Gerontologie 2 - Das Altern verstehen: Band 2, Erfahrungen, die prägen 9783748601814

Altern als Prozess ist Gegenstand gerontologischer Forschungen. So anschaulich wie spannend vermittelt Bettina M. Japser

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German Pages 114 [110] Year 2019

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Gerontologie 2 - Das Altern verstehen: Band 2, Erfahrungen, die prägen
 9783748601814

Table of contents :
Inhalt
VORWORT
BIOGRAFIE
PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT
WOHNEN
BILDUNG & ARBEIT
ANHANG

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Bettina M. Jasper

Gerontologie – das Altern verstehen Erfahrungen, die prägen

Band 2

VINCENTZ NETWORK

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet. Der Verlag und die Autorin können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2019 Besuchen Sie uns im Internet: www.altenpflege-online.net Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Druck: Gutenberg Beuys Feindruckerei GmbH, Langenhagen Foto Titelseite: Titelbild: AdobeStock_Andrey Popov, _contrastwerkstatt, _Daniel Ernst, _rogerphoto Composing Illustrationen: AdobeStock_DavidArts Satz: Heidrun Herschel, Wunstorf ISBN 978-3-7486-0181-4

Bettina M. Jasper

Gerontologie – das Altern verstehen Erfahrungen, die prägen

Band 2



Inhalt VORWORT  7 BIOGRAFIE  9 Lernziele  10 Themenübersicht  12 Definition  13 Bedeutung  14 Inhalte  16 Zeitgeschichte  18 Langzeitgedächtnis  19 Informationssammlung  21 PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT 

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Lernziele  26 Themenübersicht  27 Bedeutung & Funktion   28 Sexualität & Gesellschaft   32 Veränderungen im Alter   38 Sexualität leben im Pflegeheim   42 Pflege & Sexualität   44 WOHNEN  49 Lernziele  50 Themenübersicht  51 Funktionen von Wohnraum   52 Wohnbiografie  54 Lebensbegleitend Wohnen   56 Wohnformen  64 Stationäre Pflege   69 Wohnungspolitik  73

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BILDUNG & ARBEIT 

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Lernziele 

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Themenübersicht  Schule & Ausbildung  Arbeit & Freizeit  Lernen  Verhaltenslernen  Kognitives Lernen  Möglichkeiten & Angebote 

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Anhang

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Stichwortverzeichnis  Zum Weiterlesen  

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Dank 

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Autorin 

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Gerontologie – das Altern verstehen

VORWORT Es ist geschafft – der zweite von vier Bänden liegt nun vor! Mein im Jahr 2002 erschienener Titel  „Gerontologie“ aus der Reihe  „Lehrbuch Altenpflege“ ist inhaltlich und gestalterisch aufgefrischt. Die neue Buchreihe hat nunmehr eine völlig veränderte und ungewöhnliche Gestaltung, deren Grundstruktur sich während meiner langjährigen Unterrichtspraxis an der Altenpflegeschule  „Sancta Maria“ in Bühl entwickelte. Die Publikation richtet sich an Auszubildende und Pflegefachkräfte sowie an Betreuungskräfte und Alltagsbegleiter, die darin viel Hintergrundinformation für ihre Arbeit finden. Gerontologische Inhalte sind aufgeteilt in vier Themenpakete, eines je Band. In jeweils einem kompakten Buch sind Inhalte nach Stichworten mit Querverweisen im Sinn einer Nomenklatur, also eines Fachwörterbuchs, zusammengestellt und in Themenfeldern alphabetisch sortiert. Am Ende des Buchs gibt es eine Rubrik  „Zum Weiterlesen“ mit Literatur-Tipps für alle diejenigen, die tiefer in ein Thema eintauchen möchten. Hat der erste Teil der Buchreihe viel theoretischen Hintergrund zum Inhalt, stehen in diesem zweiten von vier Bänden „  GERONTOLOGIE – DAS ALTERN VERSTEHEN. Erfahrungen, die prägen“ Alltagsthemen wie Biografie, Sexualität, Wohnen und Bildung im Mittelpunkt. Die nächsten beiden Teile sind zum einen dem Alterungsprozess unter verschiedenen Aspekten und zum anderen dem Arbeitsfeld Altenpflege gewidmet. Ich bin sehr gespannt, wie der so aufbereitete Stoff angenommen wird. Den Leserinnen und Lesern wünsche ich eine gewinnbringende Lektüre – möge dieses Kompendium ein Leitfaden werden und vielen Nutzern brauchbare Anregungen geben, ihre tägliche Arbeit erfolgreich zu bewältigen. Bettina M. Jasper Januar 2019

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Gerontologie – das Altern verstehen

BIOGRAFIE Das Mosaik des Lebens Pflegende und Betreuungskräfte sind um Jahrzehnte jünger als die meist hochaltrigen Menschen, mit denen sie umgehen. Ihre persönlichen Erfahrungen sind in allen Lebensbereichen völlig anders, von anderem Zeitgeist geprägt. Das macht das Einfühlen in die Situation Betroffener schwierig. Ein Beispiel aus der Kommunikationstechnik zeigt, wie rasant die Entwicklung in nur wenigen Jahren war und ist: Das Telefon. Machen mobiles Telefonieren, Skypen und permanente Verfügbarkeit von sozialen Medien uns heute ständig erreichbar, so haben Senioren früher Zeiten erlebt, in denen gab es nicht einmal in jedem Haushalt ein Festnetztelefon zum Selbstwählen. Menschen verabredeten sich auf andere Weise, pflegten Kontakte direkt und offline, Absprachen wurden längerfristig getroffen und hatten eine hohe Verbindlichkeit. Das Umlernen und Zurechtkommen mit der heutigen Situation und der Weg dahin mit allen  „Zwischenstationen“ erforderte enorme Anpassungs- und Lernfähigkeit. Das ist nur ein kleiner Mosaikstein aus vielen Bereichen, die ein Leben beeinflussen und prägen. Der Austausch zwischen den Generationen, die gegenseitige Information hilft verstehen. Menschen, die viel voneinander wissen, können sich leichter in die Lage des jeweils anderen hineinversetzen und sich mit ihm verständigen. So ist es wichtig, sich im Hinblick auf wertschätzende und individuelle Pflege und Alltagsgestaltung intensiv mit jedem einzelnen Bewohner, Klienten oder Tagesgast auseinanderzusetzen. Dabei ist sensibler Umgang mit den gewonnenen Informationen heute wichtiger denn je.

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BIOGRAFIE

Lernziele Wissen, –– was eine Biografie ausmacht. –– wie Sie an biografische Informationen herankommen können. –– dass das Leben nicht immer geradlinig verläuft, es Brüche und Wendepunkte beinhaltet. –– was Sie im Umgang mit biografischen Informationen berücksichtigen müssen. –– welche zeitgeschichtlichen Ereignisse und Situationen das Leben heute alter Menschen geprägt haben. Verstehen und sich bewusst machen, –– welche Bedeutung die Geschichte eines langen Lebens für die Situation im Alter hat. –– dass der Verlauf eines Lebens nicht nur Schicksal, sondern auch aktiv beeinflussbar ist. –– dass Menschen gleichen kalendarischen Alters sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben können. –– die Bewertung und Bilanz eines Lebens sich mit zeitlichem Abstand verändern kann. –– dass die Biografie eines Menschen sich lebenslang verändert, die Zukunft als wesentlicher Bestandteil dazugehört.

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Gerontologie – das Altern verstehen

Im Arbeitsalltag –– gezielt beobachten und Informationen sammeln. –– Interesse an den Lebensgeschichten der alten Menschen zeigen und im Austausch etwas von sich selbst preisgeben. –– Methoden der Biografiearbeit gezielt nutzen und einsetzen. –– aus den gewonnenen Informationen gezielte Maßnahmen und Angebote für die Betroffenen ableiten. –– die Pflege individuell und an den konkreten Wünschen und Bedürfnissen des einzelnen Menschen orientiert planen, umsetzen und auswerten.

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Themenkomplexe

Zeitleiste

Bedeutung

Zeitgeschichte Zeitgeschichte

Langzeit-Gedächtnis Langzeit-Gedächtnis

Informationssammlung Informationssammlung

Biografie Biografie

Inhalte Inhalte

Bedeutung Bedeutung

Biografiearbeit

Autobiografie

Wohnen

Erlebnisse

Beziehungen

Bildung

Persönlichkeit (Charakter)

Zeitabschnitte

Zielgerichtete Pflegeplanung

Wohlfühlen

Wertschätzung

Individualität

Personenbeschreibung

Themenübersicht

"falsche" Erinnerungen

Gedächtnissysteme

Umgang

Darstellungsformen

Methoden

Definition Definition

Lebensgeschichte, Lebenslauf

BIOGRAFIE



Gerontologie – das Altern verstehen

Definition Die hier aufgeführten Begriffe sind weitgehend gleichbedeutend oder ähnlich. Jedoch werden sie in unterschiedlichen Zusammenhängen oft nicht wirklich synonym benutzt. Das gilt vor allem für die Pflege, die bei der Vorstellung von Menschen mit einzelnen Begriffen ganz bestimmte Inhalte verbindet, häufig sogar einrichtungsspezifisch. Autobiografie ● Dabei stellt der Autor bzw. die Autorin rückblickend das eigene Leben dar, besonders verbreitet bei prominenten Personen. Zunehmend wird autobiografisches Schreiben jedoch auch von  „Normalbürgern“ angewandt im Sinn kreativer oder therapeutischer Arbeit oder zum Erhalt von Familienwissen. Biografie ● Das Wort stammt aus dem Griechischen –  „Bio“ für Leben und  „-grafie“ steht für beschreiben/aufzeichnen/darstellen. Es ist die Lebensbeschreibung einer Person, unabhängig von der Art der Darstellung (schriftlich, mündlich, in Bildern …). Beinhaltet äußere Geschichte mit objektiven Daten und Fakten ebenso wie innere Entwicklungen mit subjektiver Beurteilung von Ereignissen und Erlebnissen. Eine Biografie ist kein statisches Gebilde, sondern etwas Dynamisches. Sie kann sich im Lauf des Lebens durch subjektive Umdeutungen und Neubewertung von Ereignissen immer wieder verändern. So geht sie deutlich über eine reine Sammlung von Fakten hinaus. In der Regel umfasst eine Biografie als Zusammenfassung die komplette Darstellung eines Menschlebens. Sie kann aber im Ausnahmefall lediglich Einzelaspekte enthalten. Biografiearbeit ● Das Beschäftigen und Auseinandersetzen mit den Lebensgeschichten der betreuten Menschen, vor allem in der (Alten-)Pflege. Dabei werden vor allem gesprächsorientierte und aktivitätsorientierte Formen unterschieden. Beide können in Einzel- oder Gruppenarbeit erfolgen.

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BIOGRAFIE

Lebensgeschichte ● Sie ist einzigartig und unverwechselbar. Wird häufig verstanden als zusammenhängende Darstellung mit Schwerpunkt auf zeitlichen Abläufen und subjektiven Erlebnissen, weniger auf objektiven Messwerten, Diagnosen usw. Lebenslauf ● Beschreibt den individuellen Verlauf eines menschlichen Lebens im Sinn einer Chronik. Gibt einen gut strukturierten und zusammenfassenden Eindruck von einem Menschen. Die Gliederung erfolgt chronologisch, meist zusätzlich unterteilt in Themenkomplexe wie Familie, Ausbildung, Beruf usw. Personenbeschreibung ● Schildert wesentliche Merkmale einer Person, ist oft eng begrenzt auf äußeres Erscheinungsbild und objektive Fakten. Sie ist bekannt aus der Kriminologie, dort häufig als Täterbeschreibung. In der Pflege liegt der Schwerpunkt oft auf der Physiognomie mit konkret messbaren Werten wie Größe, Gewicht, Pflegegrad …, ergänzt durch Darstellung von ärztlichen und Pflege-Diagnosen, Ressourcen und Problemen usw.

Bedeutung Individualität ● Jede Biografie ist einzigartig, genauso wie die Persönlichkeit des Menschen. Wie in einem Mosaik gibt es zwar ähnliche Bausteinchen in einzelnen Lebensgeschichten, aber die exakte Zusammensetzung ist immer verschieden. Aus vielen Einzelteilen wird ein Ganzes, das den einen Menschen ausmacht, das ihn mit zunehmendem Alter immer unverwechselbarer macht. Erst die Kenntnis vieler kleiner Bausteinchen, vieler Informationen über einen Menschen ermöglicht optimale Pflege. Nicht alle benötigen dasselbe. Ziel in der Altenpflege ist, jeden Bewohner, Klienten oder Tagesgast so zu versorgen und zu pflegen, dass es seinen Bedürfnissen entspricht. Umfassendes Beschäftigen mit der Biografie eines Jeden hilft, den Alltag mit jedem Einzelnen trotz des Lebens in einer Gemeinschaft in Nuancen unterschiedlich zu gestalten.

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Gerontologie – das Altern verstehen

Pflegeplanung ● Eine zielgerichtete Pflegeplanung orientiert sich sehr eng an den Bedürfnissen und Wünschen der betroffenen Person. Nicht alle brauchen und möchten dasselbe. Biografieorientierung ist vor allem bei der Alltagsgestaltung wichtig. Es geht darum, aus den gewonnenen Informationen Themen und Anknüpfungspunkte für Gespräche zu finden und Angebote für Aktivitäten abzuleiten, Interessen zu wecken oder zu pflegen und sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen. Das Wissen über Vorlieben und Abneigungen, über Vorstellungen und Wünsche kann Pflegenden helfen, Zugänge zu finden, gezielt Motivation aufzubauen und damit pflegerische und therapeutische Ziele zu verfolgen. Die Kenntnis vieler Details aus der Biografie eines alten Menschen hilft dem Personal, immer wieder auf einzelne Punkte einzugehen, sie in Erinnerung zu rufen und so das Selbstwissen über die eigene Person und Geschichte zu erhalten, auch bei schwindenden kognitiven Fähigkeiten und Auftreten einer demenziellen Entwicklung. Wertschätzung ● Das Interesse an einem Menschen und seiner Geschichte ist ein bedeutendes Stück Wertschätzung. Es vermittelt Betroffenen das Gefühl, wahrgenommen und akzeptiert zu werden und für die Menschen in seiner Umgebung wichtig zu sein. Das Arbeiten an und mit der Biografie trägt dazu bei, dass der Mensch sich im Mittelpunkt und verstanden fühlen kann. Wohlfühlen ● Das Kennen lebensgeschichtlicher Inhalte ermöglicht es Pflegenden, auf Bedürfnisse der alten Menschen einzugehen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, scheinbar unbedeutende Informationen, die darüber entscheiden, ob sich jemand in seiner Umgebung wohlfühlt oder nicht. Je mehr die Mitarbeitenden in einer Einrichtung über die pflegebedürftigen Menschen wissen, desto mehr kann es ihnen gelingen, Wünsche zu berücksichtigen, auch solche, die nicht ausgesprochen werden. Das Wissen voneinander schafft ein Stück Vertrautheit, die zum Wohlfühlen nötig ist.

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BIOGRAFIE

Inhalte Bildung ● Die Bildungs-Biografie der heute hochaltrigen Menschen un-

terscheidet sich in der Regel extrem von der der nachfolgenden Generationen. Zeitgeschichtliche Ereignisse wie Krieg, Vertreibung und Flucht beeinflussten den Schulbesuch. Abgesehen von völlig anderen Schulsystemen als heute, war auch der Schulbesuch oft nicht lückenlos, sondern von Unterbrechungen gekennzeichnet. Insgesamt hat die Mehrheit der jetzt hochaltrigen Generationen in acht Schuljahren einen Volksschulabschluss erreicht, was ungefähr der heutigen Hauptschule entspricht. Meist wurde im Alter von 14 bis 15 Jahren eine Ausbildung, damals als  „Lehre“ bezeichnet, begonnen. Eine oft jahrzehntelange Tätigkeit im selben Beruf oder sogar Betrieb schloss sich an. Höhere Bildungsmöglichkeiten waren meist Jungen und Männern vorbehalten. Mädchen besuchten häufig Nähschulen, lernten Kochen oder arbeiteten in einem Haushalt, um für eine spätere Familiengründung vorbereitet zu sein. Bei nachfolgenden Generationen, zurzeit noch jüngeren Senioren, sieht der Werdegang im Bereiche Schule, Ausbildung und Beruf anders aus. Höhere Ausbildungsabschlüsse, Berufsausbildungen auch der Frauen usw. Schule, Ausbildung und Beruf prägen einen Menschen stark. Daher sind Informationen darüber wichtig für die Pflege. Interessant sind auch die Berufswünsche, denn die blieben bei den heutigen Senioren oft unerfüllt, weil äußere Zwänge deren Realisierung verhinderten. Zur Bildung gehört die Sprache, deren Niveau, der Ausdruck, der Wortschatz und ebenso Dialekte oder erlernte Fremdsprachen. Beziehungen ● Der Mensch als soziales Wesen wird stark geprägt durch seine Mitmenschen. So gehören Bezugspersonen und Informationen über die Art(en) des Zusammenlebens zur Lebensgeschichte. Herkunftsfamilie und eigene Familie spielen eine wichtige Rolle, die Partnerschaft(en), Ehe(n) und Lebensgemeinschaft(en). Freunde und Bekannte – nicht nur namentlich, sondern ebenso die Information, ob der Kreis derer eher umfangreich oder sehr übersichtlich ist oder war. Wie war oder ist der Betroffene in seine Nachbarschaft eingebunden? Gibt es noch Beziehungen

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Gerontologie – das Altern verstehen

mit Menschen aus einer früheren Heimat? Nicht zu vergessen ist die Verbundenheit mit Haustieren, die wichtiger Teil der Biografie sein können. Erlebnisse ● Jeder Lebenslauf beinhaltet eine große Menge von Erlebnissen, deren jeweilige Bedeutung nur die Betroffenen ermessen können. Nur ein Bruchteil dessen, was der Mensch erlebt, bleibt im Gedächtnis haften. Manches sind größere Ereignisse wie Reisen an interessante Ziele oder entscheidende Veränderungen, Wendepunkte, so genannte Turning points, wie Umzüge, Arbeitsplatzwechsel oder Ähnliches. Existenzielle Erfahrungen gehören dazu wie Geburten, Trennungen und Verlust von Bezugspersonen durch Tod. Andere Erlebnisse wirken vergleichsweise unbedeutend wie ein Sonnenaufgang am Meer, die Begegnung mit einem interessanten Menschen usw., doch einige bleiben dennoch quasi als Schlüsselerlebnisse in Erinnerung. Persönlichkeit ● Sie ist das, was den Menschen ausmacht. Ältere Bezeichnungen waren Charakter oder Temperament. Beide werden heute nicht mehr synonym verwendet. Die Persönlichkeit ist die Gesamtheit aller individuellen Eigenschaften und Merkmale, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Die Kombination all dieser Elemente ist einzigartig und unverwechselbar. Bei der Betrachtung der Persönlichkeit lassen sich häufig Muster und Verhaltenstendenzen beobachten. In Wertvorstellungen, Meinungen und Haltungen werden häufig Lebensstile deutlich, die sich wie ein roter Faden durch eine Biografie ziehen können. Sie beeinflussen ganz deutlich die Zufriedenheit. Studien zufolge sind Menschen über 80 Jahre trotz aller Einschränkungen und Gebrechen mit ihrem Leben meist zufrieden. Erst bei den über 90-Jährigen lässt die Zufriedenheit wieder nach. Wohnen ● Gewöhnlich gehören Umzüge zum Lebenslauf. Die Gesamtheit aller das Wohnen betreffenden Details ist die so genannte Wohnbiografie. Ist jemand von großstädtischem Umfeld geprägt, fühlt sich in einer Kleinstadt wohl oder genießt er eher dörfliches Ambiente? Aus welchem Land oder welcher Region kommt eine Person? Der Standard der bisheri-

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BIOGRAFIE

gen Wohnumgebung spielt eine wichtige Rolle – Wohneigentum oder gemietet, Wohnung oder Haus, hoher oder niedriger Ausstattungsstandard. Zeitabschnitte ● Die Biografie begleitet einen Menschen von der Geburt bis zum Tod und ist zu Lebzeiten niemals abgeschlossen. Sie gliedert sich in drei Abschnitte: Vergangenheit – beim Rückblick auf Erinnerungen ein Stück Lebensbilanz. Dazu gehören mehrere Lebensabschnitte wie Kindheit, Jugend, mittleres Erwachsenenalter, Rentenalter und gezielt auch die jüngere Vergangenheit, z. B. das letzte Jahr. Gegenwart – das Hier und Jetzt in der Begleitung ein Stück Lebensbewältigung. Zukunft – diesen Teilbereich blenden Betroffene wie Mitarbeiter häufig aus. Doch Lebensplanung, Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen sind unverzichtbarer Teil jeder Biografie, der im Sinn von Zufriedenheit unbedingt berücksichtigt werden muss.

Zeitgeschichte Bedeutung ● Jeder Mensch wird intensiv von der Zeitgeschichte geprägt, die für seine Generation typisch ist. Das betrifft verschiedenste Themenkomplexe. Sie macht das Umfeld aus, in dem jemand aufwächst und lebt, das den Alltag prägt. Die erlebte Zeitgeschichte beeinflusst intensiv die Persönlichkeit und die Bewertung von Menschen, Situationen und Ereignissen. So waren z. B. die Lebensbedingungen von Menschen gleichen Alters sehr unterschiedlich, wenn einer zeitlebens im Westen Deutschlands gelebt hat und ein anderer in einem der östlichen Bundesländer, dort jahrzehntelang unter dem Regime der ehemaligen DDR. Themenkomplexe ● Zeitgeschichtliche Entwicklungen und Veränderungen betreffen z. B. Technik, Politik, Wohnen, Werte und Moral, Kultur, Arbeitswelt, Familienleben usw., aber auch Naturereignisse und -katastrophen, Kriege, Vertreibung und Flucht. So haben heute alte Menschen unterschiedlichste Staatsformen erlebt, mit wechselnden Währungen bezahlt, andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kennengelernt als

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Gerontologie – das Altern verstehen

die heutige Jugend. Sie erlebten eine rasante technische Entwicklung, ob im Straßenverkehr, im Haushalt oder in der Kommunikationstechnik. Die meisten wuchsen in festen Familienstrukturen auf und erleben teils völlig andere Formen des Zusammenlebens bei nachfolgenden Generationen. Die Zeitgeschichte ist bei jeder Biografie mit zu bedenken. Sie muss nicht individuell erfasst werden, sondern ist Bestandteil der gesellschaftlichen Geschichte. Zeitleiste ● In Form von Zeitleisten werden wesentliche Ereignisse der Geschichte häufig in Schulbüchern und anderen Werken über die Historie dargestellt. Sich so mit dem 20. Jahrhundert zu beschäftigen, gibt heute jungen Menschen einen guten Überblick über prägende Einflüsse. Dabei sind wesentliche Ereignisse jeweils einem Jahr zugeordnet – und das bezieht sich nicht nur auf Kriege und Revolutionen. Da stehen Geschehnisse unterschiedlicher Wertigkeit und Themenkomplexe nebeneinander. Die Reichsprogromnacht 1938 kann ebenso verzeichnet sein wie die erste Mustang-Jeans 1948, das Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 neben dem ersten Menschen im All 1961 oder dem Bau der Berliner Mauer 1963. Der Startschuss für das Farbfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland 1967 erscheint vor dem ersten autofreien Sonntag 1973 usw. Derartige Darstellungen helfen verstehen, insbesondere wenn Zeitgenossen sie jungen Menschen erklären und erzählen, wie sie die Ereignisse erlebt haben.

Langzeitgedächtnis Episodisches Gedächtnis ● Hier sind autobiografische Inhalte gespeichert, wichtige persönliche Ereignisse in ihren zeitlichen und örtlichen Zusammenhängen, z. B. die erste Liebe, die Geburt des ersten Kindes, ein eigener sportlicher Erfolg usw. Davon können Menschen erzählen, die Inhalte in Worte fassen. Falsche Erinnerung ● Dem Gedächtnis können Erinnerungsfehler unterlaufen. Gelegentlich sind Menschen überzeugt, etwas erlebt zu haben, das nie stattgefunden hat. Dieses Phänomen tritt manchmal auch in der

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BIOGRAFIE

Biografiearbeit auf. Dabei spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Wer auf sein Leben zurückblickt, möchte positiv dastehen, dem eigenen Dasein Sinn geben. Das führt zu höherer Zufriedenheit. So spielt das Gedächtnis uns beim Rückblick so manchen Streich und ändert im Nachhinein Fakten und Bewertungen von Situationen oder Personen. Da wird die Ehe, die objektiv betrachtet ein Martyrium war, zum harmonischen Zusammenleben oder die kinderlose 85-Jährige erzählt von ihren drei Söhnen, die nur ihrem Wunsch und ihrer Fantasie entspringen. Das Verfälschen der Wahrheit ist den Betroffenen in solchen Fällen nicht bewusst. Es handelt sich quasi um einen Schutzmechanismus des Gehirns. Gedächtnissysteme ● Biografiearbeit ist zu großen Teilen Erinnerungsarbeit. Dabei spielt das Langzeitgedächtnis eine wesentliche Rolle. Es setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Aktuell werden fünf Systeme unterschieden, die jeweils eigene Aufgaben und Funktionen übernehmen: Semantisches, episodisches, prozedurales und perzeptuelles Gedächtnis sowie das ► Priming. Perzeptuelles Gedächtnis ● In diesem Teilbereich des Speicherorgans geht es ums Wiedererkennen von Objekten und Ähnlichkeiten. „  Das Hochzeitskleid auf dem Bild sieht genauso aus wie das, das ich getragen habe“ oder  „In solch einem Fachwerkhaus haben wir gewohnt“ – so wecken Bilder, Gegenstände und Ereignisse Erinnerungen. Deshalb helfen Anschauungsmaterialien bei der biografischen Arbeit. Priming ● Dabei handelt es sich um eine unbewusste Gedächtnisleistung. Der Begriff bedeutet so viel wie „  vorbereiten“ oder „  erleichtern“ und ist eine Art Starthilfe fürs Gehirn. Viele Informationen aus der Umwelt werden unbewusst registriert und gespeichert. Manche lassen sich später, nach dem Ereignis, durch andere Reize und assoziative Verknüpfungen wieder hervorrufen und können Verhalten beeinflussen. So lassen wir uns von einem bestimmten Duft oder einer Musik zu einem Verhalten verführen, ohne dass es uns bewusst ist, z. B. beim Einkaufen.

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Gerontologie – das Altern verstehen

Prozedurales Gedächtnis ● Wie der Name schon sagt, geht es um Prozesse, konkret um Bewegungs- bzw. Handlungsabläufe. Menschen lernen und automatisieren im Lauf des Lebens zahlreiche Abläufe. Über das Waschen, das Anziehen, das Gehen usw. denken wir gewöhnlich nicht mehr nach. Das gilt auch für komplexere Fertigkeiten wie Radfahren oder Stricken. Bei solchen Tätigkeiten wird die Abfolge gewöhnlich automatisch abgerufen und ausgeführt. Daher ist es oft hilfreich, alte Menschen einfach durch gemeinsames Beginnen, durchs Tun, zu unterstützen statt durch lange Erklärungen, wenn sie z. B. vergessen haben, wie die Abfolge bei der Körperpflege ist. Semantisches Gedächtnis ● Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutung von Wörtern und sprachlichen Zeichen. So umfasst das semantische Gedächtnis alles, was wir im Lauf des Lebens an nicht mit der eigenen Biografie verknüpften Informationen gesammelt haben. Es wird auch bezeichnet als Wissensgedächtnis. Hier kommt alles Wissen zusammen, das wir durch Bildung erwerben – die Hauptstadt von X, der Präsident von Y, das schnellste Tier an Land oder der höchste Kirchturm der Welt.

Informationssammlung Beobachtung ● Das ist eine Methode, die vor allem dann hilfreich ist, wenn alte Menschen selbst und die Familie keine Auskunft geben können oder möchten. Dann gilt es, aus dem Verhalten und erlebten Reaktionen Interessen, Vorlieben und Abneigungen herauszufiltern, Gewohnheiten zu erkennen. Weiteres lässt sich aus der vorhandenen Kleidung – dem Stil, der Qualität – ableiten. Das Wohnumfeld mit Möbelstücken, Bildern, Büchern usw. gibt aufmerksamen Beobachtern eine Reihe von Informationen, ebenso wie Musikgeschmack oder die Auswahl des Fernsehprogramms. Darstellungsformen ● Alle pflegerelevanten Informationen über einen Menschen werden im Dokumentationssystem gesammelt. Ob auf Papier oder digital erfasst, gehören sie in jede Pflegeeinrichtung und folgen inhaltlich der im System vorgegebenen Struktur. Diese ist von Einrichtung zu Einrichtung verschieden. Darin enthalten sind im Wesentlichen steck-

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BIOGRAFIE

briefartig erfasste Stammdaten, mit denen sich die äußere Geschichte in Form von objektiven Daten und Fakten erfassen lässt. Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten, Lebensgeschichten darzustellen. Manche alten Menschen bringen solche schon bei ihrem Einzug mit. Mit anderen lassen sie sich gemeinsam im Rahmen der Beschäftigung erstellen. Stammbäume, Lebensbücher oder -alben sind eine gute Möglichkeit, um Kindern und Enkeln etwas über deren Herkunftsfamilie mitzuteilen. Foto- und Filmdokumentationen vermitteln den Nachkommen zusätzlich bildhafte Vorstellungen. Die Chronologie, die zeitliche Abfolge, eines Lebens lässt sich optimal mit so genannten biografischen Linien darstellen. Oft genügt eine einzige Linie nicht, um alle wichtigen Eckdaten aufzunehmen. In dem Fall ergibt sich eine bessere Übersicht, wenn thematisch gebündelte Linien Auskunft geben, z. B. jeweils eine eigene Linie für die Gesundheitsbiografie, Beziehungsbiografie, Bildungsbiografie, Wohnbiografie usw. Gespräche ● Der Austausch mit den Betroffenen selbst sowie mit deren Bezugspersonen wie Angehörigen, Freunden und Bekannten. Sind diese Gespräche geplant, werden sie meist nach einem standardisierten Leitfaden geführt, der jedoch Raum für Individualität lässt. Eine vertrauensvolle Beziehung ist Voraussetzung für erfolgreiche Gespräche dieser Art. Wer sie führt, sollte bereit sein, auch Persönliches von sich selbst preiszugeben. Nur so lässt sich einseitiges Ausfragen vermeiden. Methoden ● Viele biografische Details erfahren Pflegende und Betreuungskräfte ganz ohne gezielte Suche und Erhebung, quasi nebenbei in der täglichen Arbeit. Doch zusätzlich werden zielgerichtet Mosaiksteinchen aus dem Leben der betreuten alten Menschen gesammelt. Gespräche, Beobachtung und ► Reminiszenz-Arbeit in Kombination liefern am Ende ein ganzheitliches Bild. Reminiszenz ● Häufig erfolgt Reminiszenz-Arbeit im Rahmen der Beschäftigungs- und Therapieangebote. Sie liefert weitere Bausteinchen im Mosaik eines Lebens. Der Begriff bezeichnet Erinnerungen, die durch irgendeinen Auslöser hervorgerufen werden. Mithilfe von Anschauungs-

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Gerontologie – das Altern verstehen

materialien in Erinnerungskoffern werden Zeitreisen unternommen. Mancherorts werden Heimatmuseen genutzt – ein altes Klassenzimmer, ein Tante-Emma-Laden, eine alte Apotheke. Oft finden solche ReminiszenzVeranstaltungen generationsübergreifend statt unter Beteiligung von Kindergarten, Schulklasse oder einer Jugendgruppe. Im Mittelpunkt stehen zeitgeschichtliche Themen. Eine Vielzahl von Spielen regt mit Bildern, Impulsfragen und Sachinformationen zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an. Dabei sollte immer der Bogen geschlagen werden in die Gegenwart, damit alte Menschen zeitlich orientiert bleiben. Nicht nur schwelgen in Erinnerungen, sondern vergleichen mit der aktuellen Situation: Schule früher und heute, Waschtag damals und Wäschepflege in unserer Zeit. Zur persönlichen Erinnerungsarbeit sind Biografieschachteln oder Themenkisten hilfreich. Diese Form der Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte ist gut geeignet, um Bilanz zu ziehen und daher ein wichtiges Stück Lebensbewältigung. Umgang ● Biografische Informationen sind immer vertraulich zu behandeln. Sie unterliegen den gesetzlichen Bestimmungen zur Verschwiegenheitspflicht und zum Datenschutz. Das Wissen über Einzelheiten aus dem Leben eines Menschen birgt auch Risiken. Nicht immer sind gewonnene Informationen korrekt. Manches verändert sich beim Rückblick in der Bewertung der Betroffenen und gelegentlich sind Informationen von Dritten ein Blick aus deren Perspektive oder geleitet von deren Interessen. Falsche Interpretationen sind ebenso möglich wie Missbrauch, denn jede Information kann für, aber – bewusst oder unbewusst – auch gegen die betroffene Person eingesetzt werden. Im positiven Sinn dagegen birgt biografisches Wissen über einen Menschen Chancen, ihn kennenzulernen, besser zu verstehen, Zugänge und Anknüpfungspunkte für die Unterstützung in seinem Alltag zu finden und ihn optimal zu pflegen.

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Gerontologie – das Altern verstehen

PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT Wünsche und Emotionen gehen nicht in den Ruhestand Sexualität ist in der Gesellschaft ohnehin ein vernachlässigtes Thema, dies noch mal mehr im Zusammenhang mit Alter. Alte Menschen sind keine asexuellen Wesen, sondern sie haben wie in allen vorherigen Lebensphasen sexuelle Wünsche und Bedürfnisse. Die Lebenssituation macht es vor allem für allein lebende und pflegebedürftige alte Menschen schwierig, bestehende Bedürfnisse auszuleben und Wünschen nachzukommen. Gesellschaftliche Moralvorstellungen, begrenzte Mobilität, erkrankungsbedingte Einschränkungen und fehlende Gelegenheiten für Kontakte und Partnerschaften begrenzen die Möglichkeiten stark. Die Auseinandersetzung mit Sexualität und Partnerschaft ist für Pflegende besonders wichtig, denn sie dringen bei ihrer Tätigkeit – wenn auch unfreiwillig – in die Intimsphäre von Menschen ein. Wissen über die Bedeutung und die Entwicklung von Sexualität und Partnerschaft, insbesondere im höheren Lebensalter, ist daher wichtige Voraussetzung für den einfühlsamen Umgang mit alten Menschen. Um  „seine Sexualität leben“1 zu können, genügt es nicht – wie vielfach in Pflegedokumentationssystemen zu lesen – geschlechtsspezifische Kleidung und Schmuck zu tragen, Parfüm oder Rasierwasser zu benutzen oder sich in der Freizeitgestaltung für bestimmte Themen zu interessieren. In Pflegesituationen sind auf beiden Seiten – bei Gepflegten wie bei Pflegenden – starke Emotionen im Spiel. Sich derer bewusst zu werden, sie anzusprechen, zu verarbeiten und entsprechende Situationen für alle Beteiligten respektvoll und würdig zu gestalten, ist eine herausfordernde Aufgabe.

1 Eine der 13 ABEDL® im Strukturmodell nach Monika Krohwinkel

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PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT

Lernziele Wissen, dass –– Sexualität zu jedem Lebensalter gehört und der Mensch auch im Alter ein sexuelles Wesen bleibt. –– sexuelle Bedürfnisse sehr unterschiedlich sein können. –– sexuelle Wünsche und Bedürfnisse sich mit zunehmendem Alter verändern können. –– individuelle Wertvorstellungen das Sexualleben eines Menschen beeinflussen. –– Religion und Kultur mit ihren Moralvorstellungen das Sexualleben stark prägen. Verstehen und sich bewusst machen, dass –– Körperpflege mehr Nähe und Intimität bedeutet, als sie in mancher Partnerbeziehung besteht. –– für Gepflegte genauso wie für Pflegende das Thema Sexualität schambehaftet ist und selten darüber gesprochen wird. –– die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität für Pflegende wichtige Voraussetzung ist, um bei der Arbeit auf natürliche Weise mit dem Thema umzugehen. Im Arbeitsalltag –– das eigene Verhalten überprüfen und feststellen, wo Möglichkeiten bestehen, die Intimsphäre der Gepflegten noch intensiver zu bewahren. –– eigene Emotionen im Zusammenhang mit Pflegesituationen unter dem Aspekt der Sexualität betrachten. –– versuchen, sexuelle Wünsche und Bedürfnisse von Gepflegten bewusst wahrzunehmen und in der Pflegeplanung zu berücksichtigen. –– die strukturellen Möglichkeiten der Einrichtung erfassen, die für alte Menschen zum Leben von Zweisamkeit und Partnerschaft bestehen.

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Pflegeplanung

Privatheit

Sexualbegleitung | -assistenz

Ausdrucksformen

Wechseljahre

Männer - Frauen

Pflegebedürftigkeit

Veränderungen im Veränderungen imAlter Alter

Bedeutung & Funktion Funktion Bedeutung

Sexualität& & Gesellschaft Gesellschaft Sexualität

Partnerschaft &&Sexualität Partnerschaft Sexualität

Pflege & & Sexualität Sexualiät Pflege

Sexualität leben leben im Sexualität imPflegeheim Pflegeheim

Gegengeschlechtliche Pflege

Demenz

Emotionen

Nähe - Distanz

Sexualerziehung, Aufklärung

Religion & Weltanschauung

Sexuelle Revolution

Partnerschaft

Kommunikation

Beziehung

Lust

Fortpflanzung

Begriffe

Themenübersicht

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PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT

Bedeutung & Funktion Asexualiät ● Bedeutet fehlendes Verlangen nach sexuellen Aktivitäten.

Es ist nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Verzicht auf sexuelle Handlungen. Manchmal sprechen übergeordnete Gründe für sexuelle Aktivität trotz fehlenden Verlangens. Bisexualität ● Umfasst sexuelle Interessen und Aktivitäten von Erwachsenen, die sich auf Partnerinnen und Partner beiderlei Geschlechts richten. Erotik ● (gr. eros = Liebe, Liebesverlangen) „  Vieldeutige Bezeichnung für im weitesten Sinn als körperlich beziehungsweise psychisch erregend empfundene Formen von Sexualität, für körperliche und geistig-seelische Erscheinungsformen von Liebe sowie in kommerziellen Zusammenhängen zur Umschreibung von Angeboten sexueller Dienstleistungen (Prostitution). Erotik wird mitunter als soziokulturell ausgeformte Sexualität im Gegensatz zum triebhaft-affektiven Erleben aufgefasst und mit  „Liebeskunst“ […] geschlechtlichen Triebverhaltens gleichgesetzt. Als eine von historischen und kulturellen Normen geprägte Form zwischenmenschlicher Kommunikation unterliegt sie wechselnden Bewertungen und Ausdrucksformen mit unterschiedlichen Umsetzungen, z. B. in Sitten, Mode, Kunst, Musik oder Literatur; in den verschiedenen Kulturen und Epochen ändern sich die ihr beigelegten symbolischen, metaphorischen [bildhaften] oder künstlerischen Bedeutungen.“2 Fortpflanzung ● Im menschlichen Leben hat die Sexualität unterschiedliche Funktionen. Eine davon ist die Fortpflanzung. Sie ist wichtiges biologisches Prinzip, das in der Natur der Erhaltung der Art durch Erzeugen von Nachkommen dient. Menschliches Sexualverhalten ist jedoch nicht darauf beschränkt, sondern wird ebenso durch ► Lust gesteuert und hat außerdem eine ► soziale Funktion. Für Frauen ist die Dimension Fortpflanzung auf die Zeit zwischen Pubertät und Menopause beschränkt. Im Al-

2 Aus: Brockhaus Online-Enzyklopädie, https://brockhaus.de/ecs/enzy, letzte Abfrage 12.01.2019

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ter verliert der Aspekt der Fortpflanzung an Bedeutung, rückt zugunsten anderer Funktionen in den Hintergrund. Geschlechtsmerkmale ● Kennzeichnende Merkmale des männlichen oder weiblichen Geschlechts. Die Entwicklung beginnt in der Embryonalphase. Unterschieden werden ► primäre, ► sekundäre und ► tertiäre Geschlechtsmerkmale. Geschlechtsmerkmale, primär ● Sie sind genetisch-biologische Veranlagung und umfassen die angeborenen inneren und äußeren Fortpflanzungsorgane. –– Mann: Penis (Glied), Skrotum (Hodensack) = äußere; Hoden, Nebenhoden, Prostata … = innere. –– Frau: Vulva (Scham – Venushügel, Schamlippen, Klitoris) = äußere; Vagina (Scheide), Uterus (Gebärmutter), Tuba uterina (Eileiter), Ovrien (Eierstöcke) … = innere. Geschlechtsmerkmale, sekundär ● Merkmale, die sich in der Pubertät entwickeln und das geschlechtliche Erscheinungsbild vervollständigen. –– Mann: Bartwuchs und Körperbehaarung an Brust, Bauch, Rücken, Achseln, Schambereich, Stimmbruch, Hervortreten des Kehlkopfs (Adamsapfel). –– Frau: Brustwachstum, Scham- und Achselbehaarung, Menstruation sowie Körperentwicklung mit breiten Hüften, schmaler Taille, schmalen Schultern. Geschlechtsmerkmale, tertiär ● Umfasst die psychischen, soziokulturellen Merkmale, die sich im Verhalten äußern. Dabei gibt es große Unterschiede, abhängig vom jeweiligen Kulturkreis. Sie beinhalten auch Aspekte wie geschlechtsspezifische Berufswahl, Kleidung, Familienrolle usw., ► Gender.

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Heterosexualität ● (gr. héteros = anders, ungleich) Beschreibt eine sexuelle Orientierung, bei der das Interesse überwiegend auf andersgeschlechtliche Partnerinnen und Partner ausgerichtet ist. Homosexualität ● (gr. homos = gleich) Begriff für sexuelle Orientierung, bei der sexuelles Interesse überwiegend an Partnerinnen oder Partnern des eigenen Geschlechts besteht. Wurde diese Bezeichnung früher ausschließlich für Männer verwendet, so wird sie heute auch auf Frauen ausgedehnt (► Lesben). Die Einstellung heute alter Menschen ist teils davon geprägt, dass Homosexualität bei Männern in Deutschland früher strafbar war. Der §175 StGB wurde erst 1994 aufgehoben. Intersexualität ● Bedeutet das gleichzeitige körperliche Vorhandensein männlicher und weiblicher Geschlechtsmerkmale. Anders als bei der ► Transsexualität ist dabei eine eindeutige Geschlechtszuordnung nicht möglich. Nach einer Änderung des Personenstandsgesetzes ist seit 2019 für Menschen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können, im Geburtenregister der Eintrag  „divers“ möglich. Kommunikationsfunktion ● Mit der Geschlechtsreife entwickelt sich Sexualität zur intensivsten Form von Körpersprache. Sie ist eine der Urformen menschlichen Ausdrucks. Genau wie bei anderen Kommunikationskanälen kann es bei Botschaften zu Missverständnissen kommen. Abhängig von der Qualität der jeweiligen Beziehung kann z. B. eine Umarmung Nähe, innigen Kontakt, Leidenschaft, Gehalten-Sein und AngenommenSein vermitteln oder als Gewaltanwendung, Fesselung und Freiheitsberaubung empfunden werden. Lesben ● Auch  „Lesbierin“, Bezeichnung geht zurück auf die griechische Insel Lesbos und die Liebe zwischen dort in der Antike lebenden Frauen. Der Begriff meint Frauen, die gleichgeschlechtliche Sexualkontakte eingehen. ► Homosexualität.

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Libido ● (lat. = Begierde) Auf das Erleben von sexueller ► Lust gerichteter psychischer Antrieb. Dieser kann auf den eigenen Körper oder auf andere Personen und Gegenstände gerichtet sein. Lust ● Meint allgemein eine positive Gefühlsqualität, ein zeitlich begrenztes Gefühl von Glück, Freude, Genuss, Befriedigung. Beschreibt in der Sexualität das einzigartige sinnliche Erleben von Erregung und Orgasmus. Diese Qualität unterscheidet sie von anderen menschlichen Erlebnismöglichkeiten. Die Psychoanalyse beschreibt die sexuelle Lust (► Libido) als zentrale Energie des Unbewussten. Lustlosigkeit gilt als weit verbreitete sexuelle Funktionsstörung. Orgasmus ● Subjektiver Höhepunkt sexueller Lust, vielschichtiges körperliches und seelisches Geschehen mit anschließender, als angenehm empfundener Entspannung. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Beim Mann fast immer verbunden mit einem Samenerguss (Ejakulation) und erreichbar durch ausreichende Reizung. Bei Frauen ist der Orgasmus auch von emotionalen und situativen Bedingungen abhängig und wird oft erst nach vielen Jahren sexueller Aktivität erlebt. Sexualität ● „Das geschlechtliche Verhalten bei Menschen und Tieren, das auf die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse gerichtet ist. Während bei den Tieren die Sexualität dem Zweck der Fortpflanzung dient und oft an bestimmte Zeiten gebunden ist, ist sie beim Menschen weitgehend losgelöst von ihrer biologischen Funktion. Der Mensch verfügt in unterschiedlichem Maß über die Fähigkeit zur Kontrolle seines sexuellen Verhaltens, das bis zum Triebverzicht (Keuschheit) reichen, aber auch – in Form der Erotik – eine geistige Steigerung erfahren kann. Hierbei steht nicht die unmittelbare körperliche Bedürf-

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nisbefriedigung im Vordergrund, sondern die gefühlsmäßige: Begehren, Leidenschaft und Versagung, umfassende Bindung an den Partner.“3 Sexualität ist ein vielschichtiger Komplex, ein Zusammenwirken biologischer, psychologischer und soziologischer Faktoren. Sie alle sind bedeutsam für die unmittelbare, intime Begegnung mit Sexualpartnern. Die Sexualität schlechthin gibt es nicht, sondern unendlich viele, individuelle Formen, die sich im Lebenslauf immer wieder verändern. Sozialfunktion ● Die soziale oder Bindungsfunktion von Sexualität wird besonders im fortgeschrittenen Alter wichtig, wenn die ► Fortpflanzungsfunktion in den Hintergrund tritt. Der Mensch strebt nach Gemeinschaft, nach gemeinsamem Erleben und findet dies in ► Partnerschaften. Die mehr oder weniger langfristige Bindung an einen Menschen ist ein elementares Bedürfnis. Transsexualität ● Beschreibt bei eindeutiger biologischer Geschlechtszugehörigkeit das Gefühl der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht, verbunden mit dem Wunsch nach Geschlechtsumwandlung und Leben in der anderen Geschlechterrolle.

Sexualität & Gesellschaft Alterssexualität ● Dieser Begriff wird häufig benutzt, doch eigentlich gibt es diese gar nicht als speziellen Teilbereich der Sexualität. Die Vorstellungen von Sexualität im Alter sind vielfach mit Vorurteilen belegt. Dabei reichen die Gedanken von „  das gehört sich nicht“ bis  „zu alte Menschen haben gar kein Verlangen mehr danach“. Tatsächlich zeigt sich, dass sich ältere Menschen hinsichtlich ihres Sexuallebens genauso voneinander unterscheiden wie jüngere. Ob und in welcher Weise ältere Menschen sexuell interessiert und aktiv sind, das hängt von körperlichen, gesellschaftlichen und biografischen Faktoren ebenso ab wie vom ökologischen Umfeld. In einer selbstständigen Wohnsituation bei bestehender Partnerschaft ist sexuelle Aktivität einfacher zu praktizieren und verbreiteter als 3 Aus: Brockhaus Online-Jugendlexikon, https://brockhaus.de/ecs/julex, letzte Abfrage 12.01.2019

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zum Beispiel beim Leben als Single im Altenpflegeheim. Bei gutem Gesundheitszustand sind die Voraussetzungen besser als bei bestehender Multimorbidität. Tatsächlich gibt es Studien, die belegen, dass 60-jährige Paare sexuell aktiver sind als 30-jährige Singles.4 Aufklärung ● Sie stellt einen Teilbereich der ► Sexualerziehung dar und umfasst die Vermittlung von biologisch-medizinischen Fakten zu Bau und Funktion von Geschlechtsmerkmalen sowie zur Anwendung von Verhütungsmitteln. Bigamie ● Doppelehe, Eheschließung trotz einer bereits bestehenden Ehe. Dies ist nach deutschem Recht nicht erlaubt. Doppelmoral ● Meint eine Einstellung, bei der unterschiedliche Grundsätze gelten, zweierlei Maßstäbe angelegt werden. Solche Doppelmoral gestattet häufig Männern hinsichtlich Partnerschaft und Sexualität mehr als Frauen. Ehe ● Wird definiert als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, in Deutschland auch von der Rechtsordnung anerkannte Verbindung zweier Menschen. Über diese Form als rechtliche Institution gibt es ein christliches Verständnis von Ehe, die als Lebensbund vor der Kirche geschlossen wird. Die Bedeutung einer Ehe hängt stark von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Für heute hochaltrige Frauen, die oft keine Berufsausbildung haben, war die materielle Versorgung ein wesentlicher Aspekt einer Heirat. Mit veränderten Rollenbildern hat dieser Punkt heute an Bedeutung verloren. Gender ● (engl. = soziales Geschlecht, im Unterschied zu sex = biologisches Geschlecht) Bezeichnet die Geschlechtsidentität des Menschen als eine soziale Kategorie mit der Zuschreibung geschlechtsspezifischer Rollen und Verhaltensweisen –  „typisch männlich“ oder  „typisch weiblich“. 4 Vgl.Gunter Schmidt (*1938), Sexualforscher und Sozialpsychologe

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Gendersensible Pflege ● Auch als gendergerechte Pflege bezeichnet, meint dieser Begriff ein Pflegeverständnis, das die geschlechtsspezifischen, individuellen Prägungen in der Biografie alter Menschen berücksichtigt. Konkret bedeutet das bewussten Umgang mit Schamgefühl, Respekt vor einem Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Pflegekraft, das Bedürfnis, als Mann oder Frau mit den dazu assoziierten Eigenschaften wahrgenommen zu werden usw. Hochzeitsjubiläen ● Unter den heute alten Menschen hat ein großer Teil über viele Jahrzehnte in der gleichen Ehe gelebt. Solche langjährigen Lebenspartnerschaften prägen enorm. Das enge Zusammenleben lässt engste Beziehungen entstehen. So feiern viele hochaltrige Paare Hochzeitsjubiläen, teils mit Erneuerung des Eheversprechens vor der Kirchengemeinde. Beispiele: –– 25 Jahre – Silberne Hochzeit –– 50 Jahre – Goldene Hochzeit –– 60 Jahre – Diamantene Hochzeit –– 65 Jahre – Eiserne Hochzeit –– 70 Jahre – Gnadenhochzeit –– 75 Jahre – Kronjuwelenhochzeit. Im Zeitalter vielfältiger neuer Lebensformen mit oft kurzzeitigen Bindungen und wechselnden Partnerschaften in unterschiedlichen Lebensabschnitten ist es für Pflegende wichtig, sich die intensive Bindung klarzumachen, die in vielen Jahrzehnten zwischen Partnern entsteht. Nach dem Tod eines der beiden Partner bedeutet der Verlust einen entsprechend großen Einschnitt für den Überlebenden. Monogamie ● Zusammenleben mit nur einer Frau bzw. einem Mann in einer Zweierbeziehung. Partnerschaft ● Als Partnerschaft wird die Beziehung zweier Menschen beschrieben, die sich auf Zuneigung und Gemeinsamkeit in gemeinschaftlicher Lebensplanung begründet. Das bedeutet für die Partner u. a.

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–– Zärtlichkeit bekommen, –– Liebesbedürfnis befriedigen können, –– das Gefühl erfahren, geliebt zu werden, –– mit einem Menschen über alles reden können, –– Verständnis geben und finden, –– Vertrauen erfahren, –– mit allen Eigenarten und Angewohnheiten akzeptiert werden, –– Gemeinsamkeiten pflegen, –– zusammen Entscheidungen treffen können, –– Unterstützung finden bei Hilfsbedürftigkeit usw. Die Rechtsform kann unterschiedlich sein. So gab es in den Jahren zwischen 2001 bis 2017 die so genannte eingetragene Partnerschaft als rechtlich anerkannte und institutionalisierte Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnerinnen oder Partnern. Diese Form entfällt, nachdem seit 2017 laut Bürgerlichem Gesetzbuch eine ► Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts geschlossen werden kann. Neue Eheschließungen im Alter sind eher selten. Viele ältere Paare nutzen die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenlebens in eheähnlichen Gemeinschaften. Viele in Partnerschaft lebende alte Menschen sind noch regelmäßig sexuell aktiv. Partnerschaft, neu ● Neue Partnerschaften, insbesondere nach dem Tod des früheren Partners, brauchen hohe Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit bei den Beteiligten. Außerdem gilt es häufig, den eigenen Anspruch an (eheliche) Treue über den Tod hinaus zu überwinden. Reaktionen aus dem sozialen Umfeld, besonders von erwachsenen Kindern, sind oft eine zu überwindende Hürde. Partnersuche ● Nach dem Tod des Partners oder nach einer Scheidung im fortgeschrittenen Alter suchen manche Betroffenen eine neue Partnerschaft – in der realen oder immer häufiger auch in der virtuellen Welt. Der

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Aufbau neuer Kontakte, und damit das Kennenlernen möglicher Partner, gestaltet sich mit zunehmender Einschränkung der Mobilität oft schwierig. Die Chancen älterer Frauen bei der Partnersuche stehen schlecht. Die Wiederverheiratungschance ist erheblich kleiner als die von Männern, und dasselbe gilt für nichteheliche Partnerschaften. Männermangel, die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Schönheitsideale und Zurückhaltung bei der Kontaktaufnahme sind nur einige Begründungszusammenhänge. Partnerverlust ● Erfolgt durch Tod, Trennung oder zunehmend auch im Alter durch Scheidung. Der übrig gebliebene Partner bleibt häufig allein. Alleinstehende im Alter sind in der Überzahl Frauen. Viele Alleinstehende wünschen sich eine neue Partnerschaft. Dabei geht es um Nähe, Geborgenheit, Gesprächspartner finden bis hin zum Sexualpartner. Polygamie ● Viel- oder Mehrehe, gleichzeitiges Zusammenleben und geschlechtlicher Verkehr mit mehreren Partnern. In westlichen Kulturen wird sie nicht mehr praktiziert oder ist teils verboten. Auch die meisten Religionen fordern heute die Monogamie. Ausnahme ist der Islam, der den Muslimen erlaubt, bis zu vier Frauen zu heiraten, sie dabei jedoch verpflichtet, jede einzelne zu versorgen, ihr einen Hausstand einzurichten und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Umgekehrt besitzen Frauen im Islam nicht das Recht, mit mehreren Partnern zusammenzuleben. Religion ● Fast alle Religionen versuchen die Sexualität ihrer Gläubigen zu regeln. Sie prägen Moral und Wertvorstellungen und nehmen Einfluss darauf, was eine Gesellschaft als normal, als akzeptabel oder verboten betrachtet. ► Monogamie, ► Bigamie oder ► Polygamie sind dabei nur Einzelaspekte. Die Religionen legen auch fest, was im Zusammenleben welchem Geschlecht vorgeschrieben oder erlaubt ist, was von Frauen und was von Männern erwartet wird und welchem Zweck die Sexualität dient. Jeder Mensch hat das Recht, entsprechend seiner Weltanschauung und Kultur zu leben. Das gilt auch bei Pflegebedürftigkeit. Daher ist es eine wichtige Aufgabe von Pflegenden, im Rahmen von Biografiearbeit

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die sexuelle Sozialisation in Erfahrung zu bringen und entsprechend zu berücksichtigen. Scheidung ● Ein Eheversprechen im Sinn lebenslanger Treue war für heute hochaltrige Menschen sehr viel häufiger bindend, als das aktuell der Fall ist. Trennung und Scheidung galten als gesellschaftlich nicht akzeptabel. Insbesondere für Frauen wurde es einst als Makel empfunden, geschieden zu sein. So hielten viele Frauen auch dann an einer Ehe fest, wenn sie nicht mehr den eigenen Wünschen und Vorstellungen vom Zusammenleben entsprach. Außerdem hinderte vielfach wirtschaftliche Abhängigkeit Frauen daran, sich aus einer Ehe zu lösen. Sexualerziehung ● Sie beginnt im Umgang der Eltern oder Bezugspersonen mit dem Neugeborenen und Kleinkind und schafft wichtige Voraussetzungen dafür, welche Einstellung das Kind zum eigenen Körper und zur eigenen Sexualität entwickelt. Dazu gehören neben der ► Aufklärung altersgemäße Informationen über Geschlechtsverkehr, Empfängnisverhütung, partnerschaftlichen Umgang, Verantwortung usw. Sexualerziehung gehört heute selbstverständlich zu den Inhalten von Schulunterricht und familiärer Prägung. Für die heute alten Generationen war Sexualität dagegen ein Tabu, das meist weder in der Schule noch in der Familie angesprochen wurde. So gingen viele junge Menschen mehr oder weniger unaufgeklärt oder mit falschen Vorstellungen ins Erwachsenenleben. Sexuelle Revolution ● Unter diesem Begriff wird der historische Wandel von Sexualmoral verstanden. Dabei geht es um Enttabuisierung sexueller Themen, um zunehmende Toleranz gegenüber sexuellen Bedürfnissen der Geschlechter, um Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen usw. Große Veränderungen gab es in dieser Hinsicht vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Antibabypille, in Deutschland seit 1961 auf dem Markt, brachte für Frauen die Möglichkeit angstfreier sexueller Aktivitäten und schützte gleichzeitig Männer vor ungewollten Verpflichtungen. Die 1968er-Studentenbewegung propagierte sexuelle Befreiung,

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auch in den Medien. Und in den 1970er-Jahren forderte die Frauenbewegung Gleichberechtigung, auch mit dem Recht auf lesbische Liebesbeziehungen und männerlosen Lebensstil. Zuvor hatten in den 1950er-Jahren Oswalt Kolle5 mit seinen Filmen über sexuelle ► Aufklärung und der so genannte Kinsey-Report6, zwei Bücher über menschliches Sexualverhalten, bereits Grundsteine für gesellschaftliches Umdenken gelegt. Tabu ● Sexualität im Alter ist quasi ein doppeltes Tabu. Ist Sexualität an sich schon ein Thema, das anzusprechen vielen Menschen nicht leichtfällt, so ist das in Verbindung mit Senioren und Hochaltrigen noch mal schwieriger. Die Vorstellungen von Sexualität im Alter sind vielfach mit Vorurteilen belegt. Dabei reichen die Gedanken von  „Das gehört sich nicht“ bis zu  „Alte Menschen haben gar kein Verlangen mehr danach“. Tatsächlich zeigt sich, dass sich ältere Menschen hinsichtlich ihres Sexuallebens genauso voneinander unterscheiden wie jüngere. Ob und in welcher Weise ältere Menschen sexuell interessiert und aktiv sind, das hängt von körperlichen, gesellschaftlichen und biografischen Faktoren ebenso ab wie vom ökologischen Umfeld. In einer selbstständigen Wohnsituation bei bestehender Partnerschaft ist sexuelle Aktivität einfacher zu praktizieren und verbreiteter als z. B. beim Leben als Single im Altenpflegeheim. Bei gutem Gesundheitszustand sind die Voraussetzungen besser als bei bestehender Multimorbidität.

Veränderungen im Alter Ausdrucksformen ● Sexualität verändert mit zunehmendem Alter ihre Ausdrucksformen. Der Geschlechtsakt tritt in seiner Bedeutung im Alter oft in den Hintergrund zu Gunsten anderer Aspekte wie Nähe, Wärme, Berührung, Streicheln, Wohlfühlen, Hingabe, Genuss, Sinnlichkeit, Intimität, Glück, Vertrauen, Zärtlichkeit, Liebe usw.

5 Oswalt KOLLE (1928-2010), deutschstämmiger Journalist, Autor und Filmproduzent in den Niederlanden 6 Alfred Charles KINSEY (1894-1956), US-amerikanischer Sexualforscher und Hochschullehrer

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Wichtig ist, dass beide Partner sich auf die Veränderungen einstellen, selbstbewusst zu ihrem Alter und den damit verbundenen Veränderungen stehen und andere Möglichkeiten in ihrer Partnerschaft finden. Bedürfnis ● Sexualität gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. So bleibt das Verlangen nach Körperlichkeit, Nähe, Zärtlichkeit, intimen Berührungen usw. bis ins hohe Alter hinein erhalten. Die Intensität ist individuell verschieden. Begehren ● Sexuelles Begehren bedeutet heftiges Verlangen – psychisch oder physisch. Es wird meist durch äußere Reize ausgelöst, die von realen Menschen ausgehen können, aber auch von Bildern oder Filmen. Begehren beinhaltet eine psychische Dimension, den dringenden Wunsch nach etwas. Häufig auch als Begierde bezeichnet, dann meist mit einem Schwerpunkt auf dem körperlichen Verlangen. Sexuelles Begehren und Erlebnisfähigkeit bleiben grundsätzlich bis ins hohe Alter erhalten. Die Intensität hängt stark mit dem Liebesleben in früheren Lebensphasen zusammen und muss im Alter nicht zwangsläufig nachlassen. Erregung ● Dabei kommt es zur intensiveren Durchblutung und zur Erweiterung von Blutgefäßen. Der Penis erigiert, die Klitoris schwillt an, Blut und andere Körperflüssigkeiten sammeln sich in den Sexualorganen. Erregbarkeit und Erregungsabläufe bleiben grundsätzlich bis ins hohe Alter funktionsfähig, sofern die Voraussetzung physischer Gesundheit gegeben ist. Das System wird jedoch insgesamt fragiler und störanfälliger. Es tritt eine Verlangsamung von Funktionen ein. Frau, Veränderungen ● Körperlich gibt es bei der Frau vor allen Dingen folgende Veränderungen im Alter: –– Verzögerung oder Verlust der Produktionsfähigkeit der Gleitsubstanz, dies hat nichts mit der Erregung zu tun, sondern ist normal und physiologisch bedingt.

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–– Längere Zeitdauer bis zum Orgasmus. –– Kürzeres Orgasmus-Erleben im Vergleich zu früher. Mann, Veränderungen ● Körperlich sind beim Mann mit zunehmendem Alter vor allem die folgenden Veränderungen zu beobachten: –– Längere Zeitdauer bis zur Erektion, oft Stimulierung notwendig. –– Erektion oft nicht mehr so intensiv. –– Menge des Ejakulats verringert sich. –– Die Refraktärzeit, d. h. die Zeit, in der keine neue Stimulation möglich ist, verlängert sich stark, kann Stunden oder Tage dauern. Masturbation ● Sexuelle Handlungen zur ► Selbstbefriedigung durch manuelle Stimulation von Geschlechtsorganen und erogenen Zonen des eigenen Körpers. Dabei können auch Gegenstände eingesetzt werden. Es handelt sich um eine Form der Autosexualität, doch kann Masturbation auch durch andere Personen ausgeführt werden, z. B. in der ► Sexualassistenz/Sexualbegleitung. Im Alter, wenn kein Partner bzw. keine Partnerin vorhanden ist, ist Masturbation oft die einzige Möglichkeit, um sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Pflegebedürftigkeit ● Bestehende Pflegebedürftigkeit beeinflusst das Ausleben von Sexualität. Die gesundheitliche Verfassung ist entscheidend dafür, in welcher Form sexueller Aktivität möglich ist. Erkrankungen, Wirkungen von Medikamenten, räumliche und soziale Umgebung etc. spielen dabei eine wesentliche Rolle. So können z. B. Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, aber auch seelische Störungen das Sexualleben beeinträchtigen. Das Bedürfnis nach emotionaler und körperlicher Nähe bleibt erhalten. Im Rahmen der individuellen Lebenssituation gilt es Möglichkeiten zu finden, wie dem Recht auf selbstbestimmte Sexualität entsprochen werden kann.

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Selbstbefriedigung ● ► Masturbation. Wechseljahre ● Der Mythos nachlassender Lust und sexueller Funktionsfähigkeit mit den Wechseljahren hält sich hartnäckig. Tatsächlich haben die Wechseljahre zwar oft unangenehme Begleiterscheinungen, sind aber keineswegs mit dem Verlust sexueller Bedürfnisse verknüpft. Wechseljahre, Frauen ● Beschreiben den Übergang vom Fortpflanzungsalter in die hormonale Ruhe der Eierstöcke. Diese Zeit beginnt durchschnittlich um das 50. Lebensjahr herum und bedeutet eine große körperliche und seelische Umstellung für Frauen. Sie geht einher mit Ausbleiben der Regelblutung (Menopause), Hitzewallungen, Schlafstörungen, Depressionen, Scheidentrockenheit usw. Frauen definieren sich stark über ihren ganzen Körper. Darin wird zum Teil der Grund gesehen, dass sie das Älterwerden ihres Körpers nur schwer verkraften, während Männer meist eher mit den Alternserscheinungen zurechtkommen. Frauen verbinden so oft selbst gedanklich das Enden der Menstruation und die hormonellen Veränderungen im Körper mit nachlassender Sexualität. Hinzu kommt, dass Frauen gerade in diesem Alter oft fürchten, für Männer unattraktiv zu sein. Wechseljahre, Männer ● Wechseljahre sind bei Männern ein Tabuthema. Anzeichen sind z. B. Sexualprobleme, Stimmungsschwankungen oder Kraft- und Lustlosigkeit. Viele Männer scheuen sich, ihre Probleme mit der Partnerin oder dem Arzt zu besprechen. Männer erleben ihre Krise oft schon in früheren Jahren als Frauen. Sie definieren häufig ihre sich verändernde Potenz als Impotenz. Der älter werdende Mann unterliegt dem Mythos, dass ein  „richtiger Mann“ immer  „kann“. Deshalb setzen sich manche Männer unter Druck, und schon die Angst vor vermeintlichem Versagen führt vielfach zum Abwenden von der gewohnten Partnerin und zu neuem Flirtverhalten gegenüber jüngeren Frauen.

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Sexualität leben im Pflegeheim Atmosphäre ● Das Ambiente spielt eine wesentliche Rolle für die Stim-

mung. Gefühle von Zweisamkeit, Nähe, Intimität kommen bei Kerzenschein und dezenter Musik in gemütlichen Möbeln leichter auf als bei Neonbeleuchtung und Stahlrohrmöbeln. Bietet ein Pflegeheim gemütliche Ecken und die Möglichkeit, das eigene Zimmer heimelig zu gestalten, können Partner ihre Gefühle auf angenehme Weise ausleben. Liebeszimmer ● Die Idee so genannter Liebeszimmer aus den 1980erJahren war nie eine ernst zu nehmende Lösung. Sie sollten damals Raum für Rückzug und Ungestörtheit bieten. Tatsächlich jedoch sorgten sie eher für Peinlichkeit und Getuschel. Sie entsprechen in keiner Weise einer Lösung, die die Menschenwürde respektiert. Pflegeplanung ● In der Pflegeplanung und -dokumentation wird das Thema Sexualität oft sehr knapp und unzureichend berücksichtigt, beschränkt sich häufig auf Äußerlichkeiten wie Kleidung usw. Offene Kommunikation zwischen Pflegenden und Gepflegten ist bei diesem schambesetzten Thema für beide Seiten wichtig. Wer mit den ABEDL® nach Monika Krohwinkel arbeitet, wird sich unter der ABEDL® 10  „Seine Sexualität leben“ bzw.  „Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten“ mit den Fragen beschäftigen, also eine klare Zuordnung finden und diese möglichst mit konkreten und individuellen Inhalten füllen. Eine weitere Möglichkeit, zusammen mit einem Bewohner auf das Thema zu kommen, bietet außerdem die ABEDL® 6 „  Ausscheiden“ im Zusammenhang mit Intimpflege. Hat eine Einrichtung ihr System umgestellt auf das Strukturmodell und damit auf die Erhebung von Bedürfnissen und die Einschätzung der Pflegefachkraft mit der  „Strukturierten Informationssammlung (SIS)“, so wird Sexualität dort nicht ausdrücklich als Begriff angesprochen. Das Thema lässt sich in Modul 5 „  Leben in sozialen Beziehungen“ unterbringen. Das bedarf jedoch einer hausinternen Festlegung, dass dort z. B. Erfahrungen und Wünsche in Liebesbeziehungen und Partnerschaften ebenso wie erotische Bedürfnisse angesprochen werden.

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In welchem Modul auch immer die Verbindung hergestellt wird – entscheidend ist, das Thema Sexualität nicht einfach auszusparen, nur weil es nicht als Begriff erwähnt ist. Privatheit ● Bezeichnet im Gegensatz zur Öffentlichkeit einen Bereich, der dem Individuum völlige Selbstgestaltung in jeder Hinsicht ermöglicht. Es ist ein sanktionsfreier Raum. Der Schutz der Privatheit gehört zur Menschenwürde. Er kann sich auf Räumlichkeiten wie die Wohnung oder das Bewohnerzimmer beziehen, aber auch auf Gegenstände wie das Pflegebett, den Nachtschrank, ein Tagebuch usw. Sexualität und Partnerschaft gehören zu den Lebensbereichen, die Menschen gewöhnlich nicht der Umwelt offenlegen, sondern privat bleiben. Beim Leben in einer Gemeinschaft, also auch im Pflegeheim, ist es wichtig, jedem Einzelnen genügend Raum für Privatheit zu lassen. Das gilt auch, wenn alte Menschen bei ihren erwachsenen Kindern leben. Rückzugsmöglichkeiten ● Bewohner stationärer Einrichtungen brauchen die Chance, sich bei Bedarf zurückzuziehen und intime Situationen ohne Störung erleben zu können. Seitdem Mehrbettzimmer immer seltener werden, ist das eigene Zimmer solch ein Ort, der Rückzugsmöglichkeiten bietet. Das gilt jedoch nur, wenn Zimmertüren bei Bedarf geschlossen werden und das Personal nach dem Anklopfen tatsächlich auf die Erlaubnis zum Betreten wartet. Sexualassistenz ● Der Begriff umfasst Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen bei der Gestaltung ihres Sexuallebens. Es wird unterschieden zwischen aktiver und passiver Form. Häufig synonym verwendet mit ► Sexualbegleitung. Sexualassistenz, aktiv ● Dabei geht es um eine bezahlte Dienstleistung für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen. Sie beinhaltet den Austausch von Zärtlichkeiten und körperliche Nähe und Berührung, auch in Nacktheit. Wer die Leistung anbietet, legt fest, was konkret erlaubt ist. In der Regel sind Oral- und Geschlechtsver-

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kehr ausgeschlossen. Die Leistung ist nicht über Kranken- oder Pflegekassen abrechenbar. Sexualassistenz, passiv ● Unter dieser Bezeichnung wird das Bemühen verstanden, ein förderliches Ambiente zum selbstbestimmten Ausleben von Sexualität zu schaffen und für entsprechende Voraussetzungen zu sorgen. Dazu kann gehören –– Besuche und Kontakte ermöglichen. –– ungestörte Zeiten absprechen. –– Zeitschriften oder Filme besorgen. –– professionelle Sexualbegleitung organisieren usw. Sexualbegleitung ● Häufig synonym verwendet mit aktiver ► Sexualassistenz. Beschreibt erotische Begegnungen zwischen Sexualbegleiter oder -begleiterin und Kunden für eine begrenzte, bezahlte Zeit.

Pflege & Sexualität Demenz ● Sexualität gehört zum Leben – auch für Menschen mit Demenz. Dabei geht es nicht nur um sexuelle Handlungen wie Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung, sondern auch um Zärtlichkeit, Zuneigung, Vertrauen, Liebe. Das Bedürfnis danach bleibt auch bei Demenz erhalten, in der Art abhängig von früheren Prägungen und Erfahrungen. Ist bei Menschen ohne Demenz das Gehirn quasi das Kontrollzentrum für Gefühlsausdruck und Verhalten, so kann bei demenziell veränderter Persönlichkeit diese Instanz ausfallen, so dass die Regeln gesellschaftlich akzeptierten Sexualverhaltens nicht eingehalten werden. Eine Unterscheidung zwischen Privatsphäre und öffentlichem Raum ist vielfach nicht mehr möglich. Bei Betroffenen kann es zu sexuellen Fantasien, enthemmtem Verhalten und impulsiven Reaktionen kommen. Das Bewusstsein, dass sie andere Menschen mit ihrem Verhalten verletzen oder ihnen zu nahetreten könnten, fehlt. So kann es vorkommen, dass sie eine ihnen attraktiv erscheinende Person unangemessen ansprechen oder berühren. Außerdem kann es in der Vorstellung von Menschen mit Demenz gesche-

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hen, dass sie sich gerade gedanklich in der Vergangenheit befinden und so eine Pflegekraft mit dem eigenen Sexualpartner von früher verwechseln. Gelegentlich kommt es zu Missverständnissen, weil ein Mensch mit Demenz Äußerungen oder Verhalten anders auffasst, als sie gemeint sind. Aufgund der Demenz werden Ironie oder Symbole nicht verstanden, sondern konkret und wörtlich genommen. Vorwürfe oder Tabuisierung nützen in unangenehmen Situationen kaum. Die Suche danach, was die betreffende Person antreibt, intensive Biografiearbeit und klares, ruhiges Verhalten seitens der Pflegeperson sind eher zielführend. Emotionen ● Sexualität lebt von Gefühlen. In vielen alltäglichen Pflegesituationen schwingt ein Stück Sexualität mit. Da treffen Menschen – und damit sexuelle Wesen – aufeinander. Je geringer die verbliebene Selbstständigkeit, desto tiefer sind die Eingriffe in die Intimsphäre. Solche Situationen erfordern einen von gegenseitiger Akzeptanz geprägten Umgang miteinander. Besonders die ► gegengeschlechtliche Pflege wird oft zum Prüfstein für beide Seiten. Außerdem sind häufig junge Pflegerinnen zu Beginn ihrer Tätigkeit ratlos und verhalten sich nicht eindeutig, wenn sie mit Situationen konfrontiert sind, denen sie sich noch nicht gewachsen fühlen. Emotionen, Gepflegte ● Auf der Seite der Gepflegten sind vielfältige Gefühle im Spiel, insbesondere wenn es um Intimpflege geht, aber auch in nicht körperbezogenen Alltagssituationen. Unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse können auf Pflegende projiziert werden, wenn keine geeigneten Sexualpartner vorhanden sind. So schwingen häufig Zuneigung, Verlangen, Lust, Sehnsucht und Begehren in Pflegesituationen mit. Der Umgang miteinander kann bei der Pflege aber auch geprägt sein von Peinlichkeit, Scham oder Angst (z. B. aufgrund von traumatischen Erlebnissen). Wichtig ist, die Gefühle zu thematisieren und Lösungen für einen harmonischen Umgang zu finden, der für beide Seiten akzeptabel ist. Emotionen, Pflegende ● Die Körperpflege, besonders die Intimpflege, aber auch manche andere Situation, ist für Pflegende genauso wie für Gepflegte mit Gefühlen behaftet. Bei der Pflege treffen meist Generationen

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aufeinander, die sich im gewöhnlichen Alltag kaum in einer intimen Situation begegnen würden – zu groß sind die Altersunterschiede. Entsprechend befangen kann die Haltung der Beteiligten sein. Je größer der Unterstützungsbedarf der gepflegten Person, desto weniger sind für Pflegekräfte erotische Wünsche vorstellbar. So sind Gefühle wie Hilf- und Ratlosigkeit manchmal vorhanden, ebenso wie Peinlichkeit und Scham, wenn Bedürfnisse gezeigt oder geäußert werden. Auch Ekel, Abscheu oder moralische Einwände und Empörung begleiten manchen Körperkontakt. Ist die Beziehung von Vertrauen geprägt, lassen sich Gefühle ansprechen. Geht die Pflegekraft empathisch auf den alten Menschen ein, erkennt dessen Bedürfnisse und äußert ihre eigenen Gefühle, lassen sich die meisten Situationen lösen. Fortbildung ● Um den Anforderungen im Zusammenhang mit Sexualität in der Pflege gerecht zu werden, bedarf es personaler Kompetenzen. Ein klares Rollenselbstbild, kommunikative Fähigkeiten und Empathie sind erforderlich. Außerdem gilt es, Wissen über das Thema und über strukturelle Anforderungen und Möglichkeiten in diesem Zusammenhang regelmäßig zu aktualisieren. Regelmäßige Fortbildung hilft, einen angemessenen Umgang mit Sexualität in der Pflege zu entwickeln und zu reflektieren. Gegengeschlechtliche Pflege ● Besonders in der Konstellation junge Frau – alter Mann wird die gegengeschlechtliche Pflege zur Herausforderung. Das angeblich vergleichsweise größere sexuelle Interesse alter Männer, die Tatsache, dass Männer der heute hochaltrigen Generationen in unserem Kulturkreis hinsichtlich der Sexualität meist den aktiveren Part zu spielen gelernt haben, können zum Problem werden. Die Pflegekraft wird bei dieser Konstellation mit sexuellen Regungen unmittelbarer konfrontiert als in der umgekehrten. Außerdem stellen sexuelle Anspielungen und Übergriffe die Pflegerinnen oft auf eine harte Bewährungsprobe. Die umgekehrte Konstellation junger Altenpfleger – alte Frau wird ebenfalls als problembehaftet beschrieben, jedoch meist mit anderen Vorzeichen. Hier sind es vor allen Dingen die alten Frauen, die die Situation der Intimpflege als besonders schwierig und belastend empfinden.

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Sexuelle Regungen der alten Frauen sind für die männlichen Pfleger anscheinend leichter abwehrbar. Vermutet wird hier die traditionell eher passive Rolle der Frau in der Sexualität. Gleichzeitig gibt es eine Reihe alter Frauen, die gern von jungen Männern gepflegt werden. Sie leben auf, genießen es, als Frau wahrgenommen zu werden. Grundhaltung ● Die Einstellung, die Grundhaltung des Personals ist im Zusammenhang mit Sexualität von enormer Bedeutung. Um offen mit dem Thema umzugehen, Bedürfnisse und Wünsche mit alten Menschen besprechen, intimen Situationen entspannt zu begegnen und mit herausforderndem Verhalten gelassen zurechtzukommen, braucht es eine klare Haltung. Dazu muss sich jede Pflegekraft mit sich selbst und ihrer Einstellung zur Sexualität kritisch auseinandersetzen. Es gilt die eigene, individuelle Position zu finden, z. B. zu Fragen von Autosexualität, Sexualassistenz usw. Intimsphäre ● Wer pflegebedürftig ist, muss Berührungen durch Menschen in Kauf nehmen, mit denen er unter anderen Umständen auf Grund von Alter, Geschlecht, kulturellem Hintergrund usw. nie in Körperkontakt käme. Das bedeutet einen enormen Einschnitt in die Alltagsgestaltung und die Selbstbestimmung, heißt Abhängigkeit und Ohnmacht. Häufig bleibt dieses Thema unbesprochen. Dagegen nimmt ein offenes Ansprechen die Peinlichkeit – auf beiden Seiten der Pflegebeziehung. Pflegende sollten immer die Würde der Betroffenen im Auge haben und so viel Schutz der Intimsphäre wie möglich bei pflegerischen Handlungen walten lassen. Das bedeutet nicht nur, selbstverständlich auf Erlaubnis zu warten beim Überschreiten von räumlichen oder körperlichen Grenzen, sondern auch auf sorgfältiges Abdecken bei der Körperpflege zu achten und Menschen auf keinen Fall in unangenehmen Situationen oder teilweise unbekleidet fremden Blicken preiszugeben. Auch einfühlsamer Umgang mit Sprache kann beim Schutz der Intimsphäre helfen. Nähe – Distanz ● Pflege ist ein Berührungsberuf und Pflegende müssen bei ihrer Arbeit immer wieder intime Körpergrenzen überschreiten.

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PARTNERSCHAFT & SEXUALITÄT

Damit es bei dieser Gratwanderung respektvoll und konfliktarm zugeht, ist ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz in der Beziehung zwischen pflegender und gepflegter Person wichtig. Werden persönliche Grenzen auf beiden Seiten angesprochen, geklärt und eingehalten, kann es weitgehend spannungsfrei und harmonisch zugehen. Pflegekraft, Schutz ● Eine Pflegekraft hat das Recht auf Schutz ihrer eigenen Intimsphäre. Was zulässig ist und was die eigenen Grenzen überschreitet, muss jede Pflegekraft für sich definieren. Treten Konflikte auf, ist es wichtig diese bewusst anzugehen und aktiv zu bewältigen. Dafür gibt es keine Patentlösungen und keine allgemein gültigen Regeln. Oft aber ist eine Lösung zu finden in –– dem Reflektieren eigenen Verhaltens und Beziehen einer eindeutigen Position, klarer Kommunikation von persönlichen Grenzen. –– einem klärenden Gespräch mit dem Bewohner. –– einem Gespräch mit Kollegen oder dem gesamten Pflegeteam. –– dem Mitnehmen einer zweiten Pflegeperson zu bestimmten Tätigkeiten. –– dem (vorübergehenden) Wechsel der Aufgabenverteilung, d. h. ein Kollege übernimmt die Pflege der betreffenden Person, mit der sich der Konflikt ergeben hat oder einen Teil davon. –– strukturelle Veränderungen seitens des Einrichtungsträgers, z. B. spezielles Assessment zur Erfassung sexueller Bedürfnisse von Bewohnern und konkrete Pflegeplanung in diesem Bereich. –– Einsatz von Sexualassistenz.

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Gerontologie – das Altern verstehen

WOHNEN Wohlfühlen in individueller Atmosphäre „Ich lebe auf dem Land, ... in der Stadt, ... in einer Zweizimmerwohnung ... im eigenen Haus, ... mit meiner Familie, ... allein ...“ So drücken sich Menschen meist aus, wenn sie zu ihrer Wohnsituation befragt werden. Wohnen ist Leben ... oder zumindest ein großer Teil davon. An unserem Sprachgebrauch wird sichtbar, welche große Bedeutung das Wohnen für uns Menschen hat, wird es doch oft mit Leben gleichgesetzt. Jeder wohnt irgendwie, oft ohne sich viel Gedanken darüber zu machen. Und doch ist das Wohnen ein wichtiger Teil von uns. Eine große Mehrheit wünscht sich, in der vertrauten Häuslichkeit alt zu werden, das bestätigen immer wieder zahlreiche Untersuchungen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig gibt es eine kleine, aber wachsende Gruppe von Senioren, die bereit ist, im Alter noch einmal umzuziehen. Sie suchen Gemeinschaft und ein gewisses Maß an Sicherheit, wollen dabei jedoch möglichst selbstständig und selbstbestimmt leben. Das Wohnen in Institutionen wie Alten- und Pflegeheimen verliert beständig an Akzeptanz und wird meist erst dann angenommen, wenn bereits ein erhöhtes Maß an Unterstützung und Pflege nötig ist. Das deckt sich mit dem politischen Ziel  „ambulant vor stationär“, dem auch finanzielle Überlegungen zugrunde liegen. Nachfolgende Generationen stellen andere Ansprüche an ihre Wohnsituation als die heute Hochaltrigen. Andere Wertvorstellungen, ein anderer Lebensstil und höhere Wohnstandards bedeuten Herausforderungen für künftige Gestaltung altersgerechter Wohnangebote durch Politik und Gesellschaft.

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WOHNEN

Lernziele Wissen, –– welche Funktionen Wohnraum erfüllt. –– was lebensbegleitendes Wohnen ausmacht. –– welche Wohnmöglichkeiten für Menschen im Alter bestehen. –– welche Faktoren bei der Entscheidung für eine Wohnform ausschlaggebend sind. –– dass Wohnraumanpassung oft den Verbleib in vertrauter Umgebung ermöglicht. Verstehen und sich bewusst machen, dass –– sich Wohnbedürfnisse im Lebenslauf verändern. –– Wohnraum viel mehr ist als nur ein Dach über dem Kopf. –– passend gestaltete Wohnumgebung erheblich zur Selbstständigkeit im Alter beiträgt. –– Wohnen auch ein politisches Thema ist. –– der reduzierte Wohnraum im Pflegeheim eine sehr bewusste Gestaltung erfordert. –– der Einzug in ein Pflegeheim ein bedeutender Einschnitt im Leben eines Menschen ist. Im Arbeitsalltag –– die Gestaltung von Wohnbereichen bewusst wahrnehmen. –– Zimmereinrichtungen in der stationären Pflege mit den Persönlichkeiten ihrer Bewohner in Verbindung bringen. –– in der ambulanten Pflege Wohnungen von Kunden hinsichtlich ihrer Funktionalität und Gestaltung betrachten. –– den Einzug und das Einleben neuer Bewohner ins Pflegeheim gezielt begleiten.

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Wohnungspolitik Wohnungspolitik

Normalwohnung

Betreutes- | Service-Wohnen

Mehr-Generationen-Häuser

Wohngemeinschaften

Wohnen für Hilfe

Regionale Besonderheiten

Wohnformen Wohnformen

Stationäre Pflege Pflege Stationäre

Beispiele anderer Länder

Einrichtungsarten

Atmosphäre schaffen

Erfolgreich einleben

Gewinn- und Verlusterfahrungen

Pilot-Projekte u. Förderprogramme

Forschungsthemen

Vorschriften und Gesetze

Wohnen Wohnen

Lebensbegleitend Wohnen Wohnen Lebensbegleitend

Wohnbiografie Wohnbiografie

Erinnerungsraum

Aktionsraum

Schutz- und Privatraum

Rund-um-die-Uhr-Pflege

Soziale Netzwerke

Wohnberatung

Wohntechnik

Wohnraumanpassung

Barrierearten

Quartierskonzepte

Kriterien für Wohn-Entscheidungen

Veränderungen im Lebenslauf

Zeitgeschichte

Individuelle Erfahrungen

Funktionenvon von Wohnraum Wohnraum Funktionen

Beziehungsraum

Zusammenleben

Themenübersicht

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WOHNEN

Funktionen von Wohnraum Aktionsraum ● In der eigenen Wohnumgebung verbringt der alte

Mensch den größten Teil des Tages. Aktiv sein oder entspannen, sich von der Umgebung zu Tätigkeiten inspirieren lassen, einer eigenen Tagesstruktur folgen, von hier aus starten zu Unternehmungen oder die Wohnung zu einem Treffpunkt machen, Möbel einräumen, umräumen, nach Belieben gestalten – in der eigenen Wohnung ist ihr Besitzer die bestimmende Person. Kann die in einer Wohnung lebende Person alles Notwendige im Alltag selbst regeln und bewältigen, gibt ihr das Selbstständigkeit und Kompetenz. Bedeutung ● Wohnen gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Die eigene Wohnung ist Lebensmittelpunkt, zentraler Ort. Das gilt für alle Generationen. Doch im Alter gewinnt dieser Ort stark an Bedeutung, denn mehr als die Hälfte der Seniorinnen und Senioren halten sich mindestens 20 Stunden pro Tag dort auf. Beziehungsraum ● Eine Wohnung bedeutet nicht nur einfach vier Wände. Sie ist ein Zuhause, umschlossen von einem Netz aus Beziehungen. Die Qualität der Beziehungen ist unterschiedlich, aber der Mensch ist umgeben von Vertrautem – von Nachbarn und Bekannten, Handwerkern und Ärzten, Geschäften, Kirche, Theater und vielem anderem mehr. Diese Vertrautheit gibt gerade im Alter wichtigen Halt. Der Wohnraum bestimmt zu einem guten Teil die Gestaltung des sozialen Umfelds mit. Wie ist das soziale Umfeld? Lässt es Nähe zu, gibt es intensive Kontakte mit der Nachbarschaft oder leben Menschen in der Anonymität? Bietet die Wohnung Möglichkeiten, um Freunde oder Verwandte einzuladen und gemeinsame Interessen in eigenen Räumlichkeiten zu pflegen, ist sie eher Kontakt stiftend als ein Wohnort, dessen Rahmenbedingungen dies nicht zulassen?

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Gerontologie – das Altern verstehen

Erinnerungsraum ● Die eigene Wohnung ist ein Stück Lebensgeschichte. Sie beinhaltet Erinnerungsstücke – Ererbtes, Geschenktes, Gesammeltes – oft das Museum eines ganzen Lebens. Daher sollte immer mindestens eine kleine Auswahl davon auch in eine stationäre Einrichtung mitgenommen werden können. Identität ● Die Gestaltung des Wohnraums ist Ausdruck von Persönlichkeit. Hier können persönlicher Geschmack, Kreativität und individuelle Bedürfnisse umgesetzt werden. Die Einrichtung und Gestaltung einer Wohnung sind so persönlich wie die eigene Kleidung. Zwei vom Grundriss gleiche Wohnungen sind – trotz aller Einflüsse von Mode, Trends, und Werbung – niemals gleich gestaltet und eingerichtet. Wohnen ist ein Stück Individualität. Intimität ● So wie Wohnen etwas sehr Persönliches ist, so ist das Betreten fremden Wohnraums das Eindringen in die Intimsphäre des Wohnungsbesitzers. Das gilt auch für stationäre Pflegeeinrichtungen. Die Intimität des persönlichen Raums muss respektiert werden, gleichgültig, ob es sich um ein Zimmer, ein Appartement oder eine Wohnung handelt. So sind das Anklopfen vor dem Betreten und das Warten auf eine Aufforderung zum Eintreten für Mitarbeitende wichtige Regeln. Privatsphäre ● Im eigenen geschützten Wohnraum kann und muss ein Mensch grundsätzlich davon ausgehen, dass seine Privatsphäre gewahrt wird. Das bedeutet, dass niemand ohne ausdrückliche Erlaubnis diesen Raum betritt und sich nach dem Betreten verhält wie ein Gast. Der Bewohner ist Bestimmer in seinem eigenen Wohnraum. Schutz- und Privatraum ● Eine Wohnungs- oder mindestens eine Zimmertür hinter sich schließen zu können, ist ein Stück Selbstbestimmung. Das Zuhause ist ein Refugium (lat. = Zufluchtsort). Es gibt Geborgenheit, Sicherheit, Vertrautheit. Zusammenleben ● Für Paare wird die Wohnung im Alter mehr als in allen Lebensphasen zuvor ein Ort des Zusammenlebens. Gingen früher oft

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WOHNEN

beide Partner getrennt eigenen Aktivitäten nach, so sind im Alter oft beide mehr zu Hause. Das erfordert häufig, eingespielte Mechanismen des Zusammenlebens über Bord zu werfen und neue Regeln aufzustellen, die Wohnsituation gemeinsam zu planen und zu gestalten. Viele langjährige Singles möchten oder müssen sich im Alter an neue Lebensgemeinschaften gewöhnen – mit den eigenen Kindern, mit einem neuen Partner oder mit anderen alten Menschen in einer Einrichtung oder in einer Wohngemeinschaft. Diese Umstellung ist nach vielen Jahren des Alleinlebens eine Herausforderung und ein manchmal langwieriger Anpassungsprozess. Nicht immer ist die neue Lebensgemeinschaft völlig frei gewählt.

Wohnbiografie Wohnbiografie ● Unter diesem Begriff wird zusammengefasst, wie Menschen in ihrem bisherigen Leben gewohnt haben und welche Vorstellungen sie von ihrer Wohnsituation in der Zukunft haben. Solche Informationen können in Gesprächen zusammengetragen werden. Oft ist eine zeichnerische Darstellung mit Zeitleiste hilfreich, um Ideen für die eigene Wohngestaltung zu gewinnen. Aspekte können z. B. sein –– Umzüge, –– allein gelebt oder mit anderen Menschen, –– angenehme und unangenehme Wohnsituationen, –– Größe der Wohnungen, –– Ausstattungsstandards, –– Garten, Balkon, Umgebung, –– Miete oder Eigentum, –– Wohnung oder Haus, –– Altbau oder Neubau, –– städtische oder ländliche Umgebung, –– Regionen in Deutschland oder anderswo, –– Nachbarschaft,

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–– Einrichtungsmerkmale – modern oder traditionell, –– Raum mit höchster Aufenthaltsdauer … Zeitgeschichte ● Die ► Wohnbiografie heute hochaltriger Menschen ist zu großen Teilen geprägt von der Zeitgeschichte. Wer heute über 80 oder 85 Jahre alt ist, hat als Kind oder in der Jugendzeit noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Die Zeit als junge Erwachsene war bei diesen Generationen geprägt von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland oder von sozialistischer Planwirtschaft der ehemaligen DDR (Deutsche Demokratische Republik). So gehören Erfahrungen im freiwilligen und unfreiwilligen Zusammenwohnen ebenso für eine große Mehrheit zur Lebensgeschichte wie knapper Wohnraum, notdürftige Unterkünfte, leben unter häufig primitivsten Bedingungen in desolaten Gebäuden. Heizen war teuer und arbeitsintensiv, nicht per Knopfdruck regelbar wie heute, sondern in der Regel mit Holz- oder Kohleöfen. Nur eine Gemeinschaftsküche und eine Toilette im Treppenhaus für mehrere Familien waren keine Seltenheit. Möbel und Hausrat konnten nicht so einfach wie heute geordert werden. Um 1950 herum kam der Wohnungsbau wieder in Gang und sozialer Wohnungsbau wurde gefördert. Es entstanden viele Wohnungen nach gleicher Planung. Damals war das Ziel, dass jeder Dreipersonenhaushalt über eine 50m²-Wohnung verfügen sollte. In den 1950er-Jahren war jeder dritte Haushalt ein Untermieterhaushalt und nur in jeder fünften Wohnung gab es ein Bad. Lediglich rund die Hälfte der Ehepaare in dieser Zeit hatte zu Beginn der Ehe einen eigenen Haushalt. Alle anderen lebten bei Eltern oder zur Untermiete. Erst mit dem späteren Umzug in eine eigene Wohnung erlebten viele den Komfort der alleinigen Nutzung von sanitären Anlagen und Küche. Die Standards in Ausstattung und Technik sind mit heutigen Verhältnissen in keiner Weise vergleichbar. Gleichzeitig haben heutige Bewohner von Pflegeeinrichtungen in ihren späteren Lebensphasen vielfach sehr positive Wohnsituationen erlebt mit Eigenheim als Statussymbol, mit guter technischer Ausstattung und Komfort nach aktuellen Standards.

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WOHNEN

Für heute junge Menschen ist es wichtig, sich mit der Wohn- und Lebenssituation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen. Nur so kann es wenigstens teilweise gelingen, die – natürlich individuell verschiedenen – Wohnbiografien alter pflegebedürftiger Menschen zu verstehen. Wohnsituationen, die einem jüngeren Menschen als unzumutbar erscheinen, werden oft von den Betroffenen völlig anders empfunden. Objektive Bewertungsmaßstäbe für Wohnraum werden bedeutungslos, wenn es um Veränderung der Wohnsituation im Alter geht. Die individuellen Wünsche und Bewertungen sehen oft völlig anders aus. So steht die Wohnzufriedenheit weniger im Zusammenhang mit objektiven Standards als mit der individuellen Wohnbiografie. Subjektiv wird die vertraute Wohnung auch bei schlechten Standards von älteren Menschen positiver bewertet als von Experten.

Lebensbegleitend Wohnen Ambient Assisted Living (AAL) ● Umfasst verschiedene Hilfen, die elektronisch den Alltag unterstützen. In vielen Studien wird moderne Technik mit intuitiver Bedienbarkeit im Sinn von Smart-Home-Lösungen getestet. Das macht viele Handgriffe im Wohnbereich leichter wie Öffnen und Schließen von Rollläden, Beleuchtungssysteme, Herdbedienung, Sturzmelder etc. Änderungsbedarf, Kriterien ● Zieht ein Mensch im fortgeschrittenen Alter einen Umzug in Betracht, sollten folgenden Kriterien hinsichtlich einer neuen Wohnung beachtet werden: Größe, Lage, Kosten, Infrastruktur, räumliche Nähe zu Bezugspersonen, Betreuungsmöglichkeiten durch ambulante Dienste, Nachbarschaft, Gemeinschaftsanlagen usw. Grundsätzlich bestehen bei Änderungsbedarf mehrere Möglichkeiten, z. B. –– ► Anpassung der aktuellen Wohnung, –– Umzug innerhalb des Hauses, –– Umzug in eine neue Wohnung,

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Gerontologie – das Altern verstehen

–– Umzug zu Angehörigen, –– Wohnungstausch, –– Aufnahme von Mitbewohnern gegen zeitweise Unterstützung (► Wohnen für Hilfe), –– Einsatz von 24-Stunden-Pflegehilfen aus Osteuropa … Anthropometrische Barrieren ● (Anthropometrie = Lehre der Ermittlung und Anwendung der Maße des menschlichen Körpers) Dazu zählen Be­dienelemente und Objekte, die durch körperliche Beeinträchtigungen oder aufgrund der Körpermaße nicht erreicht werden können, z. B. Griffe, Schalter, Armaturen in falscher Höhe, aber auch eine hohe Balkonbrüstung, über die jemand im Rollstuhl sitzend nicht hinwegsehen kann. Barrierefreiheit ● Berücksichtigt sich ändernde Bedürfnisse im Lebenslauf, lässt neue Aufteilungen und wechselnde Nutzungen von Wohnraum zu. Es bedeutet stufenlose Erreichbarkeit aller für den Alltag nötigen Bereiche in einem Geschoss. Das ist auch in einer normal geplanten Wohnung möglich. Barrierefreies Wohnen ermöglicht selbstbestimmtes Leben auch bei körperlichen Einschränkungen. Barrieren sind Hindernisse, also Faktoren, die die selbstständige Alltagsgestaltung und die Sicherheit einschränken. Dabei werden vor allem folgende Arten unterschieden: –– ► Vertikale Barrieren, ––

► Horizontale Barrieren,

––

► Räumliche Barrieren,

––

► Ergonomische Barrieren,

––

► Anthropometrische Barrieren,

––

► Sensorische Barrieren.

Wird eine Wohnung angepriesen, ist sehr genau auf Begrifflichkeiten zu achten, denn häufig verwendete Angaben wie  „barrierearm“,  „schwellenarm“ oder  „barrierereduziert“ sind nirgends verbindlich definiert und werden daher unterschiedlich interpretiert. Dagegen gibt es klare Aus-

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WOHNEN

stattungsmerkmale unter  „DIN 18040 Norm Barrierefreies Bauen“ – hier werden Vorgaben eindeutig festgelegt. Ergonomische Barrieren ● (Ergonomie = Arbeitswissenschaft, befasst sich mit der Anpassung der Technik an den Menschen zur Erleichterung der Arbeit) Dazu gehören fehlende Hilfsmittel bei nachlassender Muskelkraft und Ausdauer, z. B. Haltegriffe im Bad, Sitzgelegenheiten in der Dusche, Handläufe, Sitzgelegenheiten auf Treppenabsätzen oder in langen Fluren usw. Horizontale Barrieren ● Umfassen Durchgänge, die das Passieren in der Breite unmöglich machen oder erschweren wie zu schmale Türen, enge Flure usw. Hier ist ein Durchkommen oder Wenden mit Rollator oder Rollstuhl kaum möglich oder bedeutet Sturzgefahr. Ist-Analyse ● Geht es um die Frage, ob die aktuelle Wohnsituation auch den Erfordernissen im fortschreitenden Alter gerecht wird, ist eine Ist-Analyse wichtig. Dabei geht es u. a. um folgende Punkte: –– Änderungsnotwendigkeiten, –– Änderungsmöglichkeiten, –– Wünsche der betroffenen Person, –– Unterstützungspotenzial durch Angehörige oder Bezugspersonen, –– vorhandene finanzielle Mittel, –– bauliche Gegebenheiten, –– erkrankungsbedingte Probleme und Prognosen … Kostenträger ● Werden Maßnahmen der Wohnraumanpassung nötig, entstehen Kosten. Diese muss die betroffene Person nicht allein tragen, sondern es gibt – regional unterschiedlich und fallabhängig – eine Reihe von Fördermöglichkeiten. Informationen dazu geben ► Wohnberatungsstellen. Finanzielle Unterstützung gewähren neben Krankenkassen und Pflegeversicherung im Einzelfall auch Sozialamt, Versorgungsamt, Unfallversicherung, kommunale Förderprogramme. Darüber hinaus gewährt die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau, nationale Förderbank als Anstalt

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Gerontologie – das Altern verstehen

öffentlichen Rechts) Investitionszuschüsse und zinsgünstige Darlehen für altersgerechten Umbau. Außerdem lohnt sich bei Mietwohnungen auch die Anfrage beim Vermieter, der durchaus Interesse an einem Umbau haben kann und sich gegebenenfalls beteiligt. Pflegestützpunkt ● Diese Einrichtungen sind in allen Bundesländern in unterschiedlicher Anzahl vorhanden. Sie beraten unabhängig und für die Ratsuchenden kostenfrei, koordinieren und vermitteln zu allen Fragen rund um die Pflege. Ob Wohnraumanpassung, Suche nach einem ambulanten Dienst oder einem Pflegeheim, hier gibt es neutrale Information. Quartierskonzepte ● Das so genannte  „Bielefelder Modell“ war in den 1990er-Jahren Vorreiter für die Idee der Quartierskonzepte. Dabei geht es darum, Dörfer, Gemeinden und Stadtviertel so zu gestalten, dass die Bedürfnisse aller Generationen berücksichtigt werden und Senioren gut versorgt in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Vernetzung bereits vorhandener Dienstleistungs-, Wohn- und Versorgungsangebote steht dabei im Mittelpunkt. Das Quartier kann im urbanen (städtischen) oder ruralen (ländlichen) Raum liegen. Gemeint ist das Wohnumfeld, in dem Menschen ihr tägliches Leben gestalten, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt finden. Im Quartier soll die Grundversorgung möglich sein bzw. werden durch barrierefreie Gestaltung öffentlicher Anlagen, ortsnahe Infrastruktur wie Gesundheitsversorgung und Pflege, Einkaufsmöglichkeiten, Bildungs- und Kulturangebote etc. Meist werden drei Säulen der Quartierskonzepte beschrieben: –– Wohnen und Grundversorgung, –– ortsnahe Unterstützung und Pflege, –– Beratung und soziale Netzwerke. Räumliche Barrieren ● Sind fehlende Bewegungsflächen, z. B. vor Waschbecken, Bett, Küchenschränken usw. und zu wenig Rangierraum

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für Wendemanöver mit Rollator oder Rollstuhl. Oft lassen sich solche Barrieren einfach beseitigen, indem einige Möbelstücke entfernt werden. Rund-um-die-Uhr-Pflege ● Wer Unterstützung benötigt oder pflegebedürftig ist und in der eigenen Wohnung bleiben möchte, findet eine Reihe von Agenturen, die legal Haushaltshilfen, Betreuungs- und Pflegepersonen aus Osteuropa vermitteln. Diese sind dann – mit entsprechender, vertraglich zu regelnder Freizeit – rund um die Uhr vor Ort. Voraussetzung ist eine angemessene Unterkunft für die Pflegeperson. Die Aufenthaltsdauer dieser Mitarbeiterinnen in Deutschland ist begrenzt, so dass die Bezugspersonen wechseln. Seniorengenossenschaft ● Zusammenschlüsse von Menschen aller Altersgruppen ermöglichen im Alter den Verbleib im vertrauten Wohnumfeld. Dem genossenschaftlichen Gedanken folgend, erhalten Mitglieder ein Konto, das sie durch Hilfeleistungen mit Punkten füllen können. Diese Punkte lassen sich später bei eigener Hilfsbedürftigkeit gegen Unterstützung einlösen. Die Einrichtung tritt nicht in Konkurrenz zu professionellen Anbietern, sondern schließt Lücken, wo Angebote fehlen. Die Idee zu derartigen Modellen entstand in den 1990er-Jahren in Baden-Württemberg. Die meisten Seniorengenossenschaften sind eingetragene Vereine oder eingetragene Genossenschaften. Die Angebotspalette reicht von Unterstützung rund um Haus und Garten über Fahrdienste, Essen auf Rädern bis hin zu Tagespflege und Betreutem Wohnen. Sensorische Barrieren ● Alles, was das Orientieren über die Sinne einschränkt wie schlechte Beleuchtung, kontrastarme Gestaltung, fehlende optische Hinweise, zu geringe Lautstärke von Telefon- oder Türklingel usw. Soziale Netzwerke ● Soziale Integration im Alter ist nach heutigem Stand der Forschung ein Faktor, der mit besserer Gesundheit und höherer Lebenserwartung einhergeht. Außerdem haben Menschen mit guten sozialen Beziehungen ein geringeres Risiko, an Demenz zu erkranken. Hinsichtlich der Wohnsituation wird das Eingebundensein in ein soziales Netzwerk aus Nachbarn, Freunden und Bekannten immer wichtiger, zumal im-

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mer mehr Menschen im Alter allein leben. Veränderte Familienstrukturen und erhöhte Erwerbsmobilität führen dazu, dass erwachsene Kinder häufig weit weg von ihren alten Eltern wohnen und sie daher nicht in deren Alltagsgestaltung unterstützen können. Zusätzlich eröffnen digitale Netzwerke älteren Menschen zunehmend die Teilhabe am sozialen Leben und schaffen Verbindung zur Außenwelt, gerade wenn es schwerfällt oder gar nicht mehr möglich ist, die eigene Wohnung zu verlassen. Technik ● Fortschritte in der Technik erleichtern allen Altersgruppen den Alltag. Im Alter ist der Einsatz intelligenter Assistenzsystem häufig eine Möglichkeit, um trotz verschiedener Einschränkungen noch lange in der vertrauten Wohnumgebung bleiben zu können. Entscheidend ist dabei die gezielte Auswahl sinnvoller Unterstützungsmöglichkeiten. Dabei helfen ► Wohnberatungsstellen. Grundsätzlich möglich sind Lösungen vom intelligenten Herd mit Abstellautomatik über eine optische Klingel bis hin zu Sensoren, die bei Sturz den Notruf auslösen. Oft genügen jedoch schon einfache Hilfsmittel wie Rampen, Toilettensitzerhöhungen, Sitzmöbel mit Katapultsitz, Handläufe und Haltegriffe und vor allem Notrufsysteme, die im Bedarfsfall auf Knopfdruck den Pflegedienst alarmieren. Umzugsgründe ● Ziehen Menschen nach dem 50. Lebensjahr noch einmal um, so halten so genannte Push- und Pullmotive sich die Waage. Pushmotive sind solche Gründe, die gegen die aktuelle Wohnsituation sprechen, z. B. ungünstige Lage, Unterhaltung zu aufwendig, hohe Kosten, Sanierung, Kündigung etc. Pullmotive sind Argumente für den neuen Wohnort, z. B. altersgerechte Einrichtung, angemessene Größe, Infrastruktur usw. Begründungszusammenhänge für notwendige Veränderung des Wohnumfelds können z. B. sein: –– Isolation – bei eingeschränkter Mobilität wird der Aktionsradius kleiner, die Lage der Wohnung ist nicht mehr günstig ...

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–– Verlust von Selbstständigkeit – die Wohnung lässt eine eigenständige Haushaltsführung nicht mehr zu, Alltagsaktivitäten können nicht mehr uneingeschränkt ausgeübt werden ... –– Wohnungsgröße – nach Auszug oder Tod von Familienmitgliedern oder Partner ist die Wohnung zu groß ... –– Ausstattung, Standard – die Ausstattung entspricht nicht (mehr) den eigenen Wünschen oder Bedürfnissen, zum Beispiel Treppen, sanitäre Einrichtungen ... –– Kosten – die finanzielle Belastung ist zu hoch ... –– Infrastruktur – die Möglichkeiten und Angebote im Wohnumfeld entsprechen nicht den eigenen Wünschen oder Bedürfnissen, zum Beispiel Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung ... –– Altbausanierung – wegen bevorstehender Sanierung alter Bausubstanz erhalten Mieter eine Kündigung ihres Mietvertrages, werden zum kompletten oder vorübergehenden Auszug gezwungen ... Umzug, Zeitpunkt ● Es gibt keine festen Altersgrenzen, keinen konkreten Zeitpunkt für eine Entscheidung über die Wohnsituation im Alter. Der Termin ist vielmehr abhängig von der individuellen Situation hinsichtlich Gesundheitszustand, sozialem Umfeld, finanziellen Gegebenheiten usw. Aber eine Veränderung sollte in jedem Fall früh genug geplant werden, um noch selbst darüber entscheiden, einen Umzug bewältigen und sich in neuer Umgebung einleben zu können. Veränderungen im Lebenslauf ● Wohnbedürfnisse wandeln sich mehrfach im Lebenslauf. In der Jugend hilft erstes selbstständiges Wohnen beim Entwickeln einer eigenen Identität und beim Selbstständigwerden. Für das Zusammenleben mit einem Partner und spätere Familiengründung wird mehr Wohnraum benötigt. Gleichzeitig ist dann flexible Gestaltung im Sinn von Teilbarkeit der Räume hilfreich, um erforderliche Privatheit in der Gemeinschaft zu schaffen. Ziehen die erwachsenen Kinder aus, bleibt häufig ein Paar in gleicher Wohnumgebung mit dann viel Platz zurück. Stirbt später ein Partner, lebt oft ein alter Mensch noch viele

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Jahre in der gleichen Wohnumgebung, die zuvor für viele Personen ein Zuhause war. Schrumpft der Haushalt, schlägt sich das in der Regel nicht in einer Verringerung der Wohnfläche nieder. Veränderte Lebenskonzepte und die Pluralisierung von Familienformen tragen gleichzeitig dazu bei, dass sich Wohnbedürfnisse insgesamt wandeln und auch im Alter vielfältiger werden. Das wird in Zukunft ein höheres Maß an ► Wohnmobilität mit sich bringen. Vertikale Barrieren ● Dazu zählen alle Arten von behindernden Höhenunterschieden wie Treppenstufen, Duschwannenränder, Türschwellen, im Außenbereich Bordsteinkanten usw. Wohnberatung ● Von Verkaufsinteressen unabhängige Wohnberatung ist in Deutschland unterschiedlich ausgestaltet. Es gibt Regionen mit einem gut ausgebauten Netz an Beratungsstellen, mit umfassender Informations- und Schulungsarbeit, mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. In manchen Regionen ist die Versorgung in diesem Bereich weniger gut. Gute Wohnberatung erfordert breites Wissen und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wohnberatungsstellen ● Sind in ganz Deutschland vorhanden und bei unterschiedlichen Trägern angesiedelt, teils integriert in die Arbeit von Pflegestützpunkten, Wohlfahrtsverbänden oder Servicebüros. Sie unterscheiden sich in Personalausstattung, Arbeitsweise, Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Eine große Anzahl solcher Beratungsstellen ist in der  „Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungsanpassung e. V.“7 organisiert und vertritt deren Standards. Darüber hinaus gibt es weitere Angebote, teils auf Landesebene. Wohnmobilität ● Der Wohnungsmarkt ist dynamisch, ändert sich stetig, beeinflusst u. a. von demografischer Entwicklung und Lebensstil. Ansprüche an Wohnraum sind in den letzten Jahrzehnten nicht nur insgesamt 7 http://www.wohnungsanpassung-bag.de

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WOHNEN

höher geworden, sondern gleichzeitig differenzierter, Wohnwünsche immer spezieller. So steigt die Umzugsbereitschaft, wenn die aktuelle Wohnsituation nicht den eigenen Anforderungen entspricht. Mobilität wird insgesamt in der Gesellschaft immer größer. Doch mit steigendem Lebensalter nimmt die Wohnmobilität, die Häufigkeit von Wohnungswechseln, ab. Wohnungsanpassung ● Beschreibt Veränderung einer bestehenden Normalwohnung, um mit zunehmendem Alter oder bei eintretenden Behinderungen den Verbleib in der Wohnung zu ermöglichen. Art und Umfang solcher Anpassungen sind situationsabhängig sehr verschieden. Sie reichen vom Einbau einer ebenerdigen Dusche über Türverbreiterungen, Einbau eines Treppenlifts oder Installation von Rampen bis zur Umorganisation der Wohnung. Manchmal genügt es, einzelne Räume zu tauschen, z. B. das Schlafzimmer ins Erdgeschoss zu verlegen, oder Schränke auf ein Podest zu stellen, damit sie besser erreichbar sind. In anderen Fällen sind Umbaumaßnahmen nötig. Besonders oft sind Maßnahmen im Sanitärbereich erforderlich. Fachkundige Beratung durch ► Wohnberatungsstellen zeigt Möglichkeiten auf, stellt Kontakte her und koordiniert häufig auch die Ausführung durch entsprechende Handwerksbetriebe. Je nach Maßnahme kommen unterschiedliche ► Kostenträger in Betracht, die sich finanziell an Umbaumaßnahmen beteiligen.

Wohnformen Abbeyfieldhäuser ● Das alternative Wohnmodell entstand in den 1950er-Jahren in London. Das Konzept des Gründers Richard Carr-Gomm, das weltweit in zahlreichen Ländern gelebt wird, kann sich in Deutschland nur schleppend durchsetzen. Die Idee sind Wohngemeinschaften von acht bis 14 alten Menschen in familienähnlichen Zusammenschlüssen. Sie wohnen in ortsüblichen Häusern und gestalten eigenverantwortlich ihr Leben, eingebunden in die Nachbarschaft. Es gibt eine Haushälterin, die sich um die täglichen Belange kümmert. Betreiber sind lokale, gemeinnützige Vereine. Die Bewegung in Deutschland hat sich aus der

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internationalen Zusammenarbeit mit Abbeyfield zurückgezogen. Vereine und Genossenschaften kooperieren hier locker, meist unter der Bezeichnung  „Gemeinsam ins Alter (GIA)“. Altenhöfe ● Es handelt sich um ein Wohnkonzept ostdeutscher Prägung, das dem des ► Betreuten Wohnens ähnelt. Die Bewohner der Altenhöfe sind eigenständige Mieter mit regulärem Mietvertrag und sozial verträglichen Mieten. Das Modell vereint Altenpflege mit Landschaft- und Denkmalpflege. Meist historische Bausubstanz in ländlicher Region wird zu Altenzentren mit umfassender ambulanter und stationärer Betreuung umfunktioniert. Wesentlicher Vorzug des relativ kostengünstigen Konzepts ist für die alten Menschen die Erhaltung der sozialen Beziehungen im angestammten Umfeld. Betreutes Wohnen ● Das Betreute Wohnen, auch als Servicewohnen bezeichnet, ist ein Wohnkonzept der 1990er-Jahre. Mit dieser Wohnform soll die Lücke zwischen Eigenständigkeit ohne Sicherheit und Sicherheit ohne Eigenständigkeit geschlossen und dem Bedürfnis älterer Menschen nach Entlastung, Sicherheit und Pflege im Bedarfsfall Rechnung getragen werden. Es wird bundesweit flächendeckend angeboten. Die Trägerorganisationen reichen von Wohlfahrtsverbänden und Vereinen über Banken und Bausparkassen bis zu privaten Anbietern. Alte Menschen wohnen innerhalb einer speziellen Wohnanlage in einer eigenen Wohnung, oft auch angegliedert an ein Pflegeheim, und können professionelle Unterstützung als Dienstleitungen bei Bedarf abrufen. Die Verfügbarkeit von Service-Angeboten ist dabei vertraglich geregelt. Die Palette der Angebote reicht von hauswirtschaftlichen Diensten über Pflegeleistungen bis hin zu Freizeitaktivitäten. Bezahlt werden muss in der Regel eine Grundpauschale zuzüglich der in Anspruch genommenen zusätzlichen Leistungen nach Wahl. Preise und Vertragsstrukturen variieren ebenso stark wie die Qualität des Gebotenen. Der Begriff  „Betreutes Wohnen“ ist nicht geschützt. Rechtssicherheit und verbindliche Mindeststandards fehlen bisher. Für die gemieteten Räume gilt das normale Mietrecht. Für Betreuungsleistungen existieren keine Normen, Gesetze oder Auflagen. Unklare Begriffe und Vielfalt von

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Angeboten erschweren Interessenten die Entscheidungen. Werbeprospekte halten keineswegs immer, was sie versprechen. Mieterbund und Kuratorium Deutsche Altershilfe fordern klare Regelungen und Mindeststandards, um Markttransparenz zu schaffen. Vor einer endgültigen Entscheidung wird mehrwöchiges Probewohnen empfohlen. Demenzdörfer ● Vorbild für etliche weitere Demenzdörfer war und ist Hogeweyk8 in den Niederlanden, nahe Amsterdam. Hier leben Menschen mit Demenz in kleinen Wohngruppen betreut zusammen. Das Umfeld ist lebensecht einem Dorf nachempfunden mit Straßen und Park, Supermarkt und Café. Die Bewohner können sich in diesem Umfeld völlig frei bewegen. Versuche, ähnliche Dörfer in Dänemark, in der Schweiz und in Deutschland aufzubauen, sind noch in ihren Anfängen, auch wenn erste Beispiele bereits existieren. Kritiker bemängeln, dass Menschen mit Demenz aus der Gesellschaft ausgegliedert werden und unter sich bleiben. Demenz-Wohngemeinschaft ● Solche Wohngemeinschaften bieten ihren Bewohnern ein Stück Lebens-Normalität jenseits einer Institution. Meist wird diese Wohnform gewählt für Menschen mit Demenz, die noch mobil sind. Die Initiative liegt häufig bei Ambulanten Diensten, die aber nicht als Träger fungieren. Träger und Mieter der Wohnungen sind in der Regel von Angehörigen gegründete Vereine. So werden von Angehörigen Verantwortungsübernahme und Engagement verlangt, denn sie organisieren – meist mithilfe eines ambulanten Dienstes – die Betreuung durch Alltagsbegleiter und sind zuständig für Wohnungsverwaltung, finanzielle Regelungen usw. Die Kosten entsprechen häufig denen für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung. ► Wohngemeinschaft. Gastfamilie9 ● Nach einem bisher nur vereinzelt verfügbaren Konzept nehmen Familien, die über entsprechenden Wohnraum verfügen, einen 8 Siehe dazu: https://hogeweyk.dementiavillage.com 9 Siehe dazu: https://pflege.pro/gastfamilien-fuer-senioren

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oder zwei alte Menschen in ihrem Haushalt auf. Häufig werden für solche Projekte Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit demenziellen Veränderungen und mit noch vorhandener Mobilität ausgewählt. Die Betroffenen werden voll in die Familie integriert. Auswahl und Vermittlung von Gastfamilien erfolgt über Wohlfahrtsverbände und Vereine. Kosten für derartige Unterbringung variieren, sind regional unterschiedlich. Mehrgenerationenhäuser ● Aktuell gehören rund 540 derartige Einrichtungen zu einem bundesweiten Modellprogramm10. Sie stehen Menschen aller Generationen offen und fördern das Miteinander der Generationen. Nachbarschaftshilfe ist wesentlicher Kern des Zusammenlebens – jüngere Menschen helfen älteren und umgekehrt. Freiwilliges Engagement ist für die Bewohner dieser Häuser unverzichtbar, ob in Form von Computernachhilfe und Einkaufsdiensten oder per Einsatz als Leihgroßeltern und Sprachpartner für Migranten. Offene Treffs bilden das Herzstück der Einrichtungen als Wohnzimmer für alle und Ort für eine Vielzahl von Projekten. Normalwohnung ● Rund 90 Prozent der älteren Menschen leben in einer für alle Lebensphasen standardmäßig ausgestatteten, so genannten Normalwohnung. Nur zehn Prozent nutzen andere Wohnformen und spezielle Wohnprojekte. Plattenbausiedlung ● Ein ostdeutsch geprägtes Wohnmodell sind die Plattenbausiedlungen, Relikte aus der Zeit der DDR. Unter dem Motto „  Umbau statt Abriss“ gibt es in den östlichen Bundesländern eine Vielzahl von Beispielen, in denen die alten Gebäude saniert und barrierefrei umgerüstet werden. Teils mit entsprechender Umfeldgestaltung werden viele dieser Häuser für Senioren-Wohn-Projekte mit unterschiedlichen Angebots­ profilen genutzt.

10 Siehe dazu: https://www.mehrgenerationenhaeuser.de

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Seniorendörfer ● Die Idee eigener Rentnerdörfer, wie sie in den USA unter dem Begriff  „Sunshine Cities“ oder in Australien als „  Retirement Villages“ bekannt und verbreitet sind, setzt sich in Deutschland nur sehr schleppend durch. Dabei leben in der Regel Senioren in Siedlungen von Einzelbungalows, die gekauft oder gemietet werden. Meist gibt es auf dem Gelände Gemeinschaftsanlagen, Dienstleistungsangebote bis hin zu häuslicher Pflege. Servicewohnen ● Siehe ► Betreutes Wohnen. Wohnen für Hilfe ● Die Idee entstand aus der Not, genügend Wohnraum für Studenten zu beschaffen. Alte Menschen stellen jungen Wohnraum zur Verfügung und erhalten dafür Hilfen in vertraglich festgelegtem Umfang, z. B. je m² Wohnraum eine Stunde Hilfe pro Monat. Ausdrücklich ausgenommen sind pflegerische und medizinische Dienste. Solche Wohnpartnerschaften werden von unterschiedlichen Trägern organisiert, die in der  „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnen für Hilfe“11 zusammengeschlossen sind. Wohngemeinschaft ● Diese Form des Zusammenlebens ist kein Privileg der Jungen mehr. Als autonome Wohngemeinschaften in Form von Vereinen oder rein privaten Absprachen und Verträgen gibt es sie ebenso wie als Experimente in öffentlicher Trägerschaft. Mehrere alte Menschen ziehen gemeinsam in eine große Wohnung oder ein Haus. Sie kennen sich oft schon länger, bilden meist keine Zufallsgemeinschaft. Mal in abgeschlossenen Einzel-Wohneinheiten inklusive Nasszellen mit angeschlossenen Gemeinschaftsräumen, mal mit Einzelzimmern und gemeinsam genutzten Funktionsräumen wie Küche, Bad etc. oder als Hausgemeinschaften mit mehreren kleinen Wohnungen in einer großen Villa, sind diese Lebensgemeinschaften kostengünstige Alternativen zu traditionellen Wohnformen. Die Haushaltsführung wird von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft selbst übernommen oder organisiert. 11 Siehe dazu: https://www.hf.uni-koeln.de/wfh.php?id=30204 und https://www.studentenwerke.de/de/content/wohnen-f%C3%BCr-hilfe

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Gerontologie – das Altern verstehen

Diese Wohnform wird zwar bisher nur von einer Minderheit älterer Menschen gewählt, bietet aber für aufgeschlossene, noch relativ mobile und aktive Menschen eine interessante Alternative. Wohngemeinschaft, betreut ● Wer allein nicht mehr zurechtkommt, aber noch Fähigkeiten hat, die er in eine Gruppe einbringen kann und möchte, findet hier ein geeignetes Angebot. Betreute Wohngruppen sind in normalen Wohnungen oder Häusern untergebracht und im günstigen Fall in der Nähe der bisherigen eigenen Wohnung gelegen. Durch das nahe Zusammenleben mit anderen alten Menschen in einem gemeinsamen Haushalt lassen sich Aufgaben verteilen und Probleme gemeinsam lösen. Die Mitglieder einer solchen Gruppe leben in einem engen sozialen Beziehungsnetz, haben Kontakte und ständige gegenseitige Anregung. Serviceangebote können ähnlich wie beim ► Betreuten Wohnen in Anspruch genommen werden. Bisher gibt es keine genau vorgezeichneten Wege für Einrichtung und Unterhaltung dieser Wohnform. ► Demenz-Wohngemeinschaft.

Stationäre Pflege Atmosphäre ● Die Atmosphäre in einer Pflegeeinrichtung sollte so wohnlich wie möglich gestaltet werden. Zwar lässt sich hinsichtlich Geschmack und Vorlieben bei der Einrichtung kaum den Ansprüchen aller Bewohner entsprechen. Aber die Unterteilung in kleine Einheiten mit Sitzgruppen und Rückzugsmöglichkeiten, gemütlichen Ecken, die zum Aufenthalt einladen und in denen Besuch empfangen und bewirtet werden kann, liebevolle Gestaltung mit Sinn fürs Detail und mit jahreszeitlicher Dekoration usw. können an Wohnzimmer im früheren Zuhause erinnern und zum Wohlfühlen beitragen. Einleben im Heim ● Bewusst und gut geplante Begleitung in den ersten Tagen und Wochen kann das Einleben im neuen Zuhause erleichtern. Dazu gehören z. B.: –– Willkommensgruß (Blumenstrauß, Begrüßungskarte o. Ä.),

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WOHNEN

–– in jeder Schicht eine spezielle Person als Ansprechpartnerin, –– anfangs Bewohner Ruhe und Zeit lassen, um neue Eindrücke und Trauer verarbeiten zu können, –– Gelegenheiten zum Gespräch und zum Fragen geben, –– Gewohnheiten und Bedürfnisse kennen lernen und bestmöglich berücksichtigen, –– Vertrautes erhalten, persönliche Gegenstände nicht unbedacht durch ähnliche vom Haus mit gleicher Funktion ersetzen (Decken, Kissen, Waschzeug ...), –– erst allmählich mit der neuen Umgebung und den Mitbewohnern bekannt machen, nicht mit Informationen überschütten, –– gezielt zu Aktivitäten in kleinen Gruppen einladen und beim Aufbau neuer Kontakte helfen, –– bei der persönlichen Gestaltung des Wohnumfelds unterstützen (Fotos und Bilder aufhängen etc.) … Gewinn- und Verlusterfahrungen ● Trotz negativer Begleiterscheinungen hat das Heim seine positiven Aspekte. Diese zu suchen und zu sehen, ist nicht nur eine Frage der Persönlichkeit und der individuellen Lebenseinstellung, sondern hängt in hohem Maß auch von einem erfolgreichen Auftakt des Heimlebens ab. Positive Aspekte sind z. B.: –– medizinische und pflegerische Versorgung, –– Gefühl von Sicherheit durch Rund-um-die-Uhr-Beobachtung, –– Entlastung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, –– nicht auf Angehörige angewiesen sein, –– Angebote zur Freizeitgestaltung erhalten, –– religiöse Begleitung erleben, –– Gemeinschaft finden …

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Gerontologie – das Altern verstehen

Negativ sind Aspekte wie: –– Vertrautes aufgeben wie Wohnung, Umfeld, soziale Bezüge, –– Selbstständigkeit und Unabhängigkeit werden eingeschränkt, –– Einschränkung von Privat- und Intimsphäre, –– bedingt auch eingeschränkte Verfügung über eigenes Geld … Haus- und Wohngemeinschaften ● Die Haus- oder Wohngemeinschaft als Struktureinheit einer Pflegeeinrichtung teilt die Bewohner in Gruppen zu je 12 bis 14 Personen ein. Ziel ist, dass alte Menschen sich in solch einer relativ kleinen Einheit wie zu Hause fühlen und verhalten. Dabei werden vorhandene Ressourcen weitgehend genutzt. Bewohner beteiligen sich ihren Fähigkeiten entsprechend an der Gestaltung des Alltags und übernehmen begleitet auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Pflegeheim ● Dabei handelt es sich um Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Menschen in der Regel vollstationär versorgt werden, überwiegend in Dauerpflege. Die meisten Häuser halten einige Plätze für Kurzzeitpflege bereit. Die Organisationsstruktur sieht in der Regel eine Einteilung in mehrere so genannte ► Wohnbereiche vor, in neuerer Zeit zunehmend in ► Haus- und Wohngemeinschaften. Der Begriff Pflegeheim wird in der Regel als Sammelbegriff für stationäre Einrichtungen unterschiedlicher Ausprägung genutzt. In Deutschland gibt es rund 14.500 Pflegeheime12, von denen rund 11.300 vollstationäre Dauerpflege anbieten. Gut die Hälfte der Einrichtungen ist aktuell in privater Trägerschaft, die andere Hälfte bei gemeinnützigen und kommunalen Organisationen. Von allen über 65-Jährigen leben weniger als fünf Prozent in Pflegeheimen, jedoch steigt der Anteil deutlich mit zunehmendem Lebensalter. Das Alter der Bewohner steigt, die meisten ziehen erst mit durchschnittlich knapp 85 Jahren in eine Einrichtung und verbringen meist nur noch wenige Monate dort.

12 Vgl. Destatis 2017

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WOHNEN

Pflegehotel ● Ursprünglich als Urlaubsunterkunft für pflegebedürftige Menschen entstanden, wird dieser nicht geschützte Begriff mancherorts als Synonym für ► Pflegeheim oder ► Seniorenresidenz verwendet. Seniorenresidenz ● Bezeichnet eine Einrichtung, ähnlich dem ► Seniorenwohnheim, mit eher luxuriösem Charakter. Diese Häuser sind meist frei finanziert und in privater Trägerschaft und bieten ein Leistungsspektrum von Wohnen bis Pflege. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu Pflegeheimen ist der höhere Standard. Dadurch entstehen höhere Kosten für die selbst zahlenden Bewohner. Im Angebot sind meist unterschiedlich große abgeschlossene Wohnungen von ein bis vier Zimmern. In Verbindung mit der Wohnung sind umfassende Serviceleistungen erhältlich, die sich oftmals an gehobenen Hotelstandards orientieren und Gemeinschaftseinrichtungen für gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen bereithalten. Viele Häuser verfügen über eigene Schwimmbäder, Therapie- und Fitnessanlagen. Einige Einrichtungen betreiben eigene Pflegeabteilungen für den Fall, dass die Pflege nicht mehr in der Wohnung geleistet werden kann. Der Begriff ist nicht geschützt. Seniorenwohnheim ● Häufig auch als ► Seniorenstift bezeichnet, bietet diese Wohnform alten Menschen in der Regel auf gehobenem Niveau eine abgeschlossene Wohnung mit der Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen und im Bedarfsfall Betreuung und Pflege zu erhalten. Der Begriff ist nicht geschützt. Teilstationäre Versorgung ● Diese Versorgungsform umfasst wahlweise Tages- oder Nachtpflege. Das bedeutet, die pflegebedürftige Person verbringt einen Teil des Tages in der Einrichtung, den anderen in ihrem eigenen häuslichen Umfeld. Vollstationäre Versorgung ● Von rund drei Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wird ca. ein Viertel in Pflegeheimen vollstationär ver-

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Gerontologie – das Altern verstehen

sorgt.13 Drei Viertel werden zu Hause versorgt, der größte Teil allein durch Angehörige, ein weiterer Teil unter Mithilfe von ambulanten Diensten. Wohnbereich ● Das Konzept vieler Pflegeheime beruht auf einer klassischen Einteilung in so genannte Wohnbereiche. Diese erstrecken sich meist über eine Etage und umfassen im Durchschnitt ca. 25 bis 28 Bewohner. Diese Betreuungsstruktur hat sich betriebswirtschaftlich durchgesetzt. Zunehmend werden jedoch kleinere Einheiten in Form von ► Haus- und Wohngemeinschaften im stationären Bereich gebildet. Oft wird dazu ein Wohnbereich in zwei Hausgemeinschaften unterteilt. Zielgruppen, speziell ● Zunehmend werden Pflegeeinrichtungen für spezielle Zielgruppen angeboten. So gibt es aktuell z. B. Häuser für –– Künstler, –– Personen mit Tieren, –– bestimmte Nationalitäten, –– landsmannschaftliche Gruppierungen, –– religiös Zusammengehörige, –– spezielle geschlechtliche Orientierungen …

Wohnungspolitik BAGSO ● Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisatio-

nen (BAGSO) führt seit Jahren immer wieder Untersuchungen und Projekte zum Thema  „Wohnen im Alter“ durch und nimmt die Interessen alter Menschen in diesem Bereich auf politischer Ebene wahr. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ● Das Institut unterhält im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung mehrere Forschungsprojekte zum Wohnen im Alter.

13 Vgl. Destatis 2017

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WOHNEN

Förder- und Modellprogramme ● Wohnen ist nicht nur ein individuelles Thema, sondern ein gesamtgesellschaftliches. So setzt sich eine Vielzahl von Einrichtungen damit auseinander. Dazu gehört auch eine Reihe kommerzieller Träger wie zum Beispiel Bausparkassen u.a., die umfangreiches Informationsmaterial herausgeben und meist gratis zur Verfügung stellen. Die Politik versucht die Wohnsituation zu steuern. Zahlreiche Förderund Modellprogramme wurden und werden von Bundes- und Landesregierungen immer wieder auf Zeit ins Leben gerufen, ideell und finanziell unterstützt. Verschiedene Bundes- und Landesministerien legen immer neue Förderprogramme auf, z. B. –– Dachprogramm soziales Wohnen im Alter, –– Modellprogramm Gemeinschaftlich wohnen – selbstbestimmt leben, –– Pilotprogramm Häusliches Wohnen stärken … Unterschiedliche kommunale Wohnprojekte bieten allerorts Gelegenheiten, auch alternative Modelle zum Wohnen im Alter zu erproben. Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) ● Das KDA führt immer wieder Studien und Projekte durch zum Leben und Wohnen im Alter im Auftrag von Bundes- und Landesministerien, Pflegekassen, Stiftungen, kommunalen Spitzenverbänden usw. So geht es aktuell z. B. um  „Altengerechte Quartiere“. Außerdem publiziert das KDA eine Reihe von Broschüren und Büchern mit Tipps rund ums Wohnen im Alter. Vorschriften und Gesetze ● Den ordnungsrechtlichen Teil der Heimgesetzgebung regeln die Bundesländer. Dazu gehören Genehmigung des Betriebs, bauliche und personelle Ausstattung von Einrichtungen, Sanktionen bei Nichteinhaltung gesetzlicher Vorschriften. Die Bezeichnungen der Gesetze sind in den Ländern unterschiedlich. Die landesrechtlichen Vorschriften haben seit der Föderalismusreform 2007 das Bundesheimgesetz (HeimG) abgelöst. Bei fehlenden Durchführungsverordnungen

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Gerontologie – das Altern verstehen

in den Ländern gelten die alten Verordnungen des Bundesheimgesetzes jedoch weiterhin.

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Gerontologie – das Altern verstehen

BILDUNG & ARBEIT Lebenslang lernen „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom – wer aufhört, treibt zurück.“14 Diese alte chinesische Weisheit trifft den aktuellen Stand der Erkenntnis. Dennoch gibt es Menschen, deren Einstellung noch immer von dem Sprichwort  „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ geprägt ist. Doch die Anzahl derer, die im Alter gewonnene Zeit zum Lernen nutzen und vielfältige Bildungsangebote wahrnehmen, steigt deutlich. Ob Studium, Volkshochschulkurs oder Handyführerschein – die Möglichkeiten sind enorm. So mancher möchte im Alter nachholen, was unter zeitgeschichtlichen Bedingungen in jüngeren Jahren nicht möglich war. Berufsarbeit bestimmte jahrzehntelang in vielen Lebensbereichen den Alltag. Nach Ende der Erwerbsarbeit kann Lernen dem Leben neuen Sinn und Struktur geben. Außerdem fordert der Alltag unabhängig von gezielten Bildungsangeboten stetiges Lernen. Allein das Zurechtfinden in der digitalen Welt wird immer mehr überlebensnotwendig und eine große Aufgabe für die Generationen, die nicht damit aufgewachsen sind. Wer pflegebedürftig ist und in einer Einrichtung lebt, braucht ebenfalls Gelegenheiten, seine kognitiven Fähigkeiten einzusetzen, zu fordern und zu trainieren. Die Möglichkeiten dazu sind bisher noch begrenzt und ausbaufähig. Das Fördern der Kognition ist jedoch mit dem aktuellen Pflegebedürftigkeitsbegriff und dem neuen Begutachtungsinstrument deutlich mehr in den Fokus gerückt.

14 Diese alte chinesische Weisheit wurde in unterschiedlichem Wortlaut vielfach zitiert und u. a. Benjamin Britten, Benjamin Franklin, Laozi und Erich Kästner als Urheber zugeschrieben.

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BILDUNG & ARBEIT

Lernziele Wissen, dass –– Lernen nicht nur in der Schule stattfindet. –– Lebenslanges Lernen dem Erhalt der Selbstständigkeit dient. –– lebenslang die Fähigkeit zum Lernen erhalten und das Gehirn eine  „Baustelle“ bleibt, sich in seiner Leistungsfähigkeit beeinflussen lässt. –– Lernen in den Lebensabschnitten unterschiedliche Rahmenbedingungen braucht. –– Arbeitsbedingungen sich im Lauf der Jahrzehnte stark verändert haben. –– Intelligenz viel mehr umfasst als Wissen. Verstehen und sich bewusst machen, dass –– höhere Schulbildung in früheren Generationen nur für eine Minderheit möglich war. –– Bildungsbiografien früher stark vom Geschlecht bestimmt wurden. –– (Erwerbs-)Arbeit das Leben in vielen Bereichen bestimmt. –– Bildung ein Baustein der Persönlichkeit ist. –– kognitive Fähigkeiten trainierbar sind. –– Motivation wichtige Voraussetzung fürs Lernen ist. –– Lernen im Alter zur Alltagsbewältigung beiträgt. Im Arbeitsalltag –– beobachten, was alte Menschen alles lernen müssen, um im Alltag zurechtzukommen. –– überlegen, wie es gelingen kann, individuell unterschiedlich alten Menschen Motivation zum Lernen zu geben. –– alten Menschen Gelegenheiten bieten, ihre kognitiven Fähigkeiten einzusetzen und zu trainieren. –– die Möglichkeiten multimodalen Lernens nutzen.

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Beobachtungslernen

Signallernen

Verstärkungslernen

Training

Veränderungen im Lebenslauf

Intelligenz

Angebote in Pflegeeinrichtungen

Bildungsangebote

Gesellschaftliche Teilhabe

Verhaltenslernen Verhaltenslernen

Kognitives Lernen Kognitives Lernen

Lernen Lernen

Wirkungen

Ganzheitlichkeit

Voraussetzungen

Arten

Freizeitgestaltung

Ende der Erwerbsarbeit

Veränderungen im Arbeitsleben

Bedeutung von Arbeit

Bildungsverlauf

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Arbeit und Freizeit Arbeit & Freizeit

Schule und Ausbildung Schule & Ausbildung

Bildung & & Arbeit Bildung Arbeit

Möglichkeiten und Angebote Möglichkeiten & Angebote

Begriffe

Themenübersicht

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BILDUNG & ARBEIT

Schule & Ausbildung Berufswahl ● Die Entscheidung darüber, ob oder welcher Beruf erlernt

werden sollte, konnten heutige Seniorengenerationen nicht immer selbst treffen. Es war üblich, dass Eltern für ihre Kinder die Auswahl trafen. Da ging es häufig um Fortsetzung einer Familientradition oder Übernahme eines Betriebes, aber auch um finanzielle Fragen. Ausbildung bedeutete in der Regel Kosten statt Verdienst. So mussten viele Jugendliche ohne Ausbildung arbeiten, um einen Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Da blieben bei mehreren Geschwistern Mädchen häufig ohne Ausbildung, lernten zu Hause oder im besten Fall in der Schule Haushaltsführung. Andere Berufsausbildungen waren oft finanziell nicht möglich und auch gesellschaftlich nicht der Frauenrolle entsprechend. Bildungsverlauf ● Die reguläre Schulkarriere beinhaltete bei den zurzeit Hochaltrigen meist den Besuch der achtjährigen Volksschule mit anschließender dreijähriger Lehre. Eine höhere Bildung bedeutete dreizehn Schuljahre, gefolgt von einem mehrjährigen Universitätsstudium. Nachfolgende Rentnergenerationen konnten schon die Möglichkeiten des so genannten  „zweiten Bildungswegs“ nutzen. Sie bildeten sich nach Abschluss einer ersten Berufsausbildung und Erfahrung im Arbeitsleben weiter. Heute sind Schulsysteme und Bildungslandschaft vielfältig. So finden sich unter den Pflegebedürftigen zunehmend auch Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen und Menschen mit Weiterbildungen auf unterschiedlichen Ebenen, die über Abendschulen, Telekollegs oder Fernunterricht usw. absolviert wurden. Umschulungen und Studium im fortgeschrittenen Erwachsenenalter sind heute keine Seltenheit mehr. Geschlechtsspezifische Unterschiede ● Gab es mehrere Kinder, konnten viele Familien aus finanziellen Gründen nicht allen eine Ausbildung ermöglichen. Daher bekamen in der Rangfolge meistens zuerst die Jungen eine Ausbildung, um später ihrer Rolle als Familienernährer gerecht werden zu können. Mädchen sollten eher dem damaligen Frauenbild entsprechen und einen Haushalt führen, anstatt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

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Gerontologie – das Altern verstehen

Die Frauen, die eine Lehre machen oder gar studieren durften, waren deutlich in der Minderzahl. Wer trotzdem einen Beruf erlernte, ging in der Regel in  „typische Frauenberufe“ wie Lehrerin, Sekretärin, Krankenschwester usw. Unverheirateten Frauen blieb oft nur eine Tätigkeit im Haushalt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei jüngeren Senioren werden solche geschlechtsspezifischen Unterschiede immer weniger spürbar. Lehre ● Der Begriff entspricht der heutigen  „Ausbildung“ und beschreibt das Erlernen eines Berufs in einem Betrieb mit begleitendem Besuch einer Berufsschule, heute bekannt als duales System. Die Mehrheit heute alter Menschen begann eine Lehre im Alter von ca. 14 Jahren. Sind heute Ausbildungsvergütungen in unterschiedlicher Höhe üblich, so musste früher häufig für eine Lehre sogar bezahlt werden, statt Geld zu erhalten. Die Redewendung  „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, mit der viele alte Menschen sich an diese Zeit ihres Lebens erinnern, beschreibt die Position, die Lehrlinge in ihrem Betrieb innehatten. Mittelschule ● Diese Bezeichnung ist noch heute ein Begriff im deutschen Schulsystem, jedoch mit anderer Bedeutung als in den Bildungsbiografien heute hochaltriger Menschen. Damals war eine Mittelschule ein Schultyp, der etwa einer heutigen Realschule entspricht, wenn auch mit abweichendem Fächer-Spektrum. Oberschule ● Noch heute geläufig, jedoch ohne klares Profil. Früher war darunter eine höhere Schule zu verstehen, die weitgehend einem heutigen Gymnasium oder einer Fachoberschule entspricht und zum Abitur oder einer fachgebundenen Hochschulreife führte. Volksschule ● Dieser Begriff findet sich in vielen Pflegedokumentationen unter den Angaben zur Bildungsbiografie. Diese Schulart war üblich im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier erfüllte die Mehrheit ihre acht-, später neunjährige Schulpflicht. Sie umfasste das, was heute

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BILDUNG & ARBEIT

meist als Grund- und Hauptschule bezeichnet wird. Nur eine Minderheit wechselte nach der vierten Klasse auf eine höhere Schule. Die Bezeichnung existiert noch heute in einigen deutschen Regionen sowie in Österreich und der Schweiz mit unterschiedlicher Bedeutung.

Arbeit & Freizeit Arbeit, Bedeutung ● Arbeit wird allgemein definiert als zweckgerichteter Einsatz körperlicher und geistiger Kräfte zur Befriedigung materieller und ideeller Bedürfnisse. Der Volksmund meint in der Regel damit an erster Stelle Erwerbsarbeit. Menschen definieren sich in unserer Gesellschaft zu großen Teilen über ihre Arbeit, ihren Beruf, auch über ihre ehrenamtliche Arbeit. Arbeit nimmt im menschlichen Leben viel Raum ein, sowohl zeitlich als auch gedanklich. Arbeit bedeutet u. a.: –– Sichern des materiellen Lebensunterhalts, –– Wertschätzung, Anerkennung in Form von Bezahlung, Lob … –– Struktur im Alltag durch zeitliche Vorgaben mit Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit, –– Sinn, etwas Produktives schaffen, –– Kontakte mit anderen Menschen, –– materielle Absicherung des Alters durch einkommensabhängige Einzahlung in die Rentenversicherung usw. Arbeit, Veränderungen ● Das Arbeitsleben hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Erwerbsbiografien, bei denen jemand 40 oder mehr Jahre im selben Beruf oder gar im selben Betrieb arbeitet, sind heute eine Seltenheit. Veränderungen betreffen u. a.: –– Geschwindigkeit des Wandels, –– Dauer von Arbeitsverhältnissen, Arbeitsplatzunsicherheit (Teilzeit, Minijobs …), –– technische Neuerungen, Digitalisierung,

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Gerontologie – das Altern verstehen

–– Formen der Zusammenarbeit (Homeoffice, Desk-Sharing, Telemanagement …), –– Stellen-, Betriebs- und Berufswechsel, Umschulung, Weiterbildung … –– Trennung von Arbeit und Freizeit usw. Die Veränderungen bedeuten – je nach Situation und Einstellung – sowohl Chancen als auch Risiken für den Einzelnen. Entberuflichung ● Beschreibt die Befreiung des Alters von Erwerbsarbeit. Nach Ende des Arbeitslebens stehen dem Menschen durchschnittlich noch rund 20 Lebensjahre bevor. Trotz der gesetzlichen Regelaltersgrenze von 67 Jahren15 ermöglichen unterschiedliche Modelle der Lebensarbeitszeit ein früheres Ende der Erwerbstätigkeit. So beginnt für den Durchschnitt der Bevölkerung das Rentenalter bereits mit ca. 61 Jahren. Wurde bis vor einigen Jahren die Entberuflichung noch als soziale Errungenschaft betrachtet und verteidigt, wird aktuell immer deutlicher, welche Herausforderung für Betroffene darin liegt, die nachberufliche Lebensphase erfolgreich zu gestalten. Rechtzeitige Planung ist nötig, um nicht in ein tiefes Loch zu fallen, wenn Arbeit als Taktgeber des Lebens ausfällt. ► Pensionierungsschock. Freizeit ● Wird sehr unterschiedlich definiert und verstanden. Gewöhnlich ist damit der Teil menschlicher Lebenszeit gemeint, der nicht beruflichen oder berufsähnlichen Tätigkeiten gewidmet ist und auch nicht der Befriedigung physiologischer Grundbedürfnisse wie Körperpflege, Schlaf oder Ernährung dient. Freizeit steht zur freien Verfügung und kann nach Belieben gestaltet werden. Die genaue Zuordnung ist durchaus eine Frage der individuellen Einstellung.  Freizeitgestaltung ● Ältere Senioren erklären häufig, keine Freizeit gehabt zu haben. Doch es gab früher sehr wohl freie Zeit, die dann aber nicht so benannt und oft im häuslichen Umfeld und ohne Kosten gestaltet wurde mit Handarbeiten, Musizieren, Spielen usw. 15 stufenweiser Anstieg von ehemals 65 Jahren im Jahr 2012 bis zum Jahr 2029 auf dann 67 Jahre

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BILDUNG & ARBEIT

Jüngeren Senioren ist das heutige Verständnis von Freizeit, oft benutzt im Gegensatz zur (Erwerbs-)Arbeit, sehr wohl geläufig. Dabei geht es häufig um organisierte, auch kommerzielle Aktivitäten, die oft außer Haus stattfinden. Pensionierungsschock ● Beschreibt den emotionalen Zustand, die psychische Belastung, die bei fehlender Planung durch die Leere nach dem Ende der Berufsphase entsteht. Rechtzeitige Vorbereitung auf den bevorstehenden Lebensabschnitt hilft, neue Aufgaben zu entdecken, Sinnerfüllung zu finden und am sozialen Leben teilzuhaben. Andernfalls drohen z. B.: –– fehlende Zeitstruktur, –– Verminderung von Sozialkontakten, –– Verminderung von Sinnesreizen, –– Verlust von Anerkennung und Wertschätzung, –– finanzielle Einbußen usw.

Lernen Ganzheitlichkeit ● Lernen ist viel mehr als nur Wissenserwerb. Schon Pestalozzi16 vertrat einen ganzheitlichen Ansatz mit seiner Forderung nach Bildung mit „  Kopf, Herz und Hand“. Die drei Bereiche Hirn, Herz und Hand stehen noch heute für ganzheitliches Lernen. –– Hirn: Kognition mit Wahrnehmen, Verarbeiten, Denken … –– Herz: Emotion mit Fühlen und Empfinden … –– Hand: Psychomotorik mit Handeln und Bewegen … Interaktionsorientiertes Lernen ● ► Soziales Lernen oder Verhaltenslernen.

16 Johann Heinrich PESTALOZZI (1746-1827), Schweizerischer Pädagoge und Sozialreformer

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Gerontologie – das Altern verstehen

Kognition ● (lat. cognoscere = kennenlernen, erkennen) Ist eine nicht klar abgegrenzte Sammelbezeichnung für Prozesse oder Strukturen, die mit Informationsverarbeitung (Wahrnehmen, Erkennen und Umsetzen) zusammenhängen – Denken, Vorstellen, Beurteilen, Erinnern … Kognitives Lernen ● Lernen über Einsicht. Im Gegensatz zum ► sozialen Lernen erfolgt es eher geplant und systematisch. Es dient dazu, sich Wissen anzueignen. Über Wahrnehmung, Vorstellung und Sprache werden Informationen aufgenommen und miteinander verknüpft. So entstehen dynamische Strukturen, die sich beim Prozess des Lernens immer wieder neu ordnen und anpassen. Lernen, Definition ● „Der Begriff umfasst alle individuellen, relativ dauerhaften Veränderungen des Verhaltens und Erlebens, die auf Erfahrung beruhen. Ausgeschlossen sind also nicht erfahrungsbedingte Veränderungen, die z. B. auf biologischer Reifung, auf der Einnahme von Medikamenten oder Alkohol, Ermüdung, Verletzungen oder der Anpassung an situative Faktoren wie Helligkeit, Lautheit und Temperatur basieren. In einem engeren Sinne umfasst Lernen lediglich bewusste und planvolle Bemühungen, sich Wissen (z. B. Vokabeln) oder spezifische Fertigkeiten (z. B. Autofahren) anzueignen.“17 Lernen ist ein Prozess. Beim Menschen geht es überwiegend um einsichtige, aktive und sozial vermittelte (► Sozialisation, Band 1) Aneignung von Kenntnissen, Fertigkeiten, Überzeugungen und Verhaltensweisen. Lernen, lebenslang ● Ein Leben lang müssen Menschen sich ständig auf Neues einstellen, Unbekanntes ausprobieren, Erfahrungen machen. Dabei ist das Ausmaß an Bereitschaft und Offenheit, an Neugier und Interesse individuell verschieden. Dennoch bleibt es niemandem erspart, sich an eine sich verändernde Umwelt und wechselnde Gegebenheiten anzupassen. Wer in seiner Umgebung weitgehend selbstständig zurecht-

17 Aus: Brockhaus Online-Enzyklopädie, https://brockhaus.de/ecs/enzy, letzte Abfrage 20.01.2019

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kommen möchte, muss ständig Neues lernen. Das gilt besonders heute in einer schnelllebigen Welt. Die heutigen Senioren mussten z. B. lernen, mit neuen Währungen umzugehen, sich an wechselnde politische Systeme anzupassen und mit fortschreitender Technik ihren Alltag zu gestalten. Dabei spielt die Umstellung auf eine digitale Welt, mit der diese Generationen nicht aufgewachsen sind, eine wesentliche Rolle. Ob Telefon, Haushaltsgeräte oder Fahrkartenautomat – ohne Computertechnik kommt niemand mehr im Alltag aus. Dazu kommen individuelle Veränderungen, wenn alte Menschen lernen müssen, mit ihren Erkrankungen umzugehen, Medikamente richtig einzunehmen usw. Lernen, Wirkungen ● Lernen ist Persönlichkeitsentwicklung und erfolgt lebenslang. Es ermöglicht dem Menschen, sich wechselnden Erfordernissen anzupassen und ist sinnstiftend. Die Teilnahme an Bildungsangeboten im Alter bedeutet außerdem soziale Partizipation (Teilhabe) und Kompetenzerwerb und -erhalt. Damit ist Lernen ein wichtiger Baustein zum Erhalt von Selbstständigkeit und Selbstwertgefühl. Erwachsene, die freiwillig Bildungsangebote wahrnehmen, sind glücklicher, fühlen sich gesünder, sind kontaktfreudiger und pflegen einen bewussteren Lebensstil als Menschen, die sich nicht an solchen Aktivitäten beteiligen.18 Motivation ● Ist wesentliche Voraussetzung für Lernerfolg und lässt Lernprozesse leichter, schneller und erfolgreicher verlaufen, unabhängig davon, ob es sich um kognitives oder soziales Lernen handelt. Soll z. B. ein alter Mensch lernen, mit einer neuen Gehhilfe umzugehen, braucht er mindestens die Motivation, überhaupt den gewohnten Sitzplatz und das eigene Zimmer zu verlassen, sich einen größeren Aktionsradius zu erschaffen und so wieder am Gemeinschaftsleben auf dem Wohnbereich teilzunehmen. Geschieht dort nichts für ihn Interessantes,

18 Vgl.: Europäische Studie zum Nutzen von lebenslangem Lernen, BeLL (Benefits of Lifelong Learning) 2011-2014, https://www.die-bonn.de/id/32368/about/html/

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Gerontologie – das Altern verstehen

hat er nicht das Gefühl, dass ihm etwas entgeht, wird die Motivation, den Umgang mit dem neuen Rollator zu lernen, relativ gering sein. Für Pflege- und Betreuungspersonen ist es daher wichtig, individuelle und erreichbare Ziele zu finden, die dem alten Menschen Motivation geben. Soziales Lernen ● Wird auch bezeichnet als ► Verhaltenslernen oder ► interaktionsorientiertes Lernen. Alle drei Begriffe werden synonym verwendet. Dabei eignet sich der Mensch Verhaltensweisen an, z. B.: –– einfache motorische Reaktionen, –– komplexe Handlungsmuster und -abläufe, –– soziale Verhaltensweisen … Es erfolgt im Alltag, zu großen Teilen ungeplant und unkontrolliert, hat oft auch ungewollte Wirkungen. Unterschieden werden drei Prinzipien des Sozialen Lernens: –– ► Signallernen, auch als ► klassisches Konditionieren bezeichnet, ––

► Verstärkungslernen, auch als ► instrumentelles Konditionieren

oder ► operantes Konditionieren oder ► Lernen aus Konsequenzen bezeichnet,

––

► Beobachtungslernen, auch ► Imitationslernen.

Verhaltenslernen ● ► Soziales Lernen oder „ Interaktionsorientiertes Lernen“.

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BILDUNG & ARBEIT

Verhaltenslernen

Beobachtungslernen ● Auch Imitationslernen oder Modelllernen. Lernen durch Nachahmung von komplexen Verhaltensmustern und Handlungsabläufen, z. B. handwerkliche, sportliche, künstlerische Fertigkeiten wie Tanzen, Skilaufen, Klettern, Klavierspielen, Stricken … Auf diese Weise lernt der Mensch auch soziale Verhaltensweisen, z. B. Benimm- und Begrüßungsrituale, Umgang mit Situationen wie wann geweint oder gelacht werden darf, Einstellungen, Überzeugungen, Abwehrmechanismen, (Über-)Lebenstechniken usw. Nachahmen hilft dem Menschen, sich umfassende Verhaltensmuster anzueignen, ohne diese systematisch aufbauen und verstehen zu müssen. Modelllernen, stellvertretend ● Empfängt eine Modellperson für ein bestimmtes Verhalten eine Belohnung, steigt beim Beobachter die Wahrscheinlichkeit für Nachahmung des Verhaltens in ähnlichen Situationen. Hier wird quasi am Verhalten von anderen, von Stellvertretern, gelernt. Das erlernte Verhalten muss nicht immer sofort angewandt werden, sondern kommt oft viel später zum Einsatz. So verhalten sich häufig Kinder erst im Erwachsenenalter so, wie sie es bei ihren Eltern beobachtet haben. Mit zunehmendem Alter verringert sich die Empfänglichkeit für Vorbilder, weil die Persönlichkeit ausgereifter ist und immer mehr Erfahrungen eine eigene Bewertung ermöglichen. Imitationslernen ● ► Beobachtungslernen, auch als  „Lernen am Modell“ bezeichnet. Klassisches Konditionieren ● Auch als Signallernen bezeichnet.19 Dieses Prinzip des Verhaltenslernens beschreibt eine gelernte, reflexartige Reaktion auf einen neutralen Reiz, der diese Reaktion normalerweise nicht auslöst. Wird ein neutraler Reiz, z. B. ein Ton, der wiederholt erklingt in unmittelbar zeitlicher Nähe eines unbedingten Reizes, z. B. in Augennähe ein Luftzug, der reflexartigen Lidschluss auslöst, so wird nach einiger Zeit 19 Die Methode, entwickelt von Iwan Petrowitsch PAWLOW (1849-1936), russ. Physiologe, wurde bekannt mit dem Experiment der  „Pawlow’schen Hunde“.

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Gerontologie – das Altern verstehen

das Lid allein durch den Ton als Reiz geschlossen, selbst wenn kein Luftzug vorhanden ist. Die Bindung gefühlsmäßiger Reaktionen an Gegenstände und Personen über klassisches Konditionieren spielt im menschlichen Leben eine wichtige Rolle. Im Prinzip können konditionierte Reaktionen wieder gelöscht werden. Mit negativen Gefühlen, z. B. Schmerz oder Angst, verknüpfte Reize sind jedoch stark löschungsresistent. Konditionieren ● (lat. conditio = Bedingung; conditionieren = bestimmte Verhaltensweisen bzw. Eigenschaften verleihen) In der Psychologie bezeichnet dieser Begriff das Verbinden von zwei Dingen, die zunächst nichts miteinander zu tun haben. Er wird benutzt für Lernvorgänge, bei denen Reaktionen oder Verhaltensweisen mit bestimmten Reizen verknüpft werden, von denen sie später mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut ausgelöst werden können. Unterschieden werden zwei Arten des Konditionierens: –– Das so genannte ► Klassische Konditionieren und –– das Instrumentelle oder ► Operante Konditionieren. Modelllernen ● ► Beobachtungslernen. Operantes Konditionieren ● Auch als „  Instrumentelles Konditionieren“ oder Verstärkungslernen bezeichnet, beschreibt das Lernen aus Erfolg und Misserfolg. Der Prozess läuft nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum ab. Die auf ein Verhalten folgende Konsequenz entscheidet darüber, ob das Verhalten wiederholt wird oder nicht. Konsequenzen wie Lob oder Bestrafung werden als Instrumente zum Erreichen eines Ziels eingesetzt. Folgt auf ein Verhalten eine angenehme Konsequenz, eine Belohnung (positive Verstärkung), wird es in Zukunft wahrscheinlich häufiger auftauchen. Wird dagegen ein Verhalten bestraft (negative Verstärkung), wird die handelnde Person es künftig eher vermeiden. Positive Konsequenzen sind hohe Effektivität, also wenn ein Ziel (schnell) erreicht wird im Sinn einer inneren Verstärkung durch die betroffene Person selbst oder hohe Akzeptanz, erkennbar an Aufmerksam-

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keit, Anerkennung, Lob usw. als Verstärkung von außen, also von anderen Personen. Negative Konsequenzen sind geringe Effektivität, also wenn ein Ziel nicht oder nicht in vollem Umfang erreicht wird, als innere und Ablehnung oder Missbilligung als äußere Verstärkung. Vor allem die positive Verstärkung kann im Pflegealltag erfolgreich genutzt werden. Geht z. B. eine Pflegekraft immer mal zwischendurch in das Zimmer einer Bewohnerin und widmet ihr kurz Aufmerksamkeit, wenn sie gerade nicht gerufen oder geklingelt hat, kann das dazu führen, dass sie nach einiger Zeit ihr ständiges Klingeln einstellen wird. Verstärkung ● Bezeichnung für Verhaltenskonsequenzen, welche die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung des betreffenden Verhaltens durch Erfolgserlebnis oder Belohnung (positive Verstärkung) bzw. Abschwächung oder Ausbleiben unangenehmer Reize (negative Verstärkung) beeinflussen. ► Operantes Konditionieren.

Kognitives Lernen Fluide Intelligenz ● Auch als flüssige Intelligenz bezeichnet, ist die Fähigkeit zu schlussfolgerndem Denken und die Begabung, neue Probleme zu lösen, für die kein Rückgriff auf Erfahrung möglich ist. Dazu gehören Wahrnehmungsschnelligkeit, Schnelligkeit und Präzision der Informationsverarbeitung, räumliches Vorstellungsvermögen, Denkflexibilität, Kombinationsvermögen usw. Diese Fähigkeiten sind abhängig von neurophysiologischen Prozessen im Zentralnervensystem und unterliegen daher alternsbedingten Veränderungen. Sie sind jedoch durch zielgerichtetes ► Training beeinflussbar! Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE) ● Die deutschsprachige Version des von David Wechsler20 entwickelten Intelligenztests. Der Test enthält einen Verbal- und einen Handlungsteil, jeweils mit Untertests. Dabei wird sprachliche Intelligenz über allgemeines 20 David WECHSLER (1896-1981), US-amerikanischer Psychologe, beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit Intelligenzmessung

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Wissen, Zahlen-Nachsprechen, Wortschatztest, rechnerisches Denken, Allgemeinverständnis und Finden von Gemeinsamkeiten geprüft. Im Handlungsteil geht es um Bilderergänzen, Bilderordnen, Mosaiktest, Figurenlegen und einen Zahlen-Symbol-Test. Intellekt ● (lat. intellectus = Verständnis, Einsicht) Fähigkeit des Erkennens, Vernunft, Verstand. Die Fähigkeit, Dinge und Zusammenhänge ihrem Wesen nach zu erfassen. Intelligenz ● (lat. intellegere = wahrnehmen, merken, erkennen) Obwohl der Begriff seit über 100 Jahren existiert, gibt es bisher keine allgemein anerkannte, abgegrenzte Definition, sondern lediglich unterschiedliche Beschreibungen nach verschiedenen Merkmalen. Im engeren Sinn wird Intelligenz als eine messbare Dimension der Persönlichkeit verstanden. ► Intelligenztest. Im allgemeinen Verständnis bedeutet Intelligenz die Fähigkeit zu Denkprozessen, die eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit der Umwelt ermöglichen. Bei vielen unterschiedlichen Definitionen ergeben sich als Gemeinsamkeiten besonders vier Aspekte, die Intelligenz beschreiben: –– Begabung oder Gruppe von Begabungen, die Lebewesen in unterschiedlichem Maß besitzen können. –– Fähigkeit zur Lösung konkreter und abstrakter Probleme und zur Bewältigung neuartiger Situationen. –– Fähigkeit zum Erfassen, Deuten und Herstellen von Sinnzusammenhängen. –– Fähigkeit, die das Lernen durch Versuch und Irrtum oft überflüssig macht. Intelligenz, Alltagsverständnis ● Der Volksmund übermittelt häufig ein anderes Verständnis von Intelligenz als die Wissenschaft. Im täglichen Umgang wird oft als intelligent angesehen, wer –– schlagfertig und selbstbewusst auftritt, –– selbstbewusst seine Meinung vertritt, –– ein gutes Detailgedächtnis besitzt,

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–– über einen hohen Bildungsabschluss verfügt, –– Bücher schreibt, finanziellen oder beruflichen Erfolg hat … All diese Merkmale haben jedoch mit dem wissenschaftlichen Verständnis nur sehr begrenzt zu tun. Intelligenzquotient ● „Abkürzung IQ, Globalmaß zur Bestimmung der allgemeinen geistigen Leistungsfähigkeit des Menschen, das ursprünglich von W. Stern21 vorgeschlagen wurde. Dabei wird das im ‚Binet-SimonTest‘22 erreichte ‚Intelligenzalter‘ durch das Lebensalter dividiert und mit 100 multipliziert. Entspricht das Intelligenzalter dem Lebensalter, wird also ein Wert von 100 bestimmt, der als Normalwert gilt. Gegen die Berechnung des Intelligenzquotienten wurden in der Psychologie zahlreiche Einwände erhoben. Heute wird der Intelligenzquotient als Abweichung vom Mittelwert der erreichten Testpunkte in einer sogenannten Eichungsstichprobe (repräsentative altersbezogene Auswahl von Menschen, bei denen der Test durchgeführt wurde) bestimmt; die Bezeichnung ‚Quotient‘ stimmt daher eigentlich nicht mehr.“23 Der IQ-Wert kann sich trainingsabhängig oder krankheitsbedingt verändern. Menschen mit Demenz erreichen niedrigere Werte als vor Ausbruch der Erkrankung. Intelligenzquotient, Verteilung ● Die Grundlage zur Berechnung der IQ-Verteilung erfolgte vor mehr als 100 Jahren und hat sich bis heute nicht grundlegend verändert. Der durchschnittliche Wert liegt bei 100. Die so genannte Standardabweichung beträgt 15. Also liegen Personen mit einem IQ zwischen 85 und 115 im Normbereich. Dies trifft für die große Mehrheit der Bevölkerung zu. Werte zwischen 115 und 130 gelten als überdurchschnittlich, ab 130 als hochbegabt. Werte unter 85 werden als unterdurchschnittlich eingeordnet, unter 70 als extrem niedrig. 21 William STERN (alias Ludwig Wilhelm Stern, 1871-1938), deutscher Psychologe, Entwickler des ersten Intelligenzquotienten 22 Der erste Intelligenztest wurde 1905 von Alfred BINET (1857-1911) und Théodore SIMON (1872-1961) entwickelt. 23 Aus: Brockhaus Online-Enzyklopädie, https://brockhaus.de/ecs/enzy, letzte Abfrage 26.01.2019

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Intelligenztest ● Instrument der Psychologie zur Diagnostik der Intelligenz einer Person. Mit einem solchen Untersuchungsverfahren werden Intelligenzniveau und -struktur anhand von Aufgaben und Problemstellungen unterschiedlicher Qualität und Schwierigkeit ermittelt. Es gibt viele verschiedene Tests. Einer der bekanntesten ist der ►  „Hamburg-WechslerIntelligenztest für Erwachsene (HAWIE)“. Es gibt trotz vieler verschiedener Test-Kategorien Arten und Bereiche von Intelligenz, die sich mit bestehenden Testmethoden nicht ermitteln und klassifizieren lassen. Kristalline Intelligenz ● Umfasst erworbenes Wissen sowie die Gesamtheit von Fähigkeiten und Erfahrungen. Dieser Bereich der Intelligenz baut auf Wortverständnis, Sprachgewandtheit und Rechenfähigkeit etc. auf und beinhaltet angesammeltes Kulturwissen, Lebenserfahrungen und -erkenntnisse sowie in der Sozialisation erworbenes Wissen und Können. Die kristalline Intelligenz kann bis ins hohe Alter hinein zunehmen. Lernhemmung ● Unsicherheit und Angst, nicht lernen zu können, bereiten im Alter oft mehr Probleme als tatsächlich nachlassende Fähigkeiten. Die grundsätzliche Fähigkeit zum Lernen ist beim hirngesunden Menschen im Alter uneingeschränkt vorhanden, lediglich unter anderen Bedingungen als früher. ► Veränderungen im Lebenslauf. Neurogenese ● Entstehung und Entwicklung von Nervenzellen. Entgegen früherer Vorstellung erfolgt die Neurogenese nicht nur in der Embryonalentwicklung und bei Kindern, sondern funktioniert ebenso im Nervensystem von Erwachsenen, dann bezeichnet als  „adulte Neurogenese“. Funktionstüchtig werden die neuen Zellen jedoch nach heutigem Kenntnisstand nur dann, wenn die entsprechenden Hirnregionen beansprucht werden. Dabei kann es sich sowohl um motorische als auch um kognitive Lernreize handeln. Daher ist entsprechendes ► Training bis ins hohe Alter sinnvoll und notwendig. Neuroplastizität ● Beschreibt die Fähigkeit von Nervenzellen, Synapsen oder ganzen Hirnarealen, sich verwendungsabhängig zu verändern.

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Die Neuroplastizität bleibt ein Leben lang erhalten. So kann das Gehirn sich immer wieder neu strukturieren und regenerieren und an sich verändernde Bedingungen anpassen. Das ist besonders wichtig, wenn es darum geht, durch Erkrankung geschädigte Hirnareale mit gezielter Stimulation zu fördern, so dass die Funktionen geschädigter Bereiche reorganisiert oder kompensiert werden. Training ● Geistige Leistungsfähigkeit lässt sich trainieren – in jedem Alter. Umgekehrt führt ein Mangel an Reizen und geistiger Betätigung zum Abbau kognitiver Fähigkeiten. Daher sollte ein gezieltes und regelmäßiges Kognitionstraining zum Angebot jeder Pflegeeinrichtung gehören. Wie dieses Training konkret aussehen muss, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollten, ist individuell verschieden. Das weit verbreitete Gedächtnistraining erfüllt solche Anforderungen nur dann, wenn es nach aktuellem Stand der Wissenschaft durchgeführt wird und deutlich über das bloße Ergänzen von Sprichwörtern hinausgeht. Vor allem geht es weniger um das Gedächtnis, sondern vielmehr um andere Hirnfunktionen und das Arbeitsgedächtnis. Der Begriff  „Gehirntraining“ ist daher treffender. Gezielte und regelmäßige Bewegung fördert ebenso die Hirnleistung. Ideal ist eine Kombination von Denken und Bewegen. Dazu sollte jedem alten Menschen die Möglichkeit gegeben sein, um die eigenen Fähigkeiten zu erhalten und bei Bedarf auszubauen. Veränderungen im Lebenslauf ● Zusammenfassen lassen sich Veränderungen mit einem Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach24:  „In der Jugend lernen wir, im Alter verstehen wir.“ Die Lernfähigkeit des Menschen wandelt sich in den Lebensphasen. Die Art und die Methoden des Lernens verändern sich. In ihrer Gesamtheit müssen jedoch (entgegen den völlig veralteten Vorstellungen des so genannten Defizitmodells!) kognitive Fähigkeiten im Alter keinesfalls abnehmen. Eine der wichtigsten Veränderungen liegt im Faktor Zeit. Ältere Menschen benötigen mehr Zeit und häufigere Wiederholungen als dieselben 24 Marie von EBNER-ESCHENBACH (1830-1916), österreichische Schriftstellerin

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Personen in früheren Lebensabschnitten. Lernergebnisse können am Ende jedoch genauso gut sein wie früher, wenn die Bedingungen stimmen. Die Speicherungsfähigkeit für zusammenhanglose Details wird schlechter. Deshalb ist so genanntes ► informelles Lernen für Senioren wichtig. Haben Ältere die Übersicht über Sinnzusammenhänge, können sie Inhalte oft leichter erfassen als in jüngeren Jahren. Mit dem Alter erhöht sich die Auswahlfähigkeit, d. h. es wird leichter unterschieden zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen. Die Motivation beim freiwilligen Lernen ist meist höher als bei Jungen und kann erhöhte Ermüdbarkeit und gesundheitliche Schwankungen ausgleichen. Entscheidend sind im Alter die Lerntechniken. Dabei erhöht es den Lernerfolg, wenn Inhalte multimodal angeboten werden und Geschriebenes, Gehörtes, Gesehenes, Veranschaulichtes, Erlebtes ... zum gleichen Thema einander abwechseln.

Möglichkeiten & Angebote Bildung im Pflegeheim ● Wer in einer stationären Pflegeeinrichtung wohnt, ist meist nicht mehr mobil genug, um an externen Bildungsangeboten teilzunehmen. Daher sind bildungsorientierte Angebote vor Ort in der Einrichtung sinnvoll. Die Auswahl und Ausrichtung der Maßnahmen muss sich an den Bedürfnissen der Bewohner orientieren und kann reichen von der täglichen Zeitungsrunde über Literaturzirkel, Theater und Konzert bis hin zu Kursen rund um Bewegung, Computer, Handy und Tablet bis hin zu alltagspraktischen Themen wie Vorträgen über Vorsorge usw. Oft mögen sehr alte Menschen sich nicht mehr an Gruppenaktivitäten beteiligen. Für sie sollten Möglichkeiten genutzt werden, die ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen, um den Bildungshunger zu stillen, z. B. mit Unterstützung in Form von Einzelaktivierung oder indem Material für autodidaktische Aktivitäten zur Verfügung gestellt wird wie Hör- und Großdruckbücher, E-Books und E-Book-Reader, Lesegeräte für Sehbehinderte, PC-Arbeitsplätze, interaktive Online-Spiele wie Schach, Hilfsmittel zum Schreiben usw.

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Bildungseinrichtungen ● Beinahe jede Bildungseinrichtung hat heutzutage Angebote auch für Senioren im Programm, sei es in Form spezieller Kurse, sei es in integrativen Lerngruppen. Vorträge, Seminare und Workshops bieten eine große Auswahl zu unterschiedlichen Themen. Wahlweise können Teilnehmende entweder passiv Informationen aufnehmen oder sich aktiv in die Gestaltung einbringen. Senioren finden, je nach Interesse, Bildungsmöglichkeiten, z. B. bei Volkshochschulen, kirchlichen Bildungswerken, in der Ländlichen Erwachsenenbildung, in Seniorenbüros, privaten Akademien, Kulturvereinen, bei Krankenkassen, Turn- und Sportvereinen, Fitnessstudios usw. Wer in der Nähe einer Universitätsstadt wohnt, kann auch ohne Hochschulreife eine Reihe von Veranstaltungen besuchen. ► Seniorenstudium. Viele Bildungsangebote, auch für Senioren, werden aktuell von unterschiedlichen Trägerorganisationen online angeboten. So können vor allem die älteren Menschen, die nicht mehr mobil sind, sich an Maßnahmen beteiligen. Zurzeit werden solche Möglichkeiten noch eher von jüngeren Senioren wahrgenommen. Auch Pflegeeinrichtungen können als Träger und Veranstalter von Bildungsangeboten auftreten. Sie haben u. a. den Auftrag, bei alten Menschen Motorik und Kognition zu fördern. Dazu gehören bildungsorientierte Beschäftigungsangebote. Bildungsportale ● Das Internet bietet auf zahlreichen Bildungsportalen unterschiedlicher Träger eine Übersicht über die Vielfalt an Angeboten der Seniorenbildung. Solche Portale gibt es teils als Service von Bundesländern25 oder Landkreisen, teils von freien Verbänden und Organisationen26. Ermöglichungsdidaktik ● Ist eine spezielle Form der Didaktik (Lehre vom Lehren und Lernen), bei der Selbstbestimmung und Selbststeuerung im Mittelpunkt stehen. Der Begriff wurde geprägt von R. Arnold27. Nach seiner Vorstellung setzen die Lernenden ihre Lernziele selbst, während die 25 Z. B. Bildungsportal Thüringen: https://www.bildungsportal-thueringen.de/seniorenbildung 26 Z. B. Bildungsportal der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO): https://www.wissensdurstig.de 27 Rolf ARNOLD (*1952), deutscher Pädagoge

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Lehrkraft – oder in Pflegeeinrichtungen z. B. die Betreuungskraft oder Alltagsbegleiterin – für passende Rahmenbedingungen sorgt. Dieses Prinzip, das Individualität in den Mittelpunkt stellt, wird bei nachfolgenden Bewohner-Generationen, die in höherem Maß als die derzeit Hochaltrigen an Selbstbestimmung gewöhnt sind, in Pflegeeinrichtungen vermutlich an Bedeutung gewinnen. Informelles Lernen ● Beschrieb ursprünglich das Lernen außerhalb klassischer Bildungseinrichtungen. Es vollzieht sich im Alltag und ist häufig auf das konkrete Lösen aktueller Probleme ausgerichtet. Zunehmend wird der Begriff weiter gefasst und in Bildungsangebote für Erwachsene in dem Sinn aufgenommen, dass dort vermehrt ganzheitlich gelernt wird. Gerade für Senioren entspricht dieser Ansatz den Bedürfnissen, wenn multimodal (auf viele verschiedene Arten) und in Sinnzusammenhängen gelernt wird. Konkret bedeutet das, Themen nicht nur theoretisch zu vermitteln und zu behandeln, sondern Teilnehmende selbst zu Akteuren zu machen, Inhalte über Spiele und praktisches Tun mit Lerninhalten vertraut zu machen. Partizipation ● Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein Stück Bildung. So gehören die aktive Teilnahme z. B. an jahreszeitlichen Veranstaltungen im Wohnumfeld, an kulturellen Festen, an Selbsthilfegruppen oder die Betätigung in lokalen Vereinen und bürgerschaftliches Engagement ebenso dazu wie der Austausch mit anderen Generationen bei Projekten wie Erzählcafés oder Lesepaten. Seniorenstudium ● Die meisten Universitäten stehen mit Teilen ihres Angebots Senioren offen. Abhängig vom Bildungsniveau, können diese reguläre Veranstaltungen besuchen und als ordentliche Studenten ein Vollstudium mit entsprechenden Abschlüssen absolvieren oder sich als Gasthörer einschreiben. Wer keine allgemeine Hochschulreife hat, kann an vielen Hochschulen spezielle Veranstaltungen besuchen, die unter Titeln wie „ Universi-

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tät des dritten Lebensalters“28 laufen. Von Senioren bevorzugte Studienfächer sind Geistes- und Sozialwissenschaften, Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften. Viele ältere Menschen erfüllen sich mit einem Studium im Rentenalter noch einen Lebenstraum.

28 Die Frankfurter Goethe-Universität gehörte zu den Pionieren der  „U3L“, der Universität des dritten Lebensalters, und bietet seit vielen Jahren pro Semester weit mehr als 100 Veranstaltungen für Ältere an.

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ANHANG Stichwortverzeichnis A

Beziehungen 16 Beziehungsraum 52 Bigamie 33 Bildungseinrichtungen 96 Bildungsportale 96 Bildungsverlauf 80 Biografiearbeit 13 Biografieorientierung 15 Bisexualität 28 Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) 73 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 73

Abbeyfieldhäuser 64 Aktionsraum 52 Alterssexualität 32 Ambient Assisted Living (AAL)  56 Änderungsbedarf, Kriterien  56 Anknüpfungspunkte 15 Anthropometrische Barrieren  57 Arbeit, Bedeutung  82 Arbeit, Veränderung  82 Asexualität 28 Atmosphäre 69 Aufklärung 33 Ausbildung 80 Ausdrucksformen 38 Äußere Geschichte  13 Autobiografie 13

D Datenschutz 23 Demenz 44 Demenzdörfer 66 Demenz-Wohngemeinschaft 66 Doppelmoral 33

B Barrierefreiheit 57 Bedeutung von Wohnraum  52 Bedürfnis 39 Begehren 39 Beobachtungslernen 88 Beruf 16 Berufswahl 80 Betreutes Wohnen  65

E Ehe 33 Einleben im Heim  69 Emotionen  25, 45 Emotionen, Gepflegte  45 Emotionen, Pflegende  45

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Geschlechtsmerkmale, tertiär  29 Gewinn- und Verlust­ erfahrungen 70 Grundhaltung 47

Entberuflichung 83 Episodisches Gedächtnis  19 Ereignisse 16 Erfahrungen 9 Ergonomische Barrieren  58 Erinnerungskoffer 23 Erinnerungsraum 53 Erlebnisse 17 Ermöglichungsdidaktik 96 Erotik 28 Erregung 39

H Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE)  90 Haustiere 17 Heimat 17 Heterosexualität 30 Hochzeitsjubiläen 34 Homosexualität 30 Horizontale Barrieren  58

F Falsche Erinnerungen  19 Flucht 16 Fluide Intelligenz  90 Fortpflanzung 28 Frau, Veränderungen  39 Freizeit 83 Freizeitgestaltung 83

I Identität 53 Imitationslernen 88 Individualität 14 Informationssammlung 21 Informelles Lernen  97 Instrumentelles Konditionieren 89 Intellekt 91 Intelligenz 91 Intelligenz, Alltagsverständnis  91 Intelligenzquotient 92 Intelligenztest 93 Interaktionsorientiertes Lernen  84 Intersexualität 30 Intimität 53 Intimsphäre 47

G Gastfamilie 66 Gedächtnis 19 Gedächtnissysteme 20 Gegengeschlechtliche Pflege  46 Gegenwart 18 Gender 33 Gendersensible Pflege  34 Geschlechtsmerkmale 29 Geschlechtsmerkmale, primär 29 Geschlechtsmerkmale, sekundär 29

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K

Monogamie 34 Moral 18 Motivation 86

Klassisches Konditionieren  88 Kognitives Lernen  85 Kommunikationsfunktion 30 Konditionieren 89 Kostenträger 58 Krieg 55 Kristalline Intelligenz  93 Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) 74

N Nähe – Distanz  47 Neurogenese 93 Neuroplastizität 93

O Oberschule 81 Operantes Konditionieren  89 Orgasmus 31

L Langzeitgedächtnis 19 Lebensbilanz 18 Lebensbuch 22 Lebenslauf 14 Lebensstile 17 Lehre 81 Lernen aus Konsequenzen  87 Lernen, Definition  85 Lernen, lebenslang  85 Lernen, Wirkungen  86 Lernhemmung 93 Lesben 30 Libido 31 Liebeszimmer 42 Lust 31

P Partizipation 97 Partnerschaft 25 Partnerschaft, neu  35 Partnersuche 35 Partnerverlust 36 Pensionierungsschock 84 Personenbeschreibung 14 Persönlichkeit 17 Perzeptuelles Gedächtnis  20 Pflegebedürftigkeit 40 Pflegeheim 71 Pflegehotel 72 Pflegekraft, Schutz  48 Pflegeplanung  15, 42 Pflegestützpunkt 59 Plattenbausiedlung 67 Polygamie 36 Priming 20 Privatheit 43

M Mann, Veränderungen  40 Masturbation 40 Methoden 22 Mittelschule 81

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Sexuelle Revolution  37 Signallernen 88 Soziale Netzwerke  60 Soziales Lernen  87 Sozialfunktion 32 Stammbaum 22 Stammdaten 22

Privatsphäre 53 Prozedurales Gedächtnis  21

Q Quartierskonzepte 59

R Räumliche Barrieren  59 Reisen 17 Religion 36 Reminiszenz 22 Rückzugsmöglichkeiten 43 Rund-um-die-Uhr-Pflege 60

T Tabu 38 Tagesstruktur 52 Technik 61 Teilstationäre Versorgung  72 Transsexualität 32 Trennung 17

S Scheidung 37 Schule 80 Schutz- und Privatraum  53 Selbstbefriedigung   40 Selbstwissen 15 Semantisches Gedächtnis  21 Seniorendörfer 68 Seniorengenossenschaft 60 Seniorenresidenz 72 Seniorenstudium 97 Sensorische Barrieren  60 Servicewohnen 68 Sexualassistenz 43 Sexualassistenz, aktiv  43 Sexualassistenz, passiv  44 Sexualbegleitung 44 Sexualerziehung 37 Sexualität 31

U Umzug, Zeitpunkt  62 Umzugsgründe 61 Universität des dritten Lebens­ alters 98

V Veränderungen im Lebens­lauf  62, 94 Vergangenheit 18 Verhaltenslernen 87 Verstärkung 90 Verstärkungslernen 87 Vertikale Barrieren  63 Vertreibung 18 Volksschule 81 Vollstationäre Versorgung  72 Vorlieben 21

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W Wechseljahre 41 Wechseljahre, Frauen  41 Wechseljahre, Männer  41 Wertvorstellungen 17 Wohnberatung 63 Wohnberatungsstellen 63 Wohnbiografie 54 Wohnen für Hilfe  68 Wohnmobilität 63 Wohnungsanpassung 64

Z Zeitgeschichte 55 Zeitreisen 23 Zielgruppen, speziell  73 Zukunft 18 Zusammenleben 53

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Zum Weiterlesen Altershilfe, Kuratorium Deutsche (2018): ProAlter Ausgabe 3/2018. Pflege und Wohnen: Entwicklungen auf dem richtigen Weg? 1. Auflage. Heidelberg, Neckar: medhochzwei Verlag. Beier, Klaus M.; Loewit, Kurt (2011): Praxisleitfaden Sexualmedizin. Von der Theorie zur Therapie. Berlin, Heidelberg, New York, NY: Springer Medizin. Besser, Jutta (2010): Zusammen ist man nicht allein. Alternative Wohnprojekte für Jung und Alt. Mannheim: Patmos. Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Hg.) (2011): Das richtige Pflege- und Seniorenheim. Rechtliche Tipps für Senioren und ihre Angehörigen. Unter Mitarbeit von Katrin Markus. Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. 2. Aufl. München: C. H. Beck. Forum Gemeinschaftliches Wohnen e. V., Bundesvereinigung (Hg.) (2018): Modellprogramm Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben. Gemeinschaftliches Wohnen plus. Teilhabe Pflege Fürsorge Beratung, Online verfügbar unter http://wohnprogramm.fgw-ev.de/, zuletzt geprüft am 18.01.2019. Friebe, Jens (2009): Bildung bis ins hohe Alter? Anspruch und Wirklichkeit des Weiterbildungsverhaltens älterer Menschen in Deutschland. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (Die Fakten). Online verfügbar unter http://www.die-bonn.de/fakten, zuletzt geprüft am 27.01.2019. Friese, Andrea (2014): Bildungsressourcen hochaltriger Menschen im Alten- und Pflegeheim. Eine qualitative Studie zu vorhandenen Ressourcen und faktischer Bildungsbeteiligung von Menschen im hohen Lebensalter durchgeführt in einer stationären Senioreneinrichtung. Dissertation. Universität zu Köln. Online verfügbar unter https:// kups.ub.uni-koeln.de/5647/, zuletzt geprüft am 27.01.2019. Hess, Stephanie; Kempen, Thomas; Krause, Hans-Jürgen (2019): Barrierefrei-Konzept. Praxis-Leitfaden zum Nachweis der Barrierefreiheit im Neubau und Bestand. Köln: Verlag Rudolf Müller. Kerkhoff, Barbara (2014): Gedankenbaum. Mein persönliches Lebensbuch. Hannover: Vincentz Network. Kerkhoff, Barbara (2017): Die biografische Haltung. Der rote Faden im Pflegealltag. Hannover: Vincentz Network. Kremer-Preiß, Ursula (2014): Wohnatlas. Köln: KDA. Kruse, Andreas (Hg.) (2012): Weiterbildung in der zweiten Lebenshälfte. Bonn: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung.

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Anhang

Leipold, Bernhard (2012): Lebenslanges Lernen und Bildung im Alter. 1. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher, Bd. 759 : Psychologie). Michell-Auli, Peter; Sowinski, Christine (2013): Die 5. Generation: KDA-Quartiershäuser. Ansätze zur Neuausrichtung von Alten- und Pflegeheimen. 2., überarb. und erw. Aufl. Köln: KDA (Zukunft gestalten - Ansätze für die Praxis, Bd. 6). Oettgen, Nina (2016): Wohnen im Alter und für alle Generationen. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Online verfügbar unter https://www.kfw.de/PDF/DownloadCenter/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/Wohnungsunternehmen/Pr_KfW-Regionalkonferenz_Oettgen_2016_07_07.pdf, zuletzt geprüft am 27.01.2019. Paulsen, Gabriele (2018): Was Pflegekräfte über Sexualität im Alter wissen sollten. Bedürfnisse – Grenzen – Strategien. 1. Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag. Quilling, Kathrin (2015): Ermöglichungsdidaktik. Online verfügbar unter https://www. die-bonn.de/wb/2015-ermoeglichungsdidaktik-01.pdf, zuletzt geprüft am 27.01.2019. Scherf, Henning (2014): Altersreise. Wie wir altern wollen. 1. Aufl. Freiburg: Verlag Herder. Schmidt, Gunter (2014): Das neue Der Die Das. Über die Modernisierung des Sexuellen. Aktualisierte Neuaufl. Gießen: Psychosozial-Verlag. Zimmerli, Joëlle: Wohnbedürfnisse und Wohnmobilität im Alter – Heute und in Zukunft. Die Babyboomer und ältere Generation im Fokus. Online verfügbar unter http://www.zimraum.ch/studien/wohnbeduerfnisse-und-wohnmobilitaet-im-alterheute-und-in-zukunft.

Institutionen im Internet BIVA-Pflegeschutzbund https://www.biva.de Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) http://www.bagso.de Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnen für Hilfe https://www.hf.uni-koeln.de/wfh.php?id=30204 Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e. V. http://www.wohnungsanpassung-bag.de Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung https://www.bbsr.bund.de

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Bundesministerium für Bildung und Forschung https://www.bmbf.de Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) https://www.bmfsfj.de https://www.mehrgenerationenhaeuser.de Bundesministerium für Gesundheit https://www.bundesgesundheitsministerium.de Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) http://www.bpb.de Demenzdorf Hogeweyk https://hogeweyk.dementiavillage.com Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) http://dgfs.info Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA) https://www.dza.de Forum Gemeinschaftliches Wohnen e. V., Bundesvereinigung http://www.fgw-ev.de HyperJoint GmbH https://nullbarriere.de Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) https://kda.de Landesarbeitsgemeinschaft Wohnberatung NRW https://www.wohnberatungsstellen.de Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de

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Dank Es ist guter Brauch, sich am Ende eines Projekts zu bedanken bei allen, die auf unterschiedliche Weise zur Fertigstellung beigetragen haben. Das zu tun, ist mir ein wichtiges Anliegen, denn außer der Autorin haben eine Reihe weiterer Personen wesentlichen Anteil am Ergebnis einer umfangreichen Arbeit. So gilt mein Dank: –– Dr. Andrea Friese, meiner Autorenkollegin, mit der ich inzwischen freundschaftlich verbunden bin. Danke Andrea, dass du so tief in mein Buchprojekt eingetaucht bist! Die vielen persönlichen Gespräche und langen Telefonate gaben mir wichtige Impulse und Motivation. Die Tipps und Materialien, die du mir zur Verfügung gestellt hast, waren echte Bereicherung. Mit deiner Arbeitsdisziplin hast du mich so sehr angesteckt, dass nun der zweite Band viel schneller fertig wurde, als ich das geplant hatte. –– Bettina Schäfer, meiner langjährigen Lektorin, die immer für alles Verständnis und stets ein offenes Ohr hat, so manche wichtige Anregung gibt und nicht nur mich als Autorin  „pflegt“, sondern auch Highlights für meinen Hund Carlos im Blick hat. Geht es ihm gut, kann ich gut schreiben. Danke, dass Sie nie genervt sind, wenn ich so oft kurz vor Feierabend anrufe! –– Klaus Mencke, dem langjährigen Lektor, der alle Jahre wieder das Risiko eingeht, sich auf meine knappe Zeitplanung einzulassen. Danke, dass Sie immer wieder meinen Projekten und Ideen vertrauen und sie ins Programm aufnehmen. –– Schülerinnen und Schülern der Altenpflegeschule  „Sancta Maria“ in Bühl. In vielen Jahrgängen gab es immer wieder Schülerinnen, die bei der Arbeit mit den  „grünen Büchern“ (das Lehrbuch von 2002) mich zum Verfassen einer Neuauflage ermunterten. Danke für die Beharrlichkeit. –– Rita Zottl, der Grafikerin im Haus Vincentz Network, die das Layout des Buches entwickelt hat.

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Autorin Bettina M. Jasper Dipl. Sozialpädagogin Seit 1991 unterrichtet sie an der staatlich anerkannten Fachschule für Altenpflege Sancta Maria in Bühl in den Schwerpunkten Gerontologie, Aktivierung und Rehabilitation sowie Psychiatrie und im Fach Deutsch. Als lizenzierte Gehirntrainerin leitet sie in ihrer Denk-Werkstatt® Kurse, Seminare, Workshops und Therapieeinheiten. Sie ist vielfache Buchund Spieleautorin, freiberuflich tätig als Dozentin für verschiedene Träger in Altenpflege und Sport.

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Hinweis In dieser Reihe  „Gerontologie – Das Altern verstehen” ist bereits Band 1 „Den Blickwinkel erweitern“ erschienen. Bettina M. Jasper arbeitet zurzeit an Band 3 „Altern in der Gesellschaft” und an Band 4 „Mit alten Menschen arbeiten”. Stand März 2019

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