Garizim Und Synagoge: Traditionsgeschichtliche Untersuchungen Zur Samaritanischen Religion Der Aramäischen Periode [Reprint 2012 ed.] 3110018640, 9783110018646

Die Herausforderung religionsgeschichtlicher Forschung besteht darin, die Erschließung von Quellen in ihren Kontexten un

200 28 12MB

German Pages 392 Year 1971

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Garizim Und Synagoge: Traditionsgeschichtliche Untersuchungen Zur Samaritanischen Religion Der Aramäischen Periode [Reprint 2012 ed.]
 3110018640, 9783110018646

Table of contents :
I. Der Stand der Forschung
A. Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch
B. Arbeiten zur Geschichte und Religion
C. Aufgabe, Methode und Durchführung
DIE GESCHICHTE DER ANTIKEN SAMARITANER
II. Die Entstehung des Garizim-Kultes
A. Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr
B. Die Tempelgründung auf dem Garizim
C. Zusammenfassung und Erwägungen
III. Die Zeit des Tempels
A. Samaritanische Literatur aus der Zeit des Tempels
B. Unter seleukidisdier Herrschaft
C. Unter jüdischer Herrschaft
D. Zusammenfassung und Erwägungen
IV. Die Zeit des Umbruchs
A. Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz
B. Hoffnungen auf eine neue Heilszeit
C. Samaritanische Sekten
D. Die Samaritaner im Spiegel jüdischer Nachrichten
E. Zusammenfassung und Erwägungen
V. Die Synagoge
A. Wohnsitze und Synagogen der Samaritaner
B. Die Neuordnung durch Bābā Rabbā im 4. Jh. n. Chr
C. Zusammenfassung und Erwägungen
TRADITIONEN DER ANTIKEN SAMARITANER
VI. Die Stände des Volkes
A. Analyse des aramäischen Materials
B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
VII. Das Haus Gottes
A. Analyse des aramäischen Materials
B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
VIII. Die Garizim-Wallfahrt
A. Die Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. n. Chr
B. Analyse des aramäischen Materials
C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
IX. Der verborgene Miškān
A. Analyse des aramäischen Materials
B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
X. Joseph מלכה
A. Analyse des aramäischen Materials
B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
XI. Der Taheb
A. Das Material der nach-aramäischen Zeit
B. Analyse des aramäischen Materials
C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
XII. Der Prophet wie Mose
A. Das Material der vor-aramäischen Zeit
B. Analyse des aramäischen Materials
C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen
XIII. Die große Macht
A. Analyse des aramäischen Materials
B. Die Vorgeschichte der simonianischen μεγάλη δύναμις
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register
1. Namen und Sachen
2. Orte
3. Altes und Neues Testament
4. Jüdische Literatur
5. Heidnische, christliche und arabische Literatur
6. Samaritanische Literatur

Citation preview

w DE

G

ReHgionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Herausgegeben von

Walter Burkert und Carsten Colpe

Band XXX

Walter de Gruyter • Berlin · New York 1971

Garizim und Synagoge Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode

von Hans Gerhard Kippenberg

Walter de Gruyter · Berlin • New York 1971

ISBN 3 11 001864 0 © 1971 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 (Printed in Germany) Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomedianischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Satz und Druck: Franz Spiller, Berlin 36

MEINEN

ELTERN

VORWORT Diese Arbeit ist ein religionsgeschichtlicher Versuch und eine Vorarbeit. Mehr kann sie nicht sein, weil sie sich in ein Gebiet begibt, das erst wenige betreten haben. Die zahlreichen heidnischen, jüdischen und christlichen Nachrichten über Samaritaner regten keine profunde und kontinuierliche Untersuchung der Gemeinde zu Sichern an. Und auch die gelegentlichen neutestamentlichen Erwähnungen von Samaritanern weckten nicht jenen historischen Wissensdurst, den die theologische Wissenschaft ansonsten so auszeichnet. So blieb in der antiken Religionsgeschichte ein Raum ausgespart, den man mit Spannung betritt — allerdings nicht ohne Sorge, man könnte Wichtiges übersehen oder Belangloses überbewerten. Die Erforschung dieses Raumes kann schwerlich in einem Arbeitsgang geleistet werden. Erst eine breitere und längere Diskussion über die samaritanische Religion der Antike wird Hypothesen und verläßliche Ergebnisse trennen können, die jetzt vielleicht noch ineinanderliegen. Die vorliegende Untersuchung entstand in den Jahren 1964—68 und wurde der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation vorgelegt. Sie ist aus jahrelangen Studien bei Professor Dr. Dr. Carsten Colpe hervorgegangen. Als Prof. Colpe 1962 in Göttingen einen Lehrstuhl für Religionsgeschichte übernahm, führte mich ein Interesse an der sogenannten Umwelt des Neuen Testaments in seine Seminare. Noch im Banne der Hermeneutik Rudolf Bultmanns stehend meinte ich, die Besonderheit früher christlicher Verkündigung am besten auf Grund ihres Verhältnisses zu jüdischen oder hellenistischen religiösen Traditionen zu erfassen. Die Mitarbeit in den Seminaren von Prof. Colpe machte mir bewußt, daß alle religiöse Überlieferung bestimmt ist von dem historisch-sozialen Ort der Gemeinschaft, in der sie artikuliert und tradiert wird. Vor der Untersuchung von Traditionsflüssen zwischen verschiedenen Gruppen wie Essenern, Pharisäern, Judenchristen, Gnostikern muß eine Erfassung der inneren Struktur und des gesellschaftlichen Standortes dieser Gruppen stehen. Die religiösen Traditionen sind als Bewußtseinsformen zu interpretieren, in der diese

νπι

Vorwort

Gruppen ihre eigene Geschichte begreifen und handelnd gestalten. Diesem Ziel soll die Untersuchung der samaritanischen Religion der Antike dienen. Eine Auswertung sowohl in Richtung auf eine historische Religionssoziologie wie auf eine Geschichte der religiösen Gemeinschaften Palästinas ist nötig, hätte den Rahmen dieser Arbeit jedoch vollkommen gesprengt. D a s alles soll weniger die Intention dieser Arbeit benennen als den Anteil umschreiben, den die wissenschaftliche Arbeit in den Seminaren von Prof. Colpe an ihrem Werdegang gehabt hat. Herrn Prof. Colpe, der alle Etappen dieser Untersuchung mit Aufmerksamkeit begleitet hat, gehört daher mein großer Dank. Zahlreiche weitere Wissenschaftler haben mir wertvolle Hinweise gegeben: Herr Prof. Dr. W. Burkert zum Verständnis griechischer Nachrichten, Herr Dr. R. Hanhart zu Septuaginta-Fragen, Herr Prof. Dr. J . Jeremias zur Geschichte des Garizim-Kultes, Herr Prof. Dr. J . Macdonald in Leeds zur Interpretation samaritanischer Texte, Herr Prof. Dr. R. Macuch zur Ubersetzung aramäischer Stücke und Herr Dr. B. Schaller zum Verhältnis Samaritaner—Juden. Herr Prof. Colpe und Herr Prof. Burkert haben als Herausgeber der Reihe die Druckfahnen mitkorrigiert. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Gleiches gilt für die, die finanziell das Zustandekommen dieser Arbeit ermöglicht haben. Der Kirchenausschuß der Bremischen Evangelischen Kirche hat unter seinem Schriftführer Pastor D. Günter Besch mir in Göttingen in den Jahren 1964—1967 eine sog. Repetentenstelle zugebilligt, durch die ich finanziell unabhängig wurde. Der Deutsche Akademische Auslandsdienst hat mir im Herbst 1966 einen vierteljährigen Aufenthalt in Leeds (Groß-Britannien) ermöglicht, durch den mir wichtige englische Arbeiten über die samar. Religion zugänglich wurden. Und schließlich hat die Bremer Stiftung zur Förderung der Wissenschaften und der Universität durch einen Zuschuß die Drucklegung dieser Arbeit ermöglicht. Zum Schluß muß noch ein Wort zu den Transskriptionen samar. Wörter gesagt werden. D a die Aussprache des samar. Aramäisch eigenen phonetischen Regeln folgt, habe ich auf vokalisierte Transskriptionen weitgehend verzichtet. Samar. Namen gebe ich in der Form der Zürcher Bibel, sofern sie auch im Alten Testament vorkommen, und in hebräischer Form, sofern sie nicht biblisch sind. Wichtige samaritanische termini technici und regelmäßig wiederkehrende N a m e n mußte ich natürlich transskribieren. Ich habe das nach masoretischen Regeln getan. Die

Vorwort

IX

Transskriptionen entsprechen den von der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft aufgestellten Regeln. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, die nach dreißig Jahren geduldigen Wartens hier zum erstenmal ein Resultat ihrer Liebe und Aufmerksamkeit in den Händen halten. Berlin, im August 1970

Hans G. Kippenberg

INHALTSVERZEICHNIS I. Der Stand der Forschung A. Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch 1. Editionen 2. Arbeiten zum samar. Aramäisch B. Arbeiten zur Geschichte und Religion 1. Arbeiten zur Geschichte 2. Arbeiten zur Religion C. Aufgabe, Methode und Durchführung

1 2 2 12 15 15 19 27

DIE GESCHICHTE DER ANTIKEN SAMARITANER II. Die Entstehung des Garizim-Kultes

33

A. Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr 1. Die Bevölkerung im ehemaligen Nordreich 2. Das Verhältnis zwischen Samaria und Juda im 6. und 5. Jh. v. Chr 3. Die Elephantine — Papyri 4. Samaria an der Wende von der Perser- zur Griechenherrschaft B. Die Tempelgründung auf dem Garizim 1. Material außerhalb der Josephus-Überlieferung . . 2. Josephus, Antiquitates Judaicae X I § 302—347 . .

44 48 48 50

C. Zusammenfassung und Erwägungen

57

III. Die Zeit des Tempels

33 35 38 41

60

A. Samaritanische Literatur aus der Zeit des Tempels . . . . 1. Die Hohepriesterliste 2. Der samaritanische Pentateuch

60 60 68

Β.

Unter seleukidisdier Herrschaft 1. Der Garizim-Kult und die Hellenisierungspolitik . . 2. Samaritanischer Synkretismus

74 74 80

C. Unter jüdischer Herrschaft 1. Die Vernichtung des Tempels und Sichems 2. Die ältesten jüdischen Zeugnisse antisamaritanisdier Polemik

85 85 87

XII

Inhaltsverzeichnis D.

IV.

V.

Zusammenfassung und Erwägungen

92

Die Zeit des Umbruchs

94

A.

Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz 1. Überblick über die politische Geschichte 2. Die Geschichte des Garizim-Kultes

94 94 98

B.

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

113

C.

Samaritanische Sekten 1. Die gnostischen Sekten 2. D i e Dositheaner

122 122 128

D.

D i e Samaritaner im Spiegel jüdischer Nachrichten . , . . 137

E.

Zusammenfassung und Erwägungen

Die Synagoge A.

143 145

Wohnsitze und Synagogen der Samaritaner 145 1. Wohnsitze und Synagogen außerhalb Palästinas . . 145 2. Wohnsitze und Synagogen in Palästina 150

B.

Die Neuordnung durch Bäbä Rabbä im 4. J h . n. Chr.

162

C.

Zusammenfassung und Erwägungen

170

TRADITIONEN DER ANTIKEN SAMARITANER VI.

VII.

VIII.

Die Stände des Volkes

175

A.

Analyse des aramäischen Materials 1. Priester 2. Schriftgelehrte 3. Stammesfürsten 4. Richter

175 176 180 184 186

B.

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

186

Das Haus Gottes

188

A.

Analyse des aramäischen Materials 1. Bet'el: D i e Stätte der Gegenwart Gottes 2. Bet'el: Das Haus Gottes

189 189 194

B.

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

198

Die Garizim-Wallfahrt

201

A.

Die Wallfahrtsliturgien des 14. J h . n. Chr

202

B.

Analyse des aramäischen Materials 1. Die Wallfahrt am Massöt-Fest 2. D i e Form von Buch I und Buch I I des M M

211 211 216

Inhaltsverzeichnis 3. Der Berg des Segens C. Traditionsgesdiichtlidie Erwägungen IX. Der verborgene Miskän

ΧΙΠ 222 229 234

A. Analyse des aramäischen Materials 1. Die Errichtung des Miskän durch Mose 2. Die Zeit der Abwendung vom Miskän 3. Die Zeit des Miskän

234 234 238 246

B.

250

Traditionsgesdiichtlidie Erwägungen

X. Joseph rD1?»

255

A. Analyse des aramäischen Materials 1. Die Aufnahme der at. Tradition 2. Joseph: Der Besitzer des Garizim 3. Die Hoffnung auf eine neue Herrschaft Josephs . . .

255 255 257 265

B.

269

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

XI. Der Taheb

276

A. Das Material der nadi-aramäischen Zeit

276

B.

287 287 297

Analyse des aramäischen Materials 1. M&nar Marqä 2. Durrän

C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen XII. Der Prophet wie Mose

300 306

A. Das Material der vor-aramäischen Zeit 307 1. Die außersamaritanischen Zeugnisse 307 2. Der Zusatz zum samar. Dekalog Ex 20,21 b (SP) . . 310 B.

Analyse des aramäischen Materials 1. Polemik gegen die Dositheaner 2. Die antidositheanisdie Mose-Tradition 3. Die antidositheanisdie Josua-Tradition

C. Traditionsgesdiichtlidie Erwägungen XIII. Die große Macht A. Analyse des aramäisdien Materials 1- Π^'Π als Übersetzung von Vs 2. Π^Π in den Lobpreisen der Gemeinde 3. n^Vl in Lehrstücken B. Die Vorgeschichte der simonianischen μεγάλη δύναμις . . 1. Μεγάλη δύναμις im palästinischen und hellenistischen Bereich

313 314 316 321 324 328 329 330 332 337 342 342

XIV

Inhaltsverzeichnis 2. Die samar. Vorgeschichte der simonianisdien μεγάλη δύναμις 345 Abkürzungsverzeichnis

350

Literaturverzeichnis

351

Register 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Namen und Sadien Orte Altes und Neues Testament Jüdische Literatur Heidnische, christliche und arabische Literatur . . . . Samaritanisdie Literatur

363 368 369 371 372 373

I. DER STAND DER FORSCHUNG Im Jahre 1965 erschien in Berlin der Band „Umwelt des Urchristentums I", herausgegeben von J . Leipoldt und W. Grundmann. Die Seiten 217—291 handeln extensiv von allen möglichen Gruppen des palästinensischen Judentums, wie Essenern, Sadduzäern etc. Die Samar. aber werden übergangen und in dem ganzen Band überhaupt nur dreimal erwähnt. Damit wird ein Phänomen offenbar, dem wir u. a. audi in den Artikeln des ThW begegnen: die Existenz samar. Gemeinden mit Synagogen und eigenen Uberlieferungen ist in der Regel unter die Bewußtseinsschwelle des Theologen und Religionsgeschiditlers gerückt1. In Anthologien zur Illustrierung der neutestamentlichen Umwelt begegnen keine samar. Texte. Das war im letzten und vorletzten Jahrhundert ganz anders, wie etwa das kenntnisreiche Kapitel über die Samar. bei J . M. Jost, Geschichte des Judenthums und seiner Secten I. Leipzig 1857, 44—89, sowie die Arbeiten von H. Reland, Dissertationum Miscellanearum I, 3 De Monte Garizim 121—162 und II, 7 De Samaritanis 3—94. Rhenus 1706 und 1707 zeigen. Daß diese älteren Wissenschaftler, zu denen audi Α. Geiger zu rechnen ist2, die Bedeutung der samar. Religion nidit völlig falsch eingeschätzt haben, könnte audi Epiphanius (4./5. Jh.) zeigen. In seiner umfassenden Aufzählung aller Sekten wird die samar. Religion als eine Mutter anderer Sekten geschildert, die gleichberechtigt neben Hellenismus und Judentum steht3. 1

Ausnahmen sind etwa die Art.

όπτοκαθίοτημι von Oepke (ThW I. 386 bis

388), Mooucf)c , Σαμάρεια von J . Jeremias (ThW IV. 8 5 2 — 8 7 8 ; VII. 88 bis 94), das Werk von S. W. Baron, Α Social and Religious History of the Jews. New York 1952, das in Vol. II 26—35 über die Samar. handelt, sowie ein Kapitel über die samar. Mose-Tradition bei Meeks, Prophet-King. Kapitel 5. 2

A. Geiger publizierte von 1858 an fast in jedem Jahrgang der ZDMG Arbeiten über die Samar., später mit dem stereotypen Titel ,Neuere Mittheilungen über die Samaritaner' (ZDMG 16 [ 1 8 6 2 ] ; 18 [1864] bis 22

s

[1868]).

Panarion haer. 8—13. Text: K. Holl, GCS 25. Leipzig 1915, 197—207. Vgl. zu dieser Anordnung: P. Fraenkel, Historie sainte et hir^sie chez Epiphane de Salamine. RThPh 12 (1962) 175—191, besonders 181 f.

1 Kippenberg

2

Der Stand der Forschung

Wir wollen uns mit der aramäischen Periode der samar. Religion beschäftigen. Dieser Ausdruck kombiniert zwei Momente: ein sprachliches und ein zeitliches. Die älteste samar. Literatur nach der Entstehung des SP ist aramäisch4. Dort, wo der Verfasser genannt wird und für uns datierbar ist, entstand diese Literatur frühestens im 4. Jh. n. Chr. Sehr wahrscheinlich sind einige anonyme Stücke älter5. Ein großer Teil dieser Literatur stammt jedoch aus der Zeit nach dem 4. Jh. n. Chr. Bis zum 11. Jh. wurden aramäische Stücke geschrieben6. Unser Interesse richtet sich jedoch vornehmlich auf die ältere aramäisdie Literatur. Wollen wir über die Geschichte der samar. Religion etwas ausmachen, so müssen wir diese Literatur untersuchen. Um sie zu untersuchen, sollen zuerst Editionen und philologische Arbeiten vorgeführt werden. Das zweite Element in dem Ausdruck „aramäische Periode" ist das zeitliche. Eine Untersuchung der aram. Literatur fordert einen Uberblick über alle Nachrichten, die von der samar. Gemeinde berichten. Dabei sind alle Nachrichten bis zum 6. Jh. n. Chr. interessant, da nur ein Überblick über die ganze Zeit die Erfassung von Überlieferungen ermöglicht. Die Nachrichten über die samar. Gemeinde sollen uns helfen, die aram. Texte zu verstehen. So gilt es auch hier, zuerst einmal Rechenschaft abzulegen über die Arbeit, die bereits zur Geschichte und Religion geleistet worden ist.

A. Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch 1.

Editionen7

a) Memar Marqä. Maßgebliche Ausgabe: J . Macdonald, Memar Marqah. The Teaching of Marqah. Vol. I: The Text. Vol. II: The Trans4 5

Wenn wir von den geringen Resten des Samareitikon absehen (s. u. S. 148 ff.). Terminus post quem für Aram. als Volkssprache ist sehr wahrscheinlich das Auftreten Jesu. Vgl. Dalman, Worte Jesu 1—10; Jesus-Jesdiua 6—15. Uber den Stand der Wissenschaft informiert: H . Ott, Muttersprache Jesu.

8

Montgomery, Samaritans 271. Eine aram. Inschrift aus dem 11. Jh. n . C h r . hat J . Pedersen publiziert: Inscriptiones Semiticae Collectionis Ustinowianae. SO Fase. Supplet. 2. Oslo 1928, 15—25.

7

Im folgenden beschränken wir uns auf die aram. Texte. Zum hebr. Pentateuch der Samar. ist das Material gesammelt von O. Eissfeld, Einleitung in das Alte Testament. Neue Theologische Grundrisse. 3. A.Tübingen

1964,

942 f. Zur arab. Literatur der Samar. vgl. M. Steinschneider, Die arabische Literatur der Juden. Frankfurt

1902, 319—334

(Nachdruck

Hildesheim

1964). Fast keine der vielen arab. Schriften der Samar. ist bis heute ediert.

Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch

3

lation. BZAW 84. Berlin 19638. Der Text ist in hebräischer Quadratschrift ohne Punktierung und Satzzeichen gedruckt. Macdonald zählt die Teileditionen des MM in der Zeit vor seiner Edition auf®. Es handelt sich um folgende Arbeiten 10 : M. Hildesheimer, Des Samaritaners Marqah Buch der Wunder. Diss. Phil. Glessen. Berlin 1898 ( = MM I 5,1—10,13); L. Emmrich, Das Siegeslied, (Exodus Cap. 15) eine Schrifterklärung des Samaritaners Marqah. Diss. Phil Glessen. Berlin 1897 ( = MM II 31,1 bis 35,8); D. Rettig, Memar Marqa. Ein Samaritanischer Midrasch zum Pentateuch. Bonner Orientalische Studien 8. Stuttgart 1934 ( = MM IV 83,1—86,19); E. Münk, Des Samaritaners Marqah Erzählung über den Tod Moses'. Diss. Phil. Königsberg. Berlin 1890 ( = M M V 117,2 bis 128,31); H. Baneth, Des Samaritaners Marqah an die 22 Buchstaben, den Grundstock der hebräischen Sprache anknüpfende Abhandlung. Diss. Phil. Halle. Berlin 1888 ( = M M V I 131,2—136,3). Es lohnt sidi mE, diese Parallelen in Macdonalds Edition zu verzeichnen und die Dissertationen, wann immer vorhanden, zu konsultieren. Ihr Text ist zwar im ganzen dem von Macdonald unterlegen 11 , dafür aber sind die Übersetzungen — im Gegensatz zu der von Macdonald — mit philologischen Anmerkungen versehen. Zudem unterscheidet sich Maodonalds Übersetzung zuweilen audi dort, wo die Texte dieselben sind, von den Dissertationen, ohne daß Macdonald seine Abweichung begründet. Die detaillierte Begründung der Ubersetzung wäre der Schwierigkeit des samar. Aramäisch angemessener, zumal Macdonalds Übersetzung sich viel Freiheit nimmt 12 . Insofern hat der Leser bei Macdonald wenig Einblick in die linguistische Vorarbeit 13 . Über die deutschen Dissertationen hinaus gibt es eine andere vollständige Edition, die Macdonald nicht erwähnt. 1962 gaben zwei Samar. 8

β

10

11 12 13

1*

Zitiert wird der Text in folgender Weise: MM, Buch, Seitenzahl, Zeilenzahl. In einer Anm. wird mit U . plus Seitenzahl auf Macdonalds Vol. II Translation verwiesen. Eine Ausgabe haben ferner Z. Ben-Hayyim sowie Τ. H. Gaster vorbereitet (vgl. J. C. Greenfield, Bibl. 45 [1964] 263 f.) X X I I — X X V I . Ohne Wert ist die Edition M. Heidenheims, Der Commentar Marqah's des Samaritaners. Bibliotheca Samaritana III H . 5/6. Weimar 1896. Ich zähle diese Arbeiten nicht chronologisch auf, sondern nadi der Ordnung der von ihnen behandelten Bücher. In Klammern notiere ich die parallelen Abschnitte bei Macdonald. Mit Ausnahme von Rettigs. Vol. I, X X X V I I . In dem in Vorbereitung befindlichen Dictionary of Samaritan Aramaic ( X X X V I ) dürfte diese Lücke geschlossen werden.

4

Der Stand der Forschung

aus der kleinen samar. Kolonie in Holon bei Tel-Aviv mit Namen Räson b. Binyämim $ e däqä und Abraham b. Nur $°däqä 14 den ganzen Memar Marqä heraus. Die sechs Bücher sind gesondert paginiert, aber zu einem Band zusammengebunden. Der Text ist zweisprachig: rechts der aram. Text in samar. Schrift, links die arab. Übersetzung. Der aram. Text ist sparsam punktiert und mit Satzzeichen versehen15. Da der Edition Maodonalds beides fehlt, haben wir hier einen Anhalt, wie die modernen samar. Tradenten den Text verstehen. Der Text entspricht den Danafi 16 Hss., die Macdonald seiner Edition zugrundegelegt hat. Gelegentlich stimmt er mit den Levitischen Hss. überein. Er folgt jedoch nicht der Kahle Hs., wo diese vorhanden ist17. An einigen Stellen sind in den Text hebr. Formen eingedrungen. Die samar. Edition 18 läßt zudem Druckfehler in Macdonalds Ausgabe erkennen. Die Edition Macdonalds hat neben Zustimmung auch Kritik gefunden18. Z. Ben-Hayyim — außer den Forschern in Leeds (Großbritannien) wohl der einzige lebende Spezialist in samar. Literatur — äußert schwere Einwände 29 . Er bedauert, daß Macdonald sein negatives Urteil über die Kahle Hs. nicht detailliert begründet und Rettigs Meinung über das Verhältnis von D und L Hss. falsch wiedergibt 21 . Die Standardisierung aram. Formen verwischt seiner Ansicht nach die grammatische und sprachliche Eigenart des samar. Aramäisch22. „And in quite a number of instanw

15 16

Zur vita dieser Samar.: Z. Ben-Hayyim, Hebrew and Aramaic III, I. 30 (vgl. RB 69 [1962] 581 f.). Vgl. Cowley, Vol. II. X X X V I f. Es handelt sich um den Namen einer Familie. Cowley vokalisiert: Danfi (vgl. Vol. II. XLVII). Zu den Hss. vgl. Macdonald Vol. I. X X V I ff.

17

Zu allen diesen Gruppen vgl. Macdonald Vol. I. X X V I — X X X I V .

18

Zitiert wird sie folgendermaßen: samMM, Buch, Seitenzahl, Zeilenzahl. Rezensionen, die ich einschauen konnte: B. Couroyer, RB 71 (1964) 637 bis 640; R. Mayer, ThZ 20 (1964) 227 f.; G. Ormann, Kirjath Sepher 39 (1964) 376 f. (hebr.); H . H . R o w l e y , The Expository Times 76 (1964—65) 135; C. Colpe, ZDMG 115 (1965) 200—204; H . S . Gehman, Interpretation 19 (1965) 120 f.; R. Le Deaut, Bibl 46 (1965) 84—87; H.-F. Weiss, OLZ 61 (1966) 468—472; J. D. Purvis, JNES 25 (1966) 213—216; R.Meyer, ThLZ 91 (1966) 659—661; G.W.Buchanan, JAOS 86 (1966) 343 f.; J. Schreiner, BZ 11 (1967) 274. Weitere Rezensionen s. Biblica 46 (1965) 266* 3443/?. BiOr 23 (1966) 185—191.

20 21

186.

22

186.

Editionen und Arbeiten z u m samaritanischen

5

Aramäisch

c e s . . . the translation turns out to be rather faulty" 2 3 . Manche Dissonanzen zwischen beiden Forschern hätten vermieden werden können, wenn Macdonald die Arbeiten Ben — Hayyims zum samar. Aramäisch konsequent konsultiert hätte 24 . Wir sollten zumindest diesen letzten Punkt ernst nehmen und die zahlreichen Arbeiten in Hebräisch bei unserer Ubersetzung berücksichtigen. Das Problem der Standardisierung dagegen spielt für unseren Zweck keine Rolle. Die Handschriftenbasis von Macdonalds Edition ist an jeder Stelle zu prüfen. Daraus ergibt sich: die im zweiten Teil dargebotenen Übersetzungen gehen ganz auf mein Konto. Die Anmerkungen nennen die philologischen Gewährsleute und diskutierten Varianten. Ebenso bin ich verantwortlich für die Sammlung zusammengehörigen Materials aus dem MM, da die Ausgabe Macdonalds kein Register enthält 25 . Zum Schluß sollten wir noch kurz auf Titel und Inhalt des Werkes eingehen. Es zerfällt — so wie es heute überliefert wird — in sechs Bücher. Das erste Buch mit dem Titel ,Buch der Wunder' behandelt die wunderbare Errettung Israels aus Ägypten. Es kommentiert in Form eines haggadischen Midraschs Ex 3—Ex 15. Buch II schließt sich an, indem es Ex 15 auslegt. Im Unterschied zu den rabbinischen Midrasdiim sind jedoch Bibelzitat und Auslegung nicht präzis getrennt 26 . Die Gottesrede in einem Zitat etwa kann geradewegs in der Auslegung fortgegesetzt werden. Audi fehlt die Nennung anderer Schriftgelehrter bzw. anderer Auslegungen. Die Auslegung steht in ihrer Form daher dem Jubiläenbuch bzw. dem Genesis Apocryphon nahe. Buch III kommentiert Dtn 27, 9—26. In diesem Buch, das ebenfalls kein Vers für Vers Midrasch ist, werden halachische Fragen gestellt und beantwortet (vgl. etwa 58, 16 f.). Das Buch ist eine Kompilation disparater Rechtsmaterialien. Titel: „Über: ,Und es sprach Mose samt den levitischen Priestern' (Dtn 27, 9)." Buch IV behandelt das Mose-Lied Dtn 32. Titel in Hs. K : „Dies ist der niÖ'D über das .Große Lied' von dem Priester Marqä" 2 7 . In diesem Buch hebt sich die Auslegung in der Regel vom 25 s

187. Es folgen neun Beispiele.

* 185. 190.

25

A m E n d e von Vol. I I findet sich allerdings ein Bibelstellen-Register.

26

A u d i die in H ö h l e 1 und 4 von Q u m r a n gefundenen Midrasdiim zu H a b a kuk ( l Q p H a b ) , N a h u m ( 4 Q p N a h ) und Psalm 37 ( 4 Q p P s 37) scheiden genau zwisdien T e x t und Deutung. T e x t e : Lohse, T e x t e 2 2 7 — 2 4 3 ; 269—275.

27

Vgl. Rettig, M e m a r 35.53.

261—267;

6

Der Stand der Forschung

Bibeltext ab 28 . Das Mose-Lied wird auf Grund midrasdiisdier Technik zu einem Quell tieferer Weisheit. Buch V ist ein „"iö">ö über ,Und es starb dort Mose, der Knecht Jahwes* (Dtn 34, 5)". Wie bei den ersten Büchern verschwimmen auch hier Text und Auslegung zu einem einzigen Bericht über Mose Tod auf dem Nebo bzw. dem Garizim. Buch VI schließlich ist ein „ I » 1 » , der sich an die 22 Buchstaben der hebräischen Worte anschließt". Das Buch entfaltet durch Zahlenspekulationen eine Weisheitslehre. Die einzelnen Bücher sind ihrer Form und ihrem Inhalt nach ganz unterschiedlich — von Buch I und I I abgesehen, die eng zusammengehören. Insofern ist die Rede von d e m Memar Marqä irreführend — zumal sie audi in den Handschriften nicht belegt ist. Es wäre angemessener, von den ,Traktaten Marqäs' zu reden 28 . b) Defter39. Maßgebliche Edition ist nodi heute die von A. E. Cowley 31 : The Samaritan Liturgy. Oxford 1909, Vol. I, 3—92 3 2 . Der Defter ist eine Sammlung von Hymnen, Lobpreisen etc., die von verschiedenen Verfassern stammen. Die ältesten datierbaren Stücke stammen aus dem 4. Jh. n. Chr. Anonyme Stücke könnten älter sein83. Der Edition Cowleys liegt eine Hs. aus dem 14. Jh. zugrunde (Siglum V 3 ) : „The Defter in the early recension 34 ." Auch Cowley gibt den Text in hebr. Quadratschrift, druckt aber die samar. Satzzeichen und ζ. T. auch Punktierungen ab. Im Apparat notiert er Varianten anderer Hss. Die Krone dieser Edition ist die Einleitung am Ende von Vol. II. Auf knapp 88

Hier wird audi ein anderer Weiser mit Namen Ben Ben Eden zitiert (89,

29

Ben-Hayyim hat in einem Anhang zu seiner Rezension BiOr 23 (1966) 190

28 f.; 104, 29 f.). ausgeführt, "Itt'D „does not mean ,treatise' or .teaching'; it signifies authorship only". Dieser abgeblaßte Sinn liegt zwar an den von ihm genannten Stellen vor, ist aber kaum allgemein, wie die Titel von Budi IV, V und VI zeigen. 30

Zum Begriff vgl. Cowley, Vol. II. X X .

31

War ,sub-librarian of the Bodleian Library' in Oxford und wurde später

32

Zitiert wird folgendermaßen: Verfasser des liturgischen Stückes, C. ( = Cow-

geadelt (Sir Arthur Cowley). ley), Seitenzahl, Zeilenzahl. Eine Erwähnung des Vol. II bzw. I unterbleibt, da Cowley beide Bände durdipaginiert hat. Die Einleitung befindet sich am Ende von Vol. II. 33

Vgl. zum Durrän S. 297 f.

31

Cowley Vol. II S . V I I I ; X V I I I ; X X V . Grund: V 3 kennt noch nicht die Festgottesdienste, die im 14. Jh. ausgebildet wurden ( X X V ) .

Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch

7

100 Seiten erarbeitet Cowley eine — jede historische Arbeit erst ermöglichende — Chronologie samar. Autoren. Ferner schickt er eine kleine Grammatik des samar. Aramäisch voran85. Non plus ultra ist ein Glossar, das die vom bereits bekannten Aramäisch abweichenden Stämme, Formen und Bedeutungen erfaßt. Es beschränkt sich im wesentlichen auf den Defter se . Die spezifisch linguistische Ausrichtung macht es als Register nicht tauglich. Doch selbst diese Muster-Edition hat Schwächen37. Nach Cowley stammt die Hs. V 3 aus der Zeit vor Ausbildung jener Festgottesdienste, die wir in Cowleys Edition von S. 93 an finden38. Vor dem 14. Jh. kannte man nur den Defter und gebrauchte ihn an allen Festen. Von den entsprechenden liturgischen Vorschriften aber schreibt Cowley: „It was thought unnecessary to print these39." Ebenso strich er die Q'täfim, ausgewählte at. Verse, deren Verlesung einen bedeutenden Teil im samar. Gottesdienst einnimmt40. Seiner Edition gab Cowley selbst die Uberschrift: „The Common Prayers of The Samaritan Liturgy." Es handelt sich — in unseren Worten — mehr um ein Gesangbuch als um eine Agende41. 35

XXXV—XLII. »e IL—LXXII. 57 Eine Zusammenfassung der an der Liturgie geleisteten und noch zu leistenden Arbeit bei D. J. Boys, The Samaritans and their Liturgy. The London Quarterly and Holborn Review. 182 (1958) 283—287. Boys denkt vor allem an eine Übersetzung der sprachlich oft schweren Texte und an eine Berücksichtigung aller Hss., die Cowley noch unbekannt waren (284). Zur Kritik an Cowley vgl. P. Kahle, Kairoer Genisa 50 f. Anm. 155. 38 Diese hebr. Festgottesdienste sind in Leeds übersetzt worden. Nähere Angaben bei Macdonald, Theology, 460 f. »· X X V Anm. 1 und 66 Anm. 5. 10 Cowley 65 Anm. 15 und 17; 66 Anm. 1. 41 An dieser evidenten Schwäche der ansonsten so hervorragenden Edition Cowleys setzt S. Brown, Defter ein. „One gains the impression, then, that Cowley did not know, or was in doubt about the precise use of the Defter for any one occasion, due to the confusion of orders in the available manuscripts" (XVIII). Alle Zweifel an der heutigen gottesdienstlichen Verwendung des Deiters beseitigt jedodi eine moderne Hs., das sog. Jaffa Manuskript (Siglum: J). »The Jaffa Manuskript contains, not only these Ketafim in detail, and all short responses to the various prayers . . . , but furnishes the first available information as to how the Samaritan of today uses the prayers of the Defter" (II). Daß diese Ordnung letztlich auf die große Reformbewegung des 14. Jh. zurückgeht, hält S. Brown für wahrscheinlich

8

Der Stand der Forschung

Trotz des beigegebenen Glossars stößt die Ubersetzung der aram. Stücke auf viele Schwierigkeiten. Große Hilfe sind daher die Arbeiten, die einige Stücke übersetzen und kommentieren. P. Kahle, Die Zwölf Marka-Hymnen aus dem „Defter" der samaritanischen Liturgie (1932 erschienen, abgedruckt in Opera Minora. Leiden 1956, 186—212) übersetzte C. 16,27—27,23. In Anm. erklärte er sprachliche Details. Sein Schüler I. Szuster setzte mit seiner Dissertation: Marqa-Hymnen aus der samaritanischen Liturgie. Diss. Phil. Bonn 1936 die Arbeit fort. Er übersetzte C. 12,28—14,31 (Marqä); C. 27,26—33,21 ('Amräm Därä) 42 ; C. 49,10—51,2 (Marqä); C. 53,9—55,19 (Marqä). Beide Arbeiten hat Z. Ben-Hayyim eingehend besprochen: On the Study of the Samaritan Language. Tarbiz 10 (1939) 81—89 (hebr.). An zahlreichen Stellen gibt er für aram. Stämme und Formen exakte Ableitungen. Eine weitere Übersetzung hat J. Macdonald 1961 vorgelegt: The Theological Hymns of Amram Darah. ALUOS 2 (1959—1961) 54—73. Es ist allerdings bedauerlich, daß er dieselben Stücke wie I. Szuster übersetzte (C. 27,26 bis 33,21), ohne sich mit Szusters Arbeit auseinanderzusetzen. Eine vollständige Übersetzung des Defter hat 1955 S. Brown in einer Ph. D. Thesis (Leeds) vorgelegt: A Critical Edition and Translation of the Ancient Samaritan Defter and a Comparison of it with Early Jewish Liturgy 43 . Browns Übersetzung vermag nur wenig Hilfe zu geben, da er eine moderne Hs. und nicht Cowleys Edition zugrundelegte. Bei der Sammlung des Materials aus dem Defter habe ich mich an die von Kahle, Szuster (und Macdonald) übersetzten Hymnen gehalten. Die übrigen Teile des Deiters habe ich nur in der Ubersetzung von Brown durchge(XIX). So gibt Browns Ubersetzung dieser Hs. zwar einen guten Einblick in den heutigen gottesdienstlichen Gebrauch des Deiters am Sabbat und den beiden täglichen Gottesdiensten. Doch Iäßt Browns Dissertation einige Wünsche offen. So kann man nicht umhin zu fragen, warum denn nun nicht wenigstens Brown die von Cowley ausgelassenen Teile jener alten VatikanHandschrift ediert und übersetzt hat. So führt Brown Cowleys historisch ausgerichtete Arbeit, die auf eine Darbietung der alten liturgischen Teile zielte, nicht fort. In welcher Weise der Defter in der Zeit vor dem 14. Jh. gebraucht wurde, bleibt also noch offen. 42

Wahrscheinlich stammt C. 30, 23—33, 21 nicht von 'Amräm Därä. Zu C. 30, 24—31, 18 vgl. Ben-Hayyim, Poem of the 4th Century.

43

Der Titel: Critical da Brown nur ganz tung mehrerer Hss. als die Übersetzung

Edition ist nach unseren Begriffen zu hodi gegriffen, wenige Texte ediert und von einer kritischen Verarbeikeine Rede sein kann. Browns Thesis ist nichts anderes einer modernen Hs.

Editionen und Arbeiten zum samaritanischen

9

Aramäisch

schaut. 1 9 6 7 h a t Z . B e n - H a y y i m einige w e i t e r e Stücke übersetzt, u n d z w a r ins H e b r ä i s c h e : T h e L i t e r a r y and O r a l T r a d i t i o n o f H e b r e w and A r a m a i c a m o n g s t t h e Samaritans. V o l . Ill, P a r t II. T h e R e c i t a t i o n of P r a y e r s and H y m n s . J e r u s a l e m 1 9 6 7 , 4 1 — 2 4 7 . B e n - H a y y i m übersetzte ( u n d gab die phonetische U m s c h r i f t ) v o n allen H y m n e n ' A m r ä m D ä r ä s , M a r q ä s and N ä n ä s b. M a r q ä . B e n - H a y y i m h a t w e i t e r e Handschriften h e r a n g e z o g e n , so daß sein T e x t zugleich eine neue E d i t i o n darstellt. c) Das

Samaritanische

Targum.

Maßgebliche Edition

leider

noch

i m m e r : H . P e t e r m a n n u n d K . Völlers, P e n t a t e u d i u s S a m a r i t a n u s . Berlin 1 8 7 2 — 1 8 9 1 4 4 . G r ö ß t e r M a n g e l dieser E d i t i o n :

die

zugrundegelegten

Codices sind nicht ausreichend beschrieben 4 5 . Die K r i t i k an der

Edi-

t i o n h a t a m k l a r s t e n P . K a h l e f o r m u l i e r t : F r a g m e n t e des s a m a r i t a n i schen P e n t a t e u d i t a r g u m s , herausgegeben u n d e r l ä u t e r t . Z A 1 6 79—101;

17

(1903)

1—2248.

Eine

Neuausgabe

auf

Grund

(1902)

des

von

Kahle g e s a m m e l t e n Materials bereitet J . R a m o n D i a z v o r 4 7 . E i n e beson-

44

Zitiert wird einfach S T sowie Kapitel- und Verszahl in der gebräuchlichen Form. Hinter jedes aram. Bibelzitat Marqäs setze idi dieses S T . Es soll in diesem Falle lediglich auf die aram. Sprache des Zitates hinweisen, ohne irgendeine Abhängigkeit Marqäs von einem Targum zu behaupten. Zu diesem Punkte ist noch einige Arbeit zu leisten. Die Ausgabe von Petermann-Vollers ist in samar. Lettern gedruckt (eine Liste samar. Schrifttypen bei Montgomery, Samaritans Plate 13 bei S. 278). Eine Transliteration der Londoner Polyglotte in hebr. Quadratschrift von A. Brüll, Das samaritanische Targum zum Pentateuch. Frankfurt 1873 ff.

45 46

Vgl. die Vorrede von Völlers vor Numeri. Die von Kahle in dieser Arbeit herausgegebenen Fragmente sind bei der Benutzung der Ausgabe von Petermann-Vollers zu berücksichtigen. Große Fragmente aus Lev und Num hatte bereits 1874 J . W. Nutt, Fragments ediert. Petermann hatte sie in seinen letzten Lebenstagen noch kollationiert. Zur Kritik vgl. audi Kohn, Sprache 195 ff. und das Referat bei Rosenthal, Forschung 137 f. Beste Hs. dürfte die das Siglum C tragende sein, die aus dem Anfang des 13. J h . stammt (Rosenthal, Forschung 140). Die von Petermann zugrundegelegte Hs. Ap ist dagegen eine von Jakob ben Aaron (dem samar. Hohenpriester zur Zeit Petermanns) verfertigte Kompilierung zweier Hss.: Petermanns Hs. Α und Β (so P . Kahle, Zu den in Nablus befindlichen Handschriften des Samaritanischen Pentateuchtargums. Z D M G 61

[1907]

909—912). 47

Kahle, Kairoer Genisa 57 f. Vgl. die Aufsätze von J . Ramön D i a z : Ediciones del Targum samaritano. Estudios Biblicos 15 (1956) 105—108; Las fuentes del Targum samaritano. Estudios Biblicos 18 (1959) 183—197.

10

Der Stand der Forschung

dere Schwierigkeit bei der Auslegung aram. Texte ist es, aram. Bibelzitate, die in den Kontext eingeflochten sind, zu erkennen. Hierzu benötigte man eigentlich ein vollständiges Wörterbuch über das ST. Aber das eben fehlt. An diesem Punkt läßt einen sowohl Cowleys als auch zuweilen Macdonalds Edition im Stich. Ein Hilfsmittel ist hier der M e lis, ein von den Samaritanern selbst hergestelltes Wörterbuch, das die äquivalenten hebr.-arab.-aram. Wörter zusammenstellt. Z. Ben-Hayyim hat es ediert: The Literary and Oral Tradition of Hebrew and Aramaic amongst the Samaritans. Vol. II. The Grammatical, Masoretical, and Lexicographical Writings of the Samaritans. Jerusalem 1957, 440—616 (hebr.). Ein Register 642—666 erschließt die aram. Worte. Zu dem aram. Wort nennt Ben-Hayyim in einer Anmerkung oft eine Stelle aus dem ST. Wenn nicht, kann man über das hebr. Äquivalent mögliche at. Stellen erschließen. d) 'Asätir. Allein maßgebliche Edition: Z. Ben-Hayyim, The Book of Asätir (with Translation and Commentary). Tarbiz 14 (1943) 104 bis 125. 174—190; 15 (1944) 71—87 (hebr.)48. Nicht dem Stand der Wissenschaft mehr angemessen ist: M. Gaster, The Asatir. The Samaritan Book of the „Secrets of Moses". Oriental Translation Fund New Series XXVI. London 192749. Das gilt vor allem für die Einleitung und die Kommentierung der Ubersetzung 50 . M. Gaster leitet den Begriff 'Asätir vom hebr. ~)ΓΙ0 (Dtn 31,18) ab und übersetzt „The Secrets of Moses**51. Von dieser hebr. Ableitung inspiriert reiht er das Buch in die pseudepigraphische Literatur ein52. Durch Vergleich mit dieser und anderer Literatur aus der Zeit kurz vor und nach Christi Geburt schließt Gaster, "that this book could not have been compiled later than between 250—200 B.C.E." 5 3 . Die ganze Argumentation ist mit Ben48

49

50

51 52

53

Die drei Aufsätze sind von ihm mit einer gesonderten 1—56 versehen. Zitiert wird folgendermaßen: As., römische und arabisdie sters Einteilung, in einer Klammer Ben-Hayyims Text nach seiner immanenten Paginierung plus Seitenzahl bzw.

Paginierung von Zahl gemäß Gaund Übersetzung Zeilenzählung.

Text Ben-Hayyims ist eine Hs. aus dem Besitz von I. Ben-Zevie, die Amram ben Isaak nach einer sechshundert Jahre alten Hs. geschrieben hatte (9). 3 f. 5. 160.

Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch

11

Hayyim zu bestreiten. Der Name ist nicht vom hebr. *W0 abzuleiten, da ein Wechsel von η zu ö ungebräuchlich ist. Ferner drückt sich der As. an einigen Stellen bewußt vage aus — anders als man es von einer Geheimlehre erwartet 54 . Da auch die Form TONÖK begegnet, ist der Name vom arab. abzuleiten = Sagen, Legenden55. Durchschlagender als dies Argument (der Name könnte später gekommen sein) sind die beiden folgenden: 1. Das doch so bedeutende Buch „Geheimnisse des Mose 56 " wird in der samar. Literatur zuerst im 16. Jh. erwähnt — und zwar in dem arab. Molad Möse des Ismael Har-Rämähi 57 . 2. Der As. benutzt in der aram. Sprache Arabismen, islamische termini technici und vor allem arab. Ortsnamen, die integraler Bestandteil des Buches sind58. Das Buch wurde verfaßt, als die aram. Sprache schon nicht mehr lebendig war und die islamische Umgebung überwog, also zwischen dem 9. und 12. Jh. n. Chr. 59 . Daß ältere Traditionen in dieses Werk, das ein Midrasch zur ganzen Tora darstellt 60 , eingingen, ist sehr wahrscheinlich®1. Ben-Hayyim hat über diese Einleitungsfragen hinaus den aram. Text ins Hebr. übersetzt und in Anm. seine Übersetzung linguistisch begründet. Ein Register aram. Worte und Namen erschließt das Werk. In Ben-Hayyims Edition sind linguistische und historische Arbeit in geradezu idealer Weise verbunden. 54

Z. Ben-Hayyim 4.

55

Wehr 373. Für diese Ableitung hatten sich vor Ben-Hayyim bereits B. Heller, Samaritanisches. M G W J 47 (1933) 300 f. sowie E. Robertson, Catalogue I. X X X I Anm. 4 eingesetzt.

5e

Die Verbindung des Buches mit Mose ist sekundär. Das zeigt sich ζ. B. auch darin, daß noch Pinehas b. Isaak (19. Jh.) dem As. in der Auslegung von Num 24, 17 b widersprechen kann (Ben-Hayyim 5).

57

Ben-Hayyim 5. Edition des Molad MöSe: S. J . Miller, Molad Mosheh. E r wähnung des ^-JJLOI 100 (23), 1.

58

Ben-Hayyim 7 f. Am schlagendsten ist As. VI, 11 (16, 14 f.), wo ein Ort namenspmVpbegegnet. Dieser Ort war vom 9. Jh. n . C h r . an eine strategische Basis für die Kalifen im Kampf mit den Byzantinern, was As. offensichtlich voraussetzt (Ben-Hayyim 9).

59

Ben-Hayyim 9.

60

Es handelt sich um die älteste Sammlung exegetischer Uberlieferungen (BenHayyim 2).

61

Ben-Hayyim 2 f. So allein dürfen die Übereinstimmungen mit dem älteren jüd. und samar. Schrifttum verstanden werden.

12

Der Stand der Forschung

Alle weiteren samar. Werke, die wir zitieren, kommen aus späterer Zeit 62 . Bereits As. kommt für die samar. Religion der aram. Periode nicht mehr als Ausgangsposition in Frage.

2. Arbeiten

zum samar.

Aramäisch

Einer Beschäftigung mit dem samar. Aramäisch stehen nicht nur so „einfache" Hindernisse wie fehlende Register oder Ubersetzungen entgegen, sondern auch so massive wie das Fehlen von Wörterbüchern63 und Grammatiken 64 . Doch braucht dieser Mangel nicht zu völligem Verzicht auf eine Beschäftigung mit dem samar. Aramäisch zu führen: es gibt für den samar. Dialekt „kein sicheres Unterscheidungsmittel von den anderen pal.-aram. Dialekten" 65 . Das scheint mir zumindest für die Zeit vor den Verfolgungen der Samar. vom 5. Jh. n. Chr. an auch deshalb wahrscheinlich, weil die Samar. über Palästina verstreut waren und sehr wahrscheinlich die gleiche Sprache wie die übrigen Bewohner Palästinas sprachen66. Daß die theologische Literatur sprachlich eine eigene Entwicklung genommen hat, ist natürlich zu berücksichtigen. Aber als Hilfsmittel für das Verständnis des samar. Aramäisch können wir doch die Wörterbücher und Grammatiken für das Jüdisch — und Christlich — Palästinensische benutzen 67 . Das, was bis 1938 über das 62

Die Veröffentlichung eines Corpus samar. Texte hat Τ. H . Gaster versprochen: A Samaritan Poem about Moses. The Joshua Bloch Memorial Volume. N e w York 1960, 115—139. Zu diesem Vorhaben: 117. ®s Ein Wörterbuch zum samar. Aramäisch bereitet Macdonald vor: Memar Marqah Vol. I. X X X V I . Das erste und bis jetzt einzige Wörterbuch zum samar. Aramäisdi hatte E. Castellus ediert: Lexicon Heptaglotton, Hebraicum, Chaldaicum, Syriacum, Samaritanum, Aethiopicum, Arabicum coniunctim et Persicum separatim. London 1669. Vol. II London 1686. A. Geiger hatte denn auch in seinen Mitteilungen über die Samaritaner einen handlichen Abdruck der samar. Kolumne vorgeschlagen: Z D M G 18 (1864) 824. Das Werk ist so voluminös, d a ß es praktisch unbrauchbar ist. 64 Alle mißglückten Versuche zu solchen bei Rosenthal, Forschung 133—143. 65 Rosenthal, Forschung 134 Anm. 4. 66 Die völlige Ausklammerung der samar. Literatur aus dem Problemkreis Muttersprache Jesu (vgl. O t t , Muttersprache Jesu) ist daher methodisch nicht zu rechtfertigen. Vgl. auch P. Kahle, Kairoer Genisa 51: „einem aramäischen Volksdialekt, der der Sprache nahe verwandt ist, die in Palästina zur Zeit des entstehenden Christentums gesprochen wurde". 67 Die hierhergehörige Literatur ist bis 1938 verzeichnet bei Rosenthal, Forschung 106—132 (Das Jüdisch-Palästinensische); 144—159 (Das Christlich-

Editionen und Arbeiten zum samaritanischen Aramäisch

13

samar. Aramäisch erarbeitet war, hat Rosenthal vorgeführt 6 8 . Tragen wir also die neueren Arbeiten nach. Hier ist vor allem 69 Π ν ι Π~ρ 3KT (Zeeb Ben-Hayyim) 7 0 zu nennen 71 . Seine Arbeiten zur Sprache der Samaritaner haben auch das Verständnis des samar. Aramäisch einen großen Schritt vorangebracht 72 . Alle Arbeiten sind in Hebr. abgefaßt 73 . An erster Stelle sind zwei Aufsätze in Tarbiz 10 (1939) zu nennen. Der erste ,On the Study of the Samaritan Language' (81—89) beschäftigt sich mit Kahles und Szusters Übersetzungen von Hymnen aus dem Defter und geht dann dem samar. terminus technicus ΠΓΰΠ nach. Von ΠΊΠ = ,deuten, auslegen' abzuleiten 74 , bezeichnet er einen Priester aus dem Stamme Ithamar, der den hebr. Bibeltext ins Aram, übersetzt bzw. aus dem Targum vorliest 75 . Der zweite Aufsatz ,Samaritan Poems for Joyous Occasions' (190—200; 333—374) ediert eine Cowley noch unbekannte Sammlung von Hymnen, die zu Hochzeit, Geburt und Beschneidung vorgetragen werden. Ein Vorspann stellt die Hss. vor, beschäftigt sich mit den Verfassern, Palästinensische). Die Literatur bis 1965 bei O t t , Muttersprache Jesu. Bei bestimmten Problemen helfen -darüber hinaus: Brockelmann, Lexicon Syriacum sowie Drower-Macuch, Mandaic Dictionary. 68

Forschung 133—143 (Das Samaritanische).

69

Vgl. ferner J . Ramön Diaz, Arameo Samaritano. Estudios Biblicos 18 (1959; 171—182.

70

So die Transskription in: Who's who in Israel 1963/4, 128 (ohne Bindestrich) und in Eretz Israel 4 (1956) V I I I . Daneben begegnet in -den engl. Titeln zu Arbeiten von ihm die Transskription Ben-Haim (ζ. B. Tarbiz 10 [1938]) sowie Ben-Hayyim (Hebrew and Aramaic).

71

Zur vita: nach Rosenthal, Forschung 303 identisch mit W. Goldmann aus Polen, der 1936 mit einer Arbeit über ,Die palmyrenischen Personennamen' in Breslau promovierte. 1907 geboren, ist der Autor jetzt Professor für hebräische Sprache an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Zugleich ist er Vice-President der Hebrew Language Academy.

,2

Nur solche Arbeiten, die für die aram. Texte etwas abwerfen, werden be-

73

Zu fragen wäre, ob der Verfasser sich dadurch nicht um eine angemessene

sprochen. Würdigung seiner Arbeit bringt. Eine englische Arbeit von Ben-Hayyim, die einige aram. Wörter behandelt, erschien in der Festschrift für W. Baumgartner, V T Suppl. 16 Leiden 1967, 1 2 — 2 4 : Observations on the Hebrew and Aramaic Lexicon from the Samaritan Tradition. 74

89.

75

8 8.

14

Der Stand der Forschung

beschreibt Inhalt und Formen der Hymnen und bringt Beiträge zur Sprache. Die Edition selbst ist mit einem Apparat versehen, der zu bestimmten samar. Wurzeln und Formen Parallelen sammelt bzw. sie ableitet. Ein Register am Schluß des Aufsatzes erschließt diesen Apparat. An nicht wenigen Stellen erweist sich ein Griff zu diesem Register als Weg zur Lösung. Doch das wichtigste Hilfsmittel bei jeder Arbeit an den aram. Texten ist d e r p V ö , ein hebr.-arab.-aram. Glossar, das Ben-Hayyim zusammen mit anderen philologischen Schriften der Samaritaner in seinem Werk ,The Literary and Oral Tradition of Hebrew and Aramaic amongst the Samaritans', Vol. I und II: The Grammatical, Masoretical, and Lexicographical Writings of the Samaritans. Jerusalem 1957 ediert hat 76 . Die (einzige) Handschrift des M e lis (aus Paris) stammt aus dem Jahre 1476 n. Chr. 7 7 , das ganze Werk wurde vor dem 12. Jh. verfaßt 78 . Da der Verfasser der aram. Kolumne noch das Aramäische sprach, wird die Redaktion des hebr.-aram. Teiles aus dem 10. oder dem Anfang des 11. Jh. stammen, während die arab. Kolumne, die das Aramäische übersetzt, später hinzugefügt wurde 7 9 . Leider ist die Hs. nicht vollständig, sondern beginnt erst mit der zweiten Hälfte von Gimel 8 0 . Ben-Hayyim hat das Glossar mit seinen ca. 6000 aram. Wörtern ausführlich kommentiert. Für die hebr., arab. und aram. Wörter bringt er Parallelen und Ableitungen. Diese Beiträge sind oft wesentlicher als die im samar. Wörterbuch behaupteten Gleichungen hebr. und aram. Wörter. Wenn ein bestimmtes aram. Wort im ST an der Stelle eines hebr. steht, ist ja 76

77

Vol. II. 437—622. Eine Übersicht über beide Bände in der Rezension von J . T. Milik, R B 67 (1960) 103—107, und von J . C. Greenfield, Bibl 45 (1964) 261—268. Zitiert wird folgendermaßen: M e lis, Seitenzahl von Ben-Hayyims Ausgabe, Zeilenzahl (die bei jedem hebr. Buchstaben über die Seiten hinweg gezählt wird). Bei Verweis auf die Anm. notiere ich den Namen BenHayyims. Introduction 10. Eine Kopie ist in Cambridge (vgl. Nut-t, Fragments 151 Anm. 1; 161).

™ TD. ™ XSf. 80 Nach Nutt, Fragments 161 (Anhang von A. H a r k a v y ) enthält die Firkowitsch-Sammlung in der Bibliothek von Petersburg Hss., die auch dieses Stück haben. Wie mir Macdonald sagte, ist mit der Bibliothek von Leningrad kein Kontakt herzustellen. Doch findet sich in einem Referat ZAW 76 (1964) 375 ein Hinweis auf diese Hss.

Arbeiten zur Geschichte und Religion

15

noch nichts über die sprachliche Äquivalenz ausgemacht81. Da das samar. Wörterbuch nach hebr. Worten aufgebaut ist, muß man sich des aram. Index für Vol. I und II S. 642—666 bedienen, der in fast allen Fällen auf den Melis verweist82.

B. Arbeiten zur Geschichte und Religion 1. Arbeiten zur Geschichte Drei Arbeiten müssen hier genannt werden, die je auf ihre Weise die Erforschung der samar. Geschichte auf eine neue Grundlage gestellt haben. a) Im Jahre 1907 publizierte J. A. Montgomery das Buch: The Samaritans. The Earliest Jewish Sect. Their History, Theology and Literature. The Bohlen Lectures for 1906. Philadelphia (Nachdruck New York 1968). Das Buch hat dadurch elementaren Wert, daß es alles bis 1907 bekannte Material über die Samaritaner zusammenträgt. Das fällt natürlich für die Literatur der Samar. relativ dürftig aus, da weder die samar. Liturgie noch der MM noch der As. überhaupt bzw. zureichend ediert waren. Dennoch macht einen staunen, was Montgomery in seinem Kapitel über die Theologie der Samaritaner aus dem ihm zugänglichen Material herausgeholt hat. Sein Vorhaben, „to note carefully the . . . changes in the theology" 83 , ist auch heute noch verbindlich. Für diese Arbeit hatte Montgomery das Fundament gelegt, indem er alle (damals bekannten) historischen Nachrichten über die Samar. zusammentrug. Dabei er81

Auf Grund dieses Sachverhaltes hatte schon Kohn, Studien 35 Anm. 2 das Wörterbuch von E. Castellus, Lexicon Heptaglotton. London 1669. Vol. II London 1686 kritisiert. Dieses Wörterbuch lege jeder Vokabel die Bedeutung bei, die das entsprechende hebr. Wort besitze, „ohne auf die oft e i g e n t ü m liche, noch öfter irrige Auffassung des Paraphrasten zu achten".

82

In der Reihe Porta Linguarum Orientalium Neue Serie 10 ist 1967 bei Harrassowitz in Wiesbaden erschienen: An Aramaic Handbook ed. F. Rosenthal, in welchem Z. Ben-Hayyim einige samar. Texte abdruckte (Bd. II, 1 S. 1—8) und ein kleines Glossar publizierte (Bd. II, 2 S. 1—12). Leider fehlen den Texten genaue Angaben zu Hss. bzw. Editionen.

» 204.

16

D e r Stand der Forschung

kannte er, daß die samar. Chroniken 8 4 , deren älteste aus dem 12. J h . nChr stammt, für die Frühzeit keinen historischen Wert haben. They „add nothing to our scanty knowledge of the beginnings of the Samaritans and of the first six centuries of their existence, at the best but illuminate the cruel history of the Byzantine period" 8 5 . Unsere Hauptquellen für die frühe Geschichte der Samar. sind die jüdischen, christlichen und heidnischen Nachrichten. Mit dieser Erkenntnis ist eine zweite verbunden. Die samar. Chroniken datieren die Trennung von der jüdischen Gemeinde in graue Vorzeit 8 8 . Man merkt dem Kapitel IV (The Origin of the Samaritan Sect), das die Zeit bis zum Beginn der griechischen Herrschaft behandelt, an, wie wenig überzeugend alle Indizien hierfür sind. „It seemed antecedently probable that the Samaritans must be the heirs of the peculiar religious characteristics of northern Israel. . . . But the results . . . are entirely negative. When at last we come upon definite information concerning the Samaritans, . . . the Samaritans appear as nothing else than a Jewish sect 8 7 ". Hieraus gilt es für die eigene Darstellung Konsequenzen zu ziehen. Die Geschichte des Nordreiches ist kein Vorspann für die Geschichte der samar. Gemeinde. Eher sollte man dagegen die Traditionen des Nordreiches bei einer Darstellung der antiken Samar. berücksichtigen. Die at. Forschung hat in Sichern einen Haftpunkt bestimmter Überlieferungen erkannt. Diese traditionsgeschichtliche Qualifikation des Ortes muß bei der Gründung des Garizim-Kultes in irgendeiner Weise Pate gestanden haben 8 8 . Man wird es der at. Forschung überlassen müs84

Eine Zusammenstellung der vorhandenen edierten Chroniken bei Macdonald, Theology 4 5 7 .

85

310.

86

Vgl. das R e f e r a t von Macdonald, Theology 1 4 — 2 1 .

87

46. Eine Unklarheit bleibt dadurch in Montgomerys Darstellung, daß er das .Samaritan schism' in die Zeit Nehemias legt (5. J h . v. C h r . ) ( 6 7 — 6 9 ) , andrerseits aber selbst beobachtet, d a ß erst von dem 2. J h . v. C h r . an jüd. Literatur explizit von Samar. bzw. von Sichemitern spricht ( 7 1 . 7 7 ) .

88

M. N o t h , Geschichte Israels: „Diese Erinnerung (sc. daß d e r kultische Mittelpunkt Israels sich stets im Bereich der mittleren Stämmegruppe

befunden

hatte) ging bei der Zähigkeit, mit der sich kultische Einrichtungen und kultische Vorstellungen zu halten pflegen, auch kaum ganz verloren, als mit dem Ende des Staates Israel dessen Staatsheiligtümer ihre bisherige Bedeutung einbüßten" ( 3 1 7 ) . Noch konkreter A. Alt, Die Wallfahrt von Sichern nach Bethel. Kleine Schriften I. München 1953, 7 9 — 8 8 : „Wenn bei der Schaffung einer besonderen Kultusgemeinschaft innerhalb der P r o v i n z Samaria gegen

Arbeiten zur Geschichte und Religion

17

sen, diesen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang näher zu untersuchen. Was Montgomery für die Geschichte der Samar. von der griechischen Zeit an zusammengetragen hat, ist eine unentbehrliche Materialsammlung. Aber es war nicht möglich, sie einfach vorauszusetzen und ohne weiteres zur Analyse aram. Traditionen zu schreiten. Die sechzig Jahre, die seit Abfassung des Werkes vergangen sind, haben archäologisches Material sowie neue historische Einsichten gebracht. Außerdem fordert die traditionsgeschichtliche Methode eine Interpretation des historischen Materials nach anderen Gesichtspunkten. Wer überliefert einen bestimmten theologischen Topos? Wie wirkt ein bestimmtes Ereignis auf das Gefüge der Religion? b) Α. E. Cowley erarbeitete mittels der Chroniken eine Chronologie samar. Autoren: Art. Samaritans in JewEnc X 669—681 sowie The Samaritan Liturgy XVIII—XXXV. Damit war die wichtigste Voraussetzung für eine samar. Literaturgeschichte geschaffen. Die für den Außenstehenden unstrukturierte Masse samar. Literatur stellte sich als Zusammenfassung von Stücken verschiedensten Alters heraus. Älteste Schicht der samar. Literatur waren — nach dem samar. Pentateuch— Hymnen des Defter aus der Feder von 'Amräm Därä und Marqä, der Memar Marqä sowie das samar. Targum. Diese von Cowley erarbeitete Chronologie ist noch heute gültig und wird in der folgenden Untersuchung vorausgesetzt. Ende der persischen oder zu Beginn der hellenistischen Zeit das einzige H e i ligtum dieser Gemeinschaft auf dem Berge Garizim bei Sichern konstituiert wurde, so geschah dies g e w i ß nicht ohne A n k n ü p f u n g an die Tradition des einstigen Nationalheiligtums" (85). „Der Rückschluß liegt nahe, d a ß es in der langen Zwischenzeit -den alten Anspruch auf die Verehrung ganz Israels aufrechterhalten und in seinem Kultus die diesem Anspruch zugehörigen Riten ganz oder teilweise bewahrt hatte" (86). D i e im A T zu beobachtende „Lockerung" zwischen den Stoffen und ihren lokalen Haftpunkten (vgl. G. von Rad, Literarkritische und überlieferungsgeschichtliche Forschung im Alten Testament. VF 1947—48, 172 bis 194) besagt nidit, d a ß die einzelnen Orte ihre eigenen Traditionen ganz aufgegeben haben. Vielleicht wurden alte Ansprüche gerade durch die A u f nahme lokaler Stoffe in die großen Erzählwerke des Pentateuch sanktioniert. Eine Geschichte Sichems v o n den A n f ä n g e n bis zur samar. Zeit hat A. Eckstein vorgelegt: Geschichte und Bedeutung der Stadt Sichern. Diss. Phil. Leipzig. Berlin 1886. Sein Resultat: Sichern hat durch seine ganze Geschichte hindurch „seinen Beruf darin gefunden, einen Sammelpunkt für die Gegner der südlichen Nachbarn zu bilden, ein Gegengewicht Jerusalems zu sein" (49). 2 Kippenberg

18

Der Stand der Forschung

c) An dritter Stelle muß genannt werden I. Ben-Zevie (Όϊ-ρ /), das Buch von den Samaritanern. Tel-Aviv 1935 (hebr.)89. Besonders Kapitel 2 erzielte einen Fortschritt über die vorangegangene Forschung: Die Siedlungen der Samaritaner90. Hier wird alles Material über die Verbreitung der samar. Gemeinde zusammengetragen. Die Samar. lebten nicht nur in Flavia Neapolis (in unmittelbarer Nähe des alten Sichern), sondern waren über ganz Palästina verbreitet und sind sogar für die großen Städte des Imperium Romanum bezeugt. Mit dieser Verbreitung war mE sehr wahrscheinlich eine Mannigfaltigkeit theologischer Überlieferungen verbunden, die es zu erarbeiten gilt. Wenigstens ist es unwahrscheinlich, daß die samar. Religion nie und nirgends einer Wandlung unterworfen war. Daß über diese drei Arbeiten hinaus noch weitere wichtige Beiträge zur samar. Geschichte geschrieben worden sind91, werden die folgenden Paragraphen zeigen. Einige Namen seien hier genannt: G. E. Wright, Shechem. The Biography of a Biblical City. London 1965 macht das archäologische Material, das die Drew-McCormick Expedition in Sichern zutage förderte, für die Spätgeschichte Sichems zur Zeit der Samaritaner nutzbar. J. D. Purvis, The Samaritan Pentateuch and the Origin of the Samaritan Sect. Harvard Semitic Monographs 2. Cambridge/Mass. 1968 datiert die Redaktion des SP in die hasmonäische Zeit. Erst durch diese Redaktion trat die samar. Gemeinde als eine eigene Sekte ans Licht. J. Bowman suchte in einer Reihe von Aufsätzen historische und traditionsgeschichtliche Aspekte der antiken samar. Gemeinde zu klären: The Exegesis of the Pentateuch among the Samaritans and the Rabbis. OTS 8 (1950) 220—262; Phylacteries. TGUOS 15 (1953—54) 54 f; Early Samaritan Eschatology. JJS 6 (1955) 63—72; Ezekiel and the Zadokite Priesthood. TGUOS 16 (1955—56) 1—14; Contact between Samaritan Sects and Qumran? VT 7 (1957) 184—189; The Samaritans and the Book of Deuteronomy. TGUOS 17 (1957—58) 9—18; SamaM

Rezension: Μ. Noth, Z D P V 63 (1940) 126 f. Verf. schreibt sich in englischer Transskription außer Ben-Zevie auch Ben-Zvi. Es handelt sich ,nebenbei' um den ersten Präsidenten des Staates Israel.

90

61—145. Eine knappe Obersicht über die geographische Verteilung der

91

Das Volumen von J . Ε. H . Thomson, The Samaritans. Their Testimony to

Samar. bereits bei Montgomery, Samaritans 143—153. the Religion of Israel. Edinburgh/London 1919, hat kein wissenschaftliches Gewicht.

Arbeiten zur Geschichte und Religion

19

ritan Studies. BJRL 40 (1957—58) 298—327; The Importance of Samaritan Researches. ALUOS 1 (1958—59) 43—54; Is the Samaritan Calendar the Old Zadokite One? PEQ 91 (1959) 23—37; Pilgrimage to Mount Gerizim. Eretz — Israel 7 (1964) 17—28 und neuerdings Samaritanische Probleme. Studien zum Verhältnis von Samaritanertum, Judentum und Urchristentum. Stuttgart 1967. Uber die Beziehung zwischen den Samar. und Qumran hat J. Massingberd Ford gehandelt: Can we exclude Samaritan Influence from Qumran? RQ 21 (1967) 107 bis 129. Und über das samar. Substrat in einigen gnostischen Systemen finden sich Beobachtungen bei G. Widengren, The Ascension of the Apostle and the Heavenly Book. UUÄ 1950, 7. Uppsala—Leipzig. Kapitel 4: Samaritan, Jewish- und Samaritan-Gnostic, and Jewish Rabbinic Evidence. 2. Arbeiten zur Religion Die eben genannten Arbeiten erörtern bereits bestimmte Topoi der samar. Religion. Zwei Autoren haben nun den Versuch unternommen, die samar. Religion umfassend zu behandeln. a) Moses Gaster, der ,Chief Rabbi' der sephardisdien Judenschaft in London von 1887—191892, hat eine große Zahl an Arbeiten über die Samar. vorgelegt83. Darüberhinaus hat Gaster eine große Zahl Hss. von den Samar. erworben, die sich jetzt in der John Rylands Library zu Manchester befinden94. Wenn wir Gasters Arbeit zur samar. Religion kennen lernen wollen, dann kommen vor allem zwei Werke in Frage: The Samaritans. Their History, Doctrines and Literature. The Schweich 92

Zur vita: Ε. Herbert, Art. Gaster, Moses. U J E 4, 516 f.

93

Eine Liste in: Gaster Centenary Publications edited by B. Schindler. London

94

E. Robertson, Catalogue of the Samaritan Manuscripts in the John Rylands

1958, 23—40. Library Manchester. Vol. II Manchester 1962. Dieser Katalog teilt ausnahmslos Hss. Gasters mit. Wie Robertson schreibt, haben die von Gaster gesammelten Hss. — »over two thousand, mainly Hebrew, Samaritan, and Slavonic" ( X V ) — ein böses Geschick gehabt. Während des Krieges wurden sie in Londoner Kellern aufbewahrt. „But water used to quendi London fires saturated a large part of the collection". Die Hss.-Codices lösten sich auf. „So much confusion of text has been thereby caused that at times one is tempted to ask oneself whether it is worth while to describe manuscripts in that condition" ( X V I ) . 2»

20

D e r Stand der Forschung

Lectures 1923, London 1925 sowie The Samaritan Oral Law and Ancient Tradition. Vol. I. Samaritan Eschatology. London 1932 95 . Gaster unterscheidet sich radikal von aller Forschung, die vor ihm zum Thema Samaritaner geleistet war. Montgomery und Cowley werden zwar ganz gelegentlich erwähnt. Doch eine Auseinandersetzung mit Argument und Gegenargument findet nicht statt. Das ist ein großer Nachteil, da Gaster grundsätzlich und im Detail von beiden abweicht9®. Ein Überblick über The Samaritans mag das verdeutlichen. Gaster beschreibt die Geschichte der Samar. ganz im Gefolge ihrer Chroniken 9 7 . Und auch wenn Gaster ihnen nach seinen eigenen Worten nicht volles Vertrauen schenkt 98 , so glaubt er doch an die Existenz eines Tempels auf dem Garizim zur Zeit J o s u a s " und findet für die samar. Erzählung vom Schisma durch Eli at. Stützen 1 0 0 . Die samar. Chroniken erhellen die einseitigen at. Erzählungen 1 0 1 . Die Erwägung, die Samar. hätten Material aus der jüdischen Bibel übernommen, ist nach Gaster wegen des Hasses beider Sekten „an improbable hypothesis" 1 0 2 . So handelt Gaster 32 Seiten lang über die samar. Geschichte vor Alexander dem Großen 103 , während schon Montgomery gezeigt hatte, daß die Samar. zuerst (von Josephus) für das 5. bzw. 4. Jh. vChr bezeugt sind und zeitgenössische Erwähnungen erst vom 2. Jh. vChr an begegnen. Gasters stille Voraussetzung bei dieser Verwertung der Chroniken formuliert er in dem zweiten Kapitel über Doctrines and Religious Practices. Seit 3000 Jahren oder mehr leben Samar. in Sichern und verehren Jahwe auf dem Garizim. Warum sollten sie ihre Lehren gewandelt haben? 104 Dies gilt Gaster als Beweis für „the antiquity of the Samaritan tradition" 1 0 5 . Das ganze Kapitel kann gar nicht oft genug wie95 98

Ein weiterer B a n d folgte nicht. Man m a g diesen U m s t a n d d a r a u f zurückführen, d a ß Gaster seit 1918 blind war. „Despite his blindness, it was said that Gaster knew the place on his shelves of every one of his 40,000 v o l u m e s " (E. Herbert a. a. O . 517).

»7 4 98

4. Vgl. 155 f.

99

8.

100

8 f.

101

4 und ζ. Β. 10.

ιοί 32. 103

Eschatology 15 bezeichnet er die S a m a r . als letzten Rest derjenigen Stämme, die sich im N o r d e n Palästinas um Sichern sammelten.

i»4 45 '»5 46.

Arbeiten zur Geschichte und Religion

21

d e r h o l e n , daß die S a m a r . i h r e T r a d i t i o n e n nie u n d nirgends ä n d e r t e n 1 0 6 . K u r z : die S a m a r . w e r d e n so geschildert, wie der R a b b i Moses G a s t e r sich selbst v e r s t a n d . Besonders deutlich w i r d das b e i m S t i c h w o r t O r a l L a w , das G a s t e r — o h n e Beleg — auch bei den S a m a r .

findet107.

Nun

w ä r e es durchaus möglich, als R e s u l t a t einer historischen U n t e r s u c h u n g den T r a d i t i o n a l i s m u s einer Sekte festzustellen. U n d auch das m a g m a n zugeben, daß die m o d e r n e n S a m a r . recht geistlos alte T r a d i t i o n e n ü b e r liefern 1 0 8 . A b e r diesen T r a d i t i o n a l i s m u s f ü r die ganze s a m a r . Geschichte einfach v o r a u s z u s e t z e n , erscheint m i r u n b e r e c h t i g t u n d bereits durch M o n t g o m e r y s A r b e i t ü b e r h o l t 1 0 9 . D i e einzige W i d e r l e g u n g , die es für diese These gibt, ist eine historische u n d traditionsgeschichtliche Analyse samaritanischen S c h r i f t t u m s 1 1 0 . D a s d r i t t e K a p i t e l über die s a m a r . L i t e r a t u r d e d u z i e r t aus d e m s a m a r . T r a d i t i o n a l i s m u s k u r z u n d p r ä g n a n t die E i n s i c h t : „ T h e s a m e d o c t r i n e s and p r a c t i c e s w e r e c o n t i n u a l l y r e s t a t e d b y successive writers, w h o h a d v e r y little t o add t h a t was new, a n d w h o o n l y r e p e a t e d t h e l0

· 12. Vgl. E . B l y t h , The Samaritans. Asiatic Review 43 (1947)

256—262:

„passionately and blindly conservative in character, custom and opinion" (256). Schon Kohn hatte dagegen betont: „Die Samaritaner haben nämlich ihre religiösen Anschauungen und Bräuche durchaus nicht so hartnäckig festgehalten, wie man es bei ihrer Abgeschlossenheit und zähen Ausdauer voraussetzen sollte . . . .

I h r Conservativismus datirt vielmehr erst aus den

jüngsten Jahrhunderten

. . . . So lange sie aber noch größere, lebensfähige

Gemeinden bildeten, die mit den jüdischen und karaitischen rivalisirten . . . , so lange konnten sie sich audi von dem Einflüsse derer nicht frei machen, gegen welche sie zu polemisiren, oder sich zu vertheidigen hatten"

(Die

samaritanisdie Pentateudiübersetzung nach der Ausgabe von Petermann und Völlers. Z D M G 47 [1893] 626—697, Zitat: 659). Mit Recht warnt auch Jeremias vor Gasters Frühdatierungen ( Α π . Σαμάρεια. T h W V I I 88 Literatur zu A). 107

49. Der Gedanke einer neben der schriftlichen Offenbarung einhergehenden

108

Einen Schritt in diese Richtung geht Gaster, wenn er feststellt, von Hadrian

mündlichen am Sinai ist m. W. bei den Samar. nicht zu belegen. und ein wenig später an sei ihre intellektuelle Aktivität stagnierend geworden (3). Doch die Lebendigkeit der früheren Zeit sucht man in Gasters Darstellung vergeblich. io» Vgl. etwa Montgomerys historische Differenzierung bei der samar. Esdiatologie (Samaritans 239). 110

Ein Versuch, die gesetzlichen Bestimmungen historisch zu untersuchen, bei L. Wreschner, Samaritanisdie Traditionen, mitgeteilt und nach ihrer geschichtlichen Entwicklung untersucht. Berlin 1888.

22

Der Stand der Forschung

old in various forms, some more systematically, others less" 111 . Die arab. Literatur sei zum großen Teil einfach an die Stelle der älteren aram. Literatur getreten 1 1 2 . Das samar. Hebräisch der Literatur v o m 14. Jh. n C h r an sei die Sprache des samar. Pentateuchs 113 . Diese Sprache gehöre in die Periode der Exils 114 . Das samar. Josuabuch, das Gaster als erster veröffentlicht hat 1 1 5 , habe in dieser Zeit seine endgültige Form gefunden 1 1 8 . Cowleys Einsicht, daß im 10. und 11. Jh. n C h r das A r a mäische in liturgischen Kompositionen mit hebr. Formen durchsetzt wurde und im 14. Jh. ganz v o m Hebräischen abgelöst wurde, ist nicht einmal notiert w o r d e n 1 1 7 . Im Zuge dieser erstaunlichen Datierungen wird der 'Asätlr ins 3. Jh. v. Chr datiert (in Wirklichkeit zwischen dem 9. und 12. Jh. nChr 1 1 8 ), der Molad Möse ins 2. bis 4. Jh. n C h r 1 1 9 (in Wirklichkeit 13. Jh. n C h r unter Benutzung älteren Materials 120 ). Marqä schließlich, den C o w l e y und Montgomery mit guten Gründen ins 4. Jh. n C h r gewiesen hatten 1 2 1 , macht Gaster ein wenig älter: drittes oder viertes Jahrhundert nChr, wahrscheinlicher noch zweites Jh. nChr 1 2 2 . Das Targum ist ohne den geringsten Zweifel (und so möchte ich hinzufügen: ohne das geringste Argument) „much older thanMarkah" (sic!) 12S . Manche H y m n e n der samar. Liturgie gehören zur ältesten Periode 1 2 4 (d. h. lange v o r das Exil). Die arab. Schriften wie der At-tabbäJ) des Abu ' 1-Hasan as-Sürl (11. Jh. nChr) 1 2 5 oder der Yaum ad-dln (19. Jh.) 98 f. 98. Iis 99 111 112

114 115

ue

117 118 119 120 121 122 123 124 125

140. Das Buch Josua in hebräisch-samaritanischer Rezension. ZDMG 62 (1908) 209—279; 494—549. 140. In Wirklichkeit fußt das Buch auf dem masoretischen Josua-Text und samar. arab. Chroniken (genauer Nachweis bei A. S. Yahuda, Uber die Unechtheit des samaritanischen Josuabuches. Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften 1908,2. Berlin 1908, 887—918). Cowley Vol. II. X X X I V . S. o. S. 11. 142. S. J. Miller, Molad Mosheh 43 f. Cowley Vol. II. X X I ; Montgomery, Samaritans 103. 294. 142. Eschatology 12 nimmt Gaster das 3. Jh. n. Chr. an. 145. 146 f. Eschatology 59 drückt ihn ins 10. Jh. n. Chr.

Arbeiten zur Geschichte und Religion

28

werden einfach auf Grund des postulierten Traditionalismus zu Zeugen steinalter Überlieferungen126. Daß Gaster nun aber auch ausgezeichnet über die Samar. informiert ist, zeigt sein Art. Samaritaner. E.I. I.A. Bd. 4, 132—138, dem er eine Abhandlung über „Die samaritanische Litteratur" beigegeben hat, die einen Anhang zu Band 4 der E.I. bildet. Vor allem die arab. Literatur ist hier (vielleicht sogar vollständig) verzeichnet. Zweifellos: hier ist die historische Arbeitsweise ad acta gelegt. Die samar. Religion wird zum erhebenden Zeugen eines einfachen und treuen Judentums. Und daß solch elementares Judentum lange vor den Pharisäern existierte, macht klar, daß hier „general practices among the Jews" 127 auftauchen, die viel älter als die Pharisäer sind. Die samar. Religion füllt die Lücke zwischen Esra und den Rabbinen128. Und dieses Programm führt Gaster in dem Buch über die samar. Eschatologie durch: „their Eschatology fits in exactly with the period between the return of the Exile and the Maccabees"129. Der Graben zwischen der Bibel und den Apokryphen bzw. Pseudepigraphen ist geschlossen130. b) J. Macdonald, The Theology of the Samaritans. New Testament Library. London 1964. Als Krönung einer ganzen Reihe von Aufsätzen, die Macdonald in dem bibliographischen Anhang dieses Buches 457 bis 463 verzeichnet, publizierte Macdonald dieses Werk. Besonders wertvoll an diesem Buch ist die reiche Materialsammlung zu einem jeden theologischen Topos131. Unter den Stichworten Gott, Mose, Leben des Menschen, Eschatologie und die zukünftige Welt sammelt Macdonald alles betreffende Material. Ein ausführliches Register am Ende des Buches erschließt es. Dadurch werden beträchtliche Teile sowohl von Cowleys Samaritan Liturgy als des Memar Marqä zugänglich. Auswahlprinzip ist, daß eine Stelle „may be regarded as representative of the established path of evolution"132. Das hat natürlich eine Verschiebung der Perspektiven zur Folge: nur wenn Kontinuität vorhanden ist, wird eine Tradition erfaßt. Traditionen jedoch, die nur in der frühen Periode eine Rolle spielten, später aber verschwanden, bleiben außer Betracht. Dar128

151—153.

127

63.

128

Eschatology 31.

129

Eschatology 35.

130

Eschatology 34. 37.

8. IS2 8. 181

24

Der Stand der Forschung

überhinaus garantiert die dogmatische Aufteilung des Stoffes zwar eine wirklich umfassende Materialsammlung. Umgekehrt zerreißt sie zusammengehörige Traditionen und verdeckt die lebendigen Triebkräfte hinter einer Tradition. N u n ist aber Macdonalds Stoffaufteilung ganz in seinem Verständnis der samar. Geschichte begründet, das er in der Einleitung explizit behandelt. Wie M. Gaster hält auch Macdonald die Aussagen der samar. Chroniken über das Schisma in der Zeit Elis für glaubwürdig 1 3 3 . Ganz anders als Gaster aber sieht er die Geschichte dieser Religion: „Samaritanism is Pentateuchal religion evolved along lines which have an affinity with Christianity, but with help from ideas current in the Near East over a long period of time" 1 3 4 . So seien die Samar. von den griechischen Philosophien 135 , von den gnostischen Spekulationen 138 und vor allem vom Christentum 1 3 7 beeinflußt worden. Dagegen scheide jeder jüdische Einfluß aus 138 . Sowohl der Defter als auch der Memar Marqä gehören in diesen Prozeß der Aufnahme philosophischer und theologischer Elemente. „They were the formulation and systematization of Samaritan religious belief" 1 3 9 . Über den Glauben vor Baba Rabba haben wir keine Zeugnisse 140 . 133

Vgl. etwa 29 f. Chronik II, die M a c d o n a l d 1 % 9 in B Z A W 107 veröffentlicht hat, entspricht in ihrem ersten Teil dem s a m j o s , das Gaster ediert hat. A u d i M a c d o n a l d hält sie f ü r den Zeugen einer vormasoretischen Tradition.

134 135

1 4

.

30 f.

13« 3 2 . 137

32—34. 53. Äußerst skeptisch gegen solche Annahme bereits M. Gaster, Studies and Texts I I . 726 f. A . von H a r n a c k , Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. 4. A. 2 Bde. Leipzig 1924; Bd. 2, 630—655 hat erarbeitet, d a ß das Christentum Palästinas vor 325 n. Chr. — an sich schon nicht sehr bedeutend — vor allem bei der griechischen Bevölkerung der großen Städte zu suchen sei. D a s platte L a n d sei bei dem angestammten Glauben geblieben. Ein Einfluß von Seiten des Christentums erscheint mir daher wenig wahrscheinlich. Skeptisch auch Ν . H . Snaith in einer Rezension S J T h 18 (1965) 103. Allerdings wird man mit antichristlicher Polemik rechnen können. Vgl. M M I V 98, 6 f . : die Leugner sagen, „es (gibt) einen G o t t außer ihm, ihm gleich" (vgl. Montgomery, S a m a r i t a n s 208 f.).

138

53.

139

37. Vgl. 31 und 447.

ho

3 7 -

Arbeiten zur Geschichte und Religion

25

Mir scheint Macdonald an diesem letzten Punkt zu pessimistisch zu sein, beschreibt er doch den Memar Marqä selbst als „Thesaurus of early Samaritan traditions, hymns, beliefs, saws and epithets, and possibly primitive liturgical phrases and expressions" 1 4 1 . Hält man diese Feststellung für zutreffend, dann wäre Macdonalds Theologie durch eine Traditionsgeschichte zu ergänzen. Eine solche Traditionsgeschichte hätte nicht nur auf das Abreißen einer Tradition zu achten, sondern audi auf die innere Verbundenheit verschiedener Uberlieferungen und ihre Verwurzelung in bestimmten Gruppen oder Institutionen. So gehört etwa Mose für bestimmte Kreise in den Komplex der Eschatologie 142 . So ist The chain of purity ζ. Β. nicht einfach ein Gnadenmittel 1 4 3 , sondern formuliert durch Aufnahme bzw. Auslassung bestimmter biblischer Personen Rechtsansprüche bestimmter Kreise. Auf dieser Ebene wäre dann auch das Verhältnis zwischen jüdischen und samar. Traditionen zu behandeln. Es ist zutreffend, daß weder die Samar. im allgemeinen noch Marqä im besonderen beim Judentum Anleihen gemacht haben. Doch wenn Montgomerys Beschreibung der Samar. als jüdische Sekte berechtigt ist (Macdonald hat sie nicht widerlegt), dann muß man bei der Zurückverfolgung älterer Traditionen mit einer Verflechtung samar. und jüdischer Uberlieferung rechnen. c) J . C. H. Lebram hat eine beachtenswerte Analyse des MM vorgelegt. Der Titel ,Nadibiblische Weisheitstraditionen' ist programmatisch 144 . In einem ersten Teil über die traditionsgeschichtliche Herkunft des Stoffes konstatiert Lebram die Ubereinstimmung samar. Traditionen mit weisheitlichen Termini, Literaturformen und Topoi 1 4 5 . In einem zweiten Teil, der den Sitz im Leben behandelt 146 , erklärt er dann den MM zum „Produkt einer lebendigen Weisheitsschule" 147 , woraus er dann im dritten Teil 1 4 8 für die samar. Geschichte erschließt, daß die Samar. ursprünglich eine „intransigente Gruppe in den Weisheitsschulen" gewesen seien 149 . Nicht nur die Anwendung der traditions- und 141 142 143 144 145 148 147 148 148

Memar Marqah, Vol. I. X V I I I . Vgl. Maodonald, Theology 216 f. A. a. O. 314—320. V T 15 (1965) 167—237. 169 ff. 208 ff. 2 1 9. 222 ff. 230.

26

Der Stand der Forschung

formengeschichtlichen Methode auf den MM ist mE überzeugend, sondern auch die Exegese mancher Stellen. Doch ist Lebram bei dieser Anwendung der traditionsgeschichtlichen Methode nicht konsequent vorgegangen. Lebram hebt die Absicht und Gestaltung des Marqä nicht von dem überlieferten Stoff ab, sondern stellt einfach das ganze Werk in den Raum der jüdischen Weisheit. Eine solche Heraustrennung älterer Tradition würde aber auf unweisheitliche Uberlieferungen wie liturgische Vorschriften treffen. So wie Lebram den traditionsgeschichtlichen Befund simplifiziert, so auch den Sitz im Leben. Die Schule ist nur ein Traditionsort, neben dem es noch Synagogengottesdienst und in früherer Zeit Tempel gab. Schon Lebrams Ausgangsfrage, „in welcher Gruppe des Judentums wir die Wiege der samaritanischen Tradition zu suchen haben" 150 , geht von falschen Voraussetzungen aus: die samar. Tradition ist keine sich über Jahrhunderte erstreckende Einheit; es gab mehrere Wiegen der samar. Religion. Der letzte Teil von Lebrams Aufsatz, der die „historische Einordnung der Samaritaner" 151 behandelt, führt denn audi zielstrebig auf die Weisheitsschulen als Wiege der samar. Bewegung. Hält man diese These neben den Bericht des Josephus über das samar. Schisma, dann sieht man, wie abstrus sie ist. Zu diesem Ergebnis konnte Lebram nur gelangen, weil er weder die Sekundärliteratur ausreichend kennt noch die Geschichtsquellen152. Hätte Lebram einmal in die samar. Chroniken hineingeschaut, dann hätte er gemerkt, daß sie von Schulen nicht vor dem 4. Jh. nChr sprechen. Das Schisma im 4. bzw. 2. Jh. vChr dagegen ist auf Priesterkreise zurückzuführen. Doch es sei wiederholt: Lebrams Arbeit bietet ausgezeichnete Stellenanalysen, etwaige Fehler können uns den Weg weisen. Jede Analyse des MM muß die Intention des Marqä von der Tradition abheben. Die Formgeschichte des Alten und Neuen Testaments hat solche Analyse von kleinen Einheiten durchgeführt. Begrenzter Umfang, seltenes Auftauchen und eigenartiges Gedankengut sind die beste Gewähr, daß wir Traditionsstücke vor uns haben. Solche Stücke können uns Aufschluß geben über die Geschichte ihrer Tradierung und ihren Sitz im Leben. 150 151 152

1 68. 168. Von der wissenschaftlichen Literatur hat Lebram verarbeitet: Gaster, Samaritans; Asatir; Jeremias, Art. Σαμάρεια. ThW VII. 88—94; Passahfeier; Bowman, Samaritan Studies; Importance; Delcor, Hinweise; Kretsdimar, Gnosis. Es fehlt — schwer begreiflich — eine Kenntnis Montgomerys (und damit der Josephusstellen) sowie der Chroniken.

Aufgabe, Methode und Durchführung

27

Erst wenn solche Analyse uns Einblick gegeben hat in Charakter und Haftpunkt älterer samar. Traditionen, kann man sich daran machen, den Rahmen zu untersuchen, in den sie durch Marqä eingefügt wurden. Dieser Rahmen ist ja nicht nur eine äußere Form. Vielmehr spiegelt er die letzte Verwendung des Stückes in Synagoge bzw. Schule. Dadurch fällt ein Licht auf Gottesdienst bzw. Schulbetrieb, die für uns bis heute im Dunkeln bleiben 1 5 3 . Neben diesen Autoren haben sich noch andere mit bestimmten Details der samar. Religion befaßt. Genannt seien drei Arbeiten von Α. E. Cowley, The Samaritan Liturgy, and Reading of the Law. J Q R 7 (1895) 121—140; T h e Samaritan Doctrine of the Messiah. Exp. 5. Serie 1 (1895) 161—174; Some Remarks on Samaritan Literature and Religion. J Q R 8 (1896) 562—575. Auch die Aufsätze von E. Robertson sind zu nennen, die sich mit samar. Hss. beschäftigen und unter der Uberschrift: Notes and Extracts from the Semitic Mss. in the John Rylands Library (Titel schwankt in unwesentlichen Details) in B J R L 19 (1935) bis 23 (1939) erschienen. Alle diese Aufsätze sind methodisch vorbildlich, da sie samar. Phänomene bewußt historisch behandeln. Das gilt auch für J . Jeremias, Die Passahfeier der Samaritaner und ihre Bedeutung für das Verständnis der alttestamentlichen Passahüberlieferung. B Z A W 59. Gießen 1932. Jeremias schreibt unter Auswertung alles historischen Materials eine Geschichte des samar. Passa.

C. Aufgabe, Methode und Durchführung Die Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, ist es, die Periode zwischen der Redaktion des SP und der Entstehung der aram. Literatur im 4. J h . nChr traditionsgeschichtlich zu erhellen. Unser Ziel ist die Eingliederung der samar. Religion in die Geschichte des antiken Judentums sowie des entstehenden Christentums. Die samar. Gemeinde ist eine zahlenmäßig und geistig beachtliche Größe, deren Bedeutung für die Religionsgeschichte Palästinas einmal erarbeitet werden müßte 1 5 4 . 153

Eine traditionsgeschichtlidie Analyse auch bei N . Sed, Le Memar samaritain, le Sefer Yeslrä et les trente — deux sentiers de la Sagesse. R H R 170 (1966) 159—184.

154

A. Geiger, Neuere Mittheilungen über die Samaritaner IV. ZDMG 19 (1865) 614 f.: „Möge die Aufmerksamkeit der Gelehrten den vernachlässigten Samaritanern . . . wieder ernstlich zugewendet werden".

28

D e r Stand der Forschung

Ein Weg, hinter die aram. Literatur zu schauen und die Vorgeschichte der aufgenommenen Überlieferungen zu erkennen, ist der traditionsgeschichtliche. Diese Methode geht davon aus, daß ein Literaturwerk kein zweidimensionales Bild ist, vom Autor ad hoc entworfen, sondern daß es ein dreidimensionales Gebäude ist, dessen Bestandteile älter und verschiedener Herkunft sind. So einfach das klingt, so schwierig ist die Durchführung. Es wäre möglich, die aram. Literatur nach literarkritischen Gesichtspunkten zu analysieren, Quellen festzustellen und in einem zweiten Schritt die in die Quellen aufgenommenen Einheiten zu untersuchen und auf den Sitz im Leben zurückzuführen. Ich habe diesen Weg für diese Arbeit nicht gewählt, weil er die Besonderheit samar. Traditionen nicht unmittelbar zutage treten läßt 155 . Unser Vorgehen ist daher folgendes. In einem ersten Teil wird alles Material gesammelt, das die Geschichte der samar. Gemeinde bis zum Ende der byzantinischen Herrschaft erhellt. Ein besonderer Nachdruck fällt dabei für die Frühzeit auf die Feststellung der ältesten Nachrichten über die Samar. und die Bedeutung der Tempel-Gründung, für die Spätzeit dagegen auf alle Nachrichten über innere Bewegungen in der samar. Gemeinde und über ihre Institutionen. Ein zweiter Teil versucht, bestimmte Traditionskomplexe einzugrenzen. Die historische Nachricht soll durch eine Traditionsgeschichte ergänzt werden. Der Begriff Tradition bezeichnet die von samar. Gruppen oder Institutionen entwickelten Theologumena, in die verschiedene weitere schriftliche oder mündliche Uberlieferungen eingegangen sind, und die verschiedene Formen haben könnten. Die Paragraphen orientieren sich also an Begriffen, nicht an exegetischen Überlieferungen oder Formen 1 5 8 . In diesen Abschnitten werden dann aber 155

U n n ö t i g zu sagen, d a ß Literarkritik und Formgeschichte unentbehrlich bei der Untersuchung des a r a m . Materials sind.

15« Völlig unberücksichtigt bleibt in der ganzen folgenden Arbeit die samar. H a l a k a . Weder die rabbinischen Nachrichten über die samar. Gesetzesauslegung noch die samar. Schriften und Lehren über dieses Thema werden erörtert. Stellen wir an dieser Stelle nur einige Sekundärliteratur zu diesem Thema zusammen: A . Geiger, D i e gesetzlichen Differenzen zwischen Samaritanern und J u d e n . 2 D M G 20 (1866) 527—573. L. Wreschner, Samaritanische Traditionen, mitgeteilt und nach ihrer geschichtlichen Entwicklung untersucht. Berlin 1888. M . Gaster, The 613 Commandments.

Festschrift zum 75jährigen Bestehen

des jüdisch-theologischen Seminars Fraenckelscher Stiftung 2 (1929)· 393 ft. A . S. H a l k i n , The 613 Commandments among the Samaritans. Ignace Gold-

Aufgabe, Methode und Durchführung

29

sowohl die einzelnen Überlieferungen als auch die Formen erörtert. Kriterien für die Erkenntnis solcher Sachkomplexe sind: bestimmte Interpretation at. Stellen, Polemik, historische Nachrichten, sachliche Differenzen im Kontext. Für diese Komplexe erweist sich jeweils ein ganz bestimmter Begriff als charakteristisch. Von diesen samar. Schlagworten bzw. Stichworten gehen wir aus. In dem letzten Teil eines jeden Paragraphen wird die samar. Überlieferung auf ihr Alter befragt. Zugleich werden religionsgeschichtliche Parallelen gesammelt und auf ihren Zusammenhang mit der samar. Tradition untersucht.

ziher Memorial Volume II. Jerusalem 1958, 86—100

(hebr. Teil). S. Noja,

Les preceptes des Samaritains dans le manuscrit Sam. 10 de la Bibliothequ« Nationale. RB 74 (1967) 255—259.

DIE GESCHICHTE DER ANTIKEN SAMARITANER

II. DIE ENTSTEHUNG DES GARIZIM-KULTUS Bis h e u t e h e r r s c h t die M e i n u n g v o r , die S a m a r . seien eine alte Sekte, d e r e n E n t s t e h u n g bereits 2 K ö n 17 b e r i c h t e t sei, d e r e n T r e i b e n sich bereits b e i m W i e d e r a u f b a u des J e r u s a l e m e r T e m p e l s a m A u s g a n g des 6. J h . v C h r v e r f o l g e n lasse, u n d die d a n n schließlich u n d endlich sich einen eigenen T e m p e l e r b a u t habe. D i e folgenden A u s f ü h r u n g e n ü b e r p r ü f e n diese A n s c h a u u n g an den a n t i k e n Quellen.

A. Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr. Christliche Schriftsteller u n d J o s e p h u s n e n n e n die a m G a r i z i m - K u l t beteiligten Gläubigen S a m a r i t a n e r 1 . Diese Bezeichnung, parallel d e r v o n J u d e n ' , ist i r r e f ü h r e n d . D e n n S a m a r i a ist d e r N a m e einer S t a d t (bis 1

Dieser Name ist nicht die älteste Bezeichnung für die Gemeinde am Garizim. Die ältesten jüd. Erwähnungen dieser Gemeinde (2. J h . v. Chr.) nennen sie nach dem Ort, an dem sie wohnt: Sir 5 0 , 2 6 (um 1 9 0 v . C h r . ) : ,das törichte Volk, das zu Sichern wohnt'; 2 M a k k 5, 22 f. (Ende des 2. J h . v. Chr.): ,das Volk am Garizim*; 2 M a k k 6 , 1 — 3 : ,die den Ort (Sichern bzw. Garizim) bewohnen'; Josephus, einer Quelle folgend: Sichemiter (vgl. u. S. 53 ff.). Nach der Vernichtung Sichems am Ende des 2. J h . v. Chr. verschwindet auch diese Bezeichnung. Josephus (1. J h . n. Chr.) schreibt Ant. I X

§ 290,

daß

diese Leute in hebr. Sprache Χουθαϊοι, in griech. Sprache Σαμαρεΐται heißen. Diese Bemerkung macht deutlich, daß die Bezeichnung Samaritaner in ihrem Gehalt der rabbinischen 'Kütim' entspricht. Diese rabbinische Bezeichnung ist aus 2Kön 17, 24. 30 herausgesponnen. Die Bezeichnung Σαμαρεΐται stammt daher sehr wahrscheinlich ebenfalls aus L X X 2 K ö n 17, 29, wo die synkretistisdien Jahweverehrer im Bereich des ehemaligen Nordreiches so heißen. Denn nur an dieser Stelle begegnet in der L X X dieser Name. E r drückt daher die gleiche Beurteilung der Samar. aus wie das abschätzige DVVD der Rabbinen, das j a bald jeden Heiden bezeichnen konnte. Der Name Kütim-Samareitai ist also zwischen Ende des 2. J h . v. Chr. und dem 3 Kippenberg

34

Die Entstehung des Garizim-Kultus

zu Herodes 2 7 v C h r ) sowie einer Provinz bzw. einer Landschaft 2 . Anders als im Judentum hat sich die sidiemitische Gemeinde mit der Provinz Samaria keineswegs besonders verbunden gefühlt, audi sdieint die Gemeinde niemals die politischen Führer dieses Distrikts gestellt zu haben. Auch wenn es im 4. Jh. nChr unter Baba Rabba eine theokratische Verfassung gegeben haben mag, sollte man doch beide Kreise begrifflich unterscheiden. Ferner suggeriert diese Bezeichnung ein Alter und eine Herkunft der Gemeinde (2Kön 17, 29), die diese nicht hatte. Daher werden im folgenden die Bewohner des politischen Distrikts Samarier genannt, die Anhänger des Garizim-Kultes dagegen Samaritaner (Samar.) 3 . Damit soll natürlich nicht bestritten sein, daß die Geschichte der Provinz auch für die Religionsgemeinschaft v o n höchster Bedeutung war. Es soll lediglich die Gemeinde zu Sichern auch im Ausdruck v o n der (viel älteren) Bevölkerung im Bereiche des ehemaligen Nordreichs unterschieden werden 4 .

1. Jh. n.Chr. aufgekommen. Die Samar. haben ihn erst spät akzeptiert. In der aram. Literatur kommt er nicht vor. Die Samar. nennen sich selbst Israel etc. Wenn sie sidi dann später doch Β'Ί'ΠΟΦ nennen, dann mit der Bedeutung: Bewahrer. Diese Bedeutung kennt bereits Epiphanius (4./5. Jh. n. Chr.), Panarion haer. 9,1, 4 (K. Holl, GCS 25. Leipzig 1915, 198, 7 f.): φι/λάττειν τήν γ η ν bzw. φυλάττειν τ ά τταιδεύματα τοΰ νόμου. Zu dem Topos „Hüter des Landes" vgl. M. Grünbaum, Nachträge zu den Bemerkungen über die Samaritaner. ZDMG 23 (1869) 615—641: 631. Auch bei Johannes Chrysostomus (4./5. Jh. n. Chr.) finden wir dieses Verständnis: „Samaritaner heißt nämlidi Bewahrer (φύλαξ)" (MPG 61, 756 Z. 60 f.). Ebenso Hieronymi Chronicon (R.Helm, GCS 47. Berlin 1956, 88 b Z.24—26 sowie 334 Anm. 1). Ob diese Deutung samar. oder christlich ist, muß offen bleiben. Daß man die Samar. überhaupt mit 2Kön 17 zusammenbrachte, ist leicht erklärlich. Die samar. Gemeinde selbst betrachtete sich als Ausläufer einer Gemeinde, die gleich nach der Landnahme gegründet wurde. Dieser Anspruch konnte leicht mit 2Kön 17 desavouiert werden. 2 Beschreibung der Landschaft: V. Schwöbel, Samarien. Das westpalästinisdie Mittelland. ZDPV 53 (1930) 1—47.89—135. * Eine genaue Begriffsuntersdieidung (Samaritaner in religiöser, ethnischer und politischer Hinsicht) versucht auch G. van Groningen, First Century Gnosticism. Its Origin and Motifs. Leiden 1967, 135 f. 4 Ein völlig willkürlicher, aus den Texten nicht zu rechtfertigender Sprachgebrauch bei U. Kellermann, Nehemia. Quellen, Uberlieferung und Geschichte. BZAW 102. Berlin 1967, 89. Er bezeichnet die Opponenten Neh2, 19 f. als „Samaritaner" — nicht nur einmal, sondern fortwährend (vgl. Register s. v. Samaritaner). Dahinter steht eben die tendenziöse Verbindung

Geschichte Samarias bis zum 4. J h . v. Chr.

1. Die Bevölkerung

im ehemaligen

35

Nordreich

Samaria, Königsstadt Israels mit kanaanäischem Gepräge 5 , fiel im Jahre 722/1 assyrischer Eroberung zum Opfer und wurde zur Hauptstadt einer assyrischen Provinz degradiert®. Sargons Annalen berichten über diesen Triumph: „27290 Leute, die darin wohnten, führte ich fort. . . . Die Leute der Länder, der Beute meiner Hände, ließ ich darin wohnen. Meine Kammerherren setzte ich als Statthalter über sie" 7 (vgl. 2Kön 17, 6). Sargons Neuansiedler kamen nach 2Kön 17, 24 aus Babel, Kutha 8 , Awa, Hamath, Sepharwaim 9 . Von Neuansiedlungen sprechen auch Esra 4, 2 und 4, 8—10, verbinden sie jedodi mit Esarhaddon (680 bis 669) und Assurbanipal (668—626). „It is evident that there were successive waves of settler-deportees" (Ν. H . Snaith) 10 . Beachtenswert ist die Zahl der deportierten Israeliten. Denn der Bericht 2Kön 17 erweckt den Eindruck, als sei ganz Samaria von fremden Kolonisten bewohnt, die lediglich durch eine Löwenplage zur Verder Sekte zu Sidiem mit 2Kön 17, 29 — eine Verbindung, die bis heute das Bild von den Samar. bestimmt. Wie Kellermann F. Altheim — R . Stiehl, Die Araber in der Alten Welt. Bd. 4 Berlin 1967, 2 0 4 — 2 2 4 : Erwägungen zur Samaritanerfrage, und I. H . Eybers, Relations between Jews and Samaritans in the Persian Period. Biblical Essays 1966. Proceedings „Die OudTestamentiese Werkgemeenskap in Suid-Afrika". Potdiefstroom 1967, 72 bis 89. 5

A . A l t , Der Stadtstaat Samaria. Kleine Schriften I I I . München 1959, 258 bis

4

Vgl. A. Alt, Das System der assyrischen Provinzen auf dem Boden des Rei-

302. Zum kanaanäischen Charakter: 265 ff. ches Israel. Kleine Schriften I I . München 1953, 188—205. Zum ganzen Vorgang vgl. M. Noth, Geschichte Israels 237. 7

A O T 348 Z. 15—17.

8

Hierher

kommt

der

spätere

Name

DYltt,

„eine

Rabbinensdiöpfung"

(L. Haefeli, Geschichte 26). Nach S. Mowinckel, Studien zu dem Budie Ezra — Nehemia I I . Die Nehemia-Denkschrift. S N V A O I I . Hist.-Filos. Klasse N S No. 5, war Kutha Hauptkultstätte des Gottes Nergal — ein Gott der Unterwelt und des Todesreiches (119). E r war den Juden ein „Höllenkönig", wie die Samar. eine „Unterwelts- und Höllenbrut" (120). • Zur Lage der Orte vgl. Ν . H . Snaith, The First and Second Books of Kings. IntB I I I . New Y o r k 1954, 283 und die Karte 188. 10

A a O 283. L. Haefeli, Geschichte stützt sich ausschließlich auf Z. 16 der Annalen Sargons sowie auf eine Zylinderinsdirift ( A O T 349 f.), setzt die Neuansiedlung gegen 710 an (19 f.) und hält die Angaben von Esr 4 für suspekt (20 f.).

3*

36

Die Entstehung des Garizim-Kultus

e h r u n g des L a n d e s g o t t e s J a h w e gebracht w u r d e n 1 1 . Diese Darstellung ist o h n e Zweifel einseitig. A u s 2 K ö n 1 5 , 19 f k a n n m a n nämlich erschließen, daß i m N o r d r e i c h einst 6 0 0 0 0 b e g ü t e r t e M ä n n e r lebten 1 2 , die E n t v ö l k e r u n g also keineswegs k o m p l e t t gewesen sein k a n n . Η . H . R o w l e y h ä l t die D e p o r t i e r t e n n u r f ü r ein Z w a n z i g s t e l der g e s a m t e n israelitischen B e v ö l k e r u n g 1 3 . D a ß das L a n d nicht t o t a l v o n den Israeliten v e r lassen w u r d e u n d den H e i d e n zufiel, zeigt — wie M . G a s t e r m i t R e c h t b e t o n t — E z 3 7 , 16 ff: in einer symbolischen H a n d l u n g soll der P r o p h e t J u d a u n d E p h r a i m w i e d e r v e r e i n i g e n , o h n e daß an E p h r a i m s R e i n h e i t gezweifelt w i r d 1 4 . So k a n n m a n folgern, daß die nicht exilierte B e v ö l k e r u n g v o n der i m p o r t i e r t e n Oberschicht g e s o n d e r t w e i t e r l e b t e 1 5 .

Und

wie E z , so v e r k ü n d e n auch Jes 11, 1 2 f (nachjesajanisch), J e r 3 1 , 1 7 — 2 0 u n d Sach 10, 6 f H e i l f ü r das geschundene E p h r a i m 1 8 . I m G e g e n s a t z z u den jüdischen Q u e l l e n k e n n e n die s a m a r . C h r o n i k e n eine R ü c k k e h r der D e p o r t i e r t e n 1 7 . I n der T o l i d ä 1 8 heißt es: „ D i e s e r JvapS? (sc. ein H o h e r -

11

Extremisten des rabbinischen Judentums fiel es daher leicht, kurz und knapp zu behaupten: „Die S. werden nicht zu den siebzig Völkern (der Erde) gerechnet, sondern als Überbleibsel von den fünf Völkern, die der König von Assur gefangen führte" (Billerbeck I. 553. Midrasch Tanhuma

3CH

[43 b ] ) .

12

Montgomery 50.

13

The Samaritan Schism in Legend and History. Israel's Prophetic Heritage. Essays in honor o f J . Muileöburg. London 1962, 209 Vgl. Miller, Molad Mosheh 3.

14

Samaritans 14 f.

15

A. Alt, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des Judentums. Kleine Schriften I I . München 1953, 3 1 6 — 3 3 7 : 320—322. Vgl. Cowley, Samaritans: „the Israelitish element still held its own in the north" (670) sowie J.. W. Lightley, Jewish Sects 186—193.

ls

J . Macdonald, Theology 22 f. Zutreffend Μ. Gaster, Samaritans 6 : Die Ansiedlung fremder Völker ist „no actual clue to the real beginnings of a schism". Schließlich lebte dodi sogar im einst kanaanäischen Jerusalem eine Mischbevölkerung

(H.H.Rowley,

Schism 212 f.). Der 2 K ö n l 7

genannte

Priester war daher niemals erster Gründer des samar. Kultes (gegen Antoine, Garizim 543), da die vorauszusetzende Deportation aller Israeliten und die durchgreifende Neubesiedlung des Landes unhistorisch sind. 17

Vgl. den Art. Samaritans von Τ . H . Gaster in: The Interpreter's Dictionary R — Ζ . New Y o r k 1962, 190 IT., der die jüd. und samar. Version über die Geschichte des ehemaligen Nordreichs gegeneinander abwägt.

18

T e x t : J . Bowman, Transcript o f the Original Text o f the Samaritan Chronicle Tolidah. University o f Leeds 1955. Diese Edition liegt nur in Maschinenschrift vor. Einen leichter zugänglichen T e x t hat A. Neubauer herausge-

Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr.

37

priester) wurde von Nebukadnezar, dem König von Assyrien, gefangen ins Exil geführt" 19 . Das Ereignis fiele also in die 1. Hälfte des 6. Jh vChr. Unter einem gewissen Hohenpriester 'jtnas? sei ganz Israel aus der Verbannung heimgekehrt, 300 000 Mann 20 . Die Tolidä nennt ihn in der sechsten Generation nach MOpS?, was einem Zeitraum von ca 180 Jahren entspricht. Zugleich wird sein Vater mit einem nicht mit Namen benannten Griechenkönig synchronisiert. Zu allem Überfluß weiß Neubauers Hs. von einer Rückkehr des ΓΡ*1β?> einem Enkel vom ST»aj?s 21 . Zu Recht J . Macdonald: „The exact date of this return is not known" 22 . Fassen wir zusammen. Die — offen vertretene und unterschwellig wirkende — Meinung, nach dem Sturz des Nordreiches seien die Israeliten deportiert und Heiden neu angesiedelt worden, ist einseitig. Nach den Quellen ist nur ein Teil der Israeliten verschleppt worden. Die zurückgebliebenen Israeliten waren der Zahl nach den neu angesiedelten Heiden gewiß überlegen. Daß diese Kolonisten in der autochthonen Israel-Bevölkerung aufgingen, ist wahrscheinlich. Dieser ganze Vorgang, der vielleicht auch zu einem Synkretismus geführt hat (2Kön 17), fällt zeitlich drei bis vier Jahrhunderte vor Gründung des Garizim-Kultes und hat mit diesem nichts zu tun.

geben: Chronique samaritaine, suivie d'un appendice contenant de courts notices sur quelques autres ouvrages samaritaines. J A 14 (1869) 385—470. Dieser Text ist allerdings ζ. T. mit sekundärem Material durchsetzt. Ü. von Neubauers T e x t : M. Heidenheim, Die samaritanisdie Chronik des Hohenpriesters Elasar (aus dem 11. Jahrhundert). Vierteljahrssdirift für Deutschund Englisch-Theologische Forschung und Kritik. IV, 3 (1870)

347—389.

Im folgenden wird neben der Seitenzahl von Bowmans Edition diese Ü. angegeben. ' · 14N; Heidenheim, Chronik 363. 20

1 4 3 ; 364.

21

Heidenheim 363.

M

Theology 20. Es ist eine vordringliche Aufgabe, die samar. Chroniken, die in der Mehrzahl untereinander verwandt sind, auf ihre Quellen hin zu untersuchen. An einer widitigen Stelle, der den meisten Chroniken als Gerüst dienenden Priestergenealogie, soll weiter unten ein Anfang gemacht werden. So lange Alter und Tendenz dieser Quellen nicht bestimmt sind, sind die Chroniken für die alte Zeit nicht brauchbar. Vgl. zum Exil: J . Bowman, Ezekiel: „Their earliest annal knows of no exile to Assyria" (6).

Die Entstehung des Garizim-Kultus

38

2. Das Verhältnis zwischen Samaria und Juda im 6. und 5. ]h vChr Verfolgen wir nun an Hand at. Nachrichten die spannungsgeladene Geschichte zwischen Samaria und Juda. Steht im Jh. nach dem Fall Samarias der politisch entmachtete Nordstaat ganz im Schatten der religiös aktiven judäischen Könige Hiskia (vgl. 2Chron 30, 5 ff) und Josia' (2Kön 23, 19), so ändert sich das Bild nach der Schlacht von Karkemisch am Euphrat (Jer 46, 2), die den Neubabyloniern ganz Palästina öffnete. Die einst assyrische Provinz Samaria wurde nun dem neubabylonischen Reich eingegliedert (vgl. 2Kön 24, 7). Das geschlagene Juda aber verlor jede Eigenständigkeit und wurde der benachbarten Provinz Samaria angegliedert. Der Judäer an seiner Spitze war „ein Unterstatthalter mit begrenzten Rechten" (M. Noth 23 ). Diese Ordnung wurde von den Persern im 5. Jh. aufgehoben. Zuerst einmal wurde Jerusalems Tempel wiederhergestellt und die Stadt auf diese Weise zum kultischen Zentrum im Lande24. Bereits Cyrus hatte 538 vChr 25 den Neubau des Jerusalemer Tempels angeordnet (Esr 6, 3—5). Im Jahre 515 vChr wurde dann das Heiligtum neu eingeweiht (Esr 6, 15)2e. Aus der Zeit des Tempelbaues stammt das Wort des Propheten Haggai (520vChr 27 ) 2,10—14, der in Form einer Priesterbefragung ,dieses Volk' und ,diese Nation' als unrein deklariert. J. W. Rothstein hat dieses Wort als direkte Antwort auf Esr 4, 2 verstanden: Darf der Ί>"|ΝΠ DJ? ( = Samaritaner) den Tempel mit auferbauen? Haggais Antwort hätte dann den Bescheid Esr 4, 3 provoziert 28 . Um eben dieses prophetischen Wortes willen bezeichnet ihn R. Bach als „Vater des Judentums" 29 . Doch ist die ganze Exegese mehr M 24

125

28 27 28

28

Gesdiidite Israels 261. Darstellung dieses Vorganges und des Verhältnisses Juda-Samaria: K. Galling, Serubbabel und der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem. Verbannung und Heimkehr. W.Rudolph zum 70. Geburtstage. Tübingen 1961, 67—96. M. Noth, Geschichte Israels 277; W. Rudolph, Esra und Nehemia. H A T 1. Reihe 20. Tübingen 1948, X X V I . M. Noth, Geschichte Israels 284; W. Rudolph aaO. R. Bach, Art. Haggai. RGG 3. A. III. 24 f. Juden und Samaritaner. Die grundlegende Scheidung von Judentum und Heidentum. Eine kritische Studie zum Buche Haggai und zur jüdischen Gesdiidite im ersten nachexilisdien Jahrhundert. BZAW 3. Leipzig 1908, 31 ff. Beachtenswert ist schon der Titel: mit Heidentum ist die samar. Gemeinde gemeint. AaO 25.

Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr.

39

als zweifelhaft 30 . Sie beruht auf einer Abtrennung der V. 15—19 (die von Israel handeln) von V. 10—14. K. Koch hat aber erwiesen, daß die V. 10—19 eine formale Einheit bilden. Angeredet ist daher Israel31. Wenn man — wie Esra 4, 1—3 behauptet — die samarischen Machthaber vom Tempelbau ausschloß, so geschah dies zur Erhaltung der kultischen Autonomie. Diese „rächten" sich, indem sie den Tempelbau dem Darius als Gefahr hinstellten und dieser den Bau visitieren ließ (Esr 5)S2. Heftig entzündete sich die Feindschaft zwischen Judäern und Samariern dann beim Wiederaufbau der Mauern Jerusalems 33 . Artaxerxes I. löste nämlich auf Betreiben der babylonischen Juden und vor allem Nehemias hin Juda aus dem Verwaltungsbezirk von Samaria und hob es in den Rang einer eigenständigen Provinz. Erster Statthalter war Nehemia von 446 bis ca 42534. Dieses Erstarken Judas hatte eine Vorgeschichte. Schon vor Nehemia begannen jüdische Heimkehrer Jerusalem wiederaufzubauen, und sofort griffen samarische Beamte ein. In einem Schreiben wiesen sie den König Artaxerxes auf die traditionell aufrührerische Gesinnung Jerusalems hin und hatten mit dieser Warnung Erfolg (Esr 4, 7—22). Doch im Jahre 445 gewährte der König Nehemia trotzdem den Wiederaufbau Jerusalems (Neh 2,2—6), und mit Geschick und Schnelligkeit vollbrachte er das Werk — gegen den Willen der Beamten der Provinzen Samaria und Ammon (Neh 4 , 1 ff). Im 32. Jahre des Artaxerxes begab sich Nehemia nach Babylon zurück (Neh 13, 6 f), dh im Jahre 433 vChr 35 . Doch bald darauf kehrte er nach Jerusalem zurück. Der Hohepriester Eljasib hatte dem Statthalter der Provinz Ammon, Tobia (so ist Neh 2, 10 wohl zu verstehen), einen Raum im Jerusalemer Tempelbezirk zur Verfügung gestellt (Neh 13, 4 ff), vielleicht eine eigene politische Linie verfolgend, „die auf gute Verbindungen mit den Statthaltern und Oberschichten der Nachbarprovinzen hinauslief, während 30

31 32 33 34

35

Detailliert begründet von K. Koch, Haggais unreines Volk. ZAW 79 (1967) 52—66. Zu dem gleichen Ergebnis kam — ohne Kenntnis von Koch's Aufsatz — H . G . M a y , „This people" and „This nation" in Haggai. V T 1 8 (1968) 190—197. AaO 59 ff. So W. Rudolph aaO 33—35. So audi Galling aaO (vgl. Anm. 24) 95 f. Vgl. Μ. Noth, Gesdiichte Israels 290; A. Alt, Die Rolle Samarias 331 f.; W. Rudolph, Esra und Nehemia X X V I . Nach W. Rudolph aaO X X V I f.; 65—71 möchte Nehemia jetzt eine Reform der religiösen Verhältnisse in Jerusalem einleiten, die dann Esra irgendwann zwischen 433 und 430 vollzog.

40

Die Entstehung des Garizim-Kultus

Nehemia . . . die Verselbständigung und Isolierung der Provinz Juda betrieben hatte" (M. Noth 8 6 ). Reflex solcher politischen Linie ist auch die Notiz Neh 13, 2 8 : „Und (einer) von den Söhnen Jojadas, des Sohnes Eljasib, des Hohenpriesters, war Schwiegersohn Sanballats, des Horoniters. Und ich vertrieb ihn von mir" 3 7 . Die Auseinandersetzungen zwischen Samaria und Juda im 6. und 5. J h . vChr waren im Kern politischer Art. Die samarischen Machthaber wollten nichts von ihrer Stellung einbüßen und opponierten daher gegen die Herauslösung Judas aus ihrer Provinz. Umgekehrt gab es aber offensichtlich audi Jerusalemer Priester, die sich durch Opposition gegen Nehemia Rückhalt bei dem mächtigen Statthalter Samarias schufen. Mit der Tätigkeit Nehemias ist in Esr und Neh die von Esra, dem Schreiber, verbunden. Aber über das Problem, wie der historische Zusammenhang der Missionen beider Männer ist, gehen die Meinungen auseinander. Folgt man einem Referat von C. Colpe über die Esra-Forschungen seit Η . H . Schaeders Arbeit Esra der Schreiber, B H T h 5. Tübingen 1930 3 8 , so werden vor allem drei Positionen vertreten. Ausgangspunkt ist dabei immer die Frage, wie Esr 7,7 zu verstehen ist: im 7. Jahre des Königs Artaxerxes zieht Esra mit einem Teil der verbannten Israeliten nach Jerusalem. Dem Kontext zufolge muß man in diesem persischen König Artaxerxes I. (465—424) sehen, und das sich dann ergebende Datum 458/57 vChr hat immer wieder Fürsprecher gefunden. Nun sprechen aber gewichtige Gründe dagegen, daß Esra vor Nehemia nach Jerusalem gegangen ist 38 . Ordnet man Esra nach Nehemia ein, kommen im wesentlichen zwei Zeiträume für sein Wirken 38 37

Geschichte Israels 290. In diesem Sätzchen sieht ζ. B. L. Haefeli das ganze samar. Schisma in nuce angelegt, indem er es mit dem Bericht des Josephus Ant. X I zusammenschaut (Geschichte 57). Wir kommen bei der Besprechung der Jcwephusstelle darauf zurück. Der Name lioroni kann doppelt gedeutet werden. Einmal könnte man an den Ort bet-horon nord-westlich von Jerusalem denken. Zum anderen käme audi ein Ort bet-horon 'elj6n (Jos 16, 5; vgl. Jer 48, 5) in Frage (Schmueli, Sanballat 319).

38

Η . H . Schaeder,

Studien

zur

orientalischen Religionsgeschichte.

Hg.

von

C. Colpe. Darmstadt 1968, 273—282. 39

Eine Aufzählung aller Gründe pro und contra bei U . Kellermann, Erwägungen zum Problem der Esradatierung. Z A W 80 (1968) 55—87. Kellermann tritt auf Grund seiner Quellenanalyse Esr 7 — 1 0 ; Neh 8—12 für eine Datierung Esras vor Nehemia ein.

Geschichte Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr.

41

in Frage. Entweder man denkt an die Zeit zwischen den beiden Amtsperioden Nehemias (so W. Rudolph), oder aber man bezieht jene Jahresangabe von Esr 7,7 auf Artaxerxes II., der in den Jahren 405—359 regierte. Dann wäre das Jahr 398 der Zeitpunkt, an dem Esra die israelitische Gemeinde auf das Gesetz verpflichtete (Neh 8) und die Ehen mit heidnischen Frauen auflösen ließ (Esr 9 f).

3. Die

Elephantine-Papyri

In die Zeit direkt nach Nehemia führen uns die ElephantinePapyri, die Montgomery noch nicht hatte verwerten können. Nach Ägypten verschlagene Juden 40 hatten sich auf der Nilinsel Elephantine einen Tempel erbaut, einen Tempel des Gottes Jäho, wie es heißt. Priester des ägyptischen Gottes Chnum aber wußten ihn zu zerstören. In einem präzis datierten Bittbrief 41 (20. Mardeswan des 17. Dariusjahres = 26. November 407 42 ) 43 klagt die jüdische Gemeinde zu Elephantine dem Statthalter von Juda Bagoas ihr Mißgeschick44 und bittet um seine Hilfe beim Wiederaufbau 45 . Dieser Bittbrief hatte nun schon selbst eine interessante Geschichte hinter sich. Mit der Bitte, ihr beim Wiederaufbau ihres Jäho-Tempels zu helfen, hatte nämlich die Gemeinde schon bald nach dessen Zerstörung um 410 einen ersten Brief geschickt. Cowley, Aramaic Papyrus 30, Ζ. 17—19: Schon vordem, zur Zeit, als uns dies Böse zugefügt wurde, hatten wir einen Brief an unsern Herrn (sc. Bagoas) und an den Hohenpriester Johanan 46 und seine Amtsge40

41

42

43 44 45 40

E. G. Kraeling, The Brooklyn Museum Aramaic Papyri. N e w Haven 1953 erörtert die Hypothesen über Entstehungszeit und -grund der jüdischen Kolonie (41—48). Es wird erwogen, daß Psammetichus I (664—609 v. Chr.) die Garnison mit jüd. Soldaten belegte (vgl. Dtn 17,16). Es wäre aber auch möglich, daß im Gefolge der deuteronomischen Reform Andersdenkende Jerusalem verließen. Spätere ebenfalls begründete Daten führen in das 6. Jh. v. Chr. Text und engl. U.: A. E. Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century Β. C. Oxford 1923 Nr. 30, S. 108—119. Dt. Ü.: AOT 450—452. K. Galling, Bagoas und Esra. Studien zur Geschichte Israels im persisdien Zeitalter. Tübingen 1964, 149—184: 162. Ζ. 30. Ζ. 4—17. Ζ. 23—29. Aus Neh 12, 22 bekannt.

42

Die Entstehung des Garizim-Kultus nossen, die Priester in Jerusalem, und an Ostarles, den Bruder des Anani, und an die Vornehmen der Juden 4 7 geschickt, aber sie haben uns keinen (Antwort)brief geschickt. M a n a h n t , weshalb die J e r u s a l e m e r schwiegen. D e r J ä h o - K u l t auf

der Nilinsel E l e p h a n t i n e rivalisierte m i t d e m T e m p e l v o n

Jerusalem.

A u ß e r d e m w a r er — w e n n m a n das in J u d a w u ß t e — verdächtig, da neben J ä h o weibliche Gottheiten mit N a m e n bet'el s t a n d e n 4 8 . Diesem z w e i t e n Brief

'Äsimbet'el und

an Bagoas h a t die

'Änät-

Gemeinde

d a r u m einen w e i t e r e n folgen lassen, wie sie d e m S t a t t h a l t e r m i t t e i l t . Cowley, Aramaic Papyrus 30, Ζ . 2 9 : Alle Angelegenheiten haben wir in einem Briefe in unserem Namen dem Delaja und Selemja 4 9 , den Söhnen des Sin-uballit 5 0 ( = Sanballat), des Statthalters von Samarien, auseinandergesetzt. Zweifellos ist hier der Gegenspieler N e h e m i a s g e n a n n t —

diesmal

m i t seinem vollen Titel, den das Buch N e h verschweigt. M a n h a t n u n e r w o g e n , o b nicht dieses g e s o n d e r t e Schreiben an die samarischen F ü h r e r das Schisma v o r a u s s e t z t 5 1 . A b e r d e n k t m a n diesen G e d a n k e n k o n s e q u e n t z u E n d e , d a n n tauchen Schwierigkeiten

auf52.

H ä t t e es nicht n a h e liegen müssen, wie an die jerusalemische so auch an die samar. 47

Priesterschaft

zu

schreiben,

wenn

eine

solche

überhaupt

Nach Galling die neben dem Statthalter stehenden Gremien von Klerus und Laien (Bagoas 162).

48

Cowley, Aramaic Papyrus N r . 22 Z. 124 f.

49

Die Namen sind mit dem Jahwenamen zusammengesetzt, woraus Η . H . R o w -

60

Der Name ist assyrisch und bedeutet ,Sin gibt Leben' (E. Meyer, Papyrus-

ley schließt, daß Sanballat Jahwe-Verehrer war (Schism 217). fund 74 Anm. 1). 51

F.-M. Abel, Giographie de la Palestine I. Geographie physique et historique. Paris 1933 folgert aus dem gesonderten Schreiben an die Söhne des Sanballat: „Une telle situation parait bien indiquer que la secession avait eu lieu" (363). Ebenso R . M a r c u s , Josephus V I : die Tatsache, daß die Elephantine-Juden überhaupt an die Samarier appellieren, und daß Bagoas mit den Samariern verbunden und Johanan feindlich gesonnen war, „would indicate that there was a break between Judaeans and Samaritans" (507). Doch ist ,break' m. E. nidit die sachgemäße Bezeichnung für die Situation der judäisdien Priesterschaft. Sie ist isoliert, von einer Verdammung samarischer (wie judäisdier) Politiker ist ebensowenig die Rede wie von einem samar. Kult.

52

So audi Κ . Galling, Bagoas 163 und W. J . Moulton, Samaritans 163.

43

Geschidite Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr.

existierte 53 ? N u n könnte man ja einwenden, daß die Absender in ihrem Brief nach Jerusalem mit guten Gründen die volle Anschrift ihres Schreibens nach Samaria unterschlagen hätten. Aber wenn man schon so diplomatisch verfuhr, warum dann überhaupt der Hinweis auf einen Brief an die Söhne von Sanballat, dem Erzfeind Nehemias? Daß man diesen Brief so ohne allen Arg nennt, zeigt deutlich, daß es noch keine zwei rivalisierenden Kultzentren gab 54 . Der Antwortbrief, uns ebenfalls erhalten 55 , ist gemeinsames Werk von Bagoas, dem Statthalter Judas, und dem Samarier Delaja. Er zeigt, welch Geistes Kind die Politiker beider Provinzen waren. Man ordnet betreffs des ΝΠ31Ώ ΓΡ3 an, „daß man es wieder aufbauen soll an seiner Stätte, so wie es früher war, und daß man Speisopfer und Weihrauchopfer darbringe" (also keine Schlachtopfer 56 ). K. Galling vermutet, daß Bagoas sich mit diesem Entscheid in Jerusalem isolierte. In diesen Zusammenhang ordnet er Josephus Ant. XI § 298 f 5 7 ein, wo berichtet wird, Bagoses habe einem Bruder des Johannes (Johanan), Jesus mit Namen, versprochen, ihm das Hohepriesteramt zu verschaffen. Dodi bei einem Streit habe Johanan seinen Bruder erschlagen58. Dieser Johanan war zugleich der Bruder des von Nehemia vertriebenen Schwiegersohns von Sanballat. Die Notiz des Josephus macht also offenbar, daß es am Ende des 5. Jh. im Jerusalemer Tempel weiter rivalisierende Priestergruppen gab. Während die eine Gruppe schroff an der Einzigkeit des Jerusalemer Tempels festhielt und jede Koexistenz mit Nicht-Juden ablehnte, scheint eine andere Gruppe auf ein Zusammenleben mit anderen Kulten und nichtjüdischen Politikern hingearbeitet zu haben. 58

So A. Alt, Geschichte der Grenze 359. In Delaja einen audi von samar. Chroniken genannten Priester zu entdecken (Cowley, Samaritan Liturgy Vol. II. X X Anm. 1), ist nicht plausibel zu begründen.

54

Daß audi an den Statthalter von Samaria geschrieben wurde, liegt vielleidit an der Anwesenheit von samarlsdien Israeliten in Elephantine. Vgl. C. van Gelderen, Samaritaner und Juden in Elephantine-Syene. O L Z 1 5

(1912)

337—344. 55

Text: Cowley, Aramaic Papyrus Nr. 32, S. 122—124; dt. Ü.: A O T 452.

56

Vgl. dazu Gressmann, A O T 452 Anm. k und E. Meyer, Papyrusfund 87 f.

57

Text und engl. Ü.: R. Marcus, Josephus VI. 458 f.

68

Galling, Bagoas 164 f. Eine genaue Analyse des Textes bei R. Marcus, Josephus VI. Appendix B: Josephus on the Samaritan Schism 498 ff.

Die Entstehung des Garizim-Kultus

44 4. Samaria

an der Wende von der Perser- zur

Griedienberrschaft

Licht auf die Politiker der Zeit vor dem von Josephus berichteten Tempelbau werfen Papyri, die F. M. Cross Jr. 1963 vorläufig bekannt machte59. „The papyri all belong to the genre of legal or administrative documents 80 ." Gefunden wurden sie in einer Höhle im Wädi Daliyeh (14 km nördlich des alten Jericho, 12 km westlich des Jordan). Sie stammen aus den Jahren 375—335 v. Chr. 61 . Auf einem Siegel finden wir einen bekannten Namen: (Hana) 6 2 iah, son of (San) ballat, governor of Samaria 63 .

Auf einem anderen Fragment finden sich als Namen hoher Beamter (Je)sus son of Sanballat, Hanan, the prefect 64 .

Zur Datierung dieser Dokumente muß man Papyrus 8 heranziehen, „written on March 4,354, ,before Hananiah governor of Samaria' " 6 5 . Von diesem festen Punkt aus rekonstruiert F. M. Cross eine Genealogie samarischer Statthalter: Sanballat I (bekannt aus Nehemia — ca. 485 geboren), Delaja, sein Sohn (bekannt aus den ElephantinePapyri — ca. 460 geboren), Sanballat II (Siegel — ca. 435 geboren), Hananja (Papyrus 8 — ca. 410 geboren), Sanballat III (Josephus Ant X I § 302 ff — ca. 385 geboren) 66 . Dieser letzte Statthalter ist nun leider durch Papyri gerade nicht bezeugt. Doch hat Cross zweifellos recht, wenn er schreibt: „The appearance of Sanballat II, oddly enough, puts the question of the Sanballat of Josephus in quite a new light 67 ." Die oft behauptete Annahme, Josephus könne nur von Sanballat dem Gegenspieler Nehemias reden, ist skeptisch zu beurteilen. Einen weiteren Einblick in die Vorgänge des ausgehenden 4. Jh. hat die Archäologie eröffnet. G. E. Wright hat die Grabungsergebnisse 59

The Discovery of the Samaria Papyri. BA 26 (1963) 110—121.

60

115.

81

115.

62

So zu ergänzen auf Grund von Papyrus 8 (115).

63 64

111. 111.

65

115.

66

1 20.

67

121 Anm. 27. Vgl. audi F. M. Cross, Jr, Aspects of Samaritan and Jewish History in Late Persian and Hellenistic Times. H T h R 59 (1966) 257—281. I. H. Eybers (s. o. Anm. 4) identifiziert den Sanballat der Josephus-Erzählung mit Sanballat II, unter dessen Statthalterschaft (ca. 4 0 0 — 3 6 0 v. Chr.) der Garizim-Tempel erbaut worden sei (aaO S. 80).

Geschichte Samarias bis z u m 4. J h . v. C h r .

45

auf dem Teil Baläta für die Geschichte Samarias auszuwerten versucht68. Während der vierten Grabungsperiode auf dem Teil befaßte sich die Drew-McCormick Expedition besonders „with the Hellenistic occupation" Sichems®9. Aus G. Ε. Wrights Bericht ergibt sich folgendes. Nachdem der Ort 150 Jahre zwischen 480 und 330 vChr verlassen dagelegen hatte 70 , wurden am Ende des 4. Jh. die alten Befestigungen aus der mittleren Bronzezeit sorgfältig wiederhergestellt 71 . Ältestes Material dieser Schicht sind eine Silbermünze Alexanders des Großen und Münzen von Ptolemäus I (312—285 vChr) 7 2 . O. R . Seilers 73 hat an Hand dieser und weiterer Münzen geistvoll Auf -und Niedergang Sichems abgelesen. Die Stadt selbst war während der persischen Periode nicht bewohnt. Nach makedonischen Münzen zu urteilen gab es jedoch „some settlement in the vicinity" 7 4 . Die große Zahl ptolemäischer und seleukidischer Münzen sind beredtes Zeugnis für das Aufblühen der Stadt um 300 vChr 7 5 . Andererseits zeigen die Münzen dann audi einen wirtschaftlichen Niedergang in der zweiten Hälfte des 3. Jh. an 78 . Wright verbindet nun diesen Befund mit antiken Nachrichten 77 . Q . Curtius Rufus notiert in seiner Alexander-Biographie IV, 8,9—II 7 8 , die Samarier hätten den von Alexander eingesetzten Präfekten Syriens Andromachus lebendig verbrannt (Vivum Samaritae cremaverunt). U m 68

Shechem 170—184, eine geringfügig revidierte Fassung des A u f s a t z e s ,The Samaritans at Shechem' in H T h R 55 (1962), 357—366 — lediglich erweitert um einen siedlungsgeschiditlichen Oberblick

(170—175).

βί

S a m a r i t a n s 357.

70

Shechem 167. Wright hat diese Zeitspanne sukzessive verkürzt. In seinem A u f s a t z S a m a r i t a n s sprach er von zwei Jahrhunderten (359), im 2. G r a bungsbericht The Second C a m p a i g n at Tell B a l a t a h (Shechem). B A S O R 148 (1957) 11—28 war von einer Besiedlungslücke zwischen d e m 8. und dem 4. J h . die R e d e (13).

71

Shechem 173.

72

Shechem 171.

73

Coins of the 1960 E x c a v a t i o n at Shechem. B A 25 (1962) 87—96.

74

88.

75

87 f.

76

92.

77

Shechem 175 ff.

78

T e x t : Ε. Hedicke. Bibliotheca Teubneriana 118. Leipzig 1908, 70. Zur Person vgl. G . Wirth, Art. Curtius. D e r Kleine P a u l y . l . B d . 1349 f. Terminus post quem ist Mitte des 2. J h . η. C h r .

46

Die Entstehung des Garizim-Kultus

seinen Tod zu rächen, sei Alexander v o n Ägypten so schnell wie möglich zurückgeeilt 79 , habe an die Stelle v o n Andromachus Menon gesetzt 80 und die Urheber des Verbrechens töten lassen. Zu dieser Nachricht paßt eine Mitteilung der Chronik des Euseb: Alexandras belagerte Tyros und nahm Judäa: bei den Juden verherrlicht, brachte er Gott Opfer dar und ehrte den Hohenpriester. Den Andromadios setzte er dem Gebiete zum Landpfleger, welchen töteten Bewohner der Samyrtäerstadt; diese strafte Alexandros, aus Egiptos zurückgekehrt, indem er nach Einnahme der Stadt dort Makedonier ansiedelte81. Eine ähnliche Nachricht findet sich bei Hieronymus und Syncellus 82 . Leider läßt eine andere Nachricht Eusebs an dem Wert dieser Überlieferung zweifeln. Für die Zeit der 121. Olympiade (296/5 vChr) notiert er: Demetrios . . . Poliorketes: die Samyrtäer-Stadt, die von Perdika besiedelte, nahm er mit einem Male83. Hier also ist es Perdiccas, der die Stadt besiedelte. Zweifellos widersprechen sich beide Überlieferungen. Es ist die Frage, ob der Knoten möglicherweise in der ersten Nachricht des Euseb zu suchen ist. Sie verbindet (wie auch Hieronymus und Syncellus) zwei sonst getrennt überlieferte Einzelzüge: Die Tötung des Statthalters (Curtius) und die Ansiedlung von Makedoniern (Eusebs zweite Nachricht). Die erste Überlieferung ist mit Alexander verbunden, die zweite mit Perdiccas 84 . Eine Ansiedlung v o n Makedoniern durch Alexander ist daher unwahrscheinlich, berichten doch auch die anderen Alexander-Schriftsteller nichts v o n ihr 85 . So ist man geneigt, mit zwei aufeinanderfolgenden 79 80

81

81 8S 84

85

Im Frühjahr 331 (R. Marcus, Josephus VI. 522). Vgl. dazu R. Marcus, Josephus VI. Appendix C: Alexander the Great and the Jews 523. Nadi Haefeli, Geschichte stammt „diese Episode aus dem palästinensischen Feldzug Antiochus III. d. Gr. (223—187)" (67), da Arrian keinen Präfekten Andromachus kennt (66). Ü. der armenisch überlieferten Chronik: I.Karst, GCS 20. Leipzig 1911, 197. Text abgedruckt bei R. Marcus, Josephus VI. 524. U.: I. Karst, GCS 20. Leipzig 1911, 199. H. Seyrig, Antiquites Syriennes. Syria 42 (1965) 25—34 weist auf die erstaunliche Parallele von Gerasa hin, wo ebenfalls Alexander und Perdiccas als Stadtgründer gelten. In beiden Fällen habe Perdiccas im Auftrage Alexanders gehandelt. Vgl. L. Haefeli, Geschidite 66; R. Marcus, Josephus VI. 525.

47

Gesdiidite Samarias bis zum 4. Jh. v. Chr.

Ereignissen zu rechnen, deren innerer Zusammenhang nicht mehr durchschaut werden kann 86 . Diese Nachrichten verbindet Wright nun mit der Siedlungsgeschichte Sichems. Samaria war für die israelitischen Samarier keine Heimat mehr, als es von Griechen besiedelt und in ihrem Stile audi auferbaut wurde 87 . Nachdem Samaria heidnisch geworden war, „the Samaritans were forced to establish a new capital, and the logical place was old Shechem" 88 . Sichern wurde zur .Hauptstadt' der Samaritaner. Die Stadt Samaria selbst hat mit der religionsgeschichtlichen Entwicklung in Sichern direkt nidits zu tun. Der Garizim-Kult fand in dieser Stadt keinen Eingang89. Die Art und Weise, in der Wright archäologischen Befund und antike Nachrichten verbindet, ist durchaus einleuchtend. Allerdings gibt es noch eine ganz andere Möglichkeit, auf die wir bei der Besprechung der Josephus-Darstellung zu sprechen kommen werden. Uberblicken wir das bis jetzt zusammengetragene Material, so spricht es an keiner Stelle von einem Kult auf dem Garizim, ja es lassen sich Gründe entnehmen, die gegen eine Existenz dieses Kultes sprechen. Die Elephantine-Urkunden kennen noch keine Priesterschaft am Garizim, und Sichern scheint erst gegen Ende des 4. Jh. wieder besiedelt worden zu sein. Dagegen erkennen wir in Jerusalem Spannungen. Da sind einmal Spannungen zwisdien den persischen Statthaltern nach Nehemia und der Jerusalemer Priesterschaft. Da sind zum anderen Kämpfe in der Priesterschaft Jerusalems selbst. Sie scheinen im wesentlichen über die Frage der Einzigkeit Jerusalems entbrannt zu sein. Man könnte diesen Kampf als einen Streit um eine kleinisraelitische oder großisraelitische Gemeinde von Jerusalem beschreiben. Mit der Entstehung der Provinz Juda war ja die Frage aufgeworfen, ob die Gemeinde 8

' An Versuchen solcher Verbindung fehlt es nicht. F.-M. Abel, Alexandre le Grand en Syrie et en Palestine. RB 44 (1935) 42—61 betrachtet die makedonische Militärkolonie als Reaktion auf die Verbrennung des Statthalters (60). V. Tcherikover,

Hellenistic

Civilization

vermutet,

Alexander

habe

Perdiccas einen samarisdien Aufstand niederwerfen lassen (48). Doch wird hier konstruiert: nach allen Überlieferungen wirft Alexander den Aufstand selbst nieder. D a Perdiccas bereits 321 starb (L. Haefeli, Geschichte 68), haben sich beide Ereignisse in einem Zeitraum von 10 Jahren abgespielt. "

Shediem 179.

88

Shechem 179 f.

» So audi A. Alt, Zur Geschichte 3 6 1 ; Stadtstaat 3 0 1 ; L. Haefeli, Geschichte 68:

B

„Mit der hellenistischen Neugründung der Stadt scheidet

sie

als

eine

' Ελληνίο aus der samaritanisdien Religionsgemeinde aus, die sich Sichern zur Metropolis erwählt hatte."

48

Die Entstehung des Garizim-Kultus

des Jerusalem-Kultes auch weit über die Provinz-Grenzen hinaus griff und auch an anderen Stätten (wie etwa in Elephantine) Tempel besitzen konnte, oder ob nur jene zu diesem Kult zu rechnen seien, die allein Jerusalem als erwählten O r t verehren.

B. Die Tempelgründung auf dem Garizim Die Diskussion um den Zeitpunkt der Erbauung des GarizimTempels dreht sich vor allem um den Bericht des Josephus, zweifellos zu Recht, denn alles andere Material vermag kaum weiterzuhelfen 90 . Aber man darf nun auch nicht vergessen, daß es solches Material — so spärlich es auch sein mag — gibt, und daß es ausgewertet sein will. 1. Material außerhalb der

Josephus-Überlieferung

Zuerst sei auf Grabungen auf dem Garizim verwiesen. Die DrewMcCormick Expedition hat es sich bei ihren Grabungen auf dem Teil Baläta nicht nehmen lassen, auch auf dem Garizim unter der Leitung von R . J . Bull den Spaten anzusetzen 91 . Dabei erkannten die beteiligten Archäologen, daß unter einem Gebäude Α als dessen Fundament Reste eines zweiten Bauwerks lagen 92 . Das obere Gebäude konnte man in seinem Grundriß genau rekonstruieren 93 und als den Hadrians-Tempel identifizieren 94 . Eine Identifikation des darunterliegenden Bauwerks ist nicht mit letzter Sicherheit möglich. Aber Bulls Erwägungen haben etwas für sich: „Its size and construction, its location overlooking ancient Shechem, and the fact that it was found in a Hellenistic pottery context, raise the possibility that it is the remains of the Samaritan temple. More definite answers . . . will have to await further excavation in 1968 9 5 ." An zweiter Stelle ist hier auf eine Nachricht der Tolidä hinzuweisen. Diese älteste samar. Chronik aus dem 12. Jh. nChr kennt von dem 80

H. Schmueli, Sanballat 313—318 hat alle in Frage kommenden Quellen zusammengestellt.

81

R. J . Bull, Sixth Campaign.

82

AaO 18.

89

A a O Zeichnung 12 S. 34 und die Maßangaben S. 8 (21,48 m in Nord-Süd-

84

AaO 17 f. sowie unten S. 103.

95

A a O 18. Auf dem nördlichen Vorgipfel vermutete schon A.M.Schneider,

Achse lang, 14,14 m in Ost-West-Achse breit).

Römische und byzantinische Bauten auf dem Garizim. Z D P V 68 (1951) 211—234 den Tempel (214 f.).

Die Tempelgründung auf dem Garizim

49

Zeitpunkt der Landnahme an den Garizim-Kult. Ein Altar aber wird erst sehr spät erwähnt. Der Kontext ordnet die Nachricht lediglich ganz grob zwischen dem 6. und 4. J h . vChr ein. Unter einem gewissen b i n a s ? seien 300 000 Israeliten aus dem Exil heimgekehrt. „Und sie stiegen empor auf den Garizim, Bethel, den guten Berg, und der Hohepriester VS773S7 baute einen Altar und brachte auf ihm Opfer dar, hundert junge Stiere 9 6 ." Gerade das Tendenziöse an dieser Nachricht ist aufschlußreich. In den Augen der Samaritaner ist nicht die Errichtung des Tempels entscheidend, sondern die Aufstellung eines Altars, wie — so muß man hinzufügen — Mose es D t n 27 befohlen hatte. Immer wieder suchte man „Hinweise auf das samaritanische Schisma im Alten Testament" 9 7 . M. Delcor verweist auf das chronistische Geschichtswerk und Sach 11,14, R . Tournay auf R i 5,14 (MT), Hos 13,1 (MT), Mi 6,9—16 (ursprünglich gegen Jerusalem) 98 . G. Hölscher datiert die Entstehungszeit des samar. Schismas auf Grund der Polemik Tritojesajas auf die Jahre 352—50 9 9 . Nun haben aber nicht alle hier genannten Stellen gleiches Gewicht. Die von Tournay herangezogenen Texte setzen einfach Spannungen mit dem ehemaligen Nordreich voraus, ohne daß ein spezifischer Zug der samar. Gemeinde erwähnt würde. Für die Tritojesaja—Hypothese aber fehlen „die durchschlagenden Gründe" 1 0 0 . Bliebe das chronistische Geschichtswerk. Schaut man sich aber den Beweisgang an, mit dem Delcor 2Chron 13,4—12 um des polemischen Tones willen für einen Angriff auf die Samar. hält, so fällt die gänzliche Vernachlässigung des uns aus verläßlichen Quellen über die Samar. Bekannten auf. Diese Bestätigung antisamar. Polemik durch die Aussagen der Samar. über sich selbst wäre aber ein notwendiges Glied in solchem Beweisgang. Mir scheint, daß diese Bestätigung nicht ganz einfach zu erlangen ,e

Text: Bowman, Tolidah 1 4 3 ; Ü . : Heidenheim, Chronik 364. Die bei Heidenheim folgende Nachricht, Sanballat habe das Amt mit ihm geteilt, kennt Bowmans Hs. nicht. Dagegen spielt Sanballat in der Überlieferung des Liber Josuae (ed. T. G. J . Juynboll 4 6 ; lat. U . 183) eine wichtige Rolle. Vgl. hierzu Sdimueli, Sanballat 315—317. Einen eigenen Nachrichtenwert wird man dieser samar. Überlieferung schwerlich zugestehen können. Zu Recht vermutet Schmueli, daß die samar. Chroniken Angaben der jüd. Bibel (Esra und Nehemia) voraussetzen, aber in konfuser Ordnung überliefern (319).

97

Titel eines Aufsatzes von M. Delcor. Z A W 33 (1962) 281—291.

98

Quelques relectures bibliques antisamaritaines. R B 71 (1964) 504—536.

99

Palästina 39—42.

100

K. Elliger, Die Einheit des Tritojesaia (Jesaia 56—66). B W A N T 3. Folge 9. Stuttgart 1928, 81.

4 Kippenberg

50

Die Entstehung des Garizim-Kultus

ist. So wirft Abia von Juda Jerobeam und den Israeliten vor, sie hätten die Aaroniten und Leviten vertrieben (2Chron 13,9). Wieso soll gerade das die Samaritaner des 4./3. Jh. vChr treffen, die doch gerade eine aaronitisdie Priesterschaft haben (s. u. S. 60 ff.). Ich möchte daher die Frage, gegen wen das chronistische Geschichtswerk polemisiert, in dieser Arbeit zurückstellen und erst einmal das historische Material über die samar. Gemeinde untersuchen. Daß diese Frage irgendwann einmal umfassend erörtert wird, ist zu hoffen. 2. Josephus,

Antiquitates

Judaicae

XI

§

302—347

Wenden wir uns nun der oft behandelten Erzählung des Josephus Ant. XI § 302—347 101 zu. Vor jeder historischen Auswertung des Berichtes muß eine genaue Quellenanalyse liegen, die Alter und Tendenz der Quellen zu erfassen sucht. Diese Analyse ist schon öfter durchgeführt worden 102 . Doch unübertroffen ist noch heute die von A. Büchler aus dem letzten Jahrhundert 103 . Mit ihr wollen wir uns im folgenden auseinandersetzen. Büchler findet in dem Bericht drei Erzählstränge. Die erste Erzählung, eher mit Mowinckel eine Legende zu nennen 104 , berichtet, wie Alexander vom jüdischen Hohenpriester Jaddua Militärhilfe erbittet, jedoch nicht erhält, dann nach Jerusalem zieht, den Hohenpriester aber nun nicht bestraft sondern ihm noch seine Reverenz erweist und den Juden Abgabenfreiheit für das Sabbatjahr gewährt (§317 [Alexander sandte B r i e f e . . . ] —320. 325 [Alexander zieht nach Jerusalem] —339). Man sieht dieser Erzählung die jüdische Tendenz an. A. Büchlers genaue Analyse beweist, daß sie ohne historischen Wert ist: „Phistoire de Jaddua est une imitation du r£cit relatif ä Sanballat", mit der Absicht, an Stelle der Verherrlichung des samaritanischen Tempels eine solche 101

102

103

Text und engl. Ü.: R.Marcus, Josephus VI. 460ff. Alle in dieser Arbeit genannten Josephus-Stellen (Ant. = Antiquitates; BJ. = Bellum Judaicum) beziehen sidi auf die Edition der Loeb Classical Library: Josephus in neun Bänden, griech. Text mit engl. Ü. Zu Josephus im ganzen vgl. B. Schaller, Art. Iosephos. Der Kleine Pauly. 2. Bd. 1440—1444. Z . B . S. Mowinckel, Studien 104 ff.; Η. H . Rowley, Sanballat and the Samaritan Temple. Men of God. Studies in Old Testament History and Prophecy. London/Edingburgh 1963, 246—276. La relation de Jo«£phe concernant Alexandre le Grand. REJ 36 (1898) 1—26.

104

Studien 110.

51

Die Tempelgründung auf dem Garizim

des Jerusalemer Tempels zu setzen 105 . Sie ist demnach ein Abklatsch der gleich zu besprechenden Sanballat-Erzählung. Ihre Entstehungszeit hängt von dem Alter der von ihr vorausgesetzten zweiten Erzählung ab 108 . Diese zweite Erzählung, von Josephus mit der ersten verbunden, berichtet folgendes: Der Sohn des Joannes ( = Neh 12,22 Johanan), Bruder des Hohenpriesters Jaddus ( = Neh 12,22 Jaddua), Manasse mit Namen, heiratet die Tochter des Statthalters Sanballat, Nikaso 107 . Aus seiner Priesterwürde vertrieben, wendet er sich an Sanballat. Dieser verspricht ihm den Bau eines Tempels auf dem Garizim und die Hohepriesterwürde. Alexander im Moment der Belagerung von Tyrus unterstützend, gewinnt er dessen Zustimmung zum Bau des Tempels. Die Soldaten Sanballats folgen Alexander nach Ägypten (§ 302 f. 306—317 (TOpoc). 321—325 [Sanballats Tod]. 345) 108 . Diese Erzählung erscheint glaubwürdiger als die erste, zB wenn gesagt wird, daß der Statthalter von Samaria bei der Belagerung von Tyrus zu Alexander abfällt und auf diese Weise sein Wohlwollen gewinnt 109 . Ihr Skopos ist der Nachweis, „que le temple edifii sur le Garizim devait son origine 105

J . D. Purvis, Ben Sira' and the Foolish People of Shechem. J N E S 24 (1965) 88—94 vermutet, daß hinter der Begegnung von Alexander und Jaddua eine Begegnung von Antiochus dem Großen und Simon am Anfang des 2. Jh. steht (91).

106

Büchler nennt — auf Grund weiterer Indizien — das 1. Jh. v. Chr.

107

Josephus hat eine Genealogie, die nidit mit Neh 12, 10 f. 22; 13, 28 übereinstimmt. Der Neh 1 3 , 2 8 vertriebene Priester ist Sohn des Jojada und Bruder des Johanan und Onkel des Jaddua. Bei Josephus ist Manasse Sohn des Johanan und Bruder des Jaddua. Eine Skizze verdeutlicht den Sachverhalt: Nehemia

Eljasib

Josephus

vertr. Priester

Joannes

Johanan Jaddua

Eljasib Judas

Jojada Manasse

Jaddus

Cross, Samaritan and Jewish History 205 hält es für wahrscheinlich, „that we must insert a Johanan (?) and a Jaddua I I I in the series of high priests". Man muß nadi ihm mit der Möglidikeit wiederholter Heiraten zwischen der Aristokratie Samarias und den priesterlichen Familien Jerusalems rechnen. 108

Begründung bei Büchler 4—8.

ι»» Büdiler 7. L. Haefeli zweifelt an der Richtigkeit der Angabe (Geschichte 64 f.). 4*

52

Die Entstehung des Garizim-Kultus

a ce grand roi" (Α. Büchler 110 ). Daher ist die Erzählung nach Büchler samaritanischer Herkunft. Sie entstand in Alexandrien, wo im 2. Jh. vChr Samaritaner und Juden über die Heiligkeit — und das heißt auch: über die Rechtsansprüche — ihrer Tempel diskutierten (Ant. X I I § 10; X I I I § 74—79) 1 1 1 . Besonders klar zeigt mE Ant. X I I I § 78, wie die Ehrung durch Könige die Legitimität des Tempels begründet. Die erste Erzählung wäre dann frühestens im 2. Jh. entstanden. Den noch verbleibenden Abschnitt § 340—344 möchte Büchler nicht der SanballatSchicht zuweisen, da plötzlich Sichern μητρόπολιο ist, der Tempel bereits steht, obgleich Sanballat erst seit wenigen Monaten die Bauerlaubnis hat, und die Samaritaner wie abtrünnige Juden behandelt werden 112 . Auch in die Jaddua-Schicht füge sie sich nicht ein wegen ihrer offenen Polemik gegen die Samaritaner 113 . Dieses Stück ist nach Büchler von Juden im 1. Jh. vChr konzipiert worden, vielleicht ebenfalls in Ägypten 114 . Nun fordert diese Analyse zu einer Kritik heraus. Das, was Büchler der samaritanischen Schicht (Sanballat-Erzählung) zuweist, ist ja stofflich und sachlich keine Einheit. Vielmehr steht die Erzählung von Manasse Neh 12 f nahe und stellt eine ganz und gar jüdische Ausmalung des Berichtes dar 115 . Die karge Nachricht Neh 13,28 wird zur Legende über die Entstehung der samar. Gemeinde ausgesponnen. Daß sich der ausgemalte Bericht schon sehr weit von der Erzählung Neh's entfernt hat, zeigt sich an den unterschiedlichen Genealogien. Inhaltlich kommt die jüdische Tendenz m.E. darin zum Ausdruck, daß der Tempelbau auf dem Garizim als Trick Sanballats dargestellt wird, seinen 119

10. Vgl. M. Delcor, Vom Sichern 36: „Auch ist es kaum zweifelhaft, daß dieser Bericht auf samaritische Quellen zurückgeht, die den Ursprung des Heiligtums auf Alexander den Großen selbst zurückführen wollten."

111

Büdiler 11 f. Vgl. F.-M. Abel, Alexandre le Grand: „C'est de sa (sc. Alexanders) bienveillance que les generations se r£clamerent en face des Lagides, des Seleucides et des Romains, lorsqu'elles se sentaient lesees dans leurs privileges" (54). V. Tcherikover, Hellenistic Civilization 44 vermutet Herkunft aus Samaria,

na 22 f. 113

23 f.

114 25. 115

Vgl. G. Hölscher, Palästina 39: „Jos. ant. X I 7, 2; 8, 2.4 erklärt sich vielmehr am einfachsten als eine falsche Exegese der Nehemiastelle." Auch nach Η. H . Rowley, Sanballat 265 darf der Bericht von Josephus nicht einfach mit Neh 13, 28 verbunden werden.

Die Tempelgründung auf dem Garizim

53

ehrgeizigen Schwiegersohn v o n einer Scheidung a b z u h a l t e n (§ 310) 1 1 β . Büchlers statische Z e r l e g u n g des Josephus-Berichtes w i r d diesem Sachv e r h a l t nicht gerecht. So bleibt die Frage z u stellen, o b es d e n n nicht bessere u n d schärfere K r i t e r i e n f ü r die B e s t i m m u n g der v o n Josephus bei seiner D a r s t e l l u n g der G r ü n d u n g des G a r i z i m - K u l t e s b e n u t z t e n Q u e l l e n gibt 1 1 7 . Sie sind m E v o r h a n d e n . W i r h a t t e n oben S. 33 f. die Bezeichnungen zusammengestellt, die m a n den A n h ä n g e r n des G a r i z i m - K u l t e s gab. Bis z u m E n d e Sichems (Ausgang des 2. J h . v C h r ) n a n n t e m a n sie nach d e m O r t , d e n sie bew o h n t e n , M ä n n e r Sichems b z w . Sidiemiter. Josephus n o t i e r t , d a ß m a n zu seiner Zeit v o n K ü t i m (hebr.) oder Samareitai (griech.) sprach. E r selbst f o l g t d a h e r auch ganz d e m griech. Sprachgebraudi u n d r e d e t v o n Σαμαρεϊσ b z w . ΣαμαρεΤται. Diesen Sprachgebrauch h ä l t er jedoch nicht k o n s e q u e n t durch, s o n d e r n spricht an einigen Stellen v o n den Samar. als ΣικιμΤται U 8 . XI § 340 Die Samar., die damals als Metropole Σίκιμα (,die von jüd. Apostaten bewohnt wird') bei dem ΓαρίζεΙυ o p o c besaßen, beschließen, sich vor Alexander als Juden auszugeben 119 . § 342 Die ΣικιμΤται treten zusammen mit den Soldaten, die Sanballat Alexander gesandt hatte, vor Alexander und bitten ihn, ihre Stadt und ihr Heiligtum zu ehren. Alexander sagt zu. § 344 f. Alexander schlägt den Sichemitern die Befreiung von den Abgaben im Erlaßjahr ab, da er an der jüd. Herkunft zweifelt. § 338 hatte Alexander dieses Privileg den Juden zugestanden. Die Soldaten Sanballats folgen Alexander nach Ägypten. 116

117

118

119

Gegen Büchler: „On ne trouve, dans toute la relation, rien que ressemble 2k un reproche contre les Samaritains" (11). J. A. Montgomery hat die Nachrichten des Josephus über die Samar. einmal en bloc untersucht. Er stellt fest: Josephus „reflects the current Jewish prejudices of his day, and allows us to perceive some of the truth only through the contradiction in which he involves himself" (156). Er verweist auf die Nachricht, daß Sichern von jüd. Apostaten bewohnt wird. „Josephus thus admits, however unwillingly and unconsciously that the Samaritans were Israelites" (157). Dabei sind die Stellen auszuklammern, die mit Sichemitern die Bewohner des biblischen Sichern (Gen 34; Ri 9) bezeichnen: Ant. I § 337; V § 240—253. Da der Name ΣικιμΤται in L X X nur 4Makk 2, 19 vorkommt, ist seine Bildung vielleicht erst eine Folge der Benennung der Samar. mit ,Sichemiter' (vgl. Anm. 123). Dies ist ein Lieblingsgedanke des Josephus, wie der anschließende Text zeigt.

54

Die Entstehung des Garizim-Kultus 5 346 f. Wenn jemand von den Jerusalemern wegen Verletzung der Speisevorschriften oder des Sabbats oder eines anderen Vergehens angeklagt wurde 120 , floh er zu den Sichemitern.

Diese Schicht taucht dann noch einmal in Ant. XII auf. § 1 0 In der israelitischen Diaspora zu Ägypten entstanden Streitereien. Die Jerusalemiter behaupteten, ihr Heiligtum sei heilig, und wollten die Opfer dorthin schicken, die Sichemiter dagegen wollten sie zu dem Γ α ρ ι ζ ε ί ν öpoc schicken.

Das Charakteristische an diesem Material ist folgendes. Nicht etwa ein Priester allein (Manasse), sondern eine ganze Gemeinde steht hinter dem Garizim-Kult. Dieser Aspekt ist aber auch in den Paragraphen vor der ersten Erwähnung der Sichemiter zu verfolgen. XI § 312 wird berichtet, viele Priester und Israeliten seien wegen Mischehen mit samarischen Frauen zu Manasse übergegangen und von Sanballat mit Geld, Land und Wohnplatz versehen worden. § 322 ist Sanballats Tempelbau plötzlich weniger ein Familienunternehmen als der Wille zugewanderter Juden. Diese ganze Überlieferung paßt so gar nicht zu des Josephus Theorie über die heidnische Abstammung der Samaritaner (§ 341). Aber ist diese Überlieferung darum schon samaritanisch? ME gibt es ein Kriterium, dieses mit einiger Sicherheit auszuschließen. Und zwar ist dies die Namensform für Garizim. Wie eindeutig zu belegen ist 121 , verstehen die Samar. das Wort i n in " U m nicht als 120

m

Das Imperfekt macht deutlich, daß dieser Vorgang sich über einen längeren Zeitraum erstreckte. Die Notiz offenbart, daß sehr bald gesetzliche Fragen zum Übertritt zur samar. Gemeinde führten. Zur Form des Namens: MT: D'HS "1Π SP (Sefer Abisha): D T i ' h n Von Gall druckt gegen die überwiegende Mehrzahl der Hss. D T U "in Targum Onkelos: i m n m i ü ST: ο τ η η η 3Q 15 XII, Z . 4 : j t u i n L X X : öpoc ΓαριζΙν bzw. Γαριζείν Samareitikon: Αργαρ[ι]ζιμ 2 M a k k 5 , 23; 6 , 2 : (in lat. Version, die das Ursprüngliche erhalten hat): Α ρ γ α ρ ι ζ ι ν Josephus, BJ I § 63: Ά ρ γ α ρ ι ζ Ι ν sonst z.B. BJ III § 307: Γαριζείν (öpoc) u. a. Formen

Die Tempelgründung auf dem Garizim

55

Bezeichnung für Berg, sondern als Bestandteil des Namens: griech. also nicht öpoc Γαριζίν sondern Άργαριζιμ(ν). Die Sichemiter-Quelle spricht nun von Γαριζεϊν opoc. Daß Josephus hier kaum korrigiert hat, zeigt BJ I § 63, w o er — im Gefolge einer Quelle — Α ρ γ α ρ ι ζ ί ν schreibt. Allerdings ist einschränkend hinzuzusetzen, daß er in Ant. XIII § 255 dieses 'Αργαριζίν in Γαριζείν ändert. Aber da er die samar. Form zu mindest einmal benutzt, ist es doch nicht sehr wahrscheinlich, daß er sie Ant. XI eliminiert. Die Quelle ist also wahrscheinlich eine jüdische. Da die Bezeichnung Sichemiter die Existenz Sichems voraussetzt, muß sie aus dem 2. Jh. vChr stammen. Was war nun ihr Inhalt? W o v o n handelte die Uberlieferung v o n den Sichemitern? Was gehört zur Ausmalung v o n N e h 13,28, was zur Sichemiter-Quelle? Es scheint mir deutlich, daß die Sichemiter-Quelle erzählen will, wie Sanballat den Tempel auf dem Garizim erbaute. Die genaue Schilderung v o n Sanballats Abfall zu Alexander ist also Teil dieser Quelle 122 . Sie berichtete, wie Sanballat in Sichern jüd. Priester und Israeliten ansiePlinius, Histor. natur. V. XIV. 68: Madaba-Karte: Ps-Eupolemus:

mons Argaris. Τουρ Γαριζιν und Γαριζείν Άργαριζίν (andere Lesart: Άργαριζείν) Damascius: irpöc opei . . . Άργαρίζω Procopius: Γαριζίν Itinerarium Burdigalense: Agazaren Ioannes Malalas: der Berg genannt Άρτταρίζιν ( = Αργαριζίν) bzw. Γαργαζι Auswertung: nimmt man alle eindeutig samar. Stellen zusammen (SP, ST, Samareitikon, Ps-Eupolemus, Damascius-Zitat von Marinus aus Flavia Neapolis), so zeigt sich, daß die Samar. das 1Π von Ο Τ Τ Η Π als Bestandteil des Namens betrachten. Die nidit-samar. Autoren dagegen sehen nur in D ^ l l einen Namen. Ein Samar. sagt also griech. Αργαριζιμ(ν), ein Jude (öpoc) Γαριζίν o.a. Eine Ubersetzung ins Aramäische wie im Targum Onkelos kennt die samar. Überlieferung daher nicht. Typisch MM III 60, 23. 25. In Parallele stehen hier Β Τ Ί Π Π und b ^ V sowie MM IV 103, 28: η Τ Ί Π Π ΠΎΙϋ· Diese kleine Beobaditung ist eine Hilfe bei der Beurteilung antiker Nachrichten über die Samar. Nur, wo die samar. Form begegnet, kann mit einer samar. Quelle, einem samar. Verfasser oder einer samar. Tradition gerechnet werden. Die Verwendung der jüd. Form deutet auf eine Distanz vom samar. Bereich. 122

Man wird also dodi wohl — wie Cross es tut — mit einem Sanballat III rechnen müssen (vgl. o. S. 44).

56

Die E n t s t e h u n g des G a r i z i m - K u l t u s

delte (§ 312), wie diese einen Tempelbau in seiner Provinz wünschten (§ 322), wie er Alexander für dieses Vorhaben gewinnt (§ 313—317; 321—325), wie die Sichemiter Alexander einluden, ihre μητρόπολιο und ihren Tempel zu besichtigen (§ 340; 342), wie die Sichemiter auch in der Folgezeit Zuzug von Jerusalemern bzw. Juden bekamen (§ 346 f) und auch in Ägypten an Sichern als Opferstätte festhielten (Ant. X I I § 10). Dieser ganze Bericht hat historisch einen schwachen Punkt: es ist unglaubwürdig, daß in der kurzen Zeit, in der Alexander in Palästina weilte (nicht einmal ein Jahr), der Tempel auf dem Garizim erbaut wurde (§ 324). Dieser Zug ist nur so erklärbar, daß hier der außersamar. Historiker 128 eine samar. Tendenzüberlieferung weitergibt: der Tempel auf dem Garizim ist von Alexander legitimiert. In Wirklichkeit hat Alexander höchstens seine Einwilligung für den Bau des Tempels gegeben. Fertiggestellt wurde er erst nach ihm. Diese ganze Überlieferung stimmt nun erstaunlich gut mit dem archäologischen Befund überein. Wright wollte diesen Befund vor allem mit Ereignissen in der Stadt Samaria verbinden: die aus Samaria vertriebenen Samarier gründeten in Sichern eine neue Metropole 124 . Doch viel näherliegender ist der Hinweis auf die Sichemiter-Quelle des Josephus. Der den aus Jerusalem gekommenen Priestern und Israeliten gegebene Wohnort (§ 312) ist nach § 340 Sichern gewesen. Die Erkenntnis der Archäologie, Sichern sei am Ende des 4. Jh. aufs neue besiedelt worden, m S. o. S. 54 f.

10l

101

S. u. S. 165 f.

102

Bowman 1 5 3 ; Heidenheim 365. Weitere Beispiele As. II (Ben-Hayyim 12 f.).

108

S. u. S. 155 f. Vgl. ferner E. Peterson, ΕΙΣ ΘΕΟΣ 293 Anm. 1.

104

Schürer, III. 346.

105

Praep. Εν. I X 17, 2 — 9 . Text: Jacoby Fr. 724 I I I C 2 S. 678 f.

loe

Hellenistische Studien. H e f t I : Alexander Polyhistor und die von ihm erhaltenen Reste jüdischer und samaritanischer Geschichtswerke. Jahresbericht des jüdisch-theologischen Seminars „Fraenkel'scher Stiftung". Breslau 1874, 82 ff.

81

U n t e r seleukidisdier Herrschaft

cholder, der vor kurzem beide Fragmente erneut untersucht hat 1 0 7 , nimmt als terminus ante quem das dritte Buch der Oracula Sibyllina an, das von Pseudo-Eupolemus abhängig sei 108 . Dieses aber wurde ca 140 vChr geschrieben 109 . So ist es wahrscheinlich, daß Ps-Eupolemus in der Blütezeit des Synkretismus, d. h. der ersten Hälfte des 2. Jh. vor Ausbruch des makkabäischen Aufstandes geschrieben hat, und zwar in Samaria 110 . Skizzieren wir kurz seine Ausführungen über Abraham. Das längere Exzerpt 1 1 1 berichtet, Abraham stamme in der zehnten (dreizehnten) Generation von dem Geschlecht der Giganten ab, die nach dem Turmbau über die Erde versprengt worden seien. Er sei in der babylonischen Stadt Kamarina, welche einige Uria nennten, geboren worden. Die babylonische Astrologie erfindend (17, 3) sei er nach Phönizien gewandert und habe die Phönizier die Bewegungen der Sonne und des Mondes und alles andere gelehrt. Nach der Schilderung eines Kampfes mit Armeniern (17, 4) heißt es dann: 17,5: E r wurde als Gast aufgenommen Άργαριζίν

lla

,

von

einer Stadt

was übersetzt Berg des Höchsten

im Heiligtum

bedeutet

(öpoc

ύψίςτου) 1 1 8 , von Melchisedek 114 aber, der Priester Gottes und König war, empfing er Geschenke 115 .

Auf Grund einer Hungersnot (λιμόο) sei er dann nach Ägypten gezogen und habe die ägyptischen Priester zu Heliopolis in die Astrologie 107

Pseudo-Eupolemus* Two Greek Fragments on the Life of Abraham. H U C A 34 (1963) 83—113. Eine genaue Untersuchung der Traditionen und der Arbeitsweise des Pseudo-Eupolemus

hat N . Walter vorgelegt:

Zu

Pseudo-

Eupolemos. Klio 4 3 — 4 5 (1965) 282—290. los jsj. Walter 283 hält diese Ansicht für unsicher. 109

Wacholder 86.

110

86 f. 112. Die betonte Hochschätzung Phöniziens und Abwertung Ägyptens

111

T e x t : J a c o b y aaO 678 f. Nr. 1.

112

Ist vor Ιερόν ein etc zu ergänzen? Vgl. Jacobys Anm. zu Ζ. 1 S. 679.

lassen auf diesen Bereich schließen. Ebenso N . Walter 283.

113 w i e diese Ubersetzung zustande kam, bleibt unklar. Vgl. dazu N . Walter, Pseudo-Eupolemos 285 f. 114

Epiphanius

(4./5. J h . n. Chr.)

überliefert

uns, die

Samar.

glaubten,

daß

Melchisedek mit Sem, dem Sohne Noahs, identisch sei (Panarion haer. 55, 6 , 1 — T e x t : K . Holl, G C S 31. Leipzig 1922, 331 Z. 7). 1,5

Gen 1 4 , 1 8 L X X : „Und Melchisedek, König von Salem, brachte Brote und Wein heraus. Er war aber Priester des höchsten Gottes". Pseudo-Eupolemus setzt eine Lokalisierung Salems bei Sichern voraus. Vgl. dazu A. Alt, Salem. P J 25 (1929) 52—54.

6 Kippenberg

82

Die Zeit des Tempels

eingeführt, die von Henoch ( = Atlas, 17, 9) erfunden worden sei, nicht jedoch von den Ägyptern (17, 8). Das zweite kürzere Exzerpt 116 verfolgt denselben Gedankengang. Abraham, Nachkomme der Giganten, habe in Babylon die Astrologie gelernt, habe sie dann die Phönizier gelehrt und sei schließlich nach Ägypten gekommen 117 . Der ganze Entwurf hat die Genesis zum Gerüst, und zwar von c. 10 bis c. 14. Doch sind in dieses Schema babylonische Traditionen eingeflochten worden, die wahrscheinlich dem Verfasser über den MardukPriester Berossus bekannt geworden sind118. Hierhin gehört vor allem die Rolle von Belus als Gründer Babylons 119 . In dieses biblisch-babylonische Produkt werden noch die griechischen Gestalten Kronos ( = Belus) und Atlas eingeführt 120 . Darüber hinaus findet sich eine Tradition, welcher wir auch im Henochbuch und dem Genesis-Apokryphon begegnen, nach der die Engel Henoch alles Wissen offenbarten, das dann den folgenden Generationen durch seinen Sohn Methusalah übermittelt wurde 121 . Daß der Synkretismus auch den jüdischen Bereich einbezog, beweist unter anderem der Gebrauch der LXX 122 . Fragt man nach dem Skopos der Fragmente, so fällt die betonte Rolle Phöniziens auf. „In Pseudo-Eupolemus' scheme, the Babylonians were the first cultured people, followed by the Phoenicians; but the Egyptians were rather latecomers" (Wacholder 128 ). So werden biblische und heidnische Traditionen zu einem Geschichtsbild zusammengefügt 124 . 119

Praep. Εν. IX 18, 2. Text: Jacoby aaO 678 f. Nr. 2. N . Walter zweifelt an der Herkunft dieses Fragmentes von Pseudo-Eupolemus (284). 118 Wacholder 90 f. Ein Reflex des Herkunftsortes der Samar. ist darin kaum zu sehen (gegen Freudenthal 96). Zu Berossus vgl. W. Spoerri, Art. Beros(s)os. Der Kleine Pauly. 1. Bd. 1548. 119 Wacholder 90. Andere Obereinstimmungen: 102. 120 Wacholder 96. 121 Wacholder 98. 122 §7 f W e i t e r e Ubereinstimmungen: Abraham als Astrologe (103); Pharao wird impotent, als er Sarah zum Weibe nahm (109). N . Walter hat erarbeitet, daß es keine Indizien für einen Gebrauch des hebr. at. Textes gibt (284—286). 128 96. Weitere Belege 108. 124 Treffend spricht N . Walter (283) vom ungebrochenen Hellenismus des Samar., seiner spürbaren „Entdeckerfreude bei der Gleidisetzung von Gestalten aus biblischer, griechischer und babylonischer Überlieferung". 117

Unter seleukidischer Herrschaft

83

Was läßt sich nun diesem .Genesis-Midrasch' über den Garizim-Kult des 2. Jh. v. Chr. entnehmen? Einmal ist zu erkennen, daß die Verbindung von Salem und Melchisedek mit dem Garizim-Heiligtum vorausgesetzt ist. Dieses Heiligtum ist nicht etwa erst 150 Jahre alt, sondern schon Abraham fand es in Phönizien vor. Zum anderen sieht — zumindest Pseudo-Eupolemus — in diesem Heiligtum so etwas wie die Mitte Phöniziens. In gleicher Zeit schrieb Theodotus ein Gedicht über Sichern in seinem Buch über die Juden. Es findet sich — teils wörtlich, teils in Inhaltsangaben — in einem Exzerpt des Polyhistor, das Euseb in seiner Praeparatio Evangelica IX, 22 mitteilt. Zuerst schildert das Gedicht in Hexametern die Lage Sichems, des ιερόν a c r u . Praep. Evang. I X 22, l 1 » : Reich war sie (sc. die Stadt), voller Ziegenherden und Wasser, und nicht einmal war es ein langer Weg, vom Felde in die Stadt zu kommen. U n d kein dichtes Gebüsch macht je Schwierigkeiten. Ganz nahe von ihr aber erscheinen zwei steile Berge, reich an Gras und Wald. In der Mitte von ihnen zieht sich ein schmaler enger P f a d hindurch. Auf der anderen Seite aber erscheint das lebendige Sichern, die heilige Stadt, erbaut unterhalb des (Berg)fußes; ringsum läuft als Umfriedung eine glatte Mauer am Fuß des Gebirges hin von der Höhe her 128 .

Im Anschluß an Gen 34 wird dann die Besitzergreifung Sichems durch die Hebräer geschildert 127 . Jakob kommt von Mesopotamien nach Sichern und erhält von Emmor, dem König von Sichern, ein Stück Land. Als Dina die Stadt während eines Volksfestes besichtigt, schändet Sichern sie, Emmors Sohn. Jakob ist bereit, sie ihm zur Frau zu geben, 126 128

127

6*

Text: Jacoby Fr. 732. Übersetzung: Riessler 1263. Der letzte Satz ist auf verschiedene Art zu übersetzen. R. J . Bull, A Note on Theodotus' Description of Shechem. H T h R 60 (1967) 221—227 zählt auf S. 224 ff. die verschiedenen Möglichkeiten auf. Es geht wesentlich um zwei Probleme. Bezieht sich das άμφί auf die Stadt oder den Bergfuß? Bull schließt das zweite aus. Was meint das vorletzte Wort σίττύθεν ? Von der Höhe des Berges oder einfach hodi für den Beschauer? Auf Grund der gewaltigen Mauer, die nach Erkenntnis der Drew-McCormick-Expedition das antike Sichern vom letzten Drittel des 4. J h . v. Chr. bis zur ersten Hälfte des 2. J h . v. Chr. umgab, entscheidet Bull sidi für die zweite Möglichkeit. Hier aber hätte Bull m. E. auf die späteren Münzen des 2. Jh. n. Chr. eingehen müssen, die sowohl eine Mauer am Fuß des Garizim sowie Bauwerke am H a n g des Garizim zeigen. Vgl. zum ganzen Schürer I I I . 499 f.

84

Die Zeit des Tempels

wenn sich alle Bewohner Sichems beschneiden lassen. Doch Simeon und Levi ziehen bewaffnet in die Stadt und ermorden E m m o r und Sichern. Offenbar bildet „die Geschichte der Stadt Sichern das eigentliche Thema des Gedichtes", vermutet E. Schürer und folgert, ein Samaritaner müsse Verfasser dieses Gedichtes sein 128 . Das allerdings ist schwerlich überzeugend 129 . Werden doch die Bewohner Sichems als gesetzloses Volk dargestellt (22, 9). Außerdem wird in einer Objektivität von den ,zwei Bergen' gesprochen, die ein samar. Engagement für den Garizim ausschließt. Wenn der Verfasser Sichern als .heilige Stadt' bezeichnet, so kann das einfach auf Sichems Alter und Ansehen hinweisen. Weil der Verfasser kein Samaritaner war, kann er denn audi das Wichtigste, das uralte, von Abraham vorgefundene Garizim-Heiligtum, einfach übergehen. Beachtenswert ist der letzte Satz. E r läßt vermuten, daß schon zur Zeit des Theodotus (2. J h . v. Chr.) 1 3 0 unterhalb des Teil er-Räs, auf dem der alte samar. Tempel stand, eine gewaltige Mauer lief. Diese Anlage entspricht den Abbildungen auf Münzen des 2. Jh. n. Chr., die den heidnischen Tempel auf dem Garizim zum Gegenstand haben 1 8 1 . Von diesem heidnischen Tempel führen 300 Stufen in die Ebene. Der Fuß des Berges ist mit einer Mauer eingefaßt. Offensichtlich sind im 2. J h . n. Chr. die alten, von Johannes Hyrcanus 1 2 9 / 8 v. Chr. zerstörten Anlagen wieder hergestellt worden. Die weiteren Autoren Cleodemus-Malchus und Thallus, die Freudenthal für Samar. hielt 1 3 2 , sind hellenisierende Juden 1 8 3 . Denn die These, die Samaritaner seien „für heidnische Lehren empfänglicher . . . als die Judäer" 1 8 4 , Synkretismus mithin Kriterium für Samaritanismus, ist wenig überzeugend, wenn man ζ. B. an Artapanus denkt 1 8 5 . Außerdem dürfte nur ein kleiner Teil der Samar. Anhänger eines Synkretismus gewesen sein. Daß keineswegs alle Samar. mit fliegenden Fahnen zu Antiochus übergelaufen sind, läßt 2Makk 5, 22 f erkennen. E r (sc. Antiochus) ließ Aufseher zurück, das Volk schlecht zu behandeln: in Jerusalem Philippus, . . . am Argarizim Andronicus 138 . 128 12

499. So audi R. J . Bull aaO 223 f.

» Vgl. Schürer III. 499 f. Anm. 33.

130

Sichern steht zu seiner Zeit noch.

131

Vgl. die Abbildungen bei Montgomery, Samaritans 89.

132

Hellenistische Studien 100.

133

So urteilen auch Wacholder 87 Anm. 27; N . Walter 283 Anm. 4.

134

Freuden thai 102.

135

Schürer III. 477—480.

138

Text R. Hanhart (s. o. S. 76 Anm. 78) S. 69. Ü . : Kautzsch, A 96.

U n t e r jüdischer Herrschaft

85

Wie in 2Makk 6, 1—3 fällt auch hier auf, daß die Gemeinde um den Garizim gleichberechtigt neben der von Jerusalem genannt wird. Der Verfasser weiß offensichtlich, daß an beiden Orten Juden bzw. Israeliten leben. Und wie in Jerusalem so muß Antiochus auch an diesem O r t mit Widerstand rechnen 137 . Versuchen wir zum Schluß, aus diesen recht unterschiedlichen Nachrichten und Texten die charakteristischen Züge der seleukidischen Zeit festzuhalten. A. Alt hat die These vertreten, der Kult auf dem Garizim sei der offizielle Kult der Provinz Samaria gewesen 138 . Wenn man an die Stelle des ,sei gewesen' ein ,sollte werden' setzt, hat man m. E. die Problematik der seleukidischen Zeit umrissen. Der Tempel auf dem Garizim war in israelitischem Geist gegründet worden, und die literarischen Zeugnisse aus der Zeit seiner Existenz sind nur als Produkte einer israelitischen Priesterschaft verständlich. Aber unter den Seleukidenkönigen war in Sichern eine Kolonie von Sidoniern emporgewachsen, die ganz locker mit dem Garizim-Kult verbunden war. Es hat den Anschein, als sei zur Zeit des Antiochus I V von diesen Sidoniern der Versuch gemacht worden, den israelitischen Garizim-Kult in einen hellenistischen Mischkult zu verwandeln. Das Gefühl für die Notwendigkeit zu solcher Synthese finden wir sogar bei dem Samar. Ps-Eupolemus, wenn dieser nicht sogar selbst Phönizier war. Wieweit dieser Versuch geglückt ist, bleibt offen. Die religionspolitischen Bestrebungen des Antiochus ermunterten diese Kreise natürlich nur noch 1 3 9 .

C. Unter jüdischer Herrschaft 1. Die Vernichtung des Tempels und Siebems Mit dem Makkabäeraufstand verschlechterte sich die politische Lage für die Samar. radikal (167/66 v. Chr. 1 4 0 ). Die Seleukiden hätten diesen Aufstand ohne weiteres niedergeschlagen, wäre nicht das seleukidische Reich nach dem Tode von Antiochus I V Epiphanes durch Thronwirren lahm geworden 141 . Die sich bekämpfenden Thronprätendenten bemühten sich abwechselnd um die Gunst der Makkabäer, was 137

M o n t g o m e r y 78.

138

Rolle Samarias 3 3 7 ; Geschichte d e r Grenze 3 6 0 .

139

Aus dieser Zeit könnte der polemische Topos stammen, die S a m a r . seien heidnischen Ursprungs (so Josephus und ζ. T. die Rabbinen).

140

Schürer I. 2 0 4 .

141

Näheres bei Schürer I. 2 1 4 .

86

Die Zeit des Tempels

nur deren Macht steigerte 142 . Diesen Machtzuwachs wußten die Makkabäer zu nutzen. Das ihnen von Demetrius I (162—150) gegebene Versprechen, die samarischen Bezirke Apherema, Lydda und Ramathaim an Judäa anzugliedern (IMakk 10, 38), wurde wahrscheinlich unter Demetrius II ca. 145 v. Chr. Wirklichkeit (IMakk 11, 34)143. Da sowohl Josephus wie audi Plinius voraussetzen, daß Judäa nördlich dieser Grenze noch einen weiteren Unterbezirk mehr umfaßte, die sog. Akrabattene, vermutete A. Alt, daß diese Grenzverschiebung in Zusammenhang mit der vorangegangenen gestanden haben muß 144 . Wenn im Makkabäerbuch schon bald nach Mitteilung der ersten Grenzverschiebung nicht mehr von drei, sondern von vier an Judäa angegliederten Unterbezirken die Rede ist (IMakk 11, 57), dann ist mit dem vierten wahrscheinlich die Akrabattene gemeint 149 . Grund dieser Neuorientierung ist nach Alt „die kultische Verbundenheit jener Grenzbezirke mit dem Tempel in Jerusalem" 146 . Das gelte jedoch nicht von der Akrabattene 147 . Tatsache ist aber, daß schon die Formulierung IMakk 11, 34 eine so eindeutige Bindung an Jerusalem nicht voraussetzt. Daher überweisen wir ihnen hiermit das Gebiet von Judäa und die drei Bezirke Apherema, Lydda und Ramathaim, die von Samarien (abgetrennt und) zu Judäa geschlagen sind, samt allem, was zu ihnen gehört. Allen, die in Jerusalem opfern, (erlassen wir) den Betrag der an den König zu zahlenden Abgaben.

Zu diesem Satz seiner Ubersetzung notiert E. Kautzsch: „Also nicht jedem beliebigen Einwohner" 148 . Welch ein Schlag diese Grenzverschiebung für die Samar. war, zeigt ein Blick auf die Karte 149 : Juda dehnt sich fast um das Doppelte aus, die Provinz Samaria büßt fast die Hälfte ihres Besitzes ein. Sichern und 142 143

144 145

146 147 148 149

Vgl. Schürer I. 231. Haefeli, Geschichte 81 f. Ein Reflex dieses Geschehens vielleicht bei PseudoHecataeus (vgl. B. Schaller, Hekataios von Abdera über die Juden. Zur Frage der Echtheit und der Datierung. Z N W 54 [1963] 15—31: 28 f.). Geschichte der Grenze 349 f. Alt 350. Dodi ist nach J. C. Dancy, A Commentary on I Maccabees. Blackwell's Theological Texts. Oxford 1954, 161 der vierte Bezirk Judäa. Ebenso Kautzsch A 68 Anm. f. 352. 352 f. Kautzsch A 67. Ζ. Β. von F.-M. Abel, Histoire de la Palestine depuis la conquite d'Alexandre jusqu'i l'invasion arabe. I Paris 1952, 200. Eine genaue Beschreibung

87

Unter jüdischer Herrschaft

Garizim kommen in den unmittelbaren Schlagbereidi jüdischer Truppen. Diesen naheliegenden Schlag führte Johannes Hyrcanus aus150. Josephus berichtet, daß nach dem Tode des Antiochus VII Sidetes (138 bis 129)151 Johannes Hyrcanus auf einem Feldzug „Sichern (einnahm) und Garizim und das Kutäervolk, welches bei dem Tempel lebte, der dem Heiligtum zu Jerusalem nachgebildet war. Alexander hatte dem Strategos Sanballat erlaubt, ihn zu erbauen für seinen Schwiegersohn Manasse, den Bruder des Hohenpriesters Jaddus, wie wir oben dargelegt haben. Es geschah nun, daß dieser Tempel nach zweihundert Jahren verwüstet wurde" (Ant. XIII § 254 f 152 ). Die Juden haben diesen Tag — wenn auch in die Zeit Alexanders vorverlegt — später unter ihre Freudentage aufgenommen, an denen Fasten verboten ist. Am 21. Kislew, dem Tag des Garizim, feiern sie die Vernichtung des Garizim-Tempels, geschehen 129/8 v. Chr. (Fastenrolle IX) 153 . Die Stadt Sichern konnte noch eine geraume Zeit weiterexistieren. O. R. Seilers, der an Hand von Münzfunden der Drews-McCormickExpedition die Siedlungsgeschichte Sichems verfolgt hat, notiert fünf Münzen aus der Zeit von Alexander II (Zebina) 125—123 v. Chr. „Both coins and pottery show that it (sc. Sichern) ceased to exist, at least in the areas so far excavated, just before the end of the second century B.C." 154 . G. E. Wright nennt noch weitere Münzen und vermutet, daß Sichern erst bei Johannes Hyrcanus' Kampagne gegen Samaria 109 ν. Chr. vernichtet wurde155. 2. Die ältesten jüdischen Zeugnisse antisamaritanischer

Polemik

Parallel mit diesen politischen Vorgängen läuft eine erste Welle jüdischer Polemik gegen die Samar.. Befragen wir also die mutmaßlich in der alten und der neuen jüdisch-samarischen Grenze bei U . Kahrstedt, Syrische Territorien in hellenistischer Zeit. AGG Philologisch-Historische Klasse, N F Bd. X I X , 2. Berlin 1926, 62—66. 150

Zum Ende Sichems vgl. Wrights Abschnitt: The City's Last Years. Shechem

151

Reicke, Zeitgeschichte 48.

181—184. 152

Josephus bringt die Überlieferung ferner B J I

§ 63, wo er

Άργαριζίν

schreibt. 153

Text: G. Dalman, Aramäische Dialektproben. 2. A. Leipzig 1927, 2.

154

Coins 96.

155

Shechem 172. 184. Zur Datierung: Reicke, Zeitgeschichte 51. Allerdings ist Josephus Ant. X I I I § 377 doch offenbar so zu verstehen, -daß um ca. 88 v. Chr. eine Ortschaft Sichern noch existierte (vgl. Schüler I. 282).

88

Die Zeit des Tempels

b z w . k u r z nach der M a k k a b ä e r z e i t entstandene jüd. L i t e r a t u r nach antis a m a r . P o l e m i k . D a die Q u m r a n - L i t e r a t u r nicht an h i s t o r . V o r g ä n g e n der eigenen Z e i t interessiert ist, finden sich in i h r keine E r w ä h n u n g e n der S a m a r . . U m so interessanter einscheint m i r hier die U b e r e i n s t i m mung v o n T r a d i t i o n e n — ein Sachverhalt, dem wir hier nicht nachgehen können 1 5 ®. Z u e r s t sei auf das J u d i t h b u c h ( M i t t e des 2. J h . v . C h r . ) 1 5 7 v e r w i e sen, w o es v o n der L a n d n a h m e der Israeliten h e i ß t : Jdt 5,16: Und sie vertrieben vor sich den Kanaanäer, den Pheresiter, den Jebusiter, den Συχεμ und alle Girgasiter und wohnten daselbst lange Zeit. Z u R e c h t v e r m u t e t C o w l e y , daß die E i n f ü h r u n g Sichems auf F e i n d schaft gegenüber den S a m a r . b e r u h t 1 5 8 . D i e E i n s c h ä t z u n g der S a m a r . als H e i d e n scheint bereits v o r a u s g e s e t z t 1 5 9 . Z u berücksichtigen ist allerdings, daß in Sichern offensichtlich auch wirklich heidnische K o l o n i e n bestanden. J d t 5 , 1 6 k ö n n t e auf G r u n d dieses Sachverhaltes z u dieser E i n s c h ä t z u n g der Sichemiter gelangt sein. A n d e r s g e w e n d e t : J d t muß

nicht alle

S a m a r . als H e i d e n a n s e h e n 1 8 0 .

159

Vgl. etwa unten S. 307.

157

Α. E. Cowley in Charles I. 245.

158

Charles I. 252 Anm. zu 5, 16.

i5» Vgl j d c

2 f. wo Simon für die Erschlagung der Sichemiter

(άλλογενεϊο)

(Gen 34) gepriesen wird. 160

Ein interessantes Problem von J d t hat C. C. Torrey angeschnitten: The Site of ,Bethulia*. J A O S 20, 1 (1899) 160—172. Nach J d t sperrt die Stadt Bethulia Holofernes und seinem Heer den Durchzug nach Jerusalem (7, 1 ff.). D a Sichern zwischen der Jesreel-Ebene und Jerusalem lag und den wichtigen Paß zwischen Ebal und Garizim blockierte, muß nach Torrey mit Bethulia Sichern gemeint sein (164 f.). Noch andere Details deuten auf diesen Ort (165 ff.). Nach Torrey „the identity of ,Betylüa' with Shechem is fully established" (170). D a J d t einen jüd. Verfasser hat, wählte dieser ein Pseudonym für Sichern (172). Mit der Erwägung, daß hinter betylua ein hebr. HiVi? ΓΡ? steht, schließt Torreys Aufsatz (172). Die Theorie, so wie Torrey sie vorführt, ist recht unwahrscheinlich. Man könnte ihr mehr Gewicht geben, wenn man zweierlei beachtet: 1. Audi nach J d t liegt Βαιτυλουα nicht — wie Sichern — in der Ebene, sondern auf einem Berg (6, 1 1 — 1 4 ; 7 , 1 0 ) . 2. Wenn man schon an eine Lokalisierung im Bereich des ehemaligen Sichern denkt, dann ist es sinnvoller, an einen O r t auf dem Garizim zu denken. Einen solche O r t finden wir später auf dem Garizim bezeugt. E r trug den Namen Luza (s. u. S. 164) und den Ehrentitel ^ Ν ί Τ Ώ (s. u. S. 194 f.).

U n t e r jüdischer Herrschaft

89

A n t i s a m a r . Material e n t h ä l t auch das Jubiläenbuch (gegen E n d e des 2. Jh. v. Chr.) 1 8 1 . D i e heimtückische Erschlagung der B e w o h n e r Sichems durch S i m e o n u n d Levi ( G e n 34), die i m J a k o b s e g e n G e n 4 9 , 5 — 7 gerade als G r u n d der Z e r s t r e u u n g beider S t ä m m e g e n a n n t w i r d ,

findet

Jub 3 0 eine p o s i t i v e B e w e r t u n g 1 6 2 . Jub 30, 5. 71«3: U n d so soll hinfort nicht mehr getan werden, daß eine Tochter Israels verunreinigt werde; denn im Himmel ist über sie die Strafe angeordnet, daß sie mit dem Sdhwert alle Männer von Sichern vernichteten, weil sie eine Schandtat in Israel verübt hatten. U n d wenn ein Mann unter Israel ist, d e r seine Tochter oder seine Schwester irgend einem Manne aus dem Samen der Heiden geben will, (der) soll des Todes sterben, und man soll ihn steinigen, denn er hat eine Schandtat in Israel verübt. Andererseits sollen sie das Weib mit Feuer verbrennen, weil es den Namen des Hauses seines Vaters verunreinigt hat, und es soll aus Israel hinweggetilgt werden. D a die l e t z t e Vorschrift ( V e r b r e n n u n g der israelitischen Frau) ü b e r G e n 34 h i n a u s g e h t , dürfte das Kapitel „ u n £cho de la prise et de la destruction

de

,Palästinisches

Samarie" 1 6 4 im

sein.

Jubiläenbuch'

S.

Klein

hat

dargelegt,

in daß

seinem die

Aufsatz

Ortsnamen

Jub 34 (Jakobs u n d seiner S ö h n e K a m p f m i t d e n A m o r i t e r k ö n i g e n auf d e m Gefilde v o n Sichern) d e n Kriegszug v o n J o h a n n e s H y r c a n u s g e g e n die bei Sichern w o h n e n d e n Samar. reflektieren 1 6 5 . M a n erhält aus d e n g e n a n n t e n O r t e n 1 8 6 e i n e n Einblick i n die samar. Siedlungsverhältnisse 181

M. Testuz, Jubil^s 35. D a ß d e r Verfasser des J u b in der näheren oder weiteren Umgebung Sichems heimisch gewesen sein muß, hat S. Klein, Palästinisches im Jubiläenbuch. Z D P V 57 (1934) 7—27 auf Grund der Ortsangaben erschlossen (15). B. Beer, Das Buch der Jubiläen und sein Verhältnis zu den Midrasdiim. Leipzig 1856 hat den samar. (bzw. — wie er meint — dositheanischen) Einfluß zu bestimmen versucht. Auf G r u n d der hebr. Fragmente von Jub, die in Qumran gefunden wurden, sowie des neueren samar. Materials müßte dieser Frage neu nachgegangen werden. 162 Charles verfolgt diese Tradition noch weiter (Charles I I . 58 Anm. zu J u b 30, 2—6). iss ü . der äthiopischen Version: E. Littmann, Kautzsch P. 90 f. H e b r . Fragmente dieser Verse sind nach Chr. Burdiard in Q u m r a n (noch?) nidit gef u n d e n worden (Bibliographie zu den Handschriften vom Toten Meer II. B Z A W 89. Berlin 1965, 333). 104 M. Testuz, Jubiles 35. Vgl. auch R . M e y e r , Prophet 63. 165 Z D P V 57 (1934) 18—20. 106

9

90

Die Zeit des Tempels

zur Zeit des 2. J h . v. Chr. So vernehmen wir im Jubiläenbuch die Klänge, die die Vernichtung Sichems (und anderer samar. Städte) begleiteten. Der Stein des Anstoßes in diesen und anderen frühen Polemiken gegen Sichern ist ganz deutlich keine abweichende Lehrmeinung, sondern die in Sichern praktizierte Verbindung von Israeliten und Kanaanäern. Diese bewußt antisamar. Auslegung von Gen 34 findet sich auch TestLev aram. In Kolumne b (3) und c (78) des Cambridge Fragmentes gelten die Bewohner Sichems als ΝΟΟΠ ''735? 167 (Gewalttäter). So ist nicht zu übersehen, daß die at. Erzählung Gen 34 von der heimtückischen Erschlagung der Bewohner Sichems durch Simeon und Levi zur Magna Charta jüdischer Gewalttätigkeit gegen die Sichemiter wurde. Diese Auslegung von Gen 34 begegnet außer Jub 30 noch J d t 9, 2—4. Auch Josephus Ant. I § 337—340 ist die Szene ganz offensichtlich von samar. Verhältnissen getragen. Die Sichemiter halten ein Fest, während dessen Verlauf der König Sichern Dina verführt. Während eines anderen Festes rächen Simeon und Levi ihre Schwester. Diese Wiedergabe von Gen 34 deckt sich (zum Teil wort-wörtlich) mit dem Gedicht des Theodotus über Sichern. Wir haben hier einen Midrasch vor uns, der in die Zeit vor Zerstörung Sichems zurückgeht. Hauptmerkmal: jede Erwähnung einer Beschneidung der Sichemiter ist getilgt. Aus dieser Zeit (2. J h . v. Chr.) stammt vielleicht audi eine höchst positive Beurteilung des Hasmonäers Johannes Hyrcanus, der in der späteren jüdischen Überlieferung so wenig freundlich beurteilt wird. Targum Pseudo-Jonathan 1 6 8 : Und für die Hasser des Hohenpriesters J o h m a n soll kein Fuß zum Stehen (dasein).

Diese Hasser sind nach Olmstead die Samar., die Johannes Hyrcanus unterworfen hat 189 . Eine interessante antisamar. Lesart enthält das Josuabuch in seiner L X X - V e r s i o n . N i m m t man als Entstehungszeit des LXX-Pentateuchs das 3. J h . v. Chr. an, dann wird man Jos auf Grund seiner stilistischen 167

Text: R. H . Charles, The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs. Oxford 1908. Appendix III. 245. 254. Für das Alter der aram. Fragmente spricht ihre Übereinstimmung mit dem in Qumran gefundenen Fragment des TestLev aram: Barthelemy-Milik, Qumran Cave I. 87—91.

188

Targum Pseudo-Jonathan zu Dtn 3 3 , 1 1 . Text: M. Ginsburger, Pseudo-Jonathan 363.

" » Vgl. Kahle, Kairoer Genisa 215 f.

Unter jüdischer Herrschaft

91

Nähe zum Pentateuch nicht allzuweit davon abrücken können 170 . Wird nach Josua 24, 1 (MT) der Bund zwischen Jahwe und dem Volk in Sichern vollzogen, so nach L X X in Silo. Wir erkennen in dieser neuen Lokalisierung ein Stück von jenen Diskussionen wieder, die in Ägypten — dem Heimatland der L X X — zwischen Juden und Samar. geführt wurden. Nach Josephus 171 stritt man vor Ptolemaeus VI Philometor darum, welcher Tempel auf Mose Befehl erbaut sei: der in Jerusalem oder der auf dem Garizim. Dabei spielte die Sukzession der Hohenpriester eine gewichtige Rolle. Daß L X X in Jos 24 Sichern streicht und Silo einsetzt, paßt überraschend genau zu der samar. Hohenpriesterliste, die in der Errichtung des Silo-Heiligtums die Gründung einer illegitimen Hohepriestersukzession erblickt. So wird unsere Vermutung, diese Liste sei aus Streitigkeiten der ägyptischen Israeliten im 2. Jh. v. Chr. hervorgegangen, noch einmal gestützt. Die jüd. Polemik 172 gegen die Samar. entzündete sich in Palästina nicht an einem theologischen Topos, sondern an einem religionspolitischen: dem Synkretismus Sichems in der ausgehenden Seleukidenzeit. Es ist daher irreführend, das Schisma vor Aufkommen des Prophetenkanons um 200 v. Chr. anzusetzen, da die Samar. den Prophetenkanon nicht gekannt hätten 173 . Der Prophetenkanon war zu jener Zeit auch nach den jüd. Quellen kein Kriterium für Rechtgläubigkeit. Die L X X kennt allerdings bereits theologische Differenzen zwischen Samar. und Juden. Sie sind in der Notwendigkeit der israelitischen Diaspora in Ägypten begründet, den legitimen Empfänger der Opfer namhaft zu machen. Eben über diese Frage spaltete sich die dortige Gemeinde. Nimmt man zu diesem Material nach die unter Β besprochenen jüd. Erwähnungen der Samar. hinzu (Sir 50,25 f.; 2Makk 5,22f.; 6,1—3), so läßt sich das jüd. Bild von der samar. Gemeinde des 2. Jh. v. Chr. noch präzisieren. Diese Gemeinde trägt noch nicht den Namen Kutim oder Samaritaner. 170

Zum L X X - P e n t a t e u d i : O. Eissfeldt, Einleitung in das Alte Testament. 3. A. Tübingen 1964, 819 f.; zum Stil von Jos ( L X X ) : H . St. J . Thackeray, A Grammar of the Old Testament in Greek. Vol. I. Cambridge 1909, 7 f. 13 f.

171

S. o. S. 66 f.

172

A. Spiro ordnet Pseudo-Philo in die Zeit zwischen Eupolemus und Josephus ein und interpretiert ihn als antisamar. Polemiker (Samaritans). Da Chr. Dietzfelbinger die zeitliche Einordnung wohl zu Recht bestreitet (PseudoPhilo, Liber Antiquitatum Biblicarum. Diss. Theol. Göttingen 1964, 178 bis 195), kann Pseudo-Philo unser Bild von den jüd.-samar. Auseinandersetzungen am 2. und 1. Jh. v. Chr. nicht vervollständigen.

m

So ζ. B. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 19.

92

Die Zeit des Tempels

Sie wird vielmehr nach dem Ort genannt, an dem sie wohnt. Diese Gemeinde gilt als Teil Israels. So gibt es recht klare Beweise dafür, daß erst in der Makkabäerzeit Juden und Samar. sich in zwei Gruppen trennten 174 . Von diesem Zeitpunkt ab tritt an die Stelle eines gemeinsamen Traditionsfundus gegenseitige Polemik. Dort, wo jüd. und samar. Traditionen dennodi übereinstimmen, haben sie die Chance hohen Alters175. Doch darf man sich diese Trennung nicht als das Niedergehen eines Eisernen Vorhangs denken. Es gab viele Gruppen im antiken Judentum, von denen die Pharisäer den Samar. besonders fern, andere besonders nah standen. Die Samar. haben zweifellos mit nicht-pharisäischen Gruppen noch länger in Verbindung gestanden. Bei der traditionsgeschichtlichen Untersuchung müssen wir diesen Sachverhalt berücksichtigen.

D. Zusammenfassung und Erwägungen Die Samaritaner sind ein Überbleibsel der Bevölkerung des ehemaligen Nordreiches, die sich mit fremden Ansiedlern vermischt hatte — so sieht das gängige Bild von den Samar. aus. Dieses Bild beruht ganz wesentlich auf der Aussage über die D^IÖS? (MT) bzw. Σαμαρΐται (LXX) in 2Kön 17, 29. Sind nicht hier bereits die Samaritaner erwähnt? Schaut man sich die jüd. Nachrichten über die Samar. aus dem 2. Jh. v. Chr. an, so kennen sie alle diese Namen noch nicht, sondern bezeichnen die Sekte nach dem Ort, an dem sie wohnt, mit Sichemiter o. ä.. Erst spätere Polemik wandte auf sie jene Bezeichnung an, die in 2Kön 17, 29 seltsamen religiösen Zwittern gegeben worden war. Die samar. Sekte scheint sich im wesentlichen im 2. Jh. v. Chr. konstituiert zu haben. Getragen wurde sie von israelitischen Priestern, die sich als Eleasar-Söhne verstanden und Zadokiten, Eliden und Leviten die Hohepriesterwürde absprachen. Während des 3. Jh. v. Chr. scheint die Rivalität zweier Priesterschaften in Sichern und in Jerusalem noch nicht als endgültige Antithese verstanden worden zu sein. Erst im 2. Jh. v. Chr., als die Jerusalemer Hohepriestersukzession zerbrach, entstand Streit über den legitimen Kult. Jetzt, beim Zerbrechen des einst einigen 174

175

Montgomery: „The Samaritan sect at last comes f o r t h into the clear light of day in the Maccabaean period" (77). Vgl. audi R. Le Deaut, Bibl 46 (1965) 85.

Zusammenfassung und Erwägungen

93

Israels, fühlen sich die Samar. veranlaßt, ihre Hohepriestersukzession darzulegen und ihre Heilige Schrift zu kanonisieren. Die jüdische Seite ihrerseits nahm Anstoß an der Hellenisierung des Garizim-Kultes, die wohl nicht nur von einer Kolonie Sidonier in Sichern, sondern vielleicht auch von diesem oder jenem Samar. gebilligt wurde. Ihr Urteil über die Vorgänge am Garizim schlug sich in zwei Gewalttaten nieder: der Vernichtung des Tempels auf dem Garizim 129/8 v. Chr. und der Vernichtung Sichems 109 v. Chr. Magna Charta der Gewalttätigkeit war Gen 34: Simeon und Levi erschlagen die Bewohner Sichems. Das Ende dieses Amoklaufs war eine zerschlagene Gemeinde. Die beiden folgenden Paragraphen zeigen auf, wie die samar. Gemeinde in einen Zerfallsprozeß geriet, und wie sich die Synagoge als neue Ordnung herausschälte. Die Aufeinanderfolge der Paragraphen ist also nicht zeitlich, sondern sachlich zu verstehen.

IV. DIE ZEIT DES UMBRUCHS Α. Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz 1. Überblick über die politische Geschichte Nach dem Verlust ihres traditionellen Wohnortes Sichern haben die Samar. sich über Palästina verbreitet 1 . Ein Teil von ihnen aber scheint sich in dem nahegelegenen Sychar niedergelassen zu haben 2 . Nach dem Johannesevangelium kommt Jesus in „eine Stadt Samarias, Sychar genannt, nahe dem Stück Land, das Jakob seinem Sohne Joseph gab. Es war aber dort der Jakobsbrunnen" (4, 5). Dieses Sychar ist nicht mit Sichern zu identifizieren3. Es ist vielmehr mit dem Dorfe 4 'Askar gleichzusetzen, das eine römische Meile vom Teil Baläta entfernt am Fuße des Ebal liegt5. Dieser Name begegnet schon im Jubiläenbuch, wo unter den Königen, die Jakob auf dem Gefilde von Sichern tötete, ein Maanisakir = 1 2

mahäne säkir (das Lager von Sakir) begegnet (34,4)®.

S. u. S. 150 ff. G. Dalman, Orte und Wege: 'askar „könnte . . . die Erbin des zerstörten oder doch ganz heruntergekommenen Sichern gewesen sein, bis dann das 72 n. Chr. erbaute Flavia Neapolis es verdrängte" (227). Η . M. Schenke, Jakobsbrunnen 182 bestätigt das. Anläßlich eines archäologischen Lehrkurses 1965 untersuchte er 'Askar und die bei ihm zu findenden Reste vergangener Epochen. E r schreibt: „Sychar/'Askar muß in römischer Zeit, vor allem nach der Zerstörung Sichems (128 bzw. 107 v . C h r . ) und vor der Gründung von Neapolis (72 n. Chr.), eine ziemlich große und bedeutende,

unbefestigte

und darum breit angelegte Ortschaft gewesen sein, die an Ausdehnung vermutlich größer war als ehemals das befestigte Sichern." Nach Zerstörung Sichems hätte sich die Mehrzahl der Oberlebenden im benachbarten Sychar niedergelassen. 3

So Montgomery 157 Anm. 11.

4

TTOAIC und κώμη können für ein und denselben Ort gebraucht werden (M. Delcor, Vom Sichern 43).

5

Ausführliche Begründung bei Delcor 42 ff. und Schenke aaO 162.181 ff.

6

Vgl. Delcor 45 f.

Unter der Herrsdiafl von R o m und Byzanz

95

Die politische Geschichte bis zur Zerstörung Jerusalems ist von L. Haefeli 7 weiter verfolgt worden. Resümieren wir nur kurz die Hauptdaten der samar. Geschichte. Im Jahre 63 v. Chr. bemächtigte sich Pompeius Jerusalems und setzte der jüdischen Tyrannis über Samaria ein Ende 8 . Das von Hyrcanus II verwaltete Land wurde auf Judäa, Peräa und Galiläa beschränkt9. Die Σαμαρεϊτιο 10 wurde dann mit dem ganzen Gebiet von dem Euphrat bis Ägypten zur Syria provincia zusammengefaßt und dem Imperium Romanum einverleibt11. Auf dem Garizim wurde ein römisches Lager angelegt (Jos Ant. XIV § 100). Das Königtum des Herodes des Großen (37—4 v. Chr.) brachte Samaria eine neue Glückszeit, da Herodes — wegen seiner idumäischen Abstammung von den Juden beargwöhnt 12 — die Stadt Samaria zu einer Festung machte13 und als Sebaste fürstlich erbaute14. Nach seinem Tode wurden 4 v. Chr. Judäa und Samaria unter dem Ethnarchen Archelaus wieder zusammengefaßt 15 und im Jahre 6 n. Chr. in eine römische Procuratur verwandelt 16 . Wie ein roter Faden zieht sich die Feindschaft beider Landesteile durch die Geschichte des 1. Jh. n. Chr. Unter dem Procurator Coponius (6—9 n. Chr.) 17 verstreuten Samaritaner am Beginn des Passafestes menschliche Gebeine im Jerusalemer Tempel — eine schwere Störung der Passafeier (Jos Ant. XVIII § 2 9 f.). Um 52 n.Chr. erschlugen Samar. bei Ginea — dem nördlichsten Grenzort von Samaria — nach Jerusalem pilgernde Galiläer. Von den Samaritanern bestochen, vernachlässigt der Procurator Cumanus die Bestrafung. Da greifen die Juden zur Selbsthilfe und brennen und plündern samaritanische Ortschaften in der Gesdiidite 89 ff. Näheres bei Haefeli 90. Montgomery: Samaria ist „free of the hated domination of the sister-sect" (81). • Reicke, Zeitgesdiidite 62. 10 Zum Namen: L. Haefeli, Samaria und Peräa bei Flavius Josephus. Freiburg 1913, 9 f. Zum Umfang: Abel, Histoire Karte II bei S. 400. 11 Haefeli, Geschichte 91. Vgl. I. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 21. 18 Vgl. I. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 21: Herodes sammelte die Samar. an seiner Seite gegen die Partei der Hasmonäer. 1S Josephus Ant. X V § 292 f. 14 Genaueres bei Haefeli, Samaria und Peräa 47—51. 1 5 Vgl. Reicke, Zeitgeschichte 96 ff. 16 Haefeli, Gesdiichte 106; Montgomery 84; Reicke 100. 17 Reicke, Zeitgeschichte. 94. 7 8

96

Die Zeit des Umbruchs

Akrabattene. Mit einem Kontingent von Soldaten aus Sebaste und mit bewaffneten Samariern zieht nun Cumanus von Caesarea aus gegen die Juden. Diese ganze Verwicklung hat ein gerichtliches Nachspiel, bei dem die Samar. und Cumanus für schuldig befunden wurden (Josephus Ant. X X § 118—136 und BJ II § 232—246) 1 8 . Im Anfang des jüdischen Krieges hielten die Samar. treu zu Rom. Doch glaubten auch sie sich im Jahre 67 — verleitet durch die jüdischen Erfolge — der Freiheit nahe. Aber ihr Aufstand, während dessen Verlaufs sie auch den Garizim besetzt hatten, wurde niedergeschlagen (BJ III § 307—315). Nach Angabe des Josephus fielen 11 600 Samar. 19 . Unter Vespasian wurde Flavia Neapolis gegründet (72—73 n. Chr.) 2 0 , das westlich vom Teil Baläta liegt. Dann traf die Samar. ein Schlag nach dem anderen. Der erste war die Errichtung eines heidnischen Tempels auf dem Platze ihres alten Tempels durch Hadrian (nach 135 n. Chr.). Der zweite Schlag war Hadrians Verbot der Beschneidung. Während nämlich Kaiser Antoninus 138—161 n.Chr. dieses Verbot für die Juden aufhob, machten sich die Samar. wegen der Beschneidung weiterhin der Todesstrafe 18

Zur Analyse Haefeli 1 1 4 — I I S Montgomery 85 und die Anm. von L. H.

18

Strugnell hat eine samar. Inschrift, die möglicherweise vom Jakobsbrunnen

Feldmann, Josephus I X . 450 ff. stammt, ediert. Sie fällt völlig aus dem Rahmen der bisher bekannten samar. Inschriften. Sie teilt mit, daß Trajan im Frühjahr nach Palästina (so wörtlich) kam, mit großen Armeen die Samar. auf dem Garizim einen Monat lang belagerte und 10 000 Mann tötete (Inscriptions 561—570). Mit Recht sieht Strugnell in dieser Inschrift einen Widerhall der Ereignisse, von denen Josephus berichtet. Es ist nur die Frage, ob hier eine raffinierte Fälschung vorliegt oder eine authentische Überlieferung, die im 5-/6. J h . n. Chr. bzw. vor der Kreuzfahrerzeit eingemeißelt wurde (dazu neigt Strugnell, während mir das erste wahrscheinlicher erscheint). 20

Eine eigenartige Angabe ist bei Plinius dem Älteren (1. J h . n. Chr.) sowie bei Josephus zu finden. Plinius schreibt Nat. Hist. V, 69: „Neapolis, das zuvor Mamortha genannt wurde" ( T e x t : L. Janus, Bibliotheca Teubneriana 149. Leipzig 1870, 198 Ζ. 1 f.). Josephus, B J I V § 449: „Neapolis, das von den Einheimischen Mabartha genannt wird" (Text: H . St. J . Thackeray, Josephus I I I . 132 f.). Appel, Quaestiones 26 Anm. 1 denkt an eine Ableitung von W D 1 3 Ü = gesegnete (Stadt). Eine andere Ableitung, deren Vertreter er nennt, ist ΧΓΠ3570 = Übergang (so audi Montgomery, Samaritans 20 Anm. 17).

Unter der Herrschaft von R o m und Byzanz

97

schuldig (Origenes, Contra Celsum II 1321). So berichtet audi Chronik VII von Kaiser Commodus (180—192): Und er (sc. Commodus) bedrückte die Versammlung der Israeliten, die Samaritaner (bzw. die Bewahrer), und verbot ihnen, die heilige Tora zu lesen und Schloß alle ihre Synagogen und erschlug viele Männer aus allen Stämmen der Israeliten 22 .

Diese Unterdrückung dauerte unter Septimius Severus23 und Alexander Severus an, obgleich man Zweifel haben kann, ob die in Chronik VII berichteten Grausamkeiten 24 wirklich auf sein Konto gehen 25 . In die Zeit von Septimius Severus gehört eine Nachricht, die vielleicht auf eine Unterstützung des unglücklichen Rivalen Niger in seinem Kampf gegen Severus (193—194 n. Chr.) schließen läßt. Aelius Spartianus 26 : Den Bewohnern von Neapolis in Palästina nahm er das Stadtrecht, weil sie lange für Niger unter Waffen gewesen waren.

Ob man daraus folgern kann, die Samaritaner hätten Pescennius Niger unterstützt und seien deshalb gestraft worden 27 , ist bezweifelt worden 28 . Neapolis mit seinem heidnischen Garizim-Kult ist in der Tat streng von der samar. Gemeinde zu unterscheiden 29 . Für die Zeit des Septimius Severus ist ferner ein Krieg zwischen Samar. und Juden bezeugt 30 , über dessen Veranlassung und Verlauf nichts mehr auszumachen ist. Unter Diocletian (284—305 η. Chr.) schließlich sind die Samar. zur Darbringung heidnischen Trankopfers gezwungen worden, wenn man der jüdischen Nachricht 81 Glauben schenken darf. Gegen Ende des 3. Jh. war ihnen vielleicht sogar das Besteigen des Garizim bei Todesstrafe verboten 32 . 21 22 23 24 25 26

27 28

29 30 91 32

Text: P. Koetsdiau, GCS 2. Leipzig 1899, 142 Z. 10 ff. Adler-Seligsohn, REJ 45 (1902) 85 f. Vgl. Montgomery 94 f. REJ 45 (1902) 86 f. Montgomery 95 f. Scriptores Historiae Augustae I. Hg. E. Hohl, Bibliotheca Teubneriana 159'. Leipzig 1955. Vita des Severus 9 , 5 (S. 143,16—18). So ζ. Β. I. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 22. J. Hasebroek, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Septimius Severus. Heidelberg 1921, 65.72 A n m . 2 sowie Fluß, Art. Severus. P W I I A 1959. Vgl. auch M. Avi-Yonah, Geschichte der Juden 40. 78. Nachrichten bei J. Hasebroek aaO 70, ausgewertet 70—72. p. AZ 5, 44 a , 39. Ü.: Bill. 1.553. Liber Josuae ed. Juynboll. Leiden 1848. Arab. Text: 54; lat. Ü.: 192.

7 Kippenberg

98

Die Zeit des Umbruchs

Das Ergebnis dieser Zeit innerer Unsicherheit und äußerer Not war der Niedergang der samar. Gemeinden. Schon zahlenmäßig waren die Samar. dezimiert, dahin war auch ihr politischer Einfluß und ihr Reichtum. Dieser Verfall war im 4. Jh. für eine kurze Zeit unterbrochen. Doch dann folgten im 5. und 6. Jh. die samar. Revolten gegen die christlichen Caesaren von Byzanz33, über die wir im Zusammenhang mit den eschatologisdien Erwartungen der Samar. handeln wollen. 2. Die Geschichte des

Garizim-Kultes

Wir wollen in diesem Absatz die Nachrichten zusammentragen und auswerten, die über den Garizim-Kult in den ersten fünf christl. Jahrhunderten berichten. Weniger als in den vorangehenden Ausführungen können wir hier auf Vorarbeiten weiterbauen. Entweder wird behauptet, im 2. Jh. n. Chr. sei der samar. Tempel auf dem Garizim von den Römern wieder auferbaut worden, weil die Samar. sich an der Niederwerfung des Bar Kokbä'-Aufstandes beteiligt hätten34, oder man legt dar, die Samar. hätten keinen Tempel mehr auf dem Garizim besessen35, oder man verzichtet einfach auf eine Klärung des Sachverhaltes38. Zuerst sei die Quellenlage geklärt. Schriftliche Nachrichten haben wir nur von Eusebius, Damascius, Petrus dem Iberer37 und den samar. Chroniken. Die zuerst von Montgomery und dann von Jeremias weitergegebene Nachricht des Dio Cassius XV, 12 habe ich trotz eifrigen Suchens nicht finden können — es gibt sie nicht38. Außer diesen schriftlichen Nachrichten haben wir noch Münzen, die den Garizim abbilden. 33

Ursache war der Verlust aller Privilegien, welche die Samar. zusammen mit den Juden genossen hatten: Codex Theodosianus X V I , 8 , 1 6 aus dem Jahre 404 n. Chr. (Text: Th. Mommsen — P . M . M e y e r I, 2 , 8 9 0 ) .

Bald

darauf (426 n. Chr.) beginnen dann die antisamar. Gesetze zu sprechen: X V I , 8, 28 (Mommsen — Meyer I, 2, 894 f.) dekretiert, daß ein samar Kind nicht enterbt werden darf audi wenn es Christ wird. Radikal wird schließlich in der Novella I I I De Iudaeis, Samaritanis, haereticis, et paganis (Mommsen — Meyer II, 7—11) den Samar. jedes Recht genommen (438 n. Chr.). ®4 Cowley, Samaritans 671. 35

Jeremias, Passahfeier 61.

39

Montgomery, Samaritans 111 Anm. 102.

37

Auf die Nachrichten von Euseb und Petrus dem Iberer hat mich freundlicher-

38

Montgomery 91 Anm. 35; Jeremias, Passahfeier 58 f. Anm. 12. Wie Prof.

weise Prof. Jeremias aufmerksam gemacht. Jeremias mir sagte, geht der Fehler auf Juynboll zurück. Dieser schreibt Liber Josuae 334 Anm. u, nach Dio Cass. X V 12 sei der Tempel Heiligtum des Jupiter.

Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz

99

Dazu kommen die Ergebnisse, zu denen eine archäologische Untersuchung des Teil er-Räs im Jahre 1966 geführt hat. Besprechen wir die Nachrichten kurz. Da ist zuerst auf Eusebius, Theophanie IV, XXIII 3 * einzugehen. Jesus habe vorausgesagt, daß fortan weder in Jerusalem noch auf dem Garizim angebetet werden solle. Dies fand nicht lange darauf in der folgenden Zeit statt. Diese beiden Berge wurden (nämlich) durch die Belagerung in den Tagen des Titus Vespasianus und in den Tagen Hadrians entsprechend seinen Worten verwüstet. Denn der Tempel in der Nähe der Stadt Neapel ward durch unziemliche Bilder, Götzen, Opfer und Blutvergießen befleckt und beschmutzt, derjenige aber in Jerusalem bestand so lange Zeit, wie (eben) gesagt ist, und wurde (dann) von Grund aus durch äußerste Verwüstung und Brand zerstört 40 . Euseb hat offenbar keine genauen Vorstellungen über die Geschichte des samar. Tempels. Für ihn ist der heidnische Tempel auf dem Garizim identisch mit dem alten samar. — eine Identifikation, die möglicherweise auf dem synkretistischen Charakter dieses Hadrian-Tempels beruht. Das bestätigt die folgende Nachricht, die Photius aus der Vita Isidori (141) des neuplatonischen Philosophen Damascius (5./6. Jh.) herausgezogen hat 41 . Er berichtet v o n Marinus, einem Manne aus Neapolis (5. Jh.)«: Der Nachfolger des Proclus, sagt er (sc. Damascius), Marinus, stammte aus Neapolis in Palästina, das beim Berg mit Namen Argarizos erbaut ist . . . , auf dem ein höchst heiliges Heiligtum des Zeus Hypsistos steht, dem Abraham der Vorfahre der alten Hebräer geheiligt war 48 , 38 40

41

42

48



Text: H . Gressmann, GCS 11, 2. Leipzig 1904, 200 Z. 33—201 Z. 8. Der Vorgang gehört in einen größeren Zusammenhang von Entweihungen heiliger Stätten durch Hadrian (so J.Jeremias, Golgotha 18 Anm. 5 a). Text: C. Zintzen, Damascii Vitae Isidori reliquiae. Hildesheim 1967 § 141 p. 196, franz. Ο.: T. Reinach, Textes d'Auteurs Grecs et Romains relatifs au Judaisme. Publications de la Societ£ des Stüdes Juives. Paris 1895 Nadidr. 1963. Nr. 120 § 2 211 f. Deutsche Übersetzung: Das Leben des Philosophen Isidoros von Damaskios aus Damaskos. Wiederhergestellt, übersetzt und erklärt von R. Asmus. Philosophische Bibliothek 125. Leipzig 1911,87. Die bei Jeremias, Passahfeier 58 f. Anm. 12 aufgezählten zwei Stellen (Marinus und Damascius), die „fast denselben Wortlaut" bieten, sind als ein und dieselbe Stelle zu betrachten: als Exzerpt des Photius aus Damascius, der von Marinus handelt, erhalten in Photius' Bibliotheca Cod. 242 (MPG 103, 1284 AB), abgedruckt von Reinach. Das heisst: er war als Priester tätig, er opferte als Priester, in priesterlicher Funktion.

100

Die Zeit des Umbruchs wie Marinus selbst sagt 44 . Marinus von Herkunft Samaritaner trennte sich von der Lehre, da sie von dem Gottesdienst Abrahams zu Neuerungen abgefallen seien, und gewann das Griechische lieb 45 .

Marinus, selbst aus Neapolis, hält das von Hadrian gegründete Heiligtum auf dem Garizim für ein ursprünglich israelitisches. Abraham bereits hatte dem Zeus Hypsistos geopfert (vgl. Gen 14). Marinus hatte sich von diesem Kult abgewandt, als er zu Neuerungen abgefallen war. Das heißt doch wohl, daß Marinus, der das Griechische liebte, die Wendung unter Baba Rabba zu einer Durchsetzung samar. Gedanken und Uberlieferungen zutiefst ablehnte. So spricht in Marinus ein Vertreter des alten Zeus-Heiligtums zu uns. Daß Marinus dieses Heiligtum noch selbst kannte, ist allerdings kaum wahrscheinlich. Schreibt doch der Verfasser der Biographie des Petrus des Iberers 46 (5. Jh.): Es war aber vor diesen beiden (sc. Melania der Älteren und der Jüngeren) noch eine andere, durch Abkunft und Reichtum berühmte, sehr ehrbare und gottesfürchtige Frau, mit Namen Pomnia (Poemenia), die es liebte, an den heiligen und anbetungswürdigen Orten (von Jerusalem) zu wohnen, deren Wandel und Liebe die Genannten nacheiferten, welche auch die Kirche der heiligen Himmelfahrt gebaut und mit Gebäuden umgeben und den Götzen auf dem Berge, Namens Garizim, in Samaria, der noch stand und bis zu jener Zeit von den Bewohnern jener Gegend angebetet wurde, umgestürzt hat.

Vor den beiden Melanias war Poemenia in Jerusalem. Da wir von Melania der Älteren wissen, daß sie 378 mit ihrem Ratgeber Rufinus in Jerusalem ein Kloster gründete 47 , muß also Poemenia vor diesem Zeitpunkt in Jerusalem gewesen sein. Da wir aber nicht wissen, ob sich der Aufenthalt von Melania und Poemenia überschnitten hat, und in welche Periode die Umstürzung des Garizim-Götzen gehört (bevor Poemenia nach Jerusalem kam oder während ihres Aufenthaltes dort), gibt der — legendär anmutende — Text nur eine grobe Möglichkeit, das Ende des heidnischen Garizim-Kultes zeitlich festzulegen: in der 2. Hälfte des 4. Jh. n. Chr. fand er ein Ende. 44

45 46 47

Daß in diesem Satz wirklich ein Samaritaner spricht, zeigt der Name des Garizim: Argarizim. Bzw.: und er wandte seine Liebe dem Hellenismus zu (Asmus). Text: R. Raabe, Petrus der Iberer. Leipzig 1895, 30 Z. 13—19 0 . : 35. F. X . Murphy, Art. Melania die Ältere. LThK 7, 249 f.

Unter der Herrschaft von R o m und Byzanz

101

Eine weitere, allerdings verworrene Nachricht kommt aus den samar. Chroniken. Audi hier sei wieder Chronik II angeführt. Dieser Text ist nicht ediert. Ich kenne ihn nur aus einer Transliteration, die J . Macdonald sich von Hs. Η 1 (vgl. seine Ausgabe von Chronicle II S. 69 f) gemacht und mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Danach erbaute Hadrian den beiden Samar. Ephraim und Manasse ein Haus auf vier Säulen, umgeben mit einer Mauer. Der Hinweis auf Salomos Tempelbau läßt an einen Tempel denken. Ein paar Sätze später jedoch ersucht Hadrian von den Samar. die Genehmigung, bei dem erwählten O r t eine Synagoge zu bauen. Und es antworteten ihm die Ältesten des Volkes: ,Tue alles, was dir recht erscheint'. Und er baute

ΓΙΌ

bei dem Berg des Segens,

dem Berg des Erbes und der Gegenwart Gottes.

Nach Hadrians Rüdekehr nach R o m finden wir die freundliche Beziehung zwischen Samar. und Römern jedoch getrübt. Und es blieben die Männer, die der Kaiser Hadrian bei der Synagoge spys 48 beim erwählten Ort, Garizim, Bethel hatte lagern lassen, zurück. Sie verunreinigten aber jenen Ort und opferten an ihm jeden, der von ihnen starb (Brandbestattung?), und die Samariter wurden wegen dieser Sache betrübt und zürnten ihnen und trennten sich von dieser Handlung. Und es versammelten sich viele Männer auf der Versammlung der Kinder Israels, der Samaritaner um der Wahrheit willen bei Nacht und spachen: ,Wie lange soll uns dies (noch) ein Fallstrick sein? Laßt uns aufstehen und diese Synagoge zerstören und alle Männer in ihr töten und alles verbrennen und jenen Ort von den Herren und von ihrer Unreinheit reinigen*.

Wir verfolgen die samar. Aktionen und die Reaktion Hadrians jetzt nicht weiter, sondern versuchen diese Überlieferung in ihrem Wert einzuschätzen. Ganz unzweifelhaft steht sie den historischen Vorgängen sehr fern. Hadrian baute gewiß keine Synagoge, und das Haus mit einer Mauer ähnelt ausgesprochen der Theotokos-Kirche auf dem Garizim, um die eine Mauer gebaut war. Das einzig Verläßliche an dieser Überlieferung scheint mir die Teilnahme von Römern und Samar. an einem gemeinsamen Gottesdienst zu sein, wie auch Marinus voraussetzt. Die israelitische Komponente kommt im Titel hypsistos 49 zum Ausdruck und in der Erbauung des heidnischen Tempels über dem alten samarita48

Entspricht dem griedi.

49

Vgl. Ps-Eupolemus, für den

ü y i c r o c . (So Jeremias, Passahfeier 58 f. Anm. 12). 'Apyapt£iv

Berg des uyic-roc bedeutet (s. o.

S. 81). An sich stammt der Kult eines Zeus Hypsistos aus Makedonien (vgl. C. Colpe, Art. Hypsistos. Der Kleine Pauly 2. 1291 f.).

102

Die Zeit des Umbruchs

nischen. So sehen wir uns plötzlich mit einem heidnisch 50 -israelitischen Kult konfrontiert, wie ihn die Sidonier v o n Sichern schon im 2. Jh. v. Chr. angestrebt hatten. Doch während der Kult zu jener Zeit fest in israelitischen Händen geblieben war, da die Priesterschaft israelitisch war, so befindet er sich jetzt ebenso eindeutig in heidnischen Händen 5 1 . So wurde die Tradition v o n der Heiligkeit des Garizim v o n den heidnischen Bewohnern der Stadt Neapolis aufgegriffen. D e n n das bald zu einer bedeutenden Stadt aufblühende Neapolis „verfolgte . . . nicht den Glauben der Samaritaner an den Einzigen und Ewigen Gott. Vielmehr adoptierte die Stadt selbst die biblischen Traditionen des Landes" (E. Bickermann 52 ). Das läßt sich aus Epiphanius ersehen. Panarion haer. 78, 23,6 M : In Sichern, das heißt im heutigen Neapolis, bringen die Einwohner auf den Namen der Kore Opfer dar, angeblich aus dem Grunde (, sie sei) die Tochter des Jephta, die einst Gott als Opfer dargebracht worden war. Allerdings ist die Jephta-Erzählung kaum samar. Tradition (Ri 11, 29 ff.). Diesen Tempel Hadrians zeigen Münzen aus der Zeit v o n Antoninus Pius (138—161 n. Chr.) bis Volusianus (251—253 n. Chr.). Zu dem auf der Bergspitze (dem Teil er-Räs) gelegenen Tempel führt eine Treppe hinauf, auf deren beiden Seiten eine Reihe v o n Altären zu sehen ist 54 . 50

51

52 53

54

Zu diesem heidnischen Element vgl. G. F. Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (Galilee, Samarie, and Judaea). A Catalogue of the Greek Coins in the British Museum. London 1914. XXV—XXXIV und R. Jonas, A Diadem of the Cult of Kybele from the Neapolis Region (Samaria). PEQ94 (1962) 118—128. Jonas vermutet Einfluß der makedonischen Kolonie in Samaria auf Neapolis (124 f.). S. Brown verweist mit Recht auf folgende Stelle aus dem Durrän: „Söhne derer, die dich lieben, haben die Unreinheit auf der Spitze des Heiligtums errichtet. Und alle jene große Heiligkeit wurde durch die Bösen von ihm abgezogen" (Durrän 3 C. 39,24 f.). S.Brown: „This might refer to the acceptance, by some Samaritans, of the Samaritan Temple under Zeus Olympius in the time of Hadrian" Defter 268 Anm. 2. Gott der Makkabäer 91. Text: K.Holl, GCS 37. Leipzig 1933, 473 Ζ. 22—24. Vgl. Panarion haer. 55,1, 10 und zu beiden Stellen Bickermann, Gott der Makkabäer 92 Anm. 1. Eingehend bespricht R. J. Bull an Hand von Photographien die Darstellung auf den Münzen (Sixth Campaign 4 f. 20). Vgl. auch Hill, Catalogue XXV bis XXXIV. Die Stufen sind audi späteren Zeugen bekannt. Das Itinerarium

Unter der Herrschaft von R o m und Byzanz

103

Eine bedeutsame Bereicherung unseres Wissens hat eine Grabung auf dem Teil er-Räs gebracht, die die Drew-McCormick-Expedition unter Leitung von R . J . Bull 1966 durchgeführt hat 55 . Eine erste Versuchsgrabung im Jahre 1964 erbrachte die Kenntnis eines Gebäudes, das seinerseits auf einem älteren Bauwerk aufruhte. Dieses obere Gebäude war in Nord-Süd-Achse 21,48 m lang, in Ost-West-Achse 14,14 m breit. Es kann kein Zweifel bestehen, daß wir hier Reste des Hadrian-Tempels vor uns haben. Die Grabung im Jahre 1966 brachte nicht nur genauen Aufschluß über die Lage beider Bauwerke und den Verlauf der Treppe auf den Teil er-Räs, sondern förderte auch einen Zeus-Kopf und eine Säuleninschrift AlI ΟΛΥΜ (ΠΙΩ) zutage. Zugleich mit ihr fand man in einer Zisterne eine kleine Kupferplatte (56 χ 37 χ 2 mm) mit der Aufschrift: Διί. 'Ολυμπία». εύπλοεϊς (sic!) καΐ άμύν- τ ω ρ „Und auch Amyntor an Zeus Olympios, für eine gute Seereise." Aus beiliegenden Münzen läßt sich schließen, daß Säuleninschrift und Kupferplatte zwischen der Mitte des 3. und des 4. J h . in der Zisterne deponiert wurden. Diese Ergebnisse der Grabung auf dem Teil er-Räs bestätigen und korrigieren das bisher dargebrachte Material. Daß der Zeus-Tempel in der 2. Hälfte des 4. Jh. ein Ende fand, unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr. Uberraschend ist dagegen die doppelt bestätigte Nachricht, auf dem Teil er-Räs sei Zeus Olympios verehrt worden. Diese Nachricht ist älter als die Ausführung des Marinus. So werden wir jetzt mit aller Burdigalense (333 n. Chr.) notiert zu Neapolis: ,Dort ist der Berg Agazaren. Die Samaritaner sagen, Abraham habe dort ein Opfer gebracht, und es führen auf den höchsten Berg dreihundert Stufen (gradi numero C C C ) . ' Text: Geyer, Itinera Hierosolymitana Saec. 4—8. CSEL 39 Prag/Wien/Leipzig 1898, 20 Z. 1—3. Procopius Gazaeus (um 538 n. Chr. gestorben) schreibt (MPG 87 Bd. 1, 908 A ) : ,Auf den von ihnen (den Samar.) so genannten Garizim . . . steigen sie auf Stufen empor'. Der antike Weg auf den Garizim führte also von der Gegend des heutigen Teil Baläta auf den Teil er-Räs. Die antiken Nachrichten über die Stufen bespricht ebenfalls R. J. Bull (aaO 5 f.). 55

Sixth Campaign.

104

Die Zeit des Umbruchs

Sicherheit behaupten können, der unter Hadrian erbaute Tempel sei dem Zeus Olympios geweiht gewesen. Ob Samaritaner an diesem Kult teilnahmen und ihre Traditionen mit in ihn einbrachten, bleibt erwägenswert. Die oben5® erwähnten Münzen haben auch darum immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da auf ihnen rechts neben dem Zeus-Tempel auf einem zweiten Gipfel ein kleines Bauwerk abgebildet ist. G. F. Hill hat es als einen Altar interpretiert, der auf dem westlichen Ausläufer einer Bergspitze liege, wo sich noch heute der samar. Opferplatz befindet 57 . Der letzte Interpret dieser Münzen, R. J. Bull, sieht in dem Bauwerk ebenfalls einen Altar 5 8 . Bei der Interpretation dieser Münzen muß man jedoch berücksichtigen, daß für spätere Zeiten eine samar. Synagoge auf dem Garizim bezeugt ist, und zwar auf jenem Platz, an dem später die Marienkirche gebaut wurde. Da dieser Platz südlich vom Teil er-Räs liegt, höher als dieser ist und für einen Beschauer von Nablus rechts vom Tempel liegt, könnten die Münzen eine kleine samar. Synagoge wiedergeben, zumal Chronik II von einer solchen Synagoge unter Hadrian weiß. Erwähnt wird die Synagoge bei Ioannes Malalas (gest. 577). Im Anschluß an den Bericht von der Niederwerfung eines samar. Aufstandes schreibt er: Chronographia 50, 1 5 5 9 :

Und sofort machte Kaiser Zeno ihre Synagoge, die auf dem Berg Garizim ( Γαργαζί) 60 war, zu einem Gebethaus der heiligen Theotokos Maria. Nun hat Jeremias aus einer Stelle des Procopius (De aedificiis V 7, 2) gefolgert, Malalas sei schlecht unterrichtet gewesen 61 . Procopius 56

S . o . S . 102.

57

X X I X . Ebenso A . M . Schneider, Bauten 2 1 5 : „Das Bauwerk auf dem zwei-

58

Sixth Campaign 5.

59

T e x t : L. D i n d o r f , Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae 15. Bonn 1 8 3 1 ,

ten G i p f e l ist aber d a n n der samaritanisdie O p f e r p l a t z . "

3 8 2 Z. 2 0 — 3 8 3 Z. 2. Die Nachricht ist aufgenommen im Chronicon Paschale ed. L. Dindorf 604 Z. 8 — 1 1 . ,0

Dindorf konjiziert 383 in einer Anm. zu Ζ. 1 : mir, daß die Hs. V 3 C . 4 5 , 1 3 statt

ΒΤΊΙΊΠ

ΓαριζΙν. liest

Interessant scheint Ο Τ Ί Π Ι . Verschrei-

bung v o n 3 u n d f ! , die in samar. Lettern ähnlich sind? Dann reflektiert vielleicht auch die griech. Namensform bei Malalas eine samar. Form. el

Passahfeier 6 1 .

Unter der Herrschaft von R o m und Byzanz

105

bestreitet an dieser Stelle, daß die Samar. jemals einen Tempel auf dem Garizim besessen hätten. Doch es scheint mir fraglich, ob Jeremias die Aussage des Procopius richtig ausgewertet hat. Das ganze 7. Kapitel des V. Buches von D e aedificiis ist nämlich eine recht eigenartige Auslegung der samar. Geschichte. V 7, 2 6 i : Diesen Berg (sc. den Garizim) aber besaßen anfangs zwar die Samaritaner. U m zu beten, stiegen sie auf die höchste Spitze des Berges, ohne eine (Fest)zeit zu übergehen. Nicht daß sie dort jemals einen Tempel erbaut hätten, sondern sie verehrten in ihrem Gottesdienst die Bergspitze selbst am allermeisten.

Diese erste Periode endet mit dem Auftreten von Jesus am Jakobsbrunnen, deutet er doch in seinem Gespräch mit der Samaritanerin an, daß später nicht die Samar., sondern die wahrhaften Anbeter, womit die Christen gemeint seien, auf diesem Berge anbeten würden (Joh 4, 21 ff.) (V 7, 3). Diese Verheißung wird erfüllt, als die Samar. in Neapolis während eines christlichen Pfingstfestes einen Aufstand machen, dem Bischof Terebinthius die Finger abschneiden und dieser Bischof daraufhin in Byzanz Kaiser Zeno an die Vorhersage des Christus erinnert (7, 4 - 6 ) . V 7, 7 " : Nachdem er (sc. Zeno) die Samaritaner vom Berg Garizim vertrieben hatte, übergibt er ihn sogleich den Christen, erbaute eine Kirche oben und weihte sie der Theotokos, wobei er dieses Heiligtum 64 angeblich befestigte, in Wirklichkeit nur umzäunte 65 .

Hieran schließt Procopius den Bericht von einem weiteren samar. Aufstand unter Anastasius (491—518 n. Chr.) 6 6 sowie unter Justinian an (7, 10 bis 17). Der Aufbau dieses Kapitels macht m. E. deutlich, daß der erste Satz, die Samar. hätten nie einen Tempel auf dem Garizim gehabt, zeitlich, sachlich und örtlich nicht mit der Nachricht vonMalalas zu kom62

Text: J . Haury, Bibliotheca Teubneriana 81». Leipzig 1913, 165 Z. 16—21.

M

J . Haury 166 Z. 18—22. Die Übersetzung der letzten beiden Sätzchen ist

64

Montgomery 111 bezieht ,dieses Heiligtum* auf den alten samar. Tempel

65

άττοτριγχόω Spätform zu άττοθριγκόω ,umzäunen'.

66

Vgl. Montgomery, Samaritans 113.

nur ein Vorschlag. (ebenso Macdonald, Theology 27).

und weihte sie der Theotokos, wöbet er dieses Heiligtum angeblich

106

Die Zeit des Umbruchs

binieren ist67. Procopius bestreitet mit ihm die samar. Tradition, nach der in vorchristlicher Zeit auf dem Garizim ein samar. Tempel gestanden hat®8. Die Tatsache, daß Procopius ganz explizit eine solche Behauptung bestreitet, macht es wahrscheinlich, daß er hier eine samar. Tradition zurückweist. Malalas dagegen spricht von einer Synagoge auf dem Garizim, die erst ganz vor kurzem in eine Marienkirche verwandelt worden sei. Eine Erwähnung der Synagoge erwartet man bei Procopius erst 7,7. Leider erwähnt er diese Synagoge nicht. Während aus den Worten von Malalas hervorgeht, daß Zeno ein vorhandenes Gebäude der Theotokos weihte 69 , geht Procopius davon aus, daß die Theotokos-Kirche neu erbaut worden war. Procopius berichtet ferner, daß die Samar. beim nächsten Aufstand die Kirche eroberten (7,12), worauf Justinian sie befestigen ließ (7,16). Wir sehen in dem ganzen Kapitel des Procopius eine ausgesprochene Tendenz am Werk: die Samar. beanspruchen zu Unrecht den Garizim. Daß (vor der Zeit Jesu) die Samar. jemals ein Heiligtum dort hatten, bestreitet Procopius. Da Jesus voraussagte, daß einst die wahren Anbeter auf dem Garizim anbeten würden, hütet Procopius sich, die Existenz einer samar. Synagoge im 5. Jh. n. Chr. auf dem Garizim zuzu67

Jeremias bezieht beide auf denselben Vorgang, indem er die von Malalas erwähnte Synagoge — in Ubereinstimmung mit einem sonst vorkommenden Sprachgebrauch von Htt^lD — als Tempel versteht (Passahfeier 61). Doch kommt dieser Sprachgebrauch nur beim Hadrians-Tempel vor: knyst spys. Dieser Tempel — wenn der samar. Sprachgebrauch nicht zweierlei vermengt — stand aber, wie die Münzen und archäologischen Funde zeigen, auf dem nördlichen Vorgipfel. Malalas spricht dagegen von einer Synagoge auf dem Platz der späteren Theotokos-Kirche. Er behauptet daher nicht, „daß die Samaritaner vor 484 ihren Tempel auf dem Garizim erneuert hätten" (Passahfeier 61), sondern spricht lediglich von einer Synagoge auf dem Garizim. Wie Jeremias auch Schneider, Bauten 217 Anm. 28. Montgomery 111 und Anm. 102 stellt beide Stellen nebeneinander, ohne über das Verhältnis eine Entscheidung zu treffen.

68

Diese Tradition begegnet audi bei Procopius Gazaeus: „Auf dem Berge aber, den sie Γαριζειν nannten, brachten sie ihre Gebete dar, nachdem sie einen Tempel errichtet hatten" (MPG 87 Bd. 1, 908 A).

69

Ein soldier Vorgang ist nichts ungewöhnliches. So ordnete Iustinian 534 die Umwandlung jüd. Synagogen in Kirchen an (vgl. S. Krauss, The Christian Legislation on the Synagogue. Ignace Goldziher Memorial Volume II. Jerusalem 1958, 14—41. Zu Iusrinians Anordnung: 18).

Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz

107

geben. Malalas, dem solche theologische Tendenz abgeht, berichtet v o n ihr ganz naiv. Die heutigen Ruinen der oktogonalen Theotokos-Kirche zeugen allerdings von einem christlichen Bauwerk. Man wird vermuten, daß die v o n Zeno in eine Kirche verwandelte Synagoge beim Aufstand 529 n. Chr. Schaden erlitt 70 und daraufhin zu einer oktogonalen Kirche umgebaut wurde 71 . Eine weitere Nachricht über dieses Gebäude findet sich vielleicht bei Epiphanius, Panarion haer. 80, 1,6 72 (abgefaßt 374—377): Aber auch der Platz der προεευχή in Sichern, dem heutigen Neapolis, liegt in einer Entfernung von ungefähr zwei Meilen außerhalb der Stadt auf einer Ebene (und ist) von den Samaritanern, die alles Jüdische nachahmen, in Form eines Theaters in freier Luft und an einem luftigen Ort errichtet worden. Die Entfernungsangabe ähnelt der von Hieronymus für Luza angegebenen: 3 Meilen ist Luza v o n Neapolis entfernt 7 3 . Man hat diesen Ort zu Recht mit einer Siedlung auf dem Garizim identifiziert. Da in der Tat der samar. Gebetsplatz stets auf dem Garizim war, ist audi das von Epiphanius beschriebene Gebäude dort zu vermuten, ττροοενχή ist an dieser Stelle — wie bereits Montgomery gesehen hat — mit Synagoge zu übersetzen. Diese Synagoge „was open to the heavens. This may have been the House of God in which the Samaritans performed the sacrifices when restrained from Gerizim" 74 vermutet Montgomery. 70

71

72 73 74

Cyrillus von Skythopolis, Leben des Sabas 70 berichtet, daß bei dem Aufstand von 529 n. Chr. unter Iustinian besonders in der Gegend von Neapolis gebrandschatzt wurde (Text: E. Schwartz. TU 49, 2. Leipzig 1939, 172 Z. 5 bis 7). Dementsprechend notiert Procopius, De aedificiis V 7,17, daß bei Nablus fünf niedergebrannte Kirdien erneuert worden seien. Es ist m. Ε wahrscheinlich, daß im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Samar. und Christen auch die alte samar. Synagoge gelitten hatte und nun einem modernen oktogonalen Bau wich. Schneider, Bauten 217 setzt einfad) voraus, daß Zeno eine Kirche auf dem Garizim „errichtete". Doth sagt die Nachricht des Malalas klipp und klar, daß Zeno eine Synagoge der Samar. zu einem Gebetshaus der Theotokos machte, und die Nachricht des Procopius scheint hier ganz bewußt etwas im Dunkeln zu lassen. Auf dieser Grundlage wäre es reizvoll, die archäologischen Überreste nodi einmal zu mustern und auf samar. bzw. christliche Herkunft zu prüfen. Text: K.Holl, GCS37. Leipzig 1933, 485 Z. 19—22. Vgl. u. S. 164. Dort audi Identifikation dieses Ortes. Montgomery, Samaritans 89 Anm. 24.

108

Die Zeit des Umbruchs

Μ. Ε. ist der Relativsatz ein wenig zu ändern. Diese Synagoge ist das Haus Gottes, in dem die Samar. auf dem Garizim ihren Gottesdienst hielten. Sie existierte bereits vor 374—377 n. Chr. 75 . Die Vermutung, auf dem Garizim habe in der Zeit vor Zeno eine samar. Synagoge gestanden, läßt sich durch samar. Nachrichten weiter absichern. Chronik VII und Abu'l-Fath berichten, der große samar. Führer des 4. Jh. n. Chr. Bäbä Rabbä habe eine Synagoge in Tirat-Luza erbaut (s. u. S. 163). Da dieser Ort eine Siedlung auf dem Garizim ist, in der Nähe der Theotokos-Kirche, ist diese Synagoge identisch mit der, die Zeno zum Gebetshaus gemacht hatte. Ob diese Synagoge wirklich schon zur Zeit Hadrians vorhanden war — wie Chronik II voraussetzt —, ist auf Grund der verworrenen Angaben nicht zu entscheiden. Höchstens die Münzen wären als ein Argument dafür anzuführen. Daß die Samar. in späterer Zeit wieder auf dem Garizim eine Synagoge ihr Eigen nannten, geht aus der Beschreibung des Rabbi Benjamin von Tudela (12. Jh.) hervor 78 . Er schreibt: U n d sie (sc. die samar. Priester) bringen Sdilachtopfer d a r und lassen G a i u o p f e r aufsteigen in der Synagoge, die sie auf dem Garizim besitzen ( D T U " i n 3 nnVtf r i O J D 3 ) . U n d sie sagen, d a ß sie das H e i l i g t u m sei (ttnpÖH H O ) . U n d sie lassen Ganzopfer aufsteigen am Passa-Tag und an den Festtagen auf dem Altar, den sie auf dem Garizim gebaut haben von den Steinen, die die Israeliten nach Überqueren des Jordans aufgerichtet hatten.

Der letzte Satz stellt richtig, daß die Opfer — von denen der Pilger zu berichten weiß — nicht in der Synagoge stattfanden. Die eigenartige Formulierung: ,am Passa-Tag und an den Festtagen' weckt zudem den Verdacht, daß der Rabbi aus dem Passa-Opfer auf regelmäßiges Opfern an Festtagen Schloß — wahrscheinlich zu Unrecht. Die feierliche Bezeichnung für die Synagoge ΒΠρΰΠ ΓΡ3 hat ihn dann noch 75

Prof. Jeremias hat mir ein weiteres Argument vorgetragen, das f ü r die Errichtung der samar. Synagoge noch vor Zerstörung des Hadriantempels (zweite H ä l f t e des 4. Jh. n. Chr.) spricht. Wir wissen ja, daß der H a d r i a n tempel auf dem Teil er-Räs stand. Die Synagoge dagegen hatte ihren Platz auf dem Südgipfel. Diese Wahl des Platzes setzt doch wohl voraus, d a ß der Tempel noch stand, als die Synagoge erbaut wurde. Erwähnt sollte noch werden, d a ß Η . M. Schenke die Epiphanius-Stelle nicht auf den Garizim, sondern auf den Jakobsbrunnen bezieht (Jakobsbrunnen 169 Anm. 25). Endgültige Klarheit wird man hier momentan nicht bekommen können.

78

Text: L. Grünhut — M . N . A d l e r . Teil I. F r a n k f u r t 1904, 30 Z. 3—6. Ü.: Teil II. Jerusalem 1903 (sie!), 28.

U n t e r der Herrschaft von R o m und Byzänz

109

veranlaßt, in ihr einen Tempel zu sehen. Aber darin wird man dem jüd. Pilger doch wohl trauen können, daß er auf dem Garizim eine Synagoge vorfand. Neben dem Tempel auf dem Vorgipfel und der Synagoge in Luza auf dem Garizim waren noch zwei weitere Orte von kultischer Bedeutung: der Feldbesitz, den Jakob erworben hatte, und auf dem Joseph beigesetzt worden war, sowie der Jakobsbrunnen. Im Itinerarium Burdigalense aus dem Jahre 333 n. Chr. heißt es dazu 77 : D o r t am Fuße des Berges (Garizim) ist ein O r t mit N a m e n Sediim. D o r t ist ein monumentum gelegen, w o Joseph beigesetzt ist auf dem Gut, das ihm sein Vater J a k o b gegeben hat. Dort w a r auch Dina, Jakobs Tochter, von den Amoräern geraubt worden. Eine Meile von dort ist ein O r t mit N a m e n Sechar, von dem die samaritanische Frau zu ein und demselben O r t ging, an dem J a k o b einen Brunnen grub, um Wasser aus ihm zu schöpfen, und an dem unser H e r r Jesus Christus mit ihr sprach. Dort sind auch Platanenbäume, die Jakob gepflanzt hat, und ein Bad, das von jenem Brunnen bewässert wird.

Nach diesem Bericht sind für das 4. Jh. n. Chr. zwei Heiligtümer zu unterscheiden: am Fuße des Garizim, beim Teil Baläta, das Josephsgrab, eine Meile von dort Sychar mit Jakobsbrunnen, Platanen und Bad. Zieht man noch unten zu besprechende Nachrichten Eusebs, Julius Africanus' und die Etymologie von Baläta hinzu, so kann man ergänzen, daß das Josephsgrab unter einem großen Baum (Eiche oder Terebinthe) lag78. Den Angaben des Itinerarium Burdigalense zufolge war über ihm ein monumentum errichtet. Da das Grab erst Anfang des 5. Jh. in christliche Hand kam, haben wir hier doch sehr wahrscheinlich 77

Text: P. Geyer, Itinera Hierosolymitana Saec. 4—8. CSEL 39. Prag/Wien/ Leipzig 1898, 20 Z. 3—11.

78

Zum Platznamen siehe die Aufsätze von J. A. Soggin, Zur alttestamentlichen Topographie Sichems. Z D P V 83 (1967) 183—198 besonders S. 185 und G. R. H . Wright, The Place N a m e Balätah and the Excavations at Shechem. Z D P V 83 (1967) 199—202. Η . Μ. Sdienke hat in einem Aufsatz (Jakobsbrunnen — Josephsgrab — Sychar. Topographische Untersuchungen und Erwägungen in der Perspektive von Joh 4, 5.6 Z D P V 84 [1968] 159—184) nachzuweisen versucht, d a ß in Joh 4 , 5 eine direkte Nachbarschaft von Josephsgrab ( = Jakobsacker) und Jakobsbrunnen vorausgesetzt sei (166 f.). In Analogie zum Mamre-Heiligtum bei H e b r o n (ein Ensemble von Grab, Baum, Brunnen) sei auch der Jakobsacker zu denken (167 f.). Erst später sei das Josephsgrab in Richtung Sichem-Baläta verlegt worden, nachdem Christen die Samar. vom Jakobsbrunnen verdrängt hätten (175 f.). D o r t

110

Die Zeit des Umbruchs

ein samar. Bauwerk vor uns 79 . Uber dem Jakobsbrunnen war schon um 380 n. Chr. eine Kirche errichtet worden 8 0 . Welcher Art jenes Bauwerk war, könnte einer samar. Überlieferung entnommen werden. V o n dem Priester 'Aqbön heißt es in Chronik VII 81 : Dieser Hohepriester erbaute die Synagoge des Feldbesitzes in der heiligen Stadt Sichern. . . . Und er brachte am Hau« der Synagoge die Kupfertüren an, die die Männer des Kaisers Hadrian vom Heiligtum der Juden in Jerusalem weggenommen und am Eingang der Synagoge angebracht hatten, die sie erbaut hatten auf Befehl Kaiser Hadrians unterhalb des erwählten Ortes, Garizim, Bethel. Das Geschehen wird auf einen Zeitpunkt nach dem Chalcedonense datiert. Dieselbe Chronik berichtet dann ein wenig später: Zeno ( = jvt) „tötete viele Männer aus der Gemeinde der Israeliten, der Samaritaner und raubte ihnen danach die Synagoge 82 des Feldbesitz e s . . . und baute in ihrer Mitte ein Haus für die Heiligen" 83 . Nach einem Besuch in der Synagoge, die Baba Rabba beim Garizim erbaut hatte, raubte Zeno ihnen auch „den Berg und sein ganzes Gebiet und wäre nämlidi ein christlidies Baptisterium erbaut worden, wie das Itinerarium Burdigalense bezeuge. Schenke übersetzt das dort gebrauchte Wort balneus als terminus technicus mit Baptisterium (S. 170.176). Diese Übersetzung ist jedoch keineswegs zwingend. Balneus heißt einfach Bad. Wir wissen, daß die Samar. kultische Reinigungen übten. So liegt es näher, an ein samar. Bad zu denken. Auf welcher Rechtsgrundlage sollten die Christen vor 333 n. Chr. den Samar. den Jakobsbrunnen abgetrotzt haben? Und solch Vorgang muß ja lange vor diesem Termin gelegen haben, da die Samar. als Reaktion ja erst das Josephsgrab verlegt und auf ihm ein monumentum errichtet hätten. Schenke vermutet, daß es keine Schwierigkeit war, ein Grab zu verlegen (S. 174). Er berücksichtigt aber nicht, daß das Josephsgrab schon in der ersten Hälfte des 3. Jh. unter einem alten Baum lag, unter dem noch Euseb1 es kannte (s. u. S. 111). So waren nach alter Tradition Josephsgrab und Jakobsbrunnen getrennte Heiligtümer. Joh 4,5 f. reicht mir nicht für die Widerlegung dieser Überlieferung. Selbstverständlich heißt das nicht, daß das heutige Josephsgrab identisch mit dem antiken ist (hierin folge ich Schenke S. 175). Es heißt nur, daß beide Heiligtümer bereits lange vor der konstantinisdien Zeit unterschieden waren. " Jeremias, Heiligengräber 33 (dort alle Nachrichten aufgeführt). 80 81 82 83

J. Jeremias aaO 33 f. Adler-S&igsohn, REJ 45 (1902) 232 f. IWJDzu lesen. Vgl. dazu Montgomery, Samaritans 112 mit Anm. 106.

Unter der Herrschaft von Rom und Byzanz

111

das Wasserbassin u n d baute d o r t ein großes Gebäude" 8 4 . U n v e r k e n n bar steht der Bericht den Ereignissen schon recht fern. Die Beschreibung der Vorgänge u n d O r t e ist schwammig. Von dem Haus f ü r die Heiligen ist sonst nichts bekannt — oder sollte die Kirche über dem Josephsgrab gemeint sein? Aber dennoch wird auch in dem Bericht über die Synagoge des Joseph-Heiligtums ein Stück Wahrheit zu suchen sein. Da bereits 415 n. Chr. eine Kirche über dem G r a b erbaut war, m u ß die Synagoge vorher erbaut worden sein. Andererseits wird die Synagoge mit der Vernichtung des heidnischen Tempels verbunden 8 5 . In den Chroniken wird berichtet, Baba Rabba habe im 4. Jh. bei Έ ΐ ο η More eine Synagoge erbaut 8 6 . Hiermit ist derselbe O r t gemeint, wie in Chronik VII. Denn Josephsfeld und Έ ΐ ό η More sind aller Wahrscheinlichkeit nach ein und dieselbe Stätte, da es dieser Baum ist, der nach Euseb in den Vorstädten von Neapolis beim Josephsgrab gezeigt wird 8 7 . Über ihn haben wir eine exegetische Tradition, die auf Julius Africanus (gest. nach 240) zurückgeht u n d in zweifacher Überlieferung erhalten ist: in einem Exzerpt des Syncellus (MPG 10, 72 A) u n d in einer weniger verderbten Form im K o m m e n t a r des Pseudo-Eustathius zum Hexaemeron. Wir übersetzen diese zweite Stelle. MPG 18, 777 D bis 780 A: Nachdem nun Jakob in Ägypten gestorben war, überführten sie ihn nach Kanaan und bestatteten ihn88. Ebenso aber auch alle seine Söhne89. Zum Schluß bestatteten sie aber auch Joseph, nachdem sie Ägypten verlassen hatten, (dort), wo ihr Erzvater Abraham zuvor bestattet worden war*0. An diesem Ort war auch die Terebinthe*1, unter der 84 85

80 67

88 89 90

91

Text: Adler-Seligsohn, REJ 45 (1902) 236. Montgomery, Samaritans 108 vermutet: „This event took place shortly after the fall of Paganism, when the Samaritans ventured to spoil the heathen shrines for their own advantage." S. u. S. 163. Onomasticon. Text: E. Klostermann, GCS 11, Leipzig 1904, 54, 23 f. Zu dieser Eiche vgl. J. Α. Soggin, Zur alttestamentlichen Topographie Sichems. ZDPV 83 (1967) 183—198: 185. Syncellus nennt statt Jakob Isaak — ein Versehen? Vgl. Jeremias, Heiligengräber 36—38. F. Zoepfl, Der Kommentar des Pseudo-Eustathios zum Hexaemeron. Alttestamentlidie Abhandlungen Band 10 Heft 5. Münster 1927 rechnet alles bis hierher noch nicht zur Quelle (22) — sehr zu Unrecht, denn das Exzerpt des Syncellus kennt die Tradition vom Grabe Abrahams, wenn audi an anderer Stelle. In Sichern, wie es bei Syncellus richtig expliziert ist, u. z. beim Josephs-Grab.

112

Die Zeit des Umbruchs J a k o b die Götzenbilder Labans verborgen hatte, weldie noch jetzt zur Ehre der Vorfahren von den Anwohnern verehrt wird. Denn es ist bis heute an ihrem Stamm ein Altar, auf dem sie die Brandopfer und Festopfer darzubringen pflegten. Sie sei — so sagen sie — der Stab eines der Engel, die von Abraham als Gäste aufgenommen wurden, welchen er, als er damals hier war, an diesem O r t einpflanzte. Aus ihm erwuchs die bewundernswerte Terebinthe. Denn (, wenn das O p f e r ) angezündet (wird,) wird sie ganz Feuer und scheint allen von der Flamme zu Asche aufgelöst zu werden. Nachdem es jedoch erloschen ist, ist sie in Wirklichkeit völlig unbeschädigt und erweist sich als wohlbehalten.

Die ganze Überlieferung zeigt eine spürbare Nähe zu samar. Lokaltraditionen. Die Terebinthe wird ,noch jetzt' verehrt, ,bis heute* steht bei ihr ein Altar. In ihrer Nähe finden sich die Gräber Abrahams, Jakobs und aller seiner Söhne, vor allem Josephs 92 . Besonders interessant ist die Tradition, daß man auf dem Altar zu opfern pflegte. Ist an die Patriarchenzeit gedacht oder an eine noch nicht lange vergangene Periode? Die Ehrwürdigkeit der Terebinthe 93 kommt in jenem wunderbaren Vorgang zum Ausdruck, daß sie beim Opfer zu brennen scheint94. Wir müssen schließen, daß Julius Africanus 95 eine samar. Tradition weitergibt, die die Heiligkeit dieses Ortes entfaltete und vor dem 3. Jh. n. Chr. entstanden sein muß. Fassen wir zusammen. Der Kult auf dem Garizim war in den ersten christlichen Jahrhunderten nicht erloschen. Am Anfang des 2. Jh. n. Chr. war unter Hadrian der alte samar. Tempel wieder restauriert worden9®. Man erkennt das an einem kleinen Detail. Auf den Münzen ist zu sehen, daß der Fuß des (den Tempel tragenden) Teil er-Räs mit einer Mauer eingefaßt ist. Diese Mauer kannte vielleicht Theodotus im 2. Jh. v. Chr. Auch das Faktum, daß der heidnische Tempel an der Stelle erbaut wurde, wo früher der samar. stand, ist doch wohl kein 92

63

94 85

98

Die Tradition Apg 7, 15 f., d a ß auch J a k o b bei Sidiem bestattet sei, wird hier bestätigt (anders Jeremias, Heiligengräber 37, der diese Stelle jedoch nicht berücksichtigt). Schenke zieht weiteres Material heran (Jakobsbrunnen 168 mit Anm. 16) und urteilt wie ich. Vgl. das Itinerarium Burdigalense, nach welchem Jakob Platanen gepflanzt hat (P. Geyer, CSEL 39. 20 Z. 10 f.). Kommt das Motiv aus der Dornbuscherzählung Ex 3 , 1 ff.? D e r in Emmaus-Nikopolis lebte (Altaner, Patrologie 185), wo es eine samar. Gemeinde gab. So auch P. Antoine in seinem sehr lehrreichen Art. Garizim im Supplement au Dictionnaire de la Bible I I I . Paris 1938, 535—561. Zum Tempel: 554.

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

113

Zufall, sondern Methode. Samar. und heidnische Traditionen wurden zu einem einzigen Kult verwoben. In Marinus, der im 5. Jh. n. Chr. lebte und den Tempel wohl nur noch vom Hörensagen kannte, haben wir einen Fürsprecher dieses synkretistischen Kultes vor uns. Bereits Abraham hatte dem Zeus Hypsistos geopfert. Samar. Hieros Logos dieses Heiligtums war also der Gottesdienst Abrahams vor dem Zeus Hypsistos 97 . Offizieller Gott aber dieses heidnischen Tempels war Zeus Olympios, wie archäologische Reste zeigen. Irgendwann in der 2. Hälfte des 4. Jh. n. Chr. wurde aber dieser Kult beendet. Der politische Umschwung sowie eine Neubelebung originär samar. Gedankengutes dürften ihm den Todesstoß versetzt haben. Neben dem Tempel auf dem Teil er-Räs finden wir auf dem Garizim ein weiteres gottesdienstliches Gebäude. Auf dem Hauptgipfel des Garizim, bei dem Ort Luza, ist für das 5. Jh. n. Chr. eine Synagoge bezeugt. Bereits Epiphanius kannte in seinem Panarion haer. (abgefaßt 374—377 n. Chr.) eine samar. Synagoge in Form eines antiken Theaters 2 Meilen außerhalb von Nablus. Diese Entfernungsangabe träfe auf die Garizim-Synagoge zu, von der Malalas spricht. Und Münzen des 2. Jh. n. Chr. aus Flavia Neapolis zeigen auf dem Hauptgipfel eine Konstruktion, die einen Altar oder ein Monument oder eine kleine Synagoge darstellt. So scheint sich wohl schon zur Zeit des heidnischsamar. Tempels auf dem Hauptgipfel ein neues Zentrum samar. Glaubens herausgebildet zu haben. Außerdem scheinen die heiligen Stätten im Tal (vor allem das Josephs-Grab) Verehrung genossen zu haben.

B. H o f f n u n g e n auf eine neue Heilszeit Josephus berichtet Ant. XVIII § 85—89 von einem Ereignis, das sich unter Pilatus 36 n. Chr. zugetragen hat. Ant. X V I I I § 85» 8 : Audi das Volk der Samaritaner war nidit frei von Tumult. Es versammelte sie nämlich ein Mann, der sich aus Lügen nichts machte und für die Gunst der Masse alles listig ersann; und er befahl, mit ihm auf den Berg Garizim zu kommen, der ihnen als heiligster (aller) Berge gilt, und versicherte, den Mitkommenden die dort vergrabenen heiligen Geräte zu zeigen, nachdem Mose sie dorthin gebracht habe. 97 88

Vgl. J . Jeremias, Golgotha 50. Text und engl. Ü.: L. H . Feldmann, Josephus I X . 60—65.

8 Kippenberg

114

Die Zeit des Umbruchs

Die Menge bewaffnete sich und sammelte sich in Tirathana 99 , um auf den heiligen Berg hinaufzuziehen. Doch Pilatus ließ Kavallerie und Infanterie über sie herfallen, die einen töten, die anderen in die Flucht schlagen und gefangen nehmen. Die Anführer und Mächtigsten wurden erschlagen (Ant. X V I I I § 86 f.). Daraufhin verklagte die βουλή der Samaritaner Pilatus beim Statthalter von Syrien. Ant. X V I I I § 88: Nicht für einen Abfall von den Römern, sondern zum Sdiutze vor der Gewalttätigkeit des Pilatus hätten sie sich in Tirathana versammelt.

Dieser Einspruch genügte, um Pilatus seines Amtes zu entheben (Ant. X V I I I § 89) 100 . Der Bericht des jüdischen Historikers ist ein ausgezeichneter Einblick in die samar. Gemeinde. So hören wir von einer wichtigen Instanz: der βουλή. Nach Montgomery ist sie „of the same pattern as the Jewish Sanhedrin" 101 . Man könnte sie dann umschreiben als das Gremium der Ältesten eines Ortes, das „die Polizeigewalt und Rechtspflege handhabt" 1 0 2 . Da ihm im jüdischen Bereich Leviten angehören, dürften ihm im samar. auch Priester angehört haben. Neben der Erwähnung dieser Institution ist natürlich vor allem das eschatologische Gedankengut interessant. Denn der Zug auf den Garizim ist keine militärische Auflehnung gegen das Imperium Romanum, sondern ein endzeitliches Ereignis: die Sammlung des Volkes und die Auffindung der heiligen verborgenen Geräte leiten die Zeit des Heils ein. Auffällig ist, daß der historische Tempel überhaupt nicht in den Blick kommt. Nicht er soll wiederhergestellt werden, sondern der mosaische Miskän. Was solcher Rückgriff in der Zeit nach Zerstörung des Tempels bedeutet, liegt auf der Hand: da die eigentlichen heiligen Geräte vergraben waren 103 , konnte kein Feind sie vernichten. Wichtiger als der Tempel ist die mosaische Wohnung. Doch ist diese Wertordnung nicht etwa erst eine Folge der Vernichtung des Tempels. Diese Tradition geht bereits in die Zeit des Tempels zurück (s. u. S. 250 ff.). 99

Zur Lokalisierung vgl. Feldmann 62 Anm. a; Haefeli, Samaria und Peräa 59.

100

Montgomery, Samaritans 86: „the Samaritan sect possessed considerable influence with the imperial administration."

101

87 f.

102

Schürer II. 224.

loa Mceks, Prophet-King 248 rätselt, wie Mose die heiligen Geräte zu dem Garizim bringen konnte. Unten werden wir eine Tradition nach der Mose vor seinem Tode am Garizim war (s. u. S. 227).

vorführen,

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

115

Neben der Erwartung eines Entdeckers der heiligen Geräte finden wir auch eschatologische Erwartungen anderer Art. Hier sei auf Kapitel 4 des Johannesevangeliums hingewiesen, ein Kapitel, dem ein Traditionsstück zugrundeliegt 104 . Jesus bittet am Jakobsbrunnen eine Samaritanerin um Wasser. V. 9: Es spricht nun die samaritanische Frau zu ihm: Wieso erbittest du, obgleich du ein Jude bist, von mir zu trinken, obgleich ich eine samaritanische Frau bin?

Diese Frage nach dem Verhältnis von Juden und Samaritanern entspricht wahrscheinlich einer spezifischen Situation der christlichen Gemeinde: der Mission unter den Samaritanern 105 . Es geht also um die Frage nach dem Verhältnis von Judenchristen und Samaritanern. Da die V. 10—15 dieses Problem fallen lassen, gehören sie nach Bultmann nicht zum alten Traditionsgut. Dieses tauche erst V. 16—19 wieder auf 108 , wo Jesus sich als Prophet legitimiert. Doch überliefern die V. 10—15 so offenbar samar. Traditionen (Brunnen des Jakob, aus dem er, seine Söhne und Herdentiere getrunken haben — V. 12)107, daß das mit dieser Tradition verbundene Motiv der Überlegenheit Jesu über Jakob zu dieser Erzählung dazugehört haben muß. Die Begrifflichkeit ist jedoch zweifellos johanneisch. Die V. 15—19 könnte man als zweiten Beweis für Jesu Überlegenheit über die samar. Religion verstehen. Denn es ist die Vermutung nicht unwahrscheinlich, daß es sich bei den fünf Männern der Frau (V. 18) nicht um Privatpersonen handelt, sondern um eine Allegorie, die auf die Besiedlung Samarias durch die fünf Volksstämme 2Kön 17, 24 anspielt: „Nach der Bildersprache von Hos 1—3 sind die fünf Götzen die legitimen Männer der Samaritanerin; der 101

105

106

107

8*

R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes. Meyer Κ 2. Abt. 16. A. Göttingen 1959, 127 f. Η . M. Schenke, Jakobsbrunnen S. 159—161 differenziert den Text in vier Schichten: nach—johanneische Redaktion, Gestaltung des Evangelisten, Vorlage (V. 5—7; V . 9 ; V. 16—22; V . 2 3 ; V. 28—30; V . 3 5 ; V. 36 a; V. 40), Urform (V. 20—23 V. 35 f. stellen Einschübe in die Vorlage dar). Bultmann 130. Schenke, Jakobsbrunnen S. 160 versucht eine noch genauere Bestimmung: die Vorlage gehört zwischen Mt 10, 5 (keine Samaritanermission) und Apg 8 (Gegensatz der christlichen Mission gegen die simonianische Gnosis). Sie kannte diesen Gegensatz noch nicht in dieser Weise. Diese V. bilden die „ursprüngliche Fortsetzung des in V. 5—10 benutzten Traditionsstückes" (128). Vgl. zum Jakobsbrunnen das Itinerarium Burdigalense o. S. 109.

116

D i e Zeit des U m b r u c h s

jetzige, der eigentlich nicht ihr Mann ist, ist Jahwe, der in Wahrheit den Juden gehört" (W. Bauer 1 0 8 ). Auf diesem Hintergrund wird die Frage Garizim oder Jerusalem erörtert. V. 20—22: ,Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet; und ihr sagt, daß in J e r u s a l e m der O r t ist, wo man anbeten muß.' Es spricht Jesus zu ihr: , G l a u b e mir, F r a u , es kommt die Stunde, d a ihr weder auf diesem Berg noch in J e r u s a l e m anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht wißt; wir beten an, was wir wissen, denn d a s H e i l kommt von den Juden*.

V. 21 sprengt deutlich die und Samar. zusammen anredet. des Verfassers gehen. In V. 22 „in der sich Jesus vom jüdischen einandersetzt" (W. Bauer 1 0 9 ).

Situation, da Jesus hier Judenchristen Dieser V. dürfte daher auf das Konto schimmert dagegen eine Form durch, Standpunkt mit den Samaritanern aus-

Dieser ausgesprochen judenchristliche Charakter der Erzählung verbürgt ihr Alter: sie muß aus der Zeit der ersten Mission unter den Samar. stammen, von der Apg 8,1.5 berichtet. Dort heißt es: „Philippus aber ging hinab nach der Stadt Samarias und verkündete ihnen den Christus 1 1 0 ." Unsere Erzählung spiegelt wieder, wie diese Christus-Verkündigung an die samar. Theologie anknüpfte: der von den Samar. erwartete Prophet ist identisch mit Jesus Christus (V. 19). Noch weiteres Material über die samar. Religion ist der Perikope zu entnehmen. V. 20 hören wir von einem προσα/νεΐυ der Väter auf diesem Berge, d. h. der israelitischen Erzväter (vgl. V. 12). Da nur von einem Niederknien die Rede ist, scheint ein Opferkult nicht vorausgesetzt zu sein (vgl. V. 2 2 ) m . So darf man vermuten, daß es im 1. Jh. n. Chr. keinen Opferkult auf dem Garizim gab — was auch aus anderen Nachrichten hervorgeht. V. 25 spricht die Erwartung eines Messias unter den Samar. aus. Doch werden cap. X I und cap. X I I dieser Arbeit deutlich machen, daß die Samar. ihren Heilsbringer nicht Messias nennen. H . Odeberg hat deutlich gemacht, daß die Erzählung samar. Traditionen positiv gegenübersteht: Jakobsbrunnen, Jesu Bitte um Wasser, D a s Johannesevangelium. H N T 6 . 3. A. Tübingen 1933, 75. tos 7o_

108

110

O b mit der S t a d t , in die Philippus kam, Sebaste oder Sychar gemeint ist, bleibt unklar (vgl. Haenchen, Apostelgeschichte 252). Jeremias denkt analog zu M t 1 0 , 5 f. — bei (Art.

111

Σαμάρεια.

ττόλιο

an K T H D (indeterminiert:

T h W V I I . 92 Anm. 29).

Vgl. Jeremias, Art. Σαμάρεια.

T h W V I I . 94 Anm. 39.



Provinz)

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

117

die samar. Berufung auf die Erzväter 112 . Schaut man sich die Ausführungen über den Jakobsbrunnen an (V. 5 f. 12—14), so wirken sie wie eine speziell für christliche Samar. geschaffene Neubegründung der Heiligkeit des Jakobsbrunnens. Christen, die diesen Ort für heilig hielten, verbanden ihn in einer Erzählung mit Jesus Christus. Ein altes israelitisches bzw. samar. Heiligtum erhält einen christlichen Hieros Logos. Spuren christlicher Samar. können wir auch in der Apostelgeschichte verfolgen (s. u. S. 309). Mehr als Spuren aber sind es nicht, bezeugen doch eine ganze Reihe von Nachrichten, daß die samar. Gemeinde nicht Jesus, sondern Dositheus und Simon gefolgt sei. Die samar. Erwartung eines Propheten wird v o n Justin, 1. Apologie 53, 6 bezeugt. D o r t heißt es v o n Juden und Samaritanern, sie hätten das ihnen durch die Propheten übergebene Wort Gottes besessen und immer τ ό ν χριοτόυ erwartet 113 . U n d die Pseudoclementinen 1 1 4 führen v o n den Samar. aus: Ree I 54, 5115: Und sie erwarteten zu Recht jedoch einen wahren Propheten auf Grund der Verheißungen Mose, wurden jedoch durch die Verworfenheit des Dositheus gehindert zu glauben, daß der, den sie erwarteten, Jesus sei. Diese Erwartung finden wir zahlreich im Zusammenhang mit Dositheus bezeugt. So schreibt ζ. B. Euseb bei der Auslegung der Weissagung, daß nach Christus viele Antichristi aufstehen werden: Theophanie 4, 35 l l e : Denn sogleich waren die Samaritaner überzeugt, daß Dositheus, der nach der Zeit unseres Erlösers auftrat, der von Mose geweissagte Prophet sei. Er führte sie irre, so daß sie sagten, er sei der Christus. 112

The Fourth Gospel. Uppsala 1929, 177—187. * Text: Justinus' des Philosophen und Märtyrers Apologien. Herausgegeben von J. M. Pfättisdi. I.Teil: Text. Münster 1912,58. 114 Zur Abfassungszeit und Überlieferungsgeschichte vgl. I. Irmscher, DiePseudoClementinen. Hennecke-Schneemelcher, Neutestamentlidie Apokryphen. II. 3. A. Tübingen 1964, 373—375. Homilien und Recognitionen verarbeiten beide eine Grundschrift, die verloren ist. Die Homilien sind in ihrer griech. Ursprache erhalten, die Recognitionen in Rufins lat. Übersetzung. Nach G. Strecker (in dem gleichen Bd. 65) ist die Grundschrift und deren Quellen zu rekonstruieren. 115 Text: B.Rehm, GCS51. Berlin 1965, 39 Z. 17—19. Die Stelle gehört zur Grundschrift, die zwischen 220 und 300 entstanden sein dürfte: G.Strecker, Pseudoklementinen 41. 267. 116 Text: H. Gressmann, GCS 11,2. Leipzig 1904, 33 Z. 24—27; Ü.: 216. u

118

Die Zeit des Umbruchs

Doch ist damit ein neues Kapitel aufgeschlagen, nämlich das der samar. Sekten. S. 122 ff. werden von ihnen handeln. Eine ganz andere politische Messianologie finden wir in Berichten von samar. Revolten des 5./6. Jh. n. Chr. 1 1 7 . In der Chronographia des Ioannes Malalas (6. Jh.) heißt es: Chronographia 5 0 , 1 5 1 1 8 : Nachdem unter seiner (sc. Zenos) Herrschaft die Samaritaner die H e r r schaft in Palästina an sidi gerissen hatten, bekränzten sie einen Räuberhauptmann namens Iustasa, einen Samaritaner 1 1 9 . Und er zog in Caesarea ein, war Zuschauer beim Wagenrennen 1 2 0 und ermordete viele Christen unter dem Statthalter Porphyrius von Prote-Palästina. Derselbe Iustasa verbrannte audi den heiligen Procopius 1 2 1 unter dem Bischof Timotheus von Caesarea. D a zog der D u x von Palästina Asclepiades mit seinen Hilfstruppen und der Häscher Reges heran . . . , gingen gegen ihn zum Angriff über, kämpften mit ihm und ergriffen ihn. Und sie enthaupteten Iustasa, und sein Haupt mit dem Diadem wurde dem Kaiser Zeno gesandt. 117

Zu diesen Revolten vgl. M. Avi-Yonah, Geschichte der Juden 242—245 und sein Aufsatz, The Samaritan Revolts against the Byzantine Empire. Eretz Israel 4 (1956) 127—132 (hebr.). Den besten Kommentar für diese Revolten geben die unter dem Titel D e Haereticis, et Manidiaeis, et Samaritis im Codex Iustinianus zusammengefaßten antisamar. Gesetze, die gerade im Jahre 527 einen neuen Beitrag erhalten hatten (I, 5, 12 — T e x t : P . Krüger, Codex Justinianus. Berlin 1877, 7 9 — 8 1 ) .

118

T e x t : L. Dindorf, Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae. Bonn 1831, 382 Z. 10—20. Eine geglättete Fassung dieses Berichtes im Chronicon Pasdiale ( T e x t : L . Dindorf, Chronicon Pasdiale Vol. I. Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae. Bonn 1832, 603 Z. 19—604, Z. 8). Ein unabhängiger Bericht bei Procopius, De aedificiis V 7, 5 — 9 (ed. J . Haury 166). Doch enthält der Bericht des Procopius eigentlich nur eine einzige Obereinstimmung mit dem Bericht des Malalas: die Vertreibung der Samar. vom Garizim. Procopius' Bericht handelt von Vorgängen in Neapolis, ohne die Herrschaft des Iustasa zu erwähnen. Ein weiterer Bericht ist in den samar. Chroniken enthalten. N a d i

Chronik V I I

versuchte Zeno ( = ΓΡΤ) die Samar. mit Gewalt

zum Christentum zu bekehren. „Und er tötete viele Männer aus der Gemeinde der Israeliten, der Samaritaner"

( T e x t : Adler-Seligsohn, R E J 45

[1902] 235). 118

Bar-Hebraeus (13. J h . n. Chr.), der in seiner Historia Compendiosa D y n a stiarum (arab.) ebenfalls dieses Ereignis erwähnt, spricht =

naV»

von einem

(Text: E.Pocockius, Oxford 1663, 148. Lat. Ü . : 93).

180

Ιτττπκόν = die Reiterei. Gemeint sein muß Ιτπτοδρόμιον.

121

Wie 383, 2 zeigt, ist eine Kirche gemeint.

l£L

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

119

Das Ereignis ist auf 484 n. Chr. zu datieren 122 . Ein äußerst ähnliches Vorkommnis bezeugt derselbe Autor für das Jahr 529/530 n. Chr. Dieser Aufstand wird noch von weiteren Gewährsleuten geschildert. Sabine Winkler hat in einem Aufsatz alle entsprechenden Nachrichten zusammengetragen und ausgewertet123. Folgt man ihrer sorgfältigen Analyse, dann erkennt man folgenden Handlungsablauf. Der Aufstand begann im April 529 und endete im folgenden Jahr 1 2 4 . Er kam nidit aus heiterem Himmel, sondern war provoziert durch Edikte (gesammelt im Codex Iustinianus I 5, 12—14), die die Rechtsungleichheit aller sog. Häretiker verstärkte 125 . Ob auch das Edikt I 5, 17, welches u. a. die Zerstörung der samar. Synagogen befiehlt und aus dem Jahre 529 n. Chr. stammt, Ursache des Aufstandes war (so Winkler)12® oder Folge (so Montgomery) 127 , scheint mit kaum sicher entscheidbar. Letzter Anlaß des Aufstandes waren Pöbeleien jugendlicher Christen in samar. Synagogen 128 . Samaritaner töteten daraufhin Jugendliche. Der Aufstand verbreitete sich über Mittelpalästina, von Skythopolis bis nach Caesarea Maritima. Die beteiligten Samar. bekränzten sich einen König, namens Iulianus, Sohn des Sabar. Procopius und Malalas schildern ihn als Räuberhauptmann. Es ist möglich, daß es sich bei diesem Mann um einen Landarbeiter handelte 129 . In einem gewaltigen ersten Schlag zerstörten die Aufständischen zahlreiche Kirchen. Doch gegen die langsam anrollende byzantinische Heeresmacht vermochten sie nicht standzuhalten. Zahllose Samar. wurden nieder122

Montgomery, Samaritans 110 und Anm. 101; Ben-Zevie, Buch von den

12S

Die Samariter in den Jahren 529—30. Klio 4 3 — 4 5 (1965) 435—457. Die

Samaritanern 25. Quellen sind folgende: Choricius aus Gaza; Cyrillus von Skythopolis; Procopius; Historia Miscella; Ioannes Malalas, Chronicon Paschale; Ioannes von Nikiu; Theophanes. Die Verfasserin versucht, die Tendenz dieser Zeugnisse zu definieren, um so die wirklichen Motive des Aufstandes zu erkennen. Ihre philologische, historische und soziologische Sicherheit erübrigt es, die Quellen noch einmal zu analysieren. Ich stütze mich im folgenden auf ihren Aufsatz. 124

Winkler S. 442.

124

Details bei Winkler S. 449 f.

129

Winkler S. 450.

127

Samaritans 118.

128

Winkler 439 f.

12i

Das vermutet Winkler 442.

120

Die Zeit des Umbruchs

gemacht (Malalas zählt 20 000, Procopius gar 100 000). Viele flohen nach Persien in der Hoffnung, vereint mit sassanidischen Truppen Palästina zu befreien (Malalas nennt die Zahl von 50 000 Flüchtlingen), andere flüchteten in die Trachonitis, wieder andere auf den Garizim 130 . Iulianus wurde enthauptet, sein Kopf mit dem Diadem dem Kaiser geschickt. S. Winkler hat herausgestellt, daß die samar. Landbevölkerung der eigentliche Träger dieses Aufstandes war. Diese Landbevölkerung war die sozial niedrigste Schicht, die besitzmäßig nichts zu verlieren hatte. Sowohl eine noch vorhandene reiche samar. Oberschicht als die mittlere Schicht von Curialen, Händlern, Handwerkern und anderen freien Berufen ist nicht stärker hervorgetreten. So erklärt sich die Klage des Procopius, daß nach der blutigen Niederlage der Samar. das fruchtbarste Land von Bauern verlassen war und die christlichen Grundherren Schwierigkeiten bei der Ablieferung der Steuern hatten 131 . Mit welcher Hoffnung Iulianus den Aufstand leitete, berichtet Ioannes von Nikiu 132 : Er leitete eine große Anzahl von Menschen seines Volkes irre, indem er trügerisch versicherte, daß er der Gesandte Gottes sei, um das Königreich der Samar. wiederherzustellen, so wie es Rohoam (sie!) . . . getan hatte, der nach Salomon dem Weisen, Sohn des David regiert hatte, und der das Volk Israels verführt und es zum Götzendienst verleitet hatte.

Der Vergleichssatz (so wie Jerobeam) geht ganz auf das Konto einer antisamar. Polemik und reflektiert keinesfalls „die religiös-nationalen Aspekte der Samaritererhebung", wie Sabine Winkler annimmt 133 . Dagegen scheinen die voraufgehenden Aussagen: .Gesandter Gottes, Wiederherstellung des Königreichs' die Parolen des Aufstandes zu nennen. Eigentlicher Antrieb hinter solchen mythologischen Formulierungen sind natürlich die sozialen und nationalen Bedingungen 134 . Die samt und sonders christlichen Berichterstatter lassen an einer entscheidenden Stelle ihrer Darstellung Tendenz erkennen: sie schildern jenen samar. βααλεύς als Räuberhauptmann. Doch ist das zumindest für den zweiten Aufstand als unsachgemäß zu erweisen. Nach Cyrill 180 131 132 133 134

Winkler 444. Zu den samar.-persischen Beziehungen 439.441.448. Winkler 438. Text bei Winkler 441. S. 456. Das zeigt W. Mühlmann, Rassen, Ethnien, Kulturen. Neuwied 1964, 323 ff.

Hoffnungen auf eine neue Heilszeit

121

erwählten die Sarnar. ihren Landsmann Iulianus zum König. Der erste Erfolg des Aufstandes hatte dann die Folge, „daß die sogenannten Reichsstraßen für die Christen unpassierbar und unwegsam wurden" 135 . Für diesen Sachverhalt ist ληοτεία zweifellos eine verständliche Bezeichnung: Straßenraub 138 . Cyrill weiß, daß Iulianus nicht schon vor seiner Erwählung zum König Räuberhauptmann war, sondern erst im Verlaufe des Aufstandes die Straßen für Christen unsicher machte. Eigentlicher Straßenraub ist das allerdings kaum, denn dieser spezifiziert sich nicht auf Angehörige einer bestimmten Konfession. Kurz: erschien dem Cyrill Iulianus als Straßenräuber (ohne daß er ihn allerdings so nannte), so titulieren ihn Malalas und Procopius mit diesem Ausdruck und erwecken den Eindruck, als sei er von Herkunft Vertreter dieses dunklen Gewerbes. Folgt man der weniger gefärbten Darstellung Cyrills, dann ist Iulianus als Vollstrecker der Machtansprüche der samar. Gemeinde zu verstehen. Eben das bestätigt Ioannes von Nikiu 137 . Doch ist auch diese Formulierung noch nicht zufriedenstellend. Im Anschluß an beide Aufstände ergingen Schläge gegen die samar. Synagogen. Sollte die Bekränzung dieser beiden Führer ein religiöser Vorgang gewesen sein, getragen und ausgeführt von der samar. Synagoge? Waren beide Führer Heilsbringer? Gibt es in der samar. Religion die Erwartung eines βααλεύο, ΓΟ1?» 138? Wir werden in dem Kapitel über Joseph diese Frage zu beantworten suchen. Fassen wir zusammen. Wir erkennen im Spiegel außersamar.. Nachrichten verschiedene Erwartungen der Samar. auf eine neue Heilszeit. Josephus berichtet von einem Mann, der die Gemeinde auf den Garizim führt und die mosaischen Kultgeräte zu zeigen verspricht. Aus dem Kapitel 4 des Johannesevangeliums und anderen christlichen Nachrichten wird deutlich, daß die Samar. auf einen Propheten wie Mose (Dtn 18, 15.18) als endzeitlichen Heilsbringer warten. Und schließlich treten im 5. und 6. Jh. n. Chr. Könige auf — feierlich bekränzt von ihren Anhängern —, die im heiligen Krieg das Land von den Feinden (wohl primär den 1,5

136 197 138

E. Schwartz, Cyrillus von Skythopolis, Leben des Sabas. T U 49, 2. Leipzig 1939, 172, 12 f. Vgl. Mickwitz, PW Supplementband VII. Stuttgart 1940, 1239. Es erscheint mir vertretbar, audi für Iustasa diese Rolle anzunehmen. Interessanterweise trägt Baba Rabba in Chronik VII als Führer im Kampf mit den Königen um die Freiheit der Samar. den Titel: ,König der Versammlung der Israeli ten.' (Text: Adler-S£ligsohn, REJ 45 [1902] 94 f.).

122

Die Zeit des Umbruchs

Christen) zu reinigen versuchen. Ob es sich hier wirklich um verschiedene Erwartungen handelt, kann auf soldi schmaler Basis nicht definitiv entschieden werden. Nur soviel ist deutlich, daß zwischen den Nachrichtengruppen keinerlei Querverbindungen oder Parallelen bestehen. Insofern ist die Annahme verschiedener Erwartungen naheliegend.

C . Samaritanische Sekten 1. Die gnostischen Sekten An erster Stelle ist der Gnostiker Simon Magus zu nennen 139 . Apg 8 läßt erkennen, daß er bereits vor der christlichen Mission in Samaria aufgetreten war 1 4 0 . Sein Titel nach Lukas: ή δύναμιο του θεοϋ ή καλούμενη μεγάλη (Apg 8,10). Eine alte 141 Uberlieferung gibt Justin weiter, dem wir als gebürtigen Samarier (er stammt aus Neapolis) besonders trauen können 142 . Er berichtet, Simon stamme aus Gitta 143 . Dieser Ort liegt 18 km südöstlich von Caesarea Maritima 144 . Unter Claudius (41—54 n. Chr.) sei er auf Grund magischer δυνάμεις 159

Analyse der Oberlieferungen: E. Haenchen, Gab es eine vorchristliche Gnosis? Z T h K 49 (1952) 316—349. Knappe Darstellung der samar. Gnosis bei L. Goppelt, Christentum und Judentum im ersten und zweiten Jahrhundert. B F C h T h . 2. R . 55. Bd. Gütersloh 1954, 132—134 sowie bei J . Dani&ou, Theologie du Judio-Christianisme. Histoire des Doctrines Chretiennes avant Nic^e. Tournai 1958, 82—89. Wichtigste Analyse des Quellenmaterials: L. Cerfaux, La Gnose Simonienne. Les Sources Principales. RechSR

15

(1925) 489—511. Weitere Aufsätze von Cerfaux zu dieser Gnosis: RechSR 16 (1926) 5 ff.; 265 ff.; 481 ff.; 18 (1928) 143 ff. 140

Nach ΰ3ηΐέ1θϋ könnte Simon eine Zeit lang unter den Hellenisten der Apg gewesen sein, ehe er seine Sekte begründete (85).

141 142

Vgl. Haenchen aaO 3 4 4 — 3 4 8 . Die Tatsache, daß Justin aus Neapolis stammt, erklärt einige eigenartige Traditionen in seinen Schriften: es handelt sich um Samaritanismen. So überzeugend P . R . Weis, Some Samaritanisms o f Justin Martyr. J T h S 4 5 (1944) 199—205.

143

Zur Biographie Simons vgl. auch R e e l l 7 ( T e x t : B. Rehm, G C S 5 1 . Berlin 1965, 55 Z. 1—9) bzw. Horn, β 22, 2—4 (Text: B. Rehm, G C S 42. Berlin 1953, 44 Z. 1—8).

144

Jeremias, Art. Σαμάρεια

T h W V I I . 90 Anm. 7. schreibt versehentlich Cae-

sarea Philippi. Vgl. A. Alt, Das Institut im Jahre 1924. P J 21 (1925) 47 f.

Samaritanische Sekten

123

in R o m für einen Gott gehalten und mit einer Statue geehrt worden: Simoni D e o Sancto 145 . Justin I. Apologie 26, 3 14e : Und fast alle Samaritaner zwar, wenige aber audi unter fremden Völkern, bekennen jenen als den ersten Gott und beten ihn an. Und eine gewisse Helena, die zu jener Zeit mit ihm herumzog und vorher in einem Bordell war, nennen sie den ersten von ihm ausgegangenen Gedanken ( = Ennoia). Diese Nachricht ist aus mehreren Gründen bedeutsam. Einmal beschreibt sie ein sehr altes, wahrscheinlich das älteste Stadium simonianischer Gnosis 147 . Zum anderen berichtet sie, daß diese Bewegung ,fast alle' Samar. in ihren Bann schlug 148 . Darüber hinaus läßt sie einen Blick in die samar. Diaspora tun. Denn eine Verehrung Simons in R o m dürfte doch audi dort weniger v o n Heiden als von Samariern bzw. Samar. inauguriert sein, die in R o m nachweislich gelebt haben 149 . Die samar. Diaspora scheint auf die Ereignisse im Mutterland wie eine kommunizierende Röhre reagiert zu haben. Man vergleiche nur einen Brief Kaiser Hadrians über ägyptische Verhältnisse (4. Jh. n. Chr.): 145

146

147

148

149

Ein Stein, der dem Eidgott Semoni Sanco Deo Fidio gewidmet ist, wurde 1574 in Rom gefunden: CIL VI 567. Text: W. Völker, Quellen zur Geschichte der christlichen Gnosis. SQS 5. Tübingen 1932, 1. Besprochen von Hilgenfeld, Ketzergesdiichte 170 ff. Nach Haenchen gehört Helena „nidit der ältesten Form der simonianisdien Lehre an" (341). Dodi ist seine Erklärung, wie Helena nachträglich in den Mythos gekommen sein soll, gekünstelt (341 f.). Diese Wendung könnte auf Apg 8,10 zurückgehen (Grant, Gnosticism 74). Einen Hinweis auf diesen Erfolg gibt Sib III 63—70 (Text: J. Geffcken, Oracula Sibyllina. GCS 8. Leipzig 1902, 50). Von den Sebastenern wird Beliar kommen und viele verführen, „treue und auserwählte Hebräer sowie Gottlose (άνομοι) und andere Männer, welche noch nicht Gottes Wort vernommen haben" (Übersetzung: A. Kurf ess, Sibyllinisdie Weissagungen. Tusculum-Bücherei 1951, 75/77). Geffcken hat das Orakel richtig für christlich erklärt und Beliar mit Simon Magus identifiziert (Komposition und Entstehungszeit der Oracula Sibyllina. TU N F VIII, 1. Leipzig 1902). Vgl. u. S. 146. Allerdings deutet E. Meyer, Apollonios von Tyana und die Biographie des Philostratos. Hermes 52 (1917) 371—424 den Text des Justin anders. „Justin hat ihn (sc. Simon) dann bekanntlich absurderweise mit dem Gott Semo Sancus in Rom identificirt." So sei Simon nadi Rom gebracht worden. Diese Erzählung werde „durch Justins eigene Angabe widerlegt, daß das Ansehen des Simon sich nicht über Samaria und seine nächste Umgebung hinaus erstreckte" (387 Anm. 2). Doch wird hier unsau-

124

Die Zeit des Umbruchs Flavius Vopiscus, Quadrigae T y r a n n o r u m 8, 3 150 : Hier gibt es keinen jüdischen Synagogenvorsteher, keinen Samaritaner (nemo Samarites), keinen christlichen Presbyter, der nicht zugleich ein Astrologe, ein Wahrsager und Quacksalber (aliptes) wäre.

Daß Simon Samaritaner war, spiegelt sich in einem samar. Theologumenon, auf das G. Kretschmar zuletzt hingewiesen hat 151 . Bei Clemens Alexandrinus, Stromata II Cap. XI, 52 und in den Pseudoklementinen (Ree II 7, 1) trägt Simon den Titel stans ( = gcrcoc)152, der in der simonianischen Schrift Megale Apophasis (Hippolyt Refutatio VI c. 13;

ber interpretiert. Justin sagt ja nicht, Simon sei nur in Samaria verehrt worden, sondern, er sei vor allem von Samaritanern verehrt worden. Diese aber lebten audi in Rom. Außerdem ist es unwahrscheinlich, daß Justin aus eigenen Stüdcen die Statue eines römischen Gottes mit jener kleinen Lokalgröße Simon, von der man — nach Meyer — in Rom nichts gehört hatte, identifiziert haben soll, daraufhin bitter erklärt, solch ein Mann sei in Rom noch geehrt worden und zu allem Überfluß die Einreißung des Standbildes fordert (so l . A p o l 5 6 , 4). Diese ganze Ungereimtheit verschwindet, wenn es in Rom samar. Simon-Anhänger gab, die den altrömischen Eidgott zum Anknüpfungspunkt ihrer Mission machten, bzw. ihn selbst mit Simon verbanden. 150

Text: Scriptores Historiae Augustae II. ed. E. H o h l . Bibliotheca Teubneriana. Leipzig 1965, 227 Z. 16—18. Dessau, Samaritaner bezweifelt, daß H a d r i a n den Samar. Beachtung schenkte (126). A. Deissmann möchte die Richtigkeit von Hadrians Beobachtung an einem bestimmten Detail nachweisen: der Häufigkeit der gerade von Samar. bezeugten Aussprache des Tetragramms mit Ιαβε in der Zauberliteratur. D a Samar. auch nach anderen Quellen (Josephus) in Ägypten lebten, kann man „das Vorkommen des Ιαβε in den ägyptischen P a p y r i meines Erachtens ruhig auf „samaritanischen" Einfluß zurückführen" (Bibelstudien. Marburg 1895, 18). Von samar. Zauberern sei es in die Zauberliteratur eingebracht worden (aaO 20). Die Anführungszeichen bei ,samaritanischer Einfluß' stammen von Deissmann und zeigen, wie fragwürdig die Voraussetzung ist, hier auf eine exklusive Eigenart der Samar. zu treffen.

151

Zur religionsgeschichtlichen Einordnung der Gnosis. E v T h 13 (1953) 354 bis 361.

152

Texte: O. Stählin, L. Früchtel. G S C 52. 3. A. Berlin 1960, 141 Z. 7 ff. und B. Rehm, GCS 51. Berlin 1965, 55 Z. 5. Griechisches Äquivalent icrciic, syr. >.Ld (vgl. W. Frankenberg, Die syrischen Clementinen mit griechischem Paralleltext. T U 48. Leipzig 1937, 86 f.).

Samaritanisdie Sekten c.

17, 1 f . 1 5 3 )

wiederkehrt154.

Hinter

K r e t s c h m a r w i e andere v o r i h m

155

dem

125

griechischen Begriff

sieht

ein samar. ÖS?j?. A . E . C o w l e y n o t i e r t

in seinem G l o s s a r : „ D'Bp (D1S7J?) living ( G o d , a n g e l s ) 1 5 6 . " D a h e r v e r mutet

Kretschmar,

Simon

habe

„ein

samaritanisches

Gottesprädikat

auf sich b e z o g e n " 1 5 7 . D e r v o n d e n S i m o n i a n e r n b z w . S i m o n a u f g e n o m m e n e Begriff h a t allerdings auch a u ß e r s a m a r . Parallelen: P h i l o v e r w e n det ihn an vielen Stellen 1 5 8 . O b A p g 7, 5 6 s a m a r . T r a d i t i o n darstellt, ist z u e r w ä g e n 1 5 9 . W i r w e r d e n i m z w e i t e n Teil der F r a g e nachgehen, o b S i m o n s a m a r . Ü b e r l i e f e r u n g a u f n a h m o d e r hellenistisch-jüdischer T r a dition verbunden war160. Wesentlich

mehr

Samaritanismen

gnostischen B e w e g u n g e n findet

161

findet

G. Widengren

in

den

. I n d e m B u c h , T h e A s c e n s i o n o f t h e Apostle*

sich ein K a p i t e l S a m a r i t a n , Jewish — a n d S a m a r i t a n —

Gnostic,

and J e w i s h R a b b i n i c E v i d e n c e . N a c h W i d e n g r e n gab es in jiidischsamaritanischen 1 6 2 153

Z i r k e l n eine L i t e r a t u r ,

die die adscensio M o s e in

T e x t : Völker, Quellen 6. 9.

154 Vgl. Haenchen 330 Anm. 1. Der Titel wurde

audi Dositheus

beigelegt:

Horn, β 24, 5. Vgl. G . Widengren, Ascension 49. 155

Von Kretschmar 359 aufgezählt.

156

C. L X V I I I .

157

359 Anm. 18. Quispel, Gnosis 56 sieht in dem Begriff eine Messias-Bezeichnung.

156

Das Material ist aufgeschlüsselt s. v. Alexandrini

IcTdvm

Opera von J . Leisegang. Philonis

in den Indices ad Philonie Alexandrini

Opera

quae

supersunt ed. L . C o h n et P . Wendland. Vol V I I , Pars I I . Berlin 1930, 411. Ζ. B. D e posteritate Caini § 27. 1S

» Vgl. jetzt C. Colpe Art. ό υίόο τοϋ άνθρώτου.

160 161

T h W V I I I . 465—467.

S. u. S. 345 ff. Lange vor Widengren hatte bereits A. Merx einen „Exkurs über die samaritanische Gnosis" vorgelegt (Evangelien II, 2. 221—235).

162

Ähnlich wie Widengren kann z . B . auch G . Kretschmar formulieren: die Gnosis „entstand in dem hellenistischen Einflüssen redit offenen Samarien, also in einem synkretistischen Judentum" (359). Auf S. 360 f. belegt Kretschmar seine These mit spezifisch jüdischen Elementen in gnostisdien Strömungen. Ebenso nennt K . Rudolph Simon bei der „Ausgestaltung der Gnosis im Judentum" (Mandäer I. 173). Es ist keine Spitzfindigkeit, diese Begriffsvermischung zu monieren. Zur Zeit des Simon stellen samar. Religion und Judentum zwei voneinander unterscheidbare Größen mit eigenen Traditionen und Institutionen dar. Es kommt m. E. gerade darauf an, den spezifischen Anteil der samar. Religion an der Gnosis zu isolieren. Trotz der Begriffsunschärfe kommt Widengren das Verdienst zu, diesen Versuch als

126

D i e Z e i t des U m b r u c h s

den Himmel darstellte und Mose Präexistenz zuschrieb 163 . Wie Mose ist auch das ihm übergebene Buch präexistent: C. ( = Cowley) 33, 7: „Die Handschrift deiner Herrlichkeit empfing er in Größe; das große Buch, das von den Tagen der Schöpfung (existiert)." U m es in Empfang zu nehmen, steigt Mose empor 1 6 4 . Die Tafeln enthalten das Leben 1 6 5 , sie sind ein Schatz. C. 5 5 , 1 : „Der Mund des Lebens sprach ein Wort des Lebens für die Generationen, ein Wort von der Menge des Lebens." Alle diese Topoi, dazu noch der vom wahren Propheten, deuten auf „a connection between Samaritan and Jewish-Gnostic, indeed even Mandaean circles" 1 6 6 . Speziell für Simon „the Samaritan background . . . ought to be accentuated in quite another way than has seemingly been the case". Außer dem Begriff Icrcoc - 05?j? untersucht er den Terminus ή μεγάλη δύυαμιο 1 6 7 . In der syrischen Übersetzung der Pseudoclementinen wird δύναμιο mit JULju wiedergegeben. Es ist anzunehmen, daß das ganze syrische Äquivalent JLa» lautete 168 . Auch bei anderen Gnostikern findet sich dieser Titel 1 6 9 . Die Mandäer kennen die Konzeption „of the Divine Power descending on the baptismal water" 1 7 0 . Mit diesem Topos vom Niedersteigen der verborgenen Kraft vergleicht Widengren Sätze der samar. Liturgie: C. 54, 1: „Der Π31 ilVTl wurde in Bewegung gesetzt und seine Herrlichkeit stieg in ihm nieder." Allerdings handelt es sich hier nur um ein Niedersteigen auf den Sinai (vgl. 54, 4). erster u n t e r n o m m e n z u h a b e n . I n seiner T h e o l o g i e d u J u d e o - C h r i s t i a n i s m e unterscheidet d e r k a t h o l i s c h e G e l e h r t e D a n i e l o u zwischen e i n e m o r t h o d o x e n u n d e i n e m h e t e r o d o x e n J u d e n t u m , z u d e m eben auch d i e S a m a r . Dieses heterodoxe J u d e n t u m

betrachtet er als W i e g e

für das

gehören.

heterodoxe

Christentum (82—89). A s c e n s i o n 4 0 f. 184

A s c e n s i o n 4 2 . W i d e n g r e n f ü h r t nicht a u s , w o h i n M o s e steigt. S o w e c k t er d e n E i n d r u c k , M o s e stiege in d e n H i m m e l . D a s ist n i d i t d e r F a l l . steigt v i e l m e h r a u f d e n B e r g S i n a i . D e r s e l b e F e h l e r 4 6 ( „ M o s e s . . .

Mose

ascends

to h e a v e n " ) . 1,5 1β

43.

" 58.

1,7

E i n erster V e r s u c h in d i e s e r R i c h t u n g bei M e r x , E v a n g e l i e n I I , 2 . 2 3 1 :

K 3 1 ist d e r oberste E n g e l . F ü r diesen — v ö l l i g v e r f e h l t e n — S a t z M e r x keinen Beleg, its 49 169 4 9 — ( M e n a n d e r , M e l c h i s e d e k i a n e r , E l k s a i ) . 170

53.

gibt

127

Samaritanische Sekten

Zu diesem Versuch Widengrens, eine ganze Reihe von gnostischen Topoi aus der samar. Religion herzuleiten 171 , hält G. Kretschmar eine gewisse Distanz. Da die angeführten Quellen „erst aus sehr viel späterer Zeit stammen . . . , scheint mir hier äußerste Vorsicht am Platze zu sein. Erwiesen sind diese Zusammenhänge noch keineswegs" 172 . Man müßte außerdem noch hinzufügen, daß Widengren Stellen vergleicht, die bei näherem Zusehen aus verschiedenem Zusammenhang stammen und dort einen anderen Sinn haben. Doch das eigentliche Problem ist das relativ junge Alter der Quellen. Nachdem die Diskussion an einen toten Punkt gelangt ist, vermag m. E. nur eine Traditionsgeschichte weiterzuhelfen 1 7 8 . Simon Magus war nicht der einzige samar. Gnostiker. Neben ihm ist vor allem Menandrus zu erwähnen. Nach Justin 1. Apologie 2 6 , 4 ist auch er ein Σαμαρήο, aus dem Dorf Kaparetaia 1 7 4 , ein Schüler Simons, der in Antiochia auftrat „und seine Anhänger überzeugte, daß sie nicht sterben. U n d (noch) jetzt gibt es einige von jenem, die dies glauben" 1 7 5 . Eine Darstellung seiner Theologie gibt Irenaeus, Adversus Haereses I 23, 5. Die π ρ ώ τ η δύναμιο sei dyvcocxoc. Er selbst sei von den unsichtbaren Aeonen als Σωτήρ zur Rettung der Menschen niedergesandt worden. Durch die Magie überwinde er die Engel, die die Welt gemacht hätten. Seine Schüler würden die Unsterblichkeit erlangen 178 . 171

Eine Widengren diametral entgegengesetzte Beurteilung der simonianisdien Gnosis findet sich bei M o n t g o m e r y : „we can find no syncretistic features therein (in der samar. Religion), no native tendency to Gnosticism. Simon M a g u s appears not as a type of Samaritanism, but only as an incident" (268); „ f o r such speculations its d r y , unimaginative genius seems to have been unf i t t e t " (269). M a n w i r d hier Montgomery schwerlich folgen kennen.

172

Gnosis 360. R u d o l p h nimmt Widengrens Versudi weniger ablehnend (Mandäer I. 173 f. Anm. 4). Kritisch ebenfalls Conzelmann,

auf

Apostelge-

schichte 54 (dessen Erwähnung der „ M a r g a - L i t u r g i e n " in M a r q ä - H y m n e n zu verbessern ist). 178

S. u. S. 328.

174

Identisch mit k o f e r '6tna'y, d a s wohl wiederum mit d e m heutigen el-leggun

175

T e x t : P f attisch 27 f.

,7e

L a t . T e x t mit den bei anderen Kirchenvätern aufbewahrten griechischen E x -

zu verbinden ist: vgl. G . D a l m a n , O r t e und Wege Jesu 235.

zerpten: A . S t i e r e n , B a n d 1. L e i p z i g 1853, 240 f. K u r z e Erörterung seiner Lehre bei G r a n t , Gnosticism 93 f. I m Zusammenhang mit der Gnosis von Menander und Simon dürften audi die Q u q i t e n stehen. G r ü n d e r

dieser

Sekte w a r ein gewisser Q u q , der um 160 n. Chr. wirkte. D i e Sekte war in

128

Die Zeit des U m b r u c h s

Zum Schluß sei noch auf Epiphanius hingewiesen, der eine samar. Sekte der Σεβουαΐοι kennt (Panarion haer. 11, 1 — 3 m ) . Was er von ihnen berichtet, hat zwar nur mit Kalenderfragen zu tun, doch „der Name ,Sebuäer' spricht für sich selbst: wir haben hier eine samaritanische Taufsekte" (so W. Bousset 178 ). J. A. Montgomery denkt dagegen an eine Ableitung vom hebräischen S713W ( = έβδομόκ), bezogen auf die Passafeier im siebten Monat 179 . 2. Die

Dositheaner

Die eben erwähnten Gnostiker und gnostischen Sekten sind nur noch indirekt und daher in schwer durchsichtiger Weise mit der Gemeinde der Samar. verbunden. Ganz anders liegt der Fall bei Dositheus und seinen Anhängern. Über diesen Dositheus liegen Nachrichten verschiedenster Art vor. Th. Caldwell hat in einem Aufsatz aus dem Jahre 1962 die verschiedenen Überlieferungsfäden zu sondern versucht 180 . Seine Analyse soll im folgenden Arbeitsgrundlage sein. Die eine Gruppe der Uberlieferungen geht auf Hippolyt von Rom zurück. Hippolyts Syntagma ist zwar verloren, aber aus dem gemeinsamen Bestand von Philastrius und Epiphanius zu rekonstruieren. Denn wo diese beiden übereinstimmen, lag ihnen das Syntagma Hippolyts als Quelle vor 181 . Dieses wurde in den Jahren 190—195 n. Chr. in Kleinasien verfaßt 182 . Edessa beheimatet und lehrte eine an die simonianische Gnosis erinnernde Soteriologie: in der geschlechtlichen Vereinigung wird die Seele ihrem himmlischen Doppelgänger zugeführt ( H . J . W . Drijvers, Quq and the Quqites. A n unknown sect in Edessa in the second century A . D . . N u m e n 14 [ 1 9 6 7 ] 104—129). 177

T e x t : K . H o l l , G C S 25. Leipzig 1915, 2 0 4 f.

178

Hauptprobleme der Gnosis. F R L A N T 10. Göttingen 1 9 0 7 , 3 8 3 .

179

2 5 3 . Epiphanius nennt ferner noch die Essener (10, 1 — 5 ) und die Gorothener ( 1 2 , 1 f.) als samar. Sekten. V o n den Gorothenern berichtet auch H e g e sipp 2. J h . (bei Euseb, Kirdiengeschichte I V 22, 5), der jedoch von einem samar. Ursprung nichts weiß. W ä h r e n d bei Epiphanius Sebuäer, Gorothener und Dositheaner

aufeinanderfolgen,

hat

Hegesipp

die Folge

Dositheus,

Gorthäer und Masbotheer. E s liegt nahe, die Masbotheer mit den Sebuäern zu identifizieren. Z u r Stellung der S a m a r . in den christlichen K e t z e r k a t a logen vgl. Hilgenfeld, Ketzergeschichte 18

84—87.

» Dositheos Samaritanus. K a i r o s 4 ( 1 9 6 2 )

1 0 5 — 1 1 7 . Vgl. auch Hilgenfeld,

Ketzergesdiidite 155. 181

So R . A . Lipsius, Z u r Quellenkritik des Epiphanios. Wien 1865, 2 9 .

182

Lipsius a a O 4 1 .

Samaritanische Sekten

129

Außer diesen beiden Autoren bezog sich auch noch der unbekannte Verfasser von Adversus omnes haereses, das an Tertullians De praescriptione haereticorum angehängt ist, auf Hippolyt. Pseudo-Tertullian, Adversus omnes haereses l 1 8 8 : Ich schweige von den Haeretikern des Judentums, dem Samaritanei Dositheus, der es ab erster wagte, die Propheten zu verwerfen, da sie nicht im heiligen Geiste gesprochen hätten, ich schweige von den Sadduzäern, die aus der Wurzel dieses Irrtums entstanden und wagten, zu dieser Häresie auch die Auferstehung des Fleisches zu leugnen.

Mit Dositheus, so zeigt dieses Exzerpt, begann das Syntagma Hippolyts. Er gilt hier als vorchristlicher Häretiker, während Simon Magus als erster christlicher gilt 184 . Da Dositheus als erster jüd. Häretiker erscheint, wird auf ihn die samar. Irrlehre zurückgeführt 185 . Philastrius188 vermag daher auch mehr Ketzereien von ihm zu berichten: er lehnt Auferstehung, Geist Gottes, Engel und zukünftiges Gericht ab. Wertet man diesen Katalog historisch, dann muß dieser Dositheus Jahrhunderte vor Simon gelebt haben 187 . Es wäre möglicherweise zu erwägen, ob nicht sowohl Josephus Ant. X I I I § 75 ff. (ein gewisser Sabbaius und Theodosius diskutieren mit einem Juden über die Legitimität des Garizim-Tempels unter Ptolemaeus VI Philometor [180—45 v.Chr.] )als auch rabbinisdie Nachrichten (die Priester Sabbai und Dostai werden vom Assyrerkönig nach Samaria geschickt188) auf diesen Dositheus zu beziehen sind. Eine Sekte der zur Zeit Alexanders des Großen kennt Abu'l-Fath. Er nennt eine Fülle von Vorschriften und Bräuchen dieser Sekte, die von denen der samar. Gemeinde abweichen. So verbieten sie zu sagen DV)»1? ΙΓΤΙ^Κ ~|·Π3 und ersetzen Γη,-ρ durch DTlVx. Außerdem scheinen sie einen solaren Kalender gehabt zu haben. Dies und vieles andere führte sie dazu, eine eigene Synagoge zu er188

Text: E. Kroymann, C S E L 47. Wien-Leipzig 1906, 213 Z. 4 — 8 .

184

AaO 213 Z. 13 f.

185

Vgl. die Überlieferung des Hieronymus, die Caldwell abdruckt (Dositheos 110), sowie Epiphanius, Panarion haer. 1 4 , 2 , 1 ( K . H o l l , GCS 25. Leipzig 1915, 207 Z. 13 f.).

186 187

Caldwell, Dositheos 111. Caldwell, Dositheos 107. R . McL. Wilson, Simon, Dositheus and the Dead Sea Scrolls. Z R G G 9 (1957) 2 1 — 3 0 denkt an zwei Gestalten: eine am Anfang des Schismas, eine zur Zeit Simons (28). Auch Montgomery führt alle Nachrichten auf zwei Personen zurück (261).

188

Übersetzung des Textes: Billerbeck I. 553 f. (Tanh 3«ΤΊ [43 b]).

9 Kippenberg

130

Die Zeit des Umbruchs

richten189. Eine samar. Sekte der Düsitänlya („das sind die Ilfänlya", d.h. Anhänger des al-Ilfän = Dositheus?) bezeugt Sahrastänl (1086—1153 n. Chr.)190. Nach diesem arab. Historiker trat al-Ilfän „ungefähr hundert Jahre vor dem Messias" ( = Christus) auf191. Der zweite Überlieferungszweig spricht von einem späteren Dositheus. Hegesipp (um 180 n. Chr.) berichtet von Dositheus, er sei aus den sieben Sekten hervorgegangen. Die ersten drei Häresiarchen, die aus den Sekten hervorgingen, waren Simon, Cleobius und Dositheus192. Weder Lehre noch Zeit erfahren wir193. Von den Pseudoclementinen (Ree II 8 und Horn β 24) (220—300 η. Chr.) hören wir, Dositheus und Simon seien Jünger Johannes' des Täufers gewesen. „Diese Konstruktion . . . ist häresiologische Absicht, die sich nur erklären läßt aus der Rivalität zweier Gruppen (Jesus-und Johannes jünger)" (K.Rudolph 194 ). Ein besonderes Problem ist dagegen der Zusammenhang zwischen Simon und Dositheus. Der detaillierte Bericht der Pseudoclementinen über die Verdrängung des Dositheus durch Simon könnte auf historischen Vorgängen beruhen. Es ist auffällig, daß die Pseudoclementinen Dositheus und Sadduzäer verbinden. Ree I 54195 teilt mit196, daß vor der Ankunft Christi der Feind im Volk verschiedene Schismen bewirkt habe. Das erste sei das der Sadduzäer. Sie zogen sich vom Umgang mit dem Volk zurück, leugneten die Totenauferstehung und behaupteten, es sei unwürdig, Gott um Lohn zu dienen. Urheber aber dieser Meinung soll als erster Dositheus, als zweiter Simon gewesen sein. Als zweites Schisma wird das der Samaritaner genannt. Sie leugnen die Auferstehung der Toten und behaupten, nicht in Jerusalem, sondern auf dem Garizim sei Gott anzubeten. Sie erwarten einen Propheten, wie Mose verkündet hatte, wurden aber durch die Verworfenheit des Dositheus gehindert 189

191 162 183

164 195 ,M

Text: Abulfathi Annales ed. Vilmar AX f . Besprechung des Textes bei Merx, Evangelien II, 2. 222 ff. Übersetzung bei J. M. Jost, Gesdiidite des Judenthums und seiner Sekten I. Leipzig 1857, 63 f. Th. Haarbrüdcer I X f. 258. 258. Vgl. dazu Hilgenfeld, Ketzergeschichte 30—32. Text: Eusebii Ecclesiasticae Historiae IV 22, 5. Schwartz, GCS 9, 1. Leipzig 1903, 370 Z. 14—16. Mandäer I. 75. Ähnlich Caldwell 108; Montgomery 256. B.Rehm, GCS 51. Berlin 1965, 39 Z.9—19. Vgl. G. Strecker, Pseudoklementinen 237.

Samaritanische Sekten

131

z u glauben, welchen sie e r w a r t e t e n , sei Jesus. D i e E r w ä h n u n g v o n D o s i theus u n d S i m o n i m Z u s a m m e n h a n g

m i t den S a d d u z ä e r n ist w a h r -

scheinlich als s e k u n d ä r e r Z u s a t z zu b e t r a c h t e n 1 9 7 . Sie stellt die V e r b i n d u n g z u j e n e r a n d e r e n häresiologischen T r a d i t i o n her, nach d e r D o s i t h e u s e r s t e r jüd. H ä r e t i k e r ist. D a g e g e n ist die V e r b i n d u n g v o n D o s i theus m i t d e r P r o p h e t e n e r w a r t u n g schlüssiger. D a ß D o s i t h e u s sich als P r o p h e t v e r s t a n d (im Anschluß an D t n 18, 1 5 . 1 8 ) , bestätigt n ä m l i c h O r i g e n e s . Contra Celsum 1 37 1 " 8 : Und nach den Tagen Jesu wollte audi der Samaritaner Dositheus die Samaritaner überzeugen, daß er der von Mose geprophezeite Christus sei, und schien einige durch seine Lehre gewonnen zu haben. E r berichtet f e r n e r Johannescommentar X I I I 27 § 1 6 2 1 ' 8 : So stand von Samaritanern ein gewisser Dositheus auf und behauptete, er sei der geprophezeite Christus, von dem bis jetzt die Dositheaner existieren, die Bücher des Dositheus besitzen und Mythen über ihn erzählen, daß er nidit den Tod geschmeckt habe, sondern irgendwo am Leben sei. Ähnlich n o t i e r t Euseb, T h e o p h a n i e 4 , 3 5 , daß Dositheus nach d e r Z e i t Jesu C h r i s t i a u f t r a t u n d den S a m a r . als P r o p h e t wie M o s e galt 2 0 0 . E p i p h a n i u s P a n a r i o n h a e r . 13, l 2 0 1 ( 3 7 4 — 3 7 7 n. C h r . ) berichtet v o n den D o s i t h e a n e r n , sie seien eine samaritanische Sekte, die Beschneidung u n d S a b b a t v o r s c h r i f t e n halte, den P e n t a t e u c h besitze, sich v o n Fleischg e n u ß f e r n h a l t e , J u n g f r ä u l i c h k e i t u n d E n t h a l t s a m k e i t hochschätze u n d 197

Caldwell 109.

1,8

T e x t : P.Koetsdiau, G C S 2. Leipzig 1899, 108 Z. 2 5 — 2 8 .

,M

T e x t : E. Preusdien, G C S 10. Leipzig 1903, 251 Z. 15—19. Die Nadiridit von Origenes, Dositheus habe den T o d nicht geschmeckt, sondern sei nodi irgendwo am Leben, klingt eigenartig vage. Zweifel ist an ihr audi deshalb geboten, weil wir sonst nirgendwo von einer Post-existenz des Dositheus hören und der samar. Prophet wie Mose als Mensdi gedacht war (s. u. S. 312). Nun wird man die Nachricht des Origenes nidit einfach bezweifeln können, sondern sie erklären müssen. Wir wissen aus den Pseudoclementinen, daß Dositheus den TiteUcrcoc = D57p trug.DSJj? aber hat nicht nur den Sinn .stehen', sondern daneben auch ,leben' (etwa M M I 17, 5). Entweder die Samar., vielleicht aber Origenes selbst haben diesen Titel im Sinne: Dositheus, der Lebende interpretiert.

200

Nachricht oben S. 117 wiedergegeben.

201

K . Holl, G C S 25. Leipzig 1915, 205 f.

9*

132

Die Zeit des Umbruchs

an die A u f e r s t e h u n g der T o t e n glaube. D i e Sekte sei so e n t s t a n d e n . D o s i t h e u s sei eigentlich ein J u d e gewesen. Panarion haer. 13, 1, 4 202 : Sich irgendwo in eine Höhle zurückziehend aus übermäßigem Weisheitsstreben blieb er töricht und heuchlerisch im Fasten, wie es heißt 803 , sod aß er aus Mangel an Brot und Wasser starb. Eulogius (bis 607 n. C h r . ) berichtet, d a ß die Samar. in zwei v e r f e i n d e t e P a r t e i e n zerfallen seien 2 0 4 . Die einen glaubten, Josua, der Sohn des Nun, sei es, von dem Mose gesagt habe: Einen Propheten wie midi wird Gott der Herr aus euren Brüdern erwecken (Dtn 18,15) 205 , die anderen erhoben dagegen Einspruch und verkündeten als diesen Propheten jemanden mit Namen Dosthes oder Dositheue. Dieser h a b e z u r Zeit des S i m o n Magus gelebt. E r h a b e die P r o p h e t e n u n d d e n E r z v a t e r J u d a geschmäht u n d Schriften hinterlassen 2 0 6 . E r h a b e die A u f e r s t e h u n g v e r w o r f e n . Eulogius m u ß als zuverlässiger Gew ä h r s m a n n gelten, d e n n er w a r bei einer Diskussion zwischen beiden samar. P a r t e i e n anwesend. S a h r a s t ä n l (1086—1153 n. Chr.) 2 0 7 b e m e r k t d e n n auch v o n d e n samar. H a u p t s e k t e n t r e f f e n d : Sie Alle kommen darin überein, daß in der Thora Einer nadi Müsa verheißen werde, und eine Trennung findet bei ihnen nur über die genauere Bezeichnung dieses Einen, oder über das, was zu diesem Einen nodi hinzukommt, statt 208 . 202

Text: K.Holl, GCS 25. Leipzig 1915, 206 Z. 11—13. Epiphanius zitiert also eine ihm vorliegende Quelle. 204 Text: Photius, Bibliotheca Cod. 230. MPG 103, 1084 D-1085 A. 205 Nach Montgomery hat Eulogius sich versehen, indem er die Gleichheit von Messias und Josua zu einer Identität beider machte (245 Anm. 162). :oo v g l . Angabe des Origenes oben. Aus Nag Hamadi ist eine Apokalypse des Dositheus bekannt geworden, die jedoch noch nicht ediert ist. Einige Bemerkungen bei J. Doresse, Les Livres Secrets des Gnostiques d'figypte. Introduction aux ecrits gnostiques coptes decouverts ä Khenoboskion. Paris 1958, 206—208. A. D. Crown, Some Traces of Heterodox Theology in the Samaritan Book of Joshua. BJRylL 50 (1967 f.) 178—198 hat versucht, in einer samar. Hs. des arab. Josua-Buches aus der John Rylands Library in Manchester einen älteren heterodoxen Teil festzustellen, der möglicherweise dositheanischer Herkunft sei. Crown sieht nun gerade in der Josua-Überlieferung ein Kriterium für dositheanisch, was mir angesichts der Nachricht des Eulogius nicht überzeugend erscheint. 207 Obersetzung: Th. Haarbrücker. Scharastini. Zur Vita: ebendort IX f. 209 Th. Haarbrücker 259. 2oa

Samaritanische Sekten

133

Wenn Dositheus der Kristallisierungspunkt einer spezifisch samar. Sekte war, dann müßten die meisten Nachrichten eigentlich von den Samar. kommen. D e m ist auch so. Zum Schluß sei daher auf den ausführlichen Bericht von Chronik II eingegangen 209 . Da J . Macdonald nur einen Teil dieser Chronik publiziert hat (bis Nebukadnezar), steht eine Edition dieses Textes noch lange aus. Grundlage der folgenden Zusammenfassung ist eine Transliteration, die J. Macdonald von der Hs. Η 1 angefertigt und mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Eingeordnet ist der Bericht über dwsys 210 bn pwply wie bei Abu'lFath im Anschluß an die römische Periode. Ein exaktes Wissen setzt diese Einordnung nicht voraus. Dusis stammt aus der jüdischen Gemeinde. Als er mit der Frau eines Ältesten der jüdischen Gemeinde geschlafen hatte, wurde er in Jerusalem zum Tode verurteilt. Und er sprach zu ihnen: .Tötet midi nidit! Dann gehe ich in die heilige Stadt Sichern und erneuere im Hause Ephraim zerstrittene Parteien'.

Dusis, der von den aus Ägypten herausgezogenen Mischvölkern abstammt (Ex 12, 38), zieht nun von Jerusalem nach *lDOi? ( = Sychar) zu einem frommen, weisen Mann mit Namen 1ΤΠ''· Doch sein Versuch, diesen Mann durch eine Hure vor der auf dem Garizim am Versöhnungstag versammelten Gemeinde als verkommen hinzustellen, schlägt fehl. So muß er nach Sökö 2 1 1 ziehen, wo er sich im Hause einer Witwe niederläßt und Bücher schreibt. Im Bewußtsein, von der samar. Gemeinde wegen seiner Schandtat verfolgt zu werden, setzt er sich jedoch ab. Zuvor instruiert er die Witwe, die ihn verfolgenden Männer zu einem Eintauchen in einen verzauberten Brunnen zu veranlassen. Darauf zieht Dusis sich in eine Höhle zurück. Da er aus ihr nicht herausgehen kann, stirbt er eines jämmerlichen Hungertodes, sein Leichnam wird von den Hunden gefressen. Ehe wir dem Bericht weiter folgen, sollten wir ihn mit Epiphanius vergleichen. Auch nach Epiphanius kam Dusis aus dem jüdischen Bereich. Audi nach Epiphanius starb er in einer Höhle, in die er sich — 209

210

211

Den entsprechenden Bericht des Abu'l-Fath hat detailliert Merx, Evangelien II, 2, 222. 225 ff. wiedergegeben. Er ist dem der Chronik II gleich. Der Name Dositheus ( = AcociOeoc) begegnet auch an anderen Stellen in den Formen Acocäc, Acoca, Δ ώ ε η (vgl. B. Lifshitz, Inscriptions de Cesaree en Palestine. R B 72 [1965] 98—107. Zu den Namensformen: 107). Das moderne es-Suweke nördlich von Tul Karm.

134

Die Zeit des Umbruchs

und das ist zweifellos die ursprünglichere Tradition — aus Weisheitsstreben und Askese zurückgezogen hat. Während Epiphanius ein „heuchlerisch" hinzufügt, verdreht Chronik II die Tradition resoluter. So schöpfen beide Überlieferungen aus einer gleichen Quelle. Der Hohepriester 'Aqbon schickt nun seinen Sohn bzw. Neffen Levi mit sieben Männern nach Sokö. Als sie auf die Witwe treffen, bei der Dusis gewohnt hatte, hören sie von Dusis Büchern und der Vorbedingung ihrer Erwerbung: dem Eintauchen in den Brunnen. Als der erste Mann wieder auftaucht und ausruft: Mein Glaube ist an dich, Jahwe, und an Dusis, deinen Knecht, und an sein Prophetenamt

erschlägt Levi ihn. Ebenso sprechen der zweite und der dritte, die darum das Los des ersten teilen. Schließlich steigt Levi selbst in den Brunnen und bekennt sich zu Dusis, dem Propheten Jahwes. Und sie nahmen das Buch des verfluchten Dusis und lasen in ihm und fanden in ihm Zusätzliches und Abzug.

Der eigentliche Bruch mit der Gemeinde erfolgt, als der erwähnte Levi — nach Sichern zurückgekehrt — am Passafest Ex 12 in der dosi2 1 2 . Als ihn das theanischen Fassung vorliest: statt aiTK in V. 22 Volk korrigiert, ruft er aus: Ihr steht alle unter der Strafe des Todes, denn ihr habt die Tage der Feste geändert und nidit an die Prophetie des Dusis geglaubt und den großen Namen, den Namen yy's, entheiligt und dem Propheten yy's nachsetzen und verfolgen lassen — dem zweiten Propheten, den yy vom Berge Sinai gesandt hat — wehe euch.

Levi wird zwar ob dieser Worte gesteinigt, seine Anhänger aber verbreiten die Irrlehre weiter und lassen sich in einem Dorfe nahe Jerusalem nieder. Als besonders charakteristische Lehre wird ihre Auferstehungshoffnung genannt: Und wenn einer bei ihnen stirbt, umbinden sie ihn mit einem Ephod, geben einen Stab in seine Hand und bekleiden seine Füße mit Sandalen (vgl. E x 1 2 , 1 1 ) in dem Glauben, daß . . . der Tote, den sie in seinem Grab verborgen haben, bald zu seiner Zeit aus dem Grab aufstehen und zum Garten Eden gehen wird.

Nadi einem recht nichtssagenden Bericht über Simon Magus werden dann die Gruppen aufgezählt, die von Dusis ausgegangen sind: da 212

Bedeutet nadi Merx, Evangelien II, 2. 226 Anm. 1 Thymian. Vgl. J . Levy, Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim. Vol. IV. Darmstadt 1963, 224 f. s. v.

nn?.

Samaritanische Sekten

135

stehen an erster Stelle die "Wisatf (Ebioniten), an zweiter Stelle die "•NlVipX oder " W ö j ? usw. 213 . So interessant der Versuch einer Charakterisierung und Identifizierung dieser Sekten wäre, wir können ihn hier nicht unternehmen. Uns geht es primär um Dusis und die ihn verehrende Sekte. Will man in diesen höchst widersprüchlichen Nachrichtenkomplex Ordnung bringen, dann muß man ganz strikt zwischen Nachrichten über Dositheus auf der einen und seiner Einordnung in einen HäresienKatalog auf der anderen Seite trennen. Die Verbindung des Dositheus mit anderen Häresien spiegelt ja weniger einen historischen Sachverhalt als eine theologische Konzeption wider: die Geschichte der Häresien ist eine einzige. Alle Häresien entspringen derselben Wurzel. Die Behauptung, Dositheus sei Urheber der Sadduzäer gewesen, ist solche theoretische Konzeption. Sie begegnet ohne weitere Nachrichten über ihn bei Hippolyt von R o m , von dem eine Reihe anderer Zeugen abhängen. Sie begegnet aber auch bei den Pseudoclementinen, Epiphanius und Eulogius 214 . Das weitere Material, das diese drei überliefern, macht aber ganz deutlich, daß aus der häresiologischen Verbindung mit den Sadduzäern keine historischen Schlüsse gezogen werden dürfen 2 1 5 . Ehe man über die Zeit des Auftretens von Dositheus reflektiert, muß man diejenigen Nachrichten ausmachen, die aus eigener Anschauung Kenntnis des Dositheus und seiner Sekte besitzen. Solche Kenntnis haben Vertreter der zweiten Uberlieferungsgruppe: die Pseudoclementinen, Origenes, Euseb, Epiphanius, Eulogius und Chronik II. Diese alle nämlich schildern Dositheus als Haupt einer samar. Sekte, von der er als Prophet wie Mose verehrt wurde, und der er Schriften hinterlassen hat 2 1 8 . S1S

Vgl. Merx, Evangelien II, 2. 222.

214

Eulogius spricht nur von einer Ablehnung der Propheten und der Auf-

215

Solche Schlüsse können auch nicht die rabbinisdien Nachrichten, Josephus

erstehung. und die samar. Chroniken stützen. Der Priester Dostai mag zwar nach dem Namen des Dositheus benannt sein. E r wird aber in eine fiktive Vorzeit gesetzt, ohne mit den Sadduzäern verbunden zu werden. Das gilt auch für Josephus und die samar. Chroniken. 219

Zu diesem Punkt vgl. Grant, Gnosticism 91. Beide Züge treffen auch auf die Sekte von Qumran zu: der Lehrer der Gerechtigkeit wird als Prophet wie Mose stilisiert (M. Delcor, Le Docteur de Justice, nouveau Mo'fse dans les hymnes de Qumran. Le Psautier ed. R. De Langhe. Orientalia et Biblica Lovaniensia IV. Louvain 1962, 407—423), und seine Bücher gelten der Gemeinde als Offenbarung. Aber man wird aus dieser Gleichheit nicht

136

Die Zeit des Umbruchs

Da Dositheus den Samar. bzw. seinen samar. Anhängern als Prophet wie Mose galt, war dieser Titel für die christliche Mission in Samaria entwertet. Die Pseudoclementinen, Origenes und Euseb berichten ziemlich gleichlautend, daß Dositheus die Samar. überzeugt habe, daß er der verheißene Prophet sei, und daß die Samar. ebendeshalb nicht an Jesus geglaubt hätten. Origenes und Euseb setzen Dositheus ausdrücklich in der Zeit nach Auftreten Jesu Christi an. So ist es überaus wahrscheinlich, daß Anhänger von Jesus und von Dositheus zu gleicher Zeit unter den Samar. missionierten. Undurchsichtig ist der Zusammenhang von Dositheus mit Simon, den die Pseudoclementinen und Eulogius behaupten 217 . Ein Gnostiker war Dositheus dagegen mit Sicherheit nicht. Der Dositheanismus war eine ausschließlich innersamar. Bewegung 218 , die die entscheidenden gnostischen Gedanken wie die salvator-salvandus-Konzeption 219 nicht teilte und viele Jahrhunderte lebte220. Sie entstand wahrscheinlich im 1. Jh. n. Chr. 221 . Zum Schluß soll noch auf J. Bowman, Pilgrimage to Mount Gerizim eingegangen sein, da Bowman hier die Bedeutung der Dositheaner für die samar. Religion herausarbeitet. Yusuf b. Salämä (11. Jh.) kennt Leute, die den Synagogengottesdienst für gleichwertig mit einer Wallfahrt auf den Garizim halten 222 . Die von Abu'l-Fath noch im 14. Jh. geSchlüsse ziehen können, solange keine nachweisbaren Zusammenhänge zwischen Dositheus und Qumran vorhanden sind. 217

Immerhin bleibt zu beachten, daß Horn β 24, 4 einen sachlichen Gegensatz zwischen Simon und Dositheus kennt. Nach Simon überliefert Dositheus

τα

μ α θ ή μ α τ α aus Unwissenheit nicht richtig. Simon wäre danach aus der Schule des Dositheus hervorgegangen. Und immerhin fällt auf, daß Sokö, wohin Dositheus floh, und w o er eine Gemeinde hatte, nur ca. 10 km südlich von Gitta, dem Heimatdorf Simons, liegt. 219

Ebenso R. McL. Wilson, Simon 29.

219

Vgl. C. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus. FRLANT 78. Göttingen 1961, 189 ff. Macdonald, Theology 36 rechnet mit der Möglichkeit, daß es zwei dositheanische Sekten gab, von der eine die Auferstehung leugnete, die andere aber akzeptierte.

220

Völlig willkürlich identifiziert B. Z. Lurie, On the History of the Jewish Community of Damascus. Eretz — Israel 4 (1956) 1 1 1 — 1 1 8 (hebr.) auf Seite 113 Rabbi Dustai aus Kok'bä' mit dem samar. Sektenführer (b. P e siqta 5 9 t _ Billerbeck IV. 378). 222 20. 221

Die Samaritaner im Spiegel jüdisdier Nachrichten

137

kannten dositheanisdien Sekten „tended to reject the sanctity of Gerizim, annulled festivals, exalted the Sabbath, and had very strict purity laws requiring frequent immersing". Höhepunkt dieser Bewegung sei das 4. Jh., als der Hohepriester Baba Dositheaner geworden sei 223 . Vor allem die samar. Diaspora, von den sichemitischen Priestern in Stich gelassen, sei für den Dositheanismus empfänglich gewesen. An die Stelle von Garizim-Prozessionen und Opfern traten Gebete 224 . Diese Darstellung Bowmans bedarf einer Überprüfung. Wir werden daher bei der Analyse der aram. Literatur auf dositheanische Elemente achten.

D. Die Samaritaner im Spiegel jüdisdier Nachrichten A m Dositheanismus sehen wir, daß sich die Samar. nicht einfach der Gnosis preisgegeben haben. So bestätigt Origenes, daß sie sich als νομομαθεΐο verstanden und bis zum Tode für das Gesetz und die Beschneidung gekämpft hätten (Matthäuserklärung XVII, 29 225 ). U n d Epiphanius schreibt von den Samar. allgemein: Panarion haer. 9, 2, 3 M e : Nachdem sie das Gesetz empfangen hatten, eilten sie, den Götzendienst abzuschaffen und den einen Gott zu erkennen. Sie besaßen (jedoch) nicht eine Sorgfalt, es genauer zu erkennen.

Dieser nomistisdie Charakter der Sekte zeigt sich nicht zuletzt an den vielen, meist ganz belanglosen, gesetzlichen Differenzen zwischen Samar. und Juden. Sie sind ja nicht künstlich geschaffen, sondern spiegeln ein nicht-pharisäisches Judentum wieder 227 . Vor allem das rabbinische Judentum setzt sich mit der samar. Halaka auseinander. Die rabbinischen Urteile und Nachrichten sind nicht nur handlich zusammengestellt worden von P. Billerbeck 228 , sondern auch von Montgomery 2 2 9 und von J . Jeremias 2 3 0 interpretiert worden. Diese Interpre223

21.

224

23.

Text: E. Klostermann, G C S 40. Leipzig 1935, 666 Z. 5—8. K . Holl, G C S 25. Leipzig 1915, 198 Z. 20—22. 227 V g i _ A. Geiger, Die gesetzlichen Differenzen zwischen Samaritanern und Juden. Z D M G 20 (1866) 527—573. 2 2 8 Billerbeck I. 538—560. 2 2 0 10. Kapitel 165—195. 2 3 0 Jerusalem 10. Kapitel: Die Samaritaner 387—394. Art. Σαμάρεια. ThW VII. 90 Z. 23—91 Z. 17. 225 226

138

D i e Zeit des U m b r u c h s

tation wollen wir hier voraussetzen. Lediglich drei Fragen wollen wir nachgehen: H a t sich im rabbinischen Schrifttum eine Erinnerung daran gehalten, daß die Samar. keine Heiden sind? Welche samar. Institutionen begegnen in diesem Schrifttum? Mit welchen theologischen Lehren setzten sich die Rabbinen auseinander? Wir hatten im vorigen Kapitel festgestellt, daß von der Mitte des 2. Jh. v. Chr. an im allgemeinen jüd. Polemik gegen die Samar. beginnt. Die Samar. waren aber in den Augen der Rabbinen noch keineswegs den Heiden gleichgestellt. Die Schwankungen, denen die jüdische Beurteilung unterlag, hat Jeremias herausgearbeitet 231 . Notieren wir nur die Stimmen, die die Samar. deutlich von den Heiden unterscheiden. R. Aqiba (gestorben 135 n. Chr.) spricht das Wort, die Samar. seien Ganzproselyten (Π0Χ , T'3) 2 3 2 , und R . S i m e o n b. Gamaliel (um 140) sagt 2 3 3 : Ein S. ist in jeder Hinsicht dem Israeliten gleich.

Der erste Satz des Traktates Kutim spricht die Haltung der Juden zu den Samar. zur Zeit der Mischna präzis aus 2 3 4 : D i e Wege der S. sind bald w i e die d e r

Nichtisraeliten ( D , U ) J bald

wie die der Israeliten, meist aber wie die der Israeliten.

So findet sich im 2. Jh. n. Chr. noch gebrochen die Einsicht, daß es sich bei den Samar. um Israeliten handelt. In diesem Zusammenhang sind auch ,Reste der Worte Baruchs' zu erwähnen (2. Jh. n. Chr.) 2 3 5 : bei den Samar. handelt es sich um babylonische „Juden", die bei der Rückkehr ins gelobte Land unter Jeremia nicht von ihren babylonischen Männern bzw. Frauen lassen wollen. Sie 231 232

Jerusalem 388—391. p. Git 1, 43", 61. Nach Billerbeck I. 538 und Jeremias 390 wollte A q i b a die S a m a r . „mit seiner freundlichen Stellungnahme" (so P . Billerbeck a a O ) zur Beteiligung a m B a r k 6 k b ä ' - A u f s t a n d bewegen. Doch steht hinter solchem Opportunismus wahrscheinlich ältere jüdische Uberlieferung. D i e Anschauung steht nicht unbestritten d a . N a c h anderer Überlieferung sind sie nicht wahre Proselyten, sondern Löwenproselyten: p. Git 1, 43 b . 61; Ü . : Billerbeck I. 539 (vgl. M o n t g o m e r y 176 f.).

233

Ζ. B. p. Berak 7, I I b , 12; Billerbeck I. 538 f.

234

Billerbeck I. 539.

235

T e x t und chronologische Einordnung: J . Rendel H a r r i s , The Rest of the Words of B a r u d i : A Christian A p o c a l y p s e of the Y e a r 136 A . D . L o n d o n 1889.

Die Samaritaner im Spiegel jüdischer Nachrichten

139

dürfen daher Jerusalem nicht betreten. Da ihnen auch die R ü c k k e h r nach Babylon verweigert wird, zogen sie 8, 8 f.2»«: an einen öden Ort, fern von Jerusalem. Sie bauten eine Stadt und nannten sie Samaria. Doch Jeremia schickt zu ihnen und läßt vermelden: ,Tut Buße! Es kommt ein Engel der Gerechtigkeit und führt euch, hin zu eurem hohen Ort*. Treffend arbeitet G. Delling heraus, „daß der A u t o r der par J e r die Samaritaner nicht als ehemalige Heiden betrachtet" 2 8 7 . Sehr viel später schließlich, im 12. J h . n. Chr., sehen wir, daß die samar. Gemeinde in Ägypten aufs freundlichste mit der jüdischen verkehrte (s. u. S. 147). In der T a t macht es die große Verbreitung der Samar. über Palästina wahrscheinlich, daß man mit den Samar. nie dogmatisch fertig war 2 3 8 . Das rabbinische Schrifttum berichtet einiges über die innere Ordnung der samar. Gemeinde. V o n samar. Priestern hören wir ζ. B. in dem Tosephta-Traktat Demai 3, 3 ( 4 9 ) 2 3 9 : Es darf ein israelitischer Priester mit einem samar. Priester (die priesterlichen Bezüge innerhalb des samar. Gebietes) teilen, weil er so (seinen Teil) aus der Hand jenes rettet; aber nicht im Lande Israel, weil er dadurdi den priesterlichen Rechtstitel jenes stärken würde. Neben den Priestern begegnet ein Patriarch der Samaritaner. I n b. Sanh 90" befragt er R . Mei'r (um 150) über die Auferstehung 2 4 0 . G e n R 94 (59 c ) begegnet er wieder als eine für die Lehre verantwortliche Person 2 4 1 . R. Mei'r sah einen Samar. u. sprach zu ihm: Von wem stammst du ab? Er antwortete: Von den Nachkommen Josephs. R. Mei'r sprach: Nein. . . . Von den Nadikommen Issaschars. Beweis: Gen 46, 13 zählt unter den Söhnen Issaschars einen gewissen auf. D e r Samar. geht darauf zum Patriarchen (Np'TlÖSN) und erzählt ihm die Diskussion. Me 287

238

239 240

241

Text: Rendel Harris 62; O.: Riessler 917. Jüdische Lehre und Frömmigkeit in den Paralipomena Jeremiae. BZAW 100. Berlin 1967, 52. Vgl. etwa den gemeinsamen Aufstand von Samar. und Juden 556 n. Chr. in Caesarea (M. Avi-Yonah, Geschichte der Juden 251 f.). Billerbeck I. 545. Ähnlich Traktat Kutim 22 (Montgomery 202). Billerbeck I. 552, wenn man der Konjektur Badiers folgt (Die Agada der Tannaiten II. Straßburg 1890, 68 Anm. 2). Billerbeck I. 559.

140

D i e Zeit des U m b r u c h s D e r Patriarch antwortete: Bei deinem Leben, aus den Nachkommen J o s e p h s hat er dich herausgebracht u. in die N a c h k o m m e n Issaschars hat er dich nicht hineingebracht.

Ob der samar. Patriarch mit gleichen Aufgaben betraut war wie der jüdische Nasi, der den gleichen Titel tragen kann, ist leider nicht zu klären 242 , p. A Z 5, 44 d Z. 37 (Venediger Ausgabe) berichtet von einem Gespräch, das Simeon b. Eleasar (um 190) in einer Stadt der Samar. mit einem samar. Lehrer (KIBO) führte 2 4 3 . Aus diesen Angaben ersehen wir, daß es im 2. Jh. n. Chr. in den samar. Gemeinden Personen gab, die sich mit Überlieferung und Lehre befaßten. Sie dürften darüber gewacht haben, daß die Gemeinde der Tora treu blieb. So erklärt sich das Wort von R . Simeon b. Gamaliel (um 140) 244 : Mit jedem Gebot, das bei den Samar. im Gebrauch ist, nehmen sie es genauer als die Israeliten. Sie sondern ζ. B. den Zehnten aus, wie es sich gehört 2 4 5 . In rigoroserer Weise als die Juden befolgen sie das Gebot der Beschneidung am achten Tag und die Sabbat-Vorschriften 246 . Montgomery hat zusammengestellt, in wie vielen Punkten die Juden den Samar. — unter Vorbehalt natürlich nur — Vertrauen entgegenbrachten: der Mazzen der Samar. war ebenso erlaubt 247 wie das Fleisch 248 und der Wein, sofern er versiegelt war 2 4 9 . Man vertraute dem Samaritaner, wenn es sich um das Begraben der Frühgeburt, die Erstgeburt eines Rindes, einen vierjährigen Baum, die Bezeichnung von Gräbern 2 5 0 und den Armenzehnten 242

Vgl. H . Mantel, Studies in the H i s t o r y of the Sanhedrin. H a r v a r d Semitic Series X V I I . C a m b r i d g e (Mass.) 1961, 175 ff.: Vorsitz des Synhedriums, Kalender, F a s t t a g etc.

243

Billerbeck I. 552. Mit S 1 D Ö kann ein T o r a k u n d i g e r (so im älteren rabbinischen Sprachgebrauch und N T ) oder ein Jugendlehrer oder Schreiber gemeint sein ( J . Jeremias, Art. γραμματεύο. T h W I. 740 f.).

244

p. Pes 1, 27b, 45; ü . : Billerbeck I. 543.

245

b. B e r a k 4 7 b ; Ü . : Billerbeck I. 545. Andere verschärfende Gesetzesauslegungen der S a m a r . hat L . Gulkowitsch, D e r kleine T a l m u d t r a k t a t über die Samariter, übersetzt und erklärt. Angelos 1 (1926) 4 8 — 5 6 auf den S. 49 bis 52 notiert.

246 24

Montgomery 170.

' K u t i m 24 (Montgomery 202).

248

K u t i m 17 (Montgomery 201).

249

K u t i m 25 (Montgomery 203).

250

K u t i m 16. Vgl. mit Montgomerys Übersetzung 200 die von Gulkowitsch 54.

Die Samaritaner im Spiegel jüdischer Nachrichten

141

handelt 2 5 1 . Ein Jude darf sein Vieh einem Samar. anvertrauen, seinen Sohn bei ihm ein Handwerk lernen lassen und sich von ihm das Haar schneiden lassen 252 . Eine wirkliche Differenz besteht dagegen bei der Leviratsehe D t n 25, 5 f., die sie nur mit der Verlobten des Bruders eingehen, nicht aber mit seiner Frau 2 5 3 . Das, was wirklich den Samar. vom Juden trennt, formuliert der letzte Satz des Traktats Kutim 2 5 4 : Von wann an nimmt man die Samar. als Proselyten auf? Wenn sie den Berg Garizim verleugnen u. sich zu Jerusalem u. zur Auferstehung der Toten bekennen. Von da an u. weiter gilt: Wer einen Samar. beraubt, ist wie einer, der einen Israeliten beraubt (der Samar. ist in allen Stücken dem Israeliten gleich).

Die Diskussion zwischen Juden und Samar. drehte sich auch nach weiteren jüd. Nachrichten vor allem um die Auferstehung 2 5 5 , die die Samar. bestreiten sollen 256 . Doch läßt sich aus dem samar. Räume selbst diese Lehrmeinung nicht belegen. Daß auch die jüd. Tradition wußte, daß die Samar. die Totenauferweckung lehrten, könnte b. Sanh 90 b zeigen 257 . Der Patriarch der Samaritaner fragte den R. Mei'r (um 150) u. sprach: ,Idi weiß, daß die Entschlafenen wieder aufstehen werden'.

Audi Kirchenväter nahmen an dieser ,Irrlehre' Anstoß. Origenes schreibt in seiner Matthäuserklärung, Sadduzäer wie Samaritaner würden eine Existenz der ψυχή nach dem Tode ablehnen ( X V I I 2 9 2 5 8 ) . Und Epiphanius, Panarion haer. 9, 2, 3 f. 2 5 9 hebt neben dem Verzicht auf die Propheten als häretische Meinung der Samar. hervor, daß sie die Auf251

Kutim 8.

252

Kutim 13. Der Lehrsatz, die samar. Frau sei menstruierend ( = unrein) von der Wiege an, zielt natürlich auf Unterbindung von Mischehen (Montgomery 181).

253

b. Qid 75t> bei Billerbeck I. 546 f.

254

Billerbeck I. 548 f.

255

Billerbeck I. 551 f. bringt Belege.

259

Nach Montgomery leugnete man nur die Auferstehung des Leibes, nidit die Unsterblichkeit der Seele (187). Doch vgl. das folgende Origenes-Zitat.

257

O.: Billerbeck I. 552, wenn man der Konjektur Bachers folgt (s. o. S. 139 Anm. 240).

258

Text: E. Klostermann, GCS 40. Leipzig 1935, 665 Z. 32—666 Z. 8. Vgl. in Numeros Homilia X X V ,

1. W. A. Baehrens, GCS 30. Leipzig 1921, 233

Z. 19 ff. 259

H . Koll, GCS 25. Leipzig 1915, 198 Z. 24—199 Z. 2.

142

Die Zeit des Umbruchs

erstehung der Toten leugneten. Dieser Punkt bleibt traditionsgeschichtlich zu klären 260 . Audi der Garizim war Gegenstand des Streites. Daß der Berg einst einen Tempel trug, wird ebensowenig erwähnt wie irgendein Opferkult auf ihm. Der ganze Berg gilt den Samar. als gesegnet — ein Topos, der wohl auf Dtn 11, 29 und 27, 12 beruht. Als Grund des Segens führt ein Samar. an 261 : „Weil er vom Wasser der Sündflut nicht überschwemmt worden ist". Die Hochschätzung des Garizim spiegelt sich auch in dem Brauch, die Beschneidung auf den Namen des Berges Garizim zu üben2®2. Audi wenn manche Rabbinen die Samar. von den Heiden unterscheiden, war diese Beurteilung doch nur ein Durchgangsstadium, p. AZ 5, 44 d Z. 55—67 (Venediger Ausgabe) berichtet, R . Abbahu (um 300) habe den Wein der Samar. verboten 263 . Als Gründe werden genannt: die Samar. hätten unter Diocletian Trankopfer dargebracht — sie hätten einem Götzen, der wie eine Taube aussieht, geopfert 264 . Die Samar. von Caesarea fragten den R. Abbahu (dessen Wohnsitz Caesarea war): ,Eure Väter haben von dem Unseren gegessen, warum esset ihr nicht von dem Unseren?' E r antwortete ihnen: ,Eure Väter haben ihre Handlungen (ihren Wandel) nidit verderbt, ihr aber habt eure Handlungen (heidnisch) verderbt'.

Mit dem Verbot der samar. Lebensmittel war jeder Verkehr zwischen beiden Gruppen zunichte geworden265. Die förmliche Exkommunikation war der nächste Schritt. Dieser Entwicklung lag jedoch kein Abfall der Samar., sondern eine konsequente Durchsetzung des Pharisä260

Ob die (falsche) Verbindung mit den Sadduzäern zu dieser Tradition führte? Die Sadduzäer leugneten die Auferstehung: Bousset, Religion 193; Billerbedi IV. 344. Da der Name O'JVD bald jedem „Häretiker"

angehängt

wurde, könnte eine sadduzäische Lehre auf die Samar. übertragen worden sein. 261

GenR 32 (19 d ); Ü . : Billerbeck I. 549. Eine Diskussion zwischen einem Samar. und R. Jonathan (b. Eleasar, um 220).

262

Billerbeck I. 544. Enthalten in einer Lehrmeinung des R. J e huda um 150 n. Chr., Tosephtatraktat Aboda Zara 3 , 1 2 f. (464). Montgomery interpretiert: „with the intention of attaching the person to the community of Gerizim" (170 f.) — analog christlichen Taufformeln (171 Anm. 13).

265

Billerbeck I. 553.

2β4 vgl.

2U

dieser seltsamen Ausführung Montgomery 320 f., Jeremias, Passah-

feier 60. Wird hier vielleicht auf den synkretistischen Garizim-Kult am H a drians-Tempel angespielt? 265

Montgomery 192.

Zusammenfassung und Erwägungen

143

ismus zugrunde 266 . So kommt im 4. Jh. n. Chr. eine Bewegung zu ihrem Ende, die am Ende des 4. Jh. v. Chr. begonnen hatte: die Trennung einer israelitischen Gemeinde in Samaria von einer jüdischen in Judäa.

E. Zusammenfassung und Erwägungen Es ist eine seltsame Paradoxie, daß wir aus der ersten Blütezeit der Gemeinde zu Sichern im 3./2. Jh. v. Chr. wenige Nachrichten haben, daß aber diese Nachrichten vom 1. Jh. n. Chr. an reichlich fließen, während die samar. Gemeinde unter äußerem Druck lebte. Man muß dieses Phänomen wohl so erklären, daß die Vernichtung Sichems zu einer Zerstreuung der Sichem-Gemeinde über Palästina führte. Samar. und Juden kamen in Berührung miteinander. Dieser Kontakt aber hatte Auseinandersetzung zur Folge. Die Rabbinen diskutierten mit den Samar. und schufen Regeln, wie man mit ihnen verkehren durfte. Der Samar. wird aus der Gemeinde Israels ausgeklammert. Die zahlreichen Nachrichten, die wir haben, sind daher tendenziös entstellt. Andererseits gewähren sie einen ersten Einblick in die antike samar. Gemeinde. Diese Gemeinde hatte vom Beginn des 2. Jh. n. Chr. an in ihrer Mitte einen Tempel des Zeus Hypsistos bzw. Olympios. Dieser Kult verband alte israelitische mit heidnischen Traditionen, da sein samar. Hieros Logos Abrahams Opfer am Argarizim vor dem Zeus Hypsistos war. Irgendwann (vielleicht schon im 2. Jh. n. Chr., spätestens im 4. Jh. n. Chr.) baute sich die Gemeinde auf dem Garizim ein neues Gotteshaus: eine Synagoge in Luza auf dem Hauptgipfel des Garizim. Die Unruhe, die die samar. Gemeinde ergriffen hatte, zeigt sich in dem Auftreten immer neuer Heilsgestalten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Männer an samar. Traditionen anknüpften, die älter als sie selbst waren. Da trat (im 1. Jh. n. Chr.) ein Mann auf, der den Samar. die auf dem Garizim vergrabenen heiligen Kultgeräte des Mose zu zeigen versprach. Im 5. und 6. Jh. n. Chr. krönten die Samar. plötzlich Könige, die ihrem Volk mit dem Schwert die Freiheit schenken wollten. 2M

Montgomery 193. Als Beispiel für samaritanisdie Polemik gegen Juden zu späterer Zeit (11. Jh.) sei verwiesen auf den Aufsatz von A. S. Halkin, Samaritan Polemics. Punkte der Diskussion: die Zugehörigkeit der Samar. zu Israel, die Abstammung der Hohenpriester, die Heiligkeit des Garizim, die Passaschlachtung audi an anderen Orten als dem erwählten etc.

144

Die Zeit des Umbruchs

Simon Magus aus Gitta wurde im 1. Jh. n. Chr. als Stehender und als die Große Macht bezeichnet. In ihm sei die höchste Gottheit niedergestiegen, um sich mit der gefallenen Ennoia wieder zu vereinigen. Um die gleiche Zeit verkündete ein gewisser Dositheus sich als den Propheten wie Mose, auf den die Samar. schon immer gewartet hatten. Sein Anhang scheint nicht unbedeutend gewesen zu sein. Daß die Gemeinde in diesem Strudel ersehnter Erfüllung nicht unterging, dürfte in ihrem Nomismus begründet gewesen sein. Soweit wir sehen, war es ja gerade die Treue zur Tora, die die Gemeinde in den Konflikt mit dem Staat trieb. Dieser Konflikt setzte die Kraft älterer soteriologischer bzw. eschatologischer Traditionen frei. Was in den vorangegangenen Zeiten tradiert wurde, schlägt jetzt in geistige und politische Bewegungen um.

V. D I E SYNAGOGE Die formgeschichtliche Methode verbindet seit ihrem Anfang die Analyse der Form mit einer Untersuchung des Ortes und des Zweckes der Formulierung. Achtet man daher auf diese Stätte der Tradition, den Sitz im Leben, dann fällt bei den Samar. der Blick auf eine Institution, der bis heute noch keine einzige Arbeit gewidmet ist, nicht einmal ein Aufsatz oder Kapitel eines Buches: die Synagoge. Daß man die Samar. bei der Erforschung der Umwelt des Neuen Testamentes so vernachlässigte, ist ja nicht nur in der schwierigen Quellenlage begründet. Man hielt vielmehr die Samar. für eine um den Garizim konzentrierte Gemeinde, deren Ausstrahlung nur gering zu veranschlagen sei. Schräge erwähnt in dem Artikel Συναγωγή (ThW) mit keinem W o r t samar. Synagogen. In der T a t : gäbe es diese Synagogen nicht, dann wäre die Ausstrahlungskraft der samar. Religion nicht hoch zu veranschlagen. Doch ist das Bild falsch. In Wirklichkeit waren die samar. Gemeinden nicht nur über Palästina 1 , sondern über das ganze Imperium Romanum verbreitet und hielten an ihren Wohnsitzen Gottesdienste in Synagogen. So ist es eine vordringliche Aufgabe, alles noch greifbare Material über die Wohnsitze der Samar. und ihre Synagogen zusammenzustellen.

A. Wohnsitze und Synagogen der Samaritaner 1. Wohnsitze und Synagogen außerhalb

Palästinas

Direkte Nachrichten über außerpalästinische Synagogen begegnen nur sporadisch. Wir stellen daher einfach alle Nachrichten über die samar. Diaspora zusammen und versuchen anschließend eine Auswertung. Samaritaner lebten seit dem 4. J h . v. Chr. in Ägypten, wie wir von Josephus erfahren (Ant. X I § 345; X I I § 7 — 1 0 ; X I I I § 74—79) 2 . In die1

Vgl. sdion Apg 8, 25, wo von vielen Dörfern der Samar. die Rede ist.

2

Weitere Nachrichten hat Schürer I I I 45 f. 51 f. zusammengestellt. Ein ausführlicher Abschnitt audi bei I. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 140 bis 145. Von einem Ort mit Namen Σαμάρεια im Fayüm legen Papyri des

10 K i p p e n b e r g

146

Die Synagoge

sen Nachrichten tritt uns eine große Gruppe v o n Samar. entgegen, die sich für samar. Gedankengut einsetzte. Im Anfang des 2. Jh. n. Chr. scheint aber auch der Synkretismus-der Kaiserzeit an den ägyptischen Samar. nicht spurlos vorübergegangen zu sein 3 . V o n einem Samar. in R o m berichtet Josephus (Ant. XVIII § 167), v o n einer samar. Synagoge der Ostgotenkönig Theoderich. Cassiodorus Senator überliefert in seinen Variarum Libri D u o d e c i m einen Brief dieses Königs aus der Zeit 507/511 n. Chr., in welchem dieser v o n einer Kirche schreibt: Variarum III 45,2 4 : Jetzt aber existiert (das Volk) des samar. Aberglaubens, das (noch immer) mit dreister Stirn fortlebt, welches mit unbilligen Bemühungen fälsdilich vorgibt, daß sie (sc. die Kirche) eine Synagoge gewesen sei5. Auch die Verehrung des Simon Magus in R o m spricht für die Existenz einer samar. Gemeinde. „Daß die Samaritaner überhaupt im römischen Reiche noch in der späteren Kaiserzeit nicht o h n e Bedeutung waren, erhellt aus der kaiserlichen Gesetzgebung, welche mehrfach auf sie Bezug nimmt" (Schürer®). So finden wir i m Codex Theodosianus X V I 8 den Abschnitt: D e Iudaeis, Caelicolis et Samaritanis 7 . Ein Gesetz, das 3. Jh. v. Chr. Zeugnis ab (V. A. Tcherikover — A. Fuks, Corpus Papyrorum Judaicarum I. Cambridge [Mass.] 1957, 5 Anm. 12; 158—161; 171 f.; 237). Eine Scheidungsurkunde der späten byzantinischen Zeit handelt von Mann und Frau, „Samaritaner der Religion nach" (Corpus Papyrorum Judaicarum III. Cambridge [Mass.] 1964, 102—104). s 4 5 6

7

S. o. S. 123 f. (Brief Hadrians). Text: Th. Mommsen, MG AA X I I . Berlin 1894, 101 Z. 10 f. Eine samar. Synagoge war also in eine Kirche verwandelt worden. III 67. H . Dessau, Samaritaner kommt zu einem völlig verfehlten Schluß. „Von einer Verbreitung der Samaritaner im römischen Reiche weiß weder Justin noch sonst ein christlicher Autor der älteren Zeit". Eine samar. Propaganda „hatte nicht den Rückhalt an einem zeitweise kräftigen Staate wie die jüdische an dem der Makkabäer, und ermangelte des eindrucksvollsten Teiles der jüdischen Literatur, der Psalmen und Propheten". Abgesehen vom letzten Geschmacksurteil ist alles nachweislich falsch: Justin setzt Samar. in Rom voraus (s. o. S. 123 f.), im Königreich des Herodes des Großen waren sie eine bevorzugte Gruppe (s. o. S. 95), im l . J h . n . C h r . reichte ihr Einfluß zur Abberufung des Pilatus (s. o. S.114). Text: Th. Mommsen — P.M.Meyer, Vol. I, Teil 2. 2. A. Berlin 1954, 889 bis 895.

Wohnsitze und Synagogen der Samaritaner

147

die Samar. explizit nennt, stammt aus dem Jahre 390 (XIII, 5,18) 8 und befreit die Synagogengemeinde (Alexandrias) von der Pflicht, daß jeder einzelne einen Beitrag zur Ausrüstung von Schiffen zu leisten hat 9 . Auch in den Kaiserbiographien werden die Samar. genannt. Vopiscus teilt den Brief Hadrians mit, nach dem Juden, Samaritaner und Christen in Alexandria allesamt Astrologen, Wahrsager und Quacksalber seien. Lampridius sdireibt Antoninus Heliogabalus (218—222 n. Chr.) die Absicht zu, dem Kult des von ihm verehrten Elagabal audi die Religionen der Juden und Samar. zuzuführen (Aelius Lampridius, Antoninus Heliogabalus 3, 5 10 ). H. Dessau allerdings sieht an beiden Stellen der Kaiserbiiographien ein und denselben „Schwindler" am Werke 11 . Doch will mir das nicht einleuchten. Während die erste Nachricht die Samar. recht negativ beurteilt, räumt ihr die zweite eine redit bedeutende Rolle ein. Aber diese zugedachte Rolle ist auch wiederum nicht so gewichtig, daß die Nachricht als tendenziös zu beurteilen ist. Und selbst wenn hier ein Schwindler zu Worte käme, dann müßte er doch mindestens ein Zeuge seiner Zeit sein (nach Dessau Ende des 4. Jh.). Doch scheinen mir beide Nachrichten die samar. Religion keineswegs überzubetonen, sondern ihr untendenziös die Rolle einzuräumen, die sie im 4. Jh. und wahrscheinlich auch schon früher in Ägypten und Rom gespielt hat 12 . Von Samar. in Athen sprechen Grabinschriften 18 . 8 β

Mommsen — Meyer I, 2. 752. Vgl. Montgomery 105 f.

10

Text: Scriptores Historiae Augustae Vol. I ed. E. Hohl. Bibliotheca Teub-

11

Samaritaner 126.

12

A. Cowley hat unter den Fragmenten der Kairo Geniza zwei samar. Briefe

neriana 159*. Leipzig 1955, 225 Z. 11—14.

aufgetan und publiziert (Samaritana I.Samaritan Dealings with Jews.II. An Alleged Copy of the Samaritan Pentateuch. J Q R 16 [1904] 474—484). Der erste ist von einem Priester mit Namen Joseph, der ihn im 12. Jh. n. Chr. schrieb u. z. erstaunlidierweise in hebr. Quadratschrift. Grund: ]ΓΟΠ ^OV wendet sich an die jüd. Gemeinde und bittet sie, daß sie für ihn — den Zimmermann — beim Vorsteher der Zimmerleute ein gutes Wort einlegt, damit sein Lohn zum Leben reicht. Beide Briefe zeigen, daß die Samar. freundlich mit den Juden in Kairo verkehrten und von den Juden auch als mehr oder weniger zugehörig betrachtet wurden (Cowley 477). 11

10*

Inscriptiones Graecae I I / I I I 2 10219—10222. Berlin 1940.

148

Die Synagoge

Die Inschrift einer samar. Synagoge hat man in Thessalonike entdeckt 14 . Es handelt sich um eine Marmorplatte, die die Synagogenmauer nahe dem Eingang zierte. Die Inschrift beginnt mit den in samar. Buchstaben geschriebenen Worten: oVlS*? UTlVx " j m . Es folgt N u m 6, 22—27 in griech. Ubersetzung, die von der LXX unabhängig ist und dem hebr. Text von SP (in der zweiten Zeile von ST) folgt. Man wird diesen Text mit aller Wahrscheinlichkeit dem Samareitikon zuzurechnen haben. Auf den griech. Bibeltext folgt die hebr. Wendung: fna DblS?1?. Der Rest der Inschrift ist wieder griechisch. Nach einem EIc θεόο folgt eine Segnung von Siricius, welcher die Inschrift (oder Synagoge) gefertigt hat, zusammen mit Frau und Kindern. „Möge Neapolis wachsen zusammen mit denen, die sie (Siricius und Familie) bzw. es (Neapolis) lieben." Sollte mit diesem Siricius der im 4. Jh. n. Chr. lebende und aus Neapolis stammende Gelehrte gemeint sein, was plausibel ist, hätten wir ein Datum für Inschrift bzw. Synagoge. Ein schwacher Versuch, die samar. Religion in den griech. Raum zu tragen, könnte das Samareitikon gewesen sein, die Übersetzung des SP ins Griechische. P. Glaue und A. Rahlfs haben im Jahre 1911 „Fragmente einer griechischen Übersetzung des samaritanischen Pentateuchs" herausgegeben, kommentiert und ausgewertet 15 . Die Fragmente wurden in Ägypten gefunden und werfen Licht auf die ägyptische Diasporagemeinde. Daß die hier vorgelegten Fragmente einer Bibelhandschrift samar. Herkunft sind, ist durch die Lesart Dtn 27, 4 bewiesen, wo statt har 'ebäl Αργαρ[ι]ζιμ steht. Außerdem stimmen die griechische Übersetzung und das ST in der Wiedergabe von D'IpT Dtn 25, 7 f. überein: Samareitikon — ουυετοί, Targum — ρΰΌΠ 1β· ZT stimmt die samar. Version mit der LXX überein. So ist — nach Glaue — die samar. Wiedergabe von Hin·» durch κύριοο (Dtn 27, 5 f.; 29, 22 f.) „von den Juden entlehnt, denn nur die Juden, nicht die Samaritaner ersetzen das Ketlb 14

B. Lifshitz — J. Schiby, U n e synagogue samaritaine ä Thessalonique. RB 75 (1968) 368—378. Dieser Fund war v o n d e m griech. Archäologen Stratis Pelikides gemacht und 1953 mündlich, 1955 schriftlich veröffentlicht worden.

15

Mitteilungen

des Septuaginta-Unternehmens der Königlichen

Gesellschaft

der Wissenschaften zu Göttingen. Band 1, Heft 2. Berlin 1911, 29—68. 16

Zu 25, 8 vgl. aaO S. 47. Dieselbe Ubersetzung in einem Genesisfragment, das A. Rahlfs daher als samaritanisch anspricht (Nachtrag: Ein weiteres Fragment der griechischen Ubersetzung des samaritanischen Pentateuchs. A a O 65 ff.).

Wohnsitze und Synagogen der Samaritaner ΠΙΠ1·

durch das Q e r e

149

D i e U b e r s e t z u n g schließt sich e n g e r als

die L X X an den G r u n d t e x t an, ihre Sprache ist j ü n g e r als die d e r L X X . D a h e r m u ß die Ü b e r s e t z u n g in d e m Z e i t r a u m zwischen der E n t s t e h u n g der L X X des Pentateuchs (3. J h . v . C h r . ) u n d Origenes e n t s t a n d e n sein, da sie m i t d e m v o n Origenes in seiner H e x a p l a 1 8 zitierten

Σαμαρειτικόν

identisch sein m u ß 1 9 . Interessant ist der Z u s a m m e n h a n g m i t der L X X 2 0 . H a t t e sich vielleicht schon v o r der endgültigen T r e n n u n g der G e m e i n d e n die L X X i m samar. Bereich durchgesetzt (vgl. die B e n u t z u n g der L X X durch P s e u d o - E u p o l e m u s o. S. 8 2 ) oder liegt hier spätere

Übernahme

vor?21 D i e Ü b e r s e t z u n g w u r d e wahrscheinlich i m

Diaspora-Gottesdienst

g e b r a u c h t u n d ist s o m i t ein Z e u g e f ü r die E x i s t e n z s a m a r . S y n a g o g e n in

Ägypten.

Solche

samar.

Ubersetzungen

scheint

audi

Epiphanius

(4. J h . n. C h r . ) z u meinen, w e n n er schreibt De mensuris et ponderibus (graec) 16 2 2 : Zu der Zeit des Severus 23 (gab es) einen gewissen Symmachus, einen Samar. aus dem Stand der Weisen 24 . . . . Dieser Symmadius nun über17

Allerdings ist das Problem für den jüdischen Bereich verwickelter, vgl. die Zusammenfassung bei Ph. Vielhauer, Ein Weg zur neutestamentlichen Christologie? E v T h 25 (1965) 2 4 — 7 2 : 28 ff. Für den samar. Bereich muß bedacht werden, daß hier Γ Π 0 Gottesprädikat ist (ζ. B. M M I I I 78, 4).

18

T e x t : F . Field, Origenis Hexaplarum quae Supersunt. Vol. I / I I .

Oxford

1875. 19

Vgl. dazu Glaue 61 ff. und P. Kahle, Untersuchungen 23—25. Die Auswertung aller Lesarten des Samareitikon ist Desiderat. Zusammenstellung bei Field, Vol. I . L X X X I I I .

20

Vgl. C . C o l p e , Art.Bibelübersetzungen. KleinerPauly 1, 8 8 8 Z . 8ff.: „Schließlich ist audi der samaritanische Pentateudi als ΣσμαρΕίτικόν unter Heranziehung der L X X ins Griechische übersetzt worden".

21

S. Kohn, Samareitikon und Septuaginta. M G W J 38 (1893/4) 1 — 7 ; 49—67 vertritt die Ansicht, das Samareitikon sei direkt nach dem Targum übersetzt worden. Das widerspricht jedocii sowohl dem Charakter des Samareitikon (vgl. P . Kahle, Untersuchungen 24 f.) und ist audi vom Targum her unwahrscheinlich, da es ja keine allgemein akzeptierte aram. Übersetzung gab, sondern nur viele Versionen (vgl. u. S. 158 f.).

22

M P G 43. 264 B, C.

23

193—211 n . C h r .

24

Es folgt die Beschreibung seiner Konversion zum Judentum, vgl. Jeremias, Jerusalem 390 Anm. 16.

150

Die Synagoge setzte gemäß 25 der Verkehrtheit der samar. Übersetzungen 26 und gab die dritte Übersetzung (sc. des A T ins Griechische) heraus.

An dieser Nachricht ist Zweifel geübt -worden27. Doch ist nicht zu übersehen, daß Epiphanius — auch sonst über die Samar. ausgezeichnet informiert — mit den co ein großer Gelehrter. 11. "TOS p l | R v W p ' n a gab er (den Bezirk) vom galiläisdien Gebirge bis zum Strom, zum Libanon und alle Dörfer im Gebirge. Und der Priester ITT ben Levi.

An zwölfter Stelle steht nach Montgomery Sichem-Neapolis, das in der Liste nicht extra genannt zu werden brauchte 128 . Wie verhält sich nun diese Ordnung zu den zuvor genannten Neuerungen? Wenn es in Chronik VII heißt, Bäbä habe alle Weisen und Priester aus allen Orten kommen lassen und ihnen die Gesetzesverkündigung anvertraut, dann waren diese Männer offensichtlich schon vorher über das Land verteilt. Das scheint mir den Sachverhalt zu treffen. Die Tolidä nennt nämlich zwei Priesterschaften: die Aaroniten, die zur Familie des Hohenpriesters gehören, und die Ithamariten, die keinen Anspruch auf die Hohepriesterwürde hatten (vgl. Ex 6, 23; IChron 24, 4 ff.). Die Aaroniten habe Bäbä auf die Stadt der Samar. und ihre Städte und Dörfer verteilt und die Ithamariten auch — wohin wird nicht gesagt. Vielleicht darf man zur Erklärung auf eine Eigenart der „Diözesan"-Anordnung hinweisen. Die in der Liste genannten Bezirke zerfallen nämlich deutlich in zwei Gruppen. Bei der ersten grenzen die äußersten Spitzen der Bezirke an den Garizim: Luza (Nr. 1), Sychar (Nr. 2), der Osten des Garizim (Nr. 3), K e par Hälül (Nr. 4) und der Gute Berg (Nr. 7). Diese fünf Bezirke umfassen das Gebiet der Landschaft Samaria, mit einigen Ausdehnungen im Norden. Auf diese Bezirke paßt die Bezeichnung der den Aaroniten zugeteilten Orte genau („die Stadt der Samaritaner und ihre Städte und Dörfer"). Die hohepriesterliche Familie regierte ihr Stammland von dem Stammgebiet um Sichern aus. N u n erlaubt die Anordnung dieser fünf Bezirke m. E. noch weitere Schlüsse. Ganz betont am Anfang der Liste steht Luza. Damit ist eine Siedlung auf dem Garizim gemeint, und zwar nördlich, südlich und westlich der späteren Theotokos-Kirche. In diesem Flecken — so wissen wir — hat Bäbä Rabbä eine Synagoge gebaut. Die Voranstel124

Zwischen Tyrus und Sarepta. 125 Vielleicht ist der Öebel el-Mäni' südlich von Damaskus gemeint. 126

Samaritans 150. Ebenso I. Ben-Zevie, Buch von den Samaritanern 24 (der nur allgemein von 12 Bezirken spricht).

Die Neuordnung durch Babä Rabba im 4. Jh. n. Chr.

167

lung dieses Ortes in der Liste muß bedeuten, daß dieser Ort und sein Heiligtum vor allen anderen Orten dominierte. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Bezirke, die außerhalb des samarischen Landes liegen. Da sie fern vom Garizim lagen, lebten in ihnen keine Aaroniten. Hier fungierten Ithamariten als Priester. Daß Bäbä bei dieser Neuordnung vielleicht an alte Bezirke für die Einnahme des Zehnten angeknüpft hat, hat Montgomery vermutet 127 . Zugleich hat er angenommen, als wichtigster zwölfter Distrikt sei Sichem-Neapolis zu ergänzen. Beide Überlegungen sind m. E. zu modifizieren. Wichtigster Ort der Liste ist Luza = Bethel auf dem Garizim, Dieser Ort ist allen weiteren Orten an Bedeutung überlegen. Die Liste setzt diese Rangordnung voraus, daran ist nicht zu rütteln. Einen besonderen Distrikt Sichem-Neapolis kennt die Liste nicht. Es ist m. E. naheliegend, diese innere Struktur der Liste mit einem äußeren Formmerkmal zusammenzuschauen. Ihre Form begegnet auch im jüd. Bereich. Auf Inschriften werden die jeden Sabbat abwechselnd zum Tempel hinaufziehenden bzw. einst hinaufgezogenen Priesterabteilungen aufgezählt und an einem bestimmten Ort lokalisiert 128 . Diese jüd. Listen nennen nur die über Galiläa verstreuten Priester. Daß es nicht von Anfang an 24 Abteilungen waren, zeigt Jeremias 129 . Mit den Priestern zogen zugleich auch Laien nach Jerusalem. Die samar. Liste nennt zwar nicht wie die jüdischen einen Geschlechternamen. Sie nennt vielmehr konkret den Laien und den rangältesten Priester. Das mag auf ein Abbrechen alter Tradition deuten. Doch die Zuweisung eines bestimmten Gebietes an einen Priester ist als Fortleben einer alten Kultordnung zu begreifen. Daß der Priester in ihm den Zehnten einzog, ist sehr wahrscheinlich. Bäbä Rabbä — so hörten wir — eröffnete die Synagogen und regelte den Synagogengottesdienst. In dieser Zeit entstand der Grundstock des sog. Deiters - διφθέρα das Buch). Dieser älteste Teil des Detters (aramäische Sprache) besteht aus dem Durrän, Hymnen 127

Samaritans 150.

us v g i . m . Avi-Yonah, The Caesarea Inscription of the Twenty



Four

Priestly Courses. The Teacher's Yoke: Studies in Memory of Henry Trantham. Waco 1964, 46—57, sowie zuvor sdion A List of Priestly Courses from Caesarea. I E J 12 (1962) 137—139. 128

Jerusalem 224.

168

Die Synagoge

Amrams und Marqäs sowie aus einem Stück von Nänä b. Marqä 130 . Zu diesem Grundstock wurden dann (vor allem im 11./12. Jh. und 14. Jh. n. Chr.) weitere Hymnen hinzugefügt 131 . Bis zum 14. Jh. war der Defter das Corpus Liturgicum, verwandt für alle Feste132. Vom 14. Jh. an wurden dann die Liturgien für die einzelnen Feste ausgebildet, alle in hebräischer Sprache133, während der Defter auf den Sabbat-Gottesdienst beschränkt wurde 134 . Bei unserer Analyse der aram. Literatur werden wir auf liturgische Elemente zu achten haben, um auf diese Weise zu erfahren, welche der späteren Gottesdienst-Ordnungen bereits bekannt sind 135 . In der Epoche Bäbä Rabbäs lebte nun auch Marqä. Nach der oben zitierten Listenangabe 136 ist Marqä der Sohn Amrams. Dieser Amram war geistliches Haupt in dem Bezirk K e par Hälul bis Bet Säb(p)at. Nach unserer Vermutung war dieser Bezirk unter aaronitischer Leitung. Marqä würde dann aus der Familie des Hohenpriesters stammen. Ob er seinem Vater in der geistlichen Leitung des Bezirkes nachfolgte, muß leider offen bleiben. Daß Marqä in besonderer Weise mit diesem Bezirk verbunden war, gibt er an zwei Stellen zu erkennen. Die einzigen Zitate eines anderen Lehrers im MM sind die eines gewissen Sohn ben 'Eden (IV 89, 28; 104, 30). Macdonald sucht ihn unter den Hohenpriestern 137 . Erheblich näher aber liegt es, ihn mit jenem Josua ben Bäraq ben 'Eden, dem weltlichen Haupt des Bezirkes, zu identifizieren (mit Baneth, 22 Buchstaben) 138 . Marqäs Name, nach Cowley Äquivalent für Marcus, ist ein weiteres Indiz, daß seine Familie in der Zeit der römischen 130 131 132 133

Cowley X X f. Ferner A. E. Cowley, Liturgy and Reading 122. Genau beschrieben von Cowley X X I I — X X V ; vgl. Liturgy and Reading 123. So drückt es Cowley X X V aus; Liturgy and Reading 123 f.

C. X X V I I . Cowley stellt X X V I I — X X X I V die Autoren der entspredienden Teile vor. Vgl. Liturgy and Reading 124 f. 127—130. 134 S. Brown, Defter X V I I I f. 135 Cowley, Liturgy and Reading 122: „That some sort of Liturgy was in use previously is indeed probable . . . ; but there is no proof one way or the other." )3 « S.o. S. 165. 137 Ü. 145 Anm. 56. 188 D ; e s e r Mann scheint sich theologisch betätigt zu haben. Das Gedicht von Josua ben Nun (C. 4 f.) möchte Baneth wegen des aramäischen Sprachcharakters viel lieber Josua ben Bäräq zuschreiben (22 Buchstaben 13; skeptisch Cowley X X I Anm. 3; Samaritans 679). Daß Baneths Vermutung nachweislich zutreffend ist, wird sich unten S. 185 zeigen.

Die Neuordnung durch Babä Rabba im 4. Jh. n. Chr.

169

Herrschaft über Samaria gelebt hat 1 3 9 . Da Marqä eine Generation nach Bäbä lebte, wurde er wahrscheinlich in der Mitte des 4. J h . geboren. Die Sprache, in der er schrieb, war das Aramäische. V o n Marqä sind im Defter einige Hymnen überliefert. Außer diesen Hymnen haben wir aus der Feder Marqäs den Memar. Nach Meinung von Macdonald ist der Memar „probably the most important Samaritan work after the Samaritan Pentateuch and Targum" 1 4 0 . Was ihn so bedeutsam macht, ist nicht nur sein Alter, sondern auch der Charakter: es handelt sich — um mit Macdonald zu reden — um „a Thesaurus of early Samaritan traditions, hymns, beliefs, saws and epithets, and possibly primitive liturgical phrases and expressions" 1 4 1 . Über Synagoge und Schule 142 sind diese Traditionen auf Marqä gekommen. „It is fairly certain in the mind of the present writer — schreibt Macdonald — that Marqah actually taught pupils in the Bit Sifra during the Roman period, and that his manner and method of teaching are directly set out in the Memar 1 4 8 ." D e r Sammelcharakter des MM wirft die Frage auf, ob nicht vielleicht Spätere diesem Werk weitere Überlieferungen einverleibt haben. Dieser Verdacht wird dadurch verstärkt, daß im MM ganze Passagen nicht aram., sondern hebr. abgefaßt sind. Es liegt nahe, damit eine Nachricht der Tolidä zu verbinden. Im 12. J h . lebte ein gewisser Isaak b. Abraham 1 4 4 , welcher alle Lehrbücher der Synagoge und Gesänge und Trauerlieder bearbeitete.

Da vom 11. J h . an die hebräische Sprache sich im samar. Schrifttum durchsetzte 145 , möchte man in den hebräischen Partien des M M die Hand dieses Redaktors vermuten. J . Macdonald betrachtet diese Passa139

Cowley, Liturgy Vol. II. X X I , 1. Macdonald hat diese zeitliche Ansetzung mit weiteren Argumenten gesichert: Memar Marqah Vol. I. X X .

140

XVII.

141

XVIII.

142

Synagoge und Schule sind audi im jüd. Bereich nicht zu trennen. „The term Synagogue included its School" (W. Ο. E. Oesterley and G. H . Box, The Religion and Worship of the Synagogue. London 1907, 272). Wenn wir dennodi unterscheiden, so nur, um die Vorgänge in dieser Institution besser zu erfassen: Gottesdienst und Lehre.

148

XLII.

144

T e x t : Bowman 2 3 X ; Ü . : Heidenheim, Chronik 380.

145

Montgomery 271.

170

Die Synagoge

gen jedoch als Ersetzung einer verlorenen aramäischen Vorlage durch einen hebräischen Text 1 4 6 . Diese Periode der Neuordnung der Gemeinde und des Gottesdienstes war kurz. Bereits in der Novella III, 3 von Theodosius II (438 n. Chr.) De Iudaeis, Samaritanis, haereticis, et paganis wird dekretiert: keine Synagoge soll neu erbaut werden, die Erlaubnis (aber) wird erteilt, alte, die plötzlich einzustürzen drohen, zu reparieren 147 .

Im Zusammenhang mit dem Aufstand von 529 n. Chr. heißt es dann rigoros: Codex Iustiniamis I, 5 , 1 7 1 4 S : Die Synagogen der Samaritaner werden zerstört, und sie werden bestraft, wenn sie andere zu machen versuchen.

Die Gesetzgebung zielt nicht nur auf eine Zerstörung der samar. Religion 1 4 9 , sondern betreibt auch eine Verarmung der samar. Gemeinde: Samar. dürfen nur Christen als Erben haben. Wir können damit das Buch der antiken samar. Religion schließen. Am christlichen Schwert verblutete die samar. Gemeinde. Einst weit verbreitet, politisch einflußreich und theologisch voller Leben, versank sie nun in Bedeutungslosigkeit. Die Theologie wurde restaurativ und versuchte, wenigstens das, was von einstiger Größe übergeblieben war, zu konservieren 1 5 0 .

C . Zusammenfassung und E r w ä g u n g e n Bäbä Rabbä, der wahrscheinlich selbst kein Hoherpriester war, nutzte die Atempause zwischen den heidnischen und christlichen Caesaren, um die samar. Gemeinden neu zu ordnen. Der Synagogendienst wurde wieder aufgenommen, neue Synagogen wurden gebaut und ein 14i

Brieflich.

147

Codex Theodosianus. Text: Th. Mommsen — P. M. Meyer, Vol. II. 2. A. Berlin 1954, 8.

148

Text: P.Krüger. Berlin 1877, 82, 32.

14» Vgl. s . Krauss, The Christian Legislation on the Synagogue. Ignace Goldziher Memorial Volume II. Jerusalem 1958, 14—41. Zu der antisamar. Gesetzgebung: 19. 150

Daß es in der islamischen Zeit wieder samar. Synagogen gab, zeigen einige in diesem Paragraphen besprochene Inschriften.

Zusammenfassung und Erwägungen

171

Corpus Liturgicum für sie eingeführt. Die Wohnsitze der Priester wurden Vororte von ganzen Distrikten, in denen je ein Laie und ein Priester f ü r Ordnung sorgten. An der Spitze dieser Organisation stand ein Gremium von drei Priestern und vier Laien. Die äußerlich zerstreute Gemeinde wird durch diese organisatorischen Maßnahmen zu einer Einheit zusammengefaßt. Dem entspricht auch der Versuch einer inneren Neuordnung. Der Defter bzw. die ältesten Teile in ihm ordnen den Gottesdienst neu. Der Memar des Marqä versucht ältere Traditionen zu einer homogenen Lehre zu verschmelzen. Das goldene Zeitalter der Samar. war angebrochen. Doch sehr bald kollidierten die christliche Staatsmacht und die neu organisierte selbstbewußte samar. Gemeinde. In den Aufständen des 5. und 6. Jh. wurde die Gemeinde dezimiert. Das Ende dieser ganzen Epoche ist ein Erlaß im Codex Iustinianus, der das abschließende Wort über diese ganze Zeit spricht: Die Synagogen der Samaritaner werden zerstört.

TRADITIONEN DER ANTIKEN SAMARITANER

VI. DIE STÄNDE DES VOLKES Wir haben im ersten Teil der Arbeit von verschiedenen Gruppen gehört, die in der samar. Gemeinde Funktionen innehatten. Neben den immer wieder erwähnten Priestern begegnen in jüdischen Nachrichten des 2. Jh. n. Chr. ein Patriarch und ein Schriftgelehrter der Samar.1. Diese stehen wahrscheinlich auch mit der βουλή der Samaritaner in Zusammenhang, die im 1. Jh. n. Chr. die Interessen der Gemeinde vor dem römischen Staat vertrat 2 . Wir wollen im folgenden versuchen, diese spärlichen Nachrichten zu verbinden mit dem, was Marqä über die Stände seiner Zeit zu sagen weiß.

A. Analyse des aramäischen Materials Zweimal finden sich im MM Reden des Propheten Mose an die Stände des Volkes. Das erstemal kommt Marqä in Buch III § 10 auf Anweisungen des Mose an die Stände zu sprechen. Dabei scheint die Szene Dtn 29, 9 ff. den Hintergrund zu bilden3. Hier wird im SP von D,Ö3W "ΊΡίΠ, Ο'Ίρΐ und ΒΉΒΒΡ gesprochen, die mit der Gemeinde Israels in den Bund mit Jahwe treten. Das ST übersetzt die Reihe mit ΓΡ03» ">»10, rrij?T (andere Hs. ίΡΟΌΠ) und mDO · Im MM aber wird diese Aufzählung modifiziert bzw. ausgedehnt. Es wird berichtet, wie Mose sich nacheinander an die nX"O3 (Fürsten)4, die TTöaW "ΊΡΝΙ (Stammeshäupter), die ΓΡΝΊ1? (Leviten), die fpJKH (Richter), die ΓΓ3Π0 (Ältesten) und die ΓΓΊΒΟ (Schriftgelehrten) wendet (III 78, 8—79, 18). Welche von diesen Gruppen rein literarische Größen sind, welche realiter bestehen, kann nur ein Vergleich mit jener zweiten Ständetafel im MM zeigen. Sie findet sich in Buch V. Bevor Mose auf den Berg Nebo steigt und in einer Wolke vor Israel weggenommen wird (124, 4—6), 1

S. o. S. 139 f.

2

S . o . S . 114. So Macdonald Ü. 126 Anm. 127. Diese Gruppe spielt in Ex, Lev und vor allem Num eine wichtige Rolle.

5 4

176

Die Stände des Volkes

spricht er zu dem Hause Levi, den Fürsten der S t ä m m e (ΓΡ02® iWDJ),

den Richtern und den Schriftgelehrten (V 122, 3—14). Es fehlen die Häupter und die Ältesten. Daß die Häupter neben den Stammesfürsten keine eigene Gruppe waren, zeigt die auffällig knappe Ausführung der ersten Ständetafel über die Häupter der Stämme (III 78, 25—27). Die Ältesten aber werden nicht weiter erwähnt, weil sie mit den Schriftgelehrten identisch sind. Denn das ST übersetzt an zahlreichen Stellen hebr. D'JpT mit aram. i T t t ^ n 5 · So haben wir mit vier Ständen zu rechnen, wie die zweite Ständetafel zeigt: Priester, Stammesfürsten, Richter, Schriftgelehrte 8 . Marqä selbst empfindet diese Tafel als genaue Wiedergabe der Wirklichkeit, denn er schließt sie mit dem Befehl: „Jeder, der einem Stand angehört, soll in ihm bleiben" (V 122, 13). 1. Priester Buch V des MM handelt von dem letzten Willen des Mose im Anschluß an Dtn 32—34. Kurz bevor Mose den Nebo besteigt und vor den Augen Israels in einer Wolke verherrlicht wird (124, 5) 7 , wendet er sich an die beiden Aaron-Söhne Eleasar und Ithamar. MM V 121, 1 8 — 2 2 8 : Und er (Mose) schaute auf Eleasar, der zu seiner Rechten war. Und er küßte sein Antlitz und sprach zu ihm: ,Sohn meines Bruders, Stellvertreter Jahwes 9 , Erbe des Hohenpriestertums, du stehst10 auf einem Priesterrang, den du geerbt hast, deine Handlungen (finden statt) im heiligen Miskän, und du bist dazu befähigt'. Und er schaute auf Ithamar und sprach zu ihm: ,Sohn meines Bruders, du bist Priester, gesalbt 11 und in deiner Hand (liegt) die Aufsicht über alle Leviten und alle heiligen Geräte'.

Diese Worte des Mose werfen Licht auf die Kennzeichen des samar. Priestertums. Das Priestertum führt sich auf Aaron zurück und gliedert 5

Z . B . E x 1 2 , 2 1 ; Num 11, 16.24 f. 30; Dtn 25, 7 f. (s. o. S. 148). Zur Gleichsetzung von Ältesten und Schriftgelehrten siehe die Stelle MM III 61, 17 f. sowie die Beschreibung der Aufgabe der Ältesten in der ersten Ständetafel III 79, 4—12.

6

Die Gruppierung Priester, Fürsten, Richter (ohne Sdiriftgelehrte) begegnet

7

Macdonald verweist auf Apg 1 , 9 als Parallele (U. 202 Anm. 38).

III 70, 25 ff. 8

U. 199; Münk, Tod Moses1 30 f.

8

Die Kahle — Hs. liest diese — audi sprachlich schwierige — Wendung nicht.

10

Zu dieser Form siehe Ben-Hayyim, Aramaic Handbook II, 2, 10. ΓΡΒΊ3Ί liest sam MM V 13, 10. Das Ö in Macdonalds und Münks H . könnte

u

aus 1 verlesen sein.

Analyse des aramäischen Materials

177

sich über die beiden Aaron-Söhne Eleasar und Ithamar in eine hohepriesterliche und eine levitische Gruppe. Die Eleasar-Söhne haben das Anrecht auf das Hohepriestertum. VI 139, 23 f. formuliert das aus der Sicht des Eleasar-Sohnes Pinehas, der nach Num 25 in heiligem Eifer einen abtrünnigen Israeliten erstach: „Und ich (sc. die Gottheit des Alls) verherrlichte Pinehas, bereitete ihm eine Stelle und werde ihn in Ewigkeit nicht von ihr entlassen, denn er ist die Wurzel der Erlösung, und ihm und seiner Nachkommenschaft nach ihm gehört das Hohepriestertum". Während Num 25, 13 (SP/ST) lediglich vom Priestertum spricht, schreibt diese Ausführung ihm speziell das Hohepriestertum zu 12 . Dieses Priestertum ist ewig, wie auch an anderen Stellen betont wird (IV 95, 9 f.; VI 140, 8.11 f.; 145,10 f.) 13 . Nur nebenbei sei vermerkt, daß MM VI 140,12 f. mit der Zusage Num 25,13 die Verheißung Dtn 33, 11 verbindet, nach der die Feinde Levis vernichtet werden sollen. Wir erkennen aus dem aram. Material, daß zwischen den Söhnen Eleasars und denen Ithamars eine genaue Grenze gezogen wird, die offenbar nicht schriftgelehrtem Spiel entsprungen ist, sondern reale Gruppenverhältnisse wiederspiegelt. Welche Aufgaben haben nun der Hohepriester und die levitischen Priester? MM III 59, 19—24 1 4 : Die Priester besitzen sieben Vorrechte (eig. Stände), jedes von ihnen so groß wie das andere: Heiliges zu essen 15 ; Opfer (?); die Verantwortung für das Heiligtum und alles, was Gott gehört (?); das Zeugnis der Wahrheit; anzunehmen die vorgeschriebenen Gaben 18 und der Dienst am Ort der Anbetung 17 . Der Hohepriester hat zehn Würden, durch die er sich von allen Brüdern unterscheidet 18 : er ist unbefleckt 19 , rein, gesalbt 20 , (in besonderer 11

13 14 15 16 17

18

18 20

MM III 5 5 , 1 0 f. führt aus, der ganze Stamm Levi sei um Pinehas willen groß geworden. Vgl. Ex 4 0 , 1 5 . Ü. 93. Vgl. Dtn 1 8 , 1 . Ebenso V 122, 4. Kahle — Hs.: .anzunehmen, was ihr Anteil ist, und Dienst zu verrichten an den Orten der Anbetung.' Kahle — Hs. liest anstelle dieses Relativsatzes: ,bei denen er keinen Teilhaber hat, und sie vermehren (siehe dazu M e lis 455, 14) seine Würde.' Vgl. Lev 22, 4. Ex 2 1 , 1 0 ; 30, 30.

12 K i p p e n b e r g

178

Die Stände des Volkes Weise) gekleidet, erteilt den großen Segen (Num 6, 24—26) 2 1 , beginnt und beendet (sc. den Gottesdienst), riditet, -wohnt im Heiligtum 22 und verunreinigt sich nicht durdi eine heidnische Frau. Von diesen zehn (Würden) kommen vier ihm und seinen Söhnen zu, und sechs nur ihm allein 23 .

Die Priester tragen für die heiligen Geräte 2 4 bzw. für das Heiligtum die Verantwortung, der Hohepriester hat in ihm seine Wohnung. Dieses Heiligtum wird nicht näher bezeichnet. Genau wie in der rabbinischen Theologie werden die Kultgesetze ohne Rücksicht auf die Existenz eines Tempels weiter überliefert und ausgelegt. Bei dem Heiligtum handelt es sich natürlich erst einmal um den mosaischen Miskän, dessen Wiedererrichtung man für die Endzeit erwartete 2 5 . Aber man wird annehmen können, daß diese Ordnung auch für den Tempel der Samar. galt bzw. dessen Ordnung reflektiert. Nach der Vernichtung dieses Tempels im 2. J h . v. Chr. wird das samar. Priestertum mit seiner Theologie in eine Krise geraten sein. „Kein Priester schafft Versöhnung für uns" klagt M M IV 107, 31 2 e . Zwar bezieht dieser Satz sich primär auf die Verbergung des Miskän auf dem Garizim. Jedoch verstanden die Samar. dieses Geschehen als typisch und trugen in es die Gewalttat von Johannes Hyrcanus ein 2 7 . Die Zeit, in der man lebte, war die Zeit des Abfalls Israels von seinem Gott und seinem Heiligtum. Jedoch hatten die Priester auch in dieser Zeit bestimmte Aufgaben, die nicht mit der Vernichtung des Tempels entfallen waren. Schauen wir die oben übersetzten Stellen nach solchen Aufgaben durch, und ziehen wir weitere Parallelen aus dem Memar heran. Die Priester haben gottesdienstliche Aufgaben auf dem heiligen Berg: den „Dienst am O r t der Anbetung" 2 8 . Dreimal im Jahr (am Fest 21

Vgl. I I I 6 5 , 1 6 ff.; VI 1 3 7 , 3 1 .

22

Kahle — Hs. liest von ,beginnt' an folgenden Text: ,versöhnt am Vorhang

23

Eine ganz detaillierte Ausführung über die Aufgaben Aarons findet sich III

24

So V 122, 3. IV 84, 27 f. bezeichnet die Priester als Bewahrer

(sc. des Heiligtums) und wohnt im Hause des Herren'. 55, 23 ff. («miS®)

der heiligen Dinge. Man wird erwägen müssen, ob hier die Fremdbezeidinung ,Samaritaner' umfunktioniert wurde (vgl. auch IV 110, 32). Zum at. Hintergrund Num 4, 7 f. 25

S. u. S. 240 f.

26

Genauer besprochen u. S. 239 ff. Dort auch die weitere Parallele IV 94, 7.

27

Vgl. u. S. 244 f.

28

Von diesem Dienst, den Gott anordnete, spricht III 70, 27. Hier wird audi ausgeführt, daß der Priester für diesen Dienst unterstützt wird (70, 28 ff.).

Analyse des aramäischen Materials

179

der ungesäuerten Brote, am Wochen- und Laubhüttenfest) zieht die Gemeinde in einer feierlichen Prozession auf den Garizim (cap. VIII). Auf dem Garizim verliest der Priester am Laubhüttenfest das heilige Gesetz (III 62, 2 f.) 29 . Höhepunkt dieser Wallfahrt war die Erteilung des großen Segens, die ein Vorrecht des Hohenpriesters war (s. u. S. 223). Anscheinend haben die übrigen Priester aber ebenfalls Segensworte verkündet (11162,27; 79, 30 f.). Der Hohepriester war es auch, der den Wallfahrtsgottesdienst begann und abschloß. Ferner wohnte er in dem Ort Luza-Bethel auf dem Hauptgipfel des Garizim 30 . Zu den kultischen Pflichten aller Priester gehörte mit Sicherheit audi die Konstatierung von Rein und Unrein. Im Zusammenhang mit dem Segen wird noch von einer weiteren priesterlichen Funktion gesprochen: die Priester verkünden die Worte der Vergebung (III 79, 31; VI 140,1) S 1 . Man wird an den Versöhnungstag und seine Rituale denken (vgl. Durrän 23 C. 47, 19 sowie Lev 16, 32 SP). Schließlich nahmen Priester den Zehnten entgegen. Neben diesen kultischen Aufgaben hatten die Priester auch Lehrfunktionen. „Die Priester sind Zeugen" heißt es MM III 59, 17 f. u. z. Zeugen zwischen der Wahrheit und dem Volk (III 79, 27). Es ist die eigentliche Aufgabe der Priester, die Worte und Gebote Gottes zu befolgen (III 78, 30 f.). Gemäß Dtn 3 3 , 1 0 fordert V 122, 3 f. das Haus Levi auf, Gottes Rechte und Gesetze Israel zu lehren 32 . So tritt der Stamm Levi auch als Richter auf (IV 108, 14). Wenn der oben übersetzte Text MM III 59, 19—24 allein den Hohenpriester als Richter kennt, könnte hier eine Art letzter Instanz gemeint sein. Die Priester sprechen mit dem Volk, damit es nicht vom Pfad der Wahrheit abirrt (58, 9 f.). Das Licht des Priestertums leuchtet Israel, wehe dem Manne, der trotzdem in der Finsternis wandelt (VI 140, 8 f.). Diesen Auftrag hat das Priestertum von Gott (III 79, 27 f.). Eben weil der Priester in solch Mittlerstellung steht, wird auch Mose als Priester gezeichnet (II 51,19; V 123,14). Fassen wir zusammen. Beide priesterlichen Gruppen, die Söhne Eleasars und die Ithamars haben vor allem kultische Pflichten und 29

So schreibt es Dtn 3 1 , 1 0 f. vor.

30

S. u. S. 194. Das spricht audi IV 105, 5 aus, wo jedoch nur vom Priester gesprochen wird.

81

„Ort der Vergebung und Platz des Segens" heißt es daher I I I 6 8 , 1 7 vom Garizim. V 1 2 0 , 15 sehnt einen Priester herbei, der Vergebung erlangen kann.

32

12»

Der Priester als Lehrer: III 7 3 , 3 2 .

180

Die Stände des Volkes

Rechte. Die Priester haben im Kult etwas Heils notwendiges gesehen. Doch hat der Untergang des samar. Kultes das Priestertum nicht zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Vielmehr übernahm es nun die Rolle, das Volk lehrend zur Wahrheit zu führen. Der deutlichste Beweis hierfür ist der MM selbst, stammt doch der Verfasser aus der Familie des Hohenpriesters (S. o. S. 168). 2.

Schriftgelehrte

Neben den Priestern treten im MM Schriftgelehrte (ίΓΊδΟ) und Gelehrte («Γ0ΌΠ) auf. Es stellt sich natürlich sofort die Frage, ob wir es hier mit einer nichtpriesterlichen Institution zu tun haben oder ob sich hinter dieser Bezeichnung Priester verbergen. Ehe wir dieser Frage nachgehen, wollen wir das Bild des Schriftgelehrten nachzeichnen, wie es der MM darbietet. MM IV 94,10—II33: W i r wollen beständig im Lehrhaus 3 4 der Wahrheit sein und es nicht verlassen. W i r wollen aus der Schrift 35 lernen, die in ihm ist, und die Lesung verherrlichen, die in ihr geschrieben ist 3 6 . D e r große P r o p h e t ist der Schriftgelehrte, und wir sind die Jugendlichen, welche unser H e r r dazu erwählte.

Man schwankt, ob Marqä hier die Schule als Bild für Gesetzestreue benutzt oder ob er seine Gemeinde anhält, im Lehrhaus die Schrift ( = die Tora) zu studieren. Der erste und der letzte Satz scheinen eher schulische Ordnungen auf die gläubige Gemeinde zu übertragen: die Samar. sollen Mose gegenübertreten wie die Jugendlichen dem Schriftgelehrten. Der Schriftgelehrte ist hier also ein Lehrer von Jugendlichen37, das Lehrhaus eine Schule. Der mittlere Satz bringt dagegen zum Ausdruck, daß auch der erwachsene Samar. im Lehrhaus die Schrift zu lernen hat und die Lesung mit einem Lobpreis beantworten soll38. Es 33

Ü . 154.

34

Z u m Wegfall

des T a w vgl. die jüd. Konstruktionen mit

S. 9 6 notiert. Die Konstruktion ist in Γ Π 3 0 Γ Ρ 3

Γ Γ 3 . die L e v y

( H a u s der T o r a ) aufzu-

lösen (siehe auch D r o w e r — Macuch 6 4 ) . 33

M a c d o n a l d übersetzt .Lehrer'. E r kann deshalb den folgenden Relativsatz

Π3ΤΟ Π3Τ

nicht grammatisch überzeugend auflösen.

38

Audi s a m M M I V 3 3 , 1 4 trennt zwischen H I V D und J T 3 J .

37

Das entspricht der Bezeichnung

D^lBID in d e r rabbinischen Literatur ( J . J e -

remias, T h W I 7 4 1 Z . 7 ff.). 38

Vgl. u. S. 332 ff. V I 19, 2 0 erzählt von Mose, er habe Israel die Lesung gelehrt.

Analyse des aramäischen Materials

181

überzeugt midi daher, wenn Macdonald zur Ubersetzung des Begriffes Lehrhaus anmerkt: „ o f t e n ,place of instruction' or ,synagoge' is m e a n t " 3 9 . Mit Lehrhaus ist sowohl eine Schule (für Jugendliche) als eine Synagoge (für Erwachsene) gemeint. Zu ihr gehört ein Schriftgelehrter als Lehrer f ü r Jugendliche und als Ausleger der T o r a im synagogalen Gottesdienst. Das zeigen andere Nachrichten im M M deutlich. V o m Schriftgelehrten im Lehrhaus sprechen 1 1 3 , 8; 14, 5. „Die Jugendlichen sind bereit, gehorsam zu ihrem Lehrhaus zu k o m m e n " heißt es I 23, 19. Welche A u f g a b e n die Schriftgelehrten haben, läßt jene fiktive letzte Ansprache des Mose an die einzelnen Stände erkennen, die sich in Buch III findet. D e n Schriftgelehrten befiehlt der große Prophet M M I I I 79, 13—18 4 0 : ' U n d jetzt schreibt für euch und lehrt die Israeliten seinen N a m e n 4 1 in ihrem M u n d , wie E r gesagt hat: , U n d in d a s H e r z jedes Verständigen habe ich Weisheit gelegt' (Ex 31, 6 SP). W a s G o t t euch aber lehrte, vergeßt nicht, und stellt euch selbst auf die Wahrheit. D a s Tor Gottes ist wirklich geöffnet und die Wahrheit offenbart. K o m m t in Frieden herein, denn der Schatz des Lebens 4 2 ist vor eudi. K o m m t und laßt euch speisen, ehe ihr aus -dieser Welt wegzieht, und ihr vom Wissen entledigt werdet und nackt dasteht. Lehrt Israel, d a ß es sich an die Wahrheit hält 4 3 '. D a antworteten sie ihm mit furchtsamem H e r z : ,Großer Prophet, von dem, was du uns befohlen hast, wollen wir in alle Ewigkeit nicht weichen'.

Die Schriftgelehrten sind mit Weisheit begabt und haben die Pflicht, Israel in sie einzuführen. Jedoch wird nicht abstrakt v o n Pflicht gesprochen. Vielmehr hat G o t t den Schriftgelehrten die Wahrheit offenbart, das T o r geöffnet, den Schatz des Lebens v o r sie gestellt. Es ist eine göttliche Speise, die hier bereitet ist. Mose hatte sie bereits genie39

Ü . 154 Anm. 118.

40

Ü . 128.

41

M a c d o n a l d trennt falsch, wie auch s a m M M I I I 74, 5 f. bestätigt. Außerdem kann die F o r m ΠΟ1® nicht mit ,set it' (2. pl. Imperativ + Suffix der 3. Person) übersetzt werden. Zur Ableitung von

DIP siehe B e n - H a y y i m , A r a m a i c

H a n d b o o k II, 2 , 1 1 . 42

Dieser T o p o s außer in jüd. Literatur vor allem im Gnostizismus (ThW I I I

43

B e n - H a y y i m führt im M e lis S. 562 Anm. zu Z. 157 aus, daß die aram. Wur-

137 2 . 24 ff., Art. von Hauck). zel "ΤΠΧ verwandelt wird zu Τ1Π unter W e g f a l l des Aleph. D a s Itpael von *ΤΠΝ kann den oben genannten Sinn haben, wie L e v y S. 19 zu entnehmen ist.

182

Die Stände des Volkes

ßen können 4 4 . Das Wissen ist sozusagen das Jenseits im Diesseits. Allerdings kann der, der diese Welt verläßt, es nicht mitnehmen. Es ist also kein Wissen um die Herkunft des menschlichen Selbst beim Verlassen dieser Welt, sondern das einzigartige Geschenk Gottes an die Lebenden dieser Zeit. Die Schriftgelehrten vermitteln es dem Volke Israel. Auf den ersten Blick haben die Schriftgelehrten hier eine Aufgabe, die auch von den Priestern ausgesagt wurde: sie sind dem Volk Zeugen der Wahrheit. Allerdings werten die Priester diese Aufgabe anders. Für sie ist und bleibt Israel unerlöst, solange der Miskän verborgen ist 45 . Erst wenn der Kult wiederhergestellt ist, hat G o t t von neuem Wohlgefallen an seinem Volk (s. u. S. 241). Für die Schriftgelehrten dagegen ist die ToraLehre der Weg zum Heil 4 6 . „Die Weisheit ist eine Leiter, die aufgestellt ist vom Herzen zur Wohnung (sc. Gottes)" (VI 136, 11). Eben daher spielt in diesen Kreisen auch der Gedanke der U m k e h r eine große Rolle (vgl. u. S. 302 f.). So unterscheiden sich Priester und Schriftgelehrte in der Wertung des Lehramtes. Den Unterschied formuliert präzis I V 84, 27 f.: „Er (Mose) faßte hier Priester und rPJSVIÜ ( = Getreue) zusammen. Die Priester sind die Bewahrer der heiligen Dinge, und die, die verkünden, sind betraut ( p ö T I ö ) mit den Worten der Wahrheit" 4 7 . Die n,JÜ,MÖ sind die nichtpriesterlichen siebzig Männer aus den Ältesten des Volkes, die Jahwe mit dem Geist Moses begabt hat, und die darauf zu verkünden (X33) beginnen (Num 11, 16 ff.), wie Marqä ein wenig weiter oben ausführt (Z. 8). Der Begriff n ' W n ö k o m m t an dieser Stelle im S T nicht vor. Er wirkt wie ein terminus technicus, kann aber im M M so nicht weiter belegt werden 4 8 . Deutlich ist nur, daß hier Priester und Schriftgelehrte, von denen das S T zu N u m 11, 16 ff. spricht, als 44

So führt es IV 9 5 , 1 2 aus.

45

Siehe V 120, 15 ff.

48

Dieser Gedanke kehrt im MM immer wieder. Als Beispiel sei § 6 von Buch III genannt, der von Menschen handelt, weldie die Wahrheit erfragen, und vom Geridit Gottes über solche, die von der Wahrheit weichen. Vgl. ferner IV 8 8 , 1 3 f. 24: allein durch das Lernen entgeht der Mensch der Vernichtung am Tage der Radie.

47

Rettig, Memar S. 44 p. 133 a und dt. Ü. S. 62.

48

Er begegnet häufig als Prädikat des Mose und hängt dann mit Num 12, 7 (ST) zusammen ( z . B .

I V 84, 3 1 ;

IV 95, 2 f.; V 122, 26; VI 137, 7 f.;

VI

1 4 2 , 2 ) . Eigenartig ist, daß audi Josua (III 7 8 , 1 6 f.) und Eleasar (Durrän 5 — C. 42, 13) als

PSÖTIÖ

bezeichnet werden. Der Begriff scheint hier ein

terminus technicus für ein Amt oder eine Stellung in der Gemeinde zu sein, ohne daß wir Details hören.

183

Analyse des aramäisdien Materials

zwei Gruppen mit verschiedener Funktion dargestellt werden 49 . Die Priester haben die heiligen Geräte zu bewahren, die Gelehrten sind mit der Verkündigung beauftragt. Ben-Hayyim, der diese Stelle in einem Aufsatz bespricht, schreibt zu der Aufteilung der Aufgaben 50 : „In der Hand der Priester liegt die Bewahrung des heiligen Buches51 . . . und in der Hand der Betrauten die Worte der Wahrheit, d.h. die Entscheidung und Rechtsprechung". Mir scheint diese Formulierung zu eng. Ziehen wir die anderen Stellen des MM über Priester und Schriftgelehrte als Vergleich heran, so wird diese Aufteilung nicht gestützt. Der Priester ist für die Kultgeräte verantwortlich (wozu audi die Tora-Rolle gerechnet werden kann), der Schriftgelehrte für die Lehre der Tora in Israel. Im rabbinischen Judentum ist diese Lehre vor allem als Häläkä ausgeprägt worden und hat normative Bedeutung erlangt. Die Gültigkeit eines Rechtssatzes hing wesentlich davon ab, auf welche Autorität man ihn zurückführen konnte. In der samar. Gemeinde verlief die Entwicklung anders. Die Tätigkeit des samar. Schriftgelehrten bestand weniger in der Auslegung der Tora und der Erhebung normativer Rechtssätze. Sein Werk war vielmehr die Abfassung von Lobpreisen 52 . Die älteste Literatur der samar. Gemeinde abgesehen vom SP, dem Samareitikon und den übrigen Trümmern samar. Literatur ist eine Sammlung von Hymnen namens Durrän. Sie stammt wahrscheinlich aus dem 2. Jh. n. Chr. und wurde für den Synagogengottesdienst geschaffen58. Als Träger dieser Literatur werden wir die Schriftgelehrten zu denken haben. Die Samar. führen die Institution der Schriftgelehrten auf Mose zurück, wie an zahlreichen der besprochenen Stellen deutlich ist. „Der große Prophet Mose berief die Gelehrten (ΓΡΟΌΠ ) nicht, außer damit sie die Gemeinde belehren" (IV 91, 23 f.). Und ganz ähnlich schreibt Marqä im ersten Buch: „,Und Mose berief alle Gelehrten Israels' (Ex 12, 21 ST), damit sie der Gemeinde das erste Fest (sc. das Passa)54 offenbaren" (I 23, 14). Die Schriftgelehrten verstehen sich als eine Institution, die « Z. 25: „Die Stände der ίΡΜΤΠΟ". 50

Study 87 f. Anm. 23 im Zusammenhang mit dem Amt des ΠΓΟΠ

(s. o.

S. 159 f.). 51

Eine Hs., die Ben-Hayyim heranzieht, liest statt ΓΡ8Πj?

52

S. u. S. 332 ff.

einfach 71®Tp ·

53

Vgl. meinen Aufsatz: „Ein Gebetbuch für den samaritanischen Synagogen-

54

Die Samar. unterscheiden Passa und Massot als erstes und zweites Fest

gottesdienst aus dem 2. Jh. n. Chr." Z D P V 85 (1969) 76—103. (Kohn, Sprache 71 und Hanover, Festgesetz 37 f. und p. 178 b/179 a).

184

Die Stände des Volkes

Mose gegründet hat. So wird umgekehrt audi die Bezeichnung Mose als Schriftgelehrter hier verwurzelt sein55. 3.

Stammesfürsten

Ausführungen über die Stammesfürsten sind im MM selten. Abgesehen von den beiden Ständetafeln kommt lediglich III 70,31 f. in Frage. Dabei ist die lange Ausführung in der ersten Ständetafel (III 78, 9—25) wertlos. Sie spricht kaum von den Fürsten, sondern vor allem von Josua, der aus dem Kreis der Fürsten stamme (III 78, 11). Immerhin können wir so erkennen, daß für die Stammesfürsten Josua ben N u n besondere Bedeutung hatte. Wo diese Tafel aber von den Fürsten spricht, bleibt sie ganz der biblischen Uberlieferung verhaftet (III 78, 13). So bleiben als informative Ausführungen allein III 70, 31 f. und V 122, 7 f. MM V 122, 7 f.5«: Ihr Stammesfürsten, gebt Acht, daß ihr nicht von euren Gebieten (bzw. Grenzen) abweicht, die ich euch festgesetzt habe. Jedes Gebäude würde (sonst) zerstört werden und der Zorn anfangen.

In N u m 34 werden die Stammesfürsten von Mose beauftragt, den Stämmen die ihnen zustehenden Gebiete zusammen mit den Priestern zuzuteilen. An diesen Bericht knüpft diese letzte Rede des Mose an. Zugleich aber finden sidi in Einzelheiten Abweichunigen von der at. Erzählung. N u m 34 stellen die Stammesfürsten ein Gremium dar, das den neuneinhalb Stämmen (Ruben, Gad und Manasse haben ihr Erbteil im Ostjordanland empfangen) das genau umgrenzte Westjordanland zuteilen soll. Nach Marqä aber scheinen die Stammesfürsten je eigene Gebiete zu besitzen. Stimmt diese Vermutung, dann liegt es nahe, die Stammeshäupter mit den weltlichen Obmännern zu identifizieren, die nach der oben wiedergegebenen Liste einem jeden der elf samar. Distrikte vorstehen 57 . In Chronik VII heißen sie QSH "ΊΡΧΊ bzw. n a 1 Ν , ϋϊ biflCP 58 · Diese Ordnung — so will die aram. Überlieferung sagen — geht auf Mose selbst zurück. Weichen die Fürsten von ihr ab, dann 55

59 57 58

Als Beispiele seien VI 134, 14; 136, 32 Bezeichnung Gottes Ü. 200; Münk, Tod S . o . S . 164—66.

genannt: 11174,4—6; 78, 26 f.; IV 94, 10—11; 100,25; f.; C. 35, 28 f. Im Zusammenhang damit steht audi die als ΊΒΟ : III 57, 5; IV 99, 31. Moses' 32 f.

Adler-Seligsohn, REJ 45(1902) 91 f. Die Tölidä spricht von

'J3 "MSR*!·

Analyse des aramäischen Materials

185

werden die Gebäude ( = Synagogen?) zerstört. Daß diese Überlegungen Hypothesen sind, sei betont. In seinem dritten Buch kommt Marqä auf Dtn 27, 17 (ST) zu sprechen: ,Verflucht ist, wer das Gebiet seines Nächsten verändert' und leitet aus diesem Satz eine Anweisung an die Fürsten ab, niemanden mit lügnerischer Aussage auftreten zu lassen (70, 31 f.). Offenbar hat der Fürst auch rechtliche Aufgaben. Einen Eindruck von dem Wirken eines samar. fcCWJ gibt Marqä, der an zwei Stellen seines Werkes den Stammesfürsten Josua ben Bäraq ben 'Eden zitert, der zusammen mit Marqäs Vater Amram den vierten Bezirk leitete 59 . „So sprach der Sohn von ben 'Eden: ,Gemäß dem Dienst der Lohn'" (IV 89, 28 f.). Diese Sentenz soll Marqäs Ausführungen über Gottes Gerechtigkeit stützen. Ein wenig später zitiert Marqä in Buch IV noch einmal diesen Mann. „Wenn du sie (sc. die Worte Gottes) preist, wird Gott dich preisen, wie der Sohn von Bar 'Eden sagt: ,Wer Gott preist, wird gepriesen werden'" (samMM IV 65, 9)eo. Baneth hatte die interessante Vermutung geäußert, daß der Josua ben N u n zugeschriebene Lobpreis des Deiters (C. 4, 25—5, 29) in Wirklichkeit von Josua, dem Sohn von Bäräq, dem Sohne 'Edens stamme — eine Annahme, die Cowley verworfen hatte 61 . Diese Vermutung läßt sich jedoch schlagend beweisen. Denn beide Zitate Marqäs finden sich wortwörtlich in jenem Josua-Gebet. C. 4, 30: „Wer Gott preist, wird gepriesen werden. Gemäß dem Dienst der Lohn." Marqä weiß also, daß nicht Josua ben Nun, sondern Josua ben Bäraq ben 'Eden dieses Stück verfaßt hat. Die Worte dieses N'tM scheinen also in irgendeiner Weise Autorität gewesen zu sein. Wenn man diesen Fall verallgemeinern darf, dann war der samar. Fürst (zumindest unter anderem) ein Schriftgelehrter. Zu dieser Annahme wird man auch noch von einer anderen Seite geführt. Aus jüdischen Nachrichten erfahren wir von einem samar. Patriarchen62. Da im jüd. Bereich Patriarch und Näsi' ein und denselben Amtsträger bezeichnen, liegt eine solche Identifikation auch für den samar. Bereich nahe. Der in den jüd. Nachrichten erwähnte Patriarch der Samar. ist für Fragen der theologischen Lehre zuständig. Das würde noch einmal unsere Vermutung bestätigen, daß der Patriarch ein Schrift»· Vgl. o. S. 168. w

Maodonalds Text läßt das korrespondierende Ό Ί Π Ο aus. Dadurch erscheint ein viel längeres Stück als Zitat als in Wirklichkeit zitiert wird.

« S. o . S . 168 Anm. 138. 62

Vgl. S. 139 f.

186

Die Stände des Volkes

gelehrter ist. Vielleicht waren Näsi' und beigeordneter Priester jeweils für die Schriftgelehrten (einschließlich den Richtern) und die Priester eines Bezirkes verantwortlich. 4.

Richter MM I I I 78, 33—79,1·»: Er (Mose) sprach: ,Ihr Richter, richtet die Wahrheit auf, verheimlicht nichts beim Prozeß, nehmt kein Geld an (vgl. Dtn 16,19) und fürchtet euch vor niemandem, denn 64 die Gerechtigkeit 65 liegt bei Gott. In Großem und Kleinem sollt ihr richten'.

Die Ständetafel in Buch V bringt nicht wesentlich andere Ausführungen über die Richter. Auch hier wird er vor Bestechung und Parteilichkeit gewarnt. Der Richter soll falsche Zeugen nicht aussagen lassen. Ein einziger Zeuge reicht in einem Kapitalprozeß nicht aus (Dtn 17, 6). Beide Ständetafeln lehnen sich an die at. Uberlieferung an, ohne wesentliche weitere Züge beizusteuern. Das trifft auch auf die Ausführung III 70, 33 f. zu. IV 108, 14 f. preist Levi, weil dieser Stamm zum Richter bestellt wurde. Aus diesen Ausführungen über die Richter erhalten wir kein sonderlich lebendiges Bild. Ganz offenbar besaß der richterliche Stand für Marqä keine eigene Bedeutung. Das mag einmal an der von Marqä vertretenen theologischen Tradition liegen, die den jüdischen Apokryphen und Pseudepigraphen näher steht als der Misnä bzw. dem Talmud. Daß es aber audi im samar. Bereich eine Rechtsauslegung gegeben hat, war bei der Besprechung des SP gezeigt worden 68 . Zum anderen hat natürlich der Richterstand weder in der röm. Kaiserzeit, noch unter den byzantinischen Caesaren größere Kompetenzen besessen.

B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen Einen wirklich lebendigen Eindruck haben wir nur von den Priestern und Schriftgelehrten bekommen. Diese Stände waren wohl die allein tragenden. Während die Gruppe der Priester nachweislich alt ist, taucht die erste Nachricht über einen samar. Schriftgelehrten erst im 6

» Ü. 127.

·« Zu x V n bzw. n V n vgl. J . Ram0n Diaz, Arameo Samaritano 171. 6 5 Zu dieser Bedeutung von ΠΙΠΙΡΒ siehe Ben-Hayyim, M e lis 600, 181 mit Anm. Macdonald kennt den M e lis nicht und übersetzt falsch. 66 S. o. S. 72 f.

Zusammenfassung und Erwägungen

187

2. J h . n. Chr. auf. Denkt man darüber nach, aus welchem Grunde überhaupt ein schriftgelehrter Stand nötig wurde, dann lassen sich zwei Motive nennen: die Vernichtung des Garizim-Kultes und die Versprengung der Gemeinde über Palästina. An die Stelle des Opfers traten Tora-Lesung und Lobpreise in den Lehrhäusern ( = Synagogen). Die samar. Priester distanzierten sich von diesen Aufgaben nicht. Aber ihre Hoffnung blieb auf die Wiederherstellung des Miskän gerichtet. So empfanden sie es nicht als Rivalität, als sich neben ihnen ein Stand der Schriftgelehrten bildete. Ein Vertreter dieses neuen Standes scheint Dositheus gewesen zu sein. Wenigstens war er kein Priester. Sein Weisheitsstreben wird erwähnt. Auch Schriften werden ihm zugeschrieben. Wieweit auch Simon Magus hierher zu rechnen ist, muß offen bleiben. Die dositheanische Sekte scheint in der samar. Gemeinde Erfolge gehabt zu haben. Solchen häretischen Bewegungen scheint ein Riegel vorgeschoben worden zu sein, indem über die Schriftgelehrten eines Bezirkes ein Näsi' gesetzt wurde. Da Marqä zweimal Josua ben Bäraq ben 'Eden zitiert, den Näsi' des Bezirkes von Marqäs Vater Amram, scheint dieser in Lehrfragen eine besondere Autorität gewesen zu sein. Jüdischen Nachrichten können wir entnehmen, daß es bereits im 2. J h . n. Chr. bei den Samar. einen Patriarchen gab, der in Lehrfragen zuständig war. Bäbäs' Bezirkseinteilung scheint nur das Ende einer E n t wicklung gewesen zu sein, die bereits im 2. J h . n. Chr. als Folge der dositheanischen Häresie begann.

VII. DAS HAUS GOTTES Die samar. Gemeinden waren unter Bäbä Rabbä in verschiedene Distrikte aufgeteilt 1 . Die Liste, die die einzelnen Distrikte aufzählt, stellt ganz betont Luza an den Anfang. In diesem Flecken hatte man eine Synagoge erbaut, die wahrscheinlich vor allen anderen Synagogen eine Vorrangstellung besaß. Das zeigt sich auch darin, daß nach dem samar. Aufstand unter Iustasa (484 n. Chr.) Kaiser Zeno die samar. Synagoge auf dem Garizim in ein Gebethaus der Theotokos umwandelte 2 . Offensichtlich sollte dieser A k t der samar. Anhängerschaft das Rückgrat brechen. Wenn wir die Nachrichten richtig ausgewertet haben, bleibt die Frage, ob Marqä diese Institution kennt. Von der aramäischen Periode bis in die Moderne findet sich in der Literatur der Samaritaner unzählige Male ein Doppelausdruck: Garizim, Bethel. Im umgekehrten Verhältnis zum häufigen Vorkommen stehen die Interpretationsbemühungen. Macdonald konstatiert knapp: „Luza . . . is identified with Bethel in the Pentateuch, and the Samaritans placed the village on the north-west slope of Mount Gerizim so that Mount Gerizim = Bethel, the place of the great patriarchal vision of the angels" 3 . Nach Macdonald ist Bethel demnach ein reiner Ortsname, ohne Hinweis auf ein Heiligtum. Die Samar. hätten also den aus dem AT bekannten O r t auf dem Garizim lokalisiert. Dagegen hatte bereits Montgomery hinter dem Ortsnamen einen anderen Sinn vermutet: „While the geography of this identification is sadly in error, nevertheless the use of beth-el is the retention of a primitive term for a sanctuary . . . A corroboration for this identification was the existence of a town upon Gerizim named Luza" 4 . Montgomery sieht in dem Wort also keinen reinen Ortsnamen, sondern entdeckt in ihm zugleich auch einen Hinweis auf ein Heiligtum 5 . Daß Bethel zuweilen wirklich ein 1

S. o. S. 164 ff.

2

S. o. S. 104.

3

Theology 3 2 8 .

4

Samaritans 2 3 6 .

5

B o w m a n stellt die unhaltbare These auf, Gen 28, 2 0 ff. und andere at. N e n nungen von Bethel bezögen sich auf Garizim-Bethel (Deuteronomy 13 ff.).

Analyse des aramäischen Materials

189

Ortsname ist ohne jeden Hinweis auf ein Heiligtum, zeigen solche Stellen wie C. 3, 9 und s a m J o s I X , 10 f. An der letzten Stelle heißt es: Und diese Stadt (sc. Ai) liegt östlich vom Garizim, dessen Name Bet-'el ist, an der östlichen Seite. Und Josua ging zur Stadt Luza, die auf dem Garizim ist, das ist Bet'el 6 .

In diesem Text ist Bethel einfach ein anderer Name für den Berg Garizim. Dieser Sprachgebrauch dominiert in allen späteren Texten. Ihn audi für den MM vorauszusetzen — wie Macdonald es offensichtlich tut —, bedeutet dagegen eine Einebnung des Sprachgebrauchs von Marqä. Im MM taucht der Ausdruck in ganz charakteristischen Zusammenhängen auf.

A . Analyse des aramäischen Materials 1. Bet'el: Die Stätte der Gegenwart Gottes MM II 46, 12 7 : ,Und er (sc. Abraham) baute dort einen Altar' (Gen 12, 7 ST). Und wo 9 hätte er den Altar bauen sollen, wenn nidit vor 9 dem Haus des Mächtigen (nVlTI ΓΡ3) 1 0 ? Und sein11 Name war zuvor Berg des Ostens (Gen 10, 30 SP) 1 2 .

Das Haus des Mächtigen wird in der Nähe des Abraham-Altars lokalisiert. Da dieser Altar in der Südostecke des Hauptgipfels 13 zu suchen ist, darf man das Haus des Mächtigen ein wenig weiter nördlich bei den heutigen Ruinen der Theotokos-Kirche vermuten. Der eigenartige Begriff ,Haus des Mächtigen' ist eine Ubersetzung des hebr. Bet'el ins Aramäische. Dieses ,Haus' wird bereits für Abrahams Zeit vorausgesetzt und mit dem Berg identifiziert: sein Name war zuvor Berg des • Gaster, Josua 248.502. 7

Ü. 73.

8

JKJl = |Π (Dalman, Handwörterbuch s. v.).

* SamMM II 47, 3 liest

pj'j

(Waw hat konsonantischen Klang). Wurzel

ist ] Ό , seine Bedeutung entspricht dem hebr. Γ03*?(Μ ι 1ϊ? 524, 168 f.). 10

Eine Ubersetzung von V x r v a (s. u. S. 331).

11

Bezieht sich auf

12

Vgl. As I, 7 : „Und der erste Altar (Variante: der Altäre) war am Rande des

1V3.

Heiligtums zwischen Luza und Garizim" (Ben-Hayyim 23, 5). 13

Vgl. den Plan am Ende von Montgomery, Samaritans.

Das Haus Gottes

190

Ostens 1 4 . H i e r ist offenkundig auf G e n 12, 8 angespielt. M i t A b r a h a m s A n k u n f t am Garizim u n d dem B a u eines Altars erhält dieser Berg den N a m e n ,Haus des Mächtigen'. MM I I 47, 21—28 1 5 : ,Die Stätte deines Wohnens' (Ex 1 5 , 1 7 SP). (In ihm sind zwei Teile — das erste ist die heilige Wohnung und das zweite: nicht sollen ,die Engel Gottes' aufhören ,auf ihm herauf- und hinunterzusteigen' [Gen 28, 12 S P ] . Und von da an) 1 6 . Diese ist das Haus Gottes (DTlViO ΠίΤΟ) 17 und der Wohnsitz 18 seiner Herrlichkeit 18 , nirgends ist seine Gegenwart außer auf ihm, wie gesagt ist: ,Sucht seine Gegenwart' (Dtn 12, 5 SP). Es gibt kein Schlachtopfer außer in seiner Richtung 20 , keine Opfergabe außer auf ihm, keine heilige Abgabe außer bei ihm 21 , keine freiwillige Gabe, keinen Zehnten (vgl. Dtn 12, 6 SP), keinen Erstling (vgl. Dtn 1 8 , 4 SP), kein Lösegeld (vgl. E x 21, 30), und kein Segen wird empfangen werden außerhalb von ihm auf ewig, denn dies ist der Platz der Gegenwart der Wahrheit und der Wohnsitz der großen Herrlichkeit. Wehe denen, die die Wahrheit mit der Lüge vertauschen, die sich einen (eigenen) Gottesdienstplatz außerhalb von ihm erwählt haben. Sprich zu ihnen: „Was ist dies für ein gottloser Irrtum, in dem ihr (dorthin) geirrt seid? Wohin brachte 22 Abel sein Speiseopfer außer zu dem Platze, an dem die Gegenwart (sc. u

Vgl. Genesis Apocryphon X X I , 7 (hg. v. N. Avigad — Y . Yadin): Abraham wohnt „auf dem Berge, der bet'el ist".

15

Ü. 75 f. Diese Sätze sind hebr. Nicht nur dieser Umstand spricht gegen ihre Ursprünglidikeit, sondern audi ihre Stellung im Kontext. Wie die Auslegung Z. 19 f. zeigt, folgt Marqäs Exegese einem festen Schema: Zitat („Auf dem Berge deines Eigentums" E x 15, 17), Frage („Und was ist das Eigentum?"), Auslegung (Israel ist das Eigentum), Schriftbeweis („wie gesagt i s t . . . " ) . Genau dieser Aufbau liegt auch unserer Stelle zugrunde. Auf das Zitat folgt die Auslegung, eingeleitet mit Χ1Π. Der hebr. Satz schiebt sich störend zwischen diese Glieder. Τ. H. Gaster, Art. Samaritans. The Interpreter's Dictionary R — Ζ . New York 1962, 194 übersetzt die analoge hebr. Wendung ΓΡ3 mit: „house of divine beings" — nach unserer Stelle unmöglich.

16

17

19

Stamm Ή®. Siehe Ben-Hayyim, M e lis 516, 417. Dieser Stamm tritt im ST für p t f ein: ζ. B. E x 25, 8.

1(1

Hebr. Form.

» paaV =

2

» 22

11DV (s. o. Anm. 9). SamMM I I 51, 17 liest: ΠΠΪ3 1 ? ·

v " ? = tri? (Ram0n Diaz, Arameo Samaritano 176). Siehe Cowley, Glossary L X I . Vgl. Gen 4, 5 (SP + S T ) .

Analyse des aramäischen Materials

191

Gottes) ist 23 ? Wenn ihr sagt: ,Wessen Wohnung ist es, -die24 er aufgestellt hat?' und wenn ihr sagt: ,Wer war es, der sie gebaut hat 25 ?', wehe dem Verstand, der sich von der Wahrheit abwendet und den Zorn ganz von Anfang an2® offenbart."

Das Leitmotiv dieses ganzen Passus ist das Wohnen Gottes auf dem Garizim. Schon das Zitat Ex 15, 17 spricht von ihm, das zum Schriftbeweis herangezogene Dtn 12, 5 macht die Vokabel dann zum terminus technicus für das Wohnen Gottes auf dem Garizim. Diese Auslegung ist polemisch gewendet. Marqä gibt seinen Glaubensgenossen eine Anleitung an die Hand, Gegnern Rede und Antwort zu stehen. Diese Gegner stellen die Fragen, welchem Gott das Heiligtum zu eigen sei, und wer denn die Wohnung erstellt habe. Der Sinn dieser Frage ist nicht ganz klar. Zielt sie vielleicht auf den heidnisch-israelitischen Zeus-Tempel, den die Heiden erbaut hatten? Wie dem auch sei: die Gegner wollen den Garizim als Stätte der Gegenwart Gottes disqualifizieren. Demgegenüber besteht Marqä auf der Bedeutung des Garizim als Wohnstatt Jahwes. Der Garizim ist — ganz unabhängig vom mosaischen Heiligtum — Stätte der Gegenwart Gottes. N u r gottloser Irrtum kann sich von ihm abwenden. Und von diesem tragenden Gedanken aus erhält auch der Begriff Haus Gottes seine Deutung. Er tritt in einen Parallelismus mit .Wohnsitz der Herrlichkeit' und bezeichnet ganz allgemein den Garizim als Wohnhaus Gottes. Dieser Parallelismus mit anderen Bezeichnungen für das Wohnen Gottes auf •dem Garizim findet sich im M M noch öfter und ist offensichtlich traditionelles Gut. MM I I I 58, 2 7 — 5 9 , 2 " : Und ihr, Söhne von ihnen, lernt gut 28 , was ihr nach Uberqueren des Jordans 2 9 tun sollt: ihr sollt dann zu dem Platz kommen 30 , den die 23

Anders Macdonald, dessen Übersetzung schwerlich richtig ist.

24



25

Vor dem Suffix der Verba , " l 7 ein Λ (vgl. Dalman, Grammatik 383).

=

Ν"ΙΠ p

(Cowley, L X I ) .

26

Vgl. Ben-Hayyim, M l i s 609, 67.

27

Ü. 92.

28

30

29

Vgl. Dtn 27, 2.4 (ST).

Adverb (Dalman, Grammatik 208).

30

Macdonald macht den Satz vom vorangehenden Relativsatz

abhängig:

„when you go to the place . . . " . Doch zeigt 59, 2, daß der Inhalt der guten Lehre eben nichts anderes als das Kommen zum Garizim ist: „Gut ist, wer zu ihm kommt".

192

Das Haus Gottes Wahrheit erwählt hat, dem Platz des Segens 31 , dem Wohnsitz der Engel 32 , dem Haus der großen Gottheit 83 , dem MiSkän (Wohnung) der Herrlichkeit, dem Platz der Vergebung, den der Herr der Welt geheiligt hat 34 .

Ubereinstimmend mit der vorangehenden Stelle stehen auch hier Haus Gottes und Wohnung der Herrlichkeit in Parallele, ein Parallelismus, der im AT Ps 26, 8 erscheint und Tempelterminologie zu sein scheint. Daß auch die weiteren Parallelen Traditionsgut sind, zeigt III 64, 12—14. Der Garizim „wird genannt der gute Berg, den das Wasser der Sintflut nicht erreichte, und auf dem kein Leben wegen seiner Unreinheit zugrunde ging, denn er ist das Haus Gottes35, der Wohnsitz der Engel, der Platz der beantworteten 38 Bitten 37 , der Platz der Gegenwart, der Platz der Vergebung, der Platz des Segens, der Platz der Wallfahrten, der Platz der Herrlichkeit (Ip^N) Jahwes". Vom Ort der Vergebung und Platz des Segens spricht zudem III 68, 17. So kann kein Zweifel bestehen, daß wir in diesen Aufzählungen traditionelles Gut vor uns haben. Die Nomenklatur deutet teilweise auf den Bereich des Tempels: in ihm wohnen Jahwe und die Engel, er ist erfüllt mit Herrlichkeit, in ihm tritt der Beter vor Jahwe und erlangt Vergebung, zu ihm führen die Wallfahrten 38 . Alle diese Momente sind aus dem AT für den Jerusalemer Tempel bezeugt 39 und gehörten wahrscheinlich auch im samar. Bereich zu einem Tempel. Außerdem betont die zweite besprochene Stelle (II 47,21—28), daß nur am Wohnsitz Gottes Opfer dar31

32 33 34 35

A n dem die Segensverheißungen an die Patriarchen ergingen und an dem sie noch heute als Höhepunkt der Wallfahrten rezitiert werden (siehe u. S. 222 ff.). Im Anschluß an Gen 28 (vgl. IV 103, 3). Dieses Prädikat lehnt sich an Gen 28 an. So samMM III 1 0 , 2 2 : "SH Π*1» ΠΒΠρΠ. Gen 28, 17 (ST).

38

F. pl. pt. pass. pa. von &ÜS7.

37

Stamm: ΠΊΧ (Cowley L X V I I ) .

38

Aus IV 103, 3 f. ergibt sich außerdem, daß der Tempel als Asylbezirk fungiert: „ein Platz des Entkommens für den, der zu ihm flieht. In Frieden soll er eintreten, in Wohlergehen wohnen". Vielleicht ist das ein Reflex des Asylrechtes Sichems, das schon im A T Jos 20, 7; 21, 21 bekannt ist.

39

Vgl. l K ö n 8 , 1 2 f. und das dtr Tempelweihgebet l K ö n 8, 22—53, ferner K. Möhlenbrink, Tempel Salomos 137 f. Die Bezeichnung des Heiligtums als Haus ist auch bei den arabisch sprechenden Christen zu verfolgen (vgl. G. Graf, Verzeichnis arabischer kirchlicher Termini. 2. A. CSCO. Louvain 1954, 27).

Analyse des aramäischen Materials

193

gebracht werden dürfen. So liegen hier doch wahrscheinlich Traditionen aus der Zeit des Tempels vor. Das Interessante ist nur, daß alle diese Momente bereits in das älteste Stadium der Geschichte zurückdatiert werden. Die Stätte Jahwes ist von der Sintflut verschont worden. Bereits Abraham suchte sie auf, dort wurden die Verheißungen gesprochen. M M V 1 2 0 , 1 0 f. 4 0 : Zum Garizim, nVfcn n r v a , w o n a d i es mich (sc. Mose) begehrte, werde ich hinaufsteigen vor meinem Tode 4 1 .

Auch Mose also war bereits an der Wohnstätte Jahwes gewesen 42 und hat sie legitimiert. Diese Uberlieferung ist gegen den Wortlaut von Dtn 34, 4—6: Mose sieht auf dem Berg Nebo das verheißene Land, darf es aber nicht betreten. Sie ergibt sich aus einer Identifikation von Berg Nebo mit dem Garizim, wie V 126, 19. 23—25 zeigt. Bereits der Bericht des Josephus über den Anführer, der die von Mose auf dem Garizim niedergelegten heiligen Geräte zu zeigen verspricht, spiegelt diese samar. Tradition 4 3 . Überblicken wir alle Stellen, so fällt eine .Unschärfe' auf: das Begriffsfeld von Haus, Wohnung, Wohnsitz gehört in den Bereich des Tempels, doch hat es keinen Bezug auf ein historisches Gebäude, sondern gilt für den Garizim aller Zeiten schlechthin. Den Samar. galt ihr Tempel ganz offensichtlich nur als sichtbares Zeichen einer immer schon vorhandenen Heiligkeit des Garizim: er ist und war Jahwes Wohnstatt. Bet'el ist also kein reiner Ortsname, sondern ein ganzes Programm. Ortsname und Tempelbezeichnung sind zu einem Hieros Logos verbunden: der Garizim ist heiliger Patriarchenort und Wohnstatt Jahwes. 40 41

0.198. Vgl. Münk, T o d Moses' 24 f., der übersetzt: „ N a c h dem Gerisimberg, in das H a u s Gottes, wohin ich vor meinem T o d e gelangen wollte, wohlan, J o s u a w i r d dich dorthin f ü h r e n " . Diese Obersetzung ist grammatisch kompliziert, aber möglich. Wegen V 126, 23—25 (Mose stirbt am Garizim) sowie I I I 64, 26 f. scheint mir die im T e x t gebotene Ubersetzung richtig.

42

Traditionsgeschichtlich hat die häufige Prädizierung Mose als Treuer des Hauses Gottes (ζ. Β. V 122, 26) nichts hiermit zu tun. Sie ist aus N u m 12, 7 abgeleitet und gehört zu d e m K o m p l e x der antidositheanischen (s. u. S. 316 ff.).

43

S . o . S . 113.

13 Kippenberg

Tradition

194

Das Haus Gottes

2. Bet'el: Das Haus Gottes In den bis jetzt besprochenen Texten ist „Haus Gottes" die Stätte der Gegenwart Gottes. Doch gibt es eine Anzahl von Stellen, die mit Bet'el ein besonderes Gebäude bezeichnen. MM I I I 59, 27—60, 1 " : Und wenn ihr sagt, daß der Hohepriester mehr Privilegien hat als diese (zehn sind aufgezählt worden,eines lautete: er wohnt imttnpÖ): sein Wohnen im

und sein Dienst 45 ist48 (nur) ein Privileg 47 . Und

in den Tagen der Abwendung (ΪΙΓΠΙΒ) (ist) sein Wohnen im

ein

Wohnen der Erinnerung 48 , denn von ihm wandten sie sidi ab und zu ihm werden sie kommen.

MitVs rra ist hier erst einmal ein Ort gemeint, in dem der Hohepriester zur Zeit Marqäs wohnte. Da der ptfö, von dem Israel sich abwandte, auf dem Garizim stand, ist auch dieser Ort dort zu suchen. Dann aber liegt eine Gleichsetzung mit Luza nahe, einem Flecken auf dem Garizim, der für das 4. Jh. n. Chr. bezeugt ist. Dieser Ort hatte eine Vorrangstellung vor allen anderen Bezirken, wie die Liste samar. Distrikte zeigt. Der Grund dieser privilegierten Stellung: hier war der Wohnort des Hohenpriesters. Doch warum wird an unserer Stelle nicht von Luza, sondern von Bet'el gesprochen? Wenn man die Abhängigkeit der ganzen Redeweise von Gen 28 berücksichtigt, wird diese Frage noch dringlicher. Läge es nicht näher, von der profanen Stadt Luza als dem Ort zukünftigen Heils zu reden? Warum wird gerade vom Haus Gottes als etwas nur vorübergehendem gesprochen? Doch wohl deshalb, weil DO der Name eines Gebäudes in der Siedlung ist. Dann aber liegt es nahe, an die auf dem Garizim bezeugte Synagoge zu denken. Dieses Haus erfüllt eine wichtige Aufgabe. Ein Teil Israels wandte sich vom mosaischen MiSkän ab49 und wird in der Endzeit wieder bei 44 45

48 47

48

4t

Ü. 93. SamMM I I I 1 3 , 9 : W a t m . Vgl. Ben-Hayyim, M e lis 601,198 (in der hebr. Kolumne ein Druckfehler: statt 1*Wlist ΓΠ2? zu lesen). Pronomen anstelle der Kopula: Dalman, Grammatik 107. Marqä wendet sich hier offensichtlich gegen eine andere Zählung der Privilegien, die Wohnen und Dienst je gesondert zählt. Im M'lis gibt * T j ? Ö (Fürsorge) wieder (Ben-Hayyim 560,92) (vgl. Gen 50,25 SP/ST). Der Begriff umsdireibt also nicht nur die Erinnerung an etwas Verlorenes, sondern audi zugleich die Gegenwart des Verlorenen. Das zeigt der folgende Satz deutlich. Aus der Verwendung der Vokabel ΠΠ130 wird deutlich, daß das Subjekt der

Analyse des aramäisdien Materials

195

ihm versammelt. In der Zwischenzeit gibt es nur noch die Erinnerung: die Wohnung des Hohenpriesters in der Synagoge zu Luza. Wir erkennen hier, wie die aaronitischen Hohenpriester die Überlieferung vom Wohnen Gottes auf dem Garizim verstehen. Es ist nicht etwa bereits die volle Gegenwart des Heils, sondern ,nur' das Angeld für die Zeit des Heils, zu der konstitutiv der pttfö und Israels Sammlung bei ihm gehört. MM I I I 61,26—29«·: Bei dem Passa-Opfer soll sich der Fremde ( =

Proselyt) mit dir (sc.

Israel) versammeln, da er kam und den Glauben suchte, denn diese Tat erzürnte alle fremden Götter. Denn wer seine Vorhaut beschneidet, besitzt den Glauben, wird von den Übeln erlöst, ißt das Passa und geht auf dem Wege der Wahrheit. Er wird dort am Morgen früh stehen, weil er nicht zum Hause Gottes hinaufsteigen kann.

Diese Sätze stehen in einem Zusammenhang, der sich mit den samar. Wallfahrten beschäftigt. Ziel dieser Wallfahrten ist der Garizim (62, 9 ff.). Unsere Ausführung will wahrscheinlich sagen 51 , daß der Proselyt nicht an dieser Wallfahrt teilnehmen darf. Die Wallfahrten beruhen auf dem Gebot Dtn 1 6 , 1 6 , dreimal im Jahre an der erwählten Stelle vor Jahwe zu erscheinen. Die Nennung des Hauses Gottes stammt nicht aus dem AT, sondern aus dem zeitgenössischen kultischen Geschehen. Bet'el ist das Ziel der Wallfahrt. Ist es einfach die Stätte der Gegenwart Jahwes oder zugleich audi ein bestimmtes Gebäude 82 ? M M I I I 66,15 f « : O h Gemeinde, verehre und preise Gott allezeit für die Herrlichkeit (d. h. Verheißungen) im Hause deines Herrn. Du lebst 54 im Glänze 5 5 des Mächtigen, deine Feinde hast du getötet, den Segen hast du gehört. Abwendung nicht J a h w e ist (wie ζ. B. Cowley, L X V I vermutete), sondern die Mensdien. 50

Ü . 96.

51

Zweifel habe ich deshalb, weil an anderen Stellen anderes gesagt wird. I I I 62, 12 f. verbietet ausschließlich dem Ausländer das Besteigen des Garizim, während Z . 1 5 f. den Proselyten in diesem Punkte dem Israeliten gleichstellt. Vgl. I I I 73, 3 0 : „Er soll sich mit dir versammeln bei jeder Freude".

52

Aus dem Traditionskomplex der Wallfahrt stammt audi die Nennung von VNrVa II 37,31.

58

Ü. 105.

54

Mli?:

55

1ΠΤ von ΠΠΤ, das identisch ist mit "ΙΠΤ (glänzen) (so Ben-Hayyim, M e lis

D ^ j ? = VI (459, 2).

499, 76 und Anm. zu 7 6 — 7 7 ) . Die von Ben-Hayyim, Poems 354 Anm. Τ 13·

196

Das Haus Gottes

Marqä preist in diesen Sätzen das Glück seiner Zeit. Die heidnische Macht ist geschlagen, für die Samar. Ruhe eingetreten. Israel lebt im Glanz dessen, der seine Macht erwiesen hat. Die Gemeinde soll auf dieses Geschehen mit Gottesdienst und Lobpreis antworten 5 6 . Stätte dafür ist das Haus des Herren. Da die Gemeinde nur auf dem Garizim den Segen vernahm, hat dieses Haus seinen Platz auf dem Garizim. MM I I I 74, 3 " : (Der Waise) soll sich mit dir in deinem Hause versammeln und auch 58 in meinem Hause und in meinem Heiligtum ( i H p D ) und an meinen Festen und bei jeder Herrlichkeit von mir, mit der ich dich verherrlicht habe5®.

Wieder ist an einen gottesdienstlichen Akt gedacht. Die Aufeinanderfolge von Haus und Heiligtum ist wahrscheinlich als synonymer Parallelismus zu erklären: es handelt sich um das privilegierte Haus Gottes auf dem Garizim 6 0 . Die Teilnahme an dem Gottesdienst in ihm ist ein Gut, das gerade dem Schwachen gesichert werden muß. Da Joseph als Besitzer des Garizim gilt, wird an einigen Stellen auch vom Haus gesprochen, das Joseph auf dem Garizim besitzt (MM III 6 3 , 1 — 4 ; 69, 17—22) 6 1 . Aus allen diesen Stellen ergibt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß jenes Gebäude auf dem Garizim, das Malalas eine Synagoge nennt 6 2 , in samar. Tradition VN ΓΙΌ heißt. Mit diesem Wort wird ein Gotteshaus auf dem Garizim bezeichnet, das für die samar. Religion der Zeit Marqäs überragende Bedeutung hatte. In ihm wohnte der Hohepriester, und bei der Wallfahrt zum Garizim hinauf galt es als die Stätte, an der Israel vor seinen Gott tritt. Dieser Bedeutung entsprechend hat denn auch die Liste der samar. Bezirke dem O r t Luza, in dem dieses Gotteshaus stand, den ersten Platz verliehen. Daraus ergibt sich, daß wir es hier nicht einfach mit einer bevorrechtigten Synagoge zu tun haben, sondern mit angegebene Bedeutung .Freude' paßt hier nicht. Vgl. Drower — Macudi s. v. Z H A II und Brockelmann s. v. w « / . 56

Vgl. dazu u. S. 332 ff.

57

Ü. 118.

58

Entspricht dem hebr. IIS? (M'lis 544, 103 sowie Ramön Diaz, Arameo Sama-

59

Vgl. Durrän C. 47, 20 f.

ritano 176). e

» Vgl. o. S. 108 die Nachricht von Benjamin von Tudela (12. Jh. n. Chr.), nach der die Samar. ihre Synagoge auf dem Garizim als CHj?ön IT'S bezeichnen.

81

Vgl. u. S. 262 ff.

« S . o . S . 104.

Analyse des aramäischen Materials

197

einer Institution, die ältere Tempeltraditionen auf sich bezog. Haus Gottes, Wohnstätte der Hohenpriester, Stätte der Gegenwart Jahwes sind wahrscheinlich ältere Tempelüberlieferungen. Doch die Frage ist, wie sich dieses Haus Gottes zum Opferkult verhalten hat. Wurde in ihm noch geopfert? MM I 22, 1 5 M : Es komme in Frieden der Taheb und opfere ein gerechtes Opfer gegenüber Bet'el" 4 .

Wir erinnern uns an jene zweite Stelle des vorangehenden Abschnittes, nach der jede Art von Opfer an den Wohnsitz der Herrlichkeit und das Haus Gottes gebunden ist. Dieser Zusammenhang von Gegenwart Jahwes und Opfer ist wahrscheinlich eine alte Tempelüberlieferung, die auf D t n 12, 5 f. bzw. D t n 27 zurückgeht. Hinter der Erwartung, der Taheb werde gegenüber Bethel opfern, steht dann ganz offenbar dieser Zusammenhang. Eben weil das Haus Gottes an der Stätte der Gegenwart Jahwes steht, erwartet man bei ihm eine endzeitliche Wiederherstellung des Opferkultes. So scheint man die Überlieferung vom Opfer an der erwählten Stelle auf es bezogen zu haben, wenn diese Tradition auch eschatologisch interpretiert wurde. Die Synagoge auf dem Hauptgipfel des Garizim bewahrt die Kontinuität zwischen der gegenwärtigen Zeit des Unheils und der zukünftigen Zeit des Heils. Sie ist das sichtbare Zeichen der Zeit des Abfalls (es fehlt der Miskän) und zugleich der Zeit des Heils (an diesem O r t wird das endzeitliche Israel neu versammelt). Wir wissen von Malalas, daß Zeno den Samar. die Synagoge nahm. Und so mag an das Wort des 'Asätlr erinnert sein As. X I , 39 (21 Z. 18): Luza soll (wieder) erbaut werden 85 .

Zum Schluß wollen wir noch einmal auf den ersten Abschnitt ,Bet'el: Die Stätte der Gegenwart Gottes' zurückschauen und sein Verhältnis zu diesem zweiten Komplex erwägen. Der Garizim gilt in jenem ersten Abschnitt als Wohnort Jahwes, der von der Patriarchenzeit an erwählt ist. E r bildet die Mitte Israels, an der Opfer dargebracht und Vergebung empfangen wird. Eben dieses Verständnis des Garizim war 63 64

Ü. 33. Der Satz wird im Zusammenhang mit der Taheb-Tradition genauer besprochen (s. u. S. 287).

65

Itp. mit Assimilation des Γ) (vgl. Cowley X X X I X ) .

198

Das Haus Gottes

ein treibendes Motiv bei jenen samar. Aufständen, in deren Verlauf man den Garizim neu in Besitz nahm. Vor allem aber stimulierte es den Bau eines (noch so kleinen) Heiligtums auf dem Garizim, in dem Jahwe nahe war und gepriesen werden konnte. Gott nahe sein — Gottes Hilfe erfahren, das konnte der gläubige Samaritaner nur auf dem Garizim. B. Traditionsgeschichtliche Erwägungen Die Bet'el-Tradition ist in sich schillernd und entzieht sich einer ganz präzisen Definition. Zuweilen steht die geographische Identifikation mit dem Patriarchenort im Vordergrund, verbunden damit das Wohnen Jahwes an diesem Ort und die Wallfahrt Israels nach der Landnahme dorthin. Zuweilen meint Bet'el ein Haus, in dem der Hohepriester in der Gegenwart wohnt, zu dem Israel heute wallfahrtet, wo die Gemeinde Gott für seine Verheißungen preist, und wo sie das Opfer des Taheb erwartet. Beide Aspekte stimmen eigentlich nur darin überein, daß jeder in dem Begriff VN ΓΡ3 die Vorstellung ,Wohnung' anklingen läßt. Wir hatten in dem Abschnitt A 1 eine ganze Reihe von Begriffen kennengelernt, die eher auf den Tempel zugeschnitten schienen als auf den Garizim ganz allgemein: Wohnsitz der Engel, Wohnung der Herrlichkeit, Platz der Vergebung und der Opfer und eben Haus Gottes" 6 . Alle diese Prädikate weisen ihrem Inhalt nach auf die Sphäre des Tempels zurück. Sie explizieren und resümieren seine Legitimation und seine Funktion. Das Eigenartige ist nur, daß alle diese Prädikate weit vor die Zeit des Tempels vorverlegt werden. Wie die erste Stelle von Abschnitt A 1 formuliert, ist Abrahams Altarbau am Garizim der Wendepunkt in der Geschichte dieses Berges. Aus dem Berg des Ostens wird das Haus des Mächtigen. Lange bevor Israel nach seiner Landnahme den Berg in Besitz nahm, hatte die Wahrheit ihn schon erwählt und zur Wohnung der Herrlichkeit gemacht. Auf Abraham ruht daher die Heiligkeit des Berges. Der doch beachtliche Gedanke, daß auch bereits Mose in Bet'el war, wird nicht weiter ausgeführt. Vergleichen wir diese Überlieferung mit dem Hieros Logos des alten samar. Tempels. Nach Pseudo-Eupolemus (vgl. o. S. 81) kommt Abraham zum Heiligtum Argarizin, wo der Priesterkönig Melchisedek von Salem amtiert, von dem Abraham Geschenke empfing. Der Hieros Logos des hellenistisch-israelitischen Hadrian-Tempels ist nach Damasae

Vgl. 2Hen 51, 4: der Tempel die Wohnung Gottes.

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

199

cius bzw. Marinus Abrahams Opfer vor Zeus Hypsistos (vgl. o. S. 99 f.). Auch nach diesen Überlieferungen ruht die Heiligkeit des GarizimTempels auf Abraham. Über die Melchisedek-Tradition hat dann noch der hypsistos-Titel Bedeutung erlangt. Auch im jüd. Bereich wurden ja die Traditionen v o n Abrahams Opfer u n d v o n dem MelchisedekPriestertum verbunden® 7 . So scheint es mir wahrscheinlich, daß diese beiden Überlieferungen die Heiligkeit des alten samar. Tempels begründeten. Seine Bezeichnung als Bet'el ist mit dem Patriarchenort zusammengeschaut worden 8 8 . Daher diese seltsame Unklarheit, ob Bet'el ein historisches Gebäude oder einen Ort bezeichnet® 9 . 67 68

Vgl. J. Jeremias, Golgotha 50. Vgl. Jub 32, 9 f.: „Und Levi ward Priester in Bethel vor seinem Vater Jakob, (im Vorzug) vor seinen zehn Brüdern, und war dort Priester, und Jakob gab sein Gelübde. So zehntete er wiederum Gotte den Z e h n t e n . . . Und deswegen ist auf den himmlischen Tafeln als ein Gesetz angeordnet, den zweiten Zehnten zu zehnten, ihn Jahr für Jahr vor Gott an dem Orte zu essen, der erwählt ist, daß sein Name auf ihm wohne" (Kautzsdi, Ρ 95 [Ε. Littmann]; die Qumran-Fragmente zu Jub 32 [vgl. RB 63 (1956) 60] sind noch nicht publiziert). Wie bei den Samar. wird hier wahrscheinlich Bethel mit dem erwählten Ort verbunden. Die Tradition begegnet noch TestLev 9,1—4 (Text: R. H . Charles, Testaments 46; M. De Jonge, Testamenta 15 f.) und vor allem TestLev aram. col. a. 9—11 (Bodleian Fragment), einer (nach Charles Meinung ins Aram. übersetzten) Quelle für Jub und TestLev (Text: R. H. Charles, Testaments 246 f.). Wie bei den Samar. ist Vx r r a col.c.19 nicht nur Eigenname, sondern zugleich Bezeichnung des Tempels: Haus Gottes (R. H . Charles, Testaments 248). Ein Stück dieses TestLev aram. wurde in Qumran gefunden (vgl. Bartl^lemy — Milik, Qumran Cave I. 88 f. sowie M. De Jonge, The Testaments 551 ff.). Die samar. und die jüd. Tradition stimmen hier in der Verwendung des Begriffes VNDO überein. Er bezeichnet nicht nur einen geographiedien Ort, sondern — in unreflektierter Weise — zugleich das Haus Gottes. Wie bei den Samar. scheint jedodi das historische und geographische Bet'el so etwas wie die Offenbarungsstätte schlechthin zu sein. Man muß diese Tradition doch wohl in Gegensatz zu jener Uberlieferung sehen, nach der Silo die erwählte Stätte in der Zeit vor Errichtung des Jerusalemer Tempels war (s. o. S. 63). In diesen Zusammenhang gehört wohl auch das Phänomen, daß in Jub B£t'el eine wichtige Rolle als Kultort der Patriarchen spielt (Jub 12, 5 ff. u. ö.). In dieser jüd. Tradition spielt interessanterweise die Verzehntung eine wichtige Rolle: auf Grund von Gen 28, 22 erscheint sie als speziell an Bet'el gebunden. Ob hier die Leviten den Rechtstitel für den Empfang des Zehnten sahen? Zum Begriff Haus Gottes vgl. noch Vita Adae et Evae X X I X , 6 (Charles II. 140).

200

Das H a u s G o t t e s

Bei der zweiten Gruppe von Stellen, die wir besprachen, steht der Begriff nicht mehr in Parallele mit anderen Topoi, die Gottes Gegenwart am Garizim bezeichnen. Bet'el ist hier die Bezeichnung eines Gebäudes auf dem Garizim. Wie die erste Stelle zeigt, hat diese Stätte nur Zeichen-Charakter. Hier stand einst die mosaische Wohnung. Wenn sich Israel neu zu Jahwe bekehrt hat, wird sie hier wieder stehen. Der Garizim ist also nicht die Stätte der göttlichen Gegenwart. Auch er steht unter dem Zeichen der Pänütä. Der kritische Sinn dieses Satzes ist unüberhörbar. Er richtet sich doch sehr wahrscheinlich gegen den heidnisch-israelitischen Zeus-Tempel. Der Begriff Bet'el verliert jenen vollen Gehalt, den er für den samar. Tempel besaß und wird zu einer blassen Ortsbezeichnung. Die Geschichte des Garizim-Kultes spiegelt sich in dieser Begriffsgeschichte wieder. Vernichtung des samar. GarizimTempels und Bildung eines rivalisierenden Zeus-Tempels wirken einer Ausmalung vom Opfer Abrahams vor dem Haus Gottes entgegen. Eine andere Überlieferung kann in dieser Situation die Helligkeit des Garizim besser zum Ausdruck bringen: die Tradition vom verborgenen Miskän (cap. I X ) .

· · Wenigstens anmerkungsweise muß erwogen werden, ob dieses samar. Bet'el irgendetwas mit den

βαιτύλια

zu tun hat, erst Götter,

dann

.beseelte

Steine', die der Sitz v o n Göttern sind (vgl. W . Fauth, A r t . Baitylia. D e r Kleine P a u l y 1, 8 0 6 — 8 0 8 sowie — speziell für den semitischen Bereich



H . Donner, Zu Gen 28, 2 2 . Z A W 74 [ 1 9 6 2 ] 6 8 — 7 0 ) . Diese F r a g e ist darum nicht von der H a n d zu weisen, weil die samar. Tradition in der T a t so etwas wie einen heiligen Stein auf d e m Garizim kennt. Bei der W a l l f a h r t auf den Garizim umzieht ihn die Gemeinde (s. u. S. 2 0 6 ) . Gegen ein hoehs A l t e r und eine gewichtige Bedeutung dieses Felsens sprechen aber, daß der alte samar. Tempel nicht bei ihm stand und d a ß die aram. L i t e r a t u r der S a m a r . ihn nicht würdigt. Abbildung des Steines bei P . Antoine, Garizim Vgl. den Plan am Ende von Montgomery, Samaritans.

558—560.

VIII. DIE GARIZIM-WALLFAHRT Wir haben in dem vorangegangenen Kapitel einen gottesdienstlichen Vorgang kennengelernt, dem Marqä große Bedeutung beimißt: eine Wallfahrt auf den Garizim. Bet'el ist das Ziel dieser Wallfahrt. Die Bedeutung dieser Wallfahrt hat eigentlich erst die Samaritan School of Leeds 1 erkannt. Die Bearbeitung und Übersetzung der samar. Liturgien offenbarte diesen speziellen Typ gottesdienstlicher Begehung. Die Ergebnisse der drei diesbezüglichen Dissertationen 2 hat J. Bowman in einem Aufsatz zusammengefaßt und publiziert: Pilgrimage to Mount Gerizim. Eretz-Israel 7 (1964) 17—28. Dieser Aufsatz wird hier vorausgesetzt. Vor den Leeds-Forschern sind die drei jährlichen Wallfahrten auf den Garizim anläßlich des Massot-, Wochen- und Laubhüttenfestes eigentlich stets zu kurz gekommen. Interessanterweise ist dabei zu beobachten, daß die modernen Forscher sie eher vernachlässigten als die älteren. Bei Gaster, Samaritans werden sie in zwei samar. Briefen erwähnt 3 , während der Verfasser selbst auf sie nicht eingeht. Montgomery notiert sie, ohne die charakteristischen Züge hervorzuheben 4 . Vor ihm hatte schon Cowley die drei Wallfahrten erwähnt 5 , der in seiner Edition der samar. Liturgie 1909 die Texte auch zugänglich machte. Die Bedeutung der drei Wallfahrten hatte bereits Mills 1864 genau studieren können und auch ausgezeichnet beschrieben®. Im folgenden gehen wir von den Texten der samar. Wallfahrtsliturgien aus, die im 14. Jh. n. Chr. ihre endgültige Form gefunden haben. Wir wenden uns dann den aramäischen Texten zu, um sie auf Spuren der Wallfahrt zu untersuchen. 1

Zu dieser Bezeichnung vgl. J . Macdonald, Sdiool 115—118.

2

I. Lerner, Passover and Unleavened Bread; D. J . Boys, Shabuot; L. C. Green,

5

Succoth. 166 Z . 2 4 — 3 4 ; 173 Z. 93—174 Z. 125.

4

Samaritans 40—42.

5

Liturgy and Reading 129.

β

Nablus Kapitel V I : Samaritan Feasts 248—267.

202

Die Garizim-Wallfahrt

A. Die Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. η. Chr. Dtn 16, 16 schreibt vor, daß das Volk dreimal im Jahr vor Gott an der erwählten Stelle erscheinen soll: am Fest von Massot, am Wochenfest und am Laubhüttenfest. Die Samar. befolgen bis heute diesen Befehl, und in ihren liturgischen Schriften finden wir die Vorschriften für die Wallfahrten zur erwählten Stelle: C. 270, 1—276, 21 (Massot); C. 4 0 6 , 1 8 — 4 0 8 , 2 9 (Wochenfest); C. 762, 12—764, 26 (Laubhüttenfest) 7 . L. C. Green hat in seiner Dissertation überzeugend die Sonderstellung dieser Stücke gegenüber den sonstigen Festgottesdiensten herausgearbeitet. Ein Vergleich der Festgottesdienste „has revealed the existence of a basic festival liturgy which has been developed for the various feasts from the ordinary Sabbath service about the 14th Century A.D." 8 . Die Wallfahrt hat dagegen einen anderen Charakter 9 . Beginnen wir mit dem Namen. Green weist auf die Differenz von nyitt und JH hin. Während mit ,Fest' zu übersetzen ist, hat 1Π auch in anderen semitischen Sprachen eine Verbindung zum Gedanken der Wallfahrt 10 . Arabisch £=>-: „betake oneself to or towards an object of reverence; make a pilgrimage to Mecca"; im Sabäischen bedeutet die Wurzel Jin „make a pilgrimage"; im Syrischen ist zu übersetzen 1 1 mit „celebrate a feast" . Diese Bedeutung überwiegt bereits im at. Gebrauch des Wortes, wenn es vor allem die drei jährlichen Wallfahrtsfeste bezeichnet: Ex 34,18—23 (J) 1 2 ; Ex 23, 14—17 (Bundesbudi); Dtn 16, 16 13 . Wir können auf die komplexe at. Vorgeschichte hier nicht weiter eingehen. N u r soviel sei festgehalten: semitische Wurzel und at. Vorgeschichte machen deutlich, „that the word is to be related consistently to a religious festival which involves as an integral part a pilgrimage" 1 4 . 7

Diese Liturgien liegen nur in Cowleys Edition vor — m. W. haben sie die S a m a r . selbst nicht ediert.

8

Green, Succoth V I I I .

» V I I I f . ; 97. 10

Vgl. a u d i Volz, N e u j a h r s f e s t 33.

11

Green 28.

18

Man beachte die samar. Lesart: Dreimal im J a h r sollen alle Männer vor der L a d e erscheinen ( E x 34, 23; 2 3 , 1 7 ) . Zur Quellenscheidung: O . Eissfeldt, Einleitung in d a s Alte Testament. N e u e Theologische Grundrisse. 3. A . Tübingen 1964, 265.

1S

Vgl. zu diesem Vers G . von R a d , D a s fünfte Buch Mose. Deuteronomium.

14

Green 28.

A T D 8. Göttingen 1964, 81.

Die 'Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. η. Chr.

203

Wie schon beim Sabbat-Gottesdienst kürzte Cowley auch diese Liturgien um die Q e täfim und Gesetzeslesungen 15 . Außerdem strich er dann noch die Liturgien für das Wochenfest und das Laubhüttenfest zusammen, da sie der Form des Massöt-Festes folgen. Dadurch sind der Erforschung v o n Details Grenzen gesetzt. Im folgenden beschreibe ich im Anschluß an L. C. Green 16 die Wallfahrt v o n ΙΤΟΟΠ 3Π. In den Anmerkungen notiere ich Cowleys Text für Laubhütten- sowie für Massot- 17 und Wochenfest 18 . Unsere Beschreibung der Wallfahrt soll die Grundstruktur der Liturgie verdeutlichen 19 . Die Pilgerfahrt beginnt im H o f der Synagoge 20 zu Nablus, w o sich die Gemeinde eine Stunde vor der Morgendämmerung versammelt 2 1 und die Geschichte v o n Jakobs Ankunft in Sichern vernimmt (Gen 33, 18—20) 22 . Wahrscheinlich ein recht altes Element in der Pilgerfahrt, ist es doch „their charter for their holy place" (Bowman 2 3 ). Es folgt ein Qätäf v o n Gen 1, 11 bis D t n 16, 17 24 , der vor allem at. Erwähnungen des Laubhütten-Festes zusammenstellt 25 . Mit einem Lobpreis, der sich an Ex 34, 6 anschließt, endet dieser erste Teil, der im Hof der Synagoge stattfindet 26 . 15

Vgl. o. S. 7. " Green stützt seine Obersetzung 328 ff. auf die Hs. L l l , die auch Cowley als Textbasis für die Liturgie der Wallfahrt am Laubhüttenfest gedient hatte (Green 49 f.; C. XIV). Greens Übersetzung paßt also genau zu Cowleys — stark gekürztem — Text. 17 Cowleys Text: Cr 20 (C. XI). Lerner, Passover 422 ff. bietet eine Übersetzung des — vervollständigten — Textes von Cowley. 18 Cowleys Text: L 22 (C. XV). Boys, Shabuot 439 ff. bietet eine Übersetzung des Textes von Cowley, allerdings mit häufigem Verweis auf die MassotLiturgie. M Außer Betracht bleiben hier jene kleinen Pilgerfahrten, die nicht auf die Spitze des Garizim führen (vgl. Bowman, Pilgrimage 19). ,0 Wodienfest: beim Tor der Synagoge (C. 406,19). Zur Lage der heutigen Synagoge in Nablus vgl. Conder-Kitchener, Survey Vol. II Skizze von Nablus bei S. 186. Sie liegt im Süd-Westen der Stadt, direkt am Pfad auf dem Garizim. 21 C. 270, 2. 22 C. 762, 14; 270, 8; 406, 21. 25 Pilgrimage 20; so audi Green in seiner Inhaltsangabe der Pilgerfahrt 32. 24 Bis Dtn 4,1 in der Massot-Liturgie (C. 270,10). 25 Green 328—334 (Text nicht in C.). 2,1 C. 762, 15 (Angabe fehlt in der Massot-Liturgie).

204

Die Garizim-Wallfahrt

Die Gemeinde macht sich nun auf den Weg zum Garizim hinauf. Laut wird das Deuteronomium verlesen. Zwei Gruppen — eine vorne, eine hinten — tragen antiphonal 27 Dtn 4, 1 bis D t n 2 8 , 1 vor 28 . Dann hat man die erste29 Station, den „Stein" erreicht30. Sowohl dieser Ort als audi die beiden folgenden sind für uns nicht mit Sicherheit lokalisierbar31. Ehe wir einige Erwägungen anstellen, wo wir sie in etwa zu suchen haben, sei kurz der Fortgang der Prozession skizziert. Wenn Dtn 2 8 , 1 2 erreicht ist 32 , zieht man weiter zum „Standplatz" 33 und von dort zu einem Platz mit Namen m p ö 3 4 - Hier wird die Verlesung der Tora beendet und Dtn 33, 4 gesprochen 35 . Ein Hymnus aus dem Durrän (C. 43, 6 ff.), zwei des Marqä sowie ein Yistabbah 36 sind die Schlußstücke37. Fragt man sich, wo der „Stein", der „Standplatz" und mj?D zu suchen sind, so vermag vielleicht der „Standplatz" eine Antwort zu geben. It „may be the place where they stand and eat the Passover sacrifice at Passover Time" 38 . Dieser Platz befindet sich auf dem west27

C. 762, 17 f. (Angabe fehlt in der Massot-Liturgk).

28

C. 270, 10—12; 762, 17 f.; 406, 25.

2S

Mie Massot-Liturgie nennt als erste Station vor dieser einen Olivenbaum (C. 270, 10 f.).

30

C. 270,12; Green 334.

31

Eine Skizze des Weges, -den die Prozession nimmt, bei Bowman, Pilgrimage 24. Doch hat Bowman diese Skizze leider in keine Relation zu den bekannten Orten auf den Garizim gesetzt. Das stößt allerdings auch auf Schwierigkeiten, d a bis heute keine Karte vorhanden ist, die alle samar. und arabischen Ortsnamen auf dem Garizim sowie die archäologischen Reste verzeichnet.

32

C. 270, 13; Green 334.

as AiÜi, C. 270, 13; Green 334. ^ S » = stehen bleiben, aufstehen (Wehr 969). 34

C. 270, 14; Green 34 und 334.

33

C. 270, 14; Green 334.

36

Aram. r D J W (Itpaal von I131S mit der Bedeutung: er werde gepriesen) ist bei den Samar. Abbreviatur f ü r einen Lobpreis, der sich an H y m n e n aus dem D u r r ä n oder von M a r q ä anschließt und von Bibelzitaten gefolgt wird. Die Autoren dieser Stücke bleiben in der Regel unbekannt (J. Macdonald, Day of Atonement 15—17).

37

C. 270, 14—16; Green 334 f. Bowman, Pilgrimage 25; Green 34.

38

Die Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. η. C h r .

205

liehen A u s l ä u f e r des H a u p t g i p f e l s , nahe d e n R u i n e n m i t N a m e n Luza 3 9 . Jener Platz m i t N a m e n m p ö k ö n n t e d a n n der O r t sein, w o die Ü b e r reste v o m Passa-Opfer v e r b r a n n t w u r d e n (lp"> ) 40 . A l s d a n n b e g i n n t ein n e u e r A b s c h n i t t , m a r k i e r t durch die Verles u n g v o n G e n 1, 1 — 2 , 7 4 1 . M i t diesem Stück w i r d jeder samar. Synag o g e n g o t t e s d i e n s t eröffnet 4 2 . D i e samar. G e m e i n d e z i e h t w e i t e r u n d macht an einer g a n z e n R e i h e v o n heiligen O r t e n halt. D a b e i

wird

jedesmal aus d e m Gesetz verlesen. D a s G r u n d s c h e m a 4 8 ist dabei f o l gendes: 1. 2. 3. 4.

Gepriesen sei Gott (dreimal) (vgl. C. 270,3) Denn im N a m e n Jahwes (Dtn 32,3) Uns zu Gute (C. 270,5 ff). Q'täfim

Es hat k e i n e n Sinn, hier alle S t a t i o n e n der Pilgerfahrt a u f z u z ä h len 4 4 . N u r zweierlei s o l l t e n w i r untersuchen. D a ist einmal der w e i t e r e Verlauf der R o u t e z u beachten. D e r m i t Sicherheit z u lokalisierende nächste O r t sind die „ Z w ö l f Steine" 4 5 ( D t n 27, 4.8), nach samar. Tradit i o n westlich v o n d e n R u i n e n der T h e o t o k o s - K i r d i e 4 6 . V o n d o r t z i e h e n s

* Conder-Kitchener, Survey Vol. I I . 187.

40

Bowman, Pilgrimage 25. Nach Bowman könnte es audi ein anderer Altarplatz sein. Green 35 schließlich möchte am liebsten an den Platz denken, wo Abraham seinen Sohn Isaak band ('qd) und Gott darbrachte: am äußersten Süd-Ost-Ende des Plateaus. Diese Annahme scheint mir unwahrscheinlich: d e r Platz, an dem Abraham seinen Sohn Isaak band, begegnet im weiteren Verlauf der Prozession als der Altar Isaaks. D a auch die weiteren Orte recht deutlich an dem — auf Montgomerys Karte verzeichneten — F u ß p f a d liegen, befindet sich die Prozession an dieser Stelle in der N ä h e des Passaplatzes. Sie scheint also nicht die Nordseite des Garizim heraufgekommen zu sein, sondern — wie es ein Blick auf die Baedeker-Karte vor Montgomerys erstem Kapitel nahelegt — die Westseite (vgl. audi Montgomery, Samaritans 35 ff.).

41

C. 270, 21; Green 335; Bowman, Pilgrimage 25: „At the Makkedah or Burning Place they now begin a new service and as it were a new pilgrimage".

42

Wenn dieser Brauch alt ist, d a n n würde im samar. Bereich die Schöpfungsgeschichte wesentlich fester im Gottesdienst verankert sein als im jüd. (vgl. B. Schaller, Gen. 1. 2, 164—168). Herausgearbeitet von Green 38. Vgl. Bowman 25 ff. C. 2 7 1 , 4 ; Green 337. Vgl. die Karte am Ende von Montgomerys Buch.

43 44 45 4a

206

Die Garizim-Wallfahrt

die Teilnehmer zur „Festung" 47 . Das ist nun aber kaum der Teil er-Räs am Nordende des Garizim 4 8 , sondern eine Station auf dem an der Theotokos-Kirche vorbeiführenden Weg 4 9 . Unübersehbar setzt diese Liturgie voraus, daß die eigentlich heilige Stätte in Luza ist (und nicht auf dem Teil er-Räs), und daß man von Westen her auf den Garizim zieht (und nicht über die 300 Stufen v o n Norden). Der übernächste O r t wenigstens liegt sehr wahrscheinlich wieder an dem gepflasterten Fußpfad, der in Montgomerys Karte zu sehen ist: der A l t a r Adams 5 0 dürfte in der Nähe der „Sieben Stufen" zu suchen sein, die Adam aus dem Paradies führten 5 1 . Die Pilger ziehen also an der Bergspitze vorbei, mit der Absicht, zuerst die anderen heiligen Plätze zu besuchen: den A l t a r Seths 52 , den A l t a r Isaaks 53 und den A l t a r Noahs 5 4 . Zumindest der A l t a r Isaaks dürfte uns wieder bekannt sein: es ist jener O r t im Südosten des Gebirgsrückens, w o Abraham G o t t seinen Sohn Isaak darbrachte 55 . Der Weg f ü h r t dann zurück zum Hügel der Ewigkeit 56 , u m den die Versammlung herumzieht 5 7 . Green 338: „Targana 'Anad, the fortress"; Massöt-Liturgie: „bei der Tür des Zeltes, bei der Festung "C. 271, 10 f. Eine andere Lokalisierung findet sich in der Liturgie für das Wochenfest C. 407, 15: „Vom Altar Isaaks (?) zieht man zur Festung, welche zwischen den beiden Altären ist, dem Altar Isaaks und dem Altar Noahs". 48 Green 39 scheint es so zu meinen. 48 Vgl. zu diesem Conder-Kitdiener, Survey Vol. II. 188. 50 C. 271,15; Green 338. 51 Green 39; Bowman, Pilgrimage 26. 52 C. 273, 25; Green 340. 53 C. 274,10; Green 346; C. 407, 15. 54 C. 274, 16; Green 348; C. 407,17. 55 Dieses Verständnis ist dadurch gesichert, daß beim Altar Isaaks Gen 22 verlesen wird und daß der Mallef (17. Jh. n. Chr.) f. 90 b ausdrücklich feststellt: „der Altar Abrahams, welcher ist der Altar Isaaks" (Baguley, Malef 371; O.: 170). «· n a V y n S ? 3 J C . 2 7 5 , 3 ; 764, 2; 407, 27 f. Zitat des ST Gen 49,26. Vgl. Dtn 33,15. Greens Übersetzung mit „Height of the World" (Succoth 349) übersieht diesen Zusammenhang. Doch ist nach Mills, Nablus der Ausdruck trotz seines Bezugs auf Gen 49, 26 mit „mountain of the world" zu übersetzen (271). Vgl. MM II 49, 7, wo dieser Begriff räumlich interpretiert wird: „über alle Berge in Heiligkeit und Herrlichkeit erhaben". Diese Stelle ist hebr. abgefaßt. " C. 276, 20; 764, 25; 408, 28. Zu diesem Umkreisen vgl. R. Kriss — H . Kriss — Heinrich, Volksglaube im Bereich des Islam. I Wallfahrtswesen und 47

Die Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. η. Chr.

207

Neben dem Verlauf der Route sollten wir uns nun audi den gottesdienstlichen Verlauf dieses zweiten Teils anschauen und die einzelnen Stationen nach ihrer liturgischen Relevanz gliedern. Auch hier hat Bowman wieder das ganze Material vorgelegt, wogegen es uns nur um solche Stücke geht, die den einzelnen Stationen ihr besonderes Gesicht geben. Die erste Station nach Beendigung des Deuteronomiums ist die Höhle, in der Kinder von 'ulug sind58. Hier wird ein Qätäf über die Schöpfung des Menschen verlesen: Gen 2, 9; 2 , 1 5 f.; 3, 8; 4, 26 bis 5 , 2 . Ob dieser Qätäf durch die vorangehende Lesung der Schöpfungsgeschichte bedingt ist oder durch den Ort, bleibt unklar 59 . Beim sog. Haus des Rabis 80 wird die Gemeinde durch den Hohenpriester begrüßt. „This is the house of the High Priest where he stayed during festivals and where once High Priests stayed continually" (Bowman 61 ). Am nächsten Ort ist das Verhältnis von Qätäf und locus sacer klar. Bei den (Zwölf) Steinen wird ein entsprechender aipöfl fjöj? verlesen, und zwar Dtn 27,4.8: die Errichtung von zwölf Steinen auf dem Garizim und ihre Beschriftung mit der Tora 62 . Die Heiligkeit dieses Ortes wird dadurch unterstrichen, daß die Pilger ihre Schuhe ausziehen und sich nach Verlesung des Qätäf gratulieren83. Den nächsten einschneidenden Haltepunkt bildet der Altar Adams, wo der Qätäf des Dekalogs64 und der Tora 6 5 verlesen wird — eine recht langwierige Prozedur, da der Qätäf des Gesetzes in einem Stück gelesen wird. Während Ex 15, 1 bis Heiligenverehrung. Wiesbaden 1960, 144 sowie den jüd. Brauch, am Laubhüttenfest in feierlicher Prozession den Altar zu umschreiten (Volz, Neujahrsfest 6 f. 33 f. — Miänä-Traktat Sukkä 4, 5). 58

Green 335. In der Massot-Liturgie (Hs. Cr. 20) fehlt diese Station.

5i

Bowman, Pilgrimage 25 denkt an „the cave where according to Samaritan legend the Giants took refuge after their defeat by Joshua", bzw. an das Grab von Adam und Seth. Nach Green 38 ist die Höhle mit dem heiligen Felsen identisch. Das ist unwahrscheinlich, da der an nächster Stelle zu lokalisierende Platz, die Zwölf Steine, nodi nord-westlidi vom Heiligen Fels liegt, von den Wallfahrern aus gesehen noch vor ihm.

e0

C. 271, 3; Green 337.

61

Pilgrimage 25.

68

C. 271, 9 ; Green 338. Die Zwölfzahl muß aus Jos 4 , 1 9 — 2 4 stammen. Dennoch wird an dieser Stelle nicht Jos verlesen, sondern Dtn: ein recht klarer Beweis, wie wenig die Samar. das Josuabudi rezipiert hatten und haben.

« C. 271, 5 . 1 0 ; Green 337 f. «« C. 7 6 3 , 1 ; 272, 28; 407, 1 f. 65

C. 237, 1; Green 339; Boys 444—494.

208

Die Garizim-Wallfahrt

16 gesungen wird 6 6 , zieht man zum Altare Seths weiter 8 7 . Hier folgt der Qätäf der Gerechten, eine Sammlung at. Zitate über Abraham, Isaak

und Jakob 6 8 . Beim Altar

Isaaks wird

dann wieder der

*]ttp

Dlpön verlesen, diesmal Gen 22, 1—18: das Opfer auf Moria 6 9 . A m Altare Noahs folgt dann wieder ein Qätäf des Platzes: eine Sammlung at. Verse über Noah (gipfelnd in Gen 8 , 1 9 — 2 1 : Noahs Altarbau) 7 0 . Der Qätäf am eigentlich heiligen Platz am Ende der Pilgerfahrt ist der Qätäf des Segens. Eröffnet mit Lev 9, 22 f. (Aaron und Mose segnen Israel) werden alle at. Segensworte zusammengestellt 71 . Zweifellos ist diese Segensverkündigung der eigentliche Zweck und Höhepunkt der ganzen Wallfahrt 7 2 . In einem Hymnus des Hohenpriesters Pinehas ben Joseph, Inaugurator der großen liturgischen Bewegung des 14. Jh., heißt es: „An ihm (dem Wochenfest) wollen wir zum guten Berg wallfahren, dem O r t der Heiligkeit, und wir wollen den großen Segen empfangen aus dem Munde dessen, der mit der Heiligkeit bekleidet ist, des heiligen Hohenpriesters, des Heiligsten der Heiligen" (C. 457, 1—3) 7 3 . C. 273, 24 f.; 763, 13. Insgesamt wird Ex 15 zweimal vorgetragen: am Altar Adams antiphonal, dann vom Priester vorgesungen auf der Wanderung zum Altar Seths. Greens Text bringt dann am Altare Seths nodi eine weitere antiphonale Verlesung (341—343), die jedoch in der Massot-Liturgie fehlt. 68 C. 274, 3; 763,15. ·» C. 274, 13; Green 346 f.; Boys 496 f. 70 C. 274, 22 f.; Green 349; C. 407, 24 f. 71 C. 275, 21 f.; 764, 12—14 (Text ausführlich bei Green 350—356); C. 408, 19 (Text ausführlich bei Boys 501—506). 7 2 Ebenso in der Wallfahrt am jüd. Laubhüttenfest: Volz, Neujahrsfest 7. 78 Auch außerhalb des liturgischen Corpus wird die Wallfahrt erwähnt. In der Tolidä (Text: Bowman) findet sich auf Kolumne 27 3 zu Pinehas b. Joseph (1308—1363) und seinem Sohn Eleasar (1363—1387) eine Marginalnote (vgl. P. Kahle, Aus der Geschichte der ältesten hebräischen Bibelhandschrift. BZAW 33. Gießen 1918, 247—260: 259): „Und zu seinen Tagen trat die Wallfahrt von Massot am Sabbat ein. Und wir gingen unter seiner Leitung am Freitag wachend auf den Garizim. Und die .Gebete der Nacht' zum Sabbat fanden statt am Ort des „Widders (liesV^) der Lösung" (Gen 22,13). Und er begann mit dem Gebet vom Abend bis zum M o r g e n . . . . Und er verrichtete jede Verpflichtung am Ort und legte auf die Spitze des Hügels den großen Segen (vgl. D t n l l , 29) und verrichtete den Gottesdienst des .Sabbats des Festes* auf dem Hügel der Ewigkeit". P. Kahle, der diese Stelle bespricht, versteht sie allerdings wohl falsch. MitlVlXön ΪΠ ist nicht der erste Tag gemeint — der auf Passa folgt —, sondern der letzte, an dem die ββ

67

Die Wallfahrtsliturgien des 14. Jh. η. Chr.

209

So, w i e dieses liturgische F o r m u l a r v o r u n s liegt, ist es erst ein spätes P r o d u k t . D i e in L e e d s a n g e f e r t i g t e n D i s s e r t a t i o n e n h a b e n ergeben, daß die F o r m d e r F e s t g o t t e s d i e n s t e aus d e m s y n a g o g a l e n S a b b a t Gottesdienst

entwickelt w u r d e . D a ß dieser S a b b a t - G o t t e s d i e n s t

auf die W a l l f a h r t e n e i n g e w i r k t h a t , ist e r w ä g e n s w e r t . S o die H y m n e n

auch

finden

sich

( m i t d e m Y i s t a b b a h ) s o w i e die R a h m e n s t ü c k e bei

der

V e r l e s u n g der Q e t ä f i m auch i m S a b b a t - G o t t e s d i e n s t . O b hier aber w i r k lich erst s e k u n d ä r Teile des S y n a g o g e n g o t t e s d i e n s t e s in die W a l l f a h r t h i n e i n g e t r a g e n w u r d e n , ist k a u m z u entscheiden. Schließlich ist eine Wallfahrt stattfindet. Die Szene spielt denn audi keinesfalls bei der Opfergrube, sondern — wie der N a m e des Platzes klar sagt — am Altar Abrahams bzw. Isaaks. Der ganze Zusatz mödite zeigen, wie bei einer Kollision von Sabbat und H ä g verfahren wurde. Die ,Gebete der Nacht' zum Sabbat (C. 269) fanden beim Altar Abrahams statt, d. h. die Gemeinde zog bereits am Vortage auf den Garizim, um den Sabbat nicht zu entweihen. Der Gottesdienst des .Sabbats vom Fest der Massot-Wallfahrt' (C. 224 ff.) wurde dann im Anschluß an die Segensverkündung der Wallfahrt auf dem Garizim gehalten. Der Segen fand daher auch nidit am Passa statt (wie die Tolidä ed. Bowman 27 3 auf den ersten Blick vermuten läßt und wie Kahle aaO und Jeremias, Passahfeier 63 daher annehmen), sondern am Ende der Wallfahrt. Abraham ben Jakob (15./16. Jh. n. Chr.) schreibt in seinem arab. Kommentar zu Lev 23: „Das zweite Fest ist das Fest (hg) der ungesäuerten Brote. Seine Zeit ist folgende: am fünfzehnten des erwähnten Monats nach dem Opfern des Passa ist sein Beginn, und am einundzwanzigsten des Monats ist sein Ende, so daß es volle sieben Tage dauert, deren Beginn die Passanacht und deren Ende ein Wallfahrtsfest ist" (Text und U . : S. Hanover, Festgesetz IV. 38). Ebenso erwähnt Abraham die Wallfahrt am Wodienfest ( I X . 43) und Laubhüttenfest ( X I I I — X V . 47—49). Weitere Nachrichten bringen zwei Briefe. Einer — verfaßt von Abraham ben Jakob had-Danafi (um 1750) — erwähnt die drei Wallfahrten redit summarisch (Gaster, Samaritans 166 Ζ. 24 ff. 168). Ein zweiter Brief an die Brüder in England — 1734 geschrieben und 1740 von Mei>almä ben 'äb HIDO kopiert (vgl. Gaster, Samaritans 170) — gibt einen genaueren Einblick: „Der siebte Tag ist das Fest ΠΊΧ0Π1Π, und an ihm steigen wir zu Jahwe hinauf. Wir wallfahren zum Garizim, Bet'el. Wir ziehen rezitierend aus der Stadt zum Ort, beten dort bei den Altären auf ihm, stehen auf dem Hügel der Ewigkeit, fügen Lieder und Gebete hinzu, und die Segen ruhen auf uns" (Gaster, Samaritans 173 Ζ. 93—98; 178). Vom Wochenfest schreibt M ^ a l m ä : „An ihm wallfahren wir zu Jahwe zur Spitze des Garizim, Bet'el wie ΙΤΙΧΰΠ ΪΠ " (aaO 173, Z. 106 f.). Die gleiche Notiz madit er beim Laubhüttenfest (aaO 174 Z. 121—123). 14 K i p p e n b e r g

210

Die Garizim-Wallfahrt

doppelte Herkunft von Hymnen und anderen liturgischen Stücken aus der Synagoge und aus der Wallfahrt möglich. Fragt man daher nach den alten Elementen, so gibt es nur ein zuverlässiges Kriterium: welche liturgischen Stücke sind mit Sicherheit nicht dem synagogalen Gottesdienst entlehnt? Nicht herzuleiten aus der Synagoge sind die Q'täfim des Ortes. Sie sind phänomenologisch als Hieroi Logoi anzusprechen, die die Heiligkeit eines Ortes begründen. Aus der Synagoge kann darüber hinaus auch die durchgehende Verlesung des Deuteronomiums nicht erklärt werden. Auch der Segen stammt nicht aus dem Synagogen-Gottesdienst 74 . Der erste Ort, an dem ein Qätäf des Ortes verlesen wird, sind die .Zwölf Steine'. In der gleichen Weise wird die Heiligkeit des Altars Isaaks und Noahs entfaltet 7 5 . Der Segen am heiligen O r t dürfte von Anfang an der Höhepunkt der Pilgerfahrt gewesen sein. Man sollte sich einen Moment die Relevanz dieser Q e täfim vor Augen halten: sie sind der letzte späte Ausläufer jener Haftung einzelner Traditionen an bestimmten Orten. Wenn man die formgeschichtliche Methode exemplifizieren möchte, dann kann man sich kaum ein besseres Beispiel denken. Fassen wir zusammen. Die im 14. J h . n. Chr. schriftlich fixierten Wallfahrtsliturgien lassen in sich Risse erkennen. Nachdem in einem ersten Teil feierlich das Deuteronomium verlesen wurde, beginnt mitten in der Wallfahrt, während sich die Prozession schon auf dem Hang des Garizim befindet, ein zweiter Teil. Darüber hinaus ist das ganze Ritual 74

Betrachten wir einmal den Satz, mit dem der Mallef f. 90 b die wesentlichen Elemente der Wallfahrt formuliert: „Es gehört sich für jeden Samaritaner, daß er dreimal im Jahr die Wallfahrt zu ihm macht und an allen seinen Altären steht: dem Altar Adams, dem Altar Seths, dem Altar Noahs und dem Altar Abrahams, welcher der Altar Isaaks ist, und am Ort des Einganges zum Bundeszelt ( " W Ö *?ΠΚΠη0), welches ist das Tordes Hügels der Ewigkeit ( n a V y n y a i m n ) " (Baguley, 3 7 i ; ü . :

75

i70).

A s ä t i r l 7 (Ben-Hayyim 11, 34—12, 1) schreibt ganz allgemein nach Erwähnung des Opfers von Kain und Abel: „Der erste Altar war am Rande des Heiligtums zwischen Luza und Garizim, einer beim anderen." Gaster, Asatir 186. 188 notiert die jüdischen Parallelen. As. erwähnt ferner den Altar Noahs (IV, 11) sowie einen des Seth, H a m und Japhet bei dem Großen Salem (IV, 36). Von Abraham heißt es: „Er erbaute den Altar Adams und Noahs. Danach stieg er hinauf zum Garizim, im Osten von Bet'el" (VI, 8 f.; Ben-Hayyim [16, 12]).

Analyse des aramäischen Materials

211

mit Elementen des synagogalen Gottesdienstes aufgebläht. Gegen ein hohes Alter der hier beschriebenen Wallfahrt spricht auch, daß der Weg, den die Gemeinde einschlägt, nicht die antike Route über die 300 Stufen auf den Garizim ist, sondern der von Nablus auf den Berg führende Pfad. Andererseits ist natürlich die Wallfahrt als ganze bestimmt alt, ebenso die Verehrung heiliger Orte auf dem Garizim. Was überliefert die aram. Literatur von der Wallfahrt?

B. Analyse des aramäischen Materials Fragen wir nach dem Alter der Wallfahrtsliturgien, so gibt es mehrere Zugänge. Wir könnten erstens untersuchen, wie alt die einzelnen liturgischen Stücke der Wallfahrt sind: die Hymnen etwa oder die Q'täfim. Wir könnten zweitens den liturgischen Begehungen wie etwa dem antiphonalen Vortrag at. Verse oder dem Segen nachgehen. Dieser zweite Zugang hat einen großen Vorteil: er erlaubt eine Beschränkung auf die typischen Elemente der Wallfahrt. Das Problem der Verwendung synagogaler Elemente im Wallfahrt-Gottesdienst klammern wir daher aus. Neben den liturgischen Akten wollen wir aber audi auf das theologische Verständnis dieser Wallfahrten achten. 1. Die Wallfahrt am Massot-Fest Eine auffällig liturgische Aufteilung des Schilfmeerliedes begegnet MM II 37, 29—38, 6 7 e : ,Dann sangen Mose und die Israeliten Jahwe dieses Lied' (Ex 15, l a SP). Jedermann gedachte des Wortes "ItP1 vor allen Worten des Lobpreises, vermehrt es doch 77 die Worte der Lobpreise. Ein sehr herrlicher 78 Stand war der Stand von Mose und den Israeliten bei diesem Lied am Meer. Mose stand am Meer und sein Gesicht war Garizim, Bet'el zugewandt. Hinter ihm standen alle Ältesten Israels und hinter den Ältesten alle Israeliten. Und Mose der Prophet sang das Lied Stück um Stüde. Wenn er mit einem jeden Stüde fertig war, ediwieg er und alle Ältesten antworteten mit dem Vers: 79

U. 57 f. SamMM II 20, 4 ff. bietet einen mit Hebraiemen durchsetzten Text.

77

Ό in der Bedeutung „Wahrlich, sicherlich" (Ben-Hayyim, Rezension 188).

78

Der Stamm 3 T hat im samar. Aram. sehr häufig den Sinn von: Ruhm, Herrlichkeit.

H*

212

Die Garizim-Wallfahrt .Singet Jahwe, denn das Volk ist erhaben". Roß und Reiter 80 warf er ins Meer'80 (V. lb). Und ganz Israel sprach: ,Meine Stärke und mein Lobpreis81, und er ward mein Heil' (V. 2a) bis J a h w e ist ein Held im Krieg81, Jahwe ist sein Name* (V. 3). Dann schwiegen sie und der Prophet Mose fing (wieder) an zu singen. Ebenso82 sang Mirjam und rief: .Singet Jahwe* (V. 21 b) mit den Ältesten 83 , und die Frauen sprachen mit den Israeliten: .Meine Stärke und mein Lobpreis' (V. 2 a) bis dort (V. 3). .Denn das Volk ist erhaben' (V. 1 = V. 21 b) — (das) sind Pharao und seine Reiter, deren Erhabenheit sich gegen die Israeliten erhob84 — ,Roß und Reiter warf er ins Meer' (V. 21 b).

Zu diesem Text gibt es im MM noch einige parallele Überlieferungen. A n erster Stelle ist auf MM II 50, 4—18 einzugehen, obgleich dieser Text hebräisch ist. Trotz seiner vermutlich späteren Abfassung sollten wir dennoch kurz die entscheidenden Punkte herausstellen. „In der Nacht des zweiten Festes, als der Morgen kam, betraten sie das Meer, und Mose sowie alle Israeliten mit ihm begannen dieses Lied" (50, 4 f.). Da das erste Fest, v o n dem die Rede war, das Passa-Fest ist (50, 2) 85 und die Samar. strikt zwischen Passa und Massöt trennen, handelt es sich hier u m das Massot-Fest bzw. seinen Höhepunkt am siebten Tag 86 . Ein H y m n u s v o n 'Abd Alläh b. Baraka (16. Jh. n. Chr.) (C. 234, 7 ff.) feiert denn auch den siebten Tag v o n ftixan 1Π als Tag der Erlösung v o n Pharao und des Kommens zum Roten Meer 87 . Diese Uberlieferung 79

80 81 82 83 84 85 88 87

So ist die — vom MT abweichende — Lesart von SP/ST zu übersetzen, wie die Deutung am Ende des Stückes zeigt. Aram. Endung. Anders MT. Statt Π1Π p liest samMM II 20, 23 ΠΓΓΠ Ό . Spielt auf die Gleichheit von V. 1 b und V. 21 b an. Dieser Satz deutet den Ausdruck Hitt (V. 1 b = V. 21 b). Passa als erstes Fest: MM I 23,14. Vgl. Mills, Nablus 257. C. 234, 9 f. Zur Datierung des Verfassers C. XCVI. Vgl. auch Mallef f. 79 b (ed. Baguley 152. 353). Die Israeliten betraten das Meer. „Und jener Tag war das Fest von Γ1Χ0Π ΪΠ und an ihm jubelten sie .Dann sang' (Ex 15, 1). und deshalb befahl er Israel: .Bewahrt diesen Tag als Fest und 1Π in Ewig' keit'". Vgl. den jüdischen Brauch, am siebten Tag des Passafestes den Bericht vom Durchzug durch das Rote Meer Ex 13, 17—15, 26 zu verlesen, „der nach

Analyse des aramäischen Materials

218

stützt sich auf Ex 2 3 , 1 5 (E). Die Annahme ist berechtigt, daß wir hier alte Tradition vor uns haben, die für die Erklärung des aramäischen Textes herangezogen werden darf 8 8 . Das gilt auch für den weiteren Ablauf der Ereignisse nach M M II 50, 4—18. Mose sang das Schilfmeerlied Stück um Stück, und wenn er mit jedem Stück fertig war, schwieg er, und die Ältesten 8 9 (und ganz Israel) 90 respondierten mit lauter Stimme V. l b : Singet J a h w e . . . ( 5 0 , 1 2 f.). Ganz Israel respondierte auf die Stimme der Ältesten mit lauter Stimme V. 2 f.: Meine Stärke und mein L o b p r e i s . . . (50, 14—16). „Und nach dieser Äußerung schwiegen sie, bis sie die Stimme des Propheten Mose hörten. Er sprach das Stück, alle Ältesten von ihnen antworteten und sprachen mit lauter Stimme: ,Singet' (V. lb), und dann sangen sie (selbst). Und nachdem sie mit den Worten des Liedes zu Ende waren, zogen sie weiter hinter Mose und der Herrlichkeit" (50, 16—18). „Und ebenso sangen Mirjam und alle Frauen mit ihr Jahwe dieses Lied" (V. 21b) (50, 11). Ein kurzer Hinweis auf jenes Arrangement am R o t e n Meer findet sich ferner in Buch V. Bei der Kunde von Mose bevorstehendem Sterben sammeln sich alle Häupter der Stämme, alle Richter, die Ältesten der Gemeinde und die siebzig Ältesten vor Mose (V 1 1 9 , 1 3 — 1 7 ) . „Mose der Mann (war) vor ihnen, und sie waren in Reihen postiert, und er erzählte 91 ihnen, was G o t t gesagt hatte. Und ihre Reihe vor ihm war, wie es gewesen war zur Zeit, da er das Lied verkündete. E r machte sich eine Stufe und stieg auf sie hinauf, so daß er die ganze Versammlung vor sich aufgereiht sah, und sie alle ihn sahen" 9 2 (MM V 119, 17—19). der alten jüdischen Chronologie in der N a c h t zum 2 2 . Nisan stattgefunden h a t t e " ( J . Elbogen, Gottesdienst

165). E x

15 wird umgekehrt nun aber

keineswegs nur am Massöt-Fest verlesen, sondern auch an anderen Festtagen wie z . B .

a m Versöhnungstag (vgl. J . Macdonald, Y o m H a - K i p p u r

284).

88

So — ohne allerdings auf den hebr. Spradidiarakter zu achten — auch E m m -

89

5 0 , 1 0 f. nennt neben den Ältesten die H ä u p t e r der Stämme.

rich, Siegeslied 15 f. ® Die Erwähnung ganz Israels an dieser Stelle ist ein Versehen, d a die nächste

9

Zeile ,ganz Israel' ein eigenes Responsorium zuschreibt und die kurze Zusammenfassung des liturgischen Ablaufs V . 16 f. .Älteste' und ,ganz Israel' eindeutig mit verschiedenen Responsorien versieht. O b man vielleicht lesen muß: ^ N - M 1 "73 ^ p t m ? 91

"lÖOim gleichen Sinne im mandäischen Aramäisch ( D r o w e r — Macuch 3 3 5 ) .

92

Eine stilistisch ähnliche Umsetzung des liturgischen Ablaufs in ein historisches Bild findet sich im Mallef f. 8 1 a (ed. Baguley 154. 3 5 5 ) . „Dann (sc. nach

214

Die Garizim-Wallfahrt

Die Verkündigung des Mose-Liedes am Roten Meer verschwimmt an allen diesen Stellen mit einem liturgischen Geschehen am Garizim. Am klarsten erkennen wir dieses in der zuerst übersetzten Stelle, wenn gesagt wird, daß Mose am Meer stand und dem Garizim, Bet'el zugewandt war. Die historische Distanz zwischen damals und heute ist verschwunden und mit ihr die geographische. Was hier beschrieben wird, ist ein gottesdienstlicher Ablauf. So stellt sich die Frage, welchen Sitz im Leben er hatte. Da das Geschehen mit dem Garizim, Bet'el verbunden wird, und (wie die hebr. Schicht formuliert) am Morgen des zweiten Festes stattfand, liegt die Annahme nahe, daß hier das Kernstück der Wallfahrt am Fest der ungesäuerten Brote resümiert wird: eine liturgische Vergegenwärtigung des Durchzuges durch das R o t e Meer. Aus den drei Wallfahrtsliturgien ist uns bekannt, daß am Altar Adams E x 15 antiphonal vorgetragen wird. Das Lied wird in sieben Teilen aufgesagt: V. 1; V 2 ; V. 4 — 6 9 3 ; V. 7 — 1 1 ; V. 12—16; V. 17 bis 18; V. 19—20. „Each section is followed by both of the following refrains: ,Yahwe is mighty in battle: Yahwe is His name for ever' (Exodus 15/3 cf.). ,Thou who art compassionate, Thou who art compassionate, art to be praised! U n t o Thy name belongeth greatness and victory! There is no god but o n e ' " (D. J . Boys 9 4 ). der Vernichtung der Ägypter im Meer) erhoben sich der Herr des Seienden und alle Israeliten, Männer und Frauen. Und Mose begann zu singen beim Abschnitt ( f t ? ) ,Dann sang' (Ex 1 5 , 1 ) nach einer geläufigen Melodie für (je)den Teil —gemäß jener Einteilung des Tages von ΓΠΧΟΠ SO in Verlesung aus der Schrift und Responsorien (ΠΙΪΟ'ΏΏ). Und Mose — Jahwes Friede sei über ihm — begann zu den Männern, und sie antworteten ihm. Und Mirjam, die Prophetin, begann zu den Frauen mit Handpauken und Reigen (Ex 15, 20). Und alles, was unser Herr Mose stückweise von ,Dann sang' vor den Männern sang, sang Mirjam zu den Frauen nach einer harmonischen Melodie". Die ganze Ausführung ist Teil einer Antwort auf die Frage: Was ereignete sich, nachdem die Ägypter im Meere vernichtet wurden? Wie und an welchem Datum in jiid. Überlieferung des Durchzuges durch das Meer gedacht wird, hat J . van Goudoever dargelegt: Fetes et Calandriers Bibliques. Theologie Historique 7. 3. A. Paris 1967, 177—184. 83

V. 3 wird ausgelassen, da er den Refrain bildet.

94

Shabuot 496.

Analyse des aramäischen Materials

215

Vergleicht man diese Lesung der Wallfahrtsliturgien mit dem liturgischen Ablauf im MM, so lassen sich die Gemeinsamkeiten nicht übersehen: die Verlesung des Schilfmeerliedes auf dem Garizim, die Einteilung des Liedes in Teile, die Verwendung von V. 3 als Responsorium. Unübersehbar sind allerdings audi die Differenzen: Marqä kennt zwei Responsorien: das der Ältesten und das Israels. Sodann ist der Inhalt dieser Responsorien unterschiedlich: nicht nur V. 3 und ein Lobpreis, sondern im MM V. lb, 2 und 3. Die Ubereinstimmung als solche macht aber wahrscheinlich, daß die Darstellung Marqäs sich an zeitgenössischen liturgischen Vorgängen orientiert. Das gilt allerdings kaum für eine weitere Differenz zwischen beiden Überlieferungen. Eine besondere Verlesung von Ex 15, 20 f. durch Mirjam und die Frauen kennen die Wallfahrtsliturgien nicht. Gerade an dieser Stelle zeigt nun auch Marqäs Uberlieferung sowie die spätere hebr. Tradition Unsicherheit. Nach Marqä hat Mirjam mit den Ältesten V. 21b ( = V. 1) und haben die Frauen mit den Israeli ten V. 2 f. gesungen. Diese Formulierung macht deutlich, daß Marqä offensichtlich keinen selbständigen Vortrag der Frauen kennt, sondern ihn rekonstruiert für den einstigen Durchzug durch das Schilfmeer (und zwar auf Grund der Angaben Ex 15, 20). Interessanterweise kennt auch die hebräische Schicht keine Rubriken für den Gesang der Frauen. So ist die Annahme wahrscheinlich, daß die antiphonale Lesung auf das Lied Mirjams ausgedehnt wurde, als man mit den liturgischen Formen der eigenen Zeit den Vorgang am Schilfmeer ausmalen wollte. Die von Cowley publizierten Wallfahrtsliturgien haben alle fast den gleichen Aufbau. Die Vermutung liegt nahe, daß sie alle erst nachträglich einander angeglichen wurden. In der Tat bietet die Verwendung des Schilfmeerliedes dafür einen Anhalt. Der feierliche Vortrag dieses Liedes diente zur Zeit der hebräischen Überarbeitung der Vergegenwärtigung des Durchzugs durch das Meer am Wallfahrtsfest von Massöt. Es erscheint mir daher als sinnvolle Annahme, daß das Schilfmeerlied ursprünglich in dieser Wallfahrt seinen Platz hatte und ihren wesentlichen Inhalt bildete. Ist man einmal auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, daß das uns vorliegende Formular der drei Wallfahrten erst nachträglich aus den drei verschiedenen Wallfahrten am Massot-, Wochen- und Laubhüttenfest zusammengestellt worden ist, so läßt sich mit einem Schlag eine Eigenart der Wallfahrten erklären: jener Bruch und Neuanfang im gottesdienstlichen Verlauf nach der Verlesung des Deuteronomiums. Wahrscheinlich haben wir hier eine Naht vor uns, die von der Verschmelzung verschiedener Einheiten zeugt.

216

Die Garizim-Wallfahrt

Dtn 31,10 f. ordnet nämlich die Verlesung „dieser Tora" alle sieben Jahre zur Zeit des Laubhüttenfestes an. Nach den drei Wallfahrtsliturgien wird das Dtn dagegen dreimal im Jahr verlesen. Ist es nicht eine wahrscheinliche Annahme, daß die Vorstufe dieses Brauchs die Verlesung des Dtn an jedem Laubhüttenfest war95? Der Bruch in den Liturgien macht es m. E. wahrscheinlich, daß der erste Teil einst eine selbständige Wallfahrt war, nämlich die des Laubhüttenfestes. Es bleibt zu fragen, ob man auch noch einen spezifischen Anteil des Wochenfestes an dieser Standard-Liturgie eruieren kann. Nach Boys gedenken die Samar. (wie die Pharisäer) an diesem Fest der Gabe des Gesetzes®8. So bliebe als reine Hypothese zu erwägen, ob die Q e täfim des Dekalogs und der Tora einst hier ihre Heimat hatten 97 . Doch ist das reine Hypothese, während wir, sowohl was Mass6t als was Sukkot anlangt, Argumente zur Hand haben. Fassen wir zusammen: in den Wallfahrtsliturgien findet sich eine Verlesung des Schilfmeerliedes. Aus der hebr. Schicht des MM erfahren wir, daß der Vortrag dieses Liedes auf den Morgen des Massot-Festes fällt, da an diesem Tag Israel durch das Meer zog. Die Schilderung Marqäs, wie Mose am Meer, dem Garizim zugewandt, das Schilfmeerlied vorträgt, und wie die Ältesten und Israel respondieren, spiegelt den Vortrag während der Wallfahrt am Massot-Fest. 2. Die Form von Buch I und Buch II des MM Daß Marqä diese Verbindung von Schilfmeerlied und MassötFest kennt, läßt sich mit einem weiteren Argument stützen. Eine der bis heute nicht erklärten Eigentümlichkeiten des MM sind Umfang und Charakter der ersten beiden Bücher, in denen das Schilfmeerlied eine wichtige Rolle spielt. „Why should a work like this begin at the story of Moses and the Burning Bush? Why not at Genesis chapter I?" fragt 95

Dafür könnte MM III 62, 2 f. sprechen, wo von einer Verlesung der ,Tora' am Laubhüttenfest auf dem Garizim -die Rede ist. Daß mit Tora das Deuteronomium gemeint ist, kann man zwar nicht beweisen, aber doch vermuten. Zum Laubhüttenfest vgl. Durrän C. 47, 19.

®9 Shabuot C C V I I I . Vgl. auch Α. E. Cowley, Description of Four Samaritan Manuscripts belonging to the Palestine Exploration Fund. P E F Q S t

1904,

67—78. Zum Problem: 70. Vgl. Oesterley, Synagogue 368. ,7

Vgl. Mills, Nablus 260 zur Wallfahrt am Wochenfest: „Much prominence is given in this service to the reading of the decalogue, when candles are lighted and held near the priest during the reading".

Analyse des aramäischen Materials

217

Macdonald 98 . Seine Antwort: „To Marqah the plan of God for His people hinged solely on the question of deliverance from sin and adversity 99 ." Diese Erlösung aber vollbringt Mose. Kann diese Erwägung den Anfang von Buch I erklären, so nicht das Ende. Wieso bricht es mit Ex 15 ab? Sollte man nicht erwarten, daß Marqä den Leser zum Höhepunkt von Gottes Tun f ü h r t : seiner Offenbarung am Sinai? M. Gaster: „There must have been a first book of his poems, now lost, which contained a description of the Birth of Moses100." Überzeugender als diese Vermutung ist dagegen Gasters Ablehnung der Bezeichnung Exodus-Kommentar. „It is, however, nothing of the kind, but a poem in a number of cantos on Moses, the Exodus, and the vicissitudes of the people during that period 101 ." Trifft diese Beschreibung m. Ε. audi nicht auf das ganze Werk zu, so paßt sie doch auf Buch I und II102. Gegenüber dieser Erkenntnis Gasters stellen die Ausführungen von D. Rettig einen Rückschritt dar: „Der Memar ist ein midraschartiger Kommentar zum Pentateuch. Er besteht in seiner heutigen Gestalt aus 6 Büchern. Das 1. Buch behandelt die Sendung Moses und die Befreiung der Israeliten. Buch II schildert vor allem den Durchzug der Israeliten durch das Schilfmeer und den Untergang der Ägypter 103 ." Hier liegt die Gewaltsamkeit auf der Hand: die Klassifizierung ,midraschartiger Kommentar zum Pentateuch' zwingt ja einfach zu der Voraussetzung, daß die .heutige Gestalt' der ursprünglichen kaum nodi ähnelt. Gründe dafür gibt es aber nicht, Rettigs Rückzug auf samar. Behauptungen dieser Art 104 kann durch keine Beweise gestützt werden. Auch J. Bowman spricht von einem Kommentar, räumt aber ein, daß er von Anfang an nur Teile des Pentateuchs umfaßte 105 , und zwar speziell die von Mose handelnden • 8 Memar Marqah Vol. I. XVIII. »· X I X . Asatir 135. 101 Samaritans 142. 102 Ähnlich P. Kahle, Pentateuditargum 11: der MM ist kein Pentateudikommentar, sondern bietet „erbauliche Betrachtungen zu ausgewählten Stücken des Pentateuchs". 103 Memar 22. 104 Memar 9. 105 Exegesis 221. So schon Montgomery: „a large Midrashic volume treating of various portions and subjects of the Pentateuch" (294) und Cowley, Samaritans 677: „It is of the nature of a midrash dealing with passages of special interest, rather than a continuous commentary on the text". In seinen Sama100

218

Die Garizim-Wallfahrt

Partien 106 . Gewiß, Mose spielt eine nicht zu überbietende Rolle im MM. Aber gerade wenn man dieses erkennt, bleibt es ein Rätsel, wieso Marqä nicht die Offenbarung am Sinai ins Zentrum seines Werkes stellte. Doch Buch I und II bricht mit Ex 15 ab. Ehe wir auf das Buch I und II zugrunde liegende Kompositionsmotiv eingehen, soll in aller Kürze begründet werden, warum beide Bücher zusammenzufassen sind. Jüngst hat Ben-Hayyim die Vermutung geäußert, daß in den größten Teil von Buch II hebräische Teile interpoliert sind, und betont, „that it is incumbent upon scholars to scrutinise fully all these interpolations" 107 . Da aramäische und hebräische Sprache verwoben sind, Macdonalds zugrunde liegenden Hss. zudem in besonderer Weise einen Mischtyp repräsentieren 108 , ist eine Abhebung der hebräischen Partien auf Zeile und Wort nicht möglich. Notieren wir also nur die Komplexe, die in Macdonalds Edition einen überwiegend hebräischen Sprachcharakter haben: 31, 1 —34, 24 = Ü. 47—52 43,24—44,22 = Ü. 68—70 48, 7 —50, 18 = Ü. 76—80 Zieht man diese hebräischen Teile vom heutigen Bestand des zweiten Buches ab, so schmilzt dieses um etwa ein Drittel zusammen. Bedeutsamer ist aber, daß jene ersten Abschnitte des Buches, die sich zwischen das erste und das zweite Buch schieben und einen Neuanfang markieren, verschwinden würden. Die Ausführungen über die Schöpfung des Menschen (§1) und die Rolle der Elemente beim Auszug (§ 2.3) stehen zwischen zusammengehörigen Stücken. Buch I endet mit drei Motiven. I 27, 11—15 entfaltet den Unterschied, als Pharao und Mose das Meer betraten, die Zeilen 16—28 zählen die zehn Wunder auf, denen die Ägypter erlagen, und zum Schluß folgt der kurze Hinweis, Mose und ganz Israel sangen — eben doch sehr wahrscheinlich eine Bezugnahme auf das Schilfmeerlied (I 27, 28 f.). Alle drei Motive werden in Buch II aufgenommen: Mose und Pharao stehen sich am Meer gegenüber — wieder wird mit den gleichen Worten auf den Unterschied zwischen den beiden verwiesen (II 34, 25—1137,4; besonders II 36, 28 ff.), Mose und ganz Israel singen das Schilfmeerlied (II 37,

106 107 108

ritan Studies 305 Anm. 3 vermutet Bowman jedoch: „The birth story of Moses is missing". Exegesis 225 f. Rezension 190. Memar Marqah Vol. I. 31 Anm. 1.

Analyse des aramäischen Materials

219

4—38, 6), zehn Wunder vernichten die Ägypter (II 38, 7—42, 16)109. Die am Ende von Buch I gerade noch angedeutete Szene setzt Buch II voraus und malt sie aus. So bildeten die beiden Bücher ursprünglich eine Einheit, die erst durch spätere Einfügung weiteren Materials verlorenging 110 . Gehen wir nun der oben gestellten Frage nach dem Charakter von Buch I und II nach. Warum endet Buch II mit Ex 15? Könnte es nicht sein, daß Marqä in diesem Buch die Festlegende des Massot-Festes, das Schilfmeerlied, kommentiert? Diese Vermutung scheint mir deshalb plausibel, weil Marqä in seinem ersten Buch die Festlegende des PassaFestes in den Mittelpunkt stellt. Die Auslegung von Ex 12 ist der Höhepunkt dieses Buches (§ 9). Passa- und Massöt-Fest aber gehören fest zusammen. Das Massot-Fest schließt an das Passa an und feiert die Erlösung Israels, die durch die Bewahrung in der Passanacht vor der Erschlagung der Erstgeborenen beginnt. Daß Buch I an kultischen Zeiten interessiert ist, kann man auch ionst beobachten. Es beginnt mit Ex 3, wo Mose zum Erlöser der Hebräer und Vernichter der Ägypter erkoren wird (I 5,18). Der Beginn des Werkes ist durch einen ganz präzisen theologischen Topos bedingt: Mose der Erlöser (so richtig Macdonald 111 ). Neben diesem Topos tritt 10

* Die zehn Wunder haben nur zum Teil eine Parallele in der Aufzählung am Ende von Buch I. Es sind die folgenden Wunder: das fünfte: II 39,19—1 27,17; das sechste: II 39, 30—1 2 7 , 1 9 (?); das siebte: II 4 0 , 1 3 f.—I 27, 18; das achte: II 40, 24 f.—I 27, 20; das neunte: II 41,11 f.—I 27, 26. Solche Parallelstücke geben uns einen Einblick in die Arbeit Marqäs. Ohne einer v/irklichen Analyse dieser (recht häufigen) Parallelüberlieferungen zuvorzukommen, kann man dodi zweierlei sagen: Marqä folgt Quellen und ist bestrebt, in sie andere Traditionen einzuarbeiten. So hat Marqä in diesem konkreten Fall die ersten vier Wunder nicht nach seinem vorgegebenen Schema gestaltet, sondern nach einer anderen Tradition: den vier Teilen des ägyptischen Heeres, an denen je ein Wunder gewirkt wurde (wo ist das vierte Wunder geblieben?). Es verschlingen sich im MM verschiedenste Traditionen, ohne daß der Autor sich allzusehr um Ordnung und Zielstrebigkeit bemüht hat. Manchmal mutet das Ganze mehr als Trümmerfeld denn als geordnetes Werk an. Gerade daher ist dieses Werk für eine Traditionsanalyse so sehr geeignet.

110 111

Dafür spricht auch, daß Buch II keine eigene Überschrift erhalten hat. Memar Marqah Vol. I. X I X .

220

Die Garizim-Wallfahrt

aber sehr bald ein Bezug auf den liturgischen Kalender der Samar. h e r V O r

-MMI12,4-6"*: ,Und er (Aaron) ging weg und traf ihn (Mose) am Gottesberg' (Ex 4, 27 ST). Zwei Leuchtkörper umarmten sich113, dieser jenen 114 . ,Und er ging weg und traf ihn am Gottesberg/ Die Sonne und der Mond von Amram und Jochebed trafen sich. ,Und er ging weg und traf ihn am Gottesberg.' Tigris und Euphrat vereinigten sich.

Die erste Hälfte dieser drei Zeilen zitiert Ex 4, 27 (ST). Dieser Text aber wird am Fest Π0ΒΠ möX, an dem Sonnenbahn und Mondbahn einander kreuzen, verlesen. Dieses Fest steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der samar. Kalenderrechnung. Zweimal jährlich geben die Priester einen Kalender heraus. Angelpunkt des samar. Kalenders ist jene große Konjunktion von Sonne und Mond im Frühling und Herbst, wo die Bahn des Mondes die der Sonne kreuzt 1 1 5 . Auf diese Tage legen die Samar. zwei nur ihnen eigene Feste: Π0ΒΠ ΓΠ0Ϊ (60 Tage vor dem Passa) und ΓΠ50Π mDX (60 Tage vor dem Laubhüttenfest) 116 . Der Begriff §immüt hat nicht nur astronomische Bedeutung, sondern beinhaltet auch „convocation to receive sanctuary dues". Daher wird an beiden Tagen Ex 30, 12—16 verlesen, die Abführung eines halben Seqel an dem Tempel. Drittens versteht man den Begriff als eine Erinnerung an das Treffen von Mose und Aaron. Ex 4, 27 wird simmüt happesah zitiert 117 , simmut hassukkot wird der Amtseinführung Eleasars durch Mose gedacht: N u m 20, 12—29 118 . Daß Marqä bereits diese Verwendung von Ex 4, 27 kennt, zeigen die erste und zweite Zeile: zwei Leuchtkörper umarmen sich, Sonne und Mond treffen sich 119 . Die mit diesem Fest verbundene Kalenderrechnung war also bereits zur 112 113

114

115 118 117 118 119

Ü. 14. Ich folge der Hs. L : ] , Ϊ ? 3 Π 0 . Das Wort der Danafi-Hs. ist so unübersetzbar. SamMM I 22,21 liest f Ö j ? » . Macdonald übersetzt diese erste Zeile Imperativisch, die beiden nächsten indikativisch. Dagegen spricht m. E. die Parallelität der folgenden Zeilen sowie der Umstand, daß die erste Hälfte Zitat von Ex 4, 27 b ist, wo Aarons Ausführung des Befehls berichtet wird. Bowman, Calendar 32. Bowman, Calendar 23. Bowman, Calendar 35. Bowman, Calendar 37. Was Tigris und Euphrat symbolisieren, ist unklar (die Bahnen der Himmelskörper?).

Analyse des aramäischen Materials

221

Zeit Marqäs geläufig120. Marqä scheint also in dem ihm bekannten Festkalender den zeitlichen Rahmen der Ereignisse beim Auszug aus Ägypten zu sehen. MM I 21,11—131M: Deshalb am ersten Tag des ersten Monats verkünde und preise es (sc. daß der erste Monat das Tor der Gnade ist 122 ), d a ich123 darin die Schöpfung der Welt (Gen 1,1—2, 7 1 2 4 ) angefangen habe. Fürwahr, ich (bin) 125 wie einer, der anfängt und werde die Fessel derer lösen 120 , welche sich alle versammeln zur Rettung.

Marqä spielt hier auf den Gottesdienst am ersten Tag des ersten Monats (des Nisan) an. „Gebete für den Tag des Neumonds des ersten (Monats): morgens" lautet eine Rubrik bei Cowley 127 . Wie alle samar. Gottesdienste beginnt auch dieser mit den Versen der Schöpfung Gen 1, 1—2,7 (C. 125 , 2) 128 . Doch hier hat dieser Brauch einen besonderen Grund: der 1. Nisan gilt als Tag der Schöpfung 129 . Marqä sieht in diesem Datum ein Hoffnungszeidhen. Jahwes Schöpfertum erweist sich aufs neue in der bevorstehenden Erlösung. Daß für Marqä diese Rettung so unmittelbar gegenwärtig erscheint, ist in der Ungebrochenheit des Festgedankens begründet: das Fest aktualisiert die vergangene Erlösung. An MM I 21, 11—13 schließt sich unmittelbar die Erörterung des zehnten Tages an, bedingt durch Ex 12, 3—5 (I 21,15—22, 5). Den Höhepunkt erreicht das erste Buch mit der Beschreibung des Tages schlechthin (I 22, 6 ff.). Dieser Tag — gemeint ist der 14. Nisan (I 22, 17 f.) — leitete nicht nur einst, sondern leitet auch jetzt noch eine neue Epoche ein. „Wenn es nicht das Passa gäbe, wäre nichts verherrlicht, nichts Heiliges geoffenbart und gäbe130 es keine Ruhe" (I 22, 25 f.). Wir hören auch aus jüd. Quellen über Differenzen zwischen samar. und jüd. Kalenderrechnung (Misnä-Traktat Ro's hassänä 2 , 2 ; Ü.: Billerbeck I. 557). 121 Ü. 31. 122 Vgl. I 20, 23—27. 123 r m ist entweder Ersatzform für ΓΡΝ oder wahrscheinlicher kontrahiert aus ΓΡΝ (Ram6n Diaz, Arameo Samaritano 173 Anm. 8). Macdonalds Ü. „When you are in it" kann ich grammatikalisch nicht verifizieren. 124 Versehen bei Macdonald Ü. 31 Anm. 95: Gen 1, 1—2, 3. 1 2 5 Nach Hildesheimer, Buch der Wunder 35 Anm. 49 wäre " D hier als Kurzform für "ΊΧ Ό zu erklären. 128 Wortspiel mit i n ® (vgl. Macdonald Ü. 31 Anm. 96). 127 C. 125 Überschrift. 128 Vgl. zu diesem Brauch Marqä C. 16, 6. 12» Vgl_ Montgomery, Samaritans 223. 130 Stamm: TIT 120

222

Die Garizim-Wallfahrt

I 25, 30—26, 23 folgt dann die Szene der Überführung Josephs aus Ägypten — ein Ereignis, dessen im Monat Nisan gedacht wurde 131 . Unmittelbar nach dem Passa beginnt das Fest der ungesäuerten Brote, und eben dessen Wallfahrt am siebten Tag ist Höhepunkt des zweiten Buches. Die eigenartige Form von Buch I und II, sein abrupter Beginn mit Ex 3 und sein ebenso schroffes Ende mit Ex 15, spiegelt m. E. den samar. Festkalender wieder. Marqä kommentiert nicht so sehr die Schrift. Er kommentiert vielmehr jene — in der Schrift festgehaltenen — Ereignisse, die nach samar. Tradition zwischen simmüt happesah und dem Massot-Fest eintraten. So handelt es sich bei Buch I und II um eine Passa/Massot-Haggada132. Die großen Feste von Passa und Massot haben Buch I und II die Form gegeben. In diesen Rahmen hat Marqä eine Fülle anderen Materials eingearbeitet. Ferner hat er außer Ex 12 und 15 auch andere Teile aus Ex kommentiert. So ist das Werk in einer gewissen Distanz zum Festablauf geschrieben. Man müßte die aufgenommenen Traditionen prüfen, um den genauen Ort ihrer Abfassung zu fixieren. Knüpfte Marqä direkt an die Feste an oder an einen Synagogengottesdienst zu Passa und Massot, wo die Festlegenden vorgetragen und ausgelegt wurden? Hier bleiben Fragen offen. 3. Der Berg des Segens Höhepunkt und Schlußstück der drei Wallfahrten auf dem Garizim ist der Segen. Da im samar. Synagogen-Gottesdienst kein Segen gesprochen wurde, ist dieses Stichwort — sofern es einen kultischen Vorgang einschließt — ein Erkennungszeichen für Wallfahrt-Uberlieferungen. Die Behandlung des Segens findet sich thematisch vor allem in Buch III, einem Midrasdi zu Dtn 27, 9—26. An Marqäs Auslegung dieses Bibeltextes fällt die Absicht auf, im at. Text Elemente der zu seiner Zeit 131

Unter der Rubrik „für den Monat 'Abib" gedenkt ein Stück des Durrän der Überführung von Joseph aus Ägypten (C. 47, 6. 10—13).

132

Vgl. Emmridi, Siegeslied 16 zu Budi I I : „An diese Vorlesung (sc. von E x 15 am Massot-Fest) Schloß sich dann später eine Schrifterklärung an, die jene zum Mittelpunkt hatte, und so wird denn unsere Schrift als eine für das Mazzothfest bestimmte Festbetrachtung anzusehen sein". In einer Anm. hierzu spricht Emmridi auch die von Kohn edierte Passahaggada, ein Teil von Buch I, als „Festbetrachtung" an. Da Emmridi das durch Cowley veröffentlichte Material noch nicht kannte, sind seine Worte mehr intuitiv denn begründet — was sie im ganzen nur noch erstaunlicher macht..

223

Analyse des aramäischen Materials

üblichen W a l l f a h r t wiederzufinden. I m m e r d o r t , w o M a r q ä die V o r schriften v o n D t n 2 7 m i t G e w a l t a n d e r e n U b e r l i e f e r u n g e n a n p a ß t , w e r den w i r m i t W a l l f a h r t s t r a d i t i o n e n rechnen k ö n n e n . MM III 5 8 , 2 7 — 5 9 , 1 " ' : Und ihr, ihr Söhne von ihnen, lernt gut, was ihr nach Überqueren des Jordans tun sollt: ihr sollt dann zu dem Platz kommen, den die Wahrheit erwählt hat, dem Platz des Segens, dem Wohnsitz der Engel... D e r Satz ist in einer A u s l e g u n g des „ h e u t e " v o n D t n 2 7 , 9 e n t halten. F ü r die S a m a r . ist der G a r i z i m v o n J a h w e bereits v o r der L a n d n a h m e e r w ä h l t w o r d e n , sind doch die Segen d e r E r z v ä t e r auf i h m v e r kündet worden. M M I I I 59, 22 f. 1 » 4 : Der Hohepriester besitzt zehn Würden. Durch sie ist er ausgesondert über alle Brüder: . . . und er gibt den großen Segen. F r a g t m a n , was d e r g r o ß e Segen sein k ö n n t e , so k a n n V I 1 3 7 , 31 eine A n t w o r t geben, w o es v o n M o s e h e i ß t : „ U n d seht i h n A a r o n , sein e n B r u d e r , d e n g r o ß e n Segen lehren, wie es die W a h r h e i t i h n g e l e h r t h a t t e . " N a c h N u m 6, 2 2 f. l e h r t e M o s e diesen Segen A a r o n

( N u m 6,

2 4 — 2 6 ) , n a c h d e m J a h w e ihn d a m i t b e a u f t r a g t h a t t e 1 8 5 . Dieser Segen bleibt exklusives V o r r e c h t der aaronitischen H o h e n p r i e s t e r . D i e L e v i t e n d ü r f e n ihn nicht sprechen. D a s o r d n e t auch C h r o n i k II an. Dreierlei ist f ü r d e n Segen w i c h t i g : 1. Ein Priester aus der Nachkommenschaft Aarons muß ihn sprechen. 2. Der Name Jahwes muß ausgesprochen w e r d e n 1 " . 3. D e r Segen muß am erwählten Ort verkündet werden 1 3 7 . 135

Bereits o. S. 191 f. übersetzt und besprochen.

184

Ü. 93.

155

Nicht überall, wo vom großen Segen die Rede ist, ist jedoch an Num 6, 24 bis 26 gedacht: I I I 6 4 , 1 ; I V 1 0 5 , 3 . D a ß unsere Stelle jedoch speziell an den aaronitischen Segen denkt, zeigt die gleich zu besprechende Chronik I I .

156

Aussprache bei den Samaritanern nadi Theodoret von Cyrus (5. J h . n. Chr.) Ίαβε (Quaest. in Exod. X V ; T e x t : M P G 80. 244 B) bzw.

Ίαβαι

(Haere-

ticar. Fabular. Compendium V, 3; T e x t : M P G 83. 460 A). An der zweiten Stelle setzt Theodoret hinzu, daß die Samar. nicht die δύυσμιο dieses Wortes kennen. Die gleiche Aussprache bezeugt Epiphanius. Eine Liste der von antiken Schriftstellern bezeugten Aussprache des Tetragramms findet sich bei A. Deissmann, Bibelstudien. Marburg 1895, 3 ff. 137

In Macdonalds Ausgabe von Chronik I I : Judges § F , L * — O x S. 37 (Text).

224

Die Garizim-Wallfahrt

Auch den Zeitpunkt der Verkündung nennt Chronik II. Der Hohepriester segnet das Volk dreimal an den Tagen der Feste, an den Tagen des in 1 8 8 · Die Ausführung Marqäs über die Vorrechte des Hohenpriesters findet sich als Kommentar zu Dtn 27, 9: Israel ist „zum heiligen Volk Jahwes, deines Gottes" geworden (III 59, 7 . 1 4 ) 1 3 9 . Den Priestern ist das Heilige anvertraut (Z. 17 f.). Marqäs Auslegung zielt so auf eine grundsätzliche Differenzierung von Priestern und Volk — eine Differenzierung, die ihre Wurzeln nicht so sehr im Text als im faktischen Garizim-Kult haben dürfte. Welche Bedeutung dieser priesterliche Segen hat, wie sehr er als heiliges Geschehen verstanden wird, zeigt Marqäs Auslegung von Dtn 27, 12 f. Auch nach dem samar. Pentateuch und Targum stehen die Stämme auf dem Garizim bzw. dem Ebal, um das Volk zu segnen bzw. zu fluchen. Marqä dreht es aber genau um: MM III 60, 22—25"»: Sechs (waren es), die im Segen standen, und sechs (waren es), die im Fluch standen. Die 1 4 1 im Segen standen auf der Spitze des Garizim, (waren): Simeon, Levi, Juda, Issaschar. Und Joseph und Benjamin wurden mit der Krone

des Besitzes (sc. des Garizim) verherrlicht.

Und sechs (waren es), die im Fluch standen auf dem Berge E b a l : Ruben, Gad, Asser, Sebulon, Dan, Naphtali.

Während im at. Text die Stämme den Segen bzw. den Fluch sprechen, hat diese samar. Tradition die Stämme auf Grund ihrer An- oder Abwesenheit vom Garizim zu gesegneten bzw. verfluchten gemacht. Die Stämme, die auf dem Garizim stehen, sind gesegnet, und die, die auf dem Ebal stehen, sind verflucht (vgl. auch Dtn 11, 29). Ebendarum heißt es von denen, die unterm Fluch standen: „Wenn die Väter nicht zum Garizim hinaufgestiegen wären 1 4 2 und im Segen gestanden hätten, wie sollten ihre Söhne zum Garizim kommen?" (III 61, 3 f.) 143 . Hintergrund dieser Auslegung ist nur zu deutlich die priesterliche Segenssprechung, welche die auf dem Garizim versammelte Gemeinde objeklse

§ J , D * , E * S. 39 (Text).

138

Vielleicht zitiert Z. 14 D t n 2 6 , 1 9 (so Macdonald Ü. 92).

140

U. 94.

141

SamMM I I I 15, 17 liest vor I S S p T w i e es der Parallelismus zum folgenden gebietet ΠΓΡΓΙΕ?. Ist es in Macdonalds Edition versehentlich ausgefallen? ΠΊΠ mit Perfekt vgl. Odeberg,Grammar 112, der als Bedeutung: ,occur that', .happen to', ,once £ annimmt. Möglich ist auch konditionales Verständnis.

us Vgl. I I I 62, 9, wo von den „Besitzern des Segens" die Rede ist. Neben diesem fast magischen Aspekt des Segens ist natürlich auch der des Glaubensgehorsams ( I V 105, 1) zu sehen.

Analyse des aramäischen Materials

225

tiv in die Sphäre des Segens versetzt. Allein die Präsenz am Garizim schenkt den Segen. So ist der Garizim „der Platz des Segens, der Platz der Wallfahrten" (III 64,13 f.). Der Berg hat für die Samar. keine statische Heiligkeit. Der Berg ist heilig, weil der Gottesdienst auf ihm Jahwes Segen schenkt. Ebendeshalb sind die Wallfahrten von Geboten umrankt. MM III 6 2 , 1 2 f. 15—17 1 4 4 : Wisse, daß ein Fremder weder 1 4 5 zum Garizim hinaufsteigen noch auf dem Platz des Segens stehen darf. . . . Und Gott sprach: ,Der Proselyt wie der Einheimische' (Lev 19, 34 SP). Und er sprach wiederum: ,Er soll sich mit dir bei deinem 3Π freuen' (Dtn 16,14 ST), und er sagte außerdem von ihm: ,Er soll sich mit dir versammeln und den Priester das Gesetz 1 4 6 lesen hören' (Dtn 31,11 f. ST), aber nicht soll er es (selbst) lesen.

Die Wallfahrt ist ein Fest Israels, an dem der Proselyt nur passiv, der Fremde aber gar nicht teilnehmen darf. Der auf dem Garizim erneuerte Segen gilt ganz pointiert nur Israel. Den zum Garizim Kommenden wird Segen und Verheißung an die Erzväter neue Wirklichkeit. „Wenn du dorthin (zum Garizim) gelangst, findest du jede große Herrlichkeit, vernichtest du die Völker und nimmst ihren ganzen Besitz" (IV 103, 29). Die Wallfahrt zum Garizim ist eine neue Landnahme 1 4 7 bzw. eine Erinnerung an die Gültigkeit der Zusagen Jahwes an die Väter. Die Erneuerung dieser Zusagen ist ein zentrales Motiv der Wallfahrt. Es ist eine bekannte Schwierigkeit, daß Dtn 27 zwar eine Fluchreihe, aber keine Segensreihe überliefert. „Nicht wurde 1 4 8 dort über der Gemeinde von den Leviten ein Segen gesprochen. Was ist der Nutzen 1 4 9 in ihrem Stehen auf dem Garizim, und was 150 ist der Segen, der über 144

0 . 97.

u. jvV negiert den ganzen Satz, negiert Teile des Satzes (Odeberg, Grammar 125). 149 'aqtäl Bildung von Ή 1 — dem hebr. ΠΠΓ> analog (vgl. M e lis 611, 117; Dalman, Grammatik 172). 147 Vgl. j g u Zusammenhang I I I 58,27—59, 3: auf die Unterweisung, nach Überquerung des Jordans zum Garizim zu ziehen, folgt eine Warnung an denjenigen, der sich vom Garizim fernhält. l « Zu ΓΡ1? mit Impf. vgl. Cowley L I X . 149 Stamm: "ΊΠ — vgl. M e lis 552, 336 und Ben-Hayyims Anm. dazu. 150 Kontraktion aus Π8 + NTI. 15 K i p p e n b e r g

226

Die Garizim-Wallfahrt

dem Volk gesprochen wurde?" (III 63,15—17). Daß es der aaronitische Segen nicht sein kann, der den Leviten gerade vorenthalten wird, ist klar. MM III 63, 20 f.*«: Vom Beginn der Genesis ist Segen und Heil.

Diese at. Segen gehen dem Fluch voran. Ebendeshalb vermochte Israel nach Uberquerung des Jordans seine Feinde zu zerschmettern (63, 26). MM III 63, 32 f . 1 " : Zur Vollendung 1 5 3 des Dankliedes 154 sprechen sie (die Leviten) die Worte des Segens. Jenes ist der Segen, der Abraham und audi Isaak bei Vollendung seiner Tat gegeben wurde.

Marqä zählt zehn große Segen auf, at. Zitate, in denen Abraham, Isaak155 und Jakob gesegnet werden sowie drei von Mose verkündete Segen (III 64,1—6). Genannt werden ferner der Noah-Segen (III 64, 6 f. 30) und weitere von Mose verkündete Segen (III 64, 24 f.). Diese at. Zusagen sind es, die die Leviten dem Volk verkündigen 158 . MM III 6 4 , 1 8 f. 21 1 5 7 : Deshalb (wegen seines Opfers) wurde er (Noah) zum ersten gemacht, der auf ihm (dem Garizim) gesegnet wurde. W o er opferte, dort wurde er gesegnet. . . . Und der Segen Abrahams, sowie Isaaks und Jakobs sowie der Segen Josephs wurden dort offenbart 1 5 8 .

Dieser Kumulierung aller Segen auf dem Garizim haftet eine eigenartige Folgerichtigkeit an. III 64, 23 heißt es, Mose habe die Abraham gegebenen Segen am Fuß des Sinai erläutert. Nachdem Ex 32, 13 (ST) und Dtn 1, 10 und 11 (ST) zitiert und auf den Segen des Taheb gedeutet sind (III 64, 24 f.), findet ein überraschender Ortswechsel statt: „So erneuerte er (sc. Mose) sie auf dem Garizim, dem Platz des Gottesdienstes" (III 64, 26 f.). Hinter dieser so willkürlich anmutenden Ausführung steht der liturgische Brauch, die at. Segensworte auf dem Garizim 151 152 15S 154 155 156

0.99. Ü. 100. Vgl. Meli? 494, 248. Stamm: v T v g l . Melis 613, 164. Audi I 6, 9 und IV 85, 4 gilt Isaak als Empfänger dreier Segen. Als erster verkündete Mose sie auf dem Garizim: III 64, 26 f.

157

Ü. 101.

158

Vgl. 6 5 , 2 9 (Noah); 6 5 , 3 1 (Abraham); 6 6 , 6 (Isaak); 6 6 , 7 (Jakob).

227

Analyse des aramäischen Materials

z u v e r k ü n d i g e n . D a ß dieser B r a u c h auf M o s e selbst z u r ü c k g e h t , w i r d unreflektiert postuliert159. D i e V e r k ü n d i g u n g d e r at. S e g e n s w o r t e auf d e m G a r i z i m z u r E n t s t e h u n g des S e g e n s q ä t ä f , m i t d e m die m e i s t e n Z i t a t e übereinstimmen160.

So kennt Marqä

also e i n e V o r s t u f e des

führte Marqäs

späteren

S e g e n s q ä t ä f a m h e i l i g e n P l a t z e , l ä ß t a b e r zugleich e r k e n n e n , daß die L e v i t e n i h n s p r a c h e n 1 6 1 . U n d n o c h etwas k ö n n e n w i r l e r n e n . E r s t n a c h d e m D a n k l i e d s p r e c h e n die L e v i t e n d e n S e g e n . Dieses L i e d a b e r z i t i e r t M a r q ä ausführlich: M M I I I 63, 30—32 1 « 2 : Beim Beginn der Rede laßt uns beginnen, den großen König zu preisen, der uns zu Besitzern jeder Herrlichkeit machte, der uns fähig machte, was unsern Vätern gehörte, zu erben, und der uns das erfüllt hat, was er ihnen ersonnen hatte 1 6 8 , was er ihnen in seiner Größe festgesetzt hatte. W i r k ö n n e n die F o r m dieses Stückes i m S y n a g o g e n g o t t e s d i e n s t v e r f o l g e n . E s h a n d e l t sich u m ein Π3Π571 159

( y i s t a b b a h ) . E s b e g e g n e t speziell

Weitere Stellen zu dem Thema ,Mose am Garizim': I I 37, 31 (Mose singt das Schilfmeerlied zum Garizim hin); V 120, 10 f. („Zum Garizim, dem Hause Gottes, wonach es midi begehrte, werde ich hinaufsteigen vor meinem T o d e " ) ; V 126, 23—25 beim Tode Mose („Der große Prophet Mose erhob seine Augen und sah den Garizim. E r neigte sich (Stamm: |Π3) und warf sich auf sein Gesicht, und als er sich erhob vom Knien sah er den Eingang der Höhle vor sich geöffnet"). Vgl. I I I 6 2 , 6 f. Diese Überlieferung beruht auf der Identifizierung von Nebo und Garizim.

160

Ein Vergleich dieses Qätäf (ed. Green, Succoth 351 ff.) mit Marqäs Zitaten ergibt: von den eindeutig zum Stichwort

zusammengestellten vierzehn

Zitaten Marqäs haben zwei keine Entsprechung im Segens-Qätäf. iei Vgl. V I 1 3 3 , 3 3 : »Wir hören die Π Π 3 1 3 '•Sp, aber tun sie nicht". Baneth, 22 Buchstaben 39 Anm. 58 denkt an die „Abschnitte in Lev. 26, 3 und Deut. 2 8 , 1 " . Nach Green, Succoth 63 sind D'Xp „readings which consist of continuous passages from the L a w " . Setzt Marqä voraus, daß solche umfassenden Abschnitte verlesen wurden? Welche der von Bowman, Samaritan Studies 326 f. angeführten Abschnitte können f X p des Segens heißen? Auch etwa der Dekalog, wie Macdonald Ü. 217 Anm. 16 vermutet? Eines ist k l a r : die von M a r q ä in Buch I I I vorgetragene Zusammenstellung von Zitaten zum Stichwort Segen deckt sich nicht mit den f S p . So verteilt Marqä ζ. B. Gen 12, 2 und 3 auf zwei Zitate, während Gen 12, 1—6 einem einzigen Abschnitt zugehört (vgl. von Gall, Pentateuch 18 f.). lea

Ü . 100.

183

Stamm:

15»

Χ1Π.

228

Die Garizim-Wallfahrt

vor der Verlesung der Q'täfim. „It frequently begins with an epithet descriptive of God, and includes some reference to a Biblical character. Usually the Y I S H T A B B A H consists of two sections the second of which leads up to the Q A T A F which follows" (Green 164 ). Diese Beschreibung trifft exakt auf unser Stück zu. Es beginnt mit einem Epithet Jahwes, beschreibt Jahwes Handeln und leitet durch Anspielung auf die at. Verheißungen zum folgenden Segensqätäf über. Auch die Wallfahrtliturgie schreibt vor dem Segensqätäf noch immer Lobpreise vor, nur daß diese Stücke mit dem des Marqä nicht mehr identisch sind. Die Wallfahrtsliturgien haben im 14. Jh. offensichtlich eine recht durchgreifende Bearbeitung über sich ergehen lassen müssen. Bleibt zum Schluß die Frage zu stellen, ob Marqä erst auf Grund von Dtn 2 7 , 1 4 den Leviten eine Verkündigung auch des Segens zuschreibt, oder ob eine solche ihm wirklich aus der Wallfahrt bekannt war. Verkündete der aaronitische Hohepriester erst nach dem von Leviten verkündeten Q ä t ä f den „großen Segen" (Num 6, 24—26)? In den heutigen Texten zur Wallfahrt befindet sich der aaronitische Segen in der Zitatenkomposition, nicht außerhalb von ihr. Es ist anzunehmen, daß im Zusammenhang mit dem Erlöschen der aaronitischen Linie und des Ubergangs der Hohenpriesterwürde auf die levitische Linie (1623/4 n. Chr.) 1 6 5 die einst aaronitische Aufgabe von den Leviten übernommen wurde. Ursprünglich könnte der aaronitische Segen selbständig gewesen sein. So erkennen wir in Buch III bei der Auslegung von Dtn 27, 9—14 die Absicht, jenen von Mose befohlenen ersten Zug zum Garizim an Hand der dreimal jährlich praktizierten Wallfahrt darzustellen. Da die Wallfahrt keine Fluchzeremonie enthält, hört bei der Auslegung von Dtn 27,15 ff. (III § 5) diese Tendenz auf. Zum Schluß sollten wir noch eine bemerkenswerte Eigenheit von Buch III erwähnen: es beginnt die Auslegung von Dtn 27 erst mit V. 9 und läßt jene ersten acht Verse aus, in denen die Samar. das zehnte Gebot des Dekalogs sahen. Der Befehl, auf dem Garizim einen Altar zu bauen, findet sich nicht nur Dtn 27, 1—8, sondern als zehntes Gebot im SP auch Ex 2 0 , 1 7 b (eine Zitatenkomposition aus Dtn 11, 29 f.; 27, 2—7). Daß Marqä gerade diese Verse übergeht, ist auffällig. Man könnte es so deuten, daß Marqä mit seiner Auslegung von Dtn 27 synagogaler Überlieferung folgt, die nicht am Opfer, sondern an Segen und Glauben Green, Succoth 81. Vgl. audi M a c d o n a l d , D a y of Atonement 15—17. las Montgomery, Samaritans 139. 184

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

229

interessiert ist. Für diese Herkunft der Überlieferung sprechen die pädagogischen Aufzählungen und die eingeschobenen Fragen. Doch reicht diese Erklärung nicht aus. An keiner Stelle werden überhaupt noch im MM Altar und Opfer vorausgesetzt. Sie existieren nicht mehr 168 . Die politische Geschichte mit ihren verheerenden Wirkungen auf den Garizim-Kult spiegelt sich in diesem Abreißen einer Tradition 167 .

C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen Die Garizim-Wallfahrten, deren Liturgien im 14. Jh. geprägt wurden, werden in den aram. Texten bereits vorausgesetzt. Dabei läßt sich erkennen, daß ihre Form anders war. Während die Liturgien eine Unzahl von Altären kennt, setzt Marqä nur zwei voraus: den Altar Noahs und Abrahams 168 . Vor allem aber scheint Marqä eine besondere Form der Wallfahrt am Massot-Fest zu kennen. Bei dieser Wallfahrt wird das Schilfmeerlied feierlich vorgetragen, um so des Durchzuges Israels durch das Schilfmeer zu gedenken. Darüberhinaus kann man vermuten, daß auch die Wallfahrten am Wochen- und Laubhüttenfest in der aram. Periode eine besondere Form hatten. Wenn heute während der ersten Hälfte der Wallfahrt Dtn 4, 1—34,12 verlesen wird, so könnte man hierin die Erfüllung des Gebotes Dtn 31, 10 f. sehen, alle sieben Jahre am Laubhüttenfest dieses Gesetz zu verlesen. War ursprünglich die Verlesung „dieser Tora" auf das Laubhüttenfest im Erlaßjahr beschränkt, so hat sie sich — wie das Endergebnis zeigt — offensichtlich Schritt um Schritt 1ββ

D a s formuliert präzis der Durrän C. 47, 3 f.: „Kein Opfer steigt an ihnen

167

Allerdings überliefern die samar. Dekaloginschriften dieses Gebot eines Altar-

(sc. den Festen) empor". baus weiter (s. o. S. 153 ff.). So wäre zu erwägen, o b Marqä auf diese V. deshalb an unserer Stelle nicht eingeht, weil sie seiner Meinung nach ihren ursprünglichen Platz im D e k a l o g hatten. Wahrscheinlicher ist es aber doch, daß die samar. Dekaloginschriften der Synagogen aus traditionalistischer Gewohnheit die Zehn Gebote (oder einen Teil von ihnen) aufzählten, während die synagogale Theologie — so wie sie sich im MM widerspiegelt — bereits andere A k z e n t e gesetzt hatte, die der anderen religionsgeschichtlichen Situation der Gemeinde Rechnung trugen. 108

M M II 46, 12 (Abrahams Altar); III 64, 6 f. ( N o a h s Opfer auf d e m Garizim); I V 102, 8 f. (Abrahams und N o a h s Opfer).

230

Die G a r i z i m - W a l l f a h r t

auf die anderen Wallfahrten ausgedehnt. Es ist möglich, daß zur Zeit Marqäs die Verlesung „dieser Tora" ausschließlich am Laubhüttenfest stattfand. Wie alt sind nun die Wallfahrten auf den Garizim? L. C. Green hat einmal erwogen: „Can it be that in the Samaritan use of Deuteronomy in the ascent of the Mountain we have the remains of a liturgy which goes bads to the very beginnings of Israel's life in the Promised Land?" 169 Nach Green bildet die antiphonale Verlesung des Dtn eine Parallele zur Verteilung der Stämme auf Garizim und Ebal. Ferner werde Dtn 27 gerade dann verlesen, „when the pilgrims were ascending the mountain with Ebal immediately over against them" 1 7 0 . Aus diesen Übereinstimmungen erschließt Green ein Fortleben der ,Sichem-Liturgie' 171 Dtn 11, 29; 27, 9 ff. Vergleicht man die Texte des Dtn mit den Wallfahrten, zeigen sich noch andere Parallelen. In beiden Texten zieht die Gemeinde (bzw. ein Teil von ihr) aus kultischen Motiven auf den Garizim. Die samar. Wallfahrt entsprang aber nicht Dtn 11,29; 27, 2 ff., sondern der Tradition, wie sie Dtn 16,16 u. ö. formuliert ist. „Dreimal im Jahr soll alles, was männlich ist, vor Jahwe, deinem Gott, an dem Ort, den er erwählt hat, erscheinen: beim Massotfest, beim Wochenfest und beim Laubhüttenfest." Während bereits im AT das Passafest mit dem Massotfest verbunden wird (Dtn 16,1—8), beruht die samar. Wallfahrtstradition ganz auf der älteren Überlieferung, die Massot und Passa scheidet172. Was J . Jeremias für das Passa-Fest erarbeitet hat, gilt also auch für das von Massot: es spiegelt „vordeuteronomische Praxis" 1 7 3 . Ob dieser Brauch allerdings ungebrochen die Zeiten überlebte m

Succoth 37.

170

Succoth 36 f.

171

Green, Succoth 3 6 : „Shechem liturgy".

172

Z u D t n 1 6 , 1 6 vgl. G. von R a d , Das fünfte Buch Mose. Deuteronomium. A T D 8. Göttingen 1964, 81 und zur Geschichte des at. Passa-Massotfestes H . - J . Kraus, Gottesdienst in Israel. Grundriß einer Geschichte des alttestamentlichen Gottesdienstes. 2. A. München 1 9 6 2 , 6 1 — 7 2 .

173

Passahfeier 7 1 : „Die ältere samaritanisdie Tradition kennt weder die Bindung d e r Passahschlachtung

an ein bestehendes Heiligtum

nodi an

eine

heilige Stätte, sondern nur eine Feier in den einzelnen Ortschaften, und z w a r höchst wahrscheinlich in den Familien."

„Erstmalig

schladitung auf dem Garizim nachweisbar."

1163

ist die Passah-

Doch spricht Jeremias S. 6 9

M a r q ä zu Unrecht eine Kenntnis von der Bindung der Passahschlachtung an den Garizim ab. M M I V 1 0 4 , 1 5 :

„ U n d so befahl er ( J a k o b —

oder

Mose?) seiner Nachkommenschaft auf d e m G a r i z i m : ,Dort sollst du jenes

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

231

oder erst der Auslegung at. Stellen wie Dtn 16,16 entsprungen ist, mag man fragen. Eine zweite Ubereinstimmung zwischen den samar. Wallfahrten und Dtn 11, 29; 27, 9 ff. betrifft die Segnung des Volkes auf dem Garizim. Während jedoch im Dtn jene Segensverkündigung zugunsten der Fluchreihe unterdrückt wurde, handelt die samar. Wallfahrtsliturgie nur vom Segen, nicht vom Fluch. Doch das Verständnis des Garizim als Segensort verbindet zweifellos beide Traditionen. Die samar .Wallfahrtsliturgie scheint hier — sei es via Tradition, sei es via Exegese — mit dem Dtn zusammenzuhängen. Die dritte Parallele zwischen beiden Texten besteht in der Verbindung von Landnahme und Wallfahrt. Am Garizim werden die den Vätern gegebenen Verheißungen erneuert. Wer zum Berg des Segens gelangt, vernichtet die Völker (IV 103, 29). Im Dtn ist der Garizim der Ort, den Israel nach Überquerung des Jordans aufsucht. Die Frage bei allen diesen Kongruenzen ist, ob hier alte Tradition weiterlebt oder ob schriftgelehrte Exegese die Übereinstimmung geschaffen hat. Gibt es irgendeinen Anhalt für das Alter der samar. Wallfahrtstradition? MM III 77, 9 f.174: Und jenes ist (das Gesetz), das der große Prophet Mose schrieb und den Priestern, den Trägern ,der Bundeslade Jahwes' 175 und allen Ältesten Israels gab.

Aus den Liturgien und einer Marginalnote zur Tölidä 178 können wir erschließen, daß die Priester an den Festen die Lade ( = die Gesetzesrolle) auf den Garizim trugen. Es liegt nahe, Ex 23,17 in seiner samar. Fassung als Parallele heranzuziehen: Dreimal im Jahr soll all dein Männlidies die Lade Jahwes schauen.

Die Ersetzung von p H (MT: Herr) durch (SP: Lade) ist keine Ausmerzung eines Anthropomorphismus, wie die unbeschwerte Formulierung Dtn 16, 16 (SP) zeigt. So muß die Variante im ZusamPassa schlachten' (vgl. Dtn 16, 2)." Man kann daraus aber nicht mit Sicherheit schließen, daß es nicht neben dieser Feier noch eine Hausfeier gab. Vielleicht existierten beide Formen länger nebeneinander und lösten sich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, wie Jeremias, Passahfeier 71 vermutet. Vor allem aber ist das Datum von Jeremias: ,1163 erste nachweisbare Passahschlachtung auf dem Garizim* zu korrigieren. Diese hat es doch wohl schon zur Zeit Marqäs gegeben. 174 175 179

0.124. Num 10, 33 (ST). Bowman, Tolidah Anhang.

232

Die G a r i z i m - W a l l f a h r t

menhang mit den drei Wallfahrtsfesten gesehen werden. Israel schaut an ihnen die Tora. Daß dieses Verständnis auf dem richtigen Wege ist, zeigt m. E. eine weitere Stelle: nämlich Jos 8, 30—35. Der Vers Jos 8, 33, der eine sehr späte Lokaltradition zu sein scheint 177 , stimmt mit diesen Elementen der Wallfahrt überein: die Israeliten stehen zu beiden Seiten der Lade ( = Tora-Rolle), die von den Leviten getragen wird, eine Hälfte in Richtung des Garizim, die andere Hälfte in Richtung des Ebal. Diese Prozession ist, wie die Wiederaufnahme von Dtn 3 1 , 1 1 f. in Jos 8, 34 f. zeigt, die von Mose befohlene Verlesung ,dieser Tora' am Laubhüttenfest. Daß mit dieser Verlesung in der Zeit des Tempels Opfer verbunden waren (Jos 8, 30—32), ist wahrscheinlich. So liest sich Jos 8, 30—35 wie die Beschreibung einer samar. Wallfahrt auf den Garizim zur Zeit des Tempels. Daß die Samar. sich nun aber nicht auf diesen Text stützten, scheint mir beweisbar. Einmal kennen die Samar. m. E. kein außermasoretisches Josuabuch, wie Gaster 1 7 8 und neuerdings wieder Macdonald 1 7 9 es annehmen. Zum anderen unterscheidet sich die samar. Uberlieferung an einigen Punkten von Jos 8. Bei den Samar. verlesen die Laien das D t n und verkünden die Leviten und Priester den Segen. Diese Differenzen machen nun wiederum deutlich, daß beide Texte nicht in literarischem Zusammenhang stehen. Vielmehr nähren sich beide aus demselben Traditionsfundus. So kommen unsere Erwägungen denen von Bowman nahe, nach dem die Wallfahrt „at least as old as the fifth century B.C.E., if not older" 1 8 0 ist. Hier allerdings ist zu bedenken, daß — audi wenn die samar. Wallfahrtstradition so alt wäre — wir dennoch nicht wissen, ob sie auch wirklich praktiziert wurde. Tradition und Realisierung wird man wohl unterscheiden müssen. Sind nun die Spuren dieser Wallfahrtstradition in der samar. Geschichte zu verfolgen? Hilft die Tradition die Geschichte verstehen? Auf zweierlei wird man hier hinweisen müssen. Da ist einmal jene seltsame Neigung, alle möglichen heiligen Orte auf dem Garizim zu lokalisieren. 177

D a f ü r sprechen folgende Gründe: die Beschreibung der Aufstellung des Volkes unterscheidet sich sachlich von D t n 27 (im Gegensatz zu V. 3 0 — 3 2 ) und setzt eine Ausführung des Gebotes D t n 31, 9 — 1 2 (Verlesung der T o r a im E r l a ß j a h r am Laubhüttenfest) beim Garizim voraus. J o s 8, 3 0 — 3 5 aus deuteronomistischer Feder (Nielsen, Shechem 7 5 ff.).

178

Josua 2 3 5 f.

179

Chronicle I I 7 f.

wo Pilgrimage 2 4 .

stammt

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

233

Auf dem Garizim liegen Bet'el, wo Abraham und Jakob waren, und Moria, wo Abraham seinen Sohn Isaak darbrachte; der Garizim ist identisch mit dem Berg Nebo, auf dem Mose starb, und mit der Stätte, wo Noah opferte. Das Paradies lag auf ihm etc. etc. Diese Identifikationen sind nicht aus theologischen Reflektionen entstanden. Vielmehr tauchen sie im MM stets sprunghaft auf, ohne daß der Theologe Marqä auch nur ein Wort der Erklärung sagt (vgl. etwa die Aussage über Mose am Garizim o. S. 226 f.). Es ist m. E. die samar. Volksfrömmigkeit, die beim Hören der Tora alle heiligen Orte mit dem O r t identifizierte, den sie als erwählten O r t verstand und aufsuchte. Wie die Gemeinde zum Garizim zog, so auch alle heiligen Orte der Tora. Die Heiligkeit des Garizim erweist sich ihrerseits als rettende Macht. Wer zum Garizim kommt, besiegt die Feinde und erobert das Land. Soldier Glaube muß die unsinnige Tat jener Männer bewirkt haben, die im Jahre 67 n. Chr. trotz Unterlegenheit ihren Widerstand gegen die römischen Soldaten nicht aufgaben und sich auf dem heiligen Garizim verschanzten (vgl. o. S. 96). Und wenn auch bei späteren Aufständen immer wieder zum Garizim marschiert wurde, so ahnen wir nun warum: hier und nur hier hatte Gott den Erzvätern das Land zugesagt, hier und nur hier geht die Verheißung in Erfüllung.

IX. DER VERBORGENE M I S K Ä N Nach einem Bericht des Josephus versprach ein Mann den Samaritanern, die auf dem Garizim vergrabenen heiligen Geräte zu zeigen, da Mose sie dorthin gebracht habe1. Was die Geräte auszeichnet, kann nicht zweifelhaft sein: es sind die Geräte des unter Mose erstellten Heiligtums. Bereits im Jahre 36 n. Chr. erhoffte man also seine Wiederbringung. Verfolgen wir daher im aram. Schrifttum diese Tradition, fragen wir nach ihrem Sinn und ihrem Alter.

A. Analyse des aramäischen Materials 1. Die Errichtung des Miskän durch Mose MM VI 137, 21 f.2 (Mose) hütete Kleinvieh' gegenüber dem Berge. Er baute eine Wohnung, die mit aller Herrlichkeit gekrönt war, bis ihm sein Herr in der Feuerflamme mit mannigfachen Wundern 4 erschien (Ex 3,1 f. ST).

Diese Ausführung stellt eine haggadische Ausdeutung der Dornbusch-Erzählung dar. Sowohl das Motiv des Schafe-Hütens wie das der Erscheinung des Herrn lehnt sich an Ex 3, 1 f. an. Sieht man diese Abhängigkeit, dann springt die Erwähnung des pfl?D um so mehr in die Augen. Sie ist vielleicht der Intention entsprungen, jede Erscheinung Jahwes vor Mose in das mosaische Heiligtum zu verlegen 5 . Unter Umständen steht hinter dieser Ausdeutung aber auch einfach eine Gleichsetzung des Berges Ex 3, 1 mit dem Garizim, auf dem das mosaische 1

S. o. S. 113 f. O. 224. ' = J3> (Ben-Hayyim, Hebrew and Aramaic 657). 4 Stamm: ΠΟΠ. 5 Eine ganz und gar anders ausgerichtete Oberlieferung VI 135, 25 f.: „Als Gott ihm im Dornbusch erschien, fand er vor sich 22 Buchstaben ( = das hebr. Alphabet) mit verzehrendem Feuer geschrieben, mit deren Hilfe Mose die Tora darlegte." !

235

Analyse des aramäischen Materials

H e i l i g t u m nach s a m a r . T r a d i t i o n stand. A u f eine Lokalisierung dieser E r z ä h l u n g i m Bereich des G a r i z i m d e u t e t ja auch die exegetische Ü b e r lieferung v o n Julius A f r i c a n u s , daß d o r t eine T e r e b i n t h e v e r e h r t w e r d e , die brenne, o h n e z u v e r b r e n n e n 6 . U n s e r e Stelle s t e h t in einem g r o ß e n E x o d u s - M i d r a s c h , der d a n n n o c h einmal, sozusagen an richtiger Stelle, n ä m l i d i i m A n s c h l u ß an die Sinai-Offenbarung, den M i s k ä n e i n f ü h r t . MM VI 1 3 7 , 3 0 f. 7 : Und seht ihn stehen, die Wohnung erriditen 8 und vollenden, wie Gott® es ihm befohlen hatte. Angespielt ist hier auf E x 4 0 , 1 7 f., w o J a h w e M o s e den Befehl z u r E r s t e l l u n g d e r W o h n u n g gibt. E l e m e n t e dieses Kapitels begegnen noch an a n d e r e n Stellen. I V 9 2 , 1 6 f . : „ I m z w e i t e n J a h r w u r d e die W o h n u n g aufgerichtet10"

( V . 17

frei

nach

SP)11.

Und

auch

das

Kommen

der

Wolke und Herrlichkeit zur W o h n u n g kommentiert Marqä. MM V 1 2 6 , 7 — 1 0 " : Und als der große Prophet Mose die Wohnung errichtet hatte, bedeckte die Wolke 1 3 alles, was er verfertigt hatte 1 4 , wie es heißt: ,Und die Wolke bedeckte das Zeltheiligtum, und die Herrlichkeit Jahwes wohnte innerhalb des Vorhangs, und die Wolke wohnte über der Wohnung β

Vgl. o. S. 111 f.

7

Ü. 225.

8

M e lis 493, 227 und Ben-Hayyim, Poems 338 Anm. 3 : es handelt sidi hier um eine Afel-Form in der Bedeutung: etablieren, aufrichten. Vgl. Brockelmann 532 sowie Dalman, Handwörterbuch 316.

» SamMM VI 22, 7: 71")». 10

3Χ3Π stellt nach Macdonald eine Hofal-Form dar. Das ist kaum überzeugend, wie audi Ben-Hayyim, Rezension 186 f. zeigt: es handelt sich um ein Itpeel mit assimiliertem Taw.

11

Nadi E x 40, 2 wurde der plt'Ö

am ersten Tag des ersten Monats aufge-

richtet. Marqä erwähnt diesen Tag als einen, an dem man den Namen Gottes kundtun und preisen soll (I 2 1 , 1 1 f.). Offensichtlich spielt der ,Name' auch in bezug auf die Schöpfung eine Rolle: „Der Name, der alle Gesdiöpfe machte (vgl. C. LIII), besiegelte das Ganze" (IV 86, 15). Die Verbindung mit dem Garizim findet sich z . B . in einem Brief aus dem Jahre 1734: „Unter uns befindet sich der große Name Jahwes, an einem großen O r t " (Gaster, Samaritans 174 2 . 1 4 0 f.). 12

Ü. 206.

13

SamMM V 2 3 , 26 liest hebr. F o r m ] » « ! .

14

Münks Text ist hier verderbt (Tod Moses' 48 und Anm. 136).

236

Der verborgene Miskan viele Tage 1 5 ' (Zitat ζ. T. nach E x 4 0 , 3 4 SP). Und zu (jener)

Zeit

pflegte 16 er zu sagen: ,Erhebe dich Jahwe, kehre zurück Jahwe' (Num 1 0 , 3 5 f. S P ) . Wer hat solche Größe geschaut? Der Frieden des Herrn sei über ihm. Nicht stand jemand wie er auf, und nicht wird jemand in Ewigkeit aufstehen. Diese Stelle o f f e n b a r t in der B e h a n d l u n g des at. T e x t e s , daß d e r Ausleger p r i m ä r an der Gestalt des M o s e interessiert ist. Die W o h n u n g gilt ganz als sein W e r k . J a , nicht n u r i h r e äußere F o r m ist sein W e r k , s o n d e r n sogar J a h w e s G e g e n w a r t in i h r . M o s e v e r m a g J a h w e s P r ä s e n z gleichsam zu k o m m a n d i e r e n . , W e r h a t solche G r ö ß e geschaut?' f r a g t M a r q ä fast ein wenig erschreckt. D o c h ist dieser k ü h n e Satz erst der A u f t a k t z u einer noch gewaltigeren W ü r d i g u n g des Mose. M M V 126, 1 1 — 1 5 1 7 : Und zu der Zeit, als Gott zu ihm sprach: ,Steige 1 8 zu mir hinauf auf den Berg' (Ex 24, 12 ST) 1 9 , da .stieg er' 2 0 zu ihm hinauf und die Wolke bedeckte ihn 21 sechs Tage 2 2 . Sein Körper wurde heilig, und Heiligkeit wurde vermehrt 2 3 . E r stieg empor vom menschlichen 24 Stand zum Stand der Engel. Er betete während sechs Tagen und diente vor dem König aller Könige 2 5 . Er sah die Wohnung ( p t P Ö ) der verborgenen

(sc.

Dinge), die sich mittels Feuer in der Wolke ausstreckte. Am siebten Tage wurde er aus der Mitte der Wolke gerufen und sah die Reihen der Engel an ihrer Wohnstätte 2 6 . Dann stieg er hinunter von dem Berg mit großer Größe: keiner wie er 2 7 . 15

Münks T e x t V 24, 3.

liest die hebr.

Form

CJO

16

Vgl. Münk 49.

17

U. 206.

18

SamMM V 24, 6 liest das „korrektere" j?D.

18

D'Ö''

(aaO); ebenso samMM

Nicht, wie Macdonald meint, Dtn 1 0 , 1 , da die folgenden Zeilen auf die Ex-erzählung rekurrieren.

20 21

Ex 24,13. Suffix mit Nun angeschlossen, vgl. Hildesheimer, Buch der Wunder 35 Anm. 50 und C. 47, 2: rjjftp>3ti>: du hast ihn verlassen. Hier ist Objekt Mose, E x 24, 15 der Berg.

22

Ex 24, 15 f.

23

Vom Stamm ^ ( v g l . M^lis 537, 89).

24 25

Π1Μ 1 3

in einer Adjektivform auf ai (vgl. Dalman, Grammatik 177).

Diese beiden Worte fehlen in Münks Text, Tod Moses' 48.

26

Münk: „nach ihrer Ordnung" (aaO 49 und vgl. 28 f. Anm. 85).

27

Die Kahle-Hs. liest einen abweichenden Text, den Macdonald in Appendix I 16 abdruckt. Macdonald verweist in diesem Anhang fälschlicherweise

237

Analyse des aramäischen Materials

Diese Ausführung — bewundernswert in ihrer poetischen Sprache — ist ein Midrasch zu Ex 2 4 , 1 2 — 1 8 . Diese at. Erzählung handelt davon, wie Jahwe Mose die Gesetzestafeln übergibt und so seinen Willen offenbart. Dieser Inhalt der Offenbarung ist an dieser Stelle ausgemerzt und durch einen anderen ersetzt: Mose wird die Wohnung der Verborgenheit offenbart 2 8 . Ex 24 ist daher wahrscheinlich mit einer anderen Erzählung verbunden worden: mit E x 25, 9. 40. D o r t wird ausgeführt, Mose solle den irdischen ptpö nach einem ΓΠ3Π (ST JVÖ7) machen, das Jahwe ihm auf dem Berg zeigt 29 . Im A T selbst ist diese Offenbarung nicht expliziert. Die samar. Tradition sah dagegen die Ankündigung bereits in Ex 24 ausgeführt 30 . Dabei dürfte die Ortsangabe ,auf einem Berg' eine wichtige Rolle gespielt haben. Doch ist die samar. Tradition hier schon weit über eine einfache Kombination beider Stellen hinausgeschritten. Spricht E x 25, 9. 40 von einem Modell, das Mose gezeigt werden soll, so ist für unsere Stelle dieses Modell nichts geringeres als die himmlische Wohnung Gottes selbst. In Wahrheit steht Mose gar nicht mehr auf dem Berg, sondern — unter die Engel 3 1 eingereiht — im heiligen Thronsaal unmittelbar vor dem König 3 2 . Diese Wohnung ist das Modell für die mosaische Wohnung. Man sieht dem Text an, daß er über eine Erklärung der rätselhaften Stellen Ex 25, 9. 40 schon lange hinausgeschritten ist und sein Interesse einer metaphysischen Moseslehre zugewandt hat. Diese Schichtung macht es wahrscheinlich, daß die Moseslehre ein jüngeres Stadium repräsentiert, während die Verbindung von E x 25, 9. 40 mit Ex 24 älter sein dürfte. Die gleiche Tradition findet sich auch in einer Rede des Mose vor seinem Herren I V 96, 16 ff. Mose redet ihn an als den, „der mich in die Wohnung der verborgenen (Dinge) gebracht hat" (Z. 17). „Und du hast auf Anm. 6 5 . Richtig muß es lauten Buch V A n m . 58. Audi andere Rückverweise von A p p e n d i x I auf Anm. sind falsch. 28

Z u den jüd. Traditionen v o m himmlischen Heiligtum vgl. Billerbeck

III.

700—702. »

E x 2 5 , 8 ( S T ) wird II 47, 31 zitiert.

30

K n a p p I I I 55, 2 2 ausgedrückt: „ G o t t rief Mose aus der Wolke, stellte ihn in sie, und er sah das Modell ( Γ Ρ ί Π ) der W o h n u n g " (vgl. L X X E x 25, 9 . 4 0 ; H e b r . 8, 5). Vgl. auch Molad Möse (ed. Miller) 33 Z. 3 2 — 3 4 .

31

Zu den Engeln vgl. Montgomery, Samaritans 2 1 5 ff. Zu den jüd. Parallelen

82

J ü d . Parallelen

vgl. Beer, Buch der Jubiläen 25 f. D e r Topos begegnet auch J u b 2 , 1 . zu diesem T o p o s : Ginzberg,

Anm. 3 2 4 ; 6 7 Anm. 3 4 6 .

Legends I I I .

153 f.; V I . 6 3

238

Der verborgene Miskan

mir befohlen 33 , eine Wohnung zu machen, eine Wohnstätte der Herrlichkeit deines Königreichs, einen Wohnsitz der Engel" (Z. 19 f.). Ein wenig vor dieser Stelle finden wir detailliert ausgeführt, wie Mose im himmlischen Miskän empfangen wird „Wo ist einer wie Mose, und wer ist Mose gleich, dem Knechte Gottes und Treuen seines Hauses (Num 12, 7 ST), der unter den Lebenden ( i W B p ) in der Wohnung der verborgenen (Dinge) wohnte? Sie alle ehrten ihn, als er unter ihnen wohnte" (IV 95, 2 f.). „Er saß auf einem großen Thron 3 4 , er schrieb, was sein Herr ihn lehrte, er lernte im Schulhaus35 von den3® Lebenden, von ihrer Nahrung 8 7 wurde er ernährt, an ihrem Tisch saß er, von ihrem Brot wurde er satt, in ihrem Wasserbehälter tauchte er ein, und in ihre Wohnung wurde er eingesetzt" (Z. 11—13). An dieser Stelle ist der Bezug auf die Schau des himmlischen Heiligtums ganz verschwunden. Aller Akzent fällt auf die Erhebung Mose unter die Engel. Die Wendungen ,keiner wie Mose', ,keiner gleicht Mose' sind für Marqä von besonderer Wichtigkeit. Die ältere Tradition von einer Schau des ModellHeiligtums erhält einen neuen Skopos: Mose wird in das himmlische Heiligtum erhoben. Wie in dem Paragraphen über den Propheten gezeigt wird, sind diese Wendungen Teile eines Traditionskomplexes, der in der Polemik gegen einen Propheten wie Mose entfaltet worden ist. Das stützt noch einmal unsere Annahme, daß in einer früheren Traditionsstufe Mose die Wohnung auf dem Berge lediglich geschaut hat und den Miskän ihr nachgebildet hat. 2. Die Zeit der Abwendung vom Miskän MM V 1 2 0 , 1 f. 3 8 : Und danach (nach Eintritt der Abwendung — ΠΓΠ20) wird das Wohlgefallen (ΠΓΠΓΠ) verhüllt, und die Schlechtigkeit wird sehr stark werd e n " , und die Wohnung Gottes wird verborgen (bzw. zerstört 4 0 ) wer33

Die Verba

34

M e lis 493, 224.

« 39

=

bilden die 2. sg. perf auf " p (Cowley X X X I X ) .

" 0 IVO.

Rettig, Memar 73 Anm. 25 gibt für

die Bedeutung ,bei': „ein spezi-

fisch sam. W o r t " . In einem Hymnus von 'Amräm Därä C. 2 9 , 1 begegnet die Wendung:

]tt — varia

lectio "lj?N

= von

einem Ursprung.

Als Bezeichnung des Ursprungs möchte ich es auch hier verstehen. 37

SamMM IV 3 6 , 1 8 schreibt: p n i F » ·

38

Ü. 197.

3

» Für dies beides vgl. D t n 3 1 , 18 (ST).

40

So übersetzt Münk, Tod Moses* 23.

Analyse des aramäischen Materials

239

den, und 4 1 der Garizim wird entweiht werden, und an jedem Ort wird Abwendung 4 2 gefunden werden. Und keinen gibt es, der für Gott eifert. D a s F u t u r dieser Sätze ist p r o p h e t i s c h z u v e r s t e h e n . V o r seinem T o d e spricht M o s e z u J a k o b u n d sagt i h m sein Schicksal v o r a u s . Dieses h e i ß t A b w e n d u n g , Abfall, Schlechtigkeit. /-jfiUB

ist nicht e t w a ein A k t

G o t t e s wie z. B . C o w l e y m e i n t e , s o n d e r n d e r Abfall Israels 4 4 . Deutlich 43

s t e h t h i n t e r den ersten beiden Sätzen D t n 3 1 , 1 8 , w o v o n einem Abfall Israels z u anderen G ö t t e r n die R e d e ist. D a s eigentliche P r o b l e m dieser A u s f ü h r u n g steckt in d e m V e r b m O , f ü r das zwei B e d e u t u n g e n möglich sind: v e r b e r g e n u n d z e r s t ö r e n . N o c h seltsamer als diese D o p p e l d e u t i g k e i t ist, daß sich auch sachlich f ü r beide A u f f a s s u n g e n Parallelen finden lassen: die W o h n u n g w i r d

verborgen,

die W o h n u n g w i r d z e r s t ö r t . M M I V 107, 3 0 — 3 2 " : ,Wie wird einer tausend verfolgen können?' (Dtn 32, 30 SP). Das sind wir. Kein Heer, kein König, kein Fürst, kein Schwert, kein Bogen, keine Lanze, kein Schild, keiner betet für uns, kein Priester schafft Versöhnung für uns 48 . W i r waren nachsichtig 47 gegenüber der Gerechtigkeit, und wir haben die Wahrheit zunichtegemacht, wir haben die heiligen Dinge entweiht, und wir haben die Wohnung verborgen 4 8 . 41

S a m M M V 9, 7 fügt ein p ein: ,und auf diese Weise . . Λ

42

Inf. Pael oder Partizip Peal, wo ein concretum pro abstracto steht.

45

L X V I . Ebenso Gaster, Samaritans 9 ; Montgomery, Samaritans 241. Es soll hier nicht untersucht werden, ob der Begriff in den späteren Perioden anders gebraucht wurde. Falsch ist auch die Ubersetzung von C. 46, 26 f., die Macdonald seinem Absatz über The Divine Disfavour (Theology voranstellt. Hinter

261—265)

ΠΓΠΓΠ und TWUS ergänzt Macdonald — ohne diese

Ergänzung als solche kenntlich zu machen — ,Gott'. Doch wird 47, 2 f. das vorangehende ΠΓΙΊ1Β interpretiert: „Von dem Tage an, da du ungehorsam wurdest und ihn (sc. Gott) verlassen hast, wurdest du zur Fußmatte für die Völker gemacht." Wenn Marqä von Gottes Abwendung spricht, formuliert er anders (vgl. C . 13, 29). 44

So audi Münk, T o d Moses* 22 Anm. 62 und Szuster, Marqa-Hymnen 13 Anm. 65.

« Ü. 179. 4

» Statt "IBS'* liest samMM VbBrV (beten) ( I V 7 4 , 1 ) .

"

Zu D V » in diesem Sinne vgl. Münk, Tod Moses' 16 Anm. 43.

48

Vgl. Hos 3, 4 f. „Viele Tage blieben Israels Söhne ohne König O ^ Ö ) und ohne Führer ("12?), ohne Opfer und ohne Mahlstein, ohne Ephod und Teraphim. Dann kehren Israels Söhne zurück, suchen Jahwe auf, ihren Gott,

240

Der verborgene Miskan

Das ")ΓΙ0 der vorangehenden Stelle wird durch ,105 als .verbergen* gedeutet. In diesem Verbergen liegt für Marqä zweierlei. Einmal bringt es die ganze Schuld Israels an der Beendigung der Zeit des Miskän zum Ausdruck. Israel brachte selbst Wahrheit und Gottesdienst zum Erliegen. Und diese Schuld hat Konsequenzen: politische Machtlosigkeit und kultische Ohnmacht sind die Folgen. Doch liegt in diesem Verbergen noch ein zweites. Kehrt Israel zu Jahwe zurück, dann kehrt seine ganze Herrlichkeit wieder (Z. 32). So spricht Marqä hier in paränetischem Ton, speziell an seine Zeitgenossen gewandt. Ein bestimmter Zeitpunkt des Verbergens bleibt ganz bewußt unerwähnt. Mit dieser Wendung soll lediglich der Abfall Israels ganz allgemein charakterisiert werden. MM III 62, 9 f. 4 9 : Warum lebt (sc. der Fremde) nicht mit den Besitzern 50 des Segens auf dem Garizim und wohnt dort, bis ihm das 51 , was dort verborgen (ist), offenbart werden wird?

Dieser Satz beschreibt die Hoffnung derer, die oben auf dem Garizim wohnen. Sie erwarten die Offenbarung des Verborgenen, womit der Miskän gemeint sein dürfte. Hier auf dem Garizim stand einst der Miskän, hier wird er in der neuen Zeit des Heils wieder stehen. Davon ist der Heide natürlich ausgeschlossen. Diese Ausführung ergänzt die bereits besprochene 52 Überlieferung, wonach der Hohepriester zur Zeit der rjflUö in Bet'el wohnt und sein Wohnen daran erinnert, daß Israel (und David, ihren König) und nahen mit Beben Jahwe und seiner Güte (am Ausgang der Tage)" (Obersetzung nach H . W. Wolff, Dodekapropheton 1 Hosea. B K 14, 1. Neukirchen 1961, 70). In Qumran ist diese Uberlieferung weiter zu verfolgen: „Und in dieser Zeit entbrennt der Zorn Gottes gegen Israel, wie er gesagt hat. Kein König und kein

(Hos 3, 4) und kein

Richter und keiner, der in Gerechtigkeit zurechtweist. Doch die, die umgekehrt sind von der Sünde Ja(kobs), haben den Bund Gottes bewahrt" (CD X X , 1 5 — 1 7 ; Lohse, Texte 104—107). "

Ü. 97.

50

Stamm: p H ; Kahle, Pentateuditargum 33.

«

i n 1 ? paßt nur hart in den Satz. Einen temporalen oder kausalen Nebensatz („seit" bzw. „weil") kann es nicht einleiten, weil der Restbestand an Worten keine zwei Sätze ergibt. So ist zu erwägen, ob T» 1 ? ein Relativpronomen (vgl. Cowley X X X V I I I ) ist, das mit einem gesetzt wurde (Dalman, Grammatik 226).

5S

S. o. S. 194.

in das Passiv

Analyse des aramäischen Materials

241

sich dort v o m Miskän abwandte und dereinst dort wieder zu ihm kommen wird. Zwei Perioden hat dieser Auffassung zufolge die Geschichte Israels. MM IV 89, 2 f. 58 : Der große Prophet Mose errichtete die Wohnung. Alle, die Jahwe suchen54, werden bei ihr versammelt werden. Daher wird 5 5 am Rachetag 56 der große Prophet Mose die, die (Gott) lieben, retten und alle Feinde vernichten. Die Wiederbringung der Wohnung ist der erste A k t des Rachetages, der die endzeitliche Vernichtung der Gottesfeinde bringt. Wiederbringer des Miskän und Erlöser ist Mose 57 . Die Konzeption ist hier offensichtlich ganz v o m eschatologischen Ende her gedacht: alles k o m m t auf die Wiederbringung des Miskän an. Wann seine Verbergung stattfand, expliziert Marqä nicht 58 . Doch f ü h r t er an anderer Stelle dieses historische Moment ein. MM IV 94, 5—7 59 : ,Sie opfern Götzen, die nicht Gott sind' (Dtn 32,25 SP) wegen des verfluchten Abtrünnigen (/TJXS). Jetzt steht er auf, wird die Wohnung verbergen, und jeglicher Gottesdienst, der darin stattfand, wird aufhören. Und die Welt ist ohne Wohnung, ohne Altar, ohne Gabe, ohne Brandopfer, ohne Heilsopfer, ohne Speiseopfer, ohne Sündopfer, ohne Räucherwerk 60 , ohne Gebet, ohne Priester — dieses alles wegen des Abtrünnigen. W e r ist mit dem Abtrünnigen gemeint? Hat Marqä einen bestimmten Häretiker im Blick? „Er w i r d zum Platz der Wahrheit kommen, Ü. 143. Ex 33,7 (SP), wobei seinen at. Sinn ,um Rat fragen' einbüßt und ,suchen' bedeutet. 55 Mit samMM IV 17, 12 ist das 1 vor zu streichen. 58 Aus Dtn 32, 35 (SP/ST und LXX). Diese Tradition vom Rachetag begegnet auch in Qumran: 1 QS 9, 23; 10, 19; 1 QM 7, 5. Diesen Zusammenhängen kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 57 Diese Tradition vom Auftreten des Mose am Tag der Rache findet sich im MM öfter, allerdings ohne Bezug auf den Miskän: 11 40,28—32; III 62, 6—8. Zentrales Motiv ist die Erlösung der Gerechten und die Vernichtung der Gottlosen. 58 Vgl. IV 110, 25 f. 59 Ü. 153. «» Meli? identifiziert Π SIX mit m & j ? (586, 233) im Anschluß an das ST (ζ. B. Lev 16,12). Ben-Hayyim bringt es mit I S * zusammen, ohne die Bedeutung erklären zu können (586 Anm. zu 232). 53

54

16 Kippenberg

242

Der verborgene Miskan

und ihn unbeachtet lassen und einen anderen Platz errichten" heißt es kurz vorher (93, 27) von ihm. Und ein klein wenig davor führt Marqä aus: „ ,Eine falsche Generation' (Dtn 32, 5): das ist der unreine Abtrünnige, der mit Schlechtigkeit kommt, das Heiligtum entweiht®1 und ein schlechtes Haus im Namen eines fremden Gottes 62 erbaut" (92,19). Aus VI 146, 7—11 wird deutlich, daß die Gemeinde im Gefolge dieses fremden Gottes zerstreut wird, Plätze der Bosheit erbaut und die Plätze der Wahrheit verläßt. III 73, 2 warnt ebenfalls vor dem „Platz der fremden Gottheit". „Es gibt keinen Platz des Gottesdienstes außer den Platz, den Gott für seine Herrlichkeit erwählt hat. Wenn du von einem Mann oder (seiner Frau 83 ?) hörst, sie gehen zu einem Platz von diesen Plätzen, lasse nicht los 64 von ihnen . . . Und wisse, daß diese Plätze viel Schändlichkeiten vereinigen. Die eine größer als die andere. Ein Götzenbild und jedes Ähnliche: du sollst 65 es nicht anschauen. Ein schlechter Altar: fülle deine Augen nicht mit ihm. Die schlechte Schar: stehe nicht unter ihnen und nähere dich ihnen nicht" (5—9). Welche Plätze sind gemeint? Wer ist der Abtrünnige? Man wird diese Frage nur beantworten können, wenn man folgendes beachtet. Marqä ist kein Historiker, der Sekten und Gegner beschreibt. Er ist vielmehr ein eifernder Theologe, der ihnen althergebrachte Etiketten umhängt. Es sind daher Tradition und Applikation zu unterscheiden. Die Tradition bildet ein Konglomerat verschiedener Elemente. Bestimmte Topoi sind Dtn 32 entlehnt, um die Häresie als lange vorhergesagten Abfall zu bandmarken. Götzenopfer, fremder Gott — das sind ganz stereotype biblische Wendungen. Wirklich originär ist vor allem ein Motiv: die Abtrünnigen kamen zum Garizim, errichteten aber an anderer Stelle ein schlechtes Haus. Eben dadurch wurde der Miskän verborgen. Diese Tradition hatten wir schon in den samar. Chroniken kennen gelernt. Unter Ussi kehrte Eli und seine Gemeinde sich vom Vgl. Lev 19, 8 sowie IV 110,17. Vgl. Dtn 3 1 , 1 6 ; 32, 12. e s So Macdonald U. 117. Anm. 106 erwägt er die Identifizierung C S = ut0c. Doch der einzige Beleg, den es d a f ü r gibt, dürfte anders zu erklären sein. E x R c. 15,6 O V ^ N OK entspricht ü c t ^ i o c (so S. Krauss, Griechische und Lateinische Lehnwörter im Talmud, Midrasch und Targum. Teil 2. Berlin 1899 [Nachdruck Hildesheim 1964], 34). .Frau' in Anlehnung an die arabische Version. " Stamm ' B T (vgl. Levy, Wörterbuch 433). 6 5 Vgl. Cowley L I X . 91 68

Analyse des aramäischen Materials

243

Garizim ab, errichtete an anderer Stelle ein Heiligtum und verursachte damit die Verbergung des Miskän. Aus Marqä ersehen wir nun, daß diese Tradition keineswegs ausschließlich auf Eli bezogen wurde. Sie beschrieb vielmehr eine Erfahrung, die die samar. Gemeinde immer wieder an sich erfuhr: der Bruder aus Galiläa und Judäa wandte sich vom Garizim ab. Einer interessanten Parallele zu dieser Tradition begegnen wir in der Gemeinde von Qumran. Da Israel treulos handelte, zogen die Mitglieder der Sekte aus der heiligen Stadt Jerusalem aus, kehrten zu Jahwe um und erklärten das Heiligtum für unrein (CD XX, 22—24). Diese Zeit ist eine Zeit des Abfalls von Gott (vgl. CD VI, 1 f.). Ihre Zeichen sind Gottes Zorn und Israels Ohnmacht (CD XX, 15—17). „Denn wegen ihres Treubruchs, da sie ihn verließen, hat er sein Angesicht vor Israel und seinem Heiligtum verborgen" (CD I, 3)ββ. An der Qumran-Gemeinde können wir erkennen, wie die Entstehung einer schismatischen Gruppe mit einer eschatologischen Konzeption verbunden war67. Bei den Samar. und in Qumran beendet der Abfall (eines Teils der einst ganzen Gemeinde) die Zeit des Wohlgefallens Jahwes. So verstand bereits A. Geiger die samar. Konzeption: „Die Panutha ist bei den Samaritanern der angebliche Abfall der Juden vom Garisim"08. Die Tradition formulierte ursprünglich den Riß, der die samar. Gemeinde von der jüdischen trennte. Die Abwendung vom Garizim ist für den Samar. das Kennzeichen von Häresie schlechthin. Zugleich aber formuliert sie ganz allgemein den Charakter der Zeit, in der die samar. Gemeinde lebt. Ob die Darstellung der Zeit als einer Periode des Abfalls sich audi gegen den Zeus-Tempel riditet, mag man angesichts der folgenden Stelle fragen. MM VI 145, 21": Ο Gemeinde, wende dein Herz von jenem Hause und gehe nicht zu ihm hinüber. Es steht wahrhaftig nicht in deiner Macht, es zu ändern.

Hier spricht Marqä von einer gegenwärtigen Versuchung, der ein Teil der Gemeinde bereits erlegen zu sein scheint70. Das Haus könnte ββ 67

68

Lohse, Texte 66 f. Vgl. Τ. H. Gaster, Art. Samaritans. The Interpreter's Dictionary R—Ζ. N e w York 1962, 194. Neuere Mittheilungen über die Samaritaner VI. ZDMG 21 (1867) 179 Anm. 23.

·· Ό. 239. 70

Ii»

Vgl. auch VI 144, 21 f.

244

D e r verborgene MiSkan

natürlich irgendeine jüdische I n s t i t u t i o n sein. Wahrscheinlicher ist aber, daß es sich hier u m den heidnischen T e m p e l auf d e m G a r i z i m h a n d e l t 7 1 . Blicken w i r auf die z u e r s t besprochene Stelle, so ist auch hier die G e g e n w a r t des H ä r e t i k e r s b e t o n t . J e t z t s t e h t er auf u n d z e r s t ö r t den M i s k ä n . Dieser H ä r e t i k e r s t e h t in einer g a n z e n Sukzession, die v o n E l i bis j e t z t d a u e r t . Diese Sukzession u m f a ß t J u d e n wie H e i d e n . W i e ein S c h w a m m scheint diese T r a d i t i o n alles das aufgesogen zu haben, was den S a m a r i t a n e r n w i d e r f a h r e n ist. M M I V 110, 17 f. 7 2 : Meine Wohnung 7 3 haben sie verunreinigt und mein Geheiligtes entweiht 7 4 , sie haben ihr Gesicht durch ihre Schlechtigkeit bloßgestellt und haben vor mir ihre Frechheit groß gemacht, den Weinstock 75 haben sie in einen Schutthaufen verwandelt 7 6 und mein Haus verwüstet, von der Wahrheit sind sie abgewichen und mein Wohlgefallen ("ΊΥΙΓΠ)77 haben sie verborgen (bzw. zerstört). Das H a u s , das v e r w ü s t e t w u r d e , ist doch wahrscheinlich der einstige s a m a r . T e m p e l auf d e m G a r i z i m . Es liegt n a h e , in diesen W o r t e n 71

Götzendienst auf dem Garizim beschreibt As. X I , 42 ( 2 1 , 1 9 ) : „Am Ende der Tage wird unser Schöpfer auf dem heiligen Hügel wohnen und Götzenbilder entfernen" (vgl. Ben-Hayyims Übersetzung 53, 29 mit Erläuterungen). Und X I I , 15 heißt es vom bösen Tj?*Tj?: „Der Tempel Sichems wird durch seine Hand brennen" (Ben-Hayyim, 'Asätlr 22, 9; 54, 15 mit Erläuterungen). An diesen Stellen kommt eine aggressive Messianologie zum Zuge, die ältere Zustände in ihren Überlieferungen konserviert hat.

72

Ü. 184.

73

Druckfehler? Schreibfehler? Vgl. Lev 15, 31.

lesen SamMM I V 81, 22

sowie Heidenheim, Commentar Marqah's 94 p. 193 b. 74

Vgl. Lev 19, 8 (SP). S a m M M I V 81, 2 3 : ^tTTpH. Wie diese und die vorige Anm. zeigt, hat Macdonald wahrscheinlich seine zugrundegelegte Hs. D . 1 nicht durchgehend kollationiert. Schon der Umfang des Apparates erweckt den Verdacht, daß nur die Seiten 83—88 konsequent verglichen sind (u. z. mit K ) , während der Rest von Buch I V nur sehr sporadisch mit D . 2, 3 L. 1, 2 verglichen ist. Denn Heidenheims Text ist substantiell der von D . 2 (vgl. Macdonald, Memar Marqah Vol. I. X X I I f., X X X ) .

75

Heidenheim, Commentar Marqah's 94 p. 193 b liest

76

Eigentlich ,aufgerichtet'. Zu erwägen ist, ob nicht um des Sinnes willen "IÖS7 an dieser Stelle von "10Π ( = in Schutt verwandeln) (Levy, Wörterbuch 267) abzuleiten ist. Dafür spräche auch, daß offensichtlich je zwei Sätze einen Parallelismus bilden und

daher mit Ί3ΊΠ

Macdonalds Ubersetzung verstehe ich nicht. 77

Heidenheim a a O Π1ΪΙΠΊ.

zusammenzuschauen ist.

245

Analyse des aramäischen Materials

eine Erinnerung an seine Vernichtung durch Johannes Hyrcanus zu sehen. Offensichtlich ist die Erinnerung an dieses Ereignis in die Tradition von der Verbergung des Miskän eingegangen. Nur die kriegerische Terminologie verrät noch den historischen Ursprung der Wendung 7 8 . Gerade auf dem Boden dieser Vernichtung scheint neue Hoffnung erwachsen zu sein. „Jahwe, deine Hand hat es (sc. das Heiligtum) gegründet' (Ex 15, 17 SP) — welch große Prophetie. Er gründet es gewiß nicht außer nach seiner Verwüstung" (II 47, 32 f.). So zog man aus der Verwüstung des Tempels Hoffnung auf eine neue Heilszeit. Fassen wir zusammen. Es ist eine samar. Tradition, daß es eine Zeit gab, in der ganz Israel das mosaische Heiligtum auf dem Garizim verehrte. Aber auf diese Zeit folgte die ΠΓ)13δ> Israel wandte sich vom Miskän ab. Diese Tradition ist die samar. Version vom Schisma in Israel. Diese alte Überlieferung ist wahrscheinlich schon vor Marqä auf die Erfahrungen der eigenen Zeit appliziert worden. Die Anhänger des Zeus-Tempels bzw. die Juden sind neue Söhne Elis, sie alle bauen mit an dem schlechten Haus. Ε?Ό ΓΡ3 ist einfach eine Chiffre für die Bildung einer vom Garizim unabhängigen Gemeinde, entnommen einer älteren Tradition. Voraussetzung dieser Applizierung ist das Verständnis der eigenen Zeit als einer der JlDUS, der Abwendung. Die Häresien sind der charakteristische Zug dieser Zeit. Wenn es an der ersten Stelle I V 94, 5 — 7 heißt, der Abtrünnige habe die Wohnung zerstört, so stehen wir hier vor einer unhistorischen Konzentrierung einer ganzen Periode in einer Person. ,Zerstört' ist die Wohnung, weil sie von Feinden vernichtet wurde. Zerstört ist sie aber auch, weil Juden und vielleicht auch Samar. selbst sich vom Garizim abgewandt haben. Die Zeit, in der Marqä lebt, ist nach seinem eigenen Verständnis eine Zeit des Abfalls. Eben darum kann die gleiche Tradi78

Spiro hat einmal erwogen, ob nicht die Konzeption von ΠΓΠΓΠ und ΠΠ1Ϊ0 die Vernichtung des samar. Tempels durch Johannes H y r c a n u s gele. Die n m m

widerspie-

ist dann „a « i n t e r p r e t a t i o n of the glorious days of the

existence of their temple"

(Samaritans 3 1 2 Anm. 7 7 ) . T . H . Gaster,

Art.

Samaritans. The Interpreter's Dictionary R — Z . N e w Y o r k 1962, 193 schließt sich dem an und errechnet gar aus den 2 6 0 J a h r e n der ΠΙΥΙΓΠ den Termin der Tempelgründung: 388 v. Chr. Doch dürfte die Tradition bereits zur Zeit des Tempels vorhanden gewesen sein. Außerdem erscheint mir ein solches Verhältnis von Tradition und Geschichte ein wenig mechanistisch. Neue politische Konstellationen schaffen ja nicht einfach neue Überlieferungen und Vorstellungen. Vielmehr bekommt in solchen neuen Situationen das längst Bekannte eine neue lebendige Bedeutung oder wird einfach belanglos.

246

D e r verborgene MiSkan

t i o n d e n n auch so g e w e n d e t w e r d e n : w i r h a b e n die W o h n u n g

ver-

borgen74. 3. Die

Zeit

des

Miskän

W e n n v o n der W o h n u n g J a h w e s die R e d e ist, w i r d also nicht n u r an etwas V e r g a n g e n e s gedacht, s o n d e r n zugleich an etwas Z u k ü n f t i g e s . H i n t e r allen Beschreibungen des MiSkän stehen d a h e r zugleich

auch

g a n z b e s t i m m t e A n s p r ü c h e der T r a d e n t e n . U n t e r s u c h e n w i r also diese Beschreibungen u n d i h r e I n t e n t i o n e n . MM VI 139, 29—140, l 8 0 : (Aaron) wird O p f e r der Wahrheit opfern 8 1 und seine Söhne auch mit ihm. Sie werden alle in die Wohnung hineingehen, und ein Außenstehender 88 soll sidi nicht nähern. . . . Nicht darf ein Außenstehender mit ihnen Brot 8 * vom Opferbrot essen, das durch sie geopfert wurde. D e r Segen, den Gott sie 84 lehrte 8 5 , (daran) hat kein Außenstehender Anteil 8 8 mit ihnen. Und sie verbrennen (das Opfer) in der Wohnung durch das Feuer. Wer kann sich jenem Platz nähern? Wer kann vor den Cheruben 8 7 stehen, und die Stimme Gottes spricht mit ihm 8 8 : Wer ist der, der die Worte der Vergebung beginnt und seine Söhne mit ihm? D e r ganze A b s c h n i t t h a n d e l t v o n d e m V o r r e c h t der A a r o n i t e n a m M i s k ä n . Sie w e r d e n hineingehen, die A u ß e n s t e h e n d e n d ü r f e n sich nicht n ä h e r n 8 * . K n a p p e r , allerdings o h n e d i r e k t e N e n n u n g des p t f ö . begegn e t die T r a d i t i o n I V 1 0 5 , 5 — 7 : „ G o t t k r ö n t e es m i t Segen 9 0 . I n i h m ist n

Vgl. den ganzen Absatz I V 1 1 0 , 1 1 — 3 0 .

80

Ü. 228 f.

81

D t n 3 3 , 1 9 (ST).

82

Vgl. Syr.

J^a

(Brockelmann 88) sowie Mandäisdi baraia 1 (Drewer



Macuch 50). SamMM I V 2 8 , 6 liest hier "IT, sonst W l · 88

Vgl. Num 4, 7 bzw. Lev 21, 6.8.17.

84

S a m M M V I 2 8 , 1 2 liest statt

85

Dh der aaronitisdie Segen Num 6, 24—26.

88

Mit samMM V I 2 8 , 1 2 ist

kaum ursprünglich. 'ÖJ

zu lesen. Dazu vgl. Cowley L X I I sowie

Kahle, Marka-Hymnen 204 Anm. 3, der an eine Metathesis aus

denkt.

Ben-Hayyim, Poems 349 hat in einer Anm. zu Z. 26 weitere Parallelen gesammelt, die alle die Gleichung

=

ρ*?Π

(Meli? 462, 101) stützen,

bietet aber keine Ableitung. 87

Vgl. E x 2 5 , 1 8 — 2 0 . I I I 6 5 , 1 6 f. ergeht Gottes Stimme zwischen den Cheru-

88

Vgl. Num 7, 89.

ben hervor. 8

» Solche Polemik audi Sir 4 5 , 1 3 .

,0

Die Präposition mit dem ersten 3 verschmolzen.

247

Analyse des aramäischen Materials die V o l l k o m m e n h e i t

befestigt 9 1 . I n i h m w o h n t

der P r i e s t e r 9 2 ,

i h m g e h ö r t die H e r r l i c h k e i t . D i e ( d o r t ) w o h n e n d e n

denn

E n g e l sind die

D i e n e r d e r H e i l i g k e i t . D a s B r o t in i h m ist a u s e r w ä h l t 9 3 . D i e E s s e r 9 4 sind die Heiligen. D e r g r o ß e N a m e ist der L o b p r e i s . D e r g r o ß e P r o p h e t M o s e ist der S p r e c h e r 9 5 . " Alle diese Details d e r einstigen u n d z u k ü n f t i gen W o h n u n g sind i m M M auch sonst reich b e z e u g t . D i e E n g e l u n d die H e r r l i c h k e i t w o h n e n in i h r : I V 9 1 , 1 0 ; 9 6 , 1 9 f. I n i h m e r g e h t

Gottes

S t i m m e zwischen den C h e r u b e n h e r v o r u n d l e h r t M o s e den a a r o n i t i sdien Segen. „ U n d er (Mose b z w . A a r o n ) empfing d e n g r o ß e n N a m e n aus d e m M u n d des M ä c h t i g e n " (III 6 5 , 1 7 f.). Am

s t ä r k s t e n b e t o n t w e r d e n die f o l g e n d e n beiden M o t i v e :

die

W o h n u n g ist der alleinige P l a t z des O p f e r s ; die W o h n u n g ist die W i r k s t ä t t e der A a r o n i t e n . Jedes D e t a i l des O p f e r k u l t e s w i r d g e w ü r d i g t : die S t a m m e s h ä u p t e r , die in der W o h n u n g w ä h r e n d des O p f e r s Sitzplätze ihrem

Rang

gemäß

hatten

(III 7 8 , 2 5 f . ) ;

das

Opferfeuer,

das

von

J a h w e ausgeht ( V 1 2 5 , 1 2 f . ) 9 e . A b e r das W i c h t i g s t e a m O p f e r k u l t sind 81

Siehe Levy, Wörterbuch 356.

02

Syntaktisdi ist hier eine Schwierigkeit, da das Partizip von ~)Π eigentlich indeterminiert sein müßte, wenn es Prädikat zu Π2ί"13 sein soll (vgl. Odeberg, Grammar 114). Dodi audi wenn man es deshalb hier auf

nmaV»

bezöge (und iTVDj? entsprechend auf ί1ΓΐΝ513), taucht das Problem unweigerlich bei JISÖT in der nächsten Zeile wieder auf. Offensichtlich hat die Regel, nadi der ein prädikatives Adjektiv im Absolutus steht, hier keine unbedingte Gültigkeit. •3 Von S7ÖT stellte noch Kahle, Pentateuchtargum 46 geradezu wüste Herleitungsketten auf. Der Sinn des Wortes ist klar: der M e lis identifiziert es mit ( = fett, bestes Teil) (460, 33). Das Wort kommt bereits im hebr. T e x t E x 22, 28 vor und hat — wie Ben-Hayyim, Poeme 344 Anm. zu Z. 24 expliziert — nichts mit HtfÖT .Tränen' zu tun, wie die meisten Exegeten annehmen. Vielmehr hängt es mit J'-OJ = Mark, Kern zusammen. Vgl. D . Hoffmann, Mechilta de-Rabbi Simon b. Jochai. Frankfurt 1905, 152 und Anm. Π sowie W. Gesenius, Thesaurus Philologicus Criticus Linguae Hebraeae et Chaldaeae Veteris Testament! I, 1. Leipzig 1829, 345. Nach A. Dillmann, Die Büdier Exodus und Leviticus. Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum A T 12. Leipzig 1880, 240 f. knüpft der samar. Sprachgebraudi an E x 22, 28 an — eine unglaubhafte Vermutung. M M

Mit samMM I V 66, 5 T r V D K . -p» =

formen.

·« Vgl. I V 87, 2 2 — 2 4 . Macdonald erklärt an dieser Stelle ΠΓΠΪΠΝ fälsdilich als .Burning* (Ü. 141 und Anm. 39). Es ist mit ΠηΠϊΠΚ (M'lis 586, 234) zu identifizieren: .Räucherwerk'.

248

D e r verborgene Miskän

die A a r o n i t e n . E i n L a i e d a r f die W o h n u n g n i c h t b e t r e t e n u n d h a t k e i n e n A n t e i l a m O p f e r b r o t , a m Segen, a m

Opferakt,

M M I I I 79, 8 f . 9 7 : S a g nicht, d a ß hier (sc. N u m 8, 26) d e r Dienst (gemeint) 9 8 ist. D e r Dienst an der W o h n u n g k o m m t wahrlich nicht Israel zu. J e n e r wurde den L e v i t e n übertragen und (steht) unter der Aufsicht von A a r o n und seinen Söhnen. Dieser Ausschluß der L a i e n w i r d anschaulich in einer Szene V 2 7 — 1 1 9 , 1 geschildert. M o s e

steht

am Eingang

J o s u a , seinen Schüler, u n d befiehlt i h m , z u m

des

ΠΠ1Π3

118,

ΠΠ^Τ

D'S

ruft

zu gehen und

E l e a s a r , I t h a m a r u n d P i n e h a s z u h o l e n . M o s e h a t t e i h m dies a u f g e t r a g e n „am Eingang

des Z e l t e s " ,

den W o h n s i t z e n

das e r a u ß e r h a l b

befestigt

hatte und

der W o h n s i t z e

nTWT

fern

von

genannt hatte.

Von

d o r t g i n g J o s u a , d e r D i e n e r des g r o ß e n P r o p h e t e n M o s e , w e g u n d k a m e i l e n d z u m h e i l i g e n M i s k ä n u n d s t a n d m i t g r o ß e m W e i n e n v o r i h m , bis aus i h m d i e d r e i E l e a s a r , I t h a m a r u n d P i n e h a s h e r v o r k a m e n " . D e r L a i e J o s u a d a r f die h e i l i g e W o h n u n g n i c h t b e t r e t e n . U n d d a m i t s i n d e b e n s o prinzipiell Miskän

die

Ältesten

gehört

und

allein A a r o n

ihre

Lehrtätigkeit

ausgeschlossen.

u n d seinen S ö h n e n 1 0 0 .

Der

Dementsprechend

97

Ü . 128.

98

M a r q ä begegnet mit diesen W o r t e n einer Auslegung, die den Dienst an den Brüdern im

Π310,Τ jJ.N

( N u m 8, 26) auf

den D i e n s t

im .Miskän bezieht

(79, 7 f.). Vorausgesetzt ist möglicherweise eine Identifizierung v o n Zelt der Begegnung und Synagoge zuerst v o m

(vgl.

(Wurzel:

"Τ5Π0 Γ Ρ 3

1 QM

I I I 4). M a r q ä

N u m 8 , 2 6 einer Version des Targums, die "7X7W V i l N es zuerst

spricht

) ( 2 . 7 ) , f o l g t dann aber beim Zitieren von

voraussetzt — mit

WWT

nicht — wie M a r q ä

übersetzt, sondern mit

"T']3tt'Ö·

I m S T bringt Ms. Α diese Übersetzung (zu diesem Ms. vgl. K a h l e , F r a g mente I I ) , während der von P e t e r m a n n - V ö l l e r s gedruckte T e x t

"ΙΧΓΙΰ

hat. D i e gleiche Erscheinung im S T auch N u m 11, 16, w o M M I V 84, 9 wieder

"T ]JN

liest. D a diese Version M a r q ä s eigenem

Sprachgebrauch wider-

spricht, setzt er hier einen bestimmten T a r g u m - T e x t voraus. Zugleich aber steht er selbst in einer Überlieferung, die zwischen Zelt und Wohnung differenziert und die W o h n u n g den Priestern, d a s Z e l t jedoch Mose und den Ältesten zuschreibt (vgl. I V 84, 8 f . ; V 117, 9 ; ohne diesen Skopos I I I 16—18). Nur

im Miskän

gibt es

ΠίΐίΒ.

M a n vgl. 1 Q S I X

65,

5 f., wo

zwischen einem heiligen H a u s für A a r o n und einem H a u s der Gemeinschaft für Israel unterschieden wird. 99 100

ΓΓΒ»

ist im S T E x 2 6 , 1 4 Wiedergabe von

Weitere S t e l l e n : V 1 2 1 , 1 9 f. (Eleasar im " »

Stamm: ΝΒΠ. — feiner Unterschied zu I t h a -

m a r ) ; V 128, 2 8 ; I I I 5 5 , 23 ff. (Aarons 5 0 Aufgaben in der W o h n u n g ) .

Analyse des aramäischen Materials

249

besitzt nicht nur die Wohnung, sondern auch Aaron „dauernde Größe" (VI 139, 22 f.) 101 (Num 25,13). Die heilsgeschichtliche Bedeutung des Miskän kommt am klarsten im Begriff der Πί)ΊΓΠ zum Ausdrude. Die ΠΓΊΊΓΠ ist an den p ü ö (V 120, 1 f.) gebunden 10 ·. Diese Bindung zeigt schon die Geschichte des Begriffs. Vom Stamm ">sn abgeleitet, bezeichnet es das göttliche Wohlgefallen am Opfernden (ζ. B. Lev 19, 5 ST). Eben deshalb kann Gen 8, 21 n m n ΠΉ im ST übersetzt werden mit ΠΠΠΊ ΠΉ · Wieder ist an das Wohlgefallen Gottes beim Opfer gedacht 103 . Neben diesem speziellen Bezug auf das Opfergeschehen beinhaltet der Begriff noch eine andere Komponente. Der M e lis bringt sie auf die knappe Formel: hebr. D'JBn = aram. ΠΠΊΓΠ 104· Schauen wir Ex 33, 14 an. Jahwe „sprach, mein Angesicht wird vor dir gehen, und ich will dich zur Ruhe bringen" (SP). Das ST übersetzt: „Meine ΠΠΊ5Π wird sie führen 105 und ich werde dich leiten 106 ." Der anthropomorphe Ausdruck ist verdrängt. Aber auch die Haftung des Begriffes ΠΓΠΓΠ im Opfergeschehen ist beseitigt. Er bezeichnet hier eine Hypostase, die das Volk in das verheißene Land führt. Gott ist dem Volk nur in seiner ΠΓΠΠΊ gegenwärtig. Dieser doppelte Sinn ist auch im MM zu verfolgen. V 120, 1 f. ist ΠΓΙΊΠΊ an den ptPtt gebunden, während an anderen Stellen der Exodus unter Mose die Offenbarung eben dieser n n i t n ist (I 27,10; IV 90, 13). In dem hier besprochenen Traditionskomplex p w a ist vor allem der erste Sinn betont. Die Zeit des Miskän ist die Zeit der ΠΓΠΓΠ· Die Verbergung des Miskän ist die Verbergung der ΠΓΐΊΠΊ (ΠΙ 66, 18; III 67,12; IV 110,18; V 127, 4 f.)107. So ergibt sich, daß die Tradenten der Miskän-Tradition des MM die Priester sind. Auf dem Garizim stand einst der Miskän, und dort wird er in der Endzeit stehen. Dann werden die Aaroniten und unter ihrer Leitung die Leviten aufs neue opfern, und Jahwes Wohlgefallen 101

entspricht 13*l(Rettig, Memar 73 Anm. 17).

102

S. o. S. 238 f.

103

Von diesem Hintergrund her ist wohl auch Durrän C. 47, 18 zu verstehen:

104

557, 14.

105

Ausfall des

106

Vgl. Dtn 4, 37 (SP/ST).

107

Zur späteren Konzeption vgl. Vilmar, Abulfath X X X V I I f.; Montgomery, Samaritans 241—243.

n m m nsriö. (vgl. Mi — 127

gleiche Form wie beim ersten Stück.

Vgl. II 40, 29 :„Es komme in Frieden der große Prophet Mose, der die Wahrheit offenbart und die Lüge vernichtet".

128

Der Rachetag ist ein Tag der Wahrheit: IV 109, 3.

129

Die Auferstehung am Rachetag: IV 109, 3.

130

Der gleiche Ausdruck V 126, 20, woHöVs? vielleicht mit ,Land' übersetzt werden muß (vgl. Münk, Tod Moses' 50 f. und Anm. 139). Doch hier bedeutet er wie C. 17, 2 die vier Viertel der Welt (Kahle, Marka-Hymnen 190) — ebenso MM V 128, 9.

131

II 44, 23.

132

I I 44, 23—25.

133

II 4 4 , 2 5 — 3 1 .

134

Vgl. IV 109, 5 f. und zu dem ganzen Komplex Montgomery, Samaritans 239 ff.

19 K i p p e n b e r g

290

Der Taheb

Der Taheb gehört also gerade zur jenseitigen Welt. Die Auferstandenen strömen aus allen Himmelsrichtungen am Garizim zusammen135. Der Taheb entspricht — wenn man einen Vergleich wagt — nicht dem jüdischen Messias aus dem Geschlechte Davids, sondern dem präexistenten Menschensohn, der nicht geboren wird, sondern einfach kommt 136 . Die Nähe dieser Überlieferung zur Apokalyptik ist mit Händen zu greifen. MM III 64, 2 4 — 2 7 1 3 7 : Der große Prophet Mose sprach am Berge Sinai: ,Und siehe, ihr 138 seid heute wie die Sterne des Himmels. Er möge hinzufügen 139 zu euch tausendmal euer Ebenbild (Dtn 1 , 1 0 f. ST). Dieses bezieht sidi auf den Taheb, wenn er kommen und euch segnen wird.' E r (sc. Mose) 140 belehne sie über den Status, welchen sie besitzen. Diese drei Segen, die Abraham zugesprochen wurden 141 , sprach Mose, um sie (sc. die Israeliten) groß zu machen 142 , und so erneuerte er sie auf dem Garizim, dem Platz des Gottesdienstes.

Das kleine Sätzchen über den Taheb scheint noch zur Rede des Mose zu gehören. Mose selbst sagt das Kommen des Taheb voraus. Das Werk des Taheb: er wird Israel segnen. Der Segen des Taheb erfüllt die Verheißungen an die Erzväter. Diese Verheißungen hat Mose auf dem Garizim erneuert. Hinter diesem Topos steht deutlich die Verkündung der at. Segensworte auf dem Garizim. Am Ende der Wallfahrt, aber noch vor dem aaronitischen Segen, lasen die Leviten die at. Segensworte vor 143 . Dieser Ritus, so sagt unsere Stelle, ist in einer Tat des Mose begründet. Diesen Ritus setzt aber auch der Taheb voraus, nur daß sein Segen die Erfüllung der Verheißungen darstellt. Der Taheb gilt daher auch an unserer Stelle nicht einfach als der wiederkommende Mose, spricht Mose doch in dritter Person von ihm. Sein Werk wird mit kultischen Begriffen umschrieben: er verkündet auf dem Garizim lss

Zum samar. Glauben an die Auferstehung Macdonald, Theology 372—376.

tsa vgl. Volz, Eschatologie 204—206. 137 138

Ü. 101 f. entspricht dem hebr. D3JH (M e lis 450, 46). Macdonalds Hinweis auf das Arabische ist unnötig.

139

Stamm: ^Or

140

Dieses Subjekt ergibt sich aus der perfektisdien Zeitform sowie dem Kontext, der darlegt, daß Mose am Sinai die Israeliten über die Größe der drei Abrahamverheißungen belehrte (Z. 23).

141

Sc. E x 3 2 , 1 3 sowie Dtn 1 , 1 0 f.

142

Infinitiv Pael mit dem Suffix der 3. Person m. pl.

143

Vgl. o. S. 226.

291

Analyse des aramäischen Materials

den Segen und eröffnet so die Epoche der Erfüllung. Die samar. Gemeinde wird zu einer unermeßlichen Schar, der kein Feind mehr widerstehen kann. MM IV 106, 4 — 6 1 4 4 : Drei Worte sind durch Herrlichkeit verbunden 145 — und audi der Taheb (ist) mit ihnen14«. .Preist ihr Heiden sein Volk' (Dtn 32, 43 SP). Sie sind mein Volk und mein Erbe. Die ganze Welt sollen sie besitzen nVö).

Die drei Worte sind nicht etwa die vorangehenden Zitate Dtn 15, 18 ;28 ,1; 28, 10, wie J . Bowman vermutet 147 . Vielmehr werden im folgenden drei Bibelstellen exegesiert, von denen die zweite und die dritte ausdrücklich als zweites und drittes Wort bezeichnet werden (106, 18. 22). Diese drei miteinander verbundenen Bibelstellen sind Dtn 32, 8; 32, 9 a und 32, 9 b. Macdonalds Ubersetzung erweckt den Eindruck, als sei das ,mit ihnen' auf die drei Worte zu beziehen: mit den Worten ist der Taheb bezeichnet148. Dann müßte man annehmen, daß Marqä aus der übernommenen Zitatenkomposition 148 eine Erwähnung des Taheb getilgt hat — wenn man nicht ein wenig kühn den Taheb mit „Joseph, dem Stier" (106, 23 f.) verbindet. Möglich ist auch eine andere Deutung: nicht nur Jahwes Verheißungen geben den Israeliten Größe — audi der Taheb ist mit den Israeliten. Eben darin ist begründet, daß sie „die ganze Welt besitzen werden" (106,6). Das, was die Samar. als so schmerzlichen Verlust empfinden, den Verlust ihres Landes, wird mit dem eschatologischen Besitz der Welt vergolten. Es ist deutlich, in welcher Weise die Nöte der Zeit apokalyptische Hoffnungen geweckt haben, und wie der Taheb mit diesen Hoffnungen verbunden wird. 144

Ό. 176.

145

Stamm: 1ΊΤ ( = ζεύγνυμι).

149

Diese Stelle unterscheidet sich der Form nadi von den vorangegangenen.

147

Exegesis 222 Anm.

148

So auch J . Bowman, Exegesis 222 Anm., der durch M. Heidenheim, Commentar Marqah's 137 p. 183 a zu dieser Übersetzung gelangte.

148

Die Verwendung einer Quelle ist deutlidi. Die drei numerierten Bibelstellen begegnen in derselben Zählung in dem Qätäf ,Zehn Ehrungen durch Mose', der

unmittelbar

unserer

Stelle

vorausgeht

(105,26—106,4).

Zwar

hat

Marqä auch diesen Qätäf bereits erweitert, verrät aber seine Vorlage dadurch, daß er Dtn 32, 9 b als .drittes Wort* zählt (105, 29), obgleich es bereits das sechste ist. Dieses dritte Wort Dtn 32, 9 b begegnet 106, 22 ein zweites Mal. 19·

292

D e r Taheb M M I V 108, 6 f . 1 5 0 : Es komme in Frieden, der Taheb und offenbare die Wahrheit

und

mache rein 1 5 1 die W e l t (oder das L a n d ? ) und setze ein 1 5 2 die H ä u p t e r des Volkes 1 5 3 gemäß dem, was sie waren.

Kontext auch dieser Stelle ist ein Qätäf, u.Z. ein Qätäf von Strafgerichten ( p i n ) 1 5 4 über Sünder (106, 31 f.). Der Taheb wird am Ende des dritten Wortes D t n 32, 30 a und seiner Auslegung erwähnt (107, 12—108, 7). E r ist — so muß man den Kontext verstehen — ein Trost für die bedrängte samar. Gemeinde (107, 30—32) und eine Warnung an die Gottlosen. Die Funktion des Taheb kommt daher der des Joseph nahe: die Restaurierung der samar. Eigenständigkeit, die Abschüttelung der Fremdherrschaft. N u r die Terminologie ist verschieden. Es geht nicht nur darum, das Land in Besitz zu nehmen, sondern die ganze Welt soll im priesterlichen Sinne rein sein. Konkret: der heidnische Lebenswandel soll zum Stillstand kommen. Positiv wird ausgeführt, daß er die Häupter des Volkes einsetzt. Wer damit gemeint sein kann, läßt III § 10 ahnen, wo Mose nacheinander die Fürsten, die Stammeshäupter, die Leviten, die Richter, die Ältesten sowie die Schriftgelehrten anspricht (vgl. V 1 1 9 , 15 f.; 1 2 2 , 2 — 1 4 ) . Die Anspielung auf das, was sie waren, nimmt vielleicht D t n 33, 5 (SP/ST) auf, wo die Häupter des Volkes das Gesetz entgegennehmen. Der Taheb verpflichtet sie aufs neue auf die Tora. Vielleicht ist aber auch an den Opferkult im Miskän gedacht, bei dem die Stammeshäupter Sitzplätze gemäß ihrem Rang hatten (III 78, 25 f.). M M I V 110, 3 3 1 5 5 : Es komme in Frieden der Taheb, welcher die Stätte besitzen w i r d 1 5 6 , die G o t t erwählt h a t 1 5 7 für die Guten. 130

Ü . 180.

151 Ό Τ η (Pael) entspricht nach dem M e lis 4 7 5 , 17 dem h e b r . I H t J , bezeichnet also die levitische Reinheit (vgl. L e v 10, 10 ST). Nach A b r a h a m haq-Qabbäsi reinigt der Taheb die E r d e ( M e r x , Messias 7 7 ) . Inhaltlich dürfte an die V e r nichtung der Gottlosen gedacht sein: vgl. I I 4 0 , 3 0 ; I V 94, 2 4 f. 152

Vgl. C o w l e y L V I I I .

153 v g l . Abisua, der v o m Taheb die Aufrichtung des Ranges der Weisen erhofft (C. 513 Z. 27), und A b r a h a m

haq-Qabbäsi,

nach dem der Taheb siebzig

Scheiche aussuchen wird ( M e r x , Messias 7 9 ) . 154

Vgl. M e lis 6 0 0 , 181 sowie B e n - H a y y i m s Anm. dazu.

155

Ü . 185.

158 157

Y?». Z i t a t der charakteristischen Phrase des Dtn in der samar. Version.

Analyse des aramäischen Materials

293

M M I V 1 1 1 , 13 f . 1 5 8 : Es komme in Frieden der Taheb, welcher die Stätten der Vollkommenen besitzen und die W a h r h e i t offenbaren w i r d 1 5 9 .

Beide Stellen sind einander so ähnlich, daß man sie am besten zusammen bespricht. Der Vordersatz entspricht den übrigen Stellen (außer IV 106, 4 f.), der Nachsatz wird abweichend mit der Relativpartikel eingeleitet. Kontext beider Stellen ist der schon erwähnte Qätäf der Strafankündigungen. Der erste Satz wird abrupt eingeführt. Der an ihn anschließende Satz: „Der Älteste des Hauses seines Vaters" etc. spricht von Jakob und setzt voraus, daß soeben von seinem Vater Isaak die Rede war. Erst über Joseph wird im folgenden ein Zusammenhang mit dem Taheb geknüpft. Joseph „besaß die Stätte" (111, 4), ihm wurde die Königsherrschaft gegeben. Der zweite Satz — ebenso unorganisch im Kontext wie der erste — variiert den ersten und schreibt darüberhinaus dem Taheb die Offenbarung der Wahrheit zu. Die Stätte des Wirkens des Taheb ist der Garizim. Und zwar wird vom Taheb erwartet, was in der Joseph-Tradition von Joseph erwartet wird: er wird den Garizim in Besitz nehmen. Die Frage ist also, ob etwa der Taheb der zurückkehrende Joseph sei. Auch die Vernichtung der Feinde (erste Stelle) würde sich dem gut einfügen. Doch sprechen gegen solche Einordnung der Taheb-Vorstellung gewichtige Gründe. Gewisse Topoi, ζ. B. der von der Reinigung der Welt sowie vom Opfer des Taheb, sind priesterlicher Herkunft. Und das gilt ebenso audi vom Segen des Taheb. Man wird die Erwartung einer endzeitlichen Besitznahme des Garizim wegen ihrer allgemeinen Verbreitung und Zeitgemäßheit auch auf den Taheb übertragen haben: er ist es, der die ersehnte Herrschaft über den Garizim bringt 160 . M M IV 1 1 1 , 1 5 f.1«: ,Denn J a h w e w i r d seinem V o l k Recht schaffen' (Dtn 32, 36 S P / S T ) 1 " 158

Ü. 186.

159

Offensichtlich die wichtigste Tätigkeit des Taheb, d a sie zum drittenmal

ιβο ve rgw i .ä hCnot ww l eiyr d , . Messiah 1 6 9 zum Taheb: „He is, perhaps p r i m a r i l y , . . . a temporal king". Doch dürfte dieser Zug nicht vorrangig sein. 181

Ü. 1 8 6 .

192

S a m M M I V 8 4 , 1 8 liest wie S P WS?.

294

Der Taheb — das Volk Jahwes, Jakob, ein Zweig und eine Wurzel 1 6 8 , ein Anfang und ein Ausläufer von Vätern und Söhnen, von Noah der Wurzel bis zum Taheb dem Zweig 164 .

Das recht konzise Sätzchen hat eine andere Form als die meisten vorhergegangenen Stücke. Seine Absicht ist es, das Volk Jahwes von seinem Anfang und seinem Ende her zu charakterisieren. Seine Wurzel ist Noah, und sein letzter Zweig ist der Taheb. Zweifellos stehen Noah und der Taheb in einer Typologie. Da mit Noah mehrere Traditionen verbunden sind, ist das tertium comparationis nicht ganz eindeutig. Noah gilt als Erbauer eines Altars auf dem Garizim (ζ. Β. II 47, 8), als exemplarisch Gerechter (ζ. Β. I 21, 21), als exemplarisch Erlöster (ζ. Β. II 42, 32) und als Anfänger einer neuen guten Generation (ζ. Β. IV 95, 24). Da Noah an unserer Stelle als Wurzel des Volkes Jahwes genannt wird, wird er wahrscheinlich als Anfänger einer guten Generation gedacht sein. Der Taheb gilt entsprechend als der endzeitliche Anfänger einer guten Generation. Während an einigen der zuvor besprochenen Stellen der Taheb übermenschliche Züge trägt, gilt er hier als Angehöriger des Volkes Jahwes. Der Taheb ist ein Sohn Jakobs. MM IV 112,5—7 1 " 5 : ,Und über seine Knechte wird er Mitleid empfinden' (Dtn 32, 36 SP) — ein ganzes Wort von Herrlichkeit. Der Taheb wird aufstehen, und Jahwe wird Mitleid empfinden. Der Ort des Radietags 169 ist der Ort des gottlosen Kalbes. Der Zorn wurde stark, um das Volk zu verzehren. (Dodi) der große Prophet Mose betete. (Da) wurde der Zorn abgewandt, und er empfand mit dem Rest Mitleid. Sie hatten das Kalb nicht gemadit. Deshalb wird am Rachetag das große Feuer angezündet.

Wie an allen anderen Stellen von Buch IV ist der Kontext ein Qätäf. Blicken wir noch einmal auf die übrigen Stellen zurück: 106, 4 f. verbindet den Taheb mit Dtn 32, 8; 32, 9 a und 32, 9 b. In dem Qätäf der Strafgerichte wird er in einer Auslegung von Dtn 32, 30 a (108, 6 f.), Dtn 32, 36 a ο (111, 16) und — eben an dieser Stelle — Dtn 32, 36 a β 163

164

Vgl. Meli? 4 8 4 , 1 5 2 Ben-Hayyims Anm.: CTINist von ©Ή *?»(im Beginn) abzuleiten, das zu einem W o r t verschmolzen wurde. Seine Bedeutung ist .Wurzel' (s. auch M e lis 546, 202 Anm.). In dem Vortrag über den Taheb (s. o. S. 284) heißt es, daß der Taheb von Isaak kommt (Merx 81). Dieser Vortrag führt vor allem die Typologie von Noah und Taheb durch.

165

Ü. 188.

166

Dtn 32, 35 (SP/ST) im Unterschied zum MT.

Analyse des aramäischen Materials

295

genannt. 110, 33 und 111,13 f. besteht durch die Nennung des Rachetags 110, 31 ein Zusammenhang mit Dtn 32. An allen Stellen wird der Taheb also mit Dtn 32 verbunden. Nun ist die Erwähnung des Taheb bei einer Auslegung von Dtn 32 nichts Auffälliges, zumal das ganze Buch IV eine Auslegung dieses Kapitels darstellt 167 . Beachtenswert scheint mir nur, daß das Zitat Dtn 32, 36 a β zweimal interpretiert wird: einmal ohne Deutung auf den Taheb (112, 4 f.) und dann an unserer Stelle auf den Taheb. Der sachliche Unterschied beider Auslegungen: bei der ersten hängen Vergeltung und Erbarmen am persönlichen Tun, bei der zweiten führt das Auftreten des Taheb zur Erneuerung von Jahwes Erbarmen. Die gleiche Beobachtung ist auch bei der Auslegung von V. 36 a α zu machen: 111, 16 bindet Jahwes Heilswirken an den Taheb, 112, 1 f. an das Individuum. Aus diesem Phänomen wird man sowohl für die Quellenverhältnisse in Buch IV als auch für die Taheb-Tradition Schlüsse ziehen können. Marqä scheint einen Teil seiner Ausführungen über den Taheb einem Qätäf von Gerichtsankündigungen entnommen zu haben, der Zitate aus Dtn 32 zusammenstellte und mit dem Kommen des Taheb verband. Der Rachetag 188 ist in dieser Überlieferung zugleich der Tag des Taheb. Und zwar insofern, als der Taheb die Feinde Israels vernichtet. Marqä interpretiert dagegen den Rachetag anders: an ihm muß der Einzelne sich verantworten. An ihm offenbart sich der „Herr der Welt" (IV 109, 4), also Gott selbst. Wenn die Taheb-Stellen von Buch IV aus einem Qätäf mit dem Thema ,Gericht am Rachetag' stammen, dann drängt sich die Frage auf, ob denn nicht auch das Material aus Buch I, II und III aus dieser Quelle stammt. Denn sdion der Form nach ähnelt es einem Teil der Taheb-Sätze von Buch I V : ein stereotyp wiederholter erster Satz bittet um das Kommen des Taheb — der zweite expliziert in je anderer Weise die Wirkung dieses Kommens. Marqä wird alle diese Stellen einem Gebet um das Kommen des Taheb entnommen haben. Uber diese formale Gleichheit hinaus gibt es ein gewichtiges Argument, daß das ganze Gebet mit dem Topos vom Tage Jahwes eng verklammert war. Kurz vor der ersten Taheb-Stelle I 22, 13—17 findet sich eine dreimalige Bitte um das Kommen „des Tages". Wie beim Taheb-Gebet wird die Bitte stereotyp wiederholt, während die Wirkung beim Eintreten des Tages stets anders charakterisiert wird. Aus dem Gebet (22, 6—8) sei als Illustration die erste Zeile vorgeführt.

167

Zur Bedeutung von Dtn 32 bei den Samar.: M. Gaster, Esdiatology 77—101.

188

Vgl. zu ihm Macdonald, Theology 380—388.

296

Der Taheb MM I 22, 6 1 β β : Es komme in Frieden der Tag, an dem die Befreiung ist, damit die Herrlichkeit umkränzt werde 1 7 0 und Segen in ihm ist.

Die formale Ähnlichkeit mit dem Taheb-Gebet ist schlagend. Ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß dieses Gebet einst mit dem vom Taheb zusammengehörte? Zu diesem Zyklus dürfte dann noch II 40, 28—32 zu rechnen sein 171 . Die erste Zeile lautet: MM II 40, 28 172 : Es komme in Frieden der große Prophet Mose, der Treue 1 7 3 über das, was er sprach, und die Geschöpfe bitten (bzw. grüßen).

Aus diesen Parallelen geht noch einmal hervor, was das TahebGebet selbst erkennen läßt: daß das Datum des Kommens des Taheb der Gerichtstag Jahwes ist und daß — für die Tradenten — die Person des Taheb der wiederkommende Mose ist. Ebendarum verschwindet auch das änigmatische Taheb zuweilen zugunsten des klaren: der große Prophet Mose 1 7 4 . E r vernichtet am Rachetag die Feinde Israels und verherrlicht die Guten (II 40, 31). Irgendeinen Bezug zum Garizim haben diese Gebete nicht. Sie stammen daher wohl aus einer Synagoge, die nicht unmittelbar sich dem Garizim verbunden wußte. Durrän 17 (C. 45, 20 f.) zeigt, daß die Form dieser Gebete im Synagogengottesdienst heimisch war 1 7 5 . Fassen wir zusammen. Marqä verarbeitet — an relativ wenigen Stellen in seinem Werk — ein Gebet an den Taheb. Er selbst scheint diesen Taheb mit Mose zu verbinden, wie vielleicht bereits die Tradenten vor ihm. Schaut man auf den Inhalt des Gebets, so wird man gewahr, daß es selbst nirgends den Taheb mit Mose identifiziert. Das Werk des Taheb wird mit unterschiedlichen Zügen beschrieben. Priesterliche Züge (Opfer vor Bet'el, Segen, Reinigung der Welt), ,nationale' Erwartungen (Besitzergreifung des Garizim) und apokalyptische Züge (Ver189

Ü. 33.

170

Vgl. Cowley L V I I I .

171

Weitere Parallelen, die zu diesem Zyklus gehört haben dürften: III 6 2 , 8

172

Ü. 63.

173

Num 1 2 , 7 (ST).

und IV 1 1 1 , 1 9 . Ferner II 36, 9 — 1 2 ; VI 135, 4 — 6 sowie Durrän C. 45, 20 f.

174

Vgl. Bowman, Eschatology: „Marqah has little, if indeed anything, really to say of the Taheb " (67), „the Taheb is a vague supernumerary" (69). Zum wiederkehrenden Mose siehe Meeks, Prophet-King 246 ff.

175

Genauer dargelegt in Kippenberg, Gebetbuch S. 95.

297

Analyse des aramäischen Materials

nichtung der Feinde und der Finsternis in der Welt, Offenbarung der Wahrheit, Auferstehung der Toten) stehen nebeneinander. Diese apokalyptischen Motive stehen bei der letzten Fassung des Taheb-Liedes ganz im Vordergrund. Die Frage ist, ob sie nachträglich eine mehr menschliche Zeichnung des Taheb verdrängt haben, oder ob die menschlichen Züge erst später hinzugetreten sind. 2.

Durrän

Die ältesten Teile des Deiters gehen in das 4. Jh. n. Chr. zurück 176 . Zu diesem Grundbestand gehört zweifellos auch der Durrän 177 (JNTT178, 179)· Unter dem Namen Durrän begegnet ungefähr in der Mitte des Deiters ein Corpus von 23 Hymnen (C. 38, 19—48, 8)180. Die arab. Rubriken bezeichnen diese Hymnen als ( = Zubehör) für bestimmte Gottesdienste. Schaut man sich diese Rubriken an, so erkennt man, daß der Durrän ein Corpus Liturgicum für alle wesentlichen samar. Gottesdienste darstellt. Ob diese Rubriken 181 alle das Richtige treffen, bedürfte eines genauen Nachweises aus den Texten. Auch die Frage, ob der Name Durrän von einer arabischen182 oder einer aramäischen183 Form abzuleiten ist, kann erst dann geklärt werden. Das gilt 176 177

Cowley X X . So

C o w l e y s Transkription, die

das arabische

(

=

P e f l e n ) (Cowlev

L I V ) zugrundelegt. 178

Diese Form in der Rubrik C. 43, 17.

179

C. 3 8 , 1 9 .

180

Die drei Arbeiten zum Defter von Kahle, Szuster und Macdonald (s. o. S. 8) haben in schöner Einmütigkeit den D u r r ä n ausgelassen. Eine Ü. ins Hebr. mit phonetisdier Umschrift und Kommentierung hat jetzt Z. B e n - H a y y i m vorgelegt. Hebrew and A r a m a i c V o l . III, P a r t II. The Recitation of Prayers and Hymns. Jerusalem 1967, 4 1 — 8 8 . Einige Bemerkungen über den Zusammenhang dieser H y m n e n mit dem Gottesdienst bei Macdonald, D a y of Atonement 14. Eine Übersetzung sowie eine historische und formgesdiichtlidie Einordnung habe ich in einem A u f s a t z versucht: Ein Gebetbuch f ü r den samaritanischen Synagogengottesdienst

aus dem 2. J h . n. Chr. Z D P V 85

(1969)

76—103. 181

Die ja zum Teil von C o w l e y aus späteren Hss. ergänzt sind, wie die runden K l a m m e r n zeigen.

182

C o w l e y denkt audi Macdonald an eine arabische Form. Neben C o w l e y s Ableitung ( D a y of

Atonement 1 4 A n m . 1) erwägt er

( = Zyklus, sc. v o n Hymnen) (mdl.). 183

Ζ. B. v o n ΝΎΠ (Edelstein) b z w . Ν Π

(Reihe).

eine v o m arab.

298

Der Taheb

auch für den Zusammenhang mit Amram Därä (vgl. C. 38, 19 f.) sowie über das Verhältnis dieses Amram zu dem Vater von Marqä, Amram ben Sered. Nach Cowley sind beide identisch 184 und ist Amram Därä der Verfasser des Durrän, wie es einige Rubriken formulieren. Es ist aber m. E. höchst auffällig, daß die Hymnen von Amram wie auch von Marqä um den Durrän herumgelagert sind und von ganz anderer Struktur sind. Amrams Hymnen sind akrostichische Hymnen, die in lehrhafter Absicht theologische Topoi komponieren, während im Durrän die meisten Stücke unpoetische Doxologien sind, Lobpreise angesichts der Taten Jahwes. Sind die Hymnen Amrams und Marqäs in typisch samar. Uberlieferungsstil 185 an den alten Kern angefügt worden? Auch theologisch ist zu beachten, daß Amram an keiner Stelle vom Taheb spricht, wohl aber der Durrän. So möchte ich — ohne einer eingehenden Prüfung der Texte vorzugreifen — vermuten, daß der Durrän bereits vor der Zeit Amrams eine gebräuchliche Hymnensammlung war 1 8 6 . Er führt uns also in eine Zeit zurück, die wenigstens zwei Generationen vor Marqä liegt, wahrscheinlich beträchtlich mehr. Durrän 9 C. 42, 1 4 — 1 8 1 8 7 : Heil ihnen, den Umkehrenden (ΓΡίΝΠ), die zum Worte ihres Herren kommen 188 . Die Barmherzigkeit ist mit ihnen, und der Herr des Alls verherrlicht sie. Heil der Welt, wenn der Fürwahr

190

ΓΰΧΠ und seine Versammlung 189 kommt.

, der Friede tritt ein 191 , Barmherzigkeit breitet sich aus, das

Unglück wird entfernt 192 , die Schlechtigkeit wird weggenommen 193 , die 184

Cowley X X I . Ebenso Z. Ben-Hayyim, Poem of the 4th Century 119.

185

Erarbeitet von Macdonald für die Liturgie des Versöhnungstages: ein altes Schema des Defter wurde im 14. Jh. ausgedehnt, ohne daß es verändert wurde (Day of Atonement 20—25).

19β

Diese eingehende Prüfung habe ich in dem Anm. 180 genannten Aufsatz zu unternehmen versucht.

187

Ό.: Ben-Hayyim, Hebrew and Aramaic III, II. 61, 33—62, 45; Kippenberg, Gebetbuch S. 86 f.

188

Das zweite "ρΠΝ ist überflüssig.

189

Vgl. Cowley L X I I I . Variante: die Reihen der ΠΠΊΠΊ.

1,0

Nach Hildesheimer, Buch der Wunder 39 Anm. 49

könnte es auch als VPD

(wie es ist, sofort) zu deuten sein. 191

Vgl. MM III 65, 29, wo Frieden eine allgemeine Bezeichnung des Esdiatons darstellt.

192

Vgl. MM III 65, 29 f.: „die Welt wird durch eudi gut gemacht mit Freude".

193

Vgl. Cowley L X V I I I .

Analyse des aramäischen Materials

299

Geschöpfe werden ruhig, Tau (kommt) über die, die in der ΠΓΠΓΠ leben, und der Schöpfer der Welt wird ohne Heuchelei gepriesen.

Die Eigenheit dieser Uberlieferung sticht unmittelbar ins Auge. Das Heil ist ganz universell gedacht. Nicht von Jahwe ist die Rede, sondern vom Herrn des Alls, vom Schöpfer der Welt. Nicht von seinem Volk wird gesprochen, sondern von den Geschöpfen. Nicht Jahwes Zorn über sein untreues Volk ist Thema, sondern das Unglück, das durch den Frieden abgelöst wird DerTaheb ist, so muß man das Wortspiel Π3ΝΠ " ΠΌΝΠ verstehen, der erste Umkehrende an der Spitze einer ganzen Reihe. Zeitpunkt aller Ereignisse ist die apokalyptische Wende aller Zeiten. Diese Wende bringt der Welt Barmherzigkeit und Friede. Es scheint mir nötig, sich über die Herkunft des Stückes Klarheit zu verschaffen. Dabei kommt uns jetzt eine Beobachtung zustatten, die wir oben 194 gemacht hatten: daß Traditionsketten von verschiedenen Tradenten verschieden geformt wurden. Unser Stück enthält Z. 10—14 eine Traditionskette, die Joseph ΓΟ*?0 erwähnt und mit Josua und Kaleb endet. Sie schließt nicht — wie die priesterlichen Ketten — mit den Priestern Aaron, Eleasar, Pinehas ab und wird eben darum von Laien bzw. Schriftgelehrten geformt sein. Der kosmische Horizont der TahebÜberlieferung macht diese Vermutung wahrscheinlich. Durrän 16 C. 45,12—15 1 » 5 : Heil dem Umkehrenden (täheb) und Heil den Schülern, die ihm gleichen. (Heil der Welt)1®8, wenn der kommt, der den Frieden mit sich bringt, die ΠΓΠΠ*1 offenbart, den Garizim ('ΤΚ ΓΙΌ) 1 9 6 reinigt und den Zorn von Israel wegnimmt. Und Gott gibt ihm einen großen Sieg und greift mit ihm die ganze Welt an 197 . (Verherrlicht sei die Macht 198 , die uns diesen Tag [sc. den Sabbat] gab).

Die Form dieses Stückes entspricht dem vorangehenden: beide haben die Form der Heilszusage, beide stellen den Taheb und die U m kehrenden in Parallele. Der Taheb ist von ihm gleichen Schülern umringt. Er offenbart die ΠΓΠΓΠ und bringt der Welt Frieden. Aber dieser Frieden ist natürlich eine pax samaritana. Der Garizim wird (vom Göt-

195

196

197 198

S. 269 f. Ubersetzung dieser Stelle: Macdonald, Theology 371; Ben-Hayyim, Hebrew and Aramaic III, II. 77, 33—43; Kippenberg, Gebetbuch S. 94. Diese Worte stehen nicht in der zugrundegelegten Hs. V 3, sondern in einer späteren — ich nehme an Cr. 11 bzw. 18. Vgl. MM III 69, 28 f. Vgl. dazu unten S. 332 ff.

300

Der T a h e b

zendienst) gereinigt, die sich widersetzende Welt besiegt. Die große Weltenwende beginnt mit dem Auftreten der Umkehrenden. Zwei Fragen wollten wir bei der Untersuchung des aram. Materials nicht aus den Augen verlieren: das Verhältnis der Taheb-Erwartung zum universalen Rachetag und die Identität des Taheb. Das Resultat unserer Untersuchung ist, daß der universale Rachetag den unablösbaren Hintergrund für das Wirken des Taheb bildet. Der Taheb wird von Marqä und den Tradenten des Taheb-Gebets als Mose redivivus interpretiert. Das Material aber deutet nirgends diese Identität an. Ja im Durrän bleibt die Person des Taheb nicht nur einfach offen, sondern ist fast ohne Individualität. Der Taheb ist der Typus des Umkehrenden.

C . Traditionsgeschichtliche Erwägungen Der eigentlich ungeklärte Punkt der Taheb-Erwartung ist nichts geringeres als der Begriff selbst: Π3ΠΓ) / Π3ΚΓ· Parallelen zu ihm im MM 1 9 9 machen eine Ableitung vom aram. 31Π zwingend 200 : es ist einPartizip Aktiv mit sekundärem mittlerem Radikal. Die Bedeutung dieser Form: umkehrend, zurückkehrend. Cowley noch wollte einen kausativen Sinn annehmen: ,der, der zurückbringt' und dachte dabei an die Funktion des Taheb im Hymnus des Abisua: er bringt den mosaischen Miskän zurück 201 . Zwar besticht die Ubereinstimmung dieses Sinnes mit dem Werk des Taheb (nach Abisua). Aber diese Deutung paßt weder sprachlich noch sachlich auf die Zeugnisse der aram. Periode. Der Taheb bringt in der aram. Tradition nicht den Miskän zurück, und eine kausative Bedeutung von 31ΓΙ ist m. W. nicht nachweisbar. Das hatte bereits A. Merx gesehen 202 . Doch die von ihm angenommene Bedeutung „der Wiederkehrende" setzt sachlich eine präzise Vorstellung von der Person des Taheb voraus, die die Samar. jedoch lange nicht gehabt 199

I I I 60, 6; I V 94, 27; V I 137, 4; V I 146, 31; vgl. V I 139, 9.

200

Ältere Versuche, ihn von anderen Stämmen abzuleiten, bei Cowley, Messiah

201

Messiah 165 f. (im Anschluß an Gesenius). Vgl. auch Vilmar,

164 f. Anm. 3 sowie Montgomery, S a m a r i t a n s 246. Abulfathi

Annales X L I I : „reductor sive conversor", der aber audi „poenitens" erwägt. Wie C o w l e y Montgomery, Samaritans 246; Volz, Eschatologie 200; Gaster, Eschatology 225; Jeremias Art. Σαμάρεια. Religion 232. 202

Messias 42.

T h W V I I . 90 Z. 3 f . ; Bousset,

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

301

haben 2 0 3 . Der Durrän selbst versteht den Ausdruck — wie die Parallele zu ΠΌΝΓΙ zeigt — eindeutig als der Umkehrende. Diese Wiedergabe kommt dem, was das Aram, des MM als Sinn von Π3ΠΠ fordert, am nächsten. Gibt es nun ein Bindeglied zwischen diesem Ausdruck und der Erwartung des Rachetages? M M I I I 60, 6 f . 2 0 4 : ( L a ß t uns v o r ihm anbeten wie A d a m . . - 2 0 5 ), d a m i t 2 0 9 wir werden, die Π2Υ1ΓΠ offenbaren und die

]ΌΠΓΙ

WVUD verbergen (bzw. zer-

stören), in Reinheit dienen und auf das hören, was G o t t uns 2 0 7 sagt.

Was hier von den Umkehrenden gesagt wird, wurde an anderen Stellen vom Taheb gesagt: er offenbart die ΠΠΊΓΗ (I 2 2 , 1 6 ) und bringt die reine Gottesverehrung (C. 4 2 , 1 8 ) . Dieser Zusammenhang von U m kehr und Eintreten der ΠΓΠΓΠ ist im M M noch an anderen Stellen zu verfolgen. Vom 3ΠΠ ist in diesem Zusammenhang I V 94, 2 7 ; V I 137, 4; V I 1 4 6 , 3 1 die Rede: Gott ist barmherzig „er nimmt auf jeden 2ΠΓΙ der zu ihm umkehrt" heißt es an allen diesen Stellen 2 0 8 . Diese Redeweise erinnert an D t n 4, 30; 30, 2. Doch hat der Begriff einen pointiert eschatologischen Bezug: die Umkehr allein hilft am Rachetag (IV 108, 32 f.). Im Hintergrund steht — wie die vorangestellte Stelle zeigt — das Bewußtsein, in einer Zeit der Abwendung zu leben, in der Gottes Wohlgefallen verborgen ist 2 0 9 . Erst die Umkehrenden können die Bestimmtheit dieses Zeitcharakters zerbrechen und Gottes Wohlgefallen neu offenbaren 2 1 0 . Von dieser Konzeption und ihrer Formulierung bei Marqä ist die älteste Textgruppe, der Durrän, gleichsam nur einen Schritt entfernt. Man vgl. jene erste Stelle aus dem Durrän C. 42, 16 bis 18. Ohne jede Schwierigkeit ist der Begriff ΓΠΝΠ hier zu übersetzen, ja er darf gar nicht als Titel verstanden werden: „Heil der Welt, wenn der Umkehrende und seine Versammlung k o m m t . " Wie nahe der Durrän damit einer bestimmten Schicht im M M steht, zeigt eine weitere Stelle des M M : 203

Wie M e r x auch Oepke, A r t . άττοκαθίςτημι.

T h W I. 3 8 7 Z. 2 9 — 3 0

sowie

z u v o r sdion Hilgenfeld, Taheb 2 3 8 f. 204

Ü. 93.

205

60, 3 ff.

»» Ϊ 1 8 1 = hebr. "|D (M^lis 568, 2 9 0 ) .

2

207

S a m M M I I I 13, 2 6 : J1?.

208

Vgl. I I I 67, 28 f.

209

Vgl. o. S. 2 3 8 — 2 4 6 .

210

Vgl. M a r q ä C . 20, 1 7 : „Die Umkehrenden sind es, die im Krieg siegen, die n m m

offenbaren und ihrem G o t t dienen."

Der Taheb

302 MM II 46, 2 f. 211 :

Die dritte Generation ist die Generation der ίΓ3ΠΓΐ, in der keine Verwirrung und keine Verdrehung 2 1 2 erscheint.

Der nicht ganz glatte Kontext läßt auf die Zählung Unsicherheit fallen. Aus 1141,3—6 wird man jedoch einen Dreitakt von Adam(Noah-)Generation, Mose-Generation und der Generation des Endgerichts erschließen können. Ob nun vom Umkehrenden und seiner Versammlung gesprochen wird oder von der Generation der Umkehrenden: ein sachlicher Unterschied besteht nicht. Der Schritt, der zwischen dieser Konzeption und der des Durrän steht, ist ein terminologischer: stellvertretend für die vielen Umkehrenden wird von dem Umkehrenden geredet. Für einen solchen Schritt gibt es eine Parallele: MM IV 94, 5—7 spricht von dem Abtrünnigen, mit dem aber eine ganze Gemeinde von Abtrünnigen gemeint ist (vgl. o. S. 241). Der Taheb ist Anhänger und Verkörperung der Generation der Umkehrenden. So ist auch die Noah-Taheb-Typologie MM IV 111,16 zu verstehen: war Noah die Wurzel des Volkes Jahwes, so ist der Taheb sein eschatologischer Ausläufer. Die hier vorgetragene These vom Ursprung des Taheb hat Konsequenzen. Die erste ist, daß die eschatologische Szenerie der TahebKonzeption sachlich vorangeht. Zuerst also war die Tradition vom Rachetag und von der Erneuerung der ΠΓΠΓΠ vorhanden. Erst in einem zweiten Schritt reflektierte man auf die Begnadeten der Heilszeit (die ΪΓΟΠΪΐ) und in einem dritten Schritt auf ihren Lehrer 213 . So spricht m. E. einiges dafür, daß die Taheb-Konzeption sachlich und zeitlich nach jenen eschatologischen Traditionen anzusetzen ist. Die aram. Form des Begriffes macht eine Datierung in die aram. Periode eo ipso wahrscheinlich214. Auf die Wiege der Tradition weist der Durrän hin: es 811

Ü. 72.

212

Stamm:

213

Vgl. Bowman, Eschatology 70: „Undoubtedly early Samaritan eschatology

IS/T.

was once concerned only with a mere restoration in this world. . . . Belief in an agent, a Taheb, Restorer, or Returning one, would come later." Ganz anders Macdonald, Theology 362: „in earliest times the Taheb was to be the restorer and no more". 214

Vgl. Μ. H a r a n , Taheb 104: der Begriff stammt aus der aram. Periode. D a er sie früher als wir ansetzt, leitet er ihn aus der hellenistischen, vorrömischen Periode ab. Das scheint mir angesichts der Quellenlage Spekulation. Ebenso willkürlich erscheint mir seine Annahme, andere Begriffsformen aus der Zeit vor Marqä seien verlorengegangen (104).

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

303

handelt sich um nicht-priesterliche Kreise. Der Sitz im Leben ist demnach die Synagoge bzw. Schule, die Tradenten sind die ,Weisen'. Da zum Topos von n m m und ΠΠ120 konstitutiv der Garizim gehört, ist bereits in der ältesten Traditionsschicht der Taheb mit der Reinigung des Garizim verbunden. Doch die Autoren der Taheb-Überlieferung sahen nicht so sehr darin das Kennzeichen der Periode der ΠΓΠΓΠ als in der Umkehr. Ehe wir die Traditionsgeschichte weiterverfolgen, seien einige Abgrenzungen vorgenommen. Immer wieder hat man den samar. Anführer, der 36 n. Chr. die von Mose zum Garizim gebrachten Kultgeräte zu zeigen versprach215, mit dem Taheb identifiziert 218 . Da nach Abisua der Taheb in der Tat den mosaischen Miskän wiederbringt, lag diese Identifikation nahe. Doch zeigen die aram. Quellen deutlich, daß die Taheb-Erwartung der frühen Zeit andere Ursprünge hat und unabhängig von der MiiSkän-Tradition war. Erst recht Joh 4, 25 hat mit dem Taheb nichts zu tun 217 . Überhaupt kennen die Samar. gar keinen WWD 2 1 8 . Lediglich die Erwartung eines Propheten (Joh 4,19) ist samar.21®, hat aber wiederum mit dem Taheb nichts zu tun. Die Taheb-Tradition hat sich sehr schnell von ihrem Ursprung entfernt. Schon die zweite Stelle des Durrän zeigt, daß aus dem Repräsentanten der neuen Generation ihr Lehrer wurde, dem die Durchführung der eschatologischen Akte zufiel. Aus dem ersten Umkehrenden wird die Speerspitze, mit der Gott die Welt angreift. Bei Marqä ist der Taheb dann vornehmlich Vollstrecker des Gerichts. Zwar weiß man auch hier noch von seiner menschlichen Herkunft, wie die allein Gott vorbehaltene Totenerweckung und die Noah-Typologie zeigen, aber die Verbindung mit der Tradition vom Mose redivivus stellt ihn gleichsam schon auf das andere Ufer, von dem die Menschen dieser Zeit noch durch das Gericht getrennt sind. Vom Ursprung an — so haben wir erkannt — war die Person des Taheb ungeklärt. Eben diese Vagheit erklärt, daß bis in neuzeitliche samar. Texte hinein immer neue und andere Identifikationen vorgetragen wurden. Selbst in dieser Zeit war die samar. Religion nicht der " 5 V g l . o . S . 113 f. 21

» Ζ. B. Hahn, Hoheitstitel 362.

217

Anders Hahn aaO.

218

Erst bei Abraham haq-Qabbäsi (16. Jh.) findet sich die mit Sicherheit sekundäre Bezeichnung ΠΓΡΒ?0. Zur Zeit Marqäs gelten nur Mose (II 5 1 , 1 9 ) bzw. die Priester (III 59, 22) in unesdiatologischem Sinne als gesalbt. S. u. S. 306 ff.

304

D e r Taheb

monolithische Block, den man immer wieder annahm. Interessant scheint mir, daß sowohl Abu'l-Hasan as-§üri (11. Jh.) als auch der Vortrag vor Pinehas dem Taheb die Bekehrung des Volkes zuschreiben bzw. typologisch über den Begriff der Umkehr mit Noah verbinden. Hier hat sich rudimentär die ursprüngliche Konzeption erhalten — möglicherweise nur auf Grund des schriftlich vorliegenden Deiters und MM oder einfach auf Grund des Begriffes. Die Uberlieferung des TahebKomplexes hat wahrscheinlich schon vor Abisua einen weiteren Schritt getan: sie ist mit dem Topos vom Miskän verbunden worden 2 2 0 . Diese Verbindung lag ja nahe, spielte doch der Miskän in der Überlieferung von nmiB und ΠΓΠΓΠ eine wichtige Rolle. Doch selbst bei Abisua ist der Taheb nicht einfach Mose redivivus, geschweige denn der Prophet wie Mose. Die Eigenart der Gestalt und die Rolle von D t n 18,15.18 in den dositheanischen Gemeinden verhinderte diese Identifikation 2 2 1 . Mit dieser mutmaßlichen Traditionsgeschichte sind einige Entscheidungen über die religionsgeschichtliche Einordnung des Komplexes gefallen. Der Taheb der aram. Periode hat nichts mit dem Propheten wie Mose D t n 18, 15.18 zu tun, klingt doch diese Stelle nirgends auch nur von ferne an. Schlagender ist schon die Ubereinstimmung der TahebTradition des Abisua mit dem jüd. Messias ben Joseph 2 2 2 . Beide üben die Herrschaft vom Heiligtum aus, beide unterwerfen Völker. Doch ist die aram. Taheb-Tradition von ihrem Ursprung her anderen Charakters. Viel eher hängt daher die Erwartung eines Königs wie Joseph mit dem Messias ben Joseph zusammen 2 2 3 . Über das Verhältnis des Taheb zu den zwei Messias-Gestalten von Qumran hat E. Bammel eine kenntnisreiche ,Short Note' vorge220

D a ß Abisua „ältere, von M a r q ä verdrängte Traditionen wieder a u f n i m m t " (Bammel, Zu I QS 9, 10 f. V T 7 [ 1 9 5 7 ] 3 8 1 — 3 8 5 : 3 8 3 ) , ist weder beweisbar nodi wahrscheinlich.

221

Vgl. u. S. 3 2 6 f.

222

Referiert wird eine diesbezügliche These von J . Klausner, Messianic

Idea

483 f. D a s rabb. Material über den Messias ben Joseph bei Billerbeck I I . 2 9 2 bis 2 9 9 . Auch Oepke A r t . άποκαθίςτημι. T h W I. 3 8 7 Z. 1 8 — 2 2

erwägt, ob

nicht der Messias ben Joseph und der Taheb auf eine gemeinsame nichtdavidische Messianologie zurückgehen. A . S. van

der Woude hält es für

„nicht ausgeschlossen, daß der Messias ben E p h r a i m (oder: ben Joseph) mit den Traditionen v o m „leidenden" Propheten (dem Lehrer der Gerechtigkeit) und v o m königlichen Ta'eb in Zusammenhang stünde" ( 8 7 ) . 225

Vgl. o. S. 2 7 3 .

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

305

legt 224 . Der samar. Taheb hat nach Bammel einen Hohenpriester neben sich, der jedoch lange Zeit nicht zu einer messianischen Gestalt ausgebildet -worden sei 225 . „Die samaritanisdie Vorstellung wird man darum strukturell als die gegenüber der qumranitischen unentwickeltere anzusehen haben 2 2 6 ." Doch ist Bammel entgegenzuhalten, daß die Zuordnung von Taheb und Hoherpriester ein spätes Stadium der samar. Überlieferung ist. So sind alle bisherigen Versuche, den Taheb mit jüdischen Traditionen zu verbinden, gescheitert. Und in der Tat: den Taheb gibt es nur in der samar. Tradition. Gerade wenn man den Taheb wie einen Messias versteht, wird man den eigentlichen Anknüpfungspunkt verfehlen. Der Taheb ist ja nichts anderes als der Inbegriff der ΠΌΠΠ, der Umkehrenden. Die Zusammengehörigkeit von Eschaton und Umkehr ist jedoch ein auch in der jüd. Literatur verbreiteter Topos: man vgl. nur l H e n 50, 2 2 2 7 .

224

Zu I Q S 9 , 1 0 f. V T 7 (1957) 381—385.

225 382—384. 226 384, 227

Hinzuweisen wäre audi noch auf die Selbstbezeidinung der Qumran-Gemeinde » B ® Ό® (ζ. Β. C D II, 5 u. ö.).

20 Kippenberg

XII. DER PROPHET WIE MOSE In dem vorangehenden Paragraphen über den Taheb haben wir beobachtet, daß die Erwartung des Taheb ganz unabhängig von Dtn 18, 15.18 entstanden ist. Erst spät und zögernd wurde der Taheb als der verheißene Prophet wie Mose verstanden. Auch einen Grund für diese Selbständigkeit beider Erwartungen haben wir bereits vermutet: die Erwartung eines Propheten wie Mose war speziell bei der Sekte der Dositheaner verbreitet. Es soll uns in diesem Paragraphen also nicht um das Auftreten von Propheten schlechthin gehen 1 . Ebenso interessieren wir uns nicht für die Erwartung eines eschatologischen Propheten ganz allgemein noch für die Hoffnung auf einen Mose redivivus 2 . Auch die Typologie Mose-Messias muß außer Betracht bleiben, weil sie nicht auf Dtn 18 Bezug nimmt 3 . Unsere Aufgabe in diesem Paragraphen soll primär darauf beschränkt sein, die an Dtn 18 anknüpfende Erwartung eines Propheten wie Mose zu verfolgen 4 . Da die Stelle im jüd. und christl. Bereich selten eschatologisch gedeutet wurde, liegt die Vermu1

Dazu vgl. Meyer, Art. ττροφήτηο. C. Prophetentum und Propheten im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit. ThW VI. 813—828.

2

Das Material bei Jeremias, Art. Mcoucf}c. ThW IV. 806 f. Zwischen einem „eschatological Prophet" und -dem „Mosaic eschatological Prophet" differenziert audi Η . Μ. Teeple, Prophet 1. Doch scheint mir Teeples Definition des mosaischen eschatologischen Propheten bereits im Ansatz zweierlei zu vermischen: „The Mosaic type is the eschatological Prophet who will be either Moses himself returned to earth (Moses redivivus) or the Prophet like Moses on the basis of an interpretation of Deuteronomy 18: 15 ff." (1). Teeple bemerkt selbst, daß die Erwartung einer Rückkehr des Mose strukturell ein anderer Gedanke ist als die Erwartung eines Propheten wie Mose (48). Wie Teeple dann aber auf den Gedanken kommt, die Samar. hätten beide Typen vermischt (48), ist mir ein Rätsel — zumal Teeple nicht die samar. Quellen studiert hat.

3

Jeremias, Art. Μωυοήο ThW IV. 864, 8 ff.; F . H a h n , Hoheitstitel 356 ff.

4

Vgl. das jüd. Material, das Jeremias, Art. Mcoucfjc. ThW IV. 863 f. bringt und selbst als spärlich bezeichnet. An keiner Stelle wird Dtn 18 zitiert.

Das Material der vor-aramäischen Zeit

307

tung nahe, daß wir hier eine spezifisch samar. Tradition vor uns haben5. A. Das Material der vor-aramäischen Zeit 1. Die außersamaritanischen

Zeugnisse

Die Erwartung eines Propheten wie Mose ist in Qumran belegt. 1QS IX 9 — l l e heißt es: Und von keinem Rat des Gesetzes sollen sie abweidien, . . . bis daß der (ein) Prophet und die Gesalbten Aarons und Israels kommen.

4Q test 1—8 stützt diese Erwartung auf eine Zitatenkomposition von Dtn 5, 28 f. und Dtn 18, 18 f.7. Diese Erwartung stammt wahrscheinlich aus der hasmonäischen Zeit. Denn sowohl 1QS als 4Q test sind dieser Epoche zuzuweisen8. Fraglich ist die Funktion dieser Erwartung in Qumran. Wieso ist sie nur zweimal bezeugt? Van der Woude u. a. haben die Ansicht vertreten, daß diese Stellen noch vor Auftreten des Lehrers der Gerechtigkeit abgefaßt worden seien. Durch sein Erscheinen sei diese Erwartung dann in Erfüllung gegangen9. Doch hat G. Jeremias recht, wenn er feststellt, daß kein Text eine Gleichsetzung des Propheten mit dem Lehrer der Gerechtigkeit andeutet10. Die Frage bleibt also bestehen, wie das so sporadische Auftreten der Erwartung zu deuten ist. Μ. E. schließt dieser Befund aus, daß der Prophet eine in der Eschatologie von Qumran fest verankerte Vorläufer-Gestalt darstellt 11 . Die Tradition scheint überhaupt nicht in Qumran entstanden zu sein. Das ist nicht nur wahrscheinlich, sondern stringent zu beweisen. Die zweite Stelle, die die Erwartung eines Propheten wie Mose ausspricht, war 4Q test 1—8. Diese Stelle ist eine Kombination zweier Daß sie samar. ist, haben Jeremias, A r t . Μ ω υ ο η ο ThW IV. 863, 3—7 und Anm. 126 und Teeple, Prophet 65 hervorgehoben. 6 Text und Ü.: Lohse, Texte 32 f. 7 Text und Ü.: Lohse, Texte 250 f. 8 Vgl. F. M. Cross, Die Antike Bibliothek vom Qumran und die Moderne Biblische Wissenschaft. Neukirchener Studienbücher 5. Neukirchen 1967, 1 1 8 sowie oben S. 70 f. » A. S. van der Woude 84—86. 10 Der Lehrer der Gerechtigkeit. Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 2. Göttingen 1963, 296—298. 1 1 So sieht es ζ. Β. K. Schubert, Die Gemeinde vom Toten Meer. München/ Basel 1958, 99 f . 5

21·

308

D e r P r o p h e t wie Mose

Zitate: Dtn 5, 28—29 (bzw. in der Zählung des SP [von Gall] Dtn 5, 25 b. 26) und Dtn 18, 18 f. Diese beiden Zitate sind nun keineswegs in Q u m r a n zuerst verbunden worden, sondern bereits im samar. Pentateuch in einem Anhang zum Exodus-Dekalog Ex 20, 21 b. Das Qumran-Testimonium stimmt auch darin mit SP Ex 20, 21b überein, daß das ,Zitat' Dtn 5, 25 b (SP) nicht korrekt mit beginnt, sondern mit " D T V 4Q test 1—8 stellt also ein Zitat aus Ex 20, 21b (SP) dar 12 . Die geringfügigen Abweichungen des SP vom Testimonium dürften in der Textgeschichte des SP bzw. des QumranTextes begründet sein 13 . So ist an dieser Stelle nicht nur der Einfluß des SP evident, sondern auch die Herkunft der Erwartung eines Propheten wie Mose aus dem samar. Raum wahrscheinlich 14 . Was ist die Tätigkeit dieses Propheten? Die Gemeinde soll in den bisher gültigen Gesetzen wandeln, bis ein bzw. der Prophet kommt. Der Prophet ist offenbar ein Gesetzgeber, dessen Tora eine Heilszeit einleitet 15 . Für dieses Verständnis haben wir im IMakk zwei Parallelen. Nach 4,46 deponierte man die Steine des entweihten Brandopferaltares an einem bestimmten Platz, „bis ein Prophet erstehen würde, der ihnen Bescheid gäbe, was damit geschehen solle". U n d 14, 41 stellt ein offizielles Dekret aus dem Jahre 140 v. Chr. fest, der Hasmonäer Simon solle „Oberhaupt und Hoherpriester auf ewige Zeit sein, bis ein glaub12

Diese Einsicht ist älter, hatte sich aber nicht durchgesetzt. Vgl. F. M . Cross, Die Antike Bibliothek von Q u m r a n und die Moderne Biblische Wissenschaft. Neukirchener Studienbücher 5. Neukirdien 1967, 142 A n m . 90 sowie J . A . Fitzmyer,

„4

Q

Testimonia"

and the N e w

Testament. T h S t 18

(1957)

5 1 3 — 5 3 7 : 533. Ignoriert ist diese Einsicht ζ. B. bei J . D e Waard, A C o m p a r a t i v e S t u d y of the O l d Testament T e x t in the D e a d Sea Scrolls and in the N e w Testament. Studies on the Texts of the Desert of J u d a h I V . Leiden 1965, 21—24. Wie Cross jetzt auch J . Massingberd Ford, Samaritan Influence 120. 13

D i e Übereinstimmung mit d e m S P beschränkt sich auf 4 Q test 1—8. D i e beiden folgenden Zitate N u m 2 4 , 1 5 — 1 7 ; D t n 33, 8—11 (4 Q test 9—20) weichen in ihrer T e x t f o r m sowohl von M T als von S P ab.

14

A. S. van der Woude rekurriert zwar überzeugend auf die samar. „Zukunftserwartung, die sich in erster Linie auf D e u t 1 8 , 1 5 stützt" (81), entfaltet dann aber im Schlepptau von Merx die T a h e b - E r w a r t u n g (81 f.), ohne die Beziehung zu E x 20, 21 b (SP) erkannt zu haben.

15

D a s zeigt a n H a n d der Formeln „bis k o m m t " , „bis aufsteht" G . J e r e m i a s a a O 284 f.

309

Das Material der vor-aramäischen Zeit

h a f t e r P r o p h e t e r s t ä n d e " . A n beiden Stellen ist d e r P r o p h e t ein endzeitlicher L e h r e r 1 6 . O b diese E r w a r t u n g d i r e k t aus D t n 1 8 , 1 5 . 1 8 geflossen ist, m u ß a b e r offenbleiben. Z u e r w ä g e n w ä r e schließlich, o b der u n t e r d e m P r o c u r a t o r Cuspius F a d u s ( 4 4 — c a . 4 6 n. C h r . )

auftretende

Theudas, d e r sich als P r o p h e t ausgab u n d den J o r d a n z u teilen v e r sprach (Josephus A n t . X X

§ 9 7 ) , die E r w a r t u n g eines P r o p h e t e n

M o s e auf sich b e z o g 1 7 . E i n w e n i g s p ä t e r u n t e r d e m P r o c u r a t o r

wie Felix

( 5 2 — 6 0 n. C h r . ) k a m aus Ä g y p t e n ein M a n n nach J e r u s a l e m , gab sich als P r o p h e t aus u n d versprach, die w u n d e r b a r e E r o b e r u n g Jerichos an J e r u s a l e m zu w i e d e r h o l e n ( J o s e p h u s A n t . X X

§ 1 6 9 f. u n d Bell. J u d II

§ 2 6 1 f.). Dieser M a n n scheint sich a b e r doch w o h l eher als n e u e r J o s u a v e r s t a n d e n zu h a b e n 1 8 . W ä h r e n d die R a b b i n e n D t n 18 nicht eschatologisch d e u t e t e n , sond e r n auf J e r e m i a bezogen, d e u t e t die A p g die Stelle auf den irdischen Jesus ( A p g 3, 2 2 ; 7, 3 7 ) 1 9 . A u ß e r an diesen Stellen w i r d D t n 18 lediglich an einer Stelle n o c h i m a u ß e r s a m a r . R a u m auf den B r i n g e r des Heils g e d e u t e t : in den P s e u d o c l e m e n t i n e n 2 0 . R e e 1 4 3 , 1

fragen die Priester,

18

Vgl. G . Jeremias aaO 286 f.; J . Jeremias, Art. Mcoucfjc. T h W I V . 8 6 2 , 1 9 f.

17

So Jeremias, Art. Mooucfjc aaO 863, 10—12. Vgl. aber audi Meyer, Art, •προφήτηο. T h W V I . 827, 8 ff.

18 19

Mit Meyer aaO 8 2 7 , 1 6 ff. gegen Jeremias aaO 8 6 3 , 1 0 — 1 2 . Zu den Rabbinen Billerbedt I I . 626 f. Zu den beiden Stellen der Apg hat H . Hammer, Traktat vom Samaritanermessias. Studien zur Frage der E x i stenz und Abstammung Jesu. Bonn 1913 Vermutungen angestellt. Nach Hammer wird in Apg 7 , 3 7 der Zusatz vom S P E x 20, 21 b zitiert (37 f.). Dagegen ist festzustellen, daß Apg 7, 37 ein Zitat aus D t n 18, 15 darstellt, diese Stelle aber nicht in den samar. Dekalog aufgenommen wurde, sondern nur D t n 18, 18—22. Vgl. auch M . S i m o n , St. Stephen and the Hellenists. London — N e w Y o r k — Toronto 1958, 61. Die Zitate der Apg stehen der samar. bzw. L X X Textform nahe, sind aber nicht der L X X oder dem SP entlehnt, da sie stilistisch und sachlich bearbeitet sind: im Vordersatz wie im Nachsatz die 2. Pers. pl. — anstelle ,dein Gott* steht einfach ,Gott' etc. C. H . Dodd, According to the Scriptures. London 1952, 53—57 vermutet als Herkunft eine Testimonien-Sammlung,

Zum samar. Hintergrund der

Stephanus-Erzählung findet sich ein ausführlicher Exkurs, der auf Material A. Spiros zurückgeht, in dem Band ,The Acts of the Apostles' von J . Munde, herausgegeben von W. F. Albright und C . S . M a n n . The Anchor Bible 31. New Y o r k 1967, 285—300. Die Aufstellungen Spiros müssen einzeln geprüft werden. 20

Zur Ubereinstimmung von Qumran und Pseudo-Clementinen: O . Cullmann, Qumrantexte; J . Daniilou, Theologie du Judeo-Christianisme 85.

310

D e r P r o p h e t wie Mose

ob Jesus „esset propheta quem Moyses praedixit" 21 . Horn γ 5 3 , 3 bezieht D t n 18 via Apg 3, 22 £. auf Jesus Christus 22 . Beachtenswert ist, daß die Pseudoclementinen selbst auf den samar. Hintergrund dieser Tradition weisen: Ree I 54, 5 2S : U n d sie (sc. die Samar.) erwarteten zu Recht jedoch einen wahren Propheten auf Grund der Verheißungen des Mose.

Dieser Prophet gilt als Prophet der Wahrheit, der die Allwissenheit besitzt (Horn β 6,1) und unter verschiedenen Gestalten durch die Menschheit ging (Ree II 22, 4) 24 . G. Bornkamm vermutet an dieser Stelle eine Verschmelzung des Prophetentitels „mit der Idee des göttlichen Offenbarers" 25 . Doch bleibt eine solche ganz hypothetisch, solange nicht die Tradition auf dem Terrain der samar. Religion verfolgt worden ist 26 . 2. Der Zusatz zum samar. Dekalog Ex 20, 21b (SP) Bei einigen vorangehenden Stellen hat man den Verdacht, daß sie letztlich eine samar. Tradition aufgreifen. Diese Vermutung ist dadurch zu stützen, daß Dtn 18, 18 schon im samar. Pentateuch eine einzigartige Rolle gespielt hat. An den Dekalog Ex 20 wird diese Verheißung angehängt. „Und das Volk stand in der Ferne, Mose aber näherte sich dem Wolkendunkel, in dem Gott war" (Ex 20, 21a). SP setzt nun hinzu Ex 20, 21b: U n d Jahwe sprach zu Mose: ,Ich habe auf die Worte dieses Volkes gehört, die sie zu dir gesprochen haben. Es ist alles gut, was sie gesagt haben. Möchte jemand geben 27 , d a ß sie soldi ein H e r z haben, mich zu 21 22 23

24

25 28

27

Text: B. Rehm, GCS 51. Berlin 1965, 33 Z. 12 f. Vgl. G. Strecker, Pseudoklementinen 122. S. o. S. 117. Die Samar. stellen von sich zu den Ebioniten eine Verbindung her. Nach Chronik I I ging die Sekte d e r "WISDN von Dositheus aus. Genaueres bei W. Staerk, Die Erlösererwartung in den östlichen Religionen. Untersuchungen zu den Ausdrucksformen der biblisdien Christologie (Soter II). Stuttgart/Berlin 1938, 99—112; Sdioeps, Theologie 87—116. Z K G 64 (1952/53) 199 in einer Rezension des Buches von Sdioeps. Richtig G. Widengren, Ascension 55: „It has not been observed, as f a r as we have been able to control literature, that this title is another connecting link (sc. of the Samaritan liturgies) with the Samaritan — Jewish Gnosis." Gesenius 529. Die Wendung 1ΓΡ *Ό leitet eine wünschende Frage ein. Während an den anderen at. Stellen nicht auf den Geber reflektiert wird, könnte das hier anders sein: der Prophet gibt es!

Das Material der vor-aramäisdien Zeit

311

fürchten und zu halten meine Gebote das Leben lang, d a m i t es ihnen und ihren Kindern ewig gut geht (Dtn 5, 25 b. 26)! Einen Propheten wie dich will ich ihnen aus ihren Brüdern erwecken und meine Worte in seinen Mund geben. U n d er wird ihnen alles sagen, was ich ihm befehlen werde. U n d wer auf seine Worte nicht hören wird, die er in meinem N a m e n sprechen wird, von dem will ich Rechenschaft fordern. Jedoch der Prophet, der sich vermessen wird, in meinem N a m e n zu sprechen, was ich ihm nicht zu sprechen befohlen habe, und der im N a m e n fremder Götter sprechen wird, jener Prophet soll sterben. U n d wenn d u in deinem Herzen sprichst: Wie erkennt man das Wort, das Jahwe nicht gesprochen hat? (so wisse): Welches (Wort) der Prophet im Namen Jahwes sprechen w i r d : nicht wird das Wort geschehen, und nicht wird jenes Wort eintreffen, wenn (eig. was) Jahwe es nicht gesprochen hat. In Vermessenheit sprach es der Prophet. D u brauchst dich nicht d a v o r zu fürchten (Dtn 18,18—22). Auf! sage ihnen: Kehret um in eure Zelte. Du aber, stehe bei mir 28 , d a ß ich dir alle Gebote, Satzungen und Rechte sage, die du sie lehren sollst, d a ß sie darnach tun in dem Lande, das ich ihnen zum Besitz geben werde' (Dtn 5, 27.28). D i e s e r Zusatz des Samaritanus z u m E x o d u s - D e k a l o g spiegelt e i n altes S t a d i u m samar. T h e o l o g i e w i d e r 2 9 . Z u m T e x t sei b e m e r k t , daß das erste Z i t a t ( D t n 5, 25 b) nicht ganz g e n a u w i e d e r g e g e b e n ist: statt laid

steht " Π Ή

30

. D i e s e Variante f ü h r t z u der V e r m u t u n g , daß die

Priester, die die samar. R e z e n s i o n kodifizierten, nicht v o n sich aus D t n 5, 25 b. 26 h i n t e r Ex 20, 21 s e t z t e n . D a f ü r spricht auch, daß n u r der E x o d u s - D e k a l o g nicht aber der i m D t n diesen A n h a n g erhalten hat. D e r G r u n d f ü r die E i n f ü g u n g v o n D t n 5, 25 b — 2 8 ist e i n d e u t i g : die w e s e n t l i c h e n Bestandteile des D e u t e r o n o m i u m - D e k a l o g s w u r d e n

dem

E x o d u s - D e k a l o g einverleibt, w e i l offensichtlich n u r dieser n o r m a t i v e B e d e u t u n g hatte 3 1 . D e s h a l b auch w u r d e i n E x 20, 19 a (SP) D t n 5, 21 bis 24 e i n g e f ü g t u n d der E x o d u s - D e k a l o g a u ß e r d e m n o c h u m das Z e h n t e G e b o t des Altarbaus auf d e m G a r i z i m e r w e i t e r t (Ex 20, 17b = freie

28

ST liest hier

29

M. Gaster, Samaritans hat ihn in einem A n h a n g : The Samaritan Tenth Commandment 185—190 behandelt.

30

Eben diese Variante auch 4 Q test 1. Die andere Variante Π273 ist eine notwendige Ergänzung. Interessanterweise wird bei der heutigen Verlesung des Dekalogs im samar. Gottesdienst dieser Anhang nicht verlesen und auch nicht im Exodus-Qätäf erwähnt (S. Brown, Defter 81 f.).

31

0»j? .

312

Der Prophet wie Mose

Wiedergabe von D t n 11, 29 f. und 27, 2—7) 3 2 . So scheinen wir im samar. Exodus-Dekalog einen alten Katechismus vor uns zu haben. Es fällt auf, daß D t n 1 8 , 1 8 — 2 2 von Dtn 5 umgeben wird. So muß man den Verdacht haben, daß die Verheißung eines Propheten wie Mose erst in einem zweiten Gang nach Anhängung von Dtn 5 eingelegt wurde. Warum aber wurden diese Verse eingefügt, welche Erwartungen waren mit ihnen verknüpft? Einmal scheint man von dem Propheten eine Erfüllung des Wunsches zu erwarten, den Dtn 5, 26 ausspricht: ein Herz der Gottesfurcht und des Gehorsams, auf Grund dessen es den Israeliten ewig gut geht. Der Prophet wirkt dies durch Gottes Worte. Wer auf seine Worte hört, dem geht es in Ewigkeit gut — wer auf seine Worte nicht hört, von dem wird Rechenschaft gefordert. Es ist kaum ein Zufall, wenn 4 Q test die Stelle nur bis zu diesem Punkt zitiert. Denn die Fortsetzung des Zitates Dtn 18, 20—22 hat einen anderen Skopos. Sie geht davon aus, daß falsche Propheten auftreten, und erörtert, woran man sie erkennt: das Wort trifft nicht ein. Daß diese Sätze im samar. Dekalog einen polemischen Sinn haben, ist wahrscheinlich: sie werden den judäischen und israelitischen Propheten gelten. Aber wieso trafen ihre Worte nicht ein? Die unmittelbar an D t n 18, 22 anschließenden Sätze D t n 5, 27 f. machen klar, daß in den Augen der Samar. Jahwes Worte „Gebote, Satzungen und Rechte" sind. Da der Prophet ein Prophet wie Mose sein muß, sind die Worte des Mose Kriterium für seine Worte. Und daran gemessen, vermögen die Samar. die Schriftpropheten nicht zu akzeptieren. An dieser Stelle scheinen mir die Ablehnung der Schriftpropheten und die Erwartung eines Propheten wie Mose zusammenzuhängen: weil die Schriftpropheten die Worte des Mose nicht sprachen, ist eine endgültige Verkündigung von Gottes Worten von Nöten. Oder umgekehrt: weil die Zeit des Gehorsams noch nicht da ist, gilt alle Hoffnung dem Propheten wie Mose. So gibt diese Zitatenkomposition in sich zu erkennen, daß die Samar. ein distributives Verständnis von D t n 18 nicht teilen 33 , sondern auf einen endzeitlichen Propheten warteten. Daß dieser Prophet jedoch übermenschliche Qualität besitzt oder die Welt verwandelt, ist nicht angedeutet. Der Prophet hat nur ein Zeichen: er spricht Jahwes Gebote, Satzungen und Rechte. Dieser Skopos der Einfügung von D t n 18 läßt vermuten, daß diese Verse erst zu einer Zeit aufgenommen wurden,

32

Diese Erweiterung audi Dtn 5 , 1 8 b.

83

Vgl. Jeremias, Art. Mcoucfjc. ThW IV. 862 Z. 8—16.

313

Analyse des aramäischen Materials

als der Prophetenkanon sich durchzusetzen begann (nach 200 v. Chr.) 3 4 . So ist die Hoffnung auf einen Propheten, der das Werk Mose zu Ende führt, das Gegenstück zum jüdischen Prophetenkanon 35 . Wir können die Erwartung des Propheten wie Mose lückenlos im samar. Bereich verfolgen. Notieren wir nur kurz die Stationen: J o h 4 , 1 9 , wo Jesus auf Grund seiner Allwissenheit von der Samaritanerin Prophet genannt wird, und dann die vielen Nachrichten über Dositheus, die vom 2. Jh. n. Chr. an reichlich fließen und zu erkennen geben, daß die Dositheaner die Erwartung eines Propheten wie Mose in Dositheus erfüllt sahen. Fassen wir zusammen. Dem eigenartigen Fehlen einer Deutung von Dtn 18, 15.18 auf eine eschatologische Gestalt im rabbinischen Schrifttum entspricht im samar. Bereich eine ebenso konstante Deutung dieser Bibelstelle auf einen endzeitlichen Offenbarer. An diese Erwartung knüpfen in recht früher Zeit Qumran (2./1. Jh. v. Chr.), in nachchristlicher Zeit die Pseudoclementinen an. Während bis ins 1. J h . n . C h r . diese Erwartung an mehreren Stellen des palästinischen Judentums bezeugt ist, wandert von da an die Erwartung immer mehr in Sekten ab. Das zeigt sich an den Dositheanern.

B. Analyse des aramäischen Materials „There can be little doubt that Baba had become Dosithean, in fact the fourth century C.E. was the high water-mark of Dositheism" schreibt J . Bowman 3 6 . Leichter Zweifel rührt sich indes sehr schnell, wenn man erkennt, daß weder Marqä noch der Defter (Durrän, Amram, Marqä) jemals Dtn 18, 15.18 zitieren. Ganz im Gegensatz zu Bowmans These polemisieren sie sogar heftig gegen die Erwartung eines mit Mose ranggleichen Propheten. 34

Vgl. O . Eissfeldt,

Einleitung

in das Alte

Testament.

Neue

Theologische

Grundrisse. 3. A . Tübingen 1964, 7 6 5 f. 35

D a ß die Samar. den Prophetenkanon nicht akzeptierten, weil sie sich schon vorher v o m Judentum getrennt hätten, ist unglaubhaft. H i e r lag vielmehr eine theologisdie Entscheidung v o r (so richtig Sundberg, O l d Testament 111).

30

Pilgrimage 2 1 .

314

Der Prophet wie Mose 1. Polemik

gegen die

Dositheaner

Durrän 1 C. 38, 25—39, l 3 7 : Und der H e r r setzte ihn (sc. Mose) ein in eine Position, in der kein König zu sitzen vermag 38 . Und Gott setzte ihn über das Untere 3 9 und vertraute ihm die Welt des Verborgenen an. Wer sagt, daß der Prophet wie Mose ist 40 , soll schauen, was seine (sc. Moses) Größe ist 41 . Es ist kein Gott außer unserem Herrn. Keine Schrift wie die Tora. Kein wahrer Prophet wie Mose. Kein vollkommener Glaube 42 und keine Wahrheit außer seiner. D i e ganze Passage polemisiert heftig gegen Leute, die einen Propheten w i e M o s e kennen. Diese Lehre ist nicht n u r in der G e m e i n d e vertreten w o r d e n („Wer s a g t . . . " ) , sondern hat ihre besondere Konsequenz entfaltet. Aus der Gleichrangigkeit des P r o p h e t e n m i t Mose folgt die Ebenbürtigkeit seiner Schrift m i t der Tora. Eben daher m u ß m a n an i h n glauben. D e r D u r r ä n polemisiert nicht gegen eine allgemeine Prophetenerwartung, s o n d e r n gegen eine eingetretene Erfüllung. Diese Polemik des D u r r ä n paßt auf die D o s i t h e a n e r : sie hielten D o s i t h e u s für den P r o p h e t e n w i e Mose, sie besaßen Bücher v o n ihm 4 3 , der Glaube an ihn war ihr Credo 4 4 . Diese Interpretation des ,wie Mose' w i r d v o m D u r r ä n als Angriff auf die Einzigkeit Mose betrachtet u n d durch die D a r l e g u n g der G r ö ß e des M o s e widerlegt. Ebenso d e n k t Marqä. MM III 73,10—12 4 5 : Und wenn jemand dir verkündet 49 , Lästerliches zu verbreiten, halte didi selbst fern, die Worte zu hören. Er ist der Mann, vor dem ich (sc. Gott) dich warnte, denn er vereinigt sieben Übel: Er wird sich 37

38 39 40 41 42

43 44

45 46

Text und Ü. ins Hebr.: Ben-Hayyim, Hebrew and Aramaic III, II. 42, 11 bis 43, 1; dt. U.: Kippenberg, Gebetbuch S. 77 f. Soweit vgl. o. S. 269. Cowley LX. Bzw.: „daß es einen Propheten wie Mose gibt". Personalpronomen als Kopula. Nach Cowley L und dem M e lis 611, 116 ist diese Form mit .Tora' wiederzugeben. Doch liegt hier die Bedeutung .Glaube' näher. Vgl. die Polemik MM IV 112, 27 f. sowie o. S. 135. O . S . 134. Vgl. Macdonald, Theology 49 ff., der aber den Einfluß der Dositheaner auf die Ausbildung eines samar. Credo nicht erwägt. Ü. 117. Suffix mit N u n angeschlossen — vgl. Hildesheimer, Buch der Wunder 35 Anm. 50.

315

Analyse des aramäischen Materials Gerechten

gleich machen, die dahingegangen sind, denen ich47

im

nächtlichen Traum offenbarte, was 48 sie verkündigen sollen 49 . Und ei wird sagen, er sei Mose gleich in der Tat eines Zeichens oder Wunders.

Mehr als diese beiden Übel werden nicht aufgezählt — man mag fragen, ob die Zahl sieben nur rhetorisch ist oder ob Marqä eine Quelle kürzte. Das erste ist wahrscheinlicher, da die Ausführung Glied einer auch sonst recht knappen Reihe ist, die je mit dem Satz „und ein Mann, der" beginnt und auf die Gefährdung der Gemeinde durch bestimmte Personen hinweist. Die Gefährdung an unserer Stelle besteht in einer Verkündigung. Wir befinden uns also im Raum der Schule bzw. Synagoge. Die Gemeinde soll diese Worte gar nicht erst anhören. Zentrale Lehre des Gegners: die Gleichheit mit den Gerechten und mit Mose. Er macht sich den Erzvätern gleich, weil auch seine Verkündigung auf nächtliche Traum-Offenbarung zurückgeht 50 . Die Gleichrangigkeit mit Mose macht wahrscheinlich, daß hier von Dositheus gesprochen wird 5 1 . Die Tat des Wunders, die ihn auf eine Stufe mit Mose hebt, könnte sein Fasten gewesen sein 52 . Daß Marqä mit einer Irrlehre zu kämpfen hat, die ein Prophet ausstreute, zeigen noch andere Stellen. „Und wenn unter dir ein Prophet auftritt 5 3 , wird er dein Herz stehlen. Höre nicht auf ihn, Gott übt fürwahr an ihm Gericht·' (IV 89, 25 f.) 5 4 . Von dieser steten Frontstellung gegen die Dositheaner erklären sich auch die zahllosen freien Zitate von D t n 34, 10, die alle Moses Einzigkeit zum Thema haben. „Nicht stand auf und nicht wird in Ewigkeit einer wie er aufstehen." Nach ihm wurde keiner mehr mit Prophetie bekleidet (V 127, I I ) 5 5 . 47

Sprecher also Gott.



JÖ = was (wie im syr.).

49

Anders Macdonald, der die Form von 1 p 1 ableitet.

50

Vgl. etwa Gen 2 8 , 1 2 ; 37, 5; vgl. auch Dtn 13, 1 ff.

51

Macdonald Ü. 117 Anm. 107 denkt ganz allgemein an bestimmte Personen der römischen Periode wie Simon Magus.

52

S. o. S. 132 f. E x 34, 28; IV 111, 11 f. (antidositheanische Polemik).

5S

Dtn 13, 2 S T (Ausgabe Petermann-Vollere zählt V. 1).

54

Vgl. auch IV 104, 26; VI 144, 8.

55

Gewisse at. Stellen fordern allerdings eine Erweiterung des Kreises der Propheten: E x 7 , 1 (Aaron): 1 1 6 , 2 6 ; E x 15, 20 (Mirjam): 111 6 6 , 2 0 ;

Numll,

2 5 — 2 9 (die siebzig Ältesten): IV 84, 2 6 — 2 8 . Auf die letzte Stelle ist wohl auch angespielt, wenn Mose als „Herr der Propheten" gilt (IV 91, 19 f.; vgl. IV 112, 24; V 123, 9; samjos V, 1). Vgl. Montgomery, Samaritans 229.

316

D e r P r o p h e t wie Mose

Der Durrän und der Memar Marqä lehren ein Doppeltes. Sie zeigen uns, daß die Dositheaner in den samar. Gemeinden Anhänger haben. Sie sahen die Verheißung Dtn 18, 15.18 in Dositheus erfüllt. Er ist wahrer Prophet, der wie Mose die Offenbarung empfing und schriftlich niederlegte. Ihm, der mit Mose auf einer Stufe steht, gebührt Glaube. Diesem Anspruch widersetzen sich jedoch beide Texte. Sie sehen in dem ,wie Mose' eine gefährliche Auflösung der Einzigartigkeit von Mose und Tora. 2. Die antidositheanische

Mose-Tradition

Wir finden über den MM verstreut einige Stücke, die dieselbe poetische Form haben und daher wohl traditionelles Gut darstellen. Sie bestehen aus Reihen, deren erster Teil stereotyp lautet: „Wo ist einer wie Mose und wer gleicht Mose" und deren zweiter Teil Moses Unvergleichlichkeit beschreibt58. Was nach III 73, 10—13 der häretische Verkündiger von sich behauptet (nämlich daß er Mose gleicht), ist als rhetorische Frage in diese Reihen eingegangen. Die Reihen weisen daher selbst auf ihren Ursprung hin: Widerlegung der Dositheaner durch Nachweis der Größe des Mose. Zu dieser Gruppe gehört außerdem noch Material, dessen Form nicht ganz so streng ist, das aber in gleicher Weise gegen die Dositheaner angeht57. Auf eine Übersetzung aller Stücke muß hier verzichtet werden, sie ist in Macdonalds Vol. II leicht zugänglich. Wir richten unser Augenmerk lediglich darauf, wie hier die Überlegenheit des Mose entfaltet wird. Denn offensichtlich hat die dositheanische Lehre die Lehre von Mose stimuliert. Verfolgen wir daher die Topoi, die bei der Widerlegung der Dositheaner eine besondere Rolle spielen. M M I V 84, 3 0 — 3 2 s 8 : W o ist einer wie Mose und wer gleicht Mose, der mehr durch die unsichtbare W e l t als durch die sichtbare geehrt wurde, der Sohn des Hauses und Treue Gottes. G o t t zeigte sich ihm, und G o t t sprach mit ihm.

Sowohl die Titel (Sohn des Hauses; Treuer Gottes) als auch die Auszeichnung, die Gott Mose zukommen ließ, gehen auf Num 12, 6—8 56

1 1 5 1 , 7 — 1 2 ; I V 8 4 , 1 2 — 1 6 . 3 0 — 3 2 ; I V 8 5 , 1 0 — 1 3 . Ferner die vereinzelten Stellen II 45, 13 f.; I I I 5 7 , 1 7 f.; I V 88, 1 7 — 2 3 ; I V 95, 2 f . ; I V 112, 10 f . ; V I 135, 25.

57

I I I 74, 6 f . ; I V 111, 9 — 1 2 ; V I 137, 8 f.

58

Ü . 1 3 6 ; Rettig 4 4 . 6 3 .

Analyse des aramäischen Materials

317

zurück 5 9 . H i e r w i r d die R o l l e der P r o p h e t e n v o n der des M o s e u n t e r schieden: w ä h r e n d J a h w e sich e i n e m P r o p h e t e n i n V i s i o n u n d T r a u m o f f e n b a r t , spricht er m i t s e i n e m Knechte M o s e , der m i t s e i n e m g a n z e n H a u s b e t r a u t ist, v o n M u n d z u M u n d u n d läßt i h n seine

Gestalt

schauen. W ä h r e n d das S T lediglich v o m

ganzen

„ T r e u e n über d e m

H a u s " spricht, f i n d e n w i r i m M M z u w e i l e n z w e i Titel: n e b e n ,Treuer G o t t e s b z w . des H a u s e s ' auch , S o h n des Hauses'. D e r z w e i t e Titel ist aus N u m 12, 6 — 8 nicht ableitbar, s o n d e r n hat eine eigene Geschichte 6 0 . •Λ An anderen Stellen (ζ. Β. IV 85, 10) wird noch der Begriff des Sklaven (Num 12,7) hinzugenommen. An zwei Stellen begegnet in diesen Reihen der — von N u m 12,6—8 unabhängige — Titel des ( H t W p b z w . p H X ) Π,17ΙΡ (III 74, 6 f.; VI 137, 8), der fest in der Mose-Überlieferung verankert ist ( z . B . I 8 , 1 4 ; II 45, 21). O b hier der H i n t e r g r u n d von H e b r . 3, 1 zu suchen ist? D a f ü r würde ja auch sprechen, d a ß in der ganzen altchristlichen Literatur nur bei dem aus Neapolis gebürtigen Justin Jesus als ÖTTOCTOAOC bezeichnet wird (1. Apologie 12,9). Vgl. Rengstorf, Art. ά π ό σ τ ο λ ο ο T h W 1.424 Z. 21 bis 25; 444—446 (der den samar. Hintergrund nidit untersucht). Meeks, Prophet-King 226 f. hat die samaritanisdie Titulatur des Mose als Apostel und Prophet erarbeitet und ihre Bedeutung f ü r das Joh-Evangelium aufgewiesen (316.318 f.). 60

Aus diesen beiden Titeln hat Trotter, Hebrews gewichtige Schlüsse gezogen. „In the basic text of N u m . X I I . 7 Moses is not referred to as ,son"' (9). D a der Ausdruck außerdem M M I 14, 6 f. im Zusammenhang mit den Israeliten in Ägypten erscheint, N u m 12, 7 aber in einem anderen Kontext steht, nimmt Trotter einen anderen Ursprung des samar. Titels an. H e b r 3, 6 tituliert Christus als Sohn über seinem Hause, im Kontext wird zudem der Auszug aus Ägypten erwähnt (V. 16). „Which might suggest that the writer of the Memar either knew of the Epistle, or was aware of the contents of the third chapter" (10). Diese Erwägung macht Schwierigkeiten. H e b r . 3, 5 f. differenziert — wie Trotter S. 11 selbst zeigt — zwischen dem treuen Diener im Hause, Mose, und dem Sohn über dem Hause, Jesus. Eben darum ist Jesus größerer Herrlichkeit als Mose würdig befunden worden (Hebr 3, 3). Gerade diesen qualitativen Unterschied zwischen Sohn und Diener (bzw. Sklaven) kennen die samar. Quellen nicht. Im Gegenteil: an den meisten Stellen im MM kommt ,Treuer' und .Sklave' (Hebr 3, 5 f. abwertend gebraucht) ohne ,Sohn* vor: 11174,7; I V 95, 2 f.; V 122, 26; VI 137, 8; VI 142,2. An allen diesen Stellen haben die Prädikate .Sklave' und .Treuer' höchste Bedeutung. Die samar. Tradition knüpft nicht an H e b r . 3, 5 an, da f ü r sie Sklave und Sohn in gleicher Weise engste Zugehörigkeit zu Gott bezeichnen (vgl. IV 85, 10 sowie Billerbedt I I I . 683; Montgomery, Samaritans 225 Anm. 79). Auffällig bleibt jedoch, daß in der samar. Tradition verbunden ist, was audi H e b r unmittelbar nebeneinandersteht. Man wird mit der Möglichkeit rech-

318

Der Prophet wie Mose

Soviel ist deutlich: der Begriff des H a u s e s bezeichnet den himmlischen T e m p e l , in d e m M o s e die einzigartige Stellung des Sohnes b z w . T r e u e n h a t (vgl. I V 9 5 , 2 f.) 8 1 . Die T i t e l ,Sohn des Hauses', , T r e u e r G o t t e s b z w . des H a u s e s ' bezeichnen M o s e als den w a h r e n O f f e n b a r e r 6 2 . D i e parallelen R e i h e n I V 8 4 , 1 2 — 1 6 u n d 85, 1 0 — 1 3 a r g u m e n t i e r e n auf d e r gleichen L i n i e : d e r H e r r b e t r a u t e M o s e m i t seinem Besitz ( 8 4 , 1 5 ) 6 3 , die an M o s e e r g a n g e n e O f f e n b a r u n g ist k e i n e m Menschen sonst w i d e r f a h r e n ( 8 4 , 1 3 ; 8 5 , 1 1 — 1 3 ) . So spielt N u m 12, 6 — 8 in antidositheanischer P o lemik eine gewichtige R o l l e . W a s kein P r o p h e t erlebte, M o s e w i d e r f u h r es: G o t t zeigte sich i h m , G o t t sprach m i t i h m . W a s kein P r o p h e t ist, M o s e ist es: K n e c h t J a h w e s , S o h n des H a u s e s G o t t e s , T r e u e r G o t tes. U n d d a r u m ist es n u r M o s e u n d kein a n d e r e r P r o p h e t , an den die G e m e i n d e des M a r q ä glaubt. N u m 12, 6 — 8 ist offenbar so etwas wie ein locus classicus der A n t i d o s i t h e a n e r . nen müssen, daß der Verfasser des Hebr die an Num 12, 7 anknüpfende samar. Terminologie von Treuer Gottes und von Sohn kannte (vgl. I 14, 6 ; I V 8 5 , 1 0 ) . Als Titel begegnet

NIVS 1 3

in aram. Staatspapieren persischer

Beamter des 5. J h . v. Chr. aus Ägypten (Text und Übersetzung: G. R . Driver, Aramaic Documents of the Fifth Century B . C . O x f o r d 1957, 22 [ 1 1 , 1 * ] ; 25 [V, 1 * ] ; 33 [ X , 1 ] ) . Dieser Ausdruck „is a literal translation of a Pers. expression designating a member of the royal family" (Driver 40 f.). Er übersetzt deshalb „prince". Vgl. P . Kahle, T h R 17 (1948/49) 207; Μ. Black, T h L Z 82 (1957) 659. Der Begriff begegnet ferner bei den Mandäern. Im Johannesbuch XiVNS 1 3 " . KIP < 3

(Lidzbarski 2 4 5 , 1 4 f.) wird zu Adam

gesagt:

„Sei

Nadi Lidzbarski, Johannesbudi II. 7 Anm. 5 könnte

als Weltgebäude

deuten (vgl. Midiel,

Z. 10 ff.). Der titulare Gebrauch von

NIP3 1 3

Art.

kein man

OIKOC. T h W V . 125

in den aram. Staatspapie-

ren steht in erstaunlicher Nähe zur samar. Tradition: wie 'Arsam zur regierenden Familie der Achämeniden gehört, so ist Mose Angehöriger der EngelDynastie des himmlischen Heiligtums. H . Ott, Muttersprache Jesu 8 Anm. 2 sieht in dem Titel der aram. Dokumente eine Parallele zu Hebr 3, 2 ff. Diese Annahme ist durch die samar. Tradition zu erhärten und zu modifizieren: der aram. Titel scheint in die samar. Mose-Lehre eingegangen und so auf Hebr gekommen zu sein. 81

Vgl. S T Num

1 2 , 7 Hs. A : statt

ΎΡ3

steht

"JSWO. Hier

also wird

,Haus' auf die mosaische Wohnung gedeutet. Außer dieser Deutung gibt es eine weitere, die es auf den unsichtbaren und den sichtbaren Kosmos deutet: „anvertraut mit dem Verborgenen und dem Offenbaren" ( I I I 74, 7). 02

Vgl. Macdonald, Theology 155 ff.

63

Eine Deutung des Titele p T I t t .

Analyse des aramäischen Materials

319

'Mose, der allen Propheten überlegene Offenbarer' könnte man diese Tradition überschreiben. Nun zeigte aber schon der Terminus Sohn bzw. Treuer des Hauses Gottes einen metaphysischen Sinn: die Erhebung Mose unter die Lebenden, ja seinen Vorrang in der Hierarchie aller himmlischen Wesen. V o r allem die Schilderungen der Offenbarung und Errichtung des Miskän 6 4 malen diese Züge aus. Zwei der dort übersetzten Texte (V 126, 7 — 1 0 ; 1 1 — 1 4 ) betonen Mose's Größe und schließen pointiert: keiner wie Mose. W i r erinnern uns: auch der D u r r ä n fordert die, die den Propheten f ü r gleichrangig mit Mose halten, auf, auf Mose's Größe zu schauen. MM IV 111, 8—12 65 : Wie Mose steht und wird in Ewigkeit nicht aufstehen ein Prophet. Er wurde über die ganze Gattung des Menschen erhoben 98 und gelangte (soweit), daß er mit den Engeln zusammen kam, wie zu ihm gesagt wurde: ,Und ich will mit dir zusammen kommen 67 .' Wo ist einer wie Mose, der in das Feuer trat 88 ? Wo ist einer wie Mose, der die Wolken 89 zerrissen hat 70 ? Wo ist einer wie Mose, der sich der dunklen Wolke nahte 71 ? Wo ist einer wie Mose, zu dem der Herr sprach: ,Und du stehe hier bei mir 72 ?' 84 85 88 87

88 89 70

71 72

S. o. S. 235 ff. Ü. 186. Vgl. audi II 51,11 f. Nadi Macdonald wird Dtn 32, 50 (ST) zitiert. Dodi lautet die Version des ST ganz anders. In Wirklichkeit ist Ex 25, 22 (ST) zitiert. Auf dem Sinai vgl. Marqä C. 54, 2. Vgl. Münk, Tod Moses' 34 f. Anm. 104. Ableitung unklar. Auf dem Berg Sinai Ex 19,16 ff.? Dieses Motiv des Durchbruchs in den himmlischen Bereich audi IV 88, 20 ff. Ex 20, 21 (ST). Ex 20, 2 1 b ( = Dtn 5, 31) (wo ST Q»j? liest). Die Fortsetzung des Textes von Dtn 5, 31 sowie die Parallelen C. 53,12 f.; 54,31 (Marqä) machen deutlich, daß der bei Jahwe ,Stehende' die Offenbarung des Gesetzes empfängt. Da nach Horn β 24, 5—7 Dositheus den Titel ectcoc = QSj? trug, kann man ihn von Ex 20, 21 b her verstehen: Dositheus steht als Prophet wie Mose bei Gott. Vgl. auch Philo, De Confusione Linguarum § 31 (Philonis Opera ed. Cohn-Wendland Vol. II. Berlin 1897, 235, 22—25), wo Philo aus Dtn 5, 31 herausexegesiert, -daß -dem -dort Angeredeten die Würde des icTooc zukommt. Da nach den Pseudoclementinen auch Simon diesen Titel trug, könnte man den dositheanischen Titel allerdings auch anders deuten: Dositheus partizipiert am wahren Leben (vgl. u. S. 347—349).

320

D e r Prophet wie Mose W o ist ein Prophet w i e Mose 73 ? Gott sprach mit ihm von Mund zu Mund 7 4 ! W o ist ein Prophet wie Mose? Er fastete ,vierzig Tage und vierzig Nächte. Er aß nicht und trank nicht' 75 . U n d er stieg hinab, die zwei Steintafeln tragend, die v o n Gottes Finger geschrieben waren 7 6 .

Diese Reihe, deren einzelne Glieder auch in anderer Komposition begegnen 77 , zählt die einzelnen Züge beim Empfang der Offenbarung auf. In Anlehnung an at. Stellen wird dargelegt, wie Mose über die Gattung des Menschen erhoben wurde 78 . Die Offenbarung hat Mose auf eine Ebene oberhalb der Menschheit gestellt. Dieser Topos könnte eine bewußte Uberbietung der dositheanischen Tradition sein. So scheint die dositheanische Lehre die Gegner zu einer metaphysischen Deutung des Mose geführt zu haben. Allerdings wird nirgends die Postexistenz des Mose ausgemalt 79 . Wie die Auferstehung ein souveräner Akt Gottes ist (IV 109, 5 f.), so auch die Wiederkehr Mose's am Rachetag (II 40, 28—32). Mose's Überlegenheit über alle anderen Menschen bleibt für Marqä und seine Gemeinde an das Sinai-Ereignis gebunden. Und obwohl er auf dem Sinai zum Stand der Engel emporstieg (V 126, 11 bis 15)80, teilte er das Ende aller Menschen: den Tod (V 126, 26—127,2). So bleibt die Antwort Marqäs und seiner Gemeinde auf die Dositheaner: Es gibt nicht und wird nie einen Propheten wie Mose geben. Dtn 18, 15.18 wird nicht etwa stillschweigend übergangen, sondern mit Argumenten widerlegt: Kein Prophet ist wie Mose81. Eine Frage bleibt noch zu erörtern. Warum wird die Erwartung Dtn 18 ganz fallen gelassen: Warum wird nicht trotz der Dositheaner weiter auf das Kommen eines Propheten wie Mose gehofft? Daß man die Erwartung so gründlich preisgab, lag an ihrer inneren Unklarheit. In 73

D t n 18, 15.18 aufgenommen und widerlegt.

74

N u m 12, 8 (ST). Vgl. auch Ex 3 3 , 1 1 . Parallele: I V 8 5 , 1 1 f.

75

Ex 34, 28 (SP).

76

Freie Wiedergabe von Ex 34, 29.

77

V 122, 26—123, 4.

78

Ebenso I V 112, 10 f.; V I 135, 25.

79

Material über eine Präexistenz des Mose bei Montgomery, Samaritans 228 f. Aber eine assumptio Moyses gibt es auch nach Montgomerys Meinung nicht.

80

Vgl. auch das Wortspiel ΠΒ» - Π 0 Ρ I V 8 5 , 1 3 .

81

Meeks, Prophet-King 223 hat gespürt, daß die Konzeption v o n Mose als dem letzten Propheten D t n 18, 15.18 widerspricht. Er rätselt an diesem Befund herum und ist nur einen Schritt von unserer Lösung entfernt. D i e Rolle der Dositheaner entzog sich seiner Kenntnis.

Analyse des aramäischen Materials

321

dem Augenblick, in dem sich jemand als dieser Prophet ausgab, war jede N o r m für Glaube und Schrift zerbrochen. Neben Mose und Tora trat ein Zeitgenosse mit seiner Schrift. Die ganze Erwartung war desavouiert. Die einzige Konsequenz war ein Zurück zur Einzigkeit Mose und der Tora. Wollte man die Eschatologie nicht ganz preisgeben, dann hoffte man auf eine Wiederkehr Mose's. Auffälliger ist schon, daß Marqä der Deutung von Dtn 18 auf Josua nicht folgt. Marqä hält eine grundsätzliche Differenz zwischen Mose und Josua fest. Von Josua läßt sich eben solche Offenbarung, wie Mose sie erfuhr, nicht behaupten. 3. Die antidositheanische

Josua-Tradition

E x 20, 21b ( S T ) : Hss Ed. Α ρ . : Einen Propheten wie dich werde ich ihnen aus ihren Brüdern erwecken ( D ^ N ) . Hss. A . B . : Einen Propheten wie dich habe ich ihnen aus ihren Brüdern erweckt ( i W p K , bzw. nöj?N) 8 2 . D i e zweite V e r s i o n begegnet nicht D t n 18, 15.18 (ST). D a f ü r

fin-

d e n w i r sie D t n 3 4 , 9 f. w i e d e r . D t n 34, 9 f. ( S P ) : Und Josua, der Sohn Nuns, war voll vom Geist der Weisheit, denn Mose hatte seine Hand auf ihn gelegt. Und -die Israeliten hörten auf ihn und taten, wie Jahwe Mose befohlen hatte. Und es stand hinfort in Israel kein Prophet wie Mose auf, den sich Jahwe von Angesicht zu Angesicht vertraut gemacht hatte. Dtn 3 4 , 1 0 (ST): Und es wird hinfort in Israel kein Prophet wie Mose aufstehen, den sich J a h w e von Angesicht zu Angesicht vertraut gemacht hatte.

Die geringfügige Veränderung des Textes will sagen, daß der verheißene Prophet wie Mose bereits in der Gestalt Josuas erschienen ist 83 . Das Auftreten eines Propheten wie Mose in der Zeit nach Josua ist ausgeschlossen84 — eine ganz gewiß antidositheanische Tradition. Dafür 82

Zu den Hss. vgl. die Vorbemerkung von Völlers vor Numeri.

83

Diese Tradition ist zu unterscheiden von der anderen, die eine Rückkehr

84

Diese Lesart hat m. E. nicht die Absicht, die jüdischen Schriftpropheten zu

des Josua erwartet. treffen, wie F. J . Foakes Jackson and Kirsopp Lake vermuten (The Beginnings of Christianity. Part I. The Acts of the Apostles Vol. I. Prolegomena I. The Jewish, Gentile and Christian Backgrounds. London 1920, 406). 21 K i p p e n b e r g

322

Der Prophet wie Mose

gibt es einen Beleg. E u l o g i u s b e r i c h t e t v o n i n n e r s a m a r .

Streitigkeiten

über die A u s l e g u n g v o n D t n 18. D i e einen glaubten, J o s u a b e n N u n sei der P r o p h e t w i e Mose, die a n d e r e n v e r k ü n d e t e n als diesen P r o p h e t e n einen gewissen D o s t h e s o d e r D o s i t h e u s 8 5 . U n d ebenso b e r i c h t e t S a h r a s t ä n i , die S a m a r . „ n a h m e n d e n P r o p h e t e n b e r u f Müsa's, H a r u n ' s u n d des Jüscha' I b n N u n an" 8 ®. D e r v o n M o n t g o m e r y an der N a c h r i c h t des E u l o g i u s geübte Z w e i f e l 8 7 ist nicht zutreffend. E u l o g i u s k o n n t e g a r nicht präziser

berichten:

Gegner

der

Dositheaner

sahen

die

Verheißung

D t n 18 in J o s u a e r f ü l l t . M a r q ä scheint diese T r a d i t i o n zu k e n n e n , i h r 88

aber nicht z u folgen. 85 8

Vgl. o. S. 132.

* Obersetzung: Th. Haarbrücker 258.

87

Samaritans 265 Anm. 162. Montgomery stand unter dem Zwang, diese Stelle

88

Diese Tradition gibt es nicht bei den Rabbinen. Dagegen wird sie von K i r -

mit der Taheb-Erwartung zu verbinden. chenvätern erwähnt: Acta Archelai L, 2 (ed. C. H . Beeson, G C S 16. Leipzig 1906, 73 Z. 21 ff.) lehnen diese Deutung ab. Euthymius Zigabenus zitiert in seiner Panoplia Dogmatica V I I I eine Auseinandersetzung des Gregor von Nyssa mit dieser Deutung: „Aber Josua, der (Sohn) des Nun wurde weder einer derartigen Theophanie wie Mose gewürdigt, noch war er, wie jener, Gesetzgeber, noch fand er so große Gnade wie jener" ( M P G 130, 260 Α Β). Augustin kennt sie ebenfalls (Contra Faustum lib. X V I 1 9 ) ( T e x t : J . Zydia, C S E L 2 5 . Prag/Wien/Leipzig 1891, 460 f.). Eine ausführliche Widerlegung in einem Brief des Isidor von Pelusium (Epistularum Lib. I I I , Epist. X C I V . M P G 78.797 C D / 8 0 0 Α Β ) . Clemens von Alexandrien akzeptiert dagegen die Deutung von D t n 1 8 , 1 5 auf Josua ben Nun, sieht aber im Namen von Josua den von Jesus angedeutet: Paedagogus V I I 60, 3 (ed. H . J . Marrou — M. Harl, Sources Chretiennes 70. Paris 1960, 218 f.). Belege für solche Deutung auf Josua lassen sich gerade auch aus dem syrischen Raum anführen: J . - M . Voste, Le Prophete promis par Moise d'apr£s Mar iSo'dad de Merw. Biblica 30 (1949) 1—9. Eine Spur dieser Josua-Verehrung audi in einem Bericht von Tabarl (8./9. J h . n. Chr.), der über den Begründer der Schiitischen Sekte 'Abdallah b. Sabä berichtet: „Man behauptet, daß er ein Jude war, der zum Islam übertrat und daß er, da er nodi Jude war, von Josua b. Nun, dem Erben des Moses, Ähnliches auszusagen pflegte, wie (später) von ' A l l " ( J . Friedlaender, 'Abdallah b. Sabä, der Begründer der Sl'a, und sein jüdischer Ursprung. Z A 23 [1909] 296—327. T e x t : 303; Besprechung: 320). D a ß diese Deutung ursprünglich eine samar. war, deutet kein T e x t an. Zudem bleibt zu beachten, daß wir im Targum Onkelos ein kleines Indiz dafür haben, daß auch im jüdischen Bereich Josua als Prophet galt. Num 27, 18 heißt es, in Josua sei der rwh nbw'h. D a diese Deutung von Dtn 18

323

Analyse des aramäischen Materials MM V 128,13—1589:

Und Josua, der Sohn Nuns, der Schüler des großen Propheten Mose — erhaben war seine Position in den Augen der Gemeinde Israels. Und Josua, der Sohn Nuns, ,war voll vom Geist der Weisheit, denn Mose hatte seine Hand auf ihn gelegt' (Dtn 34, 9 S P ) ' 0 . So wurde er erhoben 91 , und seine Größe ist in Ewigkeit erhaben 9 2 .

III 7 8 , 1 5 f. verfolgt diesen Gedanken weiter. „Was rief Gott als Befehl Josua zu außer daß er Erlösung bringen soll?" Josua führt das Erlösungswerk des Mose fort. Folgerichtig heißt es ein wenig später von ihm: Mose „setzte ihn an Stelle von sich ein" (78, 20). Während Marqä sonst immer Mose's Einzigkeit betont, tritt an diesen Stellen Josua fast ebenbürtig neben Mose 93 . Doch den entscheidenden Schritt tut Marqä nicht: er bezieht Dtn 18 nirgends auf Josua. Es ist zu erwägen, ob wir hier vielleicht auf einen Vorbehalt des Priesters Marqä gegenüber der Josua-Tradition treffen. Eine betonte Abwertung Josuas durch Priester hatten wir bereits oben beobachtet: der Laie Josua hat keinen Zutritt zum Miskän 94 . Die Eigenständigkeit der Josua-Überlieferung zeigt sich darüber hinaus in denjenigen Traditionsketten, die Josua nennen 95 . Sie ist wahrscheinlich so zu erklären, daß Josua

als Repräsentant

der

iTtPOJ (der weltlichen Führer) galt (III 7 8 , 1 1 ) . M

durchaus im at. T e x t angelegt ist — in der Einsetzung des Josua durdi Mose Num 2 7 , 1 8 ff.; D t n 34, 9 ff. — , wird sie unabhängig voneinander von verschiedenen Gruppen entwickelt worden sein können. 89 90

O. 209; Münk, Tod Moses' 58 f. Macdonald

liest VTN ΓΡ, Münk und samMM ( V 2 9 , 25) I T

ΠΝ. Liegt bei

Macdonald ein Versehen vor? 91

Stamm

^ p t ; vgl. Kahle, Marka-Hymnen 191 Anm. 6 (verdruckt an Stelle

von 5). 92

So die Danafi-Hss., der Text von Münk und samMM V 29, 26 — anders die Kahle Hs.

93

Vgl. audi As. X , 45 ( 2 0 , 1 8 ) , wo die Doppelverheißung Num 2 4 , 1 7 b (Stern aus Jakob-Szepter aus Israel) auf Pinehas und Josua gedeutet wird.

94

S. 248.

95

Vgl. o. S. 270.

ίβ

In diesen Zusammenhang gehört wahrscheinlich audi die samar. Überlieferung des Josua-Budies. Sie liegt in zwei Formen vor: einer arab. und einer hebr. Textversion: Juynboll, Liber Josuae - Gaster, Josua.

21*

324

D e r P r o p h e t wie Mose

C. Traditionsgeschichtliche Erwägungen In den samar. Texten der aram. Periode mutet einen das Nebeneinander ganz verschiedener eschatologischer Gestalten befremdlich an. Am Ende der Zeiten tritt Mose auf (s. o. S. 241), am Rachetag kommt der Taheb (s. o. S. 302), Joseph bringt Israel die Herrschaft über seine Feinde (s. o. S. 265 ff.). Noch befremdlicher aber erscheint es, daß jene alte samar. Erwartung eines Propheten wie Mose in dieser Literatur nur noch in Spuren nachweisbar ist. Gehen wir also kurz noch einmal die Geschichte dieser Tradition durch, und fragen wir, ob ihr Abreißen das Gefüge der samar. Religion verändert hat. Die Pseudoclementinen berichten, die Samar. hätten einen wahren Propheten erwartet, seien jedoch durch die Verworfenheit des Dositheus gehindert worden, zu glauben, daß dies Jesus sei (Ree I 54, 5). Hier wird die samar. Erwartung richtig wiedergegeben: schon lange vor Dositheus erwarteten die Samar. einen Propheten wie Mose. Bereits im SP wird an markanter Stelle, als Offenbarung am Sinai, diese Erwartung ausgesprochen. Was gemeint ist, zeigt die Komposition des Zusatzes im SP hinter Ex 20, 21a: der Prophet leitet die Periode der Gesetzestreue ein. Er verkündet Jahwes Willen. Die Deutung von Dtn 18 auf einen solchen Offenbarer findet sich auch in Qumran, wo der Prophet wie Mose endzeitlicher Lehrer der Gesetze ist, sowie Apg, wo der irdische Jesus als Prophet wie Mose gilt. In diesen Zusammenhang sind vielleicht auch die joh. Stellen über den Propheten einzuordnen. Während in den synoptischen Evangelien Jesus zuweilen als einer der Propheten gilt 97 , spricht das Joh-Ev in vier Zusammenhängen von Jesus als dem Propheten (1, 20 f. 25; 4, 19; 6, 14; 7, 40) 98 . Dieser Prophet ist keine gnostische Gestalt 99 , da er der vom Volk erwartete irdische Befreier ist (7, 40) 10 °. Schnackenburg zieht richtig Q u m r a n als Parallele heran 1 0 1 , kann aber wegen der Differenz zwischen Q u m r a n und Johannes die Frage nicht beantworten, „wie diese Tradition dem 4. Evangelisten 97

Schnackenburg, E r w a r t u n g des .Propheten' 622—629.

98

N a A Friedrich, A r t .

τ τ ρ ο φ ή τ η ο T h W V I . 847 Z. 17—19 ist audi J o h 7, 52

6 π ρ ο φ ή τ η zu lesen. 09

Vgl. Bultmann, D a s E v a n g e l i u m des Johannes. M e y e r K 2. Abt. 17. A . Göttingen 1962, 61 f. (mit der Einschränkung: „vielleicht").

100

Schnackenburg 360.

101

631 ff. Weitere Autoren bei H . Braun, Q u m r a n und das N e u e Testament I. Tübingen 1966, 100.

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

325

zugeflossen oder ihm besonders vertraut geworden ist" 1 0 2 . Hier liegt nun eine Antwort nahe: J o h und Q u m r a n zehren von einer gemeinsamen Wurzel, der samar. Tradition eines Propheten wie Mose. N u n sind allerdings die Stellen des Joh-Ev in sich disparat. Folgendes sind die Probleme: 1. J o h 1, 20 f. 25 unterscheidet den Propheten vom Messias (ebenso 7, 40 f.), während er 6, 14 f. eine messianische Gestalt ist 103 . 2. J o h 6, 14 f. und 7, 40 f. halten die Erwartung des Propheten für volkstümlich, während „das Volk nach den synoptischen Zeugnissen schwerlich so geredet hat" 1 0 4 . Gerade das zweite Problem zeigt m. E. aber den Weg zur Lösung. Nach 7, 40—42 reagiert das Volk auf Jesu Verkündigung verschieden: die eine Gruppe hält ihn für den Propheten, eine andere für den Christus, die dritte bestreitet auch das. J o h weiß also, daß eine ganz bestimmte Gruppe die Erwartung des Propheten hegte und auf Jesus bezog. Auch aus 6 , 1 4 f. geht hervor, daß eine bestimmte Gruppe in Jesus den Propheten sah 105 . Diese Gruppe könnte sehr gut samar. gewesen sein. Das Volk, das hier spricht, wäre dann nicht jüdisch (wie bei den Synoptikern), sondern samaritanisch. Zumindest sollte diese Möglichkeit ernsthaft erwogen werden. Daß J o h 1, 20 f. 25 der Prophet eine scheinbar unmessianische Gestalt ist, erklärt sich m. E. ohne Schwierigkeit: der Prophet galt den Samar. nie als ΓΡΦ0. J o h zählt einfach bestimmte Erwartungen auf 1 0 6 . 102

636. Sehr sophistisch hat Braun a a O 101 den Zusammenhang von 1 Q S I X , 11 und 4 Q test 1—8 mit Joh zu widerlegen versucht: der joh. ιτροφήτηο habe einen Artikel, der qumranische iTSS nidit. Doch ist dies kein Argument. Sdinackenburg u. a. setzen richtig voraus, daß das Zitat Dtn 18,15.18 („Einen Propheten wie d i d i . . . " ) auf eine bestimmte Heilsperson gedeutet wird, von der eben dann als dem Propheten gesprochen wird. Die oben S. 128 ff. zusammengestellten Nachrichten über Dositheus beweisen zum Überfluß, wie „der Prophet" einfach Kurzform für die Heilsgestalt ist, die Dtn 18,15.18 verheißen ist.

103

Jeremias, Art. Mcoucfjc. ThW IV. 863 Z. 9 f.

Sdinackenburg 630. 105 Wegen des Brotwunders, das an das Mannawunder erinnert? Friedridi, Art. •π-ροφήτηο ThW VI. 847 Ζ. 12 ff. ίο» Neuerdings wird in englischsprachiger Literatur immer dringlicher die Frage erörtert, ob das Joh-Evangelium in besonderer Weise samar. Theologie verbunden ist. Wir wollen hier nur die Literatur nennen. Eine eingehende Prüfung an den Texten ist eine dringliche Aufgabe. J . Bowman, Samaritan Studies. B J R L 40 (1957/58) 298 ff. I. The Fourth Gospel and the Samaritans. G. W. Buchanan, The Samaritan Origin of the Gospel of John. Reli104

326

Der Prophet wie Mose

Ob diese Erwartung in der Zeit vor Dositheus die einzige bei den Samar. war, ist schwer zu sagen. D a die Erwartung der Wiederbringung des Miskän sicherlich ebenso alt ist, kann man sich der Frage nach dem Verhältnis beider Traditionen schwer verschließen. Lag eine Verbindung beider Überlieferungen nicht ganz nahe? Oder sind beide Traditionen erst nach Auftreten des Dositheus auseinandergesprengt worden? Gegen solche ursprüngliche Einheit spricht, daß die Aufgabe des Propheten in allen uns bekannten Zeugnissen ausschließlich die Verkündigung war, nicht jedoch die Kultrestitution. Wir werden hier über Fragen nidit hinauskommen. Das Auftreten des Dositheus (wahrscheinlich im 1. Jh. n. Chr.) hat in der Geschichte der Tradition eine neue Epoche eingeleitet. Dositheus und seine Schriften traten gleichberechtigt neben Mose und seine Tora und forderten Glauben. Ob mit Dositheus auch dem Titel .Prophet' ein neuer Sinn gegeben wurde, muß offen bleiben. Ebenso können wir die Frage nur stellen und nicht beantworten, ob der Prophet wie Mose in der Zeit zwischen dem SP und Dositheus andere Züge angenommen hatte. Immerhin bezieht Apg die Erwartung gerade auf den irdischen Jesus. Die Polemik gegen Dositheus setzt zudem wahrscheinlich keine Übermenschlichkeit des Propheten voraus. U n d daß die samar. Religion nicht einer metaphysischen Umdeutung des Mose verfallen war, zeigt sich darin, daß man auch nach höchster Würdigung des Mose dennoch dessen Tod nicht wegdisputierte. So sieht es ganz so aus, als ob auch zur Zeit des Dositheus und für die Dositheaner der Prophet wie Mose menschlicher und nicht göttlicher Künder des Willens Gottes war. Er gibt den Auftakt für die Zeit des Gehorsams. Die ,Erfüllung' der Verheißung in Dositheus enthüllte mit einem Schlag ihre Schwächen. Gibt es wirklich jemanden, der Mose ebenbürtig ist? Gibt es wirklich eine Schrift, die den Rang der Tora beanspruchen kann? Die auf uns gekommene aram. Literatur der Samar. deckt diese Gefahren schonungslos auf. Wo die ganze Erwartung nicht einfach gestrichen wird, deutet man sie nun auf Josua. An die Stelle der Hoffnung auf einen neuen Offenbarer tritt das Bekenntnis zu Mose und Tora. Doch auf den frei gewordenen Platz drängen neue Gestalten. Man hofft auf eine Rückkehr des Mose. Man verspricht sich von ihr die Wiederbringung des MiSkän sowie die Offenbarung der Wahrheit gions in Antiquitiy. Essays in Memory of Ε. Ramsdell Goodenough. Suppl. Numen 14 (1968) 149—175. E. D. Freed, Samaritan Influence in the Gospel of John. C B Q 3 0 (1968) 580—587. Meeks, Prophet-King 216—257.

Traditionsgeschichtliche Erwägungen

327

und Vernichtung der Feinde Israels. Die Schilderung des Mose als eschatologischen Offenbarers dürfte den Grundgedanken der samar. Erwartung eines Propheten wie Mose aufgenommen haben. Abgewandelt ist dieser Gedanke vor allem dadurch, daß das Auftreten des Offenbarers Teil des Endgerichtes ist. Diese Bindung des Offenbarers an den Rachetag ist die beste Gewähr gegen Aufstellungen wie die der Dositheaner. Der Rachetag steht ja noch aus. Neben der Hoffnung auf Rückkehr des Mose gibt es die auf das Kommen des Taheb. Sie vor allem war es, die sich an die Stelle der Propheten-Erwartung gesetzt hat. Der Prophet verkündet Jahwes Willen und weckt so Glauben. Der Taheb ist der erste derer, die zu Jahwe umkehren. Der Aufstieg des Taheb vom ersten Umkehrenden zu dem Heilbringer schlechthin ist am besten als die Einnahme eines freigewordenen Platzes verständlich. Auch er ist Offenbarer — aber eben ein Offenbarer, der am Rachetag auftritt. Das Auftreten der Dositheaner hat also das Gefüge der samar. Religion beträchtlich verändert. Es hatte — auf lange Zeit — das Verschwinden der Propheten-Erwartung zur Folge. Ferner förderte es eine Ausbildung eschatologischer Heilsgestalten, die am Gerichtstag auftreten. Erst nach Untergang der Dositheaner im 14. Jh. n. Chr. war eine Verbindung der Taheb-Erwartung mit Dtn 18,15.18 möglich. Erst von diesem Zeitpunkt an haben wir wieder so etwas wie eine normative samar. Eschatologie.

XIII. DIE GROSSE MACHT Dieses Kapitel mödite an die Diskussion anknüpfen, die Geo Widengrens Ableitung gnostischer Termini aus den Texten der samar. Liturgie hervorgerufen hat 1 . Die eigentliche Schwäche der Arbeit Widengrens ist der zeitliche Abstand zwischen dem verglichenen Material und der andere Sinn der Begriffe in der samar. Liturgie. Immerhin liegen zwischen Simon Magus und seinen Anhängern auf der einen und den Hymnen Marqäs auf der anderen Seite ca. drei Jahrhunderte, die keiner einfach überspringen kann. Widengren hat diese Schwäche selbst gespürt. „It must be a task for future research... to try to establish the extent of the connection between that part of Samaritan literature that belongs to the oldest stratification (as was the case with the Marqa-hymns adduced here), Samaritan-Jewish Gnosicism, and Mandaean religion 2 ." Das folgende Kapitel kann keine Erfüllung dieses Programms sein. Wieweit die vielen gnostischen Uberlieferungen mit der samar. Religion zusammenhängen, soll und kann hier nicht erörtert werden®. Die Gefahr, in Hypothesen zu schwelgen, wäre zudem groß. So möchte ich mich auf einen einzigen Punkt beschränken: die Bezeichnung des Samaritaners (bzw. Samariers) Simon als ή δύναμιο ή καλουμένη μεγάλη (Apg 8, ΙΟ)4. Da dieser Begriff ausgesprochen gut im samar. 1

S. o. S. 125 f.

8

Ascension 57.

3

Einen ersten Versuch hat R . J . F. Trotter unternommen:

Gnosticism

and

M e m a r M a r q a h . L U O S M o n o g r a p h Series 4. Leeds 1964. D i e Arbeit stellt Parallelen aus dem M M und d e r gnostisdien Literatur zusammen, verzichtet aber auf jede ernste Diskussion der Zusammenhänge. D a s dürfte d a m i t zusammenhängen, d a ß f ü r d e n V e r f . ein anderer Zusammenhang als die Übernahme gnostischer Termini durch die stets orthodoxen S a m a r . ausgeschlossen ist ( 2 . 1 6 f.). 4

A u d i andere Gnostiker operierten mit dem Begriff der δύναμιο: Menander (S. o. S. 126 f.), die Melchisedekianer (Texte bei Widengren, Ascension 50), Elksai (Epiphanius, P a n . haer. 1 , 1 , 2); A p o k r y p h o n des Johannes (s. Index bei M . K r a u s e und P. L a b i b s. v.).

Analyse des aramäischen Materials

329

und im gnostischen Bereich zu verfolgen ist, vermag er die Verbindung zwischen samar. Religion und simonianischer Gnosis zu erhellen 5 .

A . A n a l y s e des aramäischen Materials Die Bezeichnung Simons als große bzw. höchste δύναμιο oder audi einfach die Spekulation über die „Macht" kehrt immer wieder in den Nachrichten über die simonianische Gnosis®. Zählen wir die wichtigsten Zeugen auf: A p g 8 , 9 f . ; Irenaus 7 ; das Syntagma Hippolyts, das Philastrius und Epiphanius verarbeiteten 8 ; die simonianische Megale Apophasis, die H i p p o l y t überliefert hat 9 ; die Pseudoclementinen 1 0 . Der Sinn und Gehalt dieses Titels ist an allen diesen Stellen eindeutig: ή μεγάλη bzw. α ν ω τ ά τ η δύναμιο ist der höchste Gott selbst 11 . Pointiert formuliert: der Begriff δύναμιο ist Wechselbegriff zu θεός 1 2 . „Esse autem se sublimissimam virtutem, hoc est eum, qui sit super omnia pater" heißt es bei Irenaus 13 . Es ist daher irreführend, zu formu5

Im Gefolge von C. Colpe wird Gnosis verstanden als Offenbarung der Identität zwischen dem menschlichen Selbst und seinem jenseitigen Teil, von dem es durdi die materielle Welt getrennt ist (vgl. Religionsgeschiditliche Schule 203 ff.; Art. Gnosis. RGG 3. Α. II. 1648—52). 8 Die wichtigsten Texte in deutscher Übersetzung bei Leisegang, Gnosis 60 bis 82; R. Haardt, Die Gnosis. Salzburg 1967, 33—39. Besprechungen der Texte und deren Geschichte: Haendien, Vorchristliche Gnosis; Grant, Gnosticism 70—96. 7 Adversus haereses I 23,1 (Text: Völker, Quellen 2). 8 Texte bei L. Cerfaux, Gnose Simonienne 494. Zum Verhältnis von Epiphanius, Philastrius und dem Syntagma Hippolyts: R. A. Lipsius, Epiphanios 29 und Quellen 116 f. » Text: Völker, Quellen 3 ff. 10 Horn, β 22, 3 f. (Text: B. Rehm, GCS 42. Berlin/Leipzig 1953, 44) = Ree. II 7 (Text: B. Rehm, GCS 51. Berlin 1965, 55); Horn, γ 38,2 (Text: B. Rehm 70). 11 Irenaeus I 23, 1 (Völker, Quellen 2); Philastrius (Text: Cerfaux, Gnose Simonienne 495). 12 So ordnet sich Justin ein, der vom TrpcoToc 6eoc spricht (1. Apologie 26,3 — Text: Völker, Quellen 1). Auch dieser Begriff kann in den samar. Quellen verfolgt werden: Marqä C. 23, 9 (nNÖpOTlVN); MM VI 135,30 (vgl. IV 90,16 f.). Wie die erste Stelle zeigt, bezieht sich dasirpcÖToc (=/1Nttp>) nicht etwa auf andere Götter, sondern auf Gottes Sein vor der Welt. 13

Adversus haereses I 23,1 (Text: Völker, Quellen 2).

330

Die große Macht

lieren: „Der Magus ist Träger einer Kraft, und zwar einer göttlichen Kraft, die ihn ganz groß und mächtig macht" (G. Quispel 1 4 ). Richtig spricht dagegen Haenchen von einer „Bezeichnung für das höchste Gottwesen" 1 5 . Die δύναμιο steht am Beginn der Weltwerdung 1 6 . Insofern sie die εύνοια aus sich hervorbringt, ist sie zugleich auch eine anthropologische Größe 1 7 . Denn εύνοια ist ein anthropologischer Geistbegriff. D a sich die Macht mit dieser Ennoia wieder vereinigt, hat die δύναμιο zugleich

soteriologische Funktion 1 8 . So beschreibt der simo-

nianische Begriff der

δύναμιο die höchste Gottheit als

ein jenseitiges

Wesen, das sich durch die Schöpfung in ein oberes und unteres Wesen zerlegte und in der Erlösung die gefallene Ennoia sich aufs neue zuführt. Fragen wir nach den aram. Äquivalenten des Begriffs ή μεγάλη bzw. ανωτάτη δύναμιο, so könen wir die syrische Übersetzung der griechischen Pseudoclementinen heranziehen. R e e II, 7 gibt griech. δύναμιο durch syr. JJLx» wieder 1 9 . Außerdem berichtet Theodor bar Könai, eine gewisse Sekte halte Melchisedek für den Jla» JJLul», während Philastrius in diesem Zusammenhang von der virtus magna spricht 2 0 . So ist an der Äquivalenz von ή μεγάλη δύναμιο = Π31 Π1?"Ή kaum ein Zweifel möglich. Da das aram. nVTT maskulines Geschlecht hat (der H^Tl), gilt in der Megale Apophasis (Hippolyt, Refutatio V I 18, 3) und überhaupt in der simonianischen Gnosis μεγάλη δύναμιο als δροην (männlich).

1. nV'n als Übersetzung

von 'tn.

Beim Durchgehen des samar. Targums fällt ein eigenartiger Sachverhalt auf: hebr. Vk (Gott) wird als ,Ι^ΤΙ ins Aram. übersetzt. 14

Gnosis 53. Vgl. ferner W. Grundmann, Kraft 76 Anm. 27; O. Schmitz, δύναμιο 153.

15

Apostelgeschichte 253. Vgl. Goppelt, Christentum und Judentum 132.

14

Horn, β 2 2 , 3 (anders Ree. II, 7); Irenaeus, Adversus haereses I 23, 1 f.; Megale Apophasis (Hippolyt, Refutatio VI 9, 5).

17

Vgl. Justin, 1. Apologie 26, 3; Irenaeus, Adversus haereses I 23, 2 u. ö.

18

Vgl. Hippolyts Syntagma, wie es von Philastrius und Epiphanius überliefert

19

Text:

wird (Cerfaux, Gnose Simonienne 496—498). Frankenberg,

Die Syrischen Clementinen 86, 30—87, 30.

Stellen bei Widengren, Ascension 49 f. 20

Text: Widengren, Ascension 50 und Anm. 2.

Weitere

Analyse des aramäischen Materials

331

Gen 17, l c : SP: HB? VN 'JK ST: fipiDO nV-'n HIN Die Übersetzung von ''Ii? durdi Dpi DO (Genüge, Hinlänglidikeit) erklärt sich aus der vorausgesetzten Etymologie hV® 21. Schwieriger ist die Deutung von Π^ΤΙ • Cowley hat darauf hingewiesen, daß es im Klang dem Wort nVx glich22, und in seinem Glossar notiert er „nVT! power, variant for rt*?K a2S . Er sieht den Wechsel von Π^ΤΙ und nVtf als eine audi sonst belegbare Vertauschung der Gutturale an24. Zweifellos hat die Schwachheit der Gutturale die Verwendung von n W l für begünstigt. Doch ist Π1?"'Π keinesfalls einfach eine Variante für nVx, deren etymologischer Hintergrund (Macht) von den Samar. nicht mehr mitgehört worden wäre. Das geht daraus hervor, daß hebr. Vs — sofern es übersetzt wird 25 — im ST in der Regel nicht mit Π^ΤΙ, sondern mit ΓΤ^ΤΉ wiedergegeben wird. Gen 31,13: SP: VN m Vsn OJX ST: v « ΓΓ3 nVrn niN Zu beachten ist, daß im MM diese Übersetzung von "ρχ noch konsequenter gehandhabt ist. Gen 12, 8: SP: "?K ίνα ST: >?n n-a MM II 46,12: nVrn rva Gen 14, 22: SP: jrVs? V« ST: p^S? Vi