gesellschaftliche Dimension relevanter (Abschnitt 5.7). Die empirischen Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass Kunstfestivals als Formate eine Innovationsfunktion im Transformationsprozess übernehmen, indem von künstlerischen Ideen ausgehend eine gesellschaftspolitische Agenda verfolgt wird (Kapitel 5). Durch die Entstehung von Kunstfestivals (Abschnitt 5.3) erfolgt eine Politisierung der Kulturaktivisten, welche je nach Transformationsphase zwei Formen aufweist: Kunstfestivals entstehen als Aktion gegen Zensur und

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eingeschränkte Meinungsfreiheit in der Liberalisierungsphase. Kulturaktivisten nehmen hierbei eine aktive Rolle ein und agieren subversiv. In den Transitionsund Konsolidierungsphasen entstehen Kunstfestivals hingegen als Reaktion auf strukturelle Defizite im Kultursektor zur Förderung von Kulturproduktion. Internationaler Austausch setzt neue Impulse und fungiert als entscheidender ­ Katalysator für die Entstehung kultureller Formate im Transformationsprozess. Neue Methoden demokratischer Partizipation sind zentrale Phänomene der drei untersuchten Kunstfestivals (Abschnitt 5.5), hierzu zählen die Aneignung des öffentlichen Raumes und Dezentralisierungsansätze; prozessorientierte, kontextbasierte und interdisziplinäre Produktion; Community Building in Kunstproduktion und Kulturvermittlung sowie Formatentwicklung und Strukturbildung von Kunstfestivals. Insbesondere in den Liberalisierungs- und Transitionsphasen erfolgt eine aktive Aneignung des öffentlichen Raumes, welcher unter der Diktatur als freier Handlungsraum kaum existierte. Dezentralisierungsansätze stellen aufgrund der historischen Dominanz der Hauptstadt im Kultursektor einen neuen Fokus im Transformationsprozess dar. Die Produktionsmethoden basieren auf lokalen Kontexten und interdisziplinären, prozessorientierten Ansätzen. Durch Community Building entstehen Engagementsfelder, besonders für junge Menschen. Die Existenz einer hohen Anzahl von Freiwilligen zeigt, dass Kunstfestivals als Lern- und Perspektivplattformen fungieren. Die Etablierung von Zugängen und Erschließung neuer Zielgruppen sowie partizipative Formate und die aktive Involvierung der Bewohner in die Prozesse des Festivals ermöglichen Teilhabe und eine gesellschaftliche Verortung künstlerischen Handelns. Kunstfestivals können neue, gemeinschaftsstiftende Kommunikationsforen, in deren Kontext Kooperationsfähigkeiten unterschiedlicher Akteure gestärkt werden, generieren. Ebenso können dominierende elitäre Strukturen des Kunstsektors aufgebrochen werden. Das wiederkehrende, langfristige Format des Festivals und die damit verbundene Strukturbildung ermöglicht den Aufbau neuer Institutionen in der gerade etablierten Demokratie. Kunstfestivals als Key Player fungieren im Transformationsprozess darüber hinaus als Leitfiguren für die Entwicklung von weiteren Kulturprojekten. Die Demokratisierungspotenziale von Kunstfestivals (Abschnitt  3.4, 5.4, 5.5 und 5.7) liegen, basierend auf den Erkenntnissen dieser Forschungsarbeit, in ihrer Widerstandsfunktion in der Liberalisierungsphase sowie in der kollektiven Mobilisierungsfunktion und in der Initiierung von Austausch- und Dialogforen. Sie übernehmen gesellschaftspolitische Funktionen im gesamten ­ Demokratisierungsprozess, vermitteln Interessen sowie demokratische Werte und fördern Partizipations- und kollektive Identifikationsprozesse zum Aufbau

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einer Bürgergesellschaft. Ferner leisten sie einen Beitrag zu Aushandlungs- und Institutionalisierungsprozessen im Transformationsprozess. Zusammenfassend können Kunstfestivals mit ihren Agenden und Methoden als Modelle im Demokratisierungsprozess fungieren, indem Kulturaktivisten als informell handelnde, alternative Akteure einen Beitrag zum gesellschaftspolitischen Wandel leisten. Denn ein ausschließlich formaler Wandel im politischen System, die Durchführung von freien Wahlen und die Verabschiedung einer neuen Verfassung können nicht allein die Konsolidierung der Demokratie ermöglichen. Zivilgesellschaftliche Akteure können durch ihr Handeln einen relevanten Beitrag für die gesellschaftliche Verankerung der Demokratie und zur Entwicklung des Demokratieverständnisses leisten. Eine progressive Entwicklung der Kulturpolitik im Transformationsprozess (Abschnitt 4.2) ist die entscheidende Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung des Kultursektors. Die Abschaffung der Zensur und die Implementierung der Meinungsfreiheit, welche das Recht auf Kultur und die künstlerische Freiheit garantiert, sowie die Anpassung des kulturpolitischen Frameworks zeigen, dass dies im Falle Tunesiens erfolgt ist. Die legislativen Reformen fördern eine Verankerung der gesellschaftlichen Rolle von Kunst und Kultur in der neu etablierten Demokratie. Darüber hinaus stellt die Implementierung der Kunstfreiheit einen zentralen Indikator für den Status der Meinungsfreiheit im Transformationsprozess dar. Deutsche auswärtige Kulturpolitik verfolgt im Transformationsprozess den Auftrag, Demokratisierungsprozesse zu unterstützen (Kapitel 6). Die in dieser Arbeit untersuchten Strategien und Herangehensweisen des Goethe-Instituts Tunesien im Kontext der Transformationspartnerschaft stärken lokale Kulturaktivisten durch bottom-up-Prozesse in der endogenen Entwicklung kultureller Projekte und Formate (Abschnitt 6.4). Die Förderung zivilgesellschaftlicher Akteure wird hierbei als zentrales Element für die Erreichung eines nachhaltigen Wandels angesehen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass nach den Umbrüchen 2010/11 eine neue Akzentuierung der Arbeit des Goethe-Instituts aufgrund vergrößerter Aktionsmöglichkeiten durch den Wegfall der Diktatur erfolgte. Die erweiterte Herangehensweise basiert auf den lokalen Bedürfnissen und partnerschaftlichen Kooperationen statt konventionellem Kulturaustausch mit Präsentationscharakter unter der Diktatur. Das Engagement wird in den Bereichen Qualifizierung, Partizipation und Vernetzung umgesetzt. Capacity Building ist hierbei ein zentraler Ansatz der Unterstützung. Das Goethe-Institut fungiert als Konstante und verlässliche Partnerorganisation für lokale Kulturakteure und übernimmt verschiedene Rollen im Transformationsprozess, vom Sponsor hin zum Ermöglicher

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und Partner. Der Aufbau der Partnerschaften mit lokalen Kulturaktivisten erfolgt jedoch überwiegend wenig strategisch. Die Existenz eines physischen Ortes des Instituts ist von hoher Relevanz in Transformationsländern, wie am Beispiel Tunesiens aufgezeigt. Resümierend ist festzuhalten, dass der Auftrag des Goethe-Instituts, die demokratischen Umbrüche in der arabischen Region zu begleiten, lediglich partiell erfolgt, da das Engagement des ausländischen Akteurs erst nach dem Wegfall der Diktatur verstärkt wurde. In der Liberalisierungsphase (bis 2011) dominierte überwiegend passiver konventioneller Kulturaustausch. Die aktive Intervention im Transformationsprozess wurde erst während der Transitionsphase (2011 bis 2014) mit einer erweiterten Herangehensweise und neuen Schwerpunktsetzungen umgesetzt. Bereits in der Liberalisierungsphase könnte durch die Verstärkung subversiver Herangehensweisen eine aktive Verortung des Engagements des Goethe-Instituts zur Unterstützung der Demokratisierung erfolgen. Dies ist beispielsweise durch Künstleraustausch ins Ausland im Rahmen von Mobilitätsprogrammen oder der gezielten Förderung subversiv handelnder lokaler Kulturaktivisten realisierbar. Eine strategische Programmentwicklung des Goethe-Instituts, differenziert nach den einzelnen Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung), wurde im Falle Tunesiens nicht implementiert. Diesbezüglich wird mit den Erkenntnissen dieser Arbeit eine Forschungslücke geschlossen und Perspektiven zur Fokussierung des Engagements aufgezeigt. Die Transformationspartnerschaft zwischen Deutschland und Tunesien bildet die rechtliche und konzeptionelle Basis zur Unterstützung des Demokratisierungsprozesses und stellt einen erweiterten Aktionsrahmen dar. Auswärtige Kulturpolitik agiert in diesem Kontext nicht neutral, sondern verfolgt eine bestimmte externe Agenda und wird für den Demokratisierungsprozess instrumentalisiert. Die deutsche Seite dominiert die Transformationspartnerschaft, indem das klare Interesse der Demokratieförderung und Übertragung des eigenen politischen Systems auf das Partnerland verfolgt wird. Dadurch, dass versucht wird, das Eigenleben des Transformationsprozesses von außen zu steuern, kann das Engagement im Kontext von Demokratieexport eingeordnet werden. Der Ansatz eines von Tunesien und Deutschland gemeinsam definierten Demokratieverständnisses wird kaum verfolgt. Anzumerken ist, dass solange externe, eurozentrische Konzepte den Diskurs dominieren, selbstbestimmtes Handeln des Partnerlandes kaum möglich ist. Durch die schrittweise, teils jährliche Verlängerung der Transformationspartnerschaft kann verzeichnet werden, dass der deutsche Staat explizit an der Unterstützung der Demokratisierung interessiert

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ist und eine progressive Entwicklung diesbezüglich der Verlängerung des Engagements zugrunde gelegt wird. Auffallend ist, dass kulturelle Zusammenarbeit kein dezidierter Fokus der Transformationspartnerschaft ist und stattdessen sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen dominieren, um die politische Stabilität des Transformationslandes zu unterstützen. Kulturarbeit agiert im Transformationsprozess in bottom-up-Prozessen mit der Gesellschaft statt in abstrakten politischen Kategorien. Wie diese Forschungsarbeit gezeigt hat, kann mit Kulturarbeit ein umfassender Beitrag zur Demokratisierung geleistet werden. Die Relevanz des Kultursektors diesbezüglich gilt es demnach spezifisch herauszustellen und umfassender zu fördern. Eine konzeptionelle Stärkung des Kulturbereichs im Kontext der Transformationspartnerschaft könnte die Rolle von Kulturaktivisten anerkennen und fördern. Engagement im Bereich auswärtiger Kulturpolitik weist immer Limitationen auf, da lokale Akteure die eigentlichen Träger des Demokratisierungsprozesses sind und ebenso die progressiven Vorbedingungen im Partnerland einen nachhaltigen Erfolg des ausländischen Engagements bedingen. Die Umbrüche in Tunesien in den Jahren 2010/11 stellen keinen von externen Akteuren forcierten Wandel, sondern einen endogen entstandenen Transformationsprozess dar. Vor diesem Hintergrund können Akteure auswärtiger Kulturpolitik lediglich eine limitierte Begleitungsrolle einnehmen. Darüber hinaus ist auswärtige Kulturpolitik, insbesondere in Transformationsprozessen, immer auch im postkolonialen Kontext zu verstehen und die Implementierung externer Interessen kritisch zu betrachten. Dies betrifft u. a. die existierenden und sich teilweise weiter verstärkenden Abhängigkeiten der Kulturaktivisten in den Partnerländern von ausländischen Organisationen und eine mögliche direkte oder indirekte Ausrichtung lokaler Kulturarbeit an externen Förderkriterien. Letzteres steht ebenso im Widerspruch mit der Relevanz der Freiheit der Kunst im Transformationsprozess. Um Demokratisierungsprozesse progressiv zu unterstützen wird ausgehend von den empirischen Erkenntnissen dieser Arbeit ein benötigter Paradigmenwechsel auswärtiger Kulturpolitik konstatiert (Kapitel 7). Strategische, an den jeweiligen Transformationsphasen ausgerichtete und langfristige Unterstützung ist hierbei relevant, um eine deutliche politische Steuerung auswärtiger Kulturpolitik in gesellschaftspolitischen Transformationsprozessen umzusetzen. Insbesondere in der Liberalisierungsphase liegen Potenziale eines stärkeren Engagements, um Transformationsprozesse von Beginn an zu begleiten. Die Förderung der strategischen Zivilgesellschaft in der Liberalisierungsphase und der konstruktiven Zivilgesellschaft in der Transitionsphase sind für eine

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dezidierte Demokratieförderung zentral. Mit voranschreitender Konsolidierungsphase erfolgt eine Diversifizierung des deutschen Engagements. Die Bedeutung auswärtiger Kulturpolitik nimmt in dieser Phase stetig ab, da Akteure im Partnerland die Aufgaben selbst übernehmen können und auch vermehrt Ressourcen hierfür besitzen. Ferner ist immer eine explizite Kontextualisierung der jeweiligen Strategien auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen notwendig, aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen Partnerländer. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zeigen, dass im Kontext auswärtiger Kulturpolitik im Transformationsprozess eine hohe Relevanz existiert, durch die Förderung von internationalem Kulturaustausch und Künstlermobilität lokale Kulturproduktion in ihrer Genese zu unterstützen. Durch internationalen Austausch werden entscheidende Impulsfaktoren zur Initiierung von Kulturprojekten gesetzt. Netzwerkbildung und Künstleraustausch sind hierbei von großer Bedeutung und zeigen, dass Mobilität im Rahmen personellen Austauschs besonders förderwürdig ist. Unter der Diktatur ist der Austausch ins Ausland zentral, um die strategische Zivilgesellschaft zu unterstützen. Die Förderung von Capacity Building ist ein effektives Instrument zur Professionalisierung des Kultursektors in Transformationsprozessen. Die Unterstützung der Entwicklung von mehrjährigen Formaten kann den Aufbau der kulturellen Infrastruktur im Partnerland fördern und langfristiges Engagement zeigen. Eine aktive und strategische Zielgruppenorientierung sowie Diversifizierung der Partnerlandschaft durch die Einbeziehung neuer Akteure sind ebenso Teil des benötigten Paradigmenwechsels. Mit auswärtiger Kulturpolitik kann in Transformationsprozessen Elitenkontinuitäten entgegengewirkt werden, indem sie einen Beitrag zur Generierung neuer Eliten leistet. Junge Kulturaktivisten und Akteure in dezentralen Regionen sind hierbei bedeutende Zielgruppen. Dekonstruktionsprozesse auswärtiger Kulturpolitik in Transformationsprozessen stellen darüber hinaus einen grundlegenden Aspekt dar, um eine dauerhafte Legitimation ausländischen Engagements in Transformationsländern zu erreichen. Die Vermittlung des Deutschlandbilds basiert auf der Selbstdarstellung und Repräsentation Deutschlands. Eine Abkehr von diesem Anspruch gilt es in Transformationsprozessen zu erreichen, da lokale Bedürfnisse und Prozesse sowie eine Stärkung der Interessen der Akteure im Partnerland von stärkerer Relevanz als deutsche Interessen sind. Dies umfasst die Entwicklung einer postnationalen Programmatik und schrittweisen Dekonstruktion der Macht ausländischer Akteure. Damit geht eine Stärkung der Autonomie lokaler Akteure einher, welche die Ausweitung der inhaltlichen, strukturellen und finanziellen

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Entscheidungskompetenzen auf die lokalen Partner beinhaltet. Diese Integration in Entscheidungsprozesse ist ein zentrales Element, um lokales Ownership umzusetzen und die Interessen beider Seiten gleichberechtigt strukturell zu implementieren. Zusammenfassend plädiert dieser Paradigmenwechsel für eine Entwicklung des Konzepts von Kooperation zu Ownership lokaler Kulturakteure in der auswärtigen Kulturpolitik in Transformationsländern. Dies bedingt eine Reform der Strukturen auswärtiger Kulturpolitik. Transformationsprozesse im Kulturbereich bieten ebenso auch Potenziale für einen Wandel in der globalen Zusammenarbeit. Denn internationale Beziehungen und Außenpolitik erfahren im Zuge verstärkter Partizipationsprozesse zunehmend eine Relevanzzuschreibung auf zivilgesellschaftlicher Ebene und im Kontext von Kultur- und Bildungsprozessen statt auf abstrakter politischer Ebene zwischen einzelnen Saaten. Auswärtige Kulturpolitik bietet Möglichkeiten globale Abhängigkeiten zu reflektieren und gleichberechtigten Kooperationsaufbau modellhaft zu entwickeln. Der Aspekt der Freiheit der Kunst anstelle einer Instrumentalisierung für außenpolitische Ziele ist hierbei zentral. In dieser Arbeit wurde eine spezifische Weiterentwicklung von politikwissenschaftlichen Theorien für den Kultursektor erarbeitet. Dies erfolgte durch die Anwendung der Theorien Zivilgesellschaft als politische Strategie und theoretischer Ansatz von Ekiert (vgl. Ekiert 2015: 195 ff.) und Zivilgesellschaft in der Transformation politischer Regime von Keane und Merkel (vgl. Keane, Merkel 2015: 450 ff.) auf Kunstfestivals und auswärtige Kulturpolitik im tunesischen Transformationsprozess. Diese Herangehensweise ermöglichte erstmals eine strategische wissenschaftliche Analyse von Kulturarbeit und auswärtiger Kulturpolitik in den einzelnen Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung). Somit wird ein substanzieller Beitrag zur Stärkung der Rolle auswärtiger Kulturpolitik und der Rolle von Kulturaktivisten im Kontext von Demokratisierungsprozessen geleistet. Ferner wird für ein neues, umfassendes Verständnis von Transformationsprozessen argumentiert, das künstlerisches Handeln im Kontext des gesellschaftspolitischen Wandels untersucht. Dies geht über einen ausschließlich politikwissenschaftlichen Analyseansatz hinaus. Die Forschungsarbeit weist aufgrund der spezifischen Kontextualisierung ebenso Limitationen bezüglich einer Generalisierung der Erkenntnisse auf. Tunesien wurde als ein spezifisches Partnerland als Fallbeispiel analysiert. Das Forschungssample bezieht sich auf Kunstfestivals als einem bestimmten Format des Kultursektors und bleibt auf drei Untersuchungsbeispiele beschränkt. Da ausschließlich das Festival Dream City in der Liberalisierungsphase entstanden

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ist, wird der langfristige Wandel im gesamten Transformationsprozess lediglich beispielhaft aufgezeigt. Vor den Umbrüchen 2010/11 existiert wenig Datenmaterial, da der aktive Forschungsprozess erst im Jahr 2013 begann. Ebenso stellen die im Kontext der Festivals agierenden Kulturaktivisten eine bestimmte Akteursgruppe dar, welche grundsätzlich den Ansätzen und Methoden der Festivals progressiv gegenüber aufgeschlossen ist. Keinesfalls verorten alle Kulturakteure ihr Handeln diesbezüglich. Der Einfluss von Kulturaktivisten im Transformationsprozess basiert maßgeblich auf einer notwendigen breiten gesellschaftlichen Legitimierung. Der Zugang zu Kunst und Kultur bleibt trotz der Erschließung neuer Zielgruppen lediglich auf einen kleinen Teil der Bevölkerung beschränkt. Demnach können diesbezüglich kaum allgemeine Rückschlüsse getroffen werden. Ferner basieren die verwendeten Theorien auf überwiegend eurozentrischen Herangehensweisen und stellen mit den drei definierten Transformationsphasen (Liberalisierung, Transition, Konsolidierung) ein idealtypisches Modell dar. Dies ermöglicht eine Analyse auf der theoretischen Ebene, welche jedoch in der Praxis aufgrund ineinander übergehender Prozesse nicht konsequent anwendbar ist. Generell verfolgt die Untersuchung eine positivistische Herangehensweise, indem die Potenziale von Kulturarbeit im Kontext von Demokratisierungsprozessen und diesbezüglich unterstützende Argumente erarbeitet werden. Weitere Forschungsfelder im Anschluss an die vorliegenden Ergebnisse liegen u. a. in der Untersuchung der Strategien und Herangehensweisen anderer externer Akteure im Kultursektor in Transformationsländern und der Erforschung weiterer künstlerischer Formate und Sparten oder auch digitaler Projekte und Strategien. Auch eine Betrachtung staatlicher Akteure und ihrer Handlungsweisen könnte ergänzende Erkenntnisse bezüglich der effektiven Umsetzung politischer Reformen im Transformationsprozess aufzeigen. Ferner könnten eine spezifische Untersuchung des jeweiligen Demokratieverständnisses der Partnerländer und ländervergleichende Studien aufschlussreich sein. Bezüglich letzterer sind insbesondere auch die Länder in der arabischen Region relevant, welche sich nicht progressiv zu Demokratien entwickelten. Des Weiteren könnten historische Analysen zum Kultursektor in Transformationsprozessen in Süd- und Osteuropa sowie Lateinamerika spezifische Erkenntnisse für Kulturarbeit in Transformationsprozessen generieren. Voraussetzung hierfür ist die Existenz von ausreichend aufschlussreichem historischem Datenmaterial. Mit einer Langzeitevaluierung der Wirkung einzelner Projekte und Programme im Transformationsprozess könnte die Nachhaltigkeit von auswärtigem Engagement untersucht werden. Ebenso ist es von Interesse, Kulturaktivisten und Kulturprogramme in Transformationsprozessen zu untersuchen, welche

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nicht in direktem Zusammenhang mit auswärtigem Engagement agieren und implementiert werden, sondern sich komplett unabhängig verorten. Ein darüber hinausgehendes Desiderat für weitere Forschungen ist die Untersuchung der Anwendbarkeit der Erkenntnisse auf andere Partnerländer. Demnach gilt es Innovationsprozesse in der auswärtigen Kulturpolitik basierend auf den Erkenntnissen aus Transformationsländern zu erforschen.

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