Der arabische Bahrām-Roman: Untersuchungen zur Quellen- und Stoffgeschichte [Reprint 2019 ed.] 3110039907, 9783110039900

Studies in the History and Culture of the Middle East (the former: Studien zur Geschichte und Kultur des Vorderen Orient

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Der arabische Bahrām-Roman: Untersuchungen zur Quellen- und Stoffgeschichte [Reprint 2019 ed.]
 3110039907, 9783110039900

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Α. Einleitung
Β. I. Inhaltsangabe der Rahmenerzählung
B. II. Kommentar zur Rahmenerzählung
B. III. Die Geschichte der drei Söhne des Königs von Ceylon
C. Zusammenfassung der Ergebnisse der Quellenanalyse
Bibliographie
Namen- und Sachregister
Themen- und Motivregister

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STUDIEN ZUR SPRACHE, GESCHICHTE U N D KULTUR DES ISLAMISCHEN ORIENTS Beihefte zur Zeitschrift „Der Islam"

Herausgegeben von BERTOLD

SPULER

Neue Folge BAND 6

W DE G WALTER DE GRUYTER · B E R L I N · NEW YORK 1974

MECHTHILD PANTKE

Der arabische Bahräm-Roman Untersuchungen zur Quellen- und Stoffgeschichte

W DE G WALTER DE G R U Y T E R

BERLIN

1974

NEW Y O R K

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

© I S B N 3 1 1 003990 7

Library of Congress Catalog Card Number: 73-79372 Copyright 1973 by Walter de Gruyter «SE Co., vormale G. J. Göschen'sche Verlagehandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Beimer — Karl J. Trübner — V e i t & Comp. Berlin — Printed in Germany. Alle Bechte dea Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Herstellung : Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 1971 als Dissertation bei Herrn Professor Hans Wehr in Münster eingereicht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte, ermöglichte den Druck der Arbeit. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch meinen Lehrern, Herrn Professor Hans Wehr in Münster und Herrn Dozent Davoud MonchiZadeh in Uppsala, die mich beide mit ihrem wertvollen Rat unterstützten, sowie Herrn Professor Jes P. Asmussen in Kopenhagen, der mir großzügig die Benutzung der Bibliotheca Christenseniana gestattete, noch einmal herzlich danken. Münster, im August 1972 Die Verfasserin

Inhaltsverzeichnis Α. Einleitung

1

Β.

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I. Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

II. Kommentar zur Rahmenerzählung 33 1. Die Kindheit und Jugend Bahräm's 33 2. Der Thronstreit 100 3. Die Geschichte der Sklavin Fitna 133 4. Der Krieg mit dem König von China 142 5. Der Feldzug gegen den Kaiser von Rüm 153 6. Das indische Abenteuer 165 7. Das Leben Bahräm's mit den 7 Prinzessinnen 164 Exkurs: 7 Klimata, Wochentage, Planeten und Planetenfarben . . . 167 8. Die Geschichte vom ungetreuen Wezir und Bahräm's Tod 184 III. Die Geschichte der drei Söhne des Königs von Ceylon

198

C. Zusammenfassung der Ergebnisse der Quellenanalyse

210

Bibliographie

215

Namen- und Sachregister

222

Themen- und Motivregister

229

Α. Einleitung Die Qissat Bahräm-Säh, der die vorliegende Untersuchung gilt, gehört zur Gattung der sogenannten „Volksbücher". Im weitesten Sinne1 umfaßt dieser Begriff schriftlich fixiertes volkstümliches Erzählungsgut, das sich vor allem an die weniger gebildeten Volksschichten wendet. Gerade durch die Wahl dieses Adressaten hebt sich das Volksbuch von den Werken der „hohen" Literatur, die nur den Gebildeten zugänglich sind, ab. Der wesentliche Unterschied hegt also in der Form ; denn es sind in erster Linie Sprache und Stil eines Werkes, die seine Leserschicht und damit die Zugehörigkeit zur Kunst- oder Volksliteratur bestimmen. Für die arabische Kultursphäre tritt noch ein anderes Kriterium hinzu, durch das sich die Volksliteratur scharf gegen die „hohe" Literatur abgrenzt: die Zielsetzung. Während die Volksliteratur nur unterhalten will, verfolgt die „hohe" Literatur immer Bildungsabsichten. Das trifft auch für die „Adab-Literatur" zu, die manchmal irrtümlich mit „Unterhaltungsliteratur" in unserem Sinne gleichgesetzt wird. Durch ihre belehrende Tendenz, aber auch formal2 steht sie der „wissenschaftlichen" Fachliteratur näher als der Volksliteratur. Mit wenigen Ausnahmen3 behandelt sie keine erfundenen Sujets. Diese sind weitgehend der Volksliteratur überlassen, jedoch nicht ausschließlich, so daß dieses Kriterium mit Vorsicht angewandt werden muß. Längere oder kürzere fiktive Erzählungseinheiten wie Fabeln, Märchen, Sagen und Legenden sind vielmehr in den meisten Zweigen der „hohen" arabischen Literatur zu finden4. Im Bereich der persischen Literatur hat nur das erste, formale Kriterium Geltung5. Von der Zielsetzung her kann man die Kunstliteratur nicht gegen die Volksliteratur abgrenzen. Wie in der klassischen antiken Literatur will die hohe Literatur nicht nur nützen, sondern auch unterhalten. So 1

2 3

4 5

J . CEJPEK will in seiner ausgezeichneten Abhandlung Die iranische Volksdichtung (in RYPKA'S Literaturgeschichte) den Begriff des Volksbuches enger gefaßt wissen und unterscheidet Volksbuch und Volksdruck. Der Unterschied wird m. E . in seiner Darstellung nicht ganz klar. Vermutlich versteht er unter Volksbüchern die nicht gedruckten älteren Vorgänger der Volksdrucke (s. S. 516f.). So wird der Anschein der Historizität oftmals durch einen Isnäd gewahrt. Diese finden sich vor allem in der Übersetzungsliteratur, ζ. B. Kaiila wa-Dimna\ aber auch die Maqämenliteratur behandelt fiktive Episoden. Der philosophische Roman des Ibn Tufail, Hayy b. Yaqzän gehört ebenfalls hierher. S. unten S. 8. S. dazu CEJPEK S. 463. 1

Pantke, Roman

2

Einleitung

trifft Horaz' Definition aut prodesse volunt aut delectare fioetae voll und ganz auf die persische Literatur zu. Das delectare ist also nicht auf die „niedere" Literatur beschränkt, was Werke von höchstem künstlerischem Rang, z. B. die Epen Nizämi's, beweisen6. Aus ihnen geht auch hervor, daß die Frage, ob der Stoff eines Werkes Fiktion ist oder nicht, für seine Zuordnung zur Kunst- oder zur Volksliteratur keinerlei Rolle spielt. So kann hier ein und derselbe Stoff vom Dichter wie vom Volkserzähler verarbeitet werden, unabhängig voneinander oder unter wechselseitiger Einwirkung. Weder im arabischen noch im iranischen Bereich gilt ein anderes, sonst übliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Volks- und Kunstliteratur: das Kriterium der mündlichen oder schriftlichen Überlieferung. Der Bestand an eigentlicher Volksdichtung, wie Märchen u. ä., die nur in der mündlichen Tradition lebendig ist, erscheint gering. Erst die verhältnismäßig junge Dialektforschung hat einige echte Volksmärchen ans Licht gehoben. Allerdings ist die Unabhängigkeit von der schriftlichen Tradition auch hier nicht immer gesichert. Die meisten Märchen- und Sagenstoffe liegen jedoch seit vielen Jahrhunderten in schriftlicher Form vor. So entstammt alles, was an arabischen Märchen vor dem 19. Jhd. aufgezeichnet ist, literarischen Quellen und nicht dem Volksmund7. Das bekannteste Beispiel dafür ist 1001 Nacht, aber auch arabische Volksromane wie die Sïrat 'Antar, Saif b. Dï Yazan u. a. finden sich bereits in alten Handschriften. Natürlich haben diese Werke vor ihrer schriftlichen Fixierung eine lange Entwicklung durchgemacht, deren einzelne Etappen schwer herauszuschälen sind, da eine lange mündliche Überlieferung vorauszusetzen ist und oft nur die letzte von mehreren schriftlichen Überlieferungsstufen erhalten blieb8. Neben der alten schriftlichen Überlieferung lebt, wenn auch im Aussterben begriffen, noch immer die mündliche Erzählertradition fort. Sie wird zu einem großen Teil durch berufsmäßige Erzähler, die ihre Zuhörer in den Bazars und Kaffeehäusern um sich scharen, getragen. Die Erzähler nehmen ihre Sujets mit Vorliebe aus den alten Stoffen der arabischen oder iranischen Sage. Dieser ursprüngliche Kern wird allerdings von Erweiterungen und Zusätzen, die der reichen Phantasie des Erzählers entspringen, überwuchert. Das Verhältnis dieser Erzähltradition zur schriftlichen Überlieferung ist nicht von vornherein als Abhängigkeit zu definieren. Zwar mag das meistens zutreffen ; in Persien sind z. B. einzelne Episoden aus Fir• Nizâmî selbst sagt in der Vorrede zu den Haft Paikar: „Ich suchte aus ausgezeichneten, passenden Büchern heraus, was das Herz erfreuen kann" ( 4 , 1 8 ) . 7

S. B . H E L L E R b e i BOLTE/POLIVKA I V S.

8

Nur für 1001 Nacht liegen hier eingehende Untersuchungen vor. Die wichtigste ist noch immer J. 0 S T R U P ' S Studier over 1001 nat. 0 S T R U P bestimmt die einzelnen Uberlieferungsschichten für die verschiedenen Erzählungen sehr genau.

413.

Einleitung

3

dausi's Säh-näma beliebte Themen der Berufserzähler9. Doch kann man nicht ausschließen, daß hie und da eine echte mündliche Überlieferung vorliegt, die noch nicht schriftlich fixiert wurde. Es ist auch denkbar, daß eine ältere schriftliche Fassung verschollen ist und die betreffende Erzählung nur noch in der mündlichen Tradition fortlebt. Heute wie in alter Zeit tendiert der mündliche Überlieferungszweig zur schriftlichen Festlegung. Trotz des guten Gedächtnisses der meisten Berufserzähler ziehen viele von ihnen es vor, ihren Geschichtenvorrat in handgeschriebenen Heftchen bei sich zu tragen (in Persien kitäbca oder tümär genannt) 10 . Seitdem es die Möglichkeit der billigen Bazar- oder Volksdrucke gibt, nutzen einige der Erzähler diesen Weg zur Verbreitung ihrer Geschichten und damit zu größerem Verdienst. Obwohl sie sich nun an Leser richten, nicht mehr an Zuhörer, wird die ursprüngliche Form der mündlichen Erzählung, mit Fragen an die (fiktiven) Zuhörer, mit Ausrufen usw., sehr oft beibehalten. Die Volksdrucke, ob Romane, Novellen oder Märchen, erfreuen sich in den arabischen Ländern, in Per sien und in der Türkei beim einfachen Volk großer Beliebtheit, während sie von den Gebildeten, wie die Volksliteratur allgemein, verachtet werden11. Für den Europäer gilt ein anderer Maßstab. Niemandem würde es einfallen, ein Werk wie 1001 Nacht als geringwertig anzusehen, wie es die arabischen Literaten noch heute auf Grund der oben genannten Kriterien tun. Mit den Volksbüchern ist es ähnlich. Man muß zugeben, daß sich einige Anklänge an unsere Trivialliteratur finden, die durch die Anpassung an den Zeitgeschmack und an den Leserkreis bedingt sind. Trotzdem ist der „Traditionszwang", die Ausrichtung der Erzählung nach bestimmten stilistischen Mustern aus älterer Zeit, sehr stark. Deshalb unterscheiden sich die Volksdrucke viel weniger von älteren Zeugnissen der Volksliteratur, als man auf Grund des zeitlichen Abstands vermuten würde. Niemals kann von vornherein gesagt werden, welchen Werdegang die Volksdrucke hinter sich haben, ob sie alte volkstümliche Traditionen bringen, die sich nicht in der Literatur finden, oder ob sie aus literarischen Quellen geschöpft haben. In jedem Fall verdienen sie als Zeugnisse der Volksliteratur Beachtung. Als mir die Untersuchung der Qissat Bahräm-Säh vorgeschlagen wurde, ging ich von den oben skizzierten Voraussetzungen aus. Das mir vorliegende Exemplar zeigt alle Merkmale eines Bazardrucks. Es ist in Kairo erschienen, jedoch undatiert. Aus den Drucktypen läßt sich schließen, daß es vor etwa 25—30 Jahren gedruckt wurde. Auf dem Titelblatt nennt sich ein Herausgeber, ein gewisser 'Abdallah as-Säwi, was etwas ungewöhnlich wirkt. Im • S. C E J P E K S. 5 1 6 . 10

S. C E J P E K S. 5 1 0 .

11

S. 0 S T R U P S . 1 3 1 ; CEJPEK S. 6 1 7 ; W E H R ,

l*

Arabische Märchen S. 1 6 1 f .

4

Einleitung

allgemeinen bleiben die Urheber der Volkstexte nämlich anonym. Allerdings finden sich in anderen Volksbüchern zuweilen Vorworte der Herausgeber, die, obgleich sie nicht aus der Anonymität heraustreten, doch zu erkennen geben, daß sie den Stoff bearbeitet haben. Weder diese Hinweise noch die Nennung des Namens hindern, die betreffenden Bücher als Volkstexte gelten zu lassen. Ohne Herausgeber kann es nun einmal nicht zu einer schriftlichen Fixierung kommen. Die Qissat Bahräm-Säh ist ein fast ganz unbekanntes Volksbuch, das wohl nur in einer sehr kleinen Auflage gedruckt worden ist 12 . Eine schriftliche Erwähnung dieses Buches findet sich nirgends. Handschriften, die als Vorlage des Buches in Betracht kämen, sind, zumindest in Europa 13 , nicht vorhanden. Auch die von mir befragten Araber kannten das Buch und die in ihm niedergelegten Traditionen nicht. Die Untersuchung mußte zunächst bei der Quellenanalyse ansetzen. Das Naheliegendste war, sich beim Herausgeber selbst nach den Quellen des Buches zu erkundigen. Da es jedoch nicht klar war, in welchem arabischen Land er lebte oder gelebt hatte und auch die orientalische Buchhandlung, die das Buch vertreibt, nichts über die Person und Herkunft des Herausgebers wußte, gestalteten sich die Nachforschungen schwierig und langwierig. Als es endlich gelang, 'Abdallah as-Säwi in Kairo aufzuspüren und einige Auskünfte von ihm zu erlangen, war die Quellenanalyse bereits so weit fortgeschritten, daß die Angaben des Herausgebers nur noch zur Nachprüfung der gefundenen Ergebnisse dienen konnten. Die Datierung des Buches stellte sich als richtig heraus: es erschien 1947. Die sonstigen Angaben, die ich über die Qissat Bahräm-Säh erhielt, waren sehr allgemein gehalten. Es war nur zu erfahren, daß as-Säwi einige Heftchen in neuzeitlicher Handschrift, die aus dem Nachlaß seines Vaters stammten, als Vorlage für das Volksbuch benutzt hatte. Diesen vorgefundenen Text hatte er stilistisch umgearbeitet und einige „historische Daten" hinzugefügt, wie es ähnlich auf dem Titelblatt des Buches angegeben ist 14 . Auch hierin wurden nur die Ergebnisse der Quellenanalyse bestätigt. Es gelang mir nicht, mehr über diese handschriftlichen Heftchen zu erfahren, da ich auf einen entsprechenden Brief an den Herausgeber keine Antwort erhielt. Da die Quellenanalyse die Vorlage des Buches ohnehin recht genau bestimmen konnte und der Herausgeber selbst wohl kaum etwas von den Quellen seiner Vorlage ahnt, hing von seiner Antwort nicht viel ab. Die Frage, wie die Heftchen in den Besitz seines Vaters, der sicher schon lange tot ist — 'Abdallah as-Säwi ist 1902 gebo12 13

Es ist in den von mir daraufhin überprüften Bibliotheken nicht vorhanden. So ist es in Hss.-Katalogen nicht aufgeführt. Weder das British Museum noch die Bibliothèque Nationale besitzen ein Manuskript ähnlichen Titels.

14

Qi$?a tärihiya mäqi'iya munaqqaha wa-muhaddaba wa-bihä ziyädät bi-qalam . . .

Einleitung

5

ren — gekommen sind, hätte er wahrscheinlich nicht beantworten können. Das ist aber eigentlich die einzige Frage, die nach der Quellenanalyse noch offen bleibt. Es war von vornherein zweifelhaft, daß sich der Herausgeber zur Qissat Bahräm-Säh äußern würde. Wie ich von meinem Informanten in Kairo hörte, betrachtet es 'Abdallah as-Säwi geradezu als eine Beleidigung, daß diesem für ihn so unbedeutenden Buch eine Untersuchung gewidmet wird. Da er früher viele Werke der „hohen" Literatur herausgegeben und kommentiert hat, möchte er selbst es heute kaum wahrhaben, daß ihm auch ein Buch wie die Qissat Bakräm-Säh „unterlaufen" ist. So weit geht die traditionelle Verachtung der arabischen Literaten gegenüber diesem Genre. Daß es sich bei dem Herausgeber um einen sehr gebildeten Araber handelt, der die arabische Literatur vorzüglich kennt, hatte schon die sprachliche Form des Buches, ein modernes, ziemlich gepflegtes Hocharabisch mit deutlichen Tendenzen zu klassischem Ausdruck, und die Quellenanalyse einzelner Erzählungsabschnitte vermuten lassen. Nachdem der Lebenslauf as-Säwi's vorlag, blieb an dieser Annahme kein Zweifel mehr. Ein Mann, der Autoren wie as-Süli, at-Ta'älibi, al-Farazdaq, Mas'üdi, Ibn Qutaiba, al-öahsiyäri u. a. ediert oder kommentiert hat16, konnte selbstverständlich Traditionen und Zitate aus Werken der klassischen Literatur in sein Buch einflechten. Noch eine letzte Angabe über den Herausgeber war in diesem Zusammenhang wichtig: er besitzt keine persischen Sprachkenntnisse. Die handschriftlichen Heftchen, die er als Vorlage für die Qissa benutzte, waren also in arabischer Sprache abgefaßt. Das muß hervorgehoben werden, da die Quellenanalyse deutlich nach Persien als dem Ursprungsland dieser Vorlage weist. Schon die Wahl des Stoffes, das Leben des Sasanidenkönigs Bahrain V, genannt Bahräm Gör, läßt es fraglich erscheinen, daß hier genuine arabische Volkstraditionen vorliegen. Zwar klingt iranischer Sagenstoff auch in manchen arabischen Volkserzählungen an ; zur Zeit des Propheten waren ja bereits iranische Sujets bei den Arabern bekannt und geschätzt16. Es liegt jedoch nahe, die Quellen der in der Qissa niedergelegten Traditionen über Bahräm Gör, den beliebten iranischen Sagenkönig, nicht nur im arabischen, sondern auch im iranischen Kulturraum zu suchen. Da die mündliche Uberlieferung nicht kontrollierbar ist, beschränkte sich die Untersuchung von vornherein auf literarische Quellen. In erster Linie kommen dafür die alten Autoren in Betracht, die die Sasaniden15

Diese Publikationen erschienen vor 1952. 'Abdallah as-Säwi war dann eine Zeitlang in verschiedenen ägyptischen Ministerien tätig. Seit seiner Pensionierung lebt er in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen und ist fast vergessen.

16

S. C E J P E K S. 475.

6

Einleitung

geschichte behandeln. Die Vernichtung des Sasanidenreiches und seiner Kultur brachte es mit sich, daß von den originalen sasanidischen Geschichtsquellen so gut wie nichts erhalten ist. Da aber schon früh ein Teil der mittelpersischen Literatur ins Arabische und Neupersische übersetzt wurde, war der alte Überlieferungsstrom nicht abgeschnitten, sondern ging auf dem Umwege über die Übersetzungen in die Werke der arabischen und persischen Historiographie ein. In arabischer Sprache ist die Sasanidengeschichte in der Chronik des Ya'qübi (etwa 850—900), in den Werken des Ibn Qutaiba (gest. 889), in alAhbär at-tiwäl des Abü Hanifa ad-Dïnawarï (gest. 895), bei Eutychios (gest. 929) und Mas'üdi (gest. 956) behandelt. Alte Traditionen zur Sasanidengeschichte bringen auch Hamza al-Isfahäni's Königsannalen (von 961), die Weltchronik des Mutahhar b. Tähir al-Maqdisï (von 966) und die Chronik at-Ta'älibi's (gest. 1038), außerdem ein anonymes Werk, das wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 11. Jhds. entstanden ist und den Titel trägt : Nihäyat aUarab fï ahbär al-furs wa-l-arab. Das bedeutendste arabische Werk zur Geschichte der Sasaniden ist jedoch der entsprechende Teil der Chronik Tabari's (gest. 923). Die späteren Historiker wie Ibn Miskawaih, Ibn al-Atir und Abü 1-Fidä bringen zu dieser Epoche nichts, was über die erwähnten Werke hinausginge und können deshalb unberücksichtigt bleiben. Außerhalb der Historiographie finden sich wertvolle Nachrichten über die Sasaniden im Kitäb al-agäni des Abü 1-Farag von Isfahan (gest. 967) und vor allem bei den Geographen Ibn Hurdädbih (11. Jhd.), Ibn al-Faqih (Anfang 10. Jhd.), Yäqüt (gest. 1229) und Qazwini (gest. 1283). Viele wichtige Traditionen zu einzelnen Sasaniden und der höfischen Kultur jener Zeit sind auch in der Fürstenspiegelliteratur anzutreffen. Besonders ergiebig ist hier das Kitäb at-täg, das vielleicht dem öähiz zuzuschreiben ist (gest. 869). Vereinzelte Nachrichten kann man auch im Fihrist des Ibn an-Nadîm (gest. 995) und bei anderen Autoren, die nicht alle genannt zu werden brauchen, finden. In persischer Sprache liegt die Sasanidengeschichte zuerst bei Barami vor (963 geschrieben). Zwar handelt es sich weithin um eine Übersetzung der Chronik Tabari's, doch hat Bal'ami an vielen Stellen eigenständige Traditionen hinzugefügt. Die umfangreichste Behandlung hat die Sasanidengeschichte in einem Epos gefunden, dem Säh-näma des Firdausi (gest. 1020 oder 1025), das als eine der wichtigsten Quellen gelten muß. Auch im Zain al-ahbär des Gardizi (etwa 1050 entstanden), im Färs-näma (Anfang 12. Jhd.), das dem Ibn al-Balhi zugeschrieben wird, und im anonymen Mugmal at-tawärlh (etwa 1126 entstanden) finden sich wertvolle Nachrichten 17 . Wich17

Eine sehr gute Ubersicht über die Quellen bieten N Ö L D E K E , und CHRISTENSEN L'Iran S. 64—68.

G.d.S. S. X I I I — X X V I I

7

Einleitung

tig ist hier auch der Tärih Tabaristän des Ibn Isfandiyär wegen des TansarBriefs, den er enthält. Der „Brief des Tansar an den König von Tabaristän" ist eine der bedeutendsten Quellen für die sasanidischen Institutionen 18 . Viel Anekdotenhaftes enthalten die Werke 'Aufi's (Anfang 13. Jhd.), dessen Gawämi' al-hikäyät ich in der Zusammenfassung des M. Nizámu' d-Dín benutzt habe, und die Tadkira des Daulatsäh (von 1487). Mirh u änd's (gest. 1498) Geschichtswerk verdient als Zeugnis der späten Überlieferung deshalb Beachtung, weil es Historisches mit volkstümlichen und dichterischen Traditionen in ähnlicher Weise mischt wie die Qissa. Schließlich mußte ein Werk ganz anderer Art in den Kreis der möglichen Quellen einbezogen werden: Nizämi's Epos Haft Paikar, auch Bahräm-näma genannt (1198—99 entstanden). Der Held des Epos ist derselbe König Bahräm wie in der Qissa. Gerade dieses Werk sollte sich im Laufe der Untersuchung als Hauptquelle jener handschriftlichen Heftchen asSäwi's herausstellen. Als sehr wichtiges Zwischenglied in der Überlieferungskette, die bei der Qissa endet, erwies sich ein unscheinbarer, nicht datierter persischer Bazardruck, der mir durch einen glücklichen Zufall in die Hände kam. Er trägt den Titel Kulliyät-i Haft Paikar o Bahräm-i Gör. Es zeigte sich bald, daß dieses billige Büchlein das persische Gegenstück zu den arabischen Heftchen, die as-Säwi benutzte, sein mußte. Dadurch war es möglich, as-Säwi's Vorlage sehr genau zu umreißen und seine Erweiterungen auszusondern. An die Quellenanalyse schließt sich eine stoffgeschichtliche Untersuchung an. Diese geht notwendigerweise über Nizämi hinaus. Die Traditionen hatten schon eine lange Überlieferungsgeschichte hinter sich, ehe sie der Dichter zur künstlerischen Einheit der Haft Paikar verschmolz. Wie stark seine Bindung an vorliegende Traditionen war, zeigt der ständige Vergleich mit den arabischen und persischen Quellen. So hoffe ich, als Nebenergebnis einen Beitrag zur Quellengeschichte der Haft Paikar zu liefern, der dieses noch ganz vernachlässigte Forschungsobjekt etwas erhellt. BAUSANI19 wies bereits auf die Dringlichkeit dieser Aufgabe hin. — Dazu kommt die Untersuchung der Traditionen, die nicht über Nizämi in die Qissa gelangt sind, darunter auch der Topoi, die diesem Genre zu eigen sind. Gleichzeitig kann an der Gestalt des Bahräm Gör das Verhältnis der 18

Zum Tansar-Brief Tansar-Brief und

s.

von J.

M. MINOVI,

CHRISTENSEN, DARMESTETER

Teheran

1932.

O.

S.

58ff. Gesondert ediert wurde der

1894,

S. 200ff. (Ubers, ebd. S. 502ff.)

Außer der erwähnten Ubersetzung

ist die englische Übersetzung von 19

a. a. in JA

MARY BOYCE,

Rom

1968,

für den Tansar-Brief

die Ausgabe des Tärih, Tabaristän

In Le sette principesse

S. 13.

DARMESTETER'S

zu nennen. Ich habe

von A.

IQBAL

benutzt.

8

Einleitung

Historiker zueinander und zu Firdausi exemplifiziert werden. Dadurch ist es oftmals möglich, sie in bestimmte Überlieferungsstränge einzuordnen. Als Hauptquelle aller späteren Darstellungen ist das sasanidische Huatäinämak, das mittelpersische Königsbuch, anzusehen. Da dieses wichtige Werk und seine verschiedenen arabischen Übersetzungen, deren bedeutendste Ibn al-Muqaffa"s Siyar al-mulük gewesen ist, aber auch die neupersische Rezension, die Firdausi als Ausgangspunkt gedient hat 20 , nicht erhalten sind, ist der Quellenvergleich der einzige Weg, der näher an die ursprüngliche Quelle heranführen kann. Die stoffgeschichtliche Untersuchung der einzelnen Traditionen zeigt auch deutlich, wie sehr schon in der ältesten Quelle, dem H"atäi-nämak, geschichtliche Überlieferung im eigentlichen Sinne und volkstümliche Erzählungen miteinander verquickt waren21. Der Zustrom volkstümlicher Traditionen setzte sich bei den späteren Autoren fort. Bei Firdausi fällt er besonders ins Auge, doch auch die Historiker und Geographen führen so viel Märchen- und Sagenhaftes an, daß sie dem Epos wie dem Volksbuch reichlich Material bieten. Ich habe mich bei der quellenanalytischen und stoffgeschichtlichen Untersuchung der Qissat Bahräm-Säh allerdings auf die Rahmenerzählung, den biographischen Teil, beschränkt. Von den 7 eingefügten Erzählungen habe ich nur eine einzige behandelt. Sie wurde ausgewählt, weil sie sich nicht, wie die übrigen Geschichten, auf Nizämi's Haft Paikar zurückführen läßt und die Quellenanalyse daher ergänzt werden mußte. Von der Untersuchung der anderen Erzählungen mußte ich absehen, da sie den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte. 20

21

Zur Frage des Huatäi-nämak und seiner Übersetzungen s. N Ö L D E K E a. a. O . ; derselbe in Das iranische Nationàlepos S . 143; C H R I S T E N S E N , Le règne du roi Kawädh I S. 23f.; derselbe in Heltedigtning S. 61ff. S . N Ö L D E K E , G.d.S. S . X V I I . X I X ; C H R I S T E N S E N , Le règne du roi Kawädh I S . 2 4 .

Β. I. Inhaltsangabe der Rahmenerzählung Die Kindheit und Jugend Bahräm's

(2,1—24,2)

Im Lande Iran lebt ein mächtiger König aus dem Geschlecht der Sasaniden, König Yazdagird mit Namen. In den 21 Jahren seiner Herrschaft ist ihm ein Thronerbe versagt gebheben. Zwar wurden ihm einige Kinder geboren, doch starben sie alle im frühen Kindesalter. So gehen die Jahre seiner Regierung dahin; je älter der König wird, um so mehr bedrückt ihn seine Kinderlosigkeit (2,1—9). Eines Tages zieht er sich zu stillem Gebet zurück, um Gott anzuflehen, ihm endlich den ersehnten Thronerben zu schenken. Schon bald zeigt es sich, daß sein Wunsch in Erfüllung geht. Als dem König gemeldet wird, daß seine Frau ein Kind erwartet, öffnet er in seiner Dankbarkeit und Freude die Schatzkammern und beschenkt die Armen in seinem Reich. Seine Freude wird noch größer, als ihm schließlich ein Sohn geboren wird. Mit ihm freuen sich seine Untertanen über die Geburt des Thronfolgers, der den Namen Bahräm erhält. Die Hauptstadt wird festlich geschmückt, Freudenboten tragen die Nachricht in alle Gegenden des Landes, und überall feiert man die Geburt des Königssohnes. Yazdagird erläßt in seiner Freude den Bewohnern seines Reiches die Steuern auf 7 Jahre (2,10—3,5). Dann kommen die Sterndeuter und Zauberer in den Palast, um die Zukunft des neugeborenen Prinzen zu erforschen. Nach sorgfältiger Bestimmung des Horoskops verkünden sie dem König, sein Sohn sei unter einem glücklichen Stern geboren und werde dereinst als mächtiger König über die 7 Klimata herrschen. Später jedoch beraten die Sterndeuter heimlich untereinander, wie sie das Kind dem schlechten Einfluß des hartherzigen Königs entziehen können. Darauf begeben sie sich ein zweites Mal in den Palast und raten dem König, das Kind in einem fremden Land mit gesünderem Klima aufziehen zu lassen; denn nur so werde der Prinz am Leben bleiben, wie sich aus den Gestirnkonstellationen lesen lasse (3,6—24). Der König, der den Worten der Astrologen blind vertraut, berät sich mit seinen Weziren über die Wahl des künftigen Prinzenerziehers. Als ihm der arabische König an-Nu'män von al-Hira vorgeschlagen wird, entschließt er sich, Bahräm am Hofe von al-Hïra aufziehen zu lassen. Sogleich sendet er einen Boten nach al-Hïra, um dem Araberkönig seine Auszeichnung mitzuteilen und ihn an den iranischen Königshof zu rufen. Der König an-Nu'män macht sich alsbald auf den Weg. Sein Sohn al-Mundir verwaltet während

10

Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

seiner Reise die Regierungsgeschäfte, so daß der König unbesorgt aufbrechen kann (3,25—4,26). In der Residenz des iranischen Königs wird er mit großer Feierlichkeit empfangen. Sobald er sich von der Reise ausgeruht hat, gibt Yazdagird ihm zu Ehren ein prunkvolles Bankett (4,27—6,8). Während des Festes läßt der König Yazdagird das Kind hereinbringen, um an-Nu'män seinen Pflegling zu zeigen. Der Araberkönig empfindet sofort Zuneigung und Liebe zu dem kleinen Prinzen und verspricht Yazdagird, Bahräm so gut zu erziehen, als sei er sein eigener Sohn. Als die Mutter Bahräm's von den Plänen des Königs, ihn in einem fernen Land aufwachsen zu lassen, hört, wirft sie sich ihm zu Füßen und bittet ihn, sie nicht von ihrem Kinde zu trennen, da das ihren Tod bedeuten würde. So erlaubt ihr der König, Bahräm nach al-Hira zu begleiten (6,9—7,9). Als an-Nu'män 7 Tage am Hofe Yazdagird's verbracht hat, bittet er den König um die Erlaubnis zur Abreise. Yazdagird bietet ihm reiche Schätze als Entgelt für den Aufenthalt seines Sohnes in al-Hira, doch nimmt der Araberkönig nichts von ihm an. Am nächsten Morgen bricht an-Nu'män auf. Das Kind und seine Mutter reisen in einer Kamelsänfte mit der Reiterkarawane. Aus Rücksicht auf die Schwäche der beiden läßt an-Nu'män die Karawane nur langsam voranziehen. Als sie schließlich in die Nähe der Stadt al-Hira kommen, zieht ihnen al-Mundir mit den Stammeshäuptlingen der Araber zum Empfang entgegen (7,10—8,3). In al-Hira angelangt, weist an-Nu'män dem Kind und seiner Mutter sein eigenes Schloß als vorläufigen Wohnsitz an und stellt ihnen eine zahlreiche Dienerschaft zur Verfügung. Auch sein Sohn al-Mundir faßt Zuneigung zu dem kleinen Prinzen und kümmert sich eifrig um sein Wohlergehen. Nach 2 Monaten bittet an-Nu'män seinen Sohn, für das Kind einen gesünderen Aufenthaltsort ausfindig zu machen, da die Hitze in der Stadt seiner zarten Gesundheit schaden könne. Daraufhin schlägt ihm al-Mundir das Schloß Hawarnaq vor (8,3—16). Die seltsame Geschichte dieses Schlosses ist so überliefert (8,17—12,26): Einst wollte an-Nu'män ein schönes Schloß in der Nähe von al-Hira bauen lassen und hatte sich einen Bauplatz in herrlicher Lage am Euphrat ausgesucht. Doch da er von den Bauleuten forderte, daß der Bau in seiner Schönheit einzigartig und unübertroffen sein sollte, dauerte es sehr lange, bis er einen Baumeister fand, der seinen hohen Anforderungen gerecht werden konnte. Ein byzantinischer Baumeister namens Sinimmär versprach ihm schließlich, ein Schloß nach seinen Wünschen zu bauen (8,17—9,24). Während die Mauern des Schlosses aufgeführt wurden, verschwand Sinimmär mehrmals von der Baustelle und blieb lange Zeit verschollen. Alle Nachforschungen des Königs blieben vergeblich. Erzürnt gab er den

Die Kindheit und Jugend Bahräm's (2,1—24,2)

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Befehl, den säumigen Baumeister hinzurichten, wenn er eines Tages wieder auftauchen sollte. Doch als Sinimmär zurückkehrte, zeigte er dem König Baupläne und Materialien, die er in der Fremde beschafft hatte und beschwichtigte so den Zorn des Königs. Wegen dieser Unterbrechungen dauerte es 60 Jahre, bis der Bau vollendet war (9,25—10,14). Dann aber übertraf das Schloß selbst die Erwartungen an-Nu'män's; denn es war nicht nur auf das prächtigste ausgestattet, sondern seine ganze Konstruktion war so klug erdacht, daß kein Mensch je dergleichen gesehen hatte. Das Wunderbarste daran war, daß die Mauern des Schlosses dreimal am Tage ihre Farbe wechselten. Der Ruf dieses einzigartigen Schlosses verbreitete sich schnell in der Welt, und bald eilte man von überall her nach al-Hira, um es zu besichtigen (10,15—11,7). Sinimmär erhielt von an-Nu'män eine überreiche Belohnung und lebte als geachteter Mann in al-Hira, ohne weiter seinem Handwerk nachzugehen. Nach einiger Zeit entschloß er sich, in seine Heimat zurückzukehren. Schon hatte er alle Reisevorbereitungen getroffen, da fand man ihn eines Tages tot am Fuße der Schloßmauern. Um seinen geheimnisvollen Tod rankten sich sofort verschiedene Gerüchte und Vermutungen, doch wußte niemand außer dem König wirklich, warum Sinimmär sterben mußte. Als ihn aber einer seiner Zechgenossen eines Tages danach fragte, entging er nur knapp dem Tode, so erzürnt zeigte sich an-Nu'män über die Frage (11,8—12,1).

Der Höfling gab jedoch nicht nach. Er wartete so lange, bis an-Nu'män seinen „guten Tag" hatte. Der König hatte nämlich einen Tag des Jahres zum „guten", einen anderen zum „schlechten" Tag bestimmt. An seinem „guten Tag" durfte man ihn ungestraft fragen, was man wollte, während an seinem „schlechten Tag" jeder, der ihm über den Weg lief, dem Tode verfallen war. Als an-Nu'män also an seinem „guten Tag" nach Sinimmär's Tod gefragt wurde, erzählte er, daß er selbst ihn vom Hawarnaq herabstoßen ließ. Sinimmär hatte ihm nämlich einen Stein im Gemäuer gezeigt, der den ganzen Bau trug. Wurde dieser Stein entfernt, so mußte das Schloß zusammenstürzen. Aus Angst, der Baumeister könnte dieses Geheimnis einem dritten anvertrauen, ließ ihn der König von der Zinne des Schlosses in die Tiefe stoßen (12,2—11). Doch erzählten die Leute auch, Sinimmär hätte sich vor dem König gerühmt, er hätte ein noch viel schöneres Schloß bauen können als dieses, hätte er nur gewußt, daß an-Nu'män ihn so reich belohnen würde. Damit er niemals ein Schloß bauen könnte, das sein Hawarnaq in den Schatten stellte, hätte ihn an-Nu'män umbringen lassen (12,12—22). Das Schicksal des Baumeisters wurde in dem Sprichwort von der „Belohnung Sinimmär's" festgehalten (12,23—26). Soweit die Vorgeschichte des Hawarnaq.

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Der König an-Nu'män stimmt dem Vorschlag seines Sohnes al-Mundir zu und läßt Bahräm auf das Schloß Hawarnaq bringen, um ihn dort aufzuziehen (12,27—13,4). Als einige Zeit darüber vergangen ist, sitzt der König eines Tages mit seinem frommen Wezir auf der Terrasse des Hawarnaq. Er genießt den Blick über das weite, blühende Land und freut sich seiner Macht und seines Reichtums. Als er sich dessen rühmt, öffnet ihm der Wezir die Augen für die Vergänglichkeit des Irdischen. Der König wird von diesem Gedanken so angerührt, daß er noch in der gleichen Stunde die Krone niederlegt, Besitz und Herrschaft aufgibt und in die Wüste entflieht. Als al-Mundir vom Wezir diese Nachricht hört, läßt er sofort nach seinem Vater forschen, doch wird niemals eine Spur von ihm gefunden. So besteigt schließlich alMundir den Thron, nachdem er lange über das Verschwinden an-Nu'män's getrauert hat (13,5—14,1). Als Nachfolger an-Nu'män's übernimmt er auch die weitere Erziehung des Prinzen Bahräm, der zusammen mit dem gleichaltrigen Sohn al-Mundir's heranwächst. Die beiden Prinzen erhalten eine sorgfältige Ausbildung in den verschiedenen Lehrfächern. Schon bald übertrifft Bahräm seine Lehrer an Wissen, so daß alle über seine Klugheit staunen. Als er 12 Jahre alt geworden ist, unterrichten ihn die tüchtigsten Lehrer im Reiten und im Gebrauch der Waffen. Auch hier stellt der Prinz bald seine Lehrer in den Schatten. Besonders zeichnet er sich durch seine Geschicklichkeit im Bogenschießen aus (14,2—15,3). Als er 15 Jahre alt ist, beherrscht er die verschiedenen Wissenschaften und Kampfesarten, so daß er nichts mehr hinzulernen kann. Von nun an widmet er seine Zeit der Jagd und dem Vergnügen. Da seine Jagdleidenschaft vor allem den Wildeseln gilt, erhält er den Beinamen „der Wildesel" (15,4—9). Bahräm jagt die Wildesel meistens nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit der Wurf schlinge. Die jungen Tiere, die er so einfängt, läßt er stets frei, nachdem er sie mit seinem Namen gezeichnet hat (15,10—18). Bahräm zeigt seine Meisterschaft im Bogenschießen bei verschiedenen Jagdabenteuern. Eines Tages erblickt er auf der Jagd einen Löwen, der einem Wildesel auf den Rücken gesprungen ist, um ihn zu zerreißen. Mit einem einzigen Pfeil heftet Bahräm den Löwen mit dem Wildesel zusammen, so daß beide tot zu Boden stürzen. Die Kunde von diesem Meisterschuß verbreitet sich im ganzen Land. Der König al-Mundir läßt diese Szene von den besten Malern im Schlosse Hawarnaq abbilden (15,19—16,4). Ein anderes Mal reitet Bahräm wieder mit al-Mundir zur Jagd in die Steppe. Er entfernt sich jedoch von seinen Begleitern, um allein zu jagen. Plötzlich kommt ihm ein Wildesel mit seltsam gefärbtem Fell vor Augen. Den ganzen Tag über verfolgt er dieses Tier, ohne es je einholen zu können. Gegen

Die Kindheit und Jugend Bahräm's (2,1—24,2)

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Abend verschwindet der Wildesel vor seinen Augen in einer Berghöhle. Bahräm folgt ihm bis zum Eingang der Höhle. In ihrem Innern erblickt er eine riesige schwarze Schlange mit lodernden Augen und feurigem Speichel, die sich am Boden ringelt und den Zugang zur Höhle versperrt. Bahräm überwindet den Schrecken, den ihm dieser furchtbare Anblick eingejagt hat. Mit einem zweizinkigen Pfeil blendet er die Schlange zunächst und schlägt dann dem tobenden Ungeheuer mit dem Schwert den Kopf ab. Da er vermutet, daß der Wildesel ihn zu der Höhle geführt hat, weil die Schlange ihm irgendein Leid angetan hatte, schlitzt Bahräm nach dem Kampf der Schlange den Bauch auf. Er findet darin zwei Wildeseljunge, die das Untier verschlungen hat. So ist er wirklich zum Rächer des Wildesels geworden (16,15—18,21). Kaum hat Bahräm die Höhle verlassen, um zu seinen Gefährten zurückzukehren, da zeigt sich ihm der Wildesel ein zweites Mal und verschwindet wieder in der Höhle. Auch dieses Mal folgt ihm Bahräm. Doch t u t er nur wenige Schritte ins Innere, als ihm in einer Ecke ein Gleißen und Funkeln in die Augen fällt. Er entdeckt an dieser Stelle einen Schatz von Gold und Edelsteinen. Da erkennt er, daß ihn der Wildesel mit diesem Schatz für seine Hilfe belohnen wollte (18,22—19,6). Er läßt zunächst alles an seinem Platz und macht sich auf, seine Gefährten zu suchen. Nicht weit von der Höhle entfernt trifft er mit ihnen zusammen. Bahräm führt al-Mundir und seine Begleiter zur Höhle, die noch im Blut der Schlange schwimmt, und alle rühmen ihn wegen seiner heldenhaften Tat. Da es schon Nacht geworden ist, schlagen sie ihr Lager vor der Höhle auf. Am nächsten Morgen lassen sie Maultiere und Kamele aus der Stadt heranführen, um die Schätze fortzuschaffen. Auch dieses Abenteuer Bahräm's ist bald in aller Munde ; al-Mundir läßt es, wie das Löwenabenteuer, im Hawarnaq abbilden (19,7—20,21). Eines Tages ist der junge Prinz schwermütig gestimmt. Um sich ein wenig aufzuheitern, durchstreift er die Säle des Schlosses. Plötzlich steht er vor einer verschlossenen Tür. Da er sich nicht erinnert, diese Tür jemals offen gesehen zu haben, packt ihn Neugier zu erfahren, was sich hinter dieser Tür verbirgt. So ruft er den Türhüter des Schlosses herbei und fordert von ihm den Schlüssel. Der Diener gibt ihn bereitwillig heraus, da der König an-Nu'män ihm diesen Schlüssel einst anvertraute, damit er ihn später Bahräm übergebe. Darauf schließt der Prinz die Tür auf und betritt den Raum (20,22—21,14). Er erblickt 7 kostbare Throne, auf ihnen 7 schöne Mädchen. Bei diesem Anblick erschrickt er heftig, da er sie für Menschen aus Fleisch und Blut hält. Doch als er näher hinschaut, erkennt er, daß es 7 Standbilder von außerordentlicher Schönheit sind. An jedem einzelnen Thron findet er ein Täfelchen mit einer Inschrift, die den Namen des Mädchens nennt. Aus diesen Inschriften ersieht Bahräm, daß es die Abbilder

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

der Königstöchter aus den 7 Klimata sind (21,15—22,22). Schließlich entdeckt er ein achtes Täfelchen, dessen Inschrift besagt, daß ihm, Bahräm, nach göttlichem Beschluß die Herrschaft über die 7 Klimata beschieden ist, und daß er einst die 7 Prinzessinnen als Gattinnen heimführen wird (22,23—27). Bahräm wirft sich nieder, um Gott für sein glückliches Geschick zu danken. Während er die 7 Standbilder, von denen eins schöner ist als das andere, betrachtet, wird er von leidenschaftlicher Liebe zu den 7 Prinzessinnen, die ihm zugedacht sind, ergriffen. Als er sich endlich von den Porträts seiner Geliebten trennen kann, verschließt er die Tür wieder sorgfältig und behält den Schlüssel bei sich. Von nun an sucht er jeden Abend, wenn er von der Jagd zurückgekehrt ist, diesen Raum auf und verbringt viele Stunden damit, die Bilder zu betrachten. So wächst seine Liebe zu den Prinzessinnen von Tag zu Tag (22,28—24,2).

Der Thronstreit

(24,3—36,7)

Eines Tages erinnert sich Bahräm seines Vaters, des Königs von Iran. Da er lange Zeit keine Nachricht von ihm erhalten hat, schickt er voller Besorgnis einen Boten in die Stadt seines Vaters, um Gewißheit über sein Geschick zu bekommen (24,3—8). Nach einigen Tagen kehrt der Bote zurück, und Bahräm erkennt schon an seiner traurigen Miene, daß er schlimme Kunde bringt: Yazdagird ist gestorben. Der Bote berichtet von seiner Reise. Bevor er die Residenz der Perserkönige betrat, traf er einen Bauern auf dem Felde, der ihm zur Umkehr riet, da kein Fremder die Stadt betreten dürfe. Der Bote schlich sich jedoch bei Einbruch der Dunkelheit in die Stadt und suchte alte Bekannte auf, die ihn beherbergten. Sie erzählten ihm, daß die Regierung jedem Fremden den Zutritt zur Stadt untersagt habe, seit der König Yazdagird vor fünf Jahren gestorben sei. Nach dem Tode des Königs — so berichteten die Freunde — forderten die Großen des Reiches die Wezire und hohen Beamten auf, Bahräm als Nachfolger seines Vaters aus al-Hira zu holen. Doch diese verschworen sich heimlich, Bahräm von der Thronfolge auszuschließen. Lange Zeit hielten sie die Bevölkerung mit ungewissen Auskünften hin, bis sie schließlich einen Edlen namens Husrau zum König ausriefen. Das Volk fand sich damit ab, da es nichts von Bahräm hörte. Die Verschwörer sorgten nämlich dafür, daß der Prinz keine Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt. Sie sperrten sogar die Stadt für alle Fremden, damit kein Bote Bahräm's die Stadt betreten könnte (24,9—25,21). Die Nachrichten des Boten versetzen Bahräm in tiefe Traurigkeit über den Tod seines Vaters und in heftigen Zorn über den Verrat der Wezire. Sein Erzieher und

Der Thronstreit (24,3—36,7)

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Freund al-Mundir sucht vergeblich, ihn zu trösten. Schließlich erbietet er sich, mit seinen Arabern gegen den Usurpator Husrau und die ungetreuen Wezire zu ziehen und für Bahräm's Thronfolgerecht zu kämpfen. Bahräm dankt ihm für seine Bereitwilligkeit, doch will er selbst nach Iran ziehen, wenn nur al-Mundir ihn mit den arabischen Soldaten unterstützt. Der Araberkönig sammelt sofort seine Truppen, die von anderen arabischen Stämmen noch Verstärkung erhalten. Nach wenigen Tagen rücken al-Mundir und Bahräm mit einem riesigen Heer gegen die iranische Hauptstadt vor. Nahe den Toren der Stadt schlagen sie ihr Lager auf (25,22—27,3). Auf diese Nachricht hin versammelt Husrau, der alt und kampfunfähig ist, die Wezire um sich und berät sich mit ihnen. Sie zerstreuen seine Besorgnis und versprechen ihm ihre volle Unterstützung gegen Bahräm, den sie als unerfahrenen Knaben abtun. Husrau soll jedoch versuchen, ihn zu einem freiwilligen Thronverzicht zu bewegen und so den Frieden mit den Arabern wahren (27,4—20). Daraufhin schreibt Husrau Bahräm einen Brief, um ihn zur Aufgabe seines Thronanspruchs zu bereden. Er weist in diesem Brief stolz auf sein Glücksgeschick hin, das ihm den iranischen Thron geschenkt habe. Außerdem stehe das Volk hinter ihm, da allen die Familie Yazdagird's verhaßt sei. Doch sei er, Husrau, trotz seiner Machtfülle nicht zu beneiden, da das Regieren ein anstrengendes und dorniges Geschäft sei. Früher dagegen, als diese Bürde noch nicht auf seinen Schultern gelegen habe, sei er glücklich gewesen und habe das Leben genießen können. So sei es nur ein wohlmeinender Rat, wenn er einen jungen, lebenslustigen Mann wie Bahräm vor der Schwere der königlichen Aufgaben warne. Bahräm solle lieber unbeschwert das Leben auskosten. Wenn er jedoch auf seinem Anspruch beharre, werde er von den iranischen Truppen eine schlimme Niederlage erleiden (27,21—28,20). Zwei iranische Wezire überbringen den Brief Husrau's. Als sie Bahräm zu Gesicht bekommen, staunen sie über seine Würde und Majestät. Bahräm wird über die Worte Husrau's sehr zornig, doch zügelt er seinen Zorn und behandelt die Abgesandten mit großer Freundlichkeit, so daß er ihr Herz gewinnt (28,21—29,8). In der Antwort an Husrau nennt er es seine Pflicht, den Thron, der ihm von seinen Vorvätern her zustehe, zu besteigen. Es gehe ihm nicht darum, das Leben zu genießen; denn dafür brauche er die Herrschaft nicht, da er selbst genug Reichtümer besitze. Wenn sein Vater hart und ungerecht gewesen sei, so könne man nicht ihn, den Sohn, dafür verantwortlich machen. Er werde als König danach streben, alles gutzumachen, was sein Vater verbrochen habe, und sich stets als gerechter Herrscher zeigen. Niemals sei er jedoch bereit, auf den Thron zu verzichten (29,9—28).

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Die Wezire, die seine Botschaft Husrau überbringen sollen, sind von dem jungen, schönen Prinzen angetan. Sie erkennen, daß er der wahre, berufene Herrscher ist und entschuldigen sich bei ihm für das Unrecht, das sie ihm zugefügt haben. Da sie jedoch Husrau den Treueid geschworen haben, soll Bahräm einen Ausweg ersinnen, sie von ihrem Eid zu lösen (30,1—19). Zur friedlichen Lösung des Konflikts schlägt Bahräm eine Tapferkeitsprobe vor, die zwischen ihm und Husrau entscheiden soll. An den Thron, auf den man die Königskrone gelegt hat, sollen zwei hungrige Löwen angebunden werden. Wer von den beiden Thronprätendenten es wagt, die Krone an sich zu nehmen, soll König sein. Der Vorschlag Bahräm's wird von den Weziren gutgeheißen (30,20—31,3). Als Husrau die Botschaft Bahräm's hört, erschrickt er über die Herausforderung. Er ist bereit, sofort zurückzutreten, doch halten ihn die Großen des Reiches davon ab. Erst soll — so sagen sie — Bahräm seine Worte wahr machen und sich der Löwenprobe stellen. Entweder werde er sich jedoch feige zurückziehen, oder aber die Löwen würden ihn zerreißen. In beiden Fällen bleibe Husrau die Krone erhalten (31,4—21). Am folgenden Tag begeben sich die Großen der Iranier mit Husrau zu einem Platz außerhalb der Stadt, wo die Probe stattfinden soll ; auch das Volk strömt herbei, um sich das Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Der Thron wird in der Mitte des Platzes aufgestellt und die Krone darauf niedergelegt. Dann bringen die Tapfersten der Männer zwei gewaltige Löwen herbei, die vor Hunger brüllen und an ihren Ketten reißen. Sie werden zu beiden Seiten des Thrones angepflockt. Als alles bereit ist, schickt man nach Bahräm, der unverzüglich mit al-Mundir erscheint. Das Volk schenkt ihm auf den ersten Blick seine Zuneigung und ängstigt sich um sein Leben. Ein Herold verkündet, daß jeder, der die Krone an sich nimmt, den iranischen Thron besteigen darf, doch wagt es natürlich niemand außer Bahräm, sich der Probe zu unterziehen. Bahräm legt seine Rüstung ab und nähert sich den Löwen unbewaffnet. Während al-Mundir und das Volk um ihn bangen, lachen die Großen der Iranier über seine Tollkühnheit und Vermessenheit. Nach einem kurzen Gebet geht Bahräm furchtlos auf die Löwen zu. Als sie sich auf ihn stürzen, packt er sie bei den Ohren, schüchtert sie durch ein lautes Gebrüll ein und reißt sie dann plötzlich mit aller Kraft an den Ohren, so daß sie vor Schmerz das Bewußtsein verlieren und schließlich leblos zu Boden sinken. Dann geht Bahräm zwischen ihnen hindurch zum Thron, setzt sich die Krone auf das Haupt und besteigt den Thron (31,22—34,8). Das Volk jubelt ihm als seinem neuen Herrscher zu. Als erster bringt ihm Husrau seine Huldigung dar, seinem Beispiel folgen die Großen der Iranier und das ganze Volk. Gegen alle zeigt sich Bahräm freundlich und

Die Geschichte der Sklavin Fitna (36,8—45,1)

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versöhnlich. Freudenboten werden in alle Gegenden des Reiches gesandt und prunkvolle Freudenfeste gefeiert. Aus Dankbarkeit für seinen Triumph öffnet der junge König die Schatzkammern und verteilt das Geld an die Armen in seinem Land (34,9—22). Als Bahräm so den Thron seines Vaters bestiegen hat, läßt er durch Herolde überall eine Proklamation ausrufen. Er dankt darin Gott für seine Hilfe, die ihn über die Löwen siegen ließ. Allen seinen Untertanen verspricht er eine gerechte Regierung und fordert seine Beamten auf, diesem Beispiel zu folgen und ihre Macht nicht zu mißbrauchen. Denen, die trotzdem Unrecht tun, droht er strenge Strafen an, wenn sie sich nach einmaliger Ermahnung nicht bessern (34,23—35,14). In seiner Regierung macht Bahräm alle Versprechungen wahr, so daß ihn seine Untertanen von Herzen lieben und Gott um eine lange Regierungszeit für ihn anflehen. Er verschafft dem Land Blüte und Frieden, indem er allen ihr Recht zukommen läßt. Die Gutwilligen behandelt er mit Müde und Güte, doch die unbelehrbaren Übeltäter und Feinde des Volkes rottet er aus. So herrscht er vier, fünf Jahre in vollkommener Gerechtigkeit (35,15—36,7). Die Geschichte der Sklavin Fitna

(36,8—45,1)

Niemals kann Bahräm die sieben Prinzessinnen, deren Bilder er einst im Schlosse Hawarnaq sah, vergessen. Seine Liebe zu ihnen wird von Tag zu Tag heftiger, und da er nicht weiß, wie er zu ihnen gelangen soll, fällt er in tiefe Melancholie. Er zieht sich immer mehr von den Menschen zurück, ohne jedoch seine Pflichten zu vernachlässigen. Als er schließlich am Ende seiner Kräfte ist, wählt er sich aus seinem Harem eine schöne Sklavin namens Fitna aus, die seine trüben Gedanken zerstreuen soll. Die kluge Sklavin, die zudem eine Meisterin im Gesang und Lautenspiel ist, merkt bald, was dem jungen König fehlt. Sie setzt ihre ganze Kunst ein, um ihn die sieben Prinzessinnen vergessen zu lassen. So dauert es nicht lang, bis Bahräm der Sklavin in Liebe verfallen ist und sich nur von ihr trennt, wenn er den Regierungsgeschäften nachgeht. Auf der Jagd reitet sie stets an seiner Seite (36,8—37,16). Auf einem dieser Jagdausflüge sondern sich die beiden von den übrigen Reitern ab, und Fitna unterhält ihren Geliebten mit Lautenspiel und Gesang. Während sie gemächlich dahinreiten, werden vor ihnen zwei Wildesel aufgeschreckt, und Bahräm's Jagdleidenschaft erwacht. Fitna fordert von ihm, er solle mit einem Pfeil Huf und Ohr eines der Tiere zusammenheften und so seine Meisterschaft im Bogenschießen beweisen. Bahräm geht gern auf ihren Wunsch ein. Er schießt zunächst einen Pfeil so nah am Ohr eines 2

Pantke, Roman

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

der Wildesel vorbei, daß das Tier den Luftzug an seinem Ohr spürt und den Fuß hebt, um sich am Ohr zu kratzen. In diesem Augenblick schießt der König einen zweiten Pfeil ab, der Ohr und Huf des Wildesels zusammenheftet. Als Bahräm nun von Fitna ein Lob seines Meisterschusses erwartet, kränkt sie ihn, indem sie seine Leistung herabsetzt: der Schuß war kein besonderes Kunststück, da sich Bahräm viele Jahre durch Übung im Bogenschießen darauf vorbereitet hat (37,17—38,10). Über diese Worte wird er so zornig, daß er ihren Tod beschließt. E r tötet sie jedoch nicht selbst, sondern ruft seinen Haushofmeister herbei und befiehlt ihm, die Sklavin mit sich zu nehmen und zu töten. Die schöne Sklavin weckt im Haushofmeister ( qahramän ) Mitleid. Als Fitna das merkt, überredet sie ihn, sie einige Tage am Leben zu lassen, um abzuwarten, ob den König sein harter Befehl reut. Der Haushofmeister soll die Gedanken Bahräm's erkunden, indem er sagt, daß er den Tötungsbefehl vollstreckt hat. Wenn der König sich bei dieser Nachricht freut, will Fitna sterben, läßt er jedoch Reue erkennen, ist es zu aller Vorteil, daß sie nicht getötet worden ist. Als Fitna dem Haushofmeister überdies ein kostbares Halsband schenkt, läßt sich der Haushofmeister bereden und führt aus, was sie ihm geraten hat. E s trifft so ein, wie Fitna vermutet hat: Bahräm fällt in tiefe Betrübnis, als er am nächsten Tag hört, daß Fitna hingerichtet worden sei. Der Haushofmeister läßt sich aber nicht anmerken, daß der Kummer des Königs grundlos ist. Er behandelt von nun an die Sklavin, deren Scharfsinn er bewundert, mit großer Ehrerbietung. Er bringt sie auf sein eigenes, schönes Schloß und läßt es ihr an nichts fehlen (38,11—40,3). Eines Tages bittet Fitna einen der Diener, ihr ein junges, neugeborenes Kalb zu kaufen, damit es ihr die Langeweile vertreibe. Sie gewöhnt sich von nun an daran, dieses Kalb jeden Tag dreimal die 60 Stufen zur Terrasse des Schlosses hinauf- und wieder hinunterzutragen. Nach drei Jahren ist aus dem Kälbchen ein schwerer Stier geworden, doch noch immer trägt sie das Tier auf ihren Schultern. Sie spürt das Gewicht des Stieres nicht, da sie sich langsam daran gewöhnt hat (40,4—18). Nach dieser Zeit ruft sie den Haushofmeister zu sich und bittet ihn um seine Hilfe, da sie die Gunst Bahräm's wiedergewinnen will. Der Haushofmeister erhält den Auftrag, alle für ein Gastmahl notwendigen Dinge zu besorgen. Wenn dann Bahräm eines Tages in die Gegend des Schlosses kommt, soll er ihn zu sich einladen und ihm ein prächtiges Mahl richten. Der Haushofmeister befolgt ihre Worte. Als Bahräm in dieser Gegend auf der J a g d ist, erblickt er das Schloß des Haushofmeisters und staunt über seine Pracht. Gern nimmt er die Einladung für den Abend an und entläßt den Haushofmeister, damit er alles vorbereiten könne. Fitna richtet ein üppiges Mahl her, als sie diese Nachricht hört (40,19—42,9).

Der Krieg mit dem König von China (45,3—57,3)

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Am Abend erscheint Bahräm mit seinem Gefolge im Schloß. Der Haushofmeister, dem Fitna zuvor genaue Anweisungen gegeben hat, führt die Gäste die 60 Stufen zur Terrasse hinauf, wo alles für das Mahl bereitsteht. Nach dem Essen äußert Bahräm Verwunderung über die hohe Terrasse. Da ihn, den jungen Mann, das Treppensteigen ermüdet hat, ist er erstaunt, daß der alte Haushofmeister diese Anstrengung auf sich nimmt. Als dieser von der schönen Sklavin erzählt, die dreimal am Tag mit einem ausgewachsenen Stier auf dem Rücken diese Stufen emporsteigt, glaubt ihm keiner in der Gesellschaft. Da bittet er den König, sich mit eigenen Augen von der Wahrheit seiner Worte zu überzeugen, und Bahräm geht darauf ein. Sobald Fitna vom Haushofmeister den Befehl des Königs gehört hat, steigt sie in ihrem schönsten Schmuck zum Stall des Stieres hinab, hebt das Tier auf ihre Schultern und trägt es die 60 Stufen zur Terrasse empor, wo sie es vor den Augen der Gesellschaft zu Boden legt. Obwohl Bahräm bei diesem Anblick staunt, will er ihr kein Lob spenden, sondern sagt, sie habe es durch langsame Gewöhnung zu dieser Leistung gebracht, deshalb sei es nichts Besonderes und Wunderbares (42,10—43,24). Als Fitna diese Worte von ihm hört, wirft sie sich vor ihm nieder. Sie stimmt ihm darin bei, daß nur die Gewohnheit sie zu dieser Leistung befähigte und fragt ihn, warum er selbst erzürnt sei, wenn man sein meisterhaftes Bogenschießen der Gewohnheit zuschreibe. An diesen Worten erkennt Bahräm, daß seine frühere Geliebte Fitna vor ihm steht. Die Freude, sie noch lebend zu finden, macht ihn wie von Sinnen, so daß Fitna ihn zur Mäßigung ermahnen muß. Bevor er mit der Geliebten in sein Schloß zurückkehrt, belohnt er den Haushofmeister, der ihr einst das Leben schenkte, mit einem seiner Landgüter. Außerdem macht er ihn zum Oberbefehlshaber seiner Truppen. Dann zieht er sich mit Fitna in seinen Palast zurück, um sich ganz der wiedergefundenen Geliebten zu widmen (43,25—45,1).

Der Krieg mit dem König von China (45,3—57,3) Bahräm genießt das Glück, wieder mit der geliebten Sklavin Fitna vereint zu sein, so sehr, daß er blind für seine Pflichten wird. Tag und Nacht verbringt er in Fitna's Gesellschaft und kümmert sich immer weniger um die Regierungsgeschäfte, bis er schließlich jeden Gedanken daran aufgibt. Schon bald zeigen sich die verheerenden Folgen seiner Mißregierung: die innere Ordnung des Reiches verfällt mehr und mehr; Bestechung, Raub und Mord greifen ungehindert um sich, bis niemand mehr seines Lebens und Besitzes sicher ist. Zwar versuchen einige gutgesinnte Wezire, den 2*

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

König endlich zum Einschreiten zu bewegen, doch erhalten sie nur leere Versprechungen, wenn der König sie überhaupt empfängt (45,3—46,4). Es dauert nicht lange, so erfahren die Feinde Irans von den Zuständen im Lande. Als erster will der König von China die günstige Gelegenheit nutzen und das Land des Königs Bahräm erobern. Er sammelt ein riesiges Heer und zieht eilig in Richtung der iranischen Grenze. Als die Wezire Bahrain's diese Nachricht hören, beschließen sie, sich der Übermacht der Chinesen kampflos zu ergeben, da sie die Hoffnung auf ein Eingreifen des Königs aufgegeben haben. Zwar benachrichtigen sie ihn von ihrem Entschluß, doch, wie erwartet, läßt sich Bahräm in seinem Lebensgenuß nicht stören. Erst, als das feindliche Heer vor die Stadt gelangt ist und sie umzingelt hat, erwacht er aus seiner Sorglosigkeit, doch findet er bei seinen früheren Ratgebern keine Unterstützung mehr. Da die Stadt am nächsten Morgen den Feinden übergeben werden soll, bleibt Bahräm nichts als die Flucht (46,5—47,7). Zuvor aber sammelt er eine kleine Schar arabischer Reiter, die alMundir ihm als Wachtruppe zurückgelassen hat, um sich. Sie versprechen, ihn bedingungslos zu unterstützen, sei es auch in offener Schlacht gegen die gewaltige Übermacht. Doch Bahräm will die Feinde erst angreifen, wenn sie innerhalb der Stadtmauern sind. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, muß er zunächst aus der Stadt fliehen. Hinter den Truppen des Chinesenkönigs will er dann die Stadt wieder betreten, um die Feinde gemeinsam mit den Arabern zu überfallen (47,7—25). Bei Einbruch der Dunkelheit reitet Bahräm in voller Rüstung zur Stadt hinaus. Unbehelligt gelangt er hinter die feindlichen Linien; denn der Chinesenkönig hat wegen der bevorstehenden Kapitulation seinen Soldaten verboten, einen Iranier anzugreifen. Im Rücken der feindlichen Truppenlager wartet Bahräm das weitere Geschehen ab. Am nächsten Morgen überbringen die Wezire dem König von China die Schlüssel der Stadt. Sie erkennen ihn als König an, da ihr eigener Herrscher ein törichtes Kind ist, wie sie sagen. Dann rückt das Heer der Chinesen in die Stadt ein und besetzt das Königsschloß. Der Chinesenkönig findet Bahräm nicht mehr vor, und so besteigt er voll Freude über den schnellen Sieg den Thron der iranischen Könige. Gegen Abend läßt er sich von den Weziren die Schatzkammern öffnen, doch kommt er nicht mehr dazu, sie zu plündern (47,26—49,6). Plötzlich erhebt sich nämlich in der Stadt Lärm und Klagegeschrei. Von einem chinesischen Soldaten hört der König, daß Bahräm wieder in die Stadt eingedrungen sei und mit einer kleinen Truppe, aber mit großer Tapferkeit, kämpfe. Bahräm hat die Stadt in der Dunkelheit der Nacht betreten und sich mit den Arabern, die ihn schon erwarteten, getroffen. Gemeinsam mit ihnen liefert er den Chinesen eine gewaltige Schlacht. Als

Der Krieg mit dem König von China (45,3—57,3)

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auch die Bewohner der Stadt zu den Waffen greifen und ihren rechtmäßigen König unterstützen, geraten die Chinesen in völlige Verwirrung. Die Kampfeswut Bahräm's versetzt sie in Angst und Schrecken, und so leisten sie nur geringen Widerstand. Ein großer Teil von ihnen wird niedergemetzelt, und nur wenige, unter ihnen der König, können sich durch die Flucht retten. Bei Tagesanbruch ist die Stadt von Chinesen frei. Als Bahrain sein Schloß betritt, muß er sehen, daß der Chinesenkönig entkommen ist (49,7—51,6). Nach der Vertreibung der Feinde hält Bahräm ein strenges, aber gerechtes Strafgericht über die verräterischen Wezire. Einige läßt er hinrichten, andere gefangensetzen, wieder andere verbannt er. Dann geht er daran, wieder Ordnung im Land zu schaffen, und bald ist sein Reich blühend wie zuvor. Die übrigen feindlichen Könige sind durch die Kunde von der Niederlage des chinesischen Heeres eingeschüchtert (51,7—52,2). Als wieder Ruhe und Frieden herrschen, schreibt Bahräm einen Brief an den König von China. E r erinnert ihn an das Unrecht, das er den Iraniem durch seinen Einfall in ihr Land zugefügt hat, und an seine Niederlage und schmähliche Flucht. Bahräm bietet ihm an, auf Rache zu verzichten, wenn der Chinesenkönig ihm seine Tochter zur Frau gebe und zusammen mit ihr die Grundsteuer (haräg) für sieben Jahre schicke. Wenn er sich weigere werde sein Land verwüstet werden (52,3—24). Während noch der Bote mit diesem Brief unterwegs ist, schlägt ein Wezir Bahräm vor, ein schönes Mädchen aus dem Geschlecht des Kai Kä'üs zur Frau zu nehmen. Bahräm erinnert sich, daß er einst ihr Bild im Hawarnaq sah und stimmt freudig zu. Die Hochzeit wird feierlich begangen, und der König läßt seiner Gattin ein Schloß bauen, schöner noch als das Schloß Hawarnaq. Die Sklavin Fitna, die am Unglück des Landes schuld war, verschwindet ganz aus seinen Gedanken (52,25—53,19). Als der König von China die Botschaft Bahräm's hört, ist er im Grunde seines Herzens erfreut darüber, daß Bahräm seine Tochter zur Frau begehrt. E r versammelt seine Wezire, um sich mit ihnen zu beraten. Ein alter, erfahrener Wezir rät davon ab, sich Bahräm's Wünschen zu widersetzen, da das den Untergang ihres Reiches bedeute. Es gebe nach dem Willen des Schicksals keinen Weg, als die Forderungen des iranischen Königs zu erfüllen, da schon bei der Geburt Bahräm's von den Astrologen vorausgesagt worden sei, er werde die 7 Klimata beherrschen und die Hand der 7 Prinzessinnen aus diesen Regionen erlangen. Die Worte des Wezirs überzeugen den König und die Versammlung. Drei Tage lang trifft man die Vorbereitungen für die Abreise der Prinzessin. Am vierten Tage macht sich der Bote Bahräm's mit der Prinzessin Luqmän und großen Reichtümern auf den

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Heimweg. Bahräm schickt ihnen einen Geleitzug entgegen und läßt die Stadt zum Empfang seiner neuen Gattin schmücken. Als sie eingetroffen ist, feiert er Hochzeit mit ihr und läßt auch ihr ein Schloß bauen. Wieder möchte Bahräm in seiner Leidenschaft seine Pflichten zurückstellen, doch Luqmän mahnt ihn, nicht noch einmal in den gleichen Fehler zu verfallen. So widmet sich der König tagsüber den Regierungsgeschäften, abends aber sucht er seine beiden Gattinnen auf. Abwechselnd verbringt er eine Woche im Schloß der iranischen, eine andere im Schloß der chinesischen Prinzessin (53,20 bis 57,2).

Der Feldzug gegen den Kaiser von Rüm (57,S—61,2) Nach einiger Zeit beschließt Bahräm, auch um die übrigen der sieben Prinzessinnen, die ihm verheißen worden sind, anzuhalten. Zuerst wendet er sich in einem Brief an den Kaiser von Byzanz (Rüm) und bittet um seine Tochter. Außerdem verlangt er von ihm die Kopfsteuer (gizya) und Reichtümer. Der Brief ruft den Zorn des Kaisers hervor. Er antwortet ihm mit einem Schmähbrief und sammelt seine Truppen, um Bahräm entgegenzutreten. Auch Bahräm ist über den Brief des Gegners erzürnt und rüstet zum Kriege. Er setzt mit seinen Truppen über das Meer und liefert dem Kaiser im Herzen des byzantinischen Reiches eine heftige Schlacht. Am Abend muß das Heer des Kaisers zurückweichen, und die Gegner trennen sich. Als der Kaiser sieht, daß ein großer Teil seiner Soldaten gefallen ist, tadelt er seine Generäle und stachelt sie zu neuem Kampf auf. Am nächsten Morgen beginnt die Schlacht von neuem. Bahräm reitet mitten durch das Kampfgetümmel und tötet eigenhändig alle Feinde, die der Kaiser auf ihn hetzt (57,3—58,22). Nach kurzer Zeit ist das Heer des Kaisers geschlagen und wendet sich zur Flucht. Der Kaiser will sich und seine Truppen in der Stadt in Sicherheit bringen und sich für die Belagerung rüsten. Bahräm durchschaut seinen Plan und läßt deshalb nur einen Teil seiner Soldaten zum Beutemachen auf dem Schlachtfeld zurück. Er selbst rückt ohne Aufenthalt mit 10000 Reitern hinter dem Kaiser her, um die Stadt vor ihm zu erreichen. Das gelingt ihm, da der Kaiser sich schon in Sicherheit wiegt und zu langsam vorrückt. Bahräm läßt die Hälfte seiner Leute zur Bewachung eines der Stadttore zurück, mit der anderen Hälfte reitet er in die Stadt. Auch der Kaiser betritt die Stadt, jedoch durch ein anderes Tor. Seine Hoffnung, in der engen Stadt den Feind eher besiegen zu können als auf offenem Schlachtfeld, erfüllt sich nicht. Nach kurzem Kampf sind seine Truppen völlig aufgerieben, und er muß um Frieden bitten (58,23—59,21).

Das indische Abenteuer (61,3—72,3)

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Bahräm nimmt das Friedensgesuch an und verbietet weiteres Blutvergießen. Der Kaiser unterwirft sich ihm und bittet ihn um Verzeihung. Bahräm behandelt ihn mit großer Freundlichkeit und Milde. Er setzt den Kaiser nicht ab, sondern überläßt ihm weiterhin die Herrschaft. Drei Tage lang gibt der Kaiser für seinen künftigen Schwiegersohn ein Fest. Am vierten Tag aber führt er ihm seine Tochter zu und legt ihm ans Herz, sie gut zu behandeln. Bahräm verspricht es, und nachdem alle Reichtümer, die der Kaiser ihm schenkte, verladen sind, macht sich Bahräm mit seinem Heer auf den Heimweg. Als er in seiner Residenz angelangt ist, feiert er mit der Tochter des Kaisers Hochzeit. Dann läßt er auch für sie ein prächtiges Schloß errichten (59,22—61,2).

Das indische Abenteuer

(61,3—72,3)

Nach dem Sieg über den Kaiser beschließt Bahräm, die Hand der indischen Prinzessin zu gewinnen. Da der Weg nach Indien aber lang und beschwerlich ist und der Inderkönig tapfere Soldaten hat, verzichtet Bahräm darauf, mit einem Heer nach Indien zu ziehen. Vielmehr begibt er sich allein, als iranischer Gesandter verkleidet, an den Hof des Inderkönigs. Dort angekommen, läßt er sich beim König melden, doch wird er nicht sofort vorgelassen. Man empfängt ihn auch nicht mit der Ehrerbietung, die er erwartet hat, sondern stellt ihm und seinem Gefolge lediglich eine Unterkunft zur Verfügung. Erst am nächsten Tag gibt ihm der König eine Audienz. Bahräm weist sich als Gesandter des iranischen Königs aus, dessen einzigartige Stärke und Macht er vor den Indern preist, und überreicht dem König einen Brief, den er selbst verfaßt hat. Die selbstbewußten Worte des Gesandten, noch mehr aber der Inhalt des Briefes, in dem die indische Prinzessin samt Steuern und anderen Abgaben gefordert wird, erzürnen den König so, daß er nahe daran ist, den iranischen Gesandten — Bahräm — zu töten (61,3—62,25). Noch einmal weist der Gesandte auf die Unbesiegbarkeit seines Herrn hin, der zum Beweis seiner überragenden Stärke 100 iranische Reiter mit ihm geschickt habe. Wenn die besten Krieger der Inder diese 100 Reiter besiegten, wolle er die Grenzen Irans nicht überschreiten, um nach Indien zu ziehen ; siegten aber die Iranier, so wisse der Inderkönig ein für allemal, gegen welch starken Gegner er zu kämpfen habe, wenn er seine Forderungen nicht erfülle. Der Gesandte bietet sich sogar an, allein gegen 100 indische Kämpfer anzutreten. Der Inderkönig geht darauf ein. Am nächsten Tag stellt sich Bahräm auf einem Platz außerhalb der Stadt seinen Gegnern. Als ersten schickt der König seinen tapfersten und stärksten Krieger gegen den Gesandten, damit er ihn töte. Bahräm läßt es nicht

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

zu einem Waffengang kommen, sondern blitzschnell hebt er den Gegner aus dem Sattel und schleudert ihn zu Boden. Die zuschauende Menge ist von seiner Kraft und Geschicklichkeit begeistert. Niemand glaubt, daß er nur ein gewöhnlicher Abgesandter seines Königs sei, sondern man vermutet in ihm den Bruder des Königs Bahräm oder einen großen iranischen Fürsten. Der Inderkönig begnügt sich mit dieser Kampfesprobe, und man kehrt in die Stadt zurück (62,26—64,6). Den versammelten Weziren teilt der König darauf mit, daß er seine Tochter dem Gesandten, den er liebgewonnen habe, zur Frau geben und ihn zum Thronfolger machen wolle, da ein solcher Held eine Stütze seines Reiches sei. Die Wezire stimmen ihm zu, und einer von ihnen begibt sich zum Gesandten, um ihm das Angebot des Königs zu verkünden. Der König stellt jedoch die Bedingung, daß der Gesandte nicht nach Iran zurückkehren darf. Nach kurzem Zögern nimmt Bahräm das Angebot an, da er hofft, später Mittel und Wege zu finden, in sein Reich heimzukehren. Die Hochzeit wird mit großer Pracht gefeiert; doch als Bahräm mit seiner jungen Gattin allein ist, hält er sich von ihr fern, da ihn sein Versprechen, in Indien zu bleiben, bedrückt. Die schöne Prinzessin ist über seine Kälte, die sie sich nicht erklären kann, verzweifelt. Als Bahräm schließlich eingeschlafen ist, weckt sie ihn mit ihren Tränen. Er entschuldigt sich für sein Verhalten und deutet an, daß ihn ein großer Kummer quäle. Er will ihr aber die Ursache seines Kummers nicht nennen, da er fürchtet, verraten zu werden. Doch die Prinzessin weiß bereits um sein Geheimnis. Bevor er als Gesandter an den Hof kam, hat sie nämlich im Traum einen Mann von seinem Aussehen erblickt und seinen Namen, König Bahräm, gehört. Nun ist sie sicher, daß der Gesandte in Wirklichkeit der iranische König ist (65,1—67,17). Bahräm erkennt an ihren Worten, daß er ihr vertrauen kann. Deshalb bittet er sie um ihre Hilfe, da er nach Iran zurückkehren und sich um sein eigenes Reich kümmern müsse. Die Prinzessin verfällt auf einen Ausweg. An einem Fest, das bald wieder gefeiert werden soll, pflegt der König mit den Großen der Stadt zu einem Tempel weit außerhalb der Stadt zu ziehen und sich dort den ganzen Tag aufzuhalten. Dieses Fest ist der beste Zeitpunkt für ihre gemeinsame Flucht. Die Woche, die ihnen bis zum Fest verbleibt, geht für die beiden Liebenden in Freude und Vergnügen dahin, so daß der Inderkönig keinen Verdacht schöpft (67,18—68,21). Als am Tage des Festes der König mit seinem Gefolge zum Tempel aufgebrochen ist, flieht Bahräm mit der Prinzessin Nür und seinen Leuten aus der Stadt. Den ganzen Tag lang reiten sie ohne Halt in Richtung der Grenzen Irans. Bei Einbruch der Nacht schlagen sie ihr Lager am Fuß eines Berges auf. Als der Inderkönig am Abend in die Stadt zurückkehrt,

Das Leben Bahrain's mit den 7 Prinzessinnen (72,5—356,18)

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findet er die beiden ausgeflogen und errät, wohin ihre Flucht geht. Mit seinen besten Reitern macht er sich sofort zu ihrer Verfolgung auf. Am Morgen bemerkt Bahräm, daß der König sich dem Lager nähert. Er will sich seinem Schwiegervater zum Kampf stellen, obwohl die Prinzessin versucht, ihn davon abzuhalten. Sie selbst schaut von einer Anhöhe aus zu, wie die Begegnung verläuft (68,22—70,5). Als der Inderkönig sieht, daß sich Bahräm zum Kampf rüstet, schmäht er ihn in maßlosem Zorn. Er nennt ihn wahnsinnig und treulos und wirft ihm vor, daß er ihm seine vielen Gunsterweise übel gedankt habe. Bahräm zügelt seinen Zorn und erklärt dem König, was ihn zur Flucht getrieben habe. Als der Inderkönig hört, daß vor ihm der König von Iran steht, verzichtet er auf Kampf und Blutvergießen, da er um Bahräm's Heldenhaftigkeit weiß und seiner Tochter Leid ersparen will. So söhnt er sich mit seinem Schwiegersohn aus. Er lädt Bahräm und Nur ein, wieder mit ihm nach Indien zu ziehen und dort noch einige Tage seine Gastfreundschaft zu genießen, doch lehnt Bahräm ab, da er so schnell wie möglich in sein Reich zurückkehren will. Sie bleiben jedoch einen Tag an jenem Platz, um gemeinsam Abschied zu feiern. Am folgenden Tag trennen sich die beiden Könige, und jeder zieht in sein Land zurück. Der Jubel der Iranier über Bahräm's glückliche Heimkehr ist groß. Sie schmücken die Stadt, und ein Freudenfest löst das andere ab. Der König kümmert sich wieder um die Regierungsgeschäfte und widmet die übrige Zeit seinen Frauen (70,5— 72,5).

Das Leben Bahräm's mit den 7 Prinzessinnen

(72,5—356,18)

Nach seiner Rückkehr aus Indien schreibt Bahräm an den Herrscher von H u ärizm und an die Könige des Slawenlandes und des Westens (Magrib). Einen jeden von ihnen bittet er um die Hand seiner Tochter und fordert gleichzeitig den Tribut des Landes. Die drei Herrscher geben seinen Wünschen nach, da auch sie von Bahräm's Unbesiegbarkeit gehört haben. Nun ist die Voraussage der Inschrift, die Bahräm einst im Hawarnaq entdeckte, in Erfüllung gegangen: Bahräm hat die 7 Prinzessinnen aus den 7 Klimata geheiratet und 7 Königreiche seiner Herrschaft unterworfen. Für jede der 7 Prinzessinnen läßt er ein prächtiges Schloß in ihrer Lieblingsfarbe bauen, dessen gesamte Einrichtung von derselben Farbe ist. Jedes der 7 Schlösser benennt er nach einem Planeten: das schwarze nach Saturn, das sandelfarbene nach Jupiter, das rote nach Mars, das gelbe nach der Sonne, das weiße nach der Venus, das blaue nach Merkur und das grüne nach dem Mond (72,5—73,14).

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Auch die Kleider der 7 Prinzessinnen und ihrer Dienerschaft sind in diesen Farben gehalten, und ebenso legt der König ein Gewand in der passenden Farbe an, wenn er seine Gattinnen in ihren 7 Schlössern besucht; er macht es sich nämlich zur Gewohnheit, an jedem Tage der Woche zu einer anderen seiner Frauen in ihren Palast zu gehen und mit ihr den Abend zu verbringen. Jede der 7 Prinzessinnen muß ihm bei seinem ersten Besuch eine Geschichte erzählen. So begibt er sich am Samstag in das schwarze Schloß, Saturn genannt, in dem ihn die indische Prinzessin, die ganz in Schwarz gekleidet ist, empfängt. Alles ist auf das festlichste für den König bereitet. Als beide vom Wein berauscht sind, bittet die Prinzessin den König, ihm eine Geschichte erzählen zu dürfen (73,15—74,16). Sie erzählt ihm die „Geschichte des schwarzgekleideten Königs" (74,17—131,15)1. Am Sonntag besucht Bahräm Humäy, die Prinzessin von Byzanz, im gelben Schloß und hört von ihr die „Geschichte des Königs von Irak" (134,2—156,6), dem eine Sklavin die „Geschichte von Sulaimän und Bilqis" (142,23—144,5) erzählt. Der Montag gehört der Prinzessin von H u ärizm, die den König in ihrem grünen Schloß erwartet. Bahräm läßt sich von ihr die „Geschichte vom Gottesdiener Çâbid) Basr" berichten (159,1—174,29). Am Dienstag empfängt ihn die slawische Prinzessin in ihrem roten Palast. Von ihr hört Bahräm die „Geschichte der scharfsinnigen Söhne des Königs von Ceylon" (181,14—209,24), die mit der „Geschichte von der schönen Prinzessin und ihren Rätseln ('Turandot')" verbunden ist (209,25 —237,10). Am Mittwoch besucht Bahräm die Prinzessin des Westens im blauen Schloß. Sie erzählt ihm die „Geschichte von Mähän und den Wüstendämonen (gtlän)" (243,4—286,6). Am Donnerstag begibt sich Bahräm in den sandelfarbenen Palast zu der iranischen Prinzessin aus dem Geschlecht des Kai Kä'üs und hört von ihr die „Geschichte der beiden Gefährten 'Bös' und 'Gut'" (289,11—317,9). Der letzte Tag, der Freitag, gehört der chinesischen Prinzessin, die den König in ihrem weißen Schloß empfängt. Sie erzählt ihm die „Geschichte von den Frauen im Garten und dem jungen Sohn des Wezirs" (324,1 —350,12). Am Ende der Woche verabschiedet sich Bahräm von seiner Gattin Luqmän, der chinesischen Prinzessin, und begibt sich in seinen Regierungspalast, wo er eine Audienz erteilt. Ein Bote wird gemeldet und bittet um 1

Zum Inhalt dieser und der übrigen Erzählungen, mit Ausnahme der Geschichte der slawischen Prinzessin, die ich ausführlich behandelt habe, s. R . G E L P K E ' S Prosaübersetzung der sieben Erzählungen aus Nizämi's Haft Paikar (Die sieben Geschichten der sieben Prinzessinnen).

Die Geschichte vom ungetreuen Wezir und Bahräm's Tod (356,19—367,16)

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Einlaß. Er überbringt Bahräm einen Brief, der von den 6 Königen, deren Töchter er als Gattinnen heimgeführt hat, unterzeichnet ist. Sie sind aus ihren Ländern aufgebrochen, um den Schwiegersohn und sein Reich zu besuchen. Am folgenden Tag reitet ihnen Bahräm mit einem Geleitzug entgegen und heißt sie mit größter Ehrerbietung willkommen. Auch die Bewohner der Stadt strömen hinaus, den seltenen Anblick einer Versammlung von 7 Königen zu genießen. Die Könige begegnen Bahräm mit großer Höflichkeit und Unterwürfigkeit (350,13—353,9). Bahräm kehrt mit ihnen in die Stadt zurück. In seinem Palast besteigt er den Thron des Königreiches, um die Gäste in feierlicher Audienz zu empfangen. Als sie vollzählig versammelt sind, hält der König vor ihnen eine Rede, in der er die Prinzipien seiner Regierung aufzeigt: Schutz der Armen und Bedrängten, Verfolgung und Ausrottung der Übeltäter. Da Gott ihm Stärke, Macht und Gerechtigkeit verliehen habe, brauche er seine Zuflucht nicht zu List und Verstellung zu nehmen (353,10—355,12). Die versammelten Könige staunen über die Klugheit seiner Herrschaft und wünschen ihm Heil und ein langes Leben. Nachdem Bahräm sie auf das beste bewirtet hat, erlaubt er ihnen, ihre Töchter zu besuchen. Er selbst begibt sich zu seiner Gattin Dursitï, der iranischen Prinzessin, um den Tag in ihrer Gesellschaft mit Weintrinken und heiteren Gesprächen zu verbringen. Zwei Monate lang bleiben die ausländischen Könige seine Gäste. Als sie schließlich um Erlaubnis zur Abreise bitten, schenkt ihnen Bahräm zum Abschied kostbare Ehrengewänder und erläßt ihren Ländern für die Dauer von drei Jahren alle Abgaben. Den König von Indien bittet er um einen besonderen Gefallen: er soll ihm aus seinem Lande 10000 Musikanten, Männer und Frauen, schicken. Als sie in Iran eintreffen, verteilt sie Bahräm auf die Häuser der Stadt und weist ihnen Gehälter aus den königlichen Schatzkammern zu (355,16—356,18).

Die Geschichte vom ungetreuen Wezir und Bahräm's Tod (356,19—367,16)

Nach der Abreise der Könige nimmt Bahräm wieder seine Gewohnheit auf, der Reihe nach die 7 Prinzessinnen in ihren Palästen zu besuchen und sich mit ihnen zu vergnügen. Da er sich den Haremsfreuden ungestört widmen will, setzt er den Wezir Räst Rausan als seinen Stellvertreter ein und gibt ihm unbeschränkte Vollmacht. Er selbst verbringt nun Tag und Nacht mit seinen Frauen und kümmert sich nicht mehr um die Herrschaft. In dieser Zeit schenkt ihm seine Gattin Dursitï, die iranische Prinzessin, einen Sohn, den er Ardasir nennt (356,19—28).

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Der Wezir Rast Rausan, dem Bahräm die Regierung übergeben hat, ist jedoch ein gemeiner Bösewicht. Sobald er die Macht hat, nutzt er sie skrupellos aus, um sich zu bereichern. Mitleid und Gerechtigkeit sind ihm fremd, so daß bald jede Familie Anlaß zu Klagen und Weinen hat. Zwar versuchen einige rechtschaffene Wezire zu Anfang, ihn von weiterem Unrecht abzuhalten, doch ist seine Anmaßung viel zu groß, um auf sie zu hören. Er meint, nur mit Härte und Grausamkeit die Untertanen zügeln zu können. Gerechtigkeit und Milde dagegen seien nur dazu angetan, die Leute unverschämt und aufsässig werden zu lassen. Erst, wenn sie Besitz, Freiheit und Ansehen eingebüßt hätten, sei der Regent seines Lebens sicher. Zudem sei der König mit allem, was sein Stellvertreter anordne, einverstanden. Als einer der Wezire es trotzdem wagt, ihn vor späterer Strafe zu warnen, läßt er ihn ins Gefängnis werfen und sein Vermögen konfiszieren. Auch den übrigen Großen des Reiches geht es nicht besser; sie werden ihrer Ämter enthoben, man raubt ihnen ihr Vermögen, setzt sie gefangen oder verbannt sie. Einige werden sogar getötet (357,1—358,7). Nachdem er auf diese Weise alle Gegner entmachtet und beseitigt hat, errichtet Rast Rausan ein Schreckensregiment, unterstützt von einigen gewissenlosen Verbrechern. Jeder Bürger, der Vermögen besitzt, fällt ihren Ränken zum Opfer, damit sich der Wezir so seine Reichtümer aneignen kann. Alle Einwohner des Landes, ob reich oder arm, stöhnen unter der Höhe der Abgaben, die mit unerbittlicher Strenge eingetrieben werden. Es dauert nicht lange, so ist das vormals blühende Land öde und verfallen. Den Bürgern bleibt als einziger Ausweg die Flucht aus den Städten, und viele ziehen das Leben in Wüsten und Steppen der Knechtschaft vor. So wird das Land mehr und mehr entvölkert. Bahräm erfährt nichts von all dem. Niemand wagt, sich über den ungerechten Wezir zu beklagen, da dessen Spitzel überall zugegen sind und jeder Versuch, Bahräm zu benachrichtigen, mit dem Tode bestraft wird (358,8—359,18). Doch die Bosheit des ungetreuen Wezirs geht noch weiter. In aller Heimlichkeit schickt er dem König von China einen Brief und fordert ihn auf, in das Land Iran einzufallen und es zu erobern. Jetzt sei der Zeitpunkt günstig, da Bahräm Tag und Nacht mit seinen Vergnügungen beschäftigt sei und durch sein aufwendiges Leben die Staatskasse geleert habe. Bevölkerung und Soldaten seien ausgewandert, so daß kein Widerstand zu befürchten sei. Er selbst wolle ihm gern den Thron überlassen. Auf diese Botschaft hin rüstet der König von China sogleich zum Kriegszug. Als seine Truppen die chinesische Grenze überschreiten, erhält Bahräm endlich Kunde von der Gefahr; denn sein Beauftragter (wakïl) in China ist ihm treu geblieben und schickt ihm heimlich Nachricht. So erwacht er endlich aus seiner Sorglosigkeit. Doch findet er zu seinem Schrecken das Reich

Die Geschichte vom ungetreuen Wezir und Bahräm's Tod (356,19—367,16)

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verfallen. Die Tore des Regierungspalastes sind seit langem verschlossen, die ehemaligen Wezire und Ratgeber des Königs sind verschwunden, im Staatsschatz findet sich nicht ein Dinar, und von seinen Soldaten ist keiner mehr aufzuspüren. Niemand will Bahräm die Ursache dieser Veränderungen nennen. Der ungetreue Wezir lügt dem König vor, eine furchtbare Hungersnot habe vor Jahren das Land heimgesucht und es veröden lassen (359,19—360,21). In dieser Nacht kann der König keinen Schlaf finden. Am nächsten Morgen reitet er betrübten Herzens durch die Umgebung der Stadt, um über seine Lage nachzudenken. In der Mittagshitze beginnt ihn Durst zu quälen, doch kann er keine Wasserstelle finden. Endlich sieht er in der Ferne Rauch aufsteigen und reitet darauf zu. Er kommt zu einem Schafhirten, der vor einem kleinen Zelt sitzt. Zu seiner großen Verwunderung erblickt Bahräm an einem Baum vor dem Zelt einen Hund, den man aufgehängt hat. Als der Hirt die vornehme Kleidung des Fremden sieht, meint er, einen von den Leuten des Wezirs vor sich zu haben. Er wirft sich ihm zu Füßen und bittet, ihm nicht sein einziges Eigentum, die Schafe, zu nehmen. Erstaunt sagt ihm Bahräm, er wünsche nur einen Schluck Wasser von ihm, doch als der Hirt ein Gefäß mit Wasser herbeibringt, weigert sich der König zu trinken, ehe nicht der Hirt ihm erklärt habe, warum der Hund am Baume aufgehängt sei. Darauf erzählt ihm der Hirt folgende Geschichte: Einst war dieser Hund ein treuer Wächter, dem der Hirt unbesorgt die Schafe anvertrauen konnte. Lange Zeit vermißte der Hirt kein einziges der Tiere. Doch eines Tages entdeckte er beim Zählen der Schafe, daß 7 von ihnen fehlten. Von Mal zu Mal wurden die Verluste größer, so daß sich der Hirt auf die Lauer legte, um die Ursache für das Verschwinden der Schafe zu finden. Als er sich einmal schlafend stellte, sah er, wie eine Wölfin zu dem Hund, der ein Rüde war, schlich und sich mit ihm paarte. Danach suchte sie sich das fetteste Schaf der Herde aus, um es zu verschlingen, während der Hund tat, als sähe er nichts. Der Hirt war über die Untreue seines Hundes, der die ihm anvertraute Herde verraten hatte, um seinen Trieb zu befriedigen, so empört, daß er ihn zur Strafe am Baum aufhängte. Dann tötete er auch die Wölfin (360,21—361,29). Als Bahräm die Erzählung des Hirten hört, erkennt er, welcher Rat für ihn darin enthalten ist. Er kehrt eilig in die Stadt zurück, nachdem er seinen Durst gelöscht hat. Am nächsten Morgen versammelt er die Wezire, Beamten und Großen des Volkes. Auch der ungetreue Wezir erscheint, zitternd vor Furcht. Bahräm fordert vor der Versammlung von ihm Rechenschaft über den traurigen Zustand des Reiches und seiner Finanzen, doch vor Angst bringt der Wezir kein Wort hervor. Als er nicht antwortet, schlägt ihn der König ins Gesicht und läßt ihn ins Gefängnis abführen.

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Dann gibt er den Ausrufern den Befehl, in der Stadt bekanntzumachen, daß der König auf den Thron zurückgekehrt sei und jedem zu seinem Recht gegen den Wezir verhelfen wolle. Das Volk dankt Gott für seinen Retter und strömt in Scharen herbei, um Klage über den Wezir zu führen. Bahräm hat sich im Hause des Wezirs, wo riesige Schätze aufgehäuft sind, mit eigenen Augen von der räuberischen Habgier seines Stellvertreters überzeugt und dessen Besitz beschlagnahmt. Alle Opfer des Wezirs werden großzügig entschädigt. Als die Iranier, die während der Regierung des Wezirs das Land verlassen haben, von der neuen Lage hören, kehren sie in ihre Heimat zurück, und allmählich zieht wieder Wohlstand und Friede ein (362,1—363,9). Eines Tages sucht Bahräm das Gefängnis, das überfüllt ist, auf, um mit den Gefangenen zu sprechen. Sieben von ihnen läßt er vortreten, damit sie ihm ihre Geschichte erzählen. Der erste ist ein Kaufmann, der seinen Bruder mit einer Handelskarawane ins Ausland entsenden wollte. Als der Wezir davon hörte, tötete er den Bruder und warf den Kaufmann ins Gefängnis, um sich die Waren der Karawane aneignen zu können. Der Kaufmann mußte ein Jahr im Gefängnis verbringen. Der zweite Gefangene besaß einst einen schönen Garten, den er von seinem Vater ererbt hatte. Den Wezir gelüstete danach, deshalb ließ er den Eigentümer ins Gefängnis bringen und nahm sich den Garten. Das geschah vor zwei Jahren. Das dritte Opfer ist ein reicher Kaufmann, der auf Handelsreisen kostbare Waren erworben hatte. Als er damit heimkehrte, nahm ihm der Wezir seine Ware ; der Kaufmann mahnte ihn, dafür zu zahlen, darauf setzte ihn der Wezir gefangen. Seit drei Jahren sitzt er schon im Gefängnis. Der vierte Gefangene hatte einen der indischen Spielleute in sein Haus aufgenommen und für ihn gesorgt. Als der Musikant in seiner Kunst unübertroffen war, hörte der Wezir davon. Er nahm ihn seinem Herrn weg und ließ diesen ins Gefängnis werfen, wo er vier Jahre verbrachte. Der fünfte war Festungskommandant (muhäfiz) der Stadt gewesen. Unter der tyrannischen Herrschaft des Wezirs hatte er sich der Gefangenen angenommen und mit seinem Privatvermögen für sie gesorgt. Das war der Grund für seine Gefangennahme. Zwei Jahre blieb er im Gefängnis. Der sechste hatte dem König als Kommandant des Heeres gedient. Nach einer Revolte war er eine Zeitlang vom König gefangengehalten worden, doch als sich seine Unschuld herausstellte, schenkte Bahräm ihm ein Dorf und setzte ihm eine Rente (ma'äS) aus. Als er wieder einmal diese Rente abholen wollte, rief ihn der Wezir zu sich und zog die Rente ein, da er keine Soldaten im Lande dulden wollte. Der Kommandant drohte, Bahräm zu benachrichtigen, daraufhin wurde er abgeführt und sechs Jahre gefangengehalten. Das siebte Opfer des Wezirs ist ein ehrwürdiger alter Mann, der sich während der Unrechtsherrschaft als Einsied-

Die Geschichte v o m ungetreuen. Wezir und Bahräm's Tod (356,19—367,16)

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1er zurückzog, um Gott zu bitten, den König aus seiner Nachlässigkeit aufzuwecken. Der Wezir behauptete, er rufe Gott gegen ihn an und ließ ihn ins Gefängnis werfen, wo er sieben Jahre verbrachte. Als die sieben Gefangenen von ihrem Schicksal berichtet haben, erkennt Bahrain, daß auch die übrigen Gefangenen dem tückischen Wezir zum Opfer gefallen sind. Er läßt deshalb alle frei, beschenkt sie reich und erstattet ihnen ihr Eigentum zurück (363,10—365,5). Dann geht Bahrain an die Bestrafung der Schuldigen. Er läßt die Zahl der Anhänger des Wezirs feststellen und sie alle als warnendes Beispiel mit dem Wezir öffentlich aufhängen. Unterdessen hat der König von China durch seine Spione von der Rückkehr Bahräm's erfahren. Da dieser sich bereits zum Krieg rüstet, bekommt der Chinesenkönig Angst und beschließt, in sein Land heimzuziehen. Um Bahräm zu versöhnen, schickt er ihm kostbare Geschenke, entschuldigt sich für den Überfall und deckt den Verrat des Wezirs auf (365,6—25). Als Bahräm wieder Ordnung und Frieden geschaffen hat, erinnert er sich des Schafhirten, dessen Rat er so viel verdankt. Er holt ihn als seinen persönlichen Ratgeber an den Hof und überhäuft ihn mit Ehren und Geschenken. Auf das Wort des neuen Ratgebers hin läßt er die 7 Paläste abreißen und sammelt seine 7 Gattinnen in einem einzigen Schloß. Von nun an läßt er sich niemals mehr von seinen Pflichten als Herrscher ablenken, so daß das Land wieder zu Blüte und Wohlstand kommt. Doch nie vergißt er die Schuld, die er durch seine Nachlässigkeit auf sich geladen hat, und sie bedrückt ihn immer mehr, je älter er wird (365,26—366,12). Als er 60 Jahre alt ist, reitet er eines Tages auf die Jagd, um seinen betrübten Sinn aufzuheitern. Als eine Gazelle vor ihm aufgestöbert wird, setzt er ihr nach. Nur 3 Reiter aus seinem Gefolge können ihm in einiger Entfernung folgen. Schließlich verschwindet die Gazelle vor den Augen Bahräm's in einer Höhle, und er folgt ihr zu Pferde in das Innere der Höhle. Als die 3 Begleiter an der Höhle ankommen, ist weder von der Gazelle, noch von Bahräm und seinem Pferd eine Spur zu sehen. Der Eingang der Höhle zeigt sich ihren Blicken zu eng, als daß ein Mensch sich hindurchzwängen könnte. So schenkt ihnen das übrige Gefolge des Königs keinen Glauben, als sie berichten, Bahräm sei mit seinem Pferd in der Höhle verschwunden. Man nimmt sie gefangen und verhört sie täglich, doch sie bleiben bei ihrer Aussage. Als die Leute vom Verschwinden des Königs hören, strömen sie hinaus zur Höhle, unter ihnen die Mutter Bahräm's, die untröstlich ist. Sie läßt die Höhle aufgraben, um nach ihrem Sohn zu suchen. Man gräbt 40 Tage lang, bis man schließlich auf Wasser stößt, von Bahräm und seinem Pferd jedoch findet man keine Spur. Da erkennen alle, daß Bahräm in der Höhle von seinem Geschick ereilt worden ist. Die 3

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Inhaltsangabe der Rahmenerzählung

Begleiter des Königs werden freigelassen, und Bahrain's Sohn Ardasir besteigt den Königsthron. Die 7 Gattinnen Bahrain's aber lassen sich niemals trösten. Einige von ihnen kehren in ihre Heimat zurück, andere bleiben in der Stadt. Die Liebe zu Bahräm und die Trauer über seinen Tod eint sie bis an ihr Lebensende (366,12—367,16).

Π. Kommentar zur Rahmenerzählung 1. Die Kindheit und Jugend Bahräm's (Inhaltsangabe S. 9—14) Die Qissat Bahräm-Säh beginnt mit der üblichen arabischen Eingangsformel, die uns in Erzählungen marchen- und sagenhaften Inhalts, wie in 1001 Nacht, aber auch in Volksromanen1, mit kleinen Varianten ständig begegnet. Hier haben wir sie in einer längeren, ausgebildeten Form vor uns. Ihre Sag'-Reihe hat fünf Glieder: zamän, awän, Sän, Säsän, Iran. In dieser Form kommt sie dem Einleitungssatz der Rahmenerzählung aus 1001 Nacht am nächsten, der an dieser exponierten Stelle ebenfalls eine Fünferreihe umfaßt2. Der mächtige iranische König, von dem hier die Rede ist, wird gleich darauf mit Namen vorgestellt, König Yazdagird. Damit ist schon klargestellt, daß die Helden des Romans keine Märchenfiguren sind — das gilt mindestens für die Protagonisten — sondern historische Persönlichkeiten®. Ebenso ist damit der zeitliche und lokale Rahmen des Romans genauer abgesteckt: das Sasanidenreich nach Bahräm Kermänsäh; denn erst nach diesem tritt in Iran der Herrschername Yazdagird auf, den in der Folgezeit drei der Sasaniden trugen. Der hier gemeinte König läßt sich durch den weiteren Handlungsverlauf bestimmen. Ihm wird ein Sohn geboren, den er Bahräm nennt. Damit ist klar, daß es sich um Yazdagird I mit dem Beinamen „der Sünder" (Regierungszeit 399—420) handelt. Sein Name ist natürlich in der arabisierten Form, die Yazdagird zu vokalisieren ist, wiedergegeben. Sie entspricht der np. Form Yazdgerd4. Es folgt eine 1

2

Vgl. ζ. B . den arabischen Volksroman Qifsal Fairüz-Säh b. al-Malik Däräb ( = Darius; der Name ist hier seltsamerweise mit Däd statt mit Däl wiedergegeben): o^, ¿IUI ύ J l i j y J I j£ j b J I £ Í J jjj¡\ ¿ ¿ ^ j l i Λ j ò\.fi\ j\¿ j Jé (wohl wegen des Sag' Bahmän zu lesen. Vielleicht dachte der arabische Herausgeber an eine Form wie Der Name lautet im Persischen nur Bahmän). Qiffat jljjl

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Das brachte den Herausgeber der Qissat Bahräm, 'Abdallah as-Sâwî , wohl dazu, den Roman auf dem Titelblatt als „historische, realistische Erzählung" (qis§a tärihiya wäqi'iya) zu bezeichnen. So die heutige persische Aussprache. Sie ist durch den Reim bei Firdausi 34,381 u. a. O. ebenfalls sichergestellt: Yazdgerd—gerd (ämadan). Ich wende im folgenden die np. Form des Namens, die auch in der europäischen Literatur die gebräuchlichste 3

Pantke, Roman

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Kommentar zur Rahmenerzählung

kurze, allgemeingehaltene Schilderung seines Lebens. Trotzdem finden sich darin einige interessante Details. Zunächst erfahren wir, daß Yazdgerd den Thron mit 25 Jahren bestiegen habe. Diese Zahl läßt sich nirgends nachweisen, weder bei Firdausi noch bei einem der Historiker5. Sie kann auch nicht aus einem inneren chronologischen System des Romans erschlossen werden. So muß es sich um eine reine Phantasiezahl handeln, die aus dem Bemühen kommt, alle wichtigen Ereignisse zeitlich genau einzuordnen. Diese Tendenz begegnet in der Qissa sehr oft. Historisch gesehen ist die Zahl nicht schlecht erfunden; nach ihr wäre Yazdgerd bei seinem plötzlichen Tode im Jahre 420 46 Jahre alt gewesen, also in einem Alter, in dem sein Reitunfall durchaus glaubwürdig erscheinen könnte. Da jedoch der Handlungsablauf der Qissa bei weitem nicht mit dem von den Historikern geschilderten übereinstimmt — so stirbt Yazdgerd ζ. B. an einer Krankheit, nicht durch die Hufe eines Pferdes — darf man hinter dieser Zahl keine bewußte historische Spekulation vermuten. Seltsam erscheint das Charakterbild, das die Qissa von diesem Herrscher entwirft. Es wird ausdrücklich gesagt, daß er „Arglist und Bosheit nicht kannte", als er den Thron bestieg (2,2). Da das in einem Häl-Sa.tz ausgedrückt wird, ist diese Aussage, streng genommen, nur auf die Zeit vor seiner Thronbesteigung zu beziehen. Doch wird das positive Bild zunächst weitergezeichnet. Yazdgerd erscheint als tüchtiger, frommer Herrscher. Wenig später wird er unvermutet als hartherziger Tyrann dargestellt®, ohne daß diese Unstimmigkeit in irgendeiner Weise verhüllt oder mindestens etwas abgeschwächt würde. Darin kann man ein Stilelement des Volksromans überhaupt sehen. Da er nicht von vornherein als kompositorische Einheit angelegt ist, in der alles logisch aufeinander abgestimmt sein müßte, können solche „Brüche" vorkommen. Manchmal werden sie ist, an. — Die originale Pahlavi-Form ist Yazdkart, nach N Ö L D E K E , G.d.S. S. 72, A. 3 Yazdekert. N Ö L D E K E f ü h r t daneben die syrische Form Izdegerd und ihre Verkürzung Izdeger, die griechische ' Ισδιγέρδηΐ (Ίσδεγέρδηΐ, Ίσδηγέρδηΐ) und die armenische Yazkert zum Vergleich an. Auf Münzen lautet der Name dieses Königs Yezdikerti (s. S P I E G E L I I I S . 340). E r ist vom awestischen *Yazato-kereta- abgeleitet, was dem griechischen θεόκτιστοζ (von Gott Gemachter, Geschaffener) entspricht (s. J U S T I , Namenbuch, unter Jazdkart). 5

Die epische Bearbeitung des Bahräm-Stoffes in Nizäml's Haft Paikar setzt erst mit der Geburt Bahräm's ein. I m persischen Volksdruck (PB) fehlt diese Zahl ebenfalls, dort ist zu Anfang ein kurzer Abriß der iranischen Dynastien bis zu den Sasaniden gegeben. Yazdgerd wird als 14. Sasanide eingeführt. Erst von da an läuft der persische Text mit dem der Qiç$a parallel. * So schon auf der folgenden Seite, als die Astrologen das Kind in ein fernes Land bringen wollen, damit es nicht die Herzenshärte seines Vaters annehme (3,16). Später wird die Schlechtigkeit Yazdgerd's von seinem Sohn bitter beklagt (S. 29).

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

35

allerdings etwas vertuscht7. Sehr eigenartig ist jedoch, daß diese Unstimmigkeit in der Beurteilung Yazdgerd's auch bei den Historikern noch zu spüren ist. Obwohl der Tenor ihres Urteils über den „Sünder" eindeutig negativ ist, kann man Reste einer positiveren oder einfach unvoreingenommeneren Sicht bei einigen von ihnen entdecken. Das gilt nicht nur für die Tabari-Stelle, auf die N Ö L D E K E aufmerksam macht8. Bahräm weist dort die im Krieg gegen den Häqän von ihm abgefallenen Iranier darauf hin, daß auch sein Vater erst durch das Verhalten seiner Untertanen dazu gebracht worden sei, sie mit Härte zu behandeln. Anfangs habe er es mit Milde (lïn) und Gerechtigkeit (mandala) versucht9. Barami spricht an dieser Stelle sogar vom Bruch von Vereinbarungen auf Seiten der Iranier10. Einige der Historiker räumen Yazdgerd wenigstens einen scharfen Verstand und eine ausgezeichnete Bildung ein. Tabari sieht allerdings gerade darin seine größte Schuld, daß er diese Vorzüge nicht zum Guten gebrauchte11. Bal'ami betont, daß er vor der Thronbesteigung vielversprechend gewesen sei, mit dem Beginn der Herrschaft aber habe er all seine guten Eigenschaften in sich erstickt12. Darin stimmt er mit Firdausi überein, der Yazdgerd bei der Thronrede Gutes verheißende Worte in den Mund legt. „Jeder, der bei uns Gerechtigkeit sucht, soll von Lüge und Schaden ablassen. Überall werden wir seinen Rang erhöhen, Haß und Begierde halten wir unserem Herzen fem. Nur bei den Gerechten werden wir Rat suchen, bei den Klugen und den einsichtigen Weisen13." Das Abweichen von diesen Punkten wird ihm auch von Firdausi vorgeworfen. N Ö L D E K E U. a. weisen mit Recht darauf hin, daß das in den dunkelsten Farben gemalte Bild Yazdgerd's bei den Historikern und bei Firdausi, das so auch im H"atäi-nämak gestanden haben muß, nicht der Wirklichkeit entsprechen kann14. Von christlicher Seite wird So in dem schon erwähnten Roman Qiffai Fairüz-Säh. Die Mutter Däräb's setzt das neugeborene Kind auf einem Fluß aus, was damit begründet -wird, es könnte vielleicht den eben von den Persern angenommenen Islam wieder durch die Magierreligion ersetzen, sobald es herangewachsen sei. Als die Königin ihren Sohn als jungen Mann wiederfindet, ist von diesen Befürchtungen keine Rede mehr. Die Tatsache der Aussetzung wird völlig ignoriert. 8 G.d.S. S. 104, A. 3. • Tabari 1,865 (II 77). Bei Zitaten habe ich zunächst die Stellenangabe nach der Leydener Ausgabe (in der Kairiner Ausgabe am Rand vermerkt), dann in Klammern Band- und Seitenzahl der Kairiner Ausgabe angeführt. 10 Bal"amï S. 122 u^jCi, ¿ f j J ¡\ t J i L i j^»- ¿ β jCL. ¿I J j l . 7

11

12

1,847 (II 63). Ibn al-Atîr, der sich im übrigen eng an Tabari hält, hebt diese Vorzüge heraus, ohne sie ins Negative umzumünzen (I 399). S. 109 : ¿T jl jL·*j ¿iL. j yç- jÎ^Î ^j*- i i jzf* s ^ V tí

13

34,6—8.

14

NÖLDEKE,

ί·

G.d.S. S. 74, A. 3;

CHRISTENSEN,

L'Iran S. 269f.

36

Kommentar zur Rahmenerzählung

fast nur Gutes über Yazdgerd gesagt15. So muß man annehmen, daß er durch seine Friedensliebe den Haß der Adligen und durch seine Toleranz in religiösen Fragen den Zorn der Magier auf sich geladen hat. Prokop rühmt ihn mit folgenden Worten: „Schon vor seiner Thronbesteigung war er im höchsten Grad berühmt durch die Hochherzigkeit seines Wesens und bekundete eine Vortrefflichkeit der Gesinnung, die man im Gedächtnis bewahren muß16." Auch in negativen Zeugnissen von christlicher Seite schimmert die günstige Beurteilung des größten Teils seiner Regierungszeit noch durch, so in den syrischen Akten persischer Märtyrer. Bei dem Märtyrer Përôz, der unter Bahräm Gör hingerichtet wurde, heißt es: „Dieses böse Erbteil (d. h. die Christenverfolgung) hatte er (Bahräm) von seinem Vater empfangen. Selbiger hatte am Ende seines Lebens all seine Verdienste verdorben und den lauteren Frieden getrübt, sofern er der Verfolgung Urheber ward17." Obgleich sich also positive historische Zeugnisse über Yazdgerd finden lassen, glaube ich nicht, daß sie an unserer Romanstelle nachwirken. In den arabischen und persischen Quellen sind sie zu sehr von den negativen Schilderungen überdeckt, als daß man annehmen könnte, daß sie direkt auf den volkstümlichen Romantext Einfluß gewinnen könnten. Die christlichen Zeugnisse fallen von vornherein dafür aus. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß ich die widersprüchliche Beurteilung Yazdgerd's in der Qissa als Element eines volkstümlichen Stils betrachte. Dazu möchte ich auf eine ähnlich geartete Stelle bei Mirhuänd, der einen guten Teil volkstümlicher Traditionen aufgenommen hat, verweisen. Er zitiert einige „Weisheitssprüche" Yazdgerd's, die wie die Faust aufs Auge zu seiner sonstigen, von den früheren Historikern übernommenen Schilderung Yazdgerd's passen18. Im weiteren wird die Regierungszeit Yazdgerd's bis zur Geburt seines Sohnes mit 21 beziffert. Der persische Bahräm-Roman, der von da an parallel mit der Qissa läuft, nennt eine ganz andere Zahl: 40 Jahre19. 15

So wird er sogar der „christliche, der gesegnete der K ö n i g e " genannt (LAND, Anecdota Syriaca X 8,2).

W JUSTI, Geschichte Irans, S. 626. 17

HOFFMANN, S. 39f. Nr. I X (Peröz), vgl. auch Nr. V I I (Ab h dä). Nach den ungeheuren Beschuldigungen der Magier gegen die Christen „veranstaltete der König einen Congress aller Großen seines Reiches, dem er die Frage vorlegte, ob die erwähnten Anschuldigungen wahr wären". Das spricht für Yazdgerd's Bemühen um ein gerechtes Urteil.

18

I 756. Darunter erscheint ein arabisch zitierter besonders unpassend: „ D e r weiseste unter den Königen ist der, welcher langsam beim Strafen ist, wenn er erzürnt ist, aber schnell bei der Belohnung eines Wohltäters, wenn er dazu in der Lage ist." Mirh u änd weist diese Worte dem Anfang der Regierung Yazdgerd's zu.

u

S. 2; allerdings bezeichnet die Zahl 40 sein Lebensalter bei der Geburt des Kindes, nicht die Regierungszeit. Daß diese Zahl in keinem Zusammenhang mit den Zahlen

Die Kindheit und Jugend Bahräm'!

37

Nizämi, der auch von der langen Zeit der Kinderlosigkeit Yazdgerd's weiß, gibt die Zahl 20 an20. Da diese beiden Texte, wie im Lauf der Untersuchung deutlich werden wird, in engem Zusammenhang mit der Qissa stehen, ergibt sich, daß diese hier einer anderen Tradition gefolgt sein muß oder die Zahl eine Phantasiezahl ist. Es ist jedoch klar, woher die Zahl 21 stammt. Sie wird von der Mehrheit der Historiker als gesamte Regierungszeit Yazdgerd's angegeben21. Ich nehme an, sie flöß dem Herausgeber der Qissa, der in der arabischen Literatur sehr bewandert ist, in die Feder, als er den Satz begann: „Er blieb 21 Jahre an der Herrschaft . . . ", die Einschränkung durch den Haifa-Satz kommt erst ziemlich spät. Sonst findet sich nur noch bei Firdausi und in der Nihäya eine zeitliche Angabe darüber, im wievielten Regierungsjahr Yazdgerd's Bahräm geboren wurde. Firdausi nennt das achte Jahr22. Die Zahl hat nur Symbolwert. Bahräm's Geburtsstunde soll als besonders glückverheißend ausgewiesen werden, nach 7 Jahren wird er am Neujahrstage geboren. Die Nihäya gibt das zweite Regierungsjahr an, was der Wirklichkeit am nächsten kommt28. Daß dem König Yazdgerd bis zur Geburt Bahräm's keines seiner Kinder am Leben blieb, erfahren wir auch von einigen Historikern, deren Quelle Tabari gewesen ist24. Tabari selbst schöpfte diese Nachricht aus einem Werk des Hisäm b. Muhammad al-Kalbi, das die Geschichte von al-Hira behandelt25. Der eigentlichen persischen Überlieferung ist sie fremd, was man daraus schließen kann, daß Firdausi sie nicht bringt, sie aber auch im Parallelbericht bei Tabari 1,854 (II 68), der sich ausdrücklich auf persische Quellen beruft, fehlt. Die Nachricht ist eng verbunden mit dem Aufenthalt des jungen Bahräm in al-Hira. Für den Aufenthalt gibt es unterschiedliche Begründungen. Die arabische Überlieferung, wie sie Hisäm darlegt, nennt die Sorge Yazdgerd's, auch dieses Kind könne ihm sterben, als Grund. Da das Klima al-Hira's als besonders gesund galt2®, lag es für die Araber nahe, der ß t f f a stehen kann, ergibt die Rechnung mit den Angaben der Qiçça: 25 Jahre beim Regierungsantritt und 21 Jahre Regierungszeit gäbe 46 Jahre als Lebensalter. 20 21

9,22. Einige, besonders Spätere, geben 22 Jahre an (Ibn al-Atir, an-Nuwairi, Mirhuänd). Tabari nennt beide Zahlen. Die Abweichung ist damit zu erklären, daß Yazdgerd 21 Jahre und etliche Monate regierte. Die Monate wurden von einigen als neues Regierungsjahr gerechnet. S. dazu NÖLDEKE, G.d.S. S. 419.

22

34,30—31. S. dazu NÖLDEKE, G.d.S.

23

fol. 124b. Yazdgerd's Regierungszeit wird als 21 Jahre angegeben. Bahräm ist 20 Jahre alt, als er den Thron besteigt (Mas'üdi, Tabari u. a.). Also muß er zu Anfang der Regierung Yazdgerd's geboren sein. So Tabari 1,851 (II 65); Bal'amî S. 110; Gardïzï S. 27: Bahräm ist das einzige Kind. Vgl. auch at-Ta'älibl S. 539; Ibnal-Atir I 401; Mïrh«ând I 757. NÖLDEKE, G.d.S. S. XXVII geht ausführlich auf dieses Geschichtswerk ein. Auf dieses Faktum komme ich im weiteren zurück. S. A. 69.

24

25 26

S. 85, A. 4.

Kommentar zur Rahmenerzählung

38

eine gesundheitliche Begründung zu suchen. Von der Sorge des Vaters u m die Gesundheit des kleinen B a h r ä m war es dann nur ein Schritt zu der Annahme, er habe Grund zur Besorgnis gehabt, da ihm bisher kein Kind am Leben gebheben war 2 7 . Nizämi h a t hier auf die von Tabari angeführte Tradition zurückgegriffen. 9,22 heißt es: „Vor diesem Zeitpunkt h a t t e er in 20 J a h r e n schon einige Kinder gehabt, doch war keins a m Leben geblieb e n . " Dagegen berichtet der persische B a h r ä m - R o m a n , den ich mit dem Sigel PB bezeichnen will, bis zum 40. Lebensjahr habe er gar keine Kinder gehabt. In die Qissa kann dieses Detail direkt von den Historikern aus gekommen sein, es kann aber auch indirekt von ihnen, über Nizämi, dorthin gelangt sein 28 . Der Abschnitt, der Yazdgerd's K u m m e r über seine Kinderlosigkeit und sein Gebet u m einen Sohn schildert, ist stark v o m K o r a n her geprägt. Zwar wird Yazdgerd nicht ausdrücklich als Muslim vorgestellt, wie es sonst gerne in Volksromanen geschieht 2 9 , doch ist mindestens seine Ausdrucksweise echt muslimisch. Zunächst wird seine Trauer damit begründet, daß „die Kinder der Schmuck des Erdenlebens" sind (2,7). Das ist ein K o r a n zitat 3 0 . Das Gebet selbst ist voller Anspielungen auf den Koran 3 1 . a7

Interessant ist, daß man außer dieser noch eine andere gesundheitliche Begründung erfand. Bei Ibn al-Faqïh S. 178 ist neben der erwähnten noch folgende Nachricht aufgeführt: Als Bahräm klein war, hatte ihn ein Girmi befallen. Yäqüt, Mu'gam 2,2 S. 492 nimmt diese Nachricht auf und deutet ξinni klar als Krankheit (Hila). Die Wirklichkeit hat in jedem Fall anders ausgesehen. Bahräm ist nicht das einzige Kind Yazdgerd's gewesen. Sein Bruder Narsë, der allerdings wohl jünger war, wird von den meisten Historikern erwähnt. E r wird auch von Firdausï genannt. Vgl. Ya'qûbî I 141; Dïnawarï S. 58; Tabari 1,864 (II 76); Eutychios I 177; Firdausx 36,77 u. a. Erstaunlicher ist, daß er auch einen älteren Bruder gehabt hat, der von der gesamten irano-arabischen Tradition unterschlagen worden ist. Seine Existenz wird nur von den armenischen Quellen bestätigt; vgl. Movsës Xorenaçi I 56. Yazdgerd sandte diesen Sohn mit Namen Säpuh (Säpür, Sähpuhr) als König nach Armenien, um das Land enger an Iran zu binden. Beim Tode Yazdgerd's meldete er anscheinend seinen Thronanspruch an und wurde von den Großen getötet. S. dazu SPIEGEL I I I 342. 3 4 7 ; NÖLDEKE G.d.S.

88 28

30 31

Der

S. 91, A. 4 ; CHRISTENSEN, L'Iran

S. 274. 281.

Hier muß ich bereits auf spätere Ergebnisse der Untersuchung vorgreifen. S. 61. Darauf macht J . CEYPEK in seiner Untersuchung zur iranischen Volksdichtung aufmerksam (RYPKA, Iranische Literaturgeschichte S. 482). Sehr bekannt ist die Islamisierung Rustam's und Alexander's. Auch in der schon mehrfach erwähnten Qiffat Fairüz-Säh findet sich ein prägnantes Beispiel: Die Mutter Däräb's hat sich zum Islam bekehrt, das Land Iran folgt ihrem Beispiel. In der Qiççat Bahräm ist diese Tendenz nicht so offensichtlich. Jedoch wird das Magiertum mit keinem Wort erwähnt, statt der Möbads wird nur von Weziren gesprochen usw. Sure 18,44: „Vermögen und Söhne sind der Schmuck des irdischen Lebens." So die „Tür des Erbarmens" (vgl. Sure 57,13), die „Schatzkammern der Güte Gottes" (vgl. Suren 6,50; 11,31: „Schatzkammern Alläh's"; 17,100, 38,9, 52,57:

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

39

Wortlaut des Gebets ist noch in anderer Weise interessant. In PB finden wir nämlich an dieser Stelle ein Gebet Yazdgerd's, das nicht nur inhaltlich, sondern auch ζ. T. sprachlich mit dem arabischen Text übereinstimmt82. Das kann kein Zufall sein, zumal die Ubereinstimmung auch im folgenden sehr eng ist, wie zu beweisen sein wird. Beide Texte hängen also zusammen. Ob sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, muß sich noch zeigen. Nizämi setzt erst mit dem Faktum der Geburt Bahrain's ein, er fällt also für diese Szene als eventuelles Vorbild weg. So läßt sich das Gebetsmotiv sicher dem volkstümlichen Stil des Romans zuweisen. Es ist ein Motiv, das wir aus 1001 Nacht, aber auch aus europäischen Märchen kennen. Zwar werden in 1001 Nacht häufiger Geheimrezepte angewandt, um noch im Alter zu einem Kind zu kommen, ζ. B. in der Geschichte von 'Alä ad-Din, von Ardasir, von Badr Bäsim und Gauhara, doch in der Erzählung von Qamar az-Zamän33 begegnet uns eine ähnliche Situation wie in der Qissa. Der alte König Sahramän betet zwei rak'as, um noch einen Thronerben zu bekommen. Dann geht er, wie in der Qissa, sofort zu seiner Frau in den Harem, und bald sieht er die Erfüllung seiner Bitte. Ebenso sicher und prompt wirkt das Gebet in der Qissa und in PB; denn „es war, als ob die Pforten des Himmels offen gewesen wären"31. So erfährt Yazdgerd nach kurzer Zeit von der Schwangerschaft seiner Frau, und voll Freude öffnet er sogleich die Schatzkammern, um den Armen Almosen zu geben. Auch dieses Motiv läßt sich in 1001 Nacht nachweisen. In der Geschichte von Badr Bäsim und öauhara verteilt der König Geld an die Bedürftigen, sobald er hört, daß seine Frau ein Kind erwartet35. Das Kind, das schon auf wunderbare Weise gezeugt wurde, wird natürlich in einer glückverheißenden Stunde geboren; denn nur so ist die seltsame Ausdrucksweise „nach neun „die Schatzkammern des Erbarmens meines Herrn"). Von den Namen Alläh's: g ani, karim (vgl. Sure 27,40), as-sami', al-mugib (vgl. Suren 2,127; 11,61). 32

Wörtliche Übereinstimmungen: in beiden Texten betet Yazdgerd in der Zurückgezogenheit (halwa), er erhebt seine Hände zum qädi Ί-hägät, er redet Gott mit an

(PB S. 2 hat hier mehrere Druckfehler. Statt ¡y

türlich heißen: ¡y, Säsän=

33

31

35

j U muß es na-

jlU). Der König bittet um Erbarmen für die usrat bani

düdmän -i Säsäniyän. II 3 5 7 , Büläq I 3 4 3 . Die „Pforten des Himmels" sind wieder ein Ausdruck aus dem Koran (vgl. Suren 7,40; 54,11). Zur Verwendung dieses Bildes im Volksglauben s. LANE, Arabian Nights III S. 659, Ν. 9 (zu Ibrahim und Gamila): "When the gates of heaven are opened, prayer is sure to be answered. This is said to be the case on the night called Leylet el-qadr, which is generally believed to be the night of the twenty seventh of Ramadan." Büläq II 244; auch im jüdisch-persischen Text vom König Kiswar ist von Geldspenden bei der Geburt seines Sohnes, des Königs Bahräm (!), die Rede, wie mir Herr Prof. Asmussen mitteilte. LITTMANN

40

Kommentar zur Rahmenerzählung

Monaten, neun Tagen, neun Stunden, neun Minuten" zu verstehen36. PB beschreibt die Geburtsstunde als „gesegnet, nach der Vollendung der Zeit". Bei der Rolle, die die Astrologie bei den Persern, vor allem der Sasanidenzeit, spielte, ist es nicht erstaunlich, daß dieses an sich volkstümliche Motiv in die Historiographie gelangte. Tabari gibt in seinem zweiten, auf persischen Traditionen beruhenden Bericht die Geburtsstunde genau an: am Hormazd-Tage, im Monat Farwardin, als sieben Stunden des Tages vergangen waren37. Auch Firdausï nennt den Hormazd-Tag desselben Monats als Geburtstag Bahräm's. Die Zahl 7, die bei Tabari in der Stundenangabe vorkommt, fehlt auch bei Firdausï nicht. 7 Jahre der Regierung Yazdgerd's waren zu dem Zeitpunkt vergangen38. Die Geburtsstunde fällt also auf den Neujahrstag, ein glücklicheres Datum ist nicht denkbar. Nizämi stellt das gute Omen der Geburtsstunde Bahräm's besonders eindringlich heraus. Er arbeitet ein allerdings unvollständiges Horoskop aus, indem er verschiedene astrologische Daten anführt 39 . 9,19 faßt er sie zusammen: „Als Bahräm mit einem solchen Horoskop, wie ich es beschrieben habe, glückhaft geboren wurde . . . ." Nach der Geburt des Kindes werden Freudenboten in alle Städte des Reiches gesandt, die Hauptstadt wird geschmückt, und man feiert Freudenfeste. Das sind die üblichen Maßnahmen nach einem so freudigen Ereignis. Sie treten in Volkserzählungen so regelmäßig auf, daß man von einem Topos sprechen kann40. Doch spiegeln sie die orientalische Wirklichkeit wider41. 84

37

38 39 40

41

Das gute Omen kann nicht aus der Zahl 9, die hier ja unumgänglich war, abgeleitet werden, sondern aus der vollkommenen Vollendung der Zeit, die durch die Reihe der kleiner werdenden Glieder ausgedrückt wird. Diese Ausdrucksweise scheint dem volkstümlichen Stil zu entsprechen; s. THOMPSON, Motif-Index Ζ 72,2: Seven years, seven months, seven days (type 451). 1,854 (II 68). NÖLDEKE, G.d.S. S. 85, A. 4 ist mit Recht gegenüber dieser Angabe skeptisch. Anscheinend waren es auch die Historiker nach Tabari; denn sie haben diese Nachricht nicht übernommen. Nur in der Nihäya, die nach dem Urteil NÖLDEKES und BROWNE'S im ganzen wenig historischen Wert zu haben scheint, findet sie sich wieder. S. oben A. 22. S. dazu WILSON, Commentary Ν. 533. Vgl. 1001 Nacht·, die Geschichte von Gullanär und dem König Badr Bäsim (Büläq II 246), die Geschichte von Qamar az-Zamän (Büläq I 343). Gewöhnlich dauert allerdings die Freudenzeit nur sieben Tage, während es hier ein Monat ist. Nizämi schenkt sich diesen Topos. P B drückt sich etwas moderner aus: die Stadt wird illuminiert. S. LANE, Arabian Nights I S. 29, Ν. 17: "On the occasional decorations of Eastern Cities. On various occasions of rejoicing in the palace of the King or governor, the inhabitants of an Eastern City are commanded to decorate their houses, and the tradesmen, in particular, to adorn their shops, by suspending shawls, brocades, rich dresses, women's ornaments, and all kinds of costly articles of merchandise, lamps

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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Nicht zu diesem Topos gehört der Steuererlaß 4 2 für 7 J a h r e , von dem weiter berichtet wird. E r wird auch von Firdausi und Nizämi, ebenso wie von den Historikern, die sonst jeden Steuererlaß aufführen, nicht erwähnt. PB geht auch darin mit der Qissa parallel. Eigentlich gehört zu dem oben aufgeführten Topos noch, daß der König dem Volk Wohltaten erweist, wie wir es in diesem T e x t schon vor der Geburt des Kindes fanden. Der Steuererlaß ist sicher nur eine Variante dieses Motivs, das in der R e a ü t ä t des Sasanidenreichs verankert ist 43 . Die Befragung der Astrologen bei der Geburt B a h r ä m ' s ist in der Qissa sehr eingehend geschildert. Ihre Methoden werden fachgerecht mit einer Reihe von Termini der Astrologie beschrieben. D a ist von ahkämil

und

aSkäl46 die Rede, dazu von abrägM,

Das

daragA1,

and flags are drawn across the streets etc." schmückung Kairos noch im Jahre 1834.

LANE

manäzil48

und zä'irgäft*.

berichtet von einer solchen Aus-

Hier ist von einem allgemeinen Steuererlaß die Rede; der Terminus (larâ'ib umfaßt nämlich gewöhnlich die gesamten Steuern. Bei den Historikern hören wir mehrfach vom Nachlaß der Grundsteuer, des haräg, u. a. während Bahräm's Regierung. 4 3 S . C H R I S T E N S E N , L'Iran S . 3 2 5 : ,,Α la naissance d'un enfant le père doit manifester sa reconnaissance envers Dieu par certaines cérémonies religieuses et en faisant des dons pieux." 4 4 D O Z Y : ahkäm an-nugüm = l'astrologie judiciaire. Auch ahkäm allein hat diese Bedeutung, vgl. Ibn Haldün, Prol. I I 188,3 und 193,17. So heißt die Astrologie 'Um alfkam an-nugüm oder 'ilm al-ahkäm. S. EI1. 46 Sakl ist die mathematische Figur. Sie war ein wichtiges Hilfsmittel der Astrologie. S. dazu EI1, Astrologie: „Was tatsächlich die Astrologie der muslimischen Völker von den ihr voraufgegangenen Systemen unterscheidet, ist . . . die bedeutende Vervollkommnung ihrer mathematischen Rechnungsmethoden, die mit aller wünschenswerten Genauigkeit in den astronomischen Schriften neben Problemen der sphärischen Trigonometrie dargelegt sind. Als Hilfsmittel dienten sehr zahlreiche und sehr detaillierte, von den Berechnern aufgestellte mathematische Tafeln." 4® abräg, neben burüg = Tierkreiszeichen. Nach L A N E auch die „Mondhäuser" (Koran 85,1) oder Sterne und Konstellationen; s. weiter H O M M E L , in: ZDMG 45, S. 692. 47 daraga, pl. darag. LANE: Grad eines Kreises, 1/30 eines Tierkreiszeichens (TA). Als Plural gibt L A N E nur daragät an, während darag Plural von daraga = Stufe ist. 48 Mondstationen, pl. von manzil (nicht -a). S. K U N I T Z S C H S. 53: „Die Mondstationen sind eine Reihe von 28 Stellen am Himmel, die der Mond bei seinem Umlauf von Neumond zu Neumond in jeder der 27 oder 28 Nächte passiert. Jede einzelne Station hat einen Namen und wird identifiziert mit einem oder einigen Fixsternen in ihrer unmittelbaren Nähe. Der Ursprung dieses Systems ist ungeklärt." Nach K U N I T Z S C H S. 51 spielen die manäzil nur im astrologischen, nicht im astronomischen Bereich eine Rolle. 49 Eine entstellte arabische Form des persischen zâila, (s. D O Z Y ; EI). L A N E : zâ'iga: A four-sided, or round, scheme, made to exhibit the horoscope or places of the stars at the time of a birth. Der £i-Artikel zâyirdjât gibt eine Beschreibung des komplizierten Systems, dessen Erfindung einem Süfi des 12. Jhds. zugeschrieben wird. 42

42

Kommentar zur Rahmenerzählung

sind für einen Volksroman zu viele „wissenschaftliche" Details. Dagegen fehlt das gebräuchlichste und dem Volk bekannteste Instrument, das Asturläb. An dieser Stelle tritt m. E. die Bearbeitung des Herausgebers deutlich hervor. Meine Vermutung wird dadurch gestützt, daß in PB, der inhaltlich vollkommen parallel läuft und in diesem Abschnitt viele wörtliche Übereinstimmungen aufweist, diese Details nicht erwähnt werden. Dagegen wird als einziges Instrument das Asturläb genannt. Nizâmï gibt ein Horoskop mit astronomischen Details, sagt jedoch nichts über die Methoden60. Obwohl die Szene als solche — Befragung der Astrologen bei der Geburt eines Königssohnes — zweifellos volkstümlich anmutet, finden wir sie auch in den historischen Texten. So beschreibt Tabari 51 sie recht ausführlich, von den späteren Autoren folgen ihm darin seltsamerweise nur at-Ta'älibi 52 und Mirhuänd53. Es handelt sich eindeutig um eine persische Tradition. Tabari bringt sie in seinem zweiten, „persischen" Bericht, und auch Firdausi schildert dieses Ereignis 64 . Die Tradition hat sicher historischen Wert. Es war wohl eine feste Einrichtung bei den Sasaniden, anläßlich der Geburt eines Kronprinzen die Astrologen zu befragen. Tabari berichtet uns das von mehreren Herrschern66. Der Einfluß der Astrologen am Sasanidenhof war überhaupt sehr groß. Es waren meistens Magier, die diese Kunst ausübten 66 . Im Tansar-Brief wird ihr Rang in der festgefügten Ordnimg der Stände im Sasanidenreich mit dem der Sekretäre gleichgesetzt 67 . Neben den Astrologen ( ahtarmärän = Stemzähler) befragte man

so 61 62

63

64

55

6t 57

In dem Artikel wird nur Marokko als Verbreitungsland genannt. L A N E in „Sitten und Gebräuche" II 80 kennt dagegen die ,,Ζ dtrgeh" von Ägypten und schildert ihren Gebrauch, allerdings nach einem vereinfachten Buchstaben/Zahlen-System. Doch schreibt L A N E in Α. 1: „Die geschätztesten Zdïrgeh's sind äußerst kompliziert, und ihre Befragung verlangt verwickelte astrologische Berechnungen." Die ursprüngliche Bedeutung des persischen zäiöa und des entsprechenden ζίξ ist unklar. Schon im Mp. ist zäyi (ak) vorhanden ( BundahiSn 70,15). zäyl wird zu ztk¡6. 9,10—19. 1,864 (II 68). S. 539; ob at-Ta'älibi hier direkt auf Tabari zurückgreift, läßt sich nicht sagen. Er kann die Tradition auch aus anderen, persischen Quellen haben. I 758. Er braucht hierin nicht Tabari gefolgt zu sein, er kann hier auch ζ. B. Firdausi benutzt haben. Dafür spricht, daß er als Instrument zä'iga-i tali* anführt. Firdausi hat zig. Tabari nennt dagegen nur Berechnungen von Sonnen- und Gestirnaufgängen als Methode. Ein Instrument erwähnt er nicht. 34,34ff. Er berichtet von zwei Sterndeutern, einem Inder und einem Perser, sogar ihre Namen werden genannt. Diese haben wohl nur Symbolwert, da sie bedeutungsträchtige Namen sind: Sarüä und HüSyär. So von Ardaäir I, dem das Horoskop seiner Geburtsstunde erst mitgeteilt wird, als er schon erwachsen ist (1,815 (II 38), von Säpür I 1,824 (II 45)). S. C H R I S T E N S E N , L'Iran S. 178. S. C H R I S T E N S E N , L'Iran S. 396.

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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auch Wahrsager und Zauberer 68 . So paßt die Zusammenstellung von muna¿gimün und sahara, die wir in der Qissa vorfinden, ausgezeichnet in den historischen Rahmen, obwohl sie sicher nicht in erster Linie darauf zurückzuführen ist, sondern erzählerisches Kunstmittel ist. Die Antwort der Astrologen stimmt in allen Berichten überein: es wird dem Kind Glück und Herrschaft vorausgesagt. In der Qissa und in PB wird die Größe seiner zukünftigen Macht besonders herausgestellt ; denn Bahräm soll einmal über die 7 Klimata herrschen. Nizämi bringt diesen Begriff, der für seine Komposition eine so große Rolle spielt, hier noch nicht 69 . Doch Firdausi umschreibt seine künftige Weltherrschaft eben mit diesem Ausdruck 40 . Er könnte an dieser Stelle der Qissa und PB's nachwirken, dafür spricht auch manche Ähnlichkeit im Aufbau der Szene, auf die ich zurückkommen werde. Doch könnten die 7 Klimata an dieser Stelle in den beiden Romantexten auch eine Antizipation der späteren Handlung sein. Die reiche Belohnung der Astrologen wird, wie in der Qissa und PB, auch von Firdausï geschildert61. Nach dem ersten Auftreten der Astrologen wird dem Kind der Name Bahräm 62 gegeben. In der Qissa und in PB versammeln sich die Astrologen ein zweites Mal, um zu beratschlagen, wie das Kind dem Einfluß des Vaters, der hier unvermutet als Bösewicht erscheint, entzogen werden könnte. Danach finden sie sich wieder beim König ein und raten ihm, das Kind in ein gesünderes Klima bringen zu lassen. Dieser Szenenaufbau geht auf eine Verbindung von zwei Traditionen zurück: die gesundheitliche Begründung für den Aufenthalt Bahräm's in 58

S. CHRISTENSEN a. a. O. Dazu möchte ich auf Tabari 1,1010 (II 188) verweisen, wo es von Husrau Parwëz heißt: „Er hatte bei sich 360 Seher, d. h. Gelehrte, nämlich Wahrsager, Zauberer und Sterndeuter ( = NÖLDEKE, G.d.S. S. 304). Die entsprechenden Begriffe sind kähin, sähir, munaggim. 6 · 9,13 wird ihm „Sieghaftigkeit, Größe und Welterleuchtung*' versprochen. Der Aufbau der Haft Paikar ruht auf dem Fundament der Symbolzahl 7. Die 7 Klimata stehen unter Bahräm's Herrschaft. Ihre 7 Prinzessinnen werden seine Gattinnen. Sie tragen ihm die 7 eingefügten Erzählungen vor. 60 34,39f.: „Aus den Sternen sah der Sucher des Verborgenen, daß er Herrscher in der Welt sein werde. Er würde König über die 7 Klimata sein und ein frohes Herz und einen lauteren Sinn haben." 81

34,45.

ea

Der Name paßt zu den Voraussagen der Astrologen. Nach JUSTI, Namenbuch bedeutet er im Awestischen: Genius des Sieges, (mit Sieg, siegreich schlagend), pahl. Warhrän, Vahräm. Im Persischen ist Bahräm auch der Name des Planeten Mars.—• Zur Namengebung s. CHRISTENSEN, L'Iran, S. 325: ,,C'est un grand péché de donner à un enfant un des noms en usage parmi les idolâtres. Les noms du temps des Sassanides qui nous sont connus des relations historiques et des inscriptions sur des gemmes appartiennent tous à des personnes des classes distinguées. Ils ont très souvent un caractère religieux." S. zum Namen auch EP; NÖLDEKE, G.d.S. S. 46, A . 3.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

al-Hira (s. oben S. 38) und die erzieherische: Bahräm soll dem Einfluß des Vaters entzogen werden63. Die erstere habe ich bereits der arabischen Tradition zugeordnet, die zweite halte ich für persisch. Zwar läßt Tabari in seinem „persischen" Bericht die Astrologen im Anschluß an das Horoskop den betreffenden Rat ohne eine Begründung geben64, doch bei Firdausi wird die persische Tradition sehr klar ausgedrückt65. Bei ihm finden wir auch den Szenenaufbau ziemlich genau wieder. Nachdem die Astrologen das Horoskop gestellt haben, kommen die weltlichen und geistlichen Würdenträger zusammen, um sich zu beraten, wie es zu verhindern sei, daß Bahräm von seinem Vater verdorben würde. Sie geben dem König anschließend den Rat, ihn in irgendeinem Teil des Reiches von klugen Männern erziehen zu lassen6®. Die gesundheitliche Begründung fehlt hier ganz. In der Audienz beim König wird stillschweigend vorausgesetzt, daß Bahräm sich zu Hause nicht zum Besten seines Charakters entwickeln kann. Vermutlich hat so Firdausi für die Qissa und für PB bzw. für ihre gemeinsame Quelle, wie noch zu beweisen sein wird, als Vorbild in dieser Szene gedient. Die Anrede, die die Qissa den Astrologen in den Mund legt, blickt ebenfalls auf eine sehr alte Tradition zurück. Sie ist uns aus 1001 Nacht geläufig, das darin den Sprachgebrauch des Abbasidenhofes widerspiegelt. Die Formel lautet: „O glücklicher König, möge Gott Dir Kraft geben, möge er Dein Leben lang machen und Dich erhalten." Mindestens im zweiten Teil der Formel ist noch die sasanidische Anredeform an den König, die sich durch die arabische Zeit erhalten hat, zu erkennen67. An dieser Stelle ist 63

M

85

M ,7

So Firdausi expressis verbis. Eine interessante dritte Begründung findet sich m. E. nur bei Gardîzï S. 26: „Wegen seiner eigenen Schlechtigkeit fürchtete er sich vor jenem Kind, daß es ihn nämlich eines Tages in Schlechtigkeit vernichten könnte." 1,854 (II 68). at-Ta'älibi S. 639 bringt an dieser Stelle eine gesundheitliche Begründung. Dagegen folgt Mirhuänd hier Tabari. Außerhalb der Historiographie finden wir dasselbe bei Nizämi, der hier Tabari als Quelle benutzt haben muß. Die gesundheitliche Begründung ist bei ihm wie bei Tabari eng mit dem Bau des Hawarnaq verbunden. Bal'ami läßt Yazdgerd von sich aus nach einem gesunden Aufenthaltsort suchen. 34,48: „Wenn dieses kleine Kind nicht die Wesensart seines Vaters annimmt, wird es ein gerechter Herrscher werden." 34,52—56. S. UNVALA S. 11: „Der Page König Husrau's redete ihn an: iähän-Säh anöSak u yävetän haft-kiSvar-x"atäy u kämak-hanfäm bêt = Möge sein der König der Könige unsterblich und ewig der Herr über die sieben Klimata, und möge er erfolgreich sein. Vgl. auch Tabari 1,824 (II 45): „Möge Gott dich erfreuen und möge er dir Leben geben." S. dazu NÖLDEKE, G.d.S. S. 28, A. 4: „Eine Abschwächung der Formel „sei unsterblich", welche jedenfalls hier wie in allen ähnlichen Fällen im persischen Original stand."

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sie sicher eine direkte Nachwirkung des Stils von 1001 Nacht, der „glückliche König" macht das wahrscheinlich68. Der Rat der Astrologen, das Kind in einem besseren Klima aufwachsen zu lassen, enthält schon einen deutlichen Hinweis auf den zu wählenden Ort. Er soll nämlich über gutes (süßes) Wasser und trockene Luft verfügen. Für beide Vorzüge war al-Hira und seine Umgebung bekannt, wie zahlreiche Zeugnisse bei Geographen und Historikern beweisen. Das gute Klima al-Hira's ist geradezu sprichwörtlich geworden69. Die Qissa und auch PB folgen nicht einer einheitlichen, ganz in sich geschlossenen Linie. Sie machen gelegentlich kleine Gedankensprünge, wie es typisch für die Gattung des Volksromans ist. So geht es bei der Beratung des Königs mit den Weziren nicht mehr um die Wahl eines klimatisch begünstigten Aufenthaltsortes, sondern um die Wahl eines geeigneten Erziehers. In diesem Punkt läßt sich wieder Übereinstimmung mit Firdausi feststellen. Nizämi spart das Detail der Beratung ganz aus, bei ihm schlagen schon die Astrologen die Araber vor70. Bei Tabari dagegen hören wir von den Überlegungen Yazdgerd's ; Byzanz, die Araber, aber auch andere stehen zur Wahl71. Die Rede des Wezirs, der die Vorzüge der Araber preist und die Wahl anNu'män's anregt, ist in der Version der Qissa eindeutig von dem arabischen Herausgeber ausgeschmückt worden. Den Arabern wird eine Fülle von guten Eigenschaften zuerkannt, darunter Saga α, iqdäm, fasäha, murü'a, karam, wafä', sidq (4,2—4). Die Fassung PB's ist sehr viel sparsamer in ihrem Tugendkatalog. Sie beschränkt sich auf fasäha, halaga, S α'η (sehr blaß) und dakäwa, also kaum Übereinstimmungen mit der Qissa"12. Mit der 68

Diese Formel wie die gleichfalls aus 1001 Nacht entlehnte ,,o König der Zeit" kommt in der Qi$sa mehrfach vor, so S. 243. 289. 324. Da 1001 Nacht diese Anredeform nicht aus der Luft gegriffen haben kann, vermute ich, daß auch sie letzten Endes auf sasanidisches Vorbild zurückgeht. Der König wurde bei den Sasaniden in der Anrede als glücklich, glückhaft gepriesen. Vgl. Tärih Tabaristän S. 70: JjíWjí I til Jiç j Ji W· Der Text ist nicht in Ordnung. Besser liest man: W-jj jlI ¿Ijst j j — j j¡ jW· „(Möge sein) ewig der glückhafte Husrau, der unsterbliche Herr mit magischer Kraft." «» S. R O T H S T E I N S. 14f., der Istahri S. 82, Ibn al-Faqih 181,6, Agäni 2, 125, Mas'ûdï, M.d. III 213 (II 104) anführt. Dazu möchte ich noch auf Bal'ami S. 111, Färsnäma S. 74, at-Ta*älibi S. 540, Mirh"änd I 758 verweisen. Bei Nizämi 9,35 heißt es dagegen, das Klima al-Hira's selbst sei ungesund, weil die Luft trocken sei, was in der Qifja gerade als Vorzug genannt ist. Der Vers bei Nizämi dient wohl einfach als Vorwand für den Dichter, die Erbauung des Hawarnaq an dieser Stelle zu begründen. Das erwähnte Sprichwort heißt: „Ein Tag und eine Nacht in al-Hira sind besser als ein Jahr Medizin (oder medizinische Behandlung, dawä' oder diwa zu vokali71 sieren). '» 9,24. 1,854 (II 68). 72

Im Text der Qi§ça fällt auf, daß kein intellektueller Vorzug der Araber erwähnt wird (dagegen in PB\). Bei Firdausi rühmt sich al-Mundir vor Yazdgerd einiger

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Wahl an-Nu'män's zum Prinzenerzieher folgen die Qissa und ΡΒηζ der Mehrheit der arabischen Historiker74, während die eigentliche persische Tradition an dieser Stelle al-Mundir auftreten läßt76. Damit wird ein schwieriges historisches Problem berührt. Die Quellenlage zeigt, wie unsicher man schon in sehr früher Zeit in diesem Punkt war; denn nicht allein über die Person des Erziehers war man uneinig, auch über seinen Vater herrscht die größte Unklarheit. So findet sich in der erstgenannten Tradition an-Nu'män b. Imra' al-Qais und b. al-Mundir7e, in der anderen al-Mundir b. an-Nu'män und b. Imra* al-Qais. Da sich durch die Entdeckung des Grabes des Imra' al-Qais I in an-Namära ein gesichertes Datum, nämlich 328, in der Lahmidendynastie ergibt, erscheint die Zeittafel Tabari's nach Hisäm in neuem Licht. Ihre Zuverlässigkeit ist bestätigt worden77. Das Ende der Herrschaft an-Nu'män's I ist also um 418 anzusetzen. Wenn Bahräm als Kind nach al-Hira kam, muß es unter an-Nu'män I gewesen sein78. Die persische Überlieferung ging sicher davon aus, daß al-Mundir Bahräm später im Thronstreit unterstützte. Daher kam es zu der Identifizierung al-Mundir's mit dem Erzieher Bahräm's, zumal er wohl bedeutend älter war79. Schwierig ist dabei die Nachricht einzuordnen, daß Eigenschaften, die Sagä'a und 'aql entsprechen (34,75f.). Mirhuänd bringt einen Teil der Begriffe, die in der Qi$$a und in PB auftauchen, schon vorher in dem

Horoskop Bahräm's: man sagt ihm Sagä'a, mardänagi, fafäha und farzänagi voraus. Der Tugendkatalog in der Qiff a läßt an die Polemik gegen die Su'übiya denken, in der die fa^ä'il der Araber eine große Rolle spielten (Ibn Qutaiba schrieb sogar

ein Buch: Taf4il al-'Arab, s. al-'Iqd al-farid III 407; III 324 wird als vorzügliche Eigenschaft der Araber nach einem Prophetenausspruch ihre Großzügigkeit (karam) genannt, während Ibn al-Muqaffa* an dieser Stelle ihren 'aql hervorhebt).

Besonders ausführlich werden die fa4ä'il der Araber in al-'Iqd al-farid II 4—9

geschildert. Dort tritt an-Nu'män b. al-Mundir vor Kisrä (Husrau Parwëz) als Verteidiger der Vorzüge der Araber auf. An dieser Stelle finden sich fast alle Begriffe wieder, die in der Qi$$a erwähnt werden. 73 74

75

PB nennt ihn allerdings Herrscher von Jemen, s. dazu S. 48. Ya'qûbî, Tabarï, Eutychios, Mas'üdi, Hamza (H. nennt ihn nicht als Erzieher Bahräm's, doch setzt er einen Teil seiner Regierungszeit unter Bahräm an), alMaqdisi, Agäni; dazu die Perser Bal'amî, Gardizi, MIrhuänd. Nizämi folgt hierin Tabarï/Bal'amï. Von den Arabern folgen dieser Tradition: Dïnawarï (der ebenso wie at-Ta'älibi überhaupt viele persische Traditionen heranzieht), Tabarï in seinem zweiten

Bericht, Nihäya; von den Persern: Firdausï, Färs-näma, Mugmal.

n

77 78

Die Qifsa selbst spiegelt diese Verwirrung wider: S. 4 nennt sie ihn b. Imra'al-Qais ; S. 13 jedoch b. al-Mundir. S . H U A R T I 6 3 f.

N Ö L D E K E , G.d.S. S . 86, A. 1; vgl. C A U S S I N D E P E R C E V A L I I 55f., R O T H S T E I N 67; dagegen C H R I S T E N S E N , L'Iran S . 274: al-Mundir Erzieher Bahräm's. Als er Bahräm im Thronstreit unterstützte, sandte er seinen Sohn mit Truppen zur Belagerung Ktesiphon's. Das setzt voraus, daß er, wenn er schon einen erwachS.

S.

n

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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Yazdgerd al-Mundir zwei Ehrennamen verlieh80. Die Existenz dieser Namen ist m. E. nicht zu bezweifeln. Die Frage ist nur, ob sie an-Nu'män oder al-Mundir verliehen wurden. Nimmt man an, daß Bahräm seine Kindheit wirklich in al-Hira verlebte, so ist wahrscheinlich, daß Yazdgerd an-Nu'män für diesen Dienst auszeichnete. Die Perser wiesen die Auszeichnung entsprechend al-Mundir zu. Wenn man jedoch die Historizität der ganzen Überlieferung von der Kindheit Bahräm's in al-Hira ablehnt, wie esNöLDEKE, SPIEGEL81 u. a. tun, hängt die Tradition von der Verleihung der Ehrentitel in der Luft. Zwar kam al-Mundir schon zwei Jahre vor dem Tode Yazdgerd's an die Herrschaft, doch hören wir zu der Zeit nichts von ihm, was die Verleihung der Titel an ihn rechtfertigen würde. Mir erscheint NÖLDEKES Ablehnung dieses Traditionskomplexes nicht fundiert genug. Seine Argumentation steht hier auf schwachen Füßen; denn seine einzigen Kriterien sind die poetische Abgerundetheit der Tradition und ihr persischer Charakter und Stil. Beides bezieht sich auf die Redaktion des Stoffes, eventuell noch auf stoffliche Einzelheiten, jedoch nicht auf die eigentliche Tradition als den Grundstoff. Außerdem wird in der arabischen Uberlieferung, die im Stil durchaus arabisch wirkt, Bahräm's Jugend in al-Hira als Anknüpfungspunkt für verschiedene, aus anderen Zeiten stammende Traditionen genommen. Auch dieser Komplex ist „poetisch abgerundet", wenn auch in ganz anderer Art. Obwohl sich die Details unterscheiden, ist die grundlegende Tradition die gleiche. Ich halte es kaum für möglich, daß die so einhellig überlieferte Nachricht von der Erziehung Bahräm's in senen Sohn hatte, bedeutend älter war als Bahräm, der bei seiner Thronbesteigung etwa 20 Jahre alt gewesen sein muß. — An der Nachricht selbst zu zweifeln, sehe ich keinen Grund, mag auch der Name des Sohnes nicht an-Nu'män, sondern al-Aswad gewesen sein. S. R O T H S T E I N S . 52ff., N Ö L D E K E , G.d.S. S. 86. 80

81

So nach Tabari 1,855 (II 69): Räm-abzüd Yazdagird und Mahi&t. Die arabische Übersetzung bei Tabari lautet: zäda surür Yazdagird und a'zam al-hawal, s. dazu N Ö L D E K E , G.d.S. S.86f., A. 1. Die Nihâya fol. 123b hat stattdessen: afz(ü)d hurrahi und mastarä mastarän (izdäda karämaian und 'azitn al-'uzamä'). Zu der Form mahüt (nicht mihiit) s. F. M E I E R I 43: E S muß mahiSt heißen, da der mp. Positiv mas lautet, während der Komparativ meh lautet. Für den Superlativ, der hier vorliegt, muß man natürlich von der Grundform ausgehen. — Die Form des Titels in der Nihäya: mastarä mastarän geht zurück auf ein mastar-i mastarän (ohne Izäfat müßte es heißen: mastarän mastar). Die lange Izäfat konnte im frühen Np. in der Schrift durch Yä ausgedrückt werden. In diesem Fall wurde sie mit Alif maqçûra verwechselt und schließlich mit Alif geschrieben. G.d.S. S . 86, A. 1. Jedoch gibt auch N Ö L D E K E ZU, es sei „nicht unwahrscheinlich, daß Bahräm sich als Prinz länger in Hîra aufgehalten hat". S P I E G E L III S . 342: „Wir vermuten, daß die Erziehung des Prinzen unter den Arabern in seiner frühesten Jugend in das Reich der Fabeln gehört, aber daß er sich als erwachsener Mann länger bei Mundir aufgehalten haben mag . . . ."

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Kommentar zur Rahmenerzählung

al-Hïra keinen historischen Hintergrund hat, mögen die Einzelheiten auch ζ. T. auf poetische Ausschmückung und volkstümliche Sagen zurückgehen. Der König al-Hira's ist nach den Worten des Wezirs als Prinzenerzieher besonders geeignet, da er in einem Gehorsamsverhältnis zu Yazdgerd stehe und ihm sehr zugetan sei (4,6; muti und mahabba sind die entsprechenden Begriffe). Beides stimmt mit der historischen Tradition überein. Der König von al-Hïra war Statthalter ('ämil) der Sasaniden82. Daß zwischen Yazdgerd und den Vasallen in al-Hïra freundschaftliche Beziehungen herrschten, beweisen — abgesehen von diesem Traditionskomplex — Bahräm's eigene Worte, als er im Thronstreit al-Mundir's Hilfe gleichsam als Gegenleistung fordert83. Eine direkte Beziehung sehe ich hier zwischen der Qissa und PB und Firdausi. Bei diesem stellt sich al-Mundir selbst auf grand dieser beiden Vorzüge als besonders geeignet hin. Dem arabischen muff entspricht das persische banda, der mahabba mihrBi.

Im folgenden ist der Ablauf des Geschehens: die Benachrichtigung anNu'män's durch einen Boten, seine Reise zur Residenz Yazdgerd's, sehr breit geschildert. Die Qissa und PB lassen in der Aufeinanderfolge des Geschehens kein Detail aus, ein Stilmerkmal der Gattung. Allerdings findet sich in einem bedeutsamen Detail ein Unterschied zwischen ihnen. In der Qissa ist an-Nu'män König von al-Hïra, in PB herrscht er dagegen über den Jemen. Die Fassung der Qissa stimmt mit dem Zeugnis der gesamten Historiker überein. Die Lahmidendynastie, nach ihren bekanntesten Vertretern und oft wiederkehrenden Herrschernamen geradezu an-Na'ämina und al-Manädira genannt 85 , war mit dem Namen al-Hira's eng verbunden; über die Lage al-Hira's im Irak, etwa eine Parasange südlich vom späteren Kufa8®, war kein Zweifel möglich. PB folgt mit der seltsamen Zuordnung an-Nu'män's nach dem Jemen dem Beispiel Nizämi's87, der diese Nachricht von Firdausi übernommen hat 88 . Es ist wichtig, einstweilen den 82

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Vgl. Tabari 1,850 (II 65), Agäni II 144, at-Ta'älibi S. 539. Gardizi nennt ihn amir, Bal'ami dagegen malik. Zu 'ämil s. N Ö L D E K E , G.d.S. S. 17, A. 1: „Das arabische Wort 'ämil „der da wirkt" ist vermutlich eine direkte Ubersetzung des gleichbedeutenden persischen hârdâr." Nach N Ö L D E K E fällt die Gründung des Vasallenstaates in die Zeit Säpür's I. (G.d.S. S. 25, A. 1). Tabari 1,858 (II 71): „Ich denke, ihr Araber werdet anerkennen, wie sehr euch mein Vater durch Wohltaten und Gnaden ausgezeichnet hat, so hart und streng er gegen die Perser war" ( N Ö L D E K E , G.d.S. S . 9 2 ) . 34,74 u. 78: „So sagte Mundir: Wir sind Sklaven und leben in der Welt (nur) für den König. Unser Herz ist voll Liebe zum König." So im Tanbïh des Mas'ûdï S. 186; s. R O T H S T E I N S. 46. R O T H S T E I N S. 13 nach Içtahrï 82, Ibn Hauqal 163. 9,28. 34,87. Der Irrtum Firdausi's muß darin seinen Grund haben, daß er von der Herkunft der Lahmiden aus dem Jemen wußte. Bei einigen arabischen Autoren

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Unterschied im Detail zwischen der Qissa und PB festzuhalten. Solche Verschiedenheiten — es werden noch mehr aufzuzeigen sein — beweisen, daß die Texte zwar zusammenhängen, nicht aber voneinander abhängig sind, so daß man an eine gemeinsame Vorlage denken muß. An dieser Stelle wird es mindestens schon für PB klar, daß er nicht von der Qissa abzuleiten ist, während wir es von der Qissa noch nicht mit Bestimmtheit sagen können, da der Herausgeber der Qissa, der ein guter Kenner der arabischen Literatur ist und selbst eine Reihe von alten Autoren ediert hat, diese Einzelheit den bekannten Tatsachen angepaßt haben kann. Nur in der Qissa läßt an-Nu'män seinen Sohn al-Mundir, der hier geschickt in die Erzählung eingeführt wird, als Stellvertreter in al-Hira zurück. So ist Gelegenheit gegeben, die Charakteristik al-Mundir's, der später eine bedeutende Rolle in der Lebensgeschichte Bahräm's spielt, zu zeichnen. Sie stimmt mit den historischen Zeugnissen89 überein, ebenso aber auch mit der Selbstcharakteristik al-Mundir's bei Firdausi90. Im nächsten Detail treffen sich die Qissa und PB wieder. an-Nu'män nimmt 150 Reiter als Begleitung mit. Davon findet sich sonst nirgends eine Spur. An dieser Stelle dürften die letzten Zweifel über den Zusammenhang der beiden Volkstexte beseitigt sein. Nach den Worten der Qissa begibt sich an-Nu'män zur Stadt (madinat) Iran. Die Bezeichnung Irans als Stadt mutet seltsam an. Zwar kann madlna nach D O Z Y auch „Hauptstadt" heißen91. Doch fand ich eine interessante Stelle in dem schon erwähnten Volksroman Qissat Fairüz-Säh, wo es ausdrücklich heißt, daß Däräb eine herrliche Stadt baute, die er Iran nannte. So nehme ich an, daß auch in der Qissat BahrämSäh, die dem gleichen literarischen Genre angehört, madinat Iran mit Stadt Iran übersetzt werden kann. Diese merkwürdige Bezeichnung beruht sicher auf einer Fehlübersetzung von Iränsahr, dem in der Sasanidenzeit gebräuchlichen Namen für das Land Iran. Da Hahr im Np. eine Begriffsveränderung erfahren hat und jetzt gleichbedeutend mit madlna ist, kann es zu dieser falschen Interpretation von Iränsahr kommen92. Der Aufenthalt an-Nu'män's in der Residenz der Sasaniden93 ist in der Qissa sehr viel breiter als in PB geschildert. Während PB die einzelnen findet sich eine Nachricht darüber, so bei Ya'qûbî I 180, Dïnawarî S. 55, Mas'üdi M.d. I I 90. 88

S . N Ö L D E K E , G.d.S.

90

34,61.65.76. So gibt DOZY an: madinat Andalus = Cordoba, madinat Ifriqiyä = Kairawan (nach Maqqarï). Vielleicht hat dazu beigetragen, daß bei Firdausi IränSahr mit Sahr-i Iran wiedergegeben ist. Bei ihm findet sich Hahr auch schon in der heutigen Bedeutung „ S t a d t " . Zur Residenz der Sasaniden s. NÖLDEKE, G.d.S. S. 16, A. 1, ferner CHRISTENSEN, L'Iran S. 383.

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4

Pantke, Roman

S. 8 6 , A . 1.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Punkte im Geschehensablauf nur andeutet, verbindet die Qissa mit jedem eine eingehende Beschreibung. Das Zeremoniell des Sasanidenhofes wird besonders eingehend behandelt. Dabei mischen sich volkstümliche Erzählungselemente 9 4 mit historischen Reminiszenzen, die nur der

Literatur

entlehnt sein können, so ζ. B . die Anspielung auf die Könige von Usrüsana bei der Schilderung der Prostration vor Yazdgerd (5,2) 9 5 . Hier wird wieder die Bearbeitung des Herausgebers der Qissa sichtbar. Mehrmals wird ausdrücklich auf sasanidische Sitten und Bräuche hingewiesen. Tatsächlich zeigt ein Vergleich mit den Nachrichten, die über die sasanidische Hofhaltung erhalten sind, viele Übereinstimmungen, so bei der Prostration vor dem König 9 6 . Auch das feierliche Gastmahl, das der König für an-Nu'män gibt, geht nach sasanidischer Sitte vor sich 97 . Das gleiche trifft für andere 94

85

M

87

So die Schilderung des Empfangs an-Nu"man's durch die Großen der Stadt (s. LANE, Arabian Nights I 26), die Einzelheiten des Banketts usw. Uárüsana war eine Provinz in Transoxanien (vgl. Hudüd al-'älam S. 115; zum Namen Surüsana, Usrüäana, Uárüsana, vielleicht auch Surüäna s. MINORSKY'S Kommentar zu Hudüd S. 354). Ihre Könige trugen den Titel AfSm. Erst 822 trat der regierende Afäin Käwüs zum Islam über. Sein Sohn, der Afäin Haidar (bei den Arabern Haidar genannt), wurde wegen seiner Unterstützung der Revolte des Mäziyär unter al-Mu'tasim hingerichtet, dem er zuvor als General große Dienste erwiesen hatte (s. EIa: Afäin; Tabarï gibt andere, persönliche Gründe des Kalifen für den Sturz des Afäin an: X S. 363, zitiert nach einer älteren, undatierten Kairiner Ausgabe). Die Anspielung in der Qiffa, auch bei den Königen von Uärüsana sei die Prostration üblich gewesen, bezieht sich wahrscheinlich auf die Stelle bei Tabarï X S. 366, wo die gerichtliche Verhandlung gegen den Afäin geschildert wird: „Der Marzubän sagte zu ihm: Schreibt man dir nicht so und so in der Sprache von Uärüsana ? Er antwortete: Ja. — Ist die arabische Ubersetzung nicht: An den Gott der Götter von seinem Sklaven NN ? — Er antwortete: J a . . . Das war Brauch des Volkes gegenüber meinem Vater und Großvater und auch mir gegenüber, bevor ich mich dem Islam zuwandte, und dann wollte ich mich nicht selbst unter meinen Rang stellen, so daß ihr Gehorsam mir gegenüber Schaden gelitten hätte." — Der Zusammenhang zwischen Prostration und göttlicher Verehrung war noch sehr spät im Bewußtsein der Menschen lebendig. Das beweist die Anekdote von der Krönung "Adud ad-Daula's im Jahre 976, die MEZ S. 136f. berichtet. 'Adud küßte den Boden vor dem Kalifen, worauf ihn sein General erschreckt auf persisch fragte: O König, ist das Gott ? Vgl. Tabarï 1,1048 (II 221), wo der gleiche Ausdruck harr a lahü sägidan gebraucht wird; s. dazu NÖLDEKE, G.d.S. S. 366, A. 2: „Man beachte, welch genaue Bekanntschaft mit dem Zeremoniell der Bericht verrät." S. auch CHRISTENSEN, L'Iran S. 401. Vgl. Kitäb at-täg § 13. Bei den Sasaniden war z. B. die Mahlzeit streng von der Unterhaltung, die erst danach begann, getrennt. In der Qissa haben wir ebenfalls diese Zweiteilung Essen—Bankett. Daß diese Ordnung auch am Abbasidenhof eingehalten wurde, erwähnt MEZ S. 375. Der Hinweis der Qissa auf die Sasaniden kann sich auch auf das Essen selbst beziehen, bei dem die Gänge nacheinander aufgetragen wurden. MEZ S. 373 weist darauf hin, daß man das Nacheinander-

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Details, die nicht ausdrücklich als sasanidisch gekennzeichnet sind, zu. Dabei ist zu bedenken, daß das sasanidische Hofzeremoniell am Abbasidenhof weiterlebte. Von daher hat es seinen Niederschlag in der Literatur, auch in der volkstümlichen, gefunden98. Auf diesem Weg kann es in die Qissa gelangt sein, wenn es nicht direkt aus einschlägigen Werken wie dem Kitäb at-täg übernommen wurde, was ich für die Details, die sich auch in PB finden, ausschließen möchte. Vor der Rückreise an-Nu'män's nach al-Hira schiebt die Qissa noch die Episode mit Bahräm's Mutter ein. Die Szene ist recht dramatisch gestaltet. PB macht nur eine Andeutung darüber, daß die Mutter mit auf die Reise geht. Außerhalb dieser beiden Texte wird die Mutter Bahräm's nirgends in diesem Zusammenhang erwähnt, auch bei Firdausï und Nizämi nicht, wo man es am ehesten erwarten könnte". Die Episode kann wieder auf das Genre des Volksromans zurückgeführt werden. Typisch ist, daß die Mutter hier zwar auftritt, im weiteren Verlauf der Handlung aber keinerlei Rolle spielt. Seltsamerweise hören wir nichts von einer persönlichen Auszeichnung an-Nu'män's durch den Perserkönig. Nach dem volkstümlichen Stil der Qissa wäre zu erwarten, daß ihm Yazdgerd die obligate hil'a, das Ehrengewand, verleihen würde100. Dagegen wird berichtet, daß an-Nu'män die Schätze, die ihm Yazdgerd als Entgelt für die Erziehung Bahräm's schenken will, ablehnt mit dem Hinweis auf seinen eigenen Reichtum, den auch die Historiker bestätigen101. Nach der Ankunft in al-Hira trifft an-Nu'män einige Anordnungen für Bahräm's Aufenthalt. Den knappen, allgemeingehaltenen Angaben in der Qissa zu diesem Thema stehen präzise Details im Bericht Firdausï's und einiger Historiker gegenüber. Es geht dabei um die Ammen, die an-Nu'män für Bahräm aussucht. Während Ya'qübi auftragen der Gerichte bis zur Abbasidenzeit bei den Arabern nicht kannte, da die alte muslimische Sitte verlangte, das Essen vollständig hereinzubringen. ,8

Die sasanidische Wirklichkeit spiegelt ζ. B. das strenge Einhalten der Rangordnung beim Sitzen, Händewaschen usw. wider (vgl. Kitäb at-täg § 16). Die Höflichkeitsbezeigungen des Königs gegenüber dem Gast, ζ. B. das Aufstehen vor ihm, das Geleiten des Gastes zu einem Ehrenplatz, waren am sasanidischen Hof die gleichen wie später bei den Abbasiden. Sie begegnen uns in 1001 Nacht allenthalben. — Ob der in 1001 Nacht und auch in der Qi$fa geläufige Ausdruck: den Boden vor jemandem küssen, mit der vor den Sasaniden geübten Prostration identisch ist, ist fraglich. S. dazu L A N E , Arabian Nights I 483; vgl. Kitäb at-täg § 6.

·· Bei Nizämi tritt die Mutter Bahräm's erst in der Schlußszene nach seinem Tode auf (52,49ff.). 100 So bei Firdausï 34,82. Zu sonstigen Ehrungen s. A. 80. 101 Hamza S. 88: ,,Er (an-Nu'män b. Imra'al-Qais) brachte für sich soviel an Vermögen, Besitz und Sklaven zusammen, wie es keiner von den Königen von alïlïra je besessen hatte." 4«

52

Kommentar zur Rahmenerzählung

allgemein von arabischen Ammen spricht102, sind es bei Tabari in seinem „persischen" Bericht drei Frauen, zwei Araberinnen und eine Perserin, mit körperlichen und geistigen Vorzügen ausgestattet 103 . Firdausï stellt das Gleichgewicht zwischen persischem und arabischem Element her, indem er vier Frauen, zwei vornehme Perserinnen und zwei Araberinnen, als Ammen Bahrain's aufführt 104 . Das Fehlen dieser Angaben in der Qissa hängt sicher mit dem Auftreten der Mutter Bahräm's in dieser Episode zusammen, das die Ammen als überflüssig erscheinen läßt. So fehlen sie auch im sonst ausführlich berichtenden Färs-näma, das Bahräm erst im Alter von zwei Jahren nach al-Hira kommen läßt105. Zwei Monate nach seiner Rückkehr beauftragt an-Nu'män seinen Sohn al-Mundir, einen gesünderen Aufenthaltsort für das Kind zu suchen, da das Klima der Stadt al-Hira zu heiß sei. Im knapperen PB fehlt der Passus. Dafür finden wir ihn bei Nizämi. Dort sind allerdings schon vier Jahre vergangen106. Der Wortlaut der Rede an-Nu'män's ist in beiden Texten sehr ähnlich, man kann fast von einer wörtlichen Ubereinstimmung sprechen107. Dann hört jedoch die Ähnlichkeit zunächst wieder auf. In der Qissa weist al-Mundir seinen Vater auf das bereits existierende Schloß Hawarnaq hin, bei Nizämi begibt er sich auf die Suche nach einem geeigneten Bauplatz, auf dem dann das Schloß Hawarnaq entsteht. In der Baugeschichte laufen beide Texte wieder parallel. Ein Unterschied Hegt jedoch darin, daß die Qissa den Bericht in Form eines Exkurses108 anführt, während ihn Nizämi wie auch PB in den Handlungsverlauf einbettet. Darin folgen sie den Historikern, die, sofern sie die Baugeschichte berichten, den Bau mit Bahräm's Aufenthalt in al-Hira begründen109. Auch bei denen, die ihn nicht mit Bahräm loa j 141; Dinawarî S. 53 spricht noch allgemeiner nur von „Ammen". 103

101 106 106 107

108

109

1,855 (II 69), at-Ta'älibi S. 540 und Ibn al-Atir I 401 folgen ihm hierin. Bal'ami S. 111 geht noch genauer vor: Schon in Persien wird eine vornehme Frau ausgesucht, damit das Kind auf der Reise gestillt werden kann. Dazu kommen in al-Hira zwei Araberinnen. 34,89ff., bei Nizâmï fehlen dagegen diese Details. S. 74. 9,34. So heißt es bei Nizämi: „O mein Sohn, mein Sinn ist bekümmert; denn diese Luft ist trocken und dieses Land warm, doch dieser Prinz ist zart und fein." In der Qissa lautet der Abschnitt: „Ich bin wegen ihm bekümmert; denn die Hitze der Stadt ist heftig, doch der Körper Bahräm's ist zart und schmächtig." Dieser Exkurs wendet sich an die Leser bzw. die imaginären Zuhörer. Der Erzähler redet sie mit „o ihr Herren" an, wie es die Volkserzähler, die ein Publikum um sich sammeln, zu tun pflegen. So Tabari 1,851 (II 65), al-Maqdisi III 163, Agäni II 145, at-Ta'älibi (Einzelheiten fehlen) S. 540, Bal'ami S. 111, Mïrhuând I 758, außerdem Gardizi S. 26 und die Geographen.

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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verbinden, wird an-Nu'män als Bauherr genannt110, wie wir es entsprechend in der Qissa finden. Dabei wird deutlich, daß die Geschichte des Hawamaq auf arabische Traditionen zurückgeht. So wird dieses Schloß von Der Firdausi nirgends erwähnt, ebenso wenig vom Autor des Färs-näma. Name des Hawarnaq verband sich schon früh mit dem an-Nu'män's I, obwohl das Schloß wahrscheinlich aus einer früheren Zeit stammt 111 . So ist es zu erklären, daß eben durch diese Verbindung mit an-Nu'män der Name Hawarnaq auch in die Texte eingedrungen ist, die nicht der arabischen Tradition vom Bau des Schlosses folgen112. Dinawari ist der einzige, der die Existenz des Hawarnaq lange vor an-Nu'män als selbstverständlich voraussetzt113. Nun wirkt der Name Hawarnaq ebensowenig arabisch wie der des Schlosses Sadir, mit dem es häufig zusammen erwähnt wird und das auch in der Nähe al-Hira's gelegen haben muß114. Die Erklärung beider Namen bleibt unsicher, da die Etymologien nicht geklärt sind. Ich möchte hier auf die Erklärungsversuche zum Namen Hawarnaq eingehen, deren Geschichte weit zurückreicht. Schon die Historiographen bemühten sich um die Erhellung des Wortes. So berichtet Mirh°änd115 nach Ibn Qutaiba, die Perser hätten das Schloß h uardan-gäh genannt, „Platz, wo man sitzt und ißt". Dieser Theorie folgt auch Gawäliqi im Mu'arrab11β. Bal'ami gebraucht das Wort in appellativem Sinn, nicht nur als Namen117. Er leitet es von einer persischen Form h uarand ab und gibt als Bedeutung „hoher Pavillon, wie ein Kuppelbau". Vom Versuch, eine arabische Etymologie aufzustellen, berichtet Yäqüt nach Ibn öinni. So hätte al-Halil b. Ahmad es von hirniq „junger Hase" ableiten wollen, gegen ihn habe jedoch alAsma'i die Theorie vom „Ort des Essens und des Trinkens" festgehalten118. Die Lexikographen, auch die neueren, greifen auf diese alten Theorien zurück. Sie leiten Hawarnaq von h uarna, einer verkürzten Form von h"aran-gäh ab119. Von anderen Versuchen zur Erklärung des Namens ist neben der NÖLDEKES120, der das Wort im Talmud in appellativer Bedeutung als 110

111

112 113

Ya'qübi I 181, Ibn Qutaiba, Ma'ärif Mugmal S. 15. S . NÖLDEKE, G.d.S.

S. 647, Mas'üdi, M.d. II 98, Hamza S. 88,

S . 7 9 , A . 3, CHRISTENSEN, L'Iran

S . 2 7 4 , ROTHSTEIN S . 1 6

und 1 4 4 . Wenn A N D R E A S ' Etymologie richtig ist, muß der Bau sehr viel älter sein, da der Name seiner Lautform nach der Zeit vor 100 v. Chr. angehört. S. oben A. 110. S. 56: bereits Gadîma residierte im Hawarnaq.

114

S. ROTHSTEIN S. 1 5 f .

115

116 I 759. S. 136. S. 111. an-Nu'män sagt: . . . damit ich ein Hawarnaq erbaue. 2,2 S. 490.

117 118 119

S. VULLERS, STEINGASS.

120

G.d.S.

S. 79, A . 3.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

„Laube, Pflanzung" findet, aber keine persische Etymologie geben kann, besonders die Erklärung von ANDREAS ZU nennen121. Er führt Hawarnaq auf altiranisch *huvarna oder *huvarna zurück, das bedeuten soll: „guten Schutz verleihend, ein schönes Dach habend". ANDREAS sieht sich in seiner Theorie bestärkt durch die neuiranische Form des Wortes, hur, die von den Lexikographen, ζ. B . V U L L E R S , als gleichbedeutend mit hawarnaq überliefert ist. Allerdings ist sein Hauptargument, daß nämlich *huvarna sich im Armenischen als Lehnwort horan (xoran) in der Bedeutung „Zelt, Zeltdach, Lusthaus" gehalten habe, von STIG WIKANDER zurückgewiesen worden122. Er kommt für horan zu einer ganz anderen Etymologie, wobei er sich auch gegen die von BAILEY123 vertretene Theorie wendet, horan sei von mp. huaran in der Bedeutung „Festhalle" abgeleitet. Diese Bedeutung existiert nach WIKANDER nicht, huaran sei einfach „Essen, Mahl, Festmahl". Allerdings findet auch WIKANDER den Zusammenhang von H"arnaq und horan von der Bedeutung her nicht unwahrscheinlich, horan kann nämlich sehr vieles heißen: „cielo, corte celeste, chiesa, edificio a cupola, palazzo" (CIAKCIAK, Dizionario armeno-italiano). Er geht jedoch nicht auf das Problem ein, wie das arabische Schloß zu einem armenischen Namen gekommen sein könnte. Als iranische Etymologie schlägt er noch die Möglichkeit vor, Hawarnaq mit hParmah „gloire royale" zu verbinden. Diese sprachgeschichtlich naheliegende Möglichkeit gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß sich huar$nah als Element in mehreren iranischen Ortsnamen findet, so in Ardasir-hurrah, Ädur-hurrah (WIKANDER), allerdings immer mit einem zweiten Namenselement. Nach diesem Exkurs über die Probleme, die der Name Hawarnaq aufgibt, ist die Baugeschichte, wie sie die Qissa erzählt, zu untersuchen und mit den Fassungen der Historiker und Geographen zu vergleichen. Zunächst wird die Lage des Schlosses beschrieben. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß sie an Wasser und Land gleichermaßen Anteil hat. Hinter dem Hawarnaq beginnt das freie Land (barr), vor ihm fließt der Strom (bahr) vorbei. Bei diesem kann es sich nur um den Euphrat handeln. Tabari nennt ihn namentlich, als er schildert, wie an-Nu'män vom Hawarnaq aus die Umgebung betrachtet. Nach Westen zu erblickt er das fruchtbare Land, im Osten den Euphrat124. Bei Barami findet sich die Zweiteilung zwischen der Wüste (bädiya) auf der einen Seite und dem fruchtbaren Land mit 121

So als Nachtrag bei ROTHSTEIN S. 144f.

122

I n : Notes

123

I n : Β SO S V I , 593.

124

1.853 ( I I 67).

irano-arméniennes.

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

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Dörfern und dem Euphrat (rüd-i'Iräq) auf der anderen Seite125. Von Hamza hören wir, daß der Euphrat damals al-Hïra berührte 126 . Da das Schloß IJawarnaq in der Nähe al-Hira's lag127, stimmt die Schilderung nicht nur mit den Berichten der Historiker, sondern auch mit der Realität überein. In diesem Fall ist es auch möglich, die direkte Quelle der Qissa auszumachen. Wir haben nämlich ein wörtliches Zitat aus einem der Geographen vor uns. Es findet sich zuerst bei Ibn al-Faqih am Schluß der HawarnaqTradition, als an-Nu'män hoch auf das Schloß steigt, um den Blick über sein Reich zu genießen 128 . Von Ibn al-Faqih haben es Yäqüt und Qazwini wörtlich übernommen 129 . Bezeichnenderweise fehlt dieses Detail in dem sehr knapp erzählenden PB, der nur die wichtigsten Phasen der Baugeschichte erwähnt. Hier wird die Bearbeitung des Uterarisch gebildeten Herausgebers der Qissa wieder einmal deutlich 130 . Die folgende Schilderung bestätigt das gefundene Ergebnis. Es wird aufgezählt, was sich dem Auge des Betrachters bietet, wenn er vom Hawamaq herabschaut: er sieht Fische (hüt), Eidechsen(àaèò), Gazellen(zaby) und Palmen(w«Ä2). All diese Einzelheiten finden wir bei Ibn al-Faqih wieder, der allerdings noch Strauße (zaltm) und Saatfelder(zar') hinzufügt. Die beiden letzteren fehlen bei Yäqüt, dessen Reihe also genau dem Wortlaut der Qissa entspricht. So hat der Herausgeber wahrscheinlich Yäqüt, nicht Ibn al-Faqih an dieser Stelle benutzt 131 . Im folgenden werden die Bauvorbereitungen geschildert. Zunächst läßt an-Nu'män einen geeigneten Bauplatz suchen, dann einen Baumeister. So ausführlich die Qissa hier berichtet, sie folgt dabei Schritt für 125

S. 113. — Nizämi, der auch ausführlich über die Lage des Schlosses berichtet, kombiniert Tabarî's und Bal'amï's Angaben: auf der einen Seite der Euphrat, auf der anderen fruchtbares Land mit Dörfern, vor ihm die Wüste, hinter ihm Wiesenland (11,15.17). 128 Bei Ya'qübi, Buldän S. 309 heißt es dagegen : ,,al-Hïra liegt am Nagaf, und das Nagaf war das Ufer(land) des Salzmeers (bahr al-milh), und das reichte in alter Zeit bis al-Hïra." — Im Gedicht des *Adi b. Zaid bei Tabarï 1,859 (II 68) wird gesagt: „Ihn erfreute sein Zustand, die Größe seiner Herrschaft, das Meer (bafir), welches sich dahin zog und Sadîr" (NÖLDEKE, G.d.S. S. 84). bahr kann hier ebensogut als Strom verstanden werden. NOLDEKE a. a. O.: „Aus diesen Worten, die auf das Nagaf oder den Euphrat gehen, ist wohl die mehrfach wiederkehrende Angabe geflossen, die See habe früher bis HIra gereicht." — Bei Ya'qübi, Tärih, I 181 ist der Euphrat dagegen ausdrücklich genannt. 127 Ya'qübi, Buldän a. a. O.: „Zwischen al-Hïra und dem Hawarnaq sind drei Meilen Abstand." Das Schloß lag östlich der Stadt. 128 S. 176. 12 » 2,2 S. 491; S. 187. 130 S. oben S. 50. 131 Qazwïnï ist an dieser Stelle etwas knapper, so daß er nicht in Frage kommt. — Die ausführliche Schilderung bei Hamza S. 88 ist m. E. auf eine Kombination von Tabarï 1,853 (II 67) mit Ibn al-Faqih S. 176 zurückzuführen.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Schritt Nizämi's Beispiel. B e i Nizämi ist es al-Mundir, der sich, z u s a m m e n m i t seinem V a t e r , auf die Suche n a c h einem klimatisch günstigen P l a t z begibt 1 3 2 . In den Haft Paikar

ist es für a n - N u ' m ä n ebenso schwierig wie in

der Qissa, einen B a u m e i s t e r zu finden, der seine Vorstellungen verwirklichen k a n n 1 3 3 ; denn darin s t i m m e n alle T e x t e , die den B a u des H a w a r n a q berichten, überein: es sollte ein Schloß werden, das nicht seinesgleichen h a t t e 1 3 4 . D e r Herausgeber der Qissa führt als Vergleichspunkte die w u n d e r b a r e n B a u t e n der S t a d t I r a m dät al-'imäd135 132 133

134 135

136

u n d die Schlösser Salomon's an 1 3 6 .

9,41f., Mirh a änd I 758 hat, wie auch sonst öfter, Nizämi an dieser Stelle benutzt. 10,2f. : „Sie suchten Meister in diesem Handwerk und machten den Platz für diese Werkstatt frei. Doch jeder, der sich erhob, jenes Ziel auszuführen, dessen Plan wurde nicht gebilligt." Bal'ami S. 111 berichtet ebenfalls von der Suche nach einem Baumeister. Nizämi hat vielleicht daher die Anregung empfangen. Tabari 1,851 (II 65), Bal'ami S. 111, at-Ta'älibi S. 540. Unklar bleibt der Ausdruck: ('alä Sakli) madä'in wa-qufür madinat Iram dät al-'imäd. E s sind zwei Erklärungsmöglichkeiten vorhanden: 1. madä'in könnte in dieser Reihe ein selbständiges Glied sein, müßte dann allerdings den Artikel haben. al-Madä'in ist nämlich die Residenzstadt der Sasaniden, Ktesiphon. Die Bauwerke Ktesiphon's, besonders der Iwän Kisrä, wurden von den Arabern, wie die Pyramiden, zu den Weltwundern gerechnet. Um die Überreste der einstigen Hauptstadt rankten sich Sage und Poesie (s. EI1: al-Madä'in, Yäqüt 4,1 S. 446ff., Hudüd S. 138). Inhaltlich würde diese Deutung also sehr gut passen. — 2. madä'in waqufür madinat Iram könnte auch als eine Konstruktusverbindung angesehen werden; syntaktisch ist das nach dem Stil der Qiffa möglich, wenn auch sonst nicht einwandfrei. Für diese Erklärung spricht, daß der Autor S. 78.21 diesen Ausdruck, etwas abgeändert, gebraucht: madä'in Iram dät al-'imäd. Dagegen spricht an unserer Stelle das zweite madina. Seltsam bleibt dann noch, daß der Autor von madä'in Iram spricht. Nach der Tradition ist es nur eine Stadt, wenn nicht gar ein Stamm. Vielleicht spielte ein Ausdruck wie madä'in Sälih, (Ruinen-)Städte des Sälih = al-Higr bei dieser ungewöhnlichen Bezeichnung Iram's mit. Vielleicht ist im modernen Arabisch der Plural madä'in im Gegensatz zu mudun häufig mit der Assoziation von vergangener Pracht (wie bei den „Ruinenstädten des Sälih") verbunden, worauf mich Herr Prof. Wehr hinwies. In der Qissa ist S. 4,13 von madä'in al-malih an-Nu'män die Rede. S. auch S. 57,24 (als Name Ktesiphon's). Zu Iram dät al-'imäd vgl. Sure 89,5, dazu Tabari, Tafsir X X X S. 96, Baidäwi zu dieser Sure; Mas'ûdï M.d. I I 133 und I 195, wo sich mit der Tradition eine sehr kuriose Erzählung von einem Wunderfisch verbindet; Yäqüt 1,1 S. 212ff. berichtet sehr ausführlich über die verschiedenen Traditionen, besonders über die märchenhafte, mit Edelsteinen geschmückte Stadt des Saddäd b. 'Äd. Sehr interessant ist in seinem Bericht (S. 214) die Nachricht, Saddäd habe in dieser Stadt 300000 Schlösser bauen lassen; denn sonst ist Iram, soweit ich sehe, wegen seiner Gärten berühmt, nicht wegen seiner Schlösser (vgl. Firdausi: bäg-i Iram 12,987 u. a.). — Auch Nizämi vergleicht Hawarnaq mit Iram: „Jemen wurde durch seinen (Hawarnaq's) Schmuck, dessen Ruhm sich verbreitete, wie Iram in der Welt hoch angesehen" (11,8). Sie wurden ihm, wie zahlreiche Märchen und Legenden berichten, von den öinn, über die er durch seinen Ring Macht besaß, gebaut. Sure 34,11—12 setzt diese

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Mit beiden Namen verbindet sich für den Muslim die Vorstellung ungeheurer Pracht, die sich als Leitfaden durch die sonst recht unterschiedlichen Traditionen hierüber zieht. Schließlich hört an-Nu'män von einem byzantinischen Baumeister namens Sinimmär, der in seinem Können unübertroffen sein soll. Seine byzantinische Herkunft wird von einigen der alten Quellen bestätigt. Bei Ibn al-Faqih taucht diese Nachricht zum ersten Male auf, andere, Historiker137 und Geographen138, haben sie übernommen. Auf welchem Weg dieses Detail in die Qissa gelangt ist, kann man nicht eindeutig sagen. Da im ganzen Abschnitt über den Bau des Hawarnaq die Geographen vom Herausgeber stark benutzt wurden, könnte man an sie denken. Doch auch Nizämi139, mit dem an anderer Stelle schon Übereinstimmungen festgestellt wurden, und PB nennen Rüm als Heimat des Baumeisters. Ob sich hinter dem Namen Sinimmär140 wirklich ein Byzantiner verbirgt,

137

188 139

140

Sagen voraus. Nach EI1: Sulaimän, stammt das Motiv der Macht Salomon's über die Ginn und ihre Verwendung bei seinen großen Bauten aus dem Midraä zu Ecclesiastes I I 8. Zu den verschiedenen Bauten vgl. at-Ta'labï S. 203. 209. 211. Schloßbauten sind ausdrücklich erwähnt S. 221 (die etwas anrüchige Geschichte vom Glaspalast für Bilqis), S. 222 (Schlösser für Bilqis im Jemen); vgl. auch Baidâwï zu Sure 34,12; Qazwïnï S. 144. 169. — Zu Ginn bzw. Gänn als Namen der Spezies s. L A N E , Arabian Nights I S. 2 9 , Ν . 2 1 (auch zu marada als Namen einer Untergruppe von Dämonen). So Barami. Auch Hamza S. 90 hat diese Nachricht. E r nennt Sinimmär jedoch als Baumeister eines Schlosses ^ · - (nach NÖLDEKE , G.d.S. S. 80, Α. 1: as-Sinnin, auch das entstellt), Mugmal S. 79, der den Namen des Baumeisters verderbt als Simsär bringt. Ibn al-Faqih S. 176, Yäqüt 2,2 S. 490. Qazwïnï S. 186. 10,5. PB gibt Simmär als Namen an. Die Qissa kann also nicht von PB abhängig sein. Man muß wieder an eine gemeinsame Vorlage denken. Die Form des Namens ist ziemlich einhellig so überliefert. Jedoch hat Nizämi den Namen mit Metathese des η und m als Simnär. Mirh u änd, der Nizämi oft als Quelle benutzt, folgt ihm auch hierin (I 758). ROTHSTEIN S. 15f. erwähnt den Versuch REISKES, Sinimmär durch Siman zu ersetzen, um so zu einer griechischen Namensform zu gelangen. Vom Schriftbild her ist dieser Versuch ohne weiteres möglich. Doch steht dem entgegen, daß der Name schon in dem altarabischen Sprichwort von der Belohnung Sinimmär's (s. unten A. 173. 174) als Sinimmär überliefert ist, man kann also nicht von einer primären schriftlichen Überlieferung ausgehen. JUSTI, Geschichte Irans, S. 526 wollte einen babylonischen Sin-immär darin erkennen. Ein Name Sin-immar (nicht Sin-immär) „der Mondgott Sin wird anschauen" ist zwar, wie mir versichert wurde, grammatisch denkbar, kommt aber nicht vor. Vielmehr werden in den Namen vergangene Ereignisse betont oder Wünsche ausgesprochen. Wenn man einen babylonischen Ursprung des Namens annimmt, so müßte er doch sehr stark entstellt sein. So kann man ebensogut die Entstellung eines anderen, etwa griechischen, Namens darin sehen, was wahrscheinlicher ist als ein babylonischer Ursprung. Der Lisän bringt zu sinnimmär (!) als angeblich arabischem Wort zwei Bedeutungen: 1. der helle Mond, 2. der Mann, der nachts nicht schläft = der Dieb (nach

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Kommentar zur Rahmenerzählung

kann man nicht entscheiden. Wesentlich ist wohl nur, daß der Name so, wie er überliefert ist, nicht arabisch wirkt. So nennt öawäliqi 141 ihn denn auch einfach a'gamî, nichtarabisch. Daß man in dem berühmten Baumeister einen Griechen sah, läßt nur auf die hohe Einschätzung byzantinischer Bautechnik und Kunstfertigkeit schließen142. Die Suche nach Sinimmär im Lande Rüm und sein anschließendes Gespräch mit an-Nu'män ist sehr breit dargestellt. Sinimmär geht auf die Bedingung an-Nu'män's, der einen Bau verlangt, wie ihn kein König auf der Erde jemals besessen hätte, ein. Nur bei Bai'ami finden wir eine ebenso ausführliche Schilderung der Unterhaltung. Auch bei ihm verspricht Sinimmär, ein Schloß zu bauen, wie es bisher nicht existierte 143 . Man braucht hier keine direkte Beziehung von der Qissa zu Bal'ami herzustellen, um diese Übereinstimmung zu erklären. Sinnvoller erscheint es mir, auch bei Bal'ami volkstümliche Stilelemente — wozu eben diese breite Ausführung eines sinngemäß aus dem Zusammenhang erschlossenen Details gehört — zu erkennen. Dagegen ist die folgende Nachricht, der Bau sei langsam vorangekommen, da der Baumeister zwischendurch mehrmals spurlos verschwand, wieder direkt auf die Geographen zurückzuführen 144 . Der Herausgeber bringt an dieser Stelle Yäqüt's Fassung fast wörtlich. Vor ihm hat nur Mirh u änd diese Tradition von den Geographen übernommen 145 ; Nizämi und PB fassen sich hier knapper. Aus der kurzen Notiz bei den Geographen, man habe vergeblich nach Sinimmär geforscht, schließlich sei er jedoch wieder aufgetaucht, macht die Qissa eine dramatische Szene. an-Nu'män hat schon den Scharfrichter kommen lassen, als Sinimmär vor ihm erscheint, doch läßt er sich durch die mitgebrachten Bauskizzen besänftigen. Bei den Geographen heißt es kurz, Sinimmär habe sich herausgeredet bzw. entschuldigt (ihtagga).

111 142

113 144

145

dem Dialekt der Banü Hudail). Belegstellen werden dazu nicht angeführt. Beides kommt, abgesehen von der mangelhaften Bezeugung, nicht in Frage. S. 195. S. N Ö L D E K E , G.d.S. S. 80, A. 1. G O L D Z I H E R in: Orientalische Baulegenden weist ebenfalls darauf hin, daß noch in späteren Zeiten die Araber auch für die Herstellung einfacher Bauten auf griechische Künstler und Handwerker angewiesen waren. Bei der Restauration der durch Brand beschädigten Ka'ba im Jahre 606 halfen nach der Tradition Griechen, die gerade zu jener Zeit an der arabischen Küste gestrandet waren. Vgl. auch Agäni III 85. Als Walïd I die Moschee von Medina neu herstellen ließ (707), erbat er Arbeiter vom griechischen Kaiser (Tabari 2,1194). S. 111. Ibn al-Faqih S. 176, Yäqüt 2,2 S. 490, Qazwïnï S. 186; dagegen fehlt diese Angabe bei al-Bakrï. I 759. Er schildert es jedoch als einmaliges Vorkommnis und läßt direkte Zeitangaben fort. Dafür nennt er als Zeitpunkt: als die Mauern des Gebäudes mannshoch waren.

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Die Geschichte vom mehrmaligen Verschwinden des Baumeisters gehört sicher nicht zur ursprünglichen Hawarnaq-Tradition. Sie ist eine spätere Zutat, entsprungen aus dem Bemühen, die lange Bauzeit von 60 Jahren zu erklären148, die sich in diesen Texten findet. Zur Annahme, das Schloß sei erst nach 60 Jahren vollendet worden, kam man wiederum durch die falsche Überlieferung eines Verses im Gedicht des 'Abd al-'Uzzä, das auch Tabari zitiert. Während es bei ihm heißt: „. . . bloß, daß er (Sinimmär) 20 Jahre lang ein Gebäude aufgeführt hatte . . ,"147, steht in der Fassung der Geographen sittin, 60148, statt HSrïn, 20. Die Angabe, an-Nu'män habe 80 Jahre lang geherrscht, die sich, soweit ich sehe, nur in den erwähnten Texten findet 149 , ist sicher ebenfalls eine Konstruktion, die durch den zitierten Vers bedingt ist. Als das Schloß endlich vollendet ist, übertrifft seine Pracht sogar die Erwartungen an-Nu'män's. Die Beschreibung des Hawarnaq in der Qissa läßt sich in den Hauptpunkten auf Nizämi zurückführen. Zunächst ist von kostbaren Malereien (nuqüS), die das Schloß schmücken, die Rede. Sie werden auch von Nizämi erwähnt: „Ein Haus (wörtlich: eine Werkstätte) reich an Schmuck und Goldschmiedearbeit, feuerfarben, und mit Malereien, wie nur Simnär sie schaffen konnte 150 ." Dagegen wird bei Nizämi nichts über die Festigkeit des Baues gesagt. Dieses Detail in der Qissa ist nicht sehr speziell, es könnte für jedes Schloß zutreffen. Man braucht es also nicht einer bestimmten Quelle zuzuordnen. Allerdings kann es auch auf das von Tabari u. a. angeführte Gedicht des 'Abd al-'Uzzä zurückgeführt werden, in dem es heißt: „Bloß, daß er 20 Jahre lang ein Gebäude aufgeführt hatte, indem er ununterbrochen Ziegel und geschmolzenes Blei einfügte 151 ." Seltsam ist, daß eine andere Eigenschaft des Hawarnaq in der Qissa nicht 146

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148

150 151

So außer in der Q¿??a bei Ibn al-Faqih, Yäqüt, Qazwïnï a. a. O. Sonst findet sich, gemäß der abweichenden Versüberlieferung des Gedichtes des 'Abd al-'Uzzä als Zeitangabe 20 Jahre: Bal'amï S. I l l , al-Bakrï I 516, an-Nuwairî I 386. Woher die Zeitangabe von 5 Jahren stammt, die Bal'amï S. I l l und in seiner Nachfolge Nizämi 10,22 nennt, stammt, kann ich nicht sagen. Vielleicht rührt sie aus der Kombination der Hawarnaq-Tradition mit der Bahräm-Geschichte her. 1,852 (II 66); ich zitiere NÖLDEKE, G.d.S. S. 82. Diese Fassung findet sich in Agäni II 145, al-Bakrï I 516 u. a. Das Gedicht ist auch in anderen Versen uneinheitlich tradiert. Interessant ist, daß bei FREYTAG A.P. I 280 diese Verse einem Sarab al-Kalbi zugeschrieben werden, zur Abwechslung einmal mit der Zahl 70. Sonst sind es 29 Jahre und einige Monate (Tabari 1,854 (II 68)) oder 30 Jahre (Hamza S. 88). 10,25, wörtlich: simnärische Malerei. Tabari 1,852 (II 66), zitiert nach NÖLDEKE, G.d.S. S. 82. Vgl. auch 1.851 (II 65): man staunt über die Schönheit (kusn) und die Festigkeit (bzw. Vollkommenheit) (itqän) des Schlosses.

60

Kommentar zur Rahmenerzählung

erwähnt wird, während sie in den übrigen Texten eine große Rolle spielt: die Höhe des Baues162. Dagegen betont die Qissa den hellen Glanz des Schlosses. Seine Mauern sind mit Diamanten und Edelsteinen besetzt, so daß ihr Funkeln in der Sonne das Auge des Betrachters blendet. Hier kann man gut beobachten, wie ein poetisches Zitat im Stil der Volkserzählung umgewandelt wird. Bei Nizämi heißt es nämlich: „Wenn die Sonne ihr Licht darauf warf, bedeckten die Paradiesjungfrauen (hür) ihre Augen mit der Stirnbinde183." Den Dichter interessiert nur die Wirkung, die er zudem in einem poetischen Bild umschreibt. Die Qissa dagegen fragt sogleich nach der Ursache und gibt eine materielle Erklärung. Der bildhafte Ausdruck der Wirkung wird in die Realität übersetzt. Ein NizämJ-Zitat liegt auch den Worten der Qissa zugrunde, in den Wänden des Hawarnaq habe man sich wie in Glas spiegeln können. Die Entsprechung bei Nizämi lautet: „Auf seine Decke war Leim und Milch gestrichen, davon wurde sie wie ein Spiegel und warf ein klares Bild zurück164." Schließlich nennt die Qissa eine letzte wunderbare Eigenschaft des Schlosses: seine Farbe verändert sich je nach der Tageszeit. Am Morgen zeigt es sich blau, am Mittag goldfarben, am Abend silberweiß. Wir finden diese Farbskala mit geringen Veränderungen bei Nizämi wieder166. Aber auch PB, der bisher die HawarnaqGeschichte äußerst knapp schilderte, erwähnt als einziges Detail das Farben152

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155

I n dem erwähnten Gedicht des 'Abd al-'Uzzä heißt es: „Als er nun sah, daß das Gebäude seine Höhe erlangt und wie ein Berg m i t hohen, steilen Gipfeln geworden war . . . " ( N Ö L D E K E a. a. O.). F ü r Bal'amî ist die Höhe des Hawarnaq sein hervorstechender Vorzug. an-Nu'män gibt selbst 200 Klafter als gewünschte Höhe an, als er mit dem Baumeister die Pläne bespricht (S. 111). Nizämi drückt es bildhaft aus: „ E i n Palast, dessen Turm sich bis zum Mond emporstreckte" (10,24). 10,29. 10,31. Vielleicht ist Nizämi durch Bal'ann S. I l l angeregt worden, wo es heißt: „ E r (Sinimmär) verlangte, man solle Gips (g? nicht gS" zu lesen) kochen, und diesen Gips befeuchtete er mit Milch." Noch heute sagt man: ¿¿o = Gips kochen, da der Gips vor seiner Anwendung durch Erhitzen geschmeidig gemacht wird. Auch Milch wird heute noch in einigen Gegenden Persiens zum Weißen von Decken u. ä. angewandt. Pers. ^ wird ar. Jicr· 10,32ff. Der Unterschied besteht darin, daß es zur Zeit der Morgendämmerung blau, nach Sonnenaufgang golden ist. Weiß zeigt es sich, wenn die Sonne von Wolken verdeckt ist. Mïrh u ând I 759 h a t diese Beschreibung, etwas abgeändert, von Nizämi übernommen. Woher Nizämi die Anregung zu dem dreimaligen Farbwechsel des Schlosses bekommen hat, ist klar. Er h a t hier wieder einmal auf B a r a m i zurückgegriffen. Dort findet sich das Farbenspiel nicht als Realität, vielmehr rühmt sich Sinimmär, er h ä t t e ein Schloß bauen können, das die Farben der Sonne angenommen hätte: „Wenn die Sonne rot gewesen wäre, hätte es rot ausgesehen, wenn sie goldfarben gewesen wäre, so auch das Schloß, und wenn der Mond heraufgezogen wäre, h ä t t e es die Farbe des Mondes angenommen" (S. 111).

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spiel des Schlosses, allerdings mit dem Unterschied, daß die Morgenfarbe purpurrot (von der Sonne) statt blau (vom Himmel) ist. Aus der Beschreibung des Hawarnaq lassen sich wichtige Schlüsse für die Quellenanalyse der Qissa ziehen. Wir haben bereits festgestellt, daß die Qissa und PB zusammenhängen, sie laufen parallel, ohne voneinander abhängig zu sein164. Auf der anderen Seite ist der Zusammenhang mit Nizämi nicht zu übersehen. Da die Qissa ausführlicher erzählt als PB, tritt er in ihr klarer hervor, doch auch PB weist deutlich Bezüge zu Nizämi auf157. Da die Qissa und PB nicht voneinander abhängig sind, muß man eine gemeinsame Vorlage für sie annehmen. Diese muß mit Nizämi in engem Zusammenhang stehen, kann jedoch nicht mit ihm identisch sein, da sich in der Qissa und in PB Übereinstimmungen finden, die sich nicht auf Nizämi zurückführen lassen. Es ist also anzunehmen, daß die gemeinsame Quelle von Qissa und PB, die ich in der Folge mit A bezeichnen möchte, eine freie Prosafassung bzw. eine Adaption des Stoffes von Nizämi's Haft Paikar ist, ob persisch oder arabisch geschrieben, ist noch nicht zu entscheiden. Dieses vorläufige Ergebnis der Quellenanalyse ist im weiteren Verlauf der Untersuchung zu überprüfen. Nach der Vollendung des Gebäudes belohnt an-Nu'män den Baumeister reichlich. Auch in PB wird seine Belohnung ausdrücklich hervorgehoben. Bei Nizämi finden sich ebenfalls einige Verse, die die Belohnung Sinimmär's beschreiben168. Allerdings bleibt es hier beim Versprechen von Geschenken; denn nach Nizämi's Version kommt Sinimmär nicht mehr in den Genuß seines Lohnes. Nizämi wiederum folgt in erweiterter, explizierter Form Barami/Tabari 169 , bei denen die Belohnung bzw. das Versprechen der Belohnung, vorausgesetzt wird; denn anders hätten Sinimmär's Worte: „Hätte ich gewußt, daß du mein Recht mir zugestehen würdest, . . . hätte ich einen (anderen) Bau errichtet.. ." keinen Anhaltspunkt 180 . Aus dem von Tabari angeführten Vers des 'Abd al-'Uzzä: „Und 15

« S. oben S. 39. S. oben S. 48. 158 10,40—42: , .Nu'män gab ihm frohe Kunde von seiner Belohnung, von der er nicht die Hälfte erwartet hatte: Kamellasten von purem Gold, Kostbarkeiten von Juwelen und Moschus, mehr, als man berechnen konnte, so daß sie ihm (auch) später von Gewinn sein könnten." 159 Tabari 1,851 (II 65), Bal'amî S. 111. 160 Bal'amî's Wiedergabe der Tabaristelle zeigt klar, wie diese im Arabischen nicht so eindeutige Konstruktion verstanden werden muß. Es handelt sich um einen irrealen Bedingungssatz, dessen Zeitstufe im Arabischen nicht eindeutig ist; sie ist jedoch gewöhnlich als vorzeitig zu verstehen (s. W R I G H T II § 4a). Bal'amî übersetzt Tabari's lau 'alimtu . . . folgerichtig: β J^^ 1 ? & ^«.T.-i Ij< ß\ Daß die Tabaristelle auch von späteren arabischen Autoren so aufgefaßt wurde. 157

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Kommentar zur Rahmenerzählung

als Sinimmär lauter Geschenke von ihm erwartete und Liebe und Vertrauen gewonnen zu haben meinte, sprach e r . . ,"1β1, geht dagegen hervor, daß Sinimmär seinen Lohn nicht erhielt, während über ein Versprechen nichts gesagt wird. Im folgenden löst sich die arabische Fassung des Bahräm-Romans wieder einmal von ihrer Vorlage A. Diese berichtete, wie aus dem Vergleich mit PB und Nizäml hervorgeht, im Anschluß an die Belohnung Sinimmär's gleich die Geschichte seines Todessturzes. Die in diesen Texten vorhandene Version, an-Nu'män habe Sinimmär aus Angst, er könne bei größerer Belohnung für einen anderen ein noch prächtigeres Schloß bauen, vom Hawarnaq herabstürzen lassen, wird in der Qissa später als zweite Version erwähnt. Die Qissa folgt hier jedoch in der Hauptsache einer anderen Fassung der Geschichte, die von den Geographen u. a. angeführt wird. Sie wird jedoch nicht, wie bei diesen, in direkter Form berichtet, sondern die Qissa verbindet sie mit einer kurzen Rahmenerzählung, die an dieser Stelle eingefügt ist. Als Vorwurf zu dieser dient ihr die arabische Sage vom guten und schlechten Tag des Königs von al-Hïra (yaum bu's und yaum na'ïm). Die Sage gehört nicht in die Hawarnaqtradition. Sie hat nicht an-Nu'män zum Träger der Handlung, sondern einen späteren König von al-Hira162. Dieser Konzeption gemäß wird die Erzählung von der Bestrafung Sinimmär's von ihrem Schluß her aufgerollt. Eines Tages findet man seine Leiche am Fuß der Schloßmauern. Das unvermutete Ereignis löst die Frage nach dem Grund seines Todes aus. Niemand vermag darüber Auskunft zu geben. an-Nu'män berichtet schließlich selbst an seinem „guten Tag", wie es zu der Ermordung Sinimmär's kam. Ein Vergleich mit den Quellen183, die die Sage vom guten und bösen Tag anführen, zeigt, daß die Qissa sie sehr stark verändert hat, um sie sinnvoll in die Hawarnaq-Tradition einfügen zu können. Abgesehen von ihrer Verknüpfung mit einer anderen historischen Persönlichkeit fällt auf, daß beweist an-Nuwairî I 386, der die bei Tabarï implizit genannte Belohnung als Faktum voraussetzt. Vgl. auch Mïrhuând I 759. — Die Ubersetzung N Ö L D E K E S , G.d.S. S. 80: „Wüßte ich, daß ihr mir meinen vollen Lohn gäbet . . ., so führte ich ein Gebäude auf . . . " ist also sinngemäß nicht richtig, obwohl sie grammatisch möglich ist. 161

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1 , 8 5 2 ( I I 6 7 ) , Vers 5 , ich zitiere N Ö L D E K E , G.d.S. S. 8 2 . So entweder an-Nu'män b. al-Mundir Abü Qäbüs (bei Ibn Qutaiba, s. dazu NÖLD E K E , G.d.S. S. 347, A. 1 ; auch bei Baihaqi) oder al-Mundir b. Mä' as-Samä' (Agäni) oder al-Mundir b. Imra' al-Qais b. Mä' as-Samä' (Ibn al-Faqïh, Yäqüt, Qazwïnï). Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 649f., Baihaqi S. 117,8f., Agäni XIX, 86ff., Ibn al-Faqïh S. 179, Yäqüt 3,2 S. 792ff., Qazwïnï S. 426f. Weitere Stellenangaben bei R O T H STEIN S . 1 4 0 .

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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aus der ursprünglichen Sage nur die Institution des guten und schlechten Tages übernommen ist. Die Teile der Sage, die nach den Quellen eng mit diesem Detail verbunden sind, nämlich die Vorgeschichte des Brauchs 164 und das Ereignis, das zu seiner Abschaffung führte 188 , werden nicht erwähnt. Doch auch der Brauch selbst ist in seiner Form in der Qissa verändert wiedergegeben. Während nach der Tradition jeder, der dem König an einem dieser Tage begegnet, entweder reich beschenkt oder gnadenlos getötet wird, wirkt sich die Institution des guten und schlechten Tages hier nur auf den Fragesteller aus. Damit ist die Sage sehr abgeschwächt. Geblieben ist von ihr nur ein Detail, das die Qissa als Aufhängepunkt für die Rahmenkonstruktion gebraucht. Welche der Quellen, die die Sage berichten, der Herausgeber benutzt hat, ist nicht zu sagen, da seine Wiedergabe zu knapp ist. Vom sprachlichen Ausdruck her könnte man an Baihaqï denken, da sich auch bei diesem als Name für den guten Tag neben yaum na'ïm yaum sa'd (bzw. sa'diht) findet 168 . Die Version vom Tode Sinimmär's, die anNu'män in diesem Rahmen gibt, stimmt mit der von den Geographen 167 überlieferten genau überein. Nach dieser hatte Sinimmär dem König, der sich der einmaligen Pracht seines Schlosses rühmte, geantwortet, es gäbe im Gemäuer des Hawarnaq einen Stein, dessen Entfernung das ganze Bauwerk zum Einsturz bringen würde. Aus Angst, er könne das Geheimnis 1,4

185

166 167

Der Brauch wird damit erklärt, daß der König einmal im Zorn zwei seiner Freunde lebendig habe begraben lassen. Später habe ihn Reue erfaßt, und er habe zwei Grabmäler über der Stelle errichtet. Jedes Jahr habe er sich zwei Tage an diese Grabmäler gesetzt, diese Tage sind yaum na'im und yaum bu's. Wer ihm am yaum bu's begegnete, dem gab er den Kopf eines schwarzen Iltis und ließ ihn töten. Mit seinem Blut bestrich er die Grabmäler (= gariyän = die 2 Bestrichenen). Wer ihm dagegen am yaum na'im begegnete, den beschenkte er reichlich. — Hier sind sicher verschiedene Sagen verschmolzen worden; yaum na'im und yaum bu's haben mit der öariyän-Sage (die vielleicht auf Menschenopfer zurückgeht, s. R O T H S T E I N ) keinen inneren Zusammenhang. So läßt sich der yaum na'im nicht logisch darin einfügen; ζ. T. gehen die Quellen auch nicht auf seine Funktion ein (so Ibn Qutaiba, Ibn al-Faqïh). Baihaqï verbindet die Geschichte vom yaum na'im und yaum bu's von vornherein nicht mit der Tradition von den öariyän. Dazu bewog den tyrannischen Herrscher die Treue eines Tayyi'iten zu seinem Versprechen. Dieser Beduine namens Hanzala war an-Nu'män an seinem „schlechten Tag" begegnet und sollte folglich getötet werden. Er erbat sich ein Jahr Frist, um seine häuslichen Angelegenheiten ordnen zu können. Ein Freund des Königs stellte sich als Bürge zur Verfügung. Als Hanzala nach dem Jahr wider Erwarten des Königs zurückkehrte, schenkte er ihm das Leben. Er schaffte daraufhin den grausamen Brauch ab. (Nach einigen Quellen ließ er sich vom Tayyi'iten zum Christentum bekehren). Die Erzählung stimmt in ihren Grundzügen mit der griechischen von der „Bürgschaft" überein. Vielleicht handelt es sich um eine Wandersage. S. 117,8f. Ibn al-Faqïh S. 176f., Yäqüt 2,2 S. 491, Qazwïnï S. 186.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

weitertragen, ließ ihn an-Nu'män vom Schloß herabstürzen. Wieder läßt sich die größte Übereinstimmung mit Yäqüt's Fassung feststellen, obwohl die Geographen hier kaum in ihrem Wortlaut voneinander abweichen. Auch von anderen Autoren wird diese Geschichte als zweite Version der Sinimmär-Tradition berichtet 168 . In der Qissa ist die Reihenfolge umgekehrt. Die andere Version wird außerhalb der eingefügten Rahmenerzählung, in der die erste Fassung verarbeitet ist, sehr knapp behandelt. In den meisten Quellen16·, die dieser zuerst von Tabari angeführten170, auf Hisäm zurückgehenden Tradition folgen, heißt es, Sinimmär habe sich gerühmt, er hätte ein noch schöneres Schloß bauen können, das sich sogar mit der Sonne hätte drehen können. Die Qissa dagegen bezieht sich hier auf die Beschreibung des Schlosses mit seinem wunderbaren Farbenspiel zurück. Sinimmär sagt an-Nu'män, er hätte das Schloß so anlegen können, daß sich seine Farben lOOmal statt einmal während des Tages verändert hätten. Darin stimmt die Qissa wieder mit Nizämi171 überein, während PB sich in kleineren Zahlen bewegt: bei ihm wären es 10 Farben geworden. Wahrscheinlich hat in der Vorlage A die Zahl 100 gestanden, sonst wäre die Ubereinstimmung der Qissa und Nizämi's nicht zu erklären. Bai'ami bringt noch eine andere Möglichkeit. Das imaginäre Schloß sollte mit dem Lauf der Sonne seine Farben verändern172. Seiner Version liegt vielleicht das Bemühen zugrunde, die entsprechende Tabari-Stelle nicht ganz so utopisch erscheinen zu lassen. Während sich dort das ganze Schloß mit dem Lauf der Sonne dreht, ändern sich hier nur die Farben mit dem Sonnenstand. Die Gestaltung der Szene, mit Fragen und Antworten zwischen an-Nu'män und Sinimmär, bis der erzürnte König ihn herabstürzen läßt, ist von der Qissa über Nizämi bis zu Bal'amï zu verfolgen. Die arabischen Quellen drücken sich knapper aus. Bei ihnen ist dafür mehr Gewicht auf die Bezeugung des Sprichworts von dem „Lohne Sinimmär's", das mit der Hawarnaq-Tradition verbunden ist, gelegt. Da auch der Herausgeber der Qissa — bei Nizämi und in PB findet sich kein Hinweis auf das Sprichwort — diese arabische Redensart anführt, möchte ich kurz darauf eingehen. Agäni II 144f., öawäliqi S. 195; letzterer verknüpft diese Version an anderer Stelle mit der Uhaiha/Sinimmär-Tradition, wie auch Maidäni. Dazu später beim Sprichwort über die Belohnung Sinimmär's. le» Agäni II 144f., al-Bakri I 516, Ibn al-Atîr I 400, an-Nuwairî I 386. 188

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171

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1,851 (II 65) ; zu der Tradition vom Todessturz des Baumeisters führt GOLDZIHER in: Orientalische Baulegenden eine ähnliche Sage an, die sich an den „Hufenturm" des Säpür I knüpft. Sie wird von Ibn al-Faqih S. 247—250, Yäqüt 4,2 S. 645—648 berichtet. 10,52: „Dieses hier ist dreifarbig, jenes hätte 100 Farben; dieses ist von Stein, jenes wäre von Rubin." S. oben A. 155.

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In der Qissa findet sich das Sprichwort in zwei Versionen. Die erste ist eine Prosafassung: Wenn Gutes mit Bösem vergolten wird, sagt man: „Es wurde ihm vergolten wie dem Sinimmär." Das ist die geläufige Form des Sprichwortes, wie sie ohne weiteres aus dem überlieferten Zusammenhang mit der Hawarnaq-Tradition ersichtlich ist. Obwohl Tabari nicht ausdrücklich das Sprichwort als solches erwähnt, führt er eine Reihe von altarabischen Dichterstellen an, in denen sich diese Redensart findet173. Ibn al-Faqih nennt den Ausdruck bereits als arabisches Sprichwort174, das der Hawarnaq-Tradition entsprungen sei, viele der Späteren ebenfalls176. Bei Maidäni und Gawâlïqï176 finden wir neben der Hawarnaq-Tradition noch einen anderen Bezug. Sie verbinden das Sprichwort mit einer medinischen Tradition. Nicht mehr an-Nu'män ist der undankbare Bauherr, sondern ein Ansäri namens Uhaiha b. al-Guläh, für den Sinimmär, den öawäliqi seinen Sklaven nennt177, ein steinernes Gebäude (utum) aufführt. Die Situation, mit der das Sprichwort verknüpft ist, ist also im Grunde die gleiche. Auch hier ist seine Anwendung mit einer Baulegende verbunden. Die zweite Version ist in der Form eines Verses gegeben: Wer einem, der es nicht verdient, Gutes tut, wird mit demselben belohnt wie einstmals Sinimmär (12,26)178. Die älteste und gebräuchlichste Form des Sprichwortes ist einfach: (er lohnte ihn) „die Belohnung Sinimmär's" (gazä'a Sinimmär)119. Maidäni führt als Parallele „die Belohnung Saula's" (gazä'a· Saula) an180. Die anderen Quellen müssen den Zusammenhang des Sprichwortes von der Belohnung Sinimmär's mit der Bauanekdote des Hawarnaq schon vorgefunden haben, wie aus dem von Tabari zitierten Gedicht des 'Abd al-'Uzzä hervorgeht, der dies eindeutig voraussetzt181. 173

174 175

176

1,852 (II 66f.). E s werden zitiert: Abu at-Tamahän, Salit b.Sa'd, Yazid b. Iyäs, 'Abd al-'Uzzä. S. 177. Bal'amï S. 112, al-Bakrï I 516f„ Gawäliqi S. 195, Maidäni I S. 134 (5,8), Yäqüt 2,2 S. 480 u. a. a. a. O.

177

guläm. Der Lisàn bezeichnet ihn seltsamerweise als iskäf = Schuhmacher.

178

jLi» Uj J¡ ¿jynjji] lijWe JäI ji J j ^ » J t J»¿ ,y¡ (Metrum Tawil). Dieser Vers findet sich in einem ähnlichen Zusammenhang in 1001 Nacht in der Geschichte vom Dämon in der Flasche und dem Fischer, nur wird statt Sinimmär ein anderer

Name genannt. Der vorausgehende Vers lautet: fa'alnâ ξamïlan, qäbalünä bidid-

dihi; wa-hädä la-'amri min fi'äli l-fawägiri; wa-man yaf'ali l-ma'rüfa ma' gairi ahlihi . . . (Büläq I S. 12). 179 180

181

So bei Tabari, Ibn al-Faqïh, Bal'amï (gazä-i Sinimmär), Maidäni, Gawäliqi. I 315 (5,129). Saula soll eine Sklavin gewesen sein, die von ihrer Herrin für eine erwiesene Wohltat bestraft statt belohnt wurde. 1,852 (II 66f.). Vergleicht man zu dieser Stelle Bal'ami, ergibt sich eine interessante Konsequenz für die Quellenlage Bal'ami's an dieser Stelle: er kann nicht den uns Pantke, R o m a n

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Mit dem Sprichwort von der „Belohnung Sinimmär's" endet der 8,17 begonnene Exkurs über die Baugeschichte, der sich direkt an die Leser wandte. Ohne Übergang oder Hinweis wird der unterbrochene Erzählungsfaden wiederaufgenommen. an-Nu'män läßt den kleinen Bahräm auf das besagte Schloß bringen. Von hier ab folgt die Qissa in ihrer Konzeption wieder der Vorlage A, wie sich aus dem Vergleich mit Nizämi und PB ergibt. So ist es zu verstehen, daß die folgende Episode der „Pilgerfahrt" an-Nu'män's, die mit dem Bahräm-Stoff keine innere Verbindung hat, an dieser Stelle erzählt wird, während sie sich in den Quellen182 direkt an die im Exkurs behandelten Traditionen anschließt. Obwohl die Erzählung in den verschiedenen Quellen eine Reihe von Varianten aufweist, sind ihre Grundzüge überall die gleichen. Die wichtigste Variante betrifft den Anstoß zu seinem (an-Nu'män's) plötzlichen Entschluß. Während einige der ältesten Quellen183 an-Nu'män selbst die Hinfälligkeit seiner Macht erkennen lassen, legen andere184 diesen Gedanken seinem Wezir oder einem frommen Mann als Mahnung in den Mund. Manche sagen dazu ausdrücklich, der Wezir sei Christ gewesen186, andere weisen die Rolle des Wezirs einem unbekannten Pilger oder Philosophen zu186. Es ist in diesem Fall nicht klar zu entscheiden, wem die Qissa folgt. PB geht mit einer einzigen kurzen Bemerkung über die Episode hinweg, so daß der Vergleich mit ihm keine Anhaltspunkte bietet. Die Qissa stimmt mit Nizämi darin überein, daß der Wezir dem König die Aufgabe seiner Stellung nahelegt, doch nennt ihn Nizämi187 im Unterschied zur Qissa ausdrücklich einen Christen, worin er sicher Barami folgt. Es ist anzunehmen, daß A diese Szene gleichfalls als Unterhaltung zwischen dem König und seinem Wezir konzipierte. Was dort jedoch der genaue Inhalt des Gesprächs war, kann man nicht feststellen, da sich Nizämi und die Qissa in diesem Punkt stärker unterscheiden. Bei Nizämi vorliegenden Tabari-Text benutzt haben, da er behauptet, die Vorgeschichte dieser Verse nicht bei Tabarl gefunden zu haben. Außerdem heißt der Dichter bei ihm 'Abd al-'Aziz (S. 112). 182

183 184

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Von einigen alten Quellen wird diese Tradition als einzige berichtet, während sie die Baugeschichte nicht schildern, so Ya'qübi I 181, Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 647. Ya'qübi und Ibn Qutaiba a. a. O., Hamza S. 88f. Ibn Qutaiba, 'Uyûn II 342, Tabari 1,853 (II 67), Ibn al-Faqih S. 177, Bal'ami S. 114, Agäni II 137 (wie Ibn Qutaiba), al-Maqdis! III S. 199, Yäqüt 2,2 S. 491f., Qazwinî S. 187. So bei Bal'ami S. 114. Dort wird an-Nu'män's Heidentum dem Christentum des Wezirs gegenübergestellt. an-Nu'män bekehrt sich nach dem Gespräch zum Christentum. 'Uyûn und Agäni: einer aus der Gruppe der hugga; al-Maqdisi: einer von den rabica. Die Erklärungen, die zu dieser Gruppe von Menschen gegeben werden, decken sich. Es muß sich um eine Art von wandernden Asketen handeln. 11,22 Masih parasi.

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lenkt der Wezir den Sinn des Königs von der Schönheit des Schlosses und seines Reiches hin zur Schönheit der Gotteserkenntnis188. In der Qissa aber wendet er sich gegen an-Nu'män's Äußerung, ein Augenblick auf dem Hawarnaq verlängere das Leben des Menschen um 1000 Jahre189. Er hält ihm entgegen, daß der Mensch sein Leben nicht um eine einzige Minute verlängern könne, im Tode seien sich König und Sklave gleich. In dem Gedanken der Unausweichlichkeit des Todes trifft sich die Qissa also eher mit den anderen Quellen als mit Nizämi. Jedoch sind beide Aspekte, auch der von Nizämi hervorgehobene positive, in einigen Quellen angelegt. So läßt Tabari190 an-Nu'män schließlich nach dem fragen, was nicht der Vergänglichkeit unterworfen sei, worauf ihm der Wezir das Unirdische, mit Gott Verbundene, nennt. Die Worte des Wezirs rufen in der Qissa bei an-Nu'män eine solche Erregung hervor, daß er wie ein Wahnsinniger (magnun) wirkt. In diesem Zustand verläßt er seinen Palast. Ich vermute, daß auch A die Situation so schilderte, da PB ebenfalls den Wahnsinn (gunün) an-Nu'män's hervorhebt. In dem mir vorliegenden Nizämi-Text finde ich keine Stütze für diese Annahme, heißt es doch im Gegenteil, daß an-Nu'män's Herz besänftigt (garni) wurde191. Doch W I L S O N führt in seiner Übersetzung einen Vers an, den R I T T E R / R Y P K A auch nicht als Variante anzeigen. Auf diesen Vers könnte die Schilderung der Verwirrung des Königs zurückgehen192. Betrachtet man die Episode der plötzlichen Weltflucht an-Nu'män's als Ganzes, so fällt auf, daß die Quellen trotz einiger Varianten alle dem gleichen Szenenaufbau folgen: 1) Ausblick von der Höhe des Hawarnaq, 2) Gedanke an die Vergänglichkeit alles Irdischen, 3) Verschwinden des Königs aus dem Schloß. Die beiden ersten Punkte finden wir genauso, mit vielen übereinstimmenden Einzelheiten, im Gedicht des 'Adi b. Zaid193, 188

ιω

1,0

181

11,23: „Er sagte: Gott in Wahrheit zu erkennen, ist schöner als alles in deinem Reich." Dieser Ausdruck (13,6) wirkt etwas eigenartig, da er als Realität gesetzt wird, nicht etwa durch ein ka-anna o. ä. eingeschränkt wird. Man hat den Eindruck, daß er sekundär aus der Entgegnung des Wezirs an diese Stelle gelangt ist; denn dort ist er als Topos für die Unabwendbarkeit des Todes, um die es geht, am Platz: Der Mensch kann sein Leben nicht um eine einzige Minute verlängern. 1,863 (II 67). NÖLDEKE, G.d.S. S. 84: „Was hat denn Bestand ? — Was bei Gott i m Himmel ist. — Wie erlange ich das ? — Indem du der Welt entsagst, Gott dienst und nach dem Seinigen trachtest." Vgl. auch Ibn Qutaiba, bei dem sich an-Nu'män von sich aus auf diesen Gedanken besinnt; dazu Agäni, al-Maqdisi. 11,25.

192 WILSON S. 45: "Nu'män sprang from his place and rent his robes, he ran down (from the roof) like one distraught." 1>3 Der Dichter, der von den 'Ibäditen, den christlichen Einwohnern al-Hïra's abstammte, schrieb das Gedicht um das Jahr 600 im Gefängnis, in das ihn sein früherer Günst5»

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das von den meisten Quellen im Anschluß an die Prosaerzählung der Episode zitiert wird. Man könnte dieses Gedicht als die früheste Bezeugung der Tradition ansehen, es aber ebensogut für ihren Ausgangspunkt halten. Letztere Meinung vertritt NÖLDEKE194. Ich kann mich ihm nicht ganz anschließen. Zwar glaube ich, daß die Ausformung dieser Tradition in der Sage von dem Gedicht des 'Adi b. Zaid ausgeht, aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß dessen Inhalt bloße Fiktion ist, ohne daß das Gedicht irgendeinen Anhaltspunkt in der Sage gehabt hätte. Der Dichter setzt vielmehr etwas Bekanntes voraus, das er dem König, der ihn gefangenhält, als eindringliches Exempel vor Augen hält. Anders hätte die Einleitung: „Denke nach über den Herrn des Hawarnaq, wie er . . ." keinen Sinn. Eine Fiktion würde als warnendes Beispiel viel von der Wirkungskraft, um die es dem Dichter schließlich geht196, verlieren. Außerdem knüpfen auch die anderen Bruchstücke aus diesem Gedicht, die als Exempla gedacht sind, an bekannte Erzählungen und Sagen an19®. Uber den historischen Kem der Geschichte läßt sich noch weniger sagen. NÖLDEKE197 weist darauf hin, daß an-Nu'män in der Geschichte des Simeon Stylites den Christen wohlgeneigt erscheint. So wäre seine Bekehrung zum Christentum nicht ganz unwahrscheinlich, zumal die Bevölkerung al-Hira's zu einem großen Teil aus Christen bestand198. Seine Begegnung mit dem Styliten könnte aber auch einfach zu einer Sinnesänderung geführt haben, und so zum Ausgangspunkt für die Sage geworden sein. Wie suspekt schon den alten Historiographen diese ganze Überlieferung erschien, beweist Tabari's wa'ttähu

a'lam.

Mit der Episode von der Pilgerschaft an-Nu'män's ist der hirensische Sagenkreis, der sich in der Person des an-Nu'män mit den Bahräm-Traditionen berührt, abgeschlossen. So setzt denn auch Tabari199 danach sogleich mit der persischen Überlieferung zu Bahräm's Kindheit ein, ohne zu versuchen, eine Verbindung oder einen Ausgleich zwischen den ling, an-Nu'män, dessen Ernennung zum König "Adî's List zu verdanken war, später auf Grund von Intrigen geworfen hatte. (S. NÖLDEKE, G.d.S. S. 312ff.) 1,1

G.d.S. S. 85, A. 1:,,. . . Dazu enthält das Gedicht des 'Adì, auf welches die Geschichte doch allem Anschein nach zurückgeht, durchaus nichts Positives, als daß der Erbauer des Hawarnaq plötzlich daran gedacht habe, auch er müsse sterben, was sehr wohl eine bloße Fiktion des Dichters sein kann, ohne Anhalt in der Sage." ROTHSTEIN S. 67 f o l g t d e m Urteil NÖLDEKES.

195 196 1.7 1.8

199

Das Anliegen wird auch von NÖLDEKE hervorgehoben (S. 40, A. 2). So Tabari 1,830 (IX 50), NÖLDEKE, G.d.S. S. 40. S. 79, A. 2; S. 85, A. 1. S. NÖLDEKE, G.d.S. S. 24, A. 4 über die 'Ibäd, die christlichen, nestorianischen Einwohner von al-Hira. 1,854 (II 68).

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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Traditionskreisen herzustellen. Bal'ami200 formt jedoch schon die beiden ζ. T. parallel laufenden Erzählungsstränge in einen fortlaufenden Bericht um, indem er nach an-Nu'män's Verschwinden seinen Sohn al-Mundir den Thron besteigen läßt. So setzt al-Mundir auch die Erziehung Bahrain's fort. Damit ist der Anschluß an die persische Tradition gegeben, in der bekanntlich al-Mundir von Anfang an mit der Erziehung Bahräm's betraut ist201. Bal'ami's Konzeption ist hier wieder von Nizämi übernommen worden. Der Dichter gestaltet allerdings den Übergang noch etwas plastischer, indem er die Trauer des Sohnes um den Verschwundenen und seine vergebliche Suche nach ihm vor der Thronbesteigung al-Mundir's einfügt202. Da auch die Qissa und PB dieser Stoffanordnung folgen, muß sich ihre gemeinsame Vorlage hier wieder eng an Nizämi gehalten haben. Allerdings hat A diese Szene sicher nicht so ausführlich berichtet, wie es die Qissa tut. In ihr nimmt die Schilderung der Suche203 ebensoviel Raum ein wie die eigentliche Episode des Verschwindens an-Nu'män's, während PB ihr fünf Worte einräumt. Es entspricht dem volkstümlichen Stil, daß in der Qissa die Suche nach dem Wezir, der alles ausgelöst hat, es nachher aber bitter bereut, eingeleitet wird. Da er zuvor in die Handlung einbezogen war, kann er nicht einfach von der Bildfläche verschwinden, ohne daß man hört, was aus ihm wurde204. Volkstümlich mutet auch die Beschreibung der Trauer al-Mundir's an, der bitterlich weint, als er seinen Vater nicht finden kann. Weinende Helden sind in den arabischen Volksromanen keine Ausnahmeerscheinungen. Mit der Thronbesteigung al-Mundir's205 tritt endlich die BahrämErzählung wieder in den Vordergrund; denn nun wendet der König sich ganz der Erziehung des Prinzen zu. Seine Fürsorge und Zuneigung zu Bahrain, von der die Qissa berichtet, wird auch von Nizämi20® hervorgehoben. S. 114: „Er hatte einen Sohn namens Mundir b. an-Nu'män, der den Thron an Stelle seines Vaters bestieg, und Yazdgerd gab ihm die Herrschaft über die Araber." 201 S. oben S. 46 und A. 75. 202 11,30—33. i 0 3 Daß man nach an-Nu'män forschte, wird auch von einigen arabischen Quellen erwähnt. Sie legen allerdings mehr Gewicht auf die Überraschung der Leute, als sie an-Nu'män nicht mehr vorfinden. Nach Ibn al-Faqïh S. 177 warten sie drei Tage vergeblich an seinem Tor. Er folgt hierin wie Tabari 1,853 (II 67) dem Bericht Hisäm's. 204 Während die meisten Quellen sich nicht weiter um das Schicksal des Wezirs bzw. Ratgebers kümmern, ist bei einigen ausdrücklich gesagt, daß er an-Nu'män begleitete (Agäni, al-Maqdisï, Yäqüt). 205 Sie wird von den meisten arabischen Quellen bestätigt und durch Hiääm's Liste der Lahmiden gestützt. Mas'üdi M.d. II 98 nennt allerdings einen Aswad b. anNu'män als Nachfolger an-Nu'män's. Das ist eine Verwechslung mit dem Nachfol20e 11,37. ger al-Mundir's, al-Aswad b. al-Mundir. 200

70

Kommentar zur Rahmenerzählung

Nach der Qissa und PB hat al-Mundir einen Sohn, an-Nu'män, der mit Bahräm gleichaltrig ist und mit ihm zusammen erzogen wird. Auch diese Nachricht können wir über A wieder auf Nizämi207 zurückführen. Nizämi wiederum folgt darin Bal*ami; denn nur bei diesem wird gesagt, daß anNu'män ein Altersgenosse Bahräm's war und mit ihm zusammen aufwuchs208. Erwähnt wird dieser an-Nu'män b. al-Mundir auch von einer Reihe anderer Quellen, die auf persische Berichte zurückgreifen209, während ihn die arabische Überlieferung nicht kennt. Dort wird als Sohn al-Mundir's nur al-Aswad b. al-Mundir genannt210. R O T H S T E I N vermutet mit Recht, daß dieser an-Nu'män b. al-Mundir aus dem Bestreben stammt, die arabische und persische Tradition von an-Nu'män bzw. al-Mundir als Erzieher Bahräm's zu vereinigen, und daß er so in die Texte, die alle drei Könige, an-Nu'män b. Imra* al-Qais, al-Mundir b. an-Nu'män und anNu'män b. al-Mundir aufführen, gleichsam als sein eigener Doppelgänger eingedrungen ist211. Im folgenden schildert die Qissa die Ausbildung Bahräm's in den verschiedenen Wissenschaften und Fertigkeiten. Es fällt auf, daß alle Quellen auf diesen Teil großes Gewicht legen und ζ. T. noch ausführlicher als die Qissa darüber berichten. So muß auch schon im Huatäi-nämak dieser Bericht einen breiten Raum eingenommen haben. Die Qissa stimmt mit den meisten Quellen darin überein, daß die Ausbildung Bahräm's in zwei aufeinanderfolgende Zeitabschnitte unterteilt ist, von denen der eine der theoretischen Bildung, der andere der praktischen Ausbildung in Sport207

208

11,38—39.

S. 114: hamiand bzw. in der Variante hamsäl-i Bahräm.

208

So bei Dïnawarî S. 53. Yazdgerd übergibt Bahräm dem al-Mundir, der die Kunya Abu an-Nu'män trägt. S. 67 wird an-Nu'män im persischen Thronstreit zur Unterstützung Bahräm's von seinem Vater zur Belagerung Ktesiphon's geschickt. Nach Tabari 1,866 (II 70) tritt er während Bahräm's Jugend in al-Hira auf. 1,859 (II 72) hilft er Bahräm i m Thronstreit; vgl. at-Ta'älibl S. 663. Bei Firdausï treten al-Mundir und an-Nu'män zusammen am Hofe Yazdgerd's auf, das Kind wird beiden übergeben. Doch wird vorausgesetzt, daß al-Mundir der Vater an-Nu'män's ist; denn er erteilt ihm Befehle (34,136). Es bedeutet jedoch gleichzeitig, daß anNu'män beträchtlich älter als Bahräm ist ; denn er kommt schon bei seiner Geburt an den persischen Hof, um ihn zu holen. Gardïzï nennt an-Nu'män b. al-Mundir nicht nur im Thronstreit, er ist auch der Erzieher Bahräm's: hier haben sich die verschiedenen an-Nu'mäns und al-Mundirs zu einer einzigen Person verdichtet. Mugmal S. 95 hat ebenfalls an-Nu'män b. al-Mundir als Erzieher Bahräm's, während er die „Pilgerschaft" seinem Vater al-Mundir zuschreibt: wieder ein deutlicher Versuch, die auseinanderstrebenden Traditionen in ein System zu bringen. Färs-näma S. 76 läßt an-Nu'män erst im Thronstreit auftreten. al ° So in der Liste des Hiääm b. al-Kalbi bei Tabari 1,882 (II 90), ebenfalls bei Mas'üdi ÏU

M.d. II 98, Hamza S. 89. S. 67.

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

71

und Kampftechniken gewidmet ist. Nur Firdausi folgt nicht diesem Schema, bei ihm gehen theoretischer und praktischer Unterricht Hand in Hand212. Dagegen weichen die Zeitangaben innerhalb dieser Einteilung stark voneinander ab. In der Qissa erhält Bahräm mit neun Jahren die ersten Lehrer. Diese Zahl ist wohl nicht auf A zurückzuführen, da Nizämi und PB kein Alter angeben. Da die Zahl neun sich auch in keiner der anderen Quellen213 findet, muß sie vom Herausgeber der Qissa stammen. Sie erklärt sich aus dem Bestreben, ein ausgewogenes inneres Zeitschema zu entwerfen. In Übereinstimmung mit den historischen Quellen läßt die Qissa den Prinzen mit zwölf Jahren seine praktische Ausbildung beginnen, die mit 15 Jahren beendet ist, also drei Jahre dauert. So lag es nahe, auch für den ersten Bildungsabschnitt drei Jahre anzusetzen, womit die Zahl neun erklärt wäre214. Die Betonung der außergewöhnlichen Begabung Bahräm's und seines Lerneifers trotz seiner Jugend ist sicher über Nizämi in die Qissa gelangt. In den Haft Paikar heißt es 11,43: „Nur im Lernen fand er Vergnügen, sein Verstand wies ihm den Weg zur Wissenschaft." In der von Tabari/Bal'amî u. a. berichteten Anekdote vom Wissensdrang des jungen Bahräm, der aus eigenem Antrieb al-Mundir um Lehrer bittet, begegnet Bahräm den Einwänden des Königs, der ihm rät, lieber zu spielen: „Ich bin zwar noch jung an Jahren, aber mein Verstand ist der eines Erwachsenen 216 ." Auch die spätere Uberlieferung nahm sich gern dieser Wunderkind-Geschichte an. Besonders beredt rühmt ζ. B. Muhammad 'Aufï Bahräm's Begabung, die sich schon in frühester Kindheit entfaltete 216 . So ist es nicht verwunderlich, daß er im Alter von zwölf Jahren die verschiedensten Wissenschaften beherrscht. Außer Sprachen führt die Qissa Geometrie und Mathematik auf. Das Sprachstudium Bahräm's wird auch 212

213

214

215

216

34,109—113. Auch bei Tabari läßt sich ein Ansatz dazu feststellen. 1,856 (II 69) schildert er, daß al-Mundir auf Bahräm's Bitten hin verschiedene Lehrer herbeiholt, darunter persische Rechtsgelehrte, Lehrer für Bogenschießen und Reiten, für Schreiben u. a. Trotzdem ist die Zweiteilung scharf betont. Tabari: 5 Jahre, Nihäya: 5 Jahre, Bal'ami: 10 Jahre, Firdausi: 7 Jahre, Färsnäma: 5 oder 6 Jahre. Das setzt voraus, daß die Qi§sa in den beiden anderen Zahlen den Historikern (etwa Tabari) folgt; denn Nizämi macht keine Zeitangaben, PB nur eine. Inhaltlich folgt die Qi§sa dagegen stark Nizämi. So fehlt auch die Anekdote vom „Wunderkind" Bahräm, der als kleines Kind al-Mundir von sich aus um Lehrer bittet und ihn durch seine Argumentation beschämt, in der Qis§a, zu deren Stil sie sonst gut passen würde, weil Nizämi sie nicht bringt. Sie wird von Tabari/Bal"ami, Firdausi und dem Färs-näma breit erzählt. Tabari 1,855 (II 69); vgl. auch 1,856 (II 70); Bal'ami S. 114; Firdausi 34,100ff.; Färs-näma S. 75. Lubäb I 19: „Schon in seiner Kindheit war er sehr scharfsinnig." Weiter heißt es:

.Üiilj ^Ja. < j r ¿ 2 a } jlij ¿Λi ili" {yJe

72

Kommentar zur Rahmenerzählung

in den Haft Paikar ausdrücklich genannt 217 , allerdings stimmen in dieser Liste nur Persisch und Arabisch mit der Qissa überein. Statt Nizämi's Griechisch setzt die Qissa Indisch ein. An Stelle der Geometrie und Mathematik schildert Nizâmï218 ausführlich sein Studium der Astrologie, worin ihn al-Mundir selbst unterrichtet. Da die Qissa Nizämi's astrologische Exkurse stets unbeachtet läßt und die Astrologie, die bei Nizämi im ganzen Aufbau der Haft Paikar eine so große Rolle spielt, nach Möglichkeit ignoriert, ist es auch verständlich, daß sie die realeren Hilfswissenschaften der Astrologie an dieser Stelle einsetzt. In den historischen Quellen variiert der Katalog der Wissensgebiete, doch erwähnen die Berichte übereinstimmend, daß sich Bahräm arabische und persische Bildung aneignete. Sie sagen ausdrücklich, daß ihn neben arabischen auch persische Lehrer unterrichteten. Bei Dinawari219 schickt Yazdgerd selbst zwei persische Lehrer nach al-Hira, während al-Mundir zwei arabische Lehrer kommen läßt. Die Nihäya erhöht ihre Zahl auf je drei220, wobei das Gleichgewicht zwischen persischem und arabischem Einfluß beibehalten wird. Tabari 221 führt neben persischen Weisen und arabischen Erzählern auch byzantinische Lehrer auf, worin ihm Barami folgt, so daß Nizämi's Quelle für das yünänl hier zu finden ist. Firdausi und at-Tä'alibi machen hierin eine Ausnahme. Bei Firdausi222 übernehmen drei Möbads, also Perser, den Unterricht Bahrain's, an theoretischen Fächern werden Schreiben (dabïrï), wie auch Geschichtskunde (die Geschichte der Könige) genannt. Von arabischer Bildung erfahren wir hier nichts. Bei at-Ta'älibi hören wir dagegen nur von arabischer Bildung und von arabischem Sprachunterricht 223 . Es ist denkbar, daß diese Vereinfachung at-Ta'älibi's einem Harmonisierungsbestreben des Autors entstammt. Später werfen die Iranier im Thronstreit 217

218 219 220 221

222

223

11,44: „Ein gelehrter ( d a b i s t ä n i ) Magier lehrte ihn Arabisch, Persisch und Griechisch." dabistäni ist eigentlich der Schüler. Doch als Ableitung von dabistän, Schule, kann es, wie hier, auch den Gelehrten bezeichnen; vgl. englisch scholar. 11,51—56. S. 53. fol. 124a. 1,856 (II 69). Interessant ist, daß von arabischen Lehrern nur die Erzähler (mwhadditün erwähnt werden. Daraus läßt sich auf ihre hohe Einschätzung noch zur Zeit Tabari's schließen. 34,110ff. Allerdings darf möbad hier nicht zu eng verstanden werden; denn einer von ihnen unterrichtet Bahräm auch im Reiten und Kampfsport, was schlecht zu der Priesterkaste paßt. möbad kann bei Firdausi auch die Bedeutung „Weiser, Gelehrter" haben (WOLFF), von daher vielleicht auch einfach „Lehrer". S. 541: ,,. . . so daß er schnell heranwuchs und sich bestens entwickelte. Er beschäftigte sich mit den arabischen Bildungsfächern; er sprach die Sprache der Araber ganz rein und nahm ihre guten Eigenschaften an."

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

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Bahräm nämlich vor, er habe sich nur arabische Bildung angeeignet224. Daß er als persischer Prinz auch in persischer Sprache und Bildung unterrichtet wurde, daran kann kein Zweifel bestehen, ebensowenig daran, daß er, wenn er in al-Hira aufwuchs, die arabische Sprache und Bildung beherrschte. Seine arabischen Sprachkenntnisse werden von einigen Autoren besonders hervorgehoben, die sogar arabische Gedichte von ihm zitieren225. Aus solchen Stellen entstanden dann bald die Berichte über das Sprachphänomen Bahräm. Für jede Situation hält er eine passende Sprache bereit, wobei das Arabische für die Augenblicke des Zorns bestimmt ist 228 . In dieser Liste tritt natürlich auch das Indische auf, so daß die Qissa auch dieses Detail von älteren Texten übernommen haben kann, wenn es nicht eine willkürliche Ergänzung des Herausgebers ist. Die Betonung der geistigen Überlegenheit Bahräm's über seine Lehrer, der die Qissa einen Abschnitt widmet, läßt sich ebenfalls auf eine Quelle zurückführen, sie wird nämlich auch von Tabari227 erwähnt. Daß er neben seiner hohen Begabung auch über ein schönes Aussehen verfügte, kann die Qissa wieder von Nizämi bzw. A übernommen haben; denn im Anschluß an den Bericht über Bahräm's Ausbildung heißt es bei Nizämi: „Als der Canopusstern der Schönheit Bahräm's vom Lande Jemen alle Rohheit hinwegnahm . . . 2 2 8 ." Sonst wird seine Schönheit an dieser Stelle nur von Dïnawarî229 erwähnt. Dort, 224 Vgl. Tabari 1,858 (II 71): „Er hat sich keine persische Bildung angeeignet, sondern seine Bildung ist arabisch." Vgl. auch at-Ta'âlibi S. 550. 225

228

227

228

So Mas'ûdî, Tanbih S. 101, M.d. I 261, *Aufî Lubâb 119. Auf die Frage der Dichtung Bahräm's werde ich später eingehen. So bei al-Maqdisi I I I 163ff., at-Ta*âlibï S. 555f., Gardïzï S. 28. Trotz einzelner Varianten in dem Bestand, den alle haben, scheinen sie auf eine Tradition zurückzugehen. at-Ta'älibi bringt die längste Liste: 11 Sprachen. Gardïzï bringt es auf 7, al-Maqdisï, der wahrscheinlich die älteste Form repräsentiert, nur auf 4. Die Zuordnung der Sprachen zu einzelnen Personengruppen (so ist der Dialekt von Herat für den Umgang mit Frauen bestimmt) und zu bestimmten Tätigkeiten und Situationen müßte näher untersucht werden. Am einfachsten ist es mit der Zuordnung bestimmter Sprachen zu Wissenschaften, s. ζ. B. bei at-Ta'älibi Indisch zur Medizin, Griechisch zur Astrologie usw. Das ist von der Tradition dieser Wissenschaften im Orient her verständlich. al-Huärazmi, Mafätih S. 71 f. spricht ausführlich über die Zuordnung der verschiedenen Sprachen bzw. Dialekte zu einzelnen Personengruppen im Sasanidenreich. Pahlawi ist die Sprache der Könige bei den Audienzen, Färsi die Sprache der Möbads, Dan die Sprache der Einwohner der Hauptstadt Ktesiphon und des königlichen Hofes. Hüzi sprechen die Edlen und die Könige im Bad und bei ähnlichen Gelegenheiten. Syrisch reden die Leute des königlichen Gefolges, wenn sie dem König ihre Anliegen vortragen. 1,856 (II 70): „Er übertraf seine Lehrer und die Gebildeten in seiner Umgebung, so daß sie ihm den Vorrang vor sich selbst zuerkennen mußten." 12,1. Bahräm ist hier doppeldeutig. In der Verbindung mit dem Canopusstern muß 229 S. 53. hier die Bedeutung des Bahrämgestirns mitklingen.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

wie in der Qissa, ist es im Grunde ein volkstümliches Motiv: der Lieblingskönig der sasanidischen Sage muß wie der Held im Märchen neben geistigen Vorzügen auch Schönheit besitzen. Vom 12.—15. Lebensjahr widmet sich Bahräm nach der Schilderung der Qissa der Übung in den verschiedenen Kampfesarten und im Reiten. In der Altersangabe stimmt die Qissa hier nur mit Tabari 230 , ζ. T. auch mit der Nihäya231 überein, während Bal'ami ihn diesen Teil der Ausbildung erst mit 15 beginnen läßt und für seine Beendigung keine Zeit angibt 232 . Firdausi 233 nennt für den Abschluß seiner Gesamtbildung sogar schon das 13. Lebensjahr. Am besten trifft wohl der Ausdruck des Färs-näma die Wirklichkeit: „Als er so weit war, daß er die Reitkunst üben und Waffen tragen konnte, lehrte er (al-Mundir) ihn . . . 234 ." Während ihn nach dieser Stelle al-Mundir unterweist, werden in der Qissa bahlawänäfl35 und Ritter/ Reiter als seine Lehrer genannt. Der Katalog der Kampfesarten, die er erlernt, umfaßt nach der Qissa außer Reiten und Bogenschießen Schwertkampf, Lanzenstechen und den Gebrauch der Keule (dabbüs). Davon fehlt bei Nizämi238, der Bahräm's Geschicklichkeit in jeder dieser Fertigkeiten unterstreicht, nur die Keule. Sie wird in den späteren Jagd- und Kampfszenen weder bei Nizämi noch in der Qissa als Waffe erwähnt. Ihr Auftreten an dieser Stelle scheint mir eine literarische Reminiszenz von Seiten des Herausgebers zu sein; denn die Keule, allerdings in ihrer persischen Bezeichnung gurz bzw. gurz/gurza gebraucht, spielt bei einem Teil der Historiker und bei Firdausi in dem eindrucksvollen Löwenkampf, durch den Bahräm die Krone gewinnt, eine Rolle237. Vielleicht ist sie sogar Bahräm's Lieblingswaffe gewesen; denn in dem sasanidischen „Bilderbuch" mit den Portraits der Könige, das u. a. von Hamza benutzt wurde, war Bahräm mit der Keule in der Hand abgebildet 238 . Nach einer weitverbreiteten Tradition, die die Qissa und PB im Anschluß an A und Nizämi 239 berichten, ist Bahräm jedoch hauptsächlich als Meister im Bogenschießen berühmt. Zu dieser Tradition gehören nicht nur die zahlreichen Jagd230 231

832 238

237

238

1,856 (II 70). fol. 124a. Vom 5.—12. Lebensjahr erhält er theoretischen Unterricht; als er 12 Jahre alt ist, wird er in den verschiedenen Sport- und Kampfesarten unterwiesen. Einen Endpunkt dafür nennt die Nihäya nicht. 233 231 S. 115. 34,121 ff. S. 75. Das ist das persische Wort pahlawän. Aus dem Zusammenhang mit der Kriegstechnik, in der sie Bahräm unterweisen, geht hervor, daß es im eigentlichen Sinne, als „Kriegsheld", angewandt ist, nicht im Sinne von „Akrobat, Gaukler", den das 236 Wort im modernen Arabischen hat. 11,57—69. Vgl. Ya'qübi 1141, Tabari 1,862 (II 74), at-Ta'älibx S. 553 ('amüd), Firdausi 34,667, Färs-näma S. 76, Mugmal S. 69. 239 Hamza S. 49. 11,65—67

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Die Kindheit und Jugend Bahräm's

anekdoten, in denen er die Kunst des Bogenschießens demonstriert, sondern man schrieb ihm sogar ein Buch über die Theorie des Bogenschießens zu. Mas'üdi240 nennt dieses Buch noch nicht ausdrücklich; er berichtet nur von Neuerungen, die Bahräm auf diesem Gebiet einführte und von Theorien darüber, die von ihm stammen sollen. CHRISTENSEN 241 weist jedoch auf einen Buchtitel hin, der im Fihrist im Kapitel über die Reit- und Waffenkunst erscheint: Kitäb ar-ramy li-Ba.hräm Öür wa-qila liBahrärn öübtnM2. Das zweite Wort ist àyën zu lesen, in die Schreibung dieses Fremdwortes ist neben der falschen Punktation noch ein Buchstabenzähnchen zu viel eingedrungen, ein leicht zu erklärender Schreibfehler. Es handelt sich also um ein Buch über die Regeln (äyen) des Bogenschießens. CHRISTENSEN folgert mit Recht aus der Mas'üdlstelle, daß es Bahräm Gör, nicht Bahräm Cübin, zugeschrieben werden muß. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eine Stelle bei Qazwini243 verweisen. Sie bezieht sich auf eine persische Tradition, die 10 Personen zusammenstellte, deren jede auf ihrem Gebiet unübertroffen war. In dieser Reihe erscheint Bahräm Gör als vierter. „Der vierte unter ihnen ist Bahräm b. Yazdagird, auch Bahräm öür genannt, der einer der geschicktesten Bogenschützen unter den Menschen war. Man kannte keinen Schützen von seinem Rang." Im Alter von 15 Jahren ist Bahräm nach dem Bericht der Qissa ein vollendeter Meister in all diesen Künsten. Auch wenn die Zeitangabe in den verschiedenen Berichten entweder fehlt oder variiert, sind sich doch alle in der Betonung seiner Meisterschaft und Überlegenheit einig244. So ist Bahräm bestens für seine spätere Herrschaft gerüstet246. 210

241

244

M.d. I 262. Mas'üdi gibt leider nur eine kurze Notiz dazu und verweist auf die ausführliche Behandlung in den Ahbär az-zamän und im Kitab al-ausat. Beide Bücher sind leider verschollen. In: Les Gestes des Rois S. lOlf. Allerdings ist die Möglichkeit einer Verwechslung (schon in den alten Quellen) mit Bahräm Cübin nicht auszuschließen; denn dieser ist in der iranischen Tradition als hervorragender Bogenschütze berühmt. Eine iranische Tradition stellt drei Bogenschützen, die sich besonders auszeichneten, zusammen: 1. Äreä im Krieg zwischen Manücihr und Fräsiyäb. Durch seinen Pfeilschuß wurde die Grenze zwischen Iran und Türän festgelegt. 2. Sohra, der in einem Rachefeldzug gegen die Hephtaliten nach dem Tode des Pêrôz einem sich nähernden Pferd durch die Stirn schoß und dadurch die Feinde einschüchterte. 3. Bahräm Cübin, dessen Pfeil den Türkenkönig Säwa ins Rückenmark traf und ihn auf der Stelle tötete ( C H R I S T E N S E N , Romanen om Bahräm Tschöbin S. 35). S. auch 212 243 N Ö L D E K E , G.d.S. S. 272. S. 314. S. 233f. Vgl. DînawarïS. 53: i - ^ y l l ¡ Firdausi 34, 122: jU ^ ^ J .

j ¡ Barami S. 115: J¡ ^

at-Ta'âlibî S. 541:

,4i JiJI 4Íi_>J¿uULI ¿du-Vl 245

íS" o - i l j j f r ύ \ JM Vi ^ ¿ L

^

¿JtJlj ¿ U J \ )

So verwundert es nicht, daß Bahräm in der Thronbesteigungsepisode bei Eutychios, in der er den Persern sieben Vorzüge, die ihr König haben muß, darlegt, sich

76

Kommentar zur Rahmenerzählung

Von nun an246 gibt er sich schon in al-Hira einem Leben hin, das sich zwischen den beiden Polen Jagd {said wa-qans) und Vergnügen (lahw wataladdud) bewegt. Diese Begriffe werden in seiner Biographie immer wiederkehren, sie begegnen in allen Quellen fast in den gleichen sprachlichen Wendungen. So ist denn auch das Bild dieses „Lieblingshelden der persischen Erzähler" (NÖLDEKE) in der späteren Literatur ganz von diesen Begriffen geprägt. Wenn die Qissa sie schon an dieser Stelle erwähnt, folgt sie damit ihrer Vorlage A, wie sich aus dem Vergleich mit PB, der hier wörtlich mit ihr übereinstimmt, ergibt. So finden wir auch beides bei Nizämi wieder, wobei das Vergnügen noch etwas spezifiziert wird: „Er war nur mit Weintrinken und der Jagd beschäftigt, andere Dinge hatte er nicht im Sinn247." Nizämi hat nicht als erster diese Charakteristik Bahrain's von ihrer ursprünglichen Stelle in den Quellen248, wo sie übereinstimmend nach der Thronbesteigung Bahrain's erwähnt wird, hierhin verpflanzt. Ihm geht darin at-Ta'älibi voraus. „Er teilte seine Tage zwischen dem Vergnügen (lahw) und der Musik einerseits und der Jagd und dem sportlichen Spiel andererseits249." Auch Firdausi könnte hier eingewirkt haben. Zwar zeigt er Bahräm nur dem sportlichen Vergnügen zugetan, doch das mit der gleichen Ausschließlichkeit wie in den angeführten Texten. „Außer dem Ball und dem Kampffeld (Sportplatz) hatte er nichts im Sinn; bald war es, den Schläger zu schwingen, bald die Jagd250." Am ausführlichsten wird jedoch seine Jagdleidenschaft beschrieben. So greift auch die Qissa an dieser Stelle einige der geläufigen Jagdanekdoten heraus. Zunächst macht sie eine allgemeine Feststellung: Bahrain's bevorzugte Jagdtiere waren die Wildesel. Aus dieser seiner Vorliebe erklärt sich sein Beiname (laqab) Gör, das persische Wort für Wildesel251. Der Vergleich mit PB zeigt wieder,

24e

247 248

selbst dieser Eigenschaften rühmt. Sie sind sämtlich in dem Bericht über Bahrain's Erziehung, wie ihn die Quellen bieten, angelegt (Eutychios I 176). Die Qifsa bzw. Nizämi folgen im ersten Teil ihrer Schilderung weitgehend dem Erzählungsablauf bei den Historikern und bei Firdausi. An dieser Stelle läßt Nizämi jedoch die von Tabari, Firdausi u. a. breit geschilderte Episode des Pferderennens aus, bei dem sich Bahräm das beste Pferd aussucht und damit seinen Sachverstand zeigt. Jedoch spielt dieses Pferd, ein Fuchs, auch bei Nizämi bei der Wildeseljagd in cp. 12 eine Rolle. In der Qiffa werden seine Vorzüge nirgends erwähnt. 12,8. So ζ. B. bei Ya'qübi I 141; nach der Thronbesteigung widmet sich Bahräm dem ¡aid wa-lahw. Vgl. Tabari 1,863 (II 75), al-Maqdisi III 163, Färs-näma S. 81,

Mugmal S. 69.

249 250 251

S. 541; vgl. Ibn al-Atir I 402. 34,166. Die

führt, um Bahräm's Beinamen genau wiederzugeben, den Buchstaben ^

also j f f , ein. Um den Laut g für einen Ägypter, für den bekanntlich r = S ist.

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Die Kindheit und Jugend Bahräm's

daß sich diese Nachricht an der gleichen Stelle in A gefunden haben muß. A ist hier etwas freier mit Nizämi's Text verfahren, was die stoffliche Anordnung betrifft. Nizämi schildert nämlich zunächst sehr ausführlich Bahräm's Praxis der Wildeseljagd862, was sich in der Qissa in der oben erwähnten allgemeinen Feststellung und anschließend in einer kurzen Zusammenfassung des langen Kapitels niedergeschlagen hat. Ausdrücklich findet sich die Verbindung zum Beinamen Bahräm's bei Nizämi erst an einer späteren Stelle, im Anschluß an die Löwen-/Wildeselepisode in cp. 13. „Von da an nannten sie ihn den Löwenstarken, nannten sie ihn König Bahräm Gör 268 ." Nizämi folgt hier wieder offensichtlich Barami, der den Beinamen Gör mit derselben Jagdgeschichte begründet264. Ob auch Mas'üdi auf diese Tradition abzielt, wenn er von der Ursache des Beinamens spricht, läßt sich leider nicht feststellen, da er für weitere Angaben auf seine beiden verschollenen Werke verweist265. Die Verbindung mit der erwähnten Episode findet sich sonst nur bei Späteren, ζ. B. bei at-Ta'älibi 26e . Firdausï nennt sie ebensowenig wie die frühen arabischen Historiker, die den Namen ganz unerklärt lassen. Wahrscheinlich fehlte auch im H"atäi-nämak die Begründung. Zwar verzichtet Firdausï nicht völlig auf die Erklärung des Beinamens. Auch er leitet ihn, wenn auch an späterer Stelle, von seiner Vorliebe für die Wildeseljagd ab: „Er jagte nur Löwen und Wildesel, daher nannte man ihn Bahräm Gör 257 ." Darin kann er sich der volkstümlichen Deutung des Namens angeschlossen haben, auf die auch Barami vor ihm zurückgegriffen hat. Ein anderer, ausdrücklicher Erklärungsversuch, der auf eine ältere Tradition zurückblicken könnte, ist nicht bekannt. Die Verbindung mit dem gleichlautenden Wort gor = Grube, Grab, die wir als Wortspiel in dem bekannten Rubâ'ï des 'Umar-i Hayyäm 268 finden, hat allerdings ebenfalls einen Anhaltspunkt in der Biographie Bahräm's, sie spielt nämlich auf die Umstände seines Todes an. Auch wenn diese Erzählung, wie NÖLDEKE259 meint, eine Erklärung des Namens geben soll, so tut wiederzugeben, kann man diese Möglichkeit der Schreibung

=

g wählen; vgl.

die Schreibung von garäg. 252 253

254 255 258

257 258

12,9—34. 13,16. Doch Nizämi nennt ihn schon vor diesem Jagdabenteuer Bahräm Gör, allerdings auch im Anschluß an seine Praxis der Wildeseljagd (13,2). S. 115: „Und von jenem Tag bis auf den heutigen nannte man ihn Bahräm Gör." M.d. II 262. S. 544: „Man erzählte, Bahräm habe den Beinamen Bahräm Gör auf Grund dieser Geschichte erhalten." 'Aufi hält sich in den öawämi' hierin an at-Ta'älibi; s. Introduction S. 148 Nr. 172. 35,468. I n CHRISTENSENS A u s g a b e N r . 4 6 .

» G.d.S. S. 103, A. 3.

25

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Kommestar zur Rahmenerzählung

sie es doch nicht expressis verbis. So hat sie denn auch die Tradition über die Ursache des Namens kaum beeinflußt. Weder bei 'Umar-i Hayyäm noch bei Nizämi, der das gleiche Wortspiel in mehreren Versen des cp. 12260 und später bringt, ist eine Erklärung des Namens damit verbunden. So kommt man nach den Quellen nicht an der Deutung Gör = Wildesel vorbei, mag der Anlaß zu diesem laqab auch nicht der oben erwähnte gewesen sein. Ich sehe aber keinen Grund, warum nicht seine Vorliebe für die Wildeseljagd, von der uns die Quellen an den verschiedensten Stellen berichten291, ihm den Beinamen „Wildesel" eingetragen haben sollte. Die europäischen Gelehrten geben sich seit JUSTI262 die gleiche Mühe, den „Wildesel" Bahräm als Metapher für seine Kraft und Schnelligkeit (JUSTI) bzw. seine Kraft und Geschicklichkeit in Leibesübungen (HUART) oder seine Lebhaftigkeit und Unbändigkeit (CHRISTENSEN: pétulance bzw. spraelske karakter) umzudeuten. Die realistische Wildeseldeutung wird von JUSTI als „mehr poetische Auffassung" angesehen ; m. E. ist es gerade umgekehrt. Dazu kann sich nur diese Auffassung auf die alte Tradition stützen. Bahräm Gör wäre nicht der einzige asiatische Fürst, der nach den Wildeseln benannt wurde. W. BARTHOLD führt in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Türken Mittelasiens eine sehr interessante Nachricht an: „Radioff hörte bei den Qara Kirgizen eine Uberlieferung, nach der die Kirgizen sich an den großen Chan, d. h. Cingiz Chan, mit der Bitte gewandt hätten, ihnen seinen ältesten Sohn Guci als Fürsten zu geben, öuci, der damals noch ein kleiner Knabe war, geriet in eine Herde von qulän (wilden Eseln) und wurde von ihnen entführt. Aqsaq qulän öuci Chan (der lahme Wildesel) wurde der erste und der letzte Chan der Kirgizen283." Grundsätzlich kann auch bei den Arabern ein Tiername als laqab gegeben werden, mag die Erklärung des Gähiz dafür zutreffen oder nicht264. Allerdings ist kein arabischer „Wildesel" bekannt, dafür jedoch ein domestizierter „Esel". Himär treffen wir nämlich als laqab des Marwän I I b. Muhammad266. Auch diesen Namen hat man in ähnlicher Weise als Eulogium, auf Grund seiner Aus260

261

ζ. B. 12,9: „Er war auf der Jagd versessen nach Wildeseln. Wie kann ein Toter das Grab vermeiden ?" So kommt er auf der Wildeseljagd um; vgl. dazu Ya'qûbî I 141, Dïnawarï S. 59, Tabarî 1,865 (II 77), Färs-nätna S. 81. Firdausï erwähnt die Wildeseljagd an vielen Stellen, ζ. B. 36,897ff., 35,1267ff.

2β2

Geschichte Irans S. 526. Seiner Theorie folgen HUART in EI1, EP, CHRISTENSEN in L'Iran S. 277, Heltedigtning S. 47.

263

In: Welt des Islams, 14—17, 1932—35, Beiband. Hayawän I 324. Gähiz erklärt diese Namen als fa'l. Der Name des ersten Wesens, welches der Vater eines neugeborenen Knaben sieht oder hört, wird dem Kind als laqab gegeben. Gähiz erwähnt u. a. auch 'air, Wildesel, als eine der Möglichkeiten.

264

245

Vgl. al-Maqdisi V I 54, Gardizi S. 117, MirhȊnd I I I 389.

HUART/MASSÉ in

79

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

dauer im Kampf2ββ, zu interpretieren versucht. Dem hat W E L L H A U S E N eine realere Auffassung entgegengesetzt, die sich zudem auf alte Quellen stützen kann267. Falls man an der Deutung Gör = Wildesel festhält, hegt die Erklärung der Quellen am nächsten. An anderen Deutungsmöglichkeiten wäre die von JUSTI268 aufgezeigte eine sehr interessante. Er bringt nämlich Gör mit dem armenischen gor (oz, stolz), das auch als Name vorkommt, zusammen. J U S T I nennt einen Γοϋρας als Bruder des Tigranes I (Plut. Luculi. 32,4) und im 10. Jahrhundert einen armenischen Feldherrn namens Gor. Bahräm Gör wäre dann also Bahräm der Stolze, ein verständlicher laqab. Jedoch müßte man dafür voraussetzen, daß das armenische gor ein persisches Fremd- oder Lehnwort im Armenischen wäre ; denn daß Bahräm einen armenischen Beinamen gehabt hätte, ist nicht Einzunehmen. Wie mir Professor Wikander versicherte, ist es jedoch ganz unwahrscheinlich, daß gor aus dem Iranischen ins Armenische übernommen wurde. J U S T I ' S Vorschlag verliert damit seine Überzeugungskraft. Auch von anderen persischen Bedeutungen des Wortes gör könnte man zu einer Erklärung des Namens kommen. Außer den schon erwähnten Bedeutungen Grab und Wildesel gibt es eine andere: Ebene, Steppe, Wüste269. Bahräm-i Gör, wie der Name in den persischen Texten gelesen wird, könnte also auch „Bahräm aus der Wüste" heißen. Diese Deutung hätte ebenfalls einen Anhaltspunkt in seiner Lebensgeschichte, da er am Rand der Wüste aufgezogen wurde270. Als vierte Bedeutung geben die Lexika an: vinum, laeta voluptas, wie das gleichbedeutende gört, das schon bei Rüdak! belegt ist271. Auch *«« So A. MÜLLER 1,453, der auf Utas 11,558 verweist. BROWNE LHP I 240: "alHimär on account of his endurance in battle." Die Ausdauer des Esels (quwwa wa-galad) hebt auch öähiz in dem obenerwähnten Kapitel hervor, jedoch nennt er zunächst eine negative Eigenschaft: seine Dreistigkeit (waqäha). „ E s e l " als Eulogium wirkt auch für einen Orientalen verblüffend. 2 8 7 S. 231: „ E r wurde spöttisch „der E s e l " genannt, weil er die Päonie liebte, welche die Eselsrose hieß (so nach syrischen Chronisten)." — Die Deutungsversuche in den arabischen und persischen Quellen bleiben ζ. T. ganz dunkel. al-Maqdisï: „ E r wurde himär al-gazira genannt, (denn) die Omayyaden verabscheuten die Sklavinnen, weil sie gehört hatten, daß die Herrschaft nach einer Sklavin (als Mutter eines Omayyaden) von ihnen genommen würde, und Marwän's Mutter war eine Kurdin." Bei Gardîzî und Mirh u änd findet sich eine andere Deutung: „er wurde Himär genannt, weil die Araber, wenn 100 Jahre einer Dynastie vergangen waren, dieses J a h r Himär nannten. Die Dynastie der Omayyaden hatte bis Marwän etwa 100 Jahre geherrscht." Worauf sich diese Nachricht stützt, kann ich nicht sagen. 2,8

Namenbuch

269

S o bei VULLERS u n d STEINGASS.

unter Gör bzw. Güras.

270

Vgl. Tabari 1,851 (II 65).

271

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80

Kommentar zur Rahmenerzählung

das würde ausgezeichnet zum Lebensstil Bahräm's passen. Doch bin ich nicht sicher, daß das Wort gor schon in der Sasanidenzeit diese Bedeutung gehabt hat. Vielleicht ist sie erst der volkstümlichen Tradition über das vergnügte Leben des Bahräm Gör entsprungen. Nach diesem Exkurs zurück zum Text der Qissa. Sie schildert nun die Methoden, die Bahräm speziell für die Wildeseljagd anwendet (15,10—18). Auffällig ist, daß er sie mit der Wurfschlinge (wahq) jagt, er fängt sie also lebendig. Genau das gleiche lesen wir in PB und in den Haft Paikar, so daß wir es über A auf Nizärm 272 zurückführen können. Auch im nächsten Detail stimmen die drei Texte überein. Die Wildesel, die noch nicht vier Jahre alt sind, läßt er wieder laufen. Dann ist allerdings ein kleiner Unterschied in dem, was mit den älteren Tieren geschieht, zu bemerken. Nizämi sagt klar, daß er sie tötet 273 . Die Qissa dagegen stellt es etwas unklar dar. Bahräm behält die Tiere bei sich, wozu, ist nicht gesagt. PB bringt noch mehr Verwirrung in diese Stelle. Nach ihm läßt Bahräm die älteren Tiere mit seinem Zeichen stempeln und stellt es unter Strafe, sie zu jagen. Bei PB müssen vor dieser Stelle einige Worte ausgefallen sein; denn diese Nachricht findet sich in der Qissa ein wenig später. Sie bezieht sich natürlich auf die jungen Tiere, die Bahräm wieder freiläßt, nachdem er sie gezeichnet hat. Wieder stammt das Detail von Nizämi 274 . In allen Texten wird auch die Stelle des Brandzeichens übereinstimmend angegeben. PB folgt dem Nizämi'schen Text darin genauer, daß auch bei diesem das Jagen bzw. Töten der gekennzeichneten Tiere verboten ist 276 , was die Qissa nicht erwähnt. E s hat sicher in A gestanden, manchmal schließt sich eben PB seiner Vorlage genauer an als die Qissa es tut. Meistens ist es jedoch umgekehrt, was auf den gerafften Stil von PB zurückzuführen ist. Obwohl also diese Konsequenz in der Qissa fehlt, sagt auch sie, daß jeder in dem gebrandmarkten Tier das Eigentum des Königs erkennen sollte. Nizämi hat als Ansatzpunkt eine Stelle bei Firdausi genommen, wo Bahräm eine Herde von Wildeseln, die mit der Wurfschlinge gefangen worden sind, mit seinem Namen stempeln läßt 278 . Nizämi hat jedoch Bahräm's Beziehung zu den 272

273

271

275

12,24—25: „Wenn er die Wurfschlinge ( kamand) der J a g d nahm, fing er 1000 Wildesel lebendig. Die meisten Wildesel, die er fing, warf er durch die Kraft seines Arms oder durch das Lasso zu Boden." 12,26: „Wenn er (auch) 100 Wildesel Rücken an Rücken zu Boden warf, tötete er (doch) keinen, der jünger als vier Jahre war." 12,28: „ E r brannte seinen Namen auf seinen Schenkel ein und gab ihm dann die Freiheit der Steppe (wörtl.: er gab ihm das Kommando der Steppe)." Die Qis¡a und PB präzisieren: das Zeichen wird auf den rechten Schenkel des Tieres gebrannt. 12,27: „ D a s Blut jenes Wildesels, der noch nicht volle vier Jahre alt war, (zu ver276 35,1395ff. gießen) hatte er verboten."

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

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Wildeseln, die sich auch in seinem Namen äußert, dahin verdichtet, daß die Wildesel sein ausschließliches Eigentum und gleichzeitig etwas wie „heilige Tiere" werden. So sagt Nizämi, daß das Blut der Wildesel, die Bahräm's Zeichen tragen, harärn wird277. Er setzt also einen Ausdruck, der zu seiner Zeit sicher nicht frei von religiösen Assoziationen war. Nach dieser allgemeinen Einführung in die Jagdpraxis Bahräm's berichtet die Qissa eine der bekanntesten Jagdgeschichten, die in vielen Quellen gleichfalls als erste Probe seiner Geschicklichkeit an dieser Stelle erzählt wird278. Sie ist in den verschiedenen Texten in einer recht einheitlichen Form überliefert und kann in ihrer Grundform auf das Huatäi-nämak zurückgeführt werden. Unterschiede betreffen nur wenige Einzelheiten. Bahräm begibt sich eines Tages mit al-Mundir auf die Jagd. Schon hier tritt die erste Differenz auf; denn in einigen Texten wird al-Mundir nicht erwähnt279. Jedoch hat Bahräm in allen Fassungen Begleiter, die lediglich als Zeugen des wunderbaren Pfeilschusses fungieren. Die Qissa folgt hier ihrer Vorlage A; al-Mundir tritt nämlich auch in PB und bei Nizämi280 auf. Nizämi hat sich an Bal'ami's Bericht gehalten281, der ebenfalls alMundir Bahräm begleiten läßt. Sonst wird er nur noch von at-Ta'älibi erwähnt282. Als Bahräm in der Ferne eine Staubwolke erblickt, treibt er sein Pferd in diese Richtung und entfernt sich so von seinen Begleitern. A muß hier Nizämi's Ausdruck fast wörtlich wiedergegeben haben283, wie aus der Qissa und PB deutlich wird. Die Staubwolke taucht nämlich in allen drei Texten auf. Am Ziel angelangt, erblickt Bahräm einen Löwen, der sich auf dem Rücken eines Wildesels festgekrallt hat und ihn gerade zerreißen will. Hier sind die Texte von einer seltenen Einmütigkeit. Die Qissa weicht nur darin von ihnen ab, daß sie das Bild des Löwen durch einige Epitheta ornantia etwas plastischer zu gestalten versucht284, die sicher auf den Herausgeber zurückzuführen sind. In PB hat der Löwe nur 277

a. a. O.

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j - ij; » ¡ β J3? ¿)T ò f -

So bei Tabari 1,857 ( I I 70), Bal'amï S. 115, Firdausi 34,202 (bei ihm findet sich als erste Jagdepisode die Geschichte von der Sklavin und den beiden Gazellen, die erst in die Zeit seiner Regierung gehört und in der Qissa im Anschluß an die Thronbesteigung erzählt wird), at-Ta'âlibï S. 543 (der Firdausi's Beispiel folgt), Nizämi 13,1 f. 27 · So bei Tabari und Firdausi. 280 13,3. al-Mundir und an-Nu'män begleiten ihn. 281 a. a. O. 282 a. a. O. und ausdrücklich S. 544; vgl. 'Aufi, öawämi', der Nu'män b. Mundir als Begleiter nennt. (Introduction S. 56; S. 203 Nr. 1391). 283 13,5: „Plötzlich erhob sich eine Staubwolke (gdrdi) in der Ferne, so daß der Himmel völlig mit der Erde eins wurde."

278

284

habit al-haikal, aftas al-anf, hä'il al-hagm wal-manzar. 6

Pantke, Roman

82

Kommentar zur Rahmenerzählung

das blasse Attribut muhtb. Nizämi verzichtet auf jegliche Ausschmückung, ebenso die anderen Texte. Dagegen werden Bahräm's Vorbereitungen zum Schuß nicht nur in der Qissa, sondern auch bei Firdausi286 und Nizämi28® ausführlich geschildert. Die Vorbereitung auf das Abschießen des Pfeils scheint in den Kampfszenen der Epen überhaupt ein Topos zu sein. Der Pfeil Bahräm's dringt durch den Rücken des Löwen und seinen Bauch und geht noch durch den Körper des Wildesels hindurch, so daß beide Tiere durch einen einzigen Schuß getötet werden (16,Iff.). Auch darin stimmen alle Texte überein, jedoch fügen Tabari/Bal'ami, at-Ta'älibi und Nizämi hinzu, der Pfeil sei mit seinem Schaft noch in die Erde gedrungen. In der Qissa dagegen heftet der Pfeil beide Tiere zusammen, die gleiche Darstellung finden wir bei Firdausî287. PB zeichnet das Bild noch anders. Beide Tiere werden durch den Pfeil mit der Erde zusammengeheftet: eine Mischung aus den beiden genannten Darstellungen. Ich nehme an, daß PB sie so von A übernommen hat; denn dort ist ein Einfluß Firdausi's auf die im ganzen von Nizämi entlehnte Darstellung nicht nur denkbar, sondern auch wahrscheinlich (vgl. oben S. 48). Die Qissa folgte ihrer Vorlage in diesem Punkt nicht, da der Herausgeber die Unmöglichkeit dieser Darstellung erkannte: der Pfeil hätte in diesem Fall mindestens die Länge einer Lanze haben müssen. So entschied er sich für den einen Bestandteil der Mischvorstellung. Außer Firdausi legen alle Autoren, die diese Episode berichten, Wert auf die Feststellung, daß Bahräm's Meisterschuß von Zeugen beobachtet wurde, die außer sich vor Staunen waren. So kann man annehmen, daß diese Geschichte schon in frühester Zeit auf Zweifel stieß. Dagegen erscheint mir glaubhaft, daß die Episode auf den Wänden des Hawarnaq abgebildet wurde, wie die Qissa in Übereinstimmung mit den anderen Texten berichtet. Schon in der antiken Zeit war es Sitte, die Wände der Paläste mit Szenen aus dem Leben der Könige zu bemalen, wie Athenaeus 575 nach Chares von Mytilene berichtet. So waren ζ. B. Episoden der Alexandergeschichte auf Wänden abgebildet288. Wir hören später, daß eine andere berühmte Jagdgeschichte — die der Sklavin und der Gazellen — im Schlosse abgebildet wurde, was um so wahrscheinlicher ist, als sich von dieser Episode auch Gravierungen auf sasanidischen Silberschalen finden289. Die Qissa fügt noch hinzu, die Abbildung sei so lebendig gewesen, daß man sie für die Wirklichkeit hätte halten können. Das sagt 285 288

287

288 288

34,204. 13,8—9.

34,205: „ E r heftete das Herz des Wildesels mit dem Rücken des Löwen zusammen, oben voll Blut der Löwe, unten der Wildesel." S. NÖLDEKE, Das iranische Nationalepos S. 134. S. CHRISTENSEN, Heltedigtning

S. 48.

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

83

sie wieder in engster Anlehnung an Nizämi's Text, wo es heißt: „Als der Maler dieses Bild gemalt hatte, dachte jeder, der es sah, es sei lebendig 290 ." Die folgende Jagdgeschichte spielt in einer ganz anderen Atmosphäre. Während die eben geschilderte Episode eher an Münchhausens Abenteuer 291 erinnert, obwohl sie durchaus in der Realität wurzeln kann, entstammt Bahräm's Kampf mit der Schlange der Welt des Märchens. So ist es verständlich, daß die Historiographen nichts davon berichten, und sich diese Geschichte nur in der zusammenhängenden Textgruppe Qissa, PB und Nizämi findet 292 . Bei PB ist es auffällig, daß er diese Episode im Gegensatz zu seiner sonst so knappen Darstellung sehr ausführlich erzählt. Der Grund dafür hegt im märchenhaften Stil der Geschichte; denn PB zeigt im allgemeinen weniger Interesse am biographisch-historischen Teil seiner Vorlage als an den märchenhaften Einlagen. Für die Quellenanalyse wirkt sich das an dieser Stelle günstig aus, da sich aus den beiden ausführlichen Berichten der Qissa und PB's im Vergleich mit Nizämi's Fassung die Vorlage A etwas deutlicher herauskristallisieren läßt. Das setzt eine detaillierte Untersuchung der drei Textfassungen und ihres Verhältnisses zueinander voraus. In PB und in der Qissa beginnt der Bericht wie der voraufgehende damit, daß sich Bahräm mit al-Mundir und seinen Leuten auf die J a g d begibt. Nizämi's Darstellung setzt dagegen etwas ungewöhnlich ein. Nachdem Bahräm einen ganzen Tag lang gezecht hat, geht er, noch trunken vom Wein, auf die Jagd 2 9 8 . Seine Begleiter werden nicht erwähnt 294 . Offenbar hat schon A auf diese Ausgangssituation Nizämi's verzichtet, wie es auch nicht anders zu erwarten ist. Allem Anschein nach handelt es sich bei A schon um ein volkstümliches Produkt, das den Inhalt der Dichtung Nizämi's in den Stil eines Volksromans ummünzt. Ein Volksroman aber, besonders, wenn sein Held eine so ranghohe Person wie ein Perserkönig ist, nimmt diesen Helden und seine Taten viel zu ernst, um die ironische Distanz, die Nizämi hier gegenüber dem Abenteuer Bahräm's zeigt, zu übernehmen. E s widerspricht denn auch den Intentionen solcher Texte nicht, wenn sie, wie die Qissa, als „geschichtliche, realistische Erzählung" verbreitet werden 298 . Bahräm, der sich wieder von seinen Begleitern entfernt hat, sieht plötzlich eine seltsame Jagdbeute vor sich, einen Wildesel, dessen Bauch weiß und dessen 290

13,21.

291

S . CHRISTENSEN, Heltedigtning

2.2

Auch Firdausi schildert zwei Drachenkämpfe, die B a h r ä m zu bestehen hat, jedoch erst nach seiner Thronbesteigung. Ich werde darauf zurückkommen. 14,1—2. Vers 2 heißt es: „ E r trank hastig einige (Becher) Wein und begab sich dann in Trunkenheit (az sar-i masti) in die Wüste." Sie treten jedoch zum Schluß auf (14,57). S. A. 4.

2.3

aM 298

S. 47.

84

Kommentar zur Rahmenerzählung

Rücken karmesinrot gefärbt ist. Dazu ist sein Fell mit Tupfen übersät. Hier unterscheiden sich die Qissa und PB in einer Kleinigkeit; denn nach PB ist der Bauch des Tieres karmesinrot, die Weißfärbung wird nicht erwähnt, wohl aber die Zeichnung des Fells. Der Unterschied ist sicher auf die etwas knappere Darstellung PB's zurückzuführen, die zwei verschiedene Eigenschaften zu einer zusammenzieht. A hatte wohl die gleiche Schilderung wie die Qissa; denn sie ist in den Haft Paikar angelegt. Aus den entsprechenden Versen lassen sich die Einzelheiten unseres Wildeselbildes herauslesen, obwohl sich ihre Metaphern nicht unbedingt auf das klare, weil vereinfachte Bild in der Qissa festlegen lassen. So braucht ζ. B. das Sir o Sakar in dem Vers: „Ihr (der Wildeselstute) Rücken war poliert wie ein Goldbarren, ihr Bauch bestrichen mit Milch und Zucker29"", nicht auf die Farbe Weiß eingeengt werden, es kann auch der seidige Glanz des Felles damit gemeint sein. Die Rotfärbung des Rückens läßt sich auf den Vers zurückführen: „Statt einer Pferdedecke hatte sie einen seidenen Schleier von der Farbe des Granatapfels übergezogen297." Dieser Vers kann aber auch allgemeiner dahin interpretiert werden, daß das pulsierende Blut dem Fell einen rosigen Schimmer verlieh. An einer anderen Stelle heißt es nämlich: „Purpurfarbene Seide war über ihren Körper gesponnen, das Blut (schimmerte) in der Haut ihres Nackens298." Dagegen ist die Sprenkelung des Fells bei Nizämi ohne jede Metapher ausgedrückt: „Eine schwarze Linie war vom Kopf bis zum Schwanz gezogen, vom Schenkel bis zum Huf hatte sie Tupfen auf Tupfen 299 ." Nach allen drei Texten nimmt Bahräm sofort die Verfolgung des Wundertieres auf, das schnell vor ihm flieht. In der Qi§sa und in PB findet sich hier eine wörtliche Übereinstimmung, die wir auf A 's Fassung zurückführen können. Die eilige Flucht des Wildesels wird in der Qissa so beschrieben: fa-gama'a yadaihi ilä riglaihi (16,24). In PB lesen wir an dieser Stelle: cahär dast wa-päy-i h"ad rä gam' karda. Auch darin stimmen alle Fassungen überein, daß Bahräm das Tier nicht einholen kann. Es läßt ihn stets nahe herankommen, um dann aufs neue zu entschwinden: das typische Lockungsmanöver der Märchen300. Erst als der SM

14,7.

14,9. 2 , 8 14,17. 2 9 9 14,8. 300 Ygj j n ( j e n GRiMM'schen Hausmärchen·. Die zwei Brüder, Die Goldkinder, De beiden Künnigeskinner (statt eines Wildesels lockt natürlich ein anderes Wild, meistens ein Hirsch). Im mp. Bahräm Cübin-Roman wird Bahräm auf der Jagd von einem Wildesel, den er verfolgt, zu einem geheimnisvollen Schloß geführt, wo er mit einer schönen Frau, die eine Part (Fee) ist, zusammentrifft. Später weist ihm der Wildesel den Weg zurück. Als Hormazd von dem Ereignis hört, läßt er es vom Obermöbad deuten: Der Wildesel war ein verkleideter Diw, die Frau eine Pari (CHRISTENSEN, Romanen om Bahräm Tschöbin S. 47). 297

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

85

Tag zur Neige geht — in der Qissa wie bei Nizämi 301 mit zawäl beschrieben — ist die Verfolgungsjagd zu Ende. Der Wildesel verschwindet in einer Höhle, vor deren Eingang Bahräm eine riesige Schlange vorfindet. Diese Schlange, die die Qissa hier erwähnt, scheint nicht ganz in die Szene zu passen. Man erwartet an dieser Stelle unwillkürlich einen Drachen. Daß in der Vorlage der Qissa hier auch ein Drachen auftrat, wird dadurch wahrscheinlich, daß sowohl Nizämi als auch PB nur von aSdahä, nicht etwa von mär sprechen. In der Qissa selbst findet sich noch eine Spur dieses anderen Ungeheuers. Die Schlange (af'an) ist schrecklich wie ein Drache (tinniti). Außerdem wird im weiteren Verlauf die Schlange mit den typischen Eigenschaften eines Drachen ausgestattet. Man darf annehmen, daß hinter dieser Abweichung von der Vorlage die Absicht des Herausgebers stand, das Buch als „historische realistische Erzählung" auszugeben. Diesem Bestreben fiel der Drache als allzu offenkundiges Märchenwesen zum Opfer und wurde durch die realere Schlange ersetzt. Allerdings hielt der Herausgeber diese Konzeption nicht streng durch; denn die Schlange übernahm nicht nur die Funktion des Drachen, sondern auch seine Eigenschaften, zu denen das Feuerspeien gehört, und sein Aussehen, das in den drei Texten nicht im Ausdruck, aber im Inhalt übereinstimmend geschildert wird. Besonders wird seine schwarze Farbe hervorgehoben, wobei in der Qissa und bei Nizämi das Pech als Vergleichspunkt herangezogen wird {zift bzw. qir), in PB

Teer (qaträn). Auch das Bild des sich ringelnden und krümmenden

Ungeheuers wurde von A aus den Haft Paikar302 übernommen, wenn man es auch als Topos bezeichnen kann. Die Beschreibung der Augen des Untiers stimmt in der Qissa und PB überein. Sie sind wie zwei feuersprühende Fackeln (maüä'il bzw. Su'la). Dieses Detail fehlt bei Nizämi. Es gehört aber als Topos zur Drachenschilderung der Märchen303. Aus diesem Bereich stammt auch das Feuerspeien der Schlange, von dem die Qissa berichtet. Allerdings wird hier der heiße Speichel mit schwarzem Rauch verglichen, der sich in der ganzen Höhle ausbreitet. Das Bild wirkt ungewöhnlich. In PB wird der Rauch nicht erwähnt. Dort heißt es: „Von seinem Atem verbreitete sich in der Höhle eine Hitze wie Feuer." Bei Nizämi findet sich nach RITTER/RYPKAS Text nichts dergleichen. Doch geben sie im Apparat 304 als Erweiterung des Textes einige zusammenhängende Verse an, die sich in der Handschriftengruppe ρ und in einem Londoner Manuskript305 finden. 14,22: „ V o m Anfang des Tages bis zur Zeit seiner Neige (zawäl) lief der Wildesel dahin, ihm auf den Fersen (dar dumbäl) der Löwe." 302 14 27: „Ein Berg von Pech, sich ringelnd und krümmend . . . (peí peí Suda)." sos vgl. Firdausi 35 b, 455. 304 S. 67. 305 Sie bezeichnen es mit dem Sigel Li = London, British Museum, Add. 25900. 301

86

Kommentar zur Rahmenerzählung

Gleich im ersten dieser Verse haben wir die Quelle des seltsamen Vergleichs aus der Qissa: „Ein Feuer wie schwarzer Rauch, der aus einer Esse aufsteigt 308 ." Da dieser Vers sich in einer weitverbreiteten Handschriftengruppe findet und in orientalischen Ausgaben angeführt wird — so führt ihn ζ. B. ein mir vorliegender neuerer Teheraner Druck an — ist es nicht verwunderlich, daß er in A und später in der Qissa seinen Niederschlag fand. Trotz seines Schreckens flieht Bahräm nicht, sondern wartet am Eingang der Höhle, bis es dunkel wird. Die Qissa und PB stimmen hier in allen Einzelheiten überein, so daß A an dieser Stelle klar greifbar wird. Auch Nizâmï läßt Bahräm zunächst warten, aber von Furcht ist keine Rede307. Allerdings spricht sich Bahräm in dem Vers: „Er sagte: Wenn ich sagen würde: es ist ein Drachen, nicht: eine Ameise, müßte ich mich vor dem Wildesel dieses Fehlers schämen308", selber Mut zu. Es ist ihm also schon bald ein Zusammenhang zwischen dem Wildesel, der ihn an die Höhle geführt hat, und der Schlange bzw. dem Drachen in der Höhle aufgegangen. Nizâmï sagt das ausdrücklich: „Er war sich sicher, daß der unglückliche Wildesel von jenem Drachen Unrecht erütten hatte 309 ." Er erkennt, daß er für das Tier Rache nehmen soll: „Es hatte den König gerufen, damit er Gerechtigkeit walten ließe und an dem Übeltäter Rache nähme310." Beides wird auch in der Qissa und in PB ausgedrückt, auch in der Wortwahl zeigen sie große Ähnlichkeit. Ebenso stimmen die Texte in der Schilderung der Kampfesvorbereitungen Bahräm's überein. Er wählt einen zweizinkigen311 Pfeil und zielt auf die Augen des Ungeheuers. So blendet er es mit einem einzigen Pfeilschuß. Danach folgte A, wie sich aus dem Vergleich von Qissa und PB ergibt, den Haft Paikar nicht mehr so eng wie vorher. Nizâmï läßt nämlich Bahräm im Anschluß an die Blendung des Drachen diesem eine lange Lanze durch die Kehle stoßen. Daraufhin gibt das Ungeheuer ein schreckliches Gebrüll von sich312. A ließ den Lanzenstoß weg und setzte erst bei dem Geschrei, das der Drache hier sofort nach dem Pfeilschuß erhebt, ein. Die Qissa und PB schildern im Anschluß an A die gewaltsamen Bewegungen des Untiers, die den Berg wie bei einem Erdbeben erzittern lassen. Die Qissa läßt ihn noch mit dem Kopf auf den Boden S. dazu WILSON'S Kommentar N. 6669: "The "fire" is that, which comes from the dragon's mouth the "smoke" is it's long black body." 307 14,28 heißt es: er wurde selbst zu einem aidahä = mutigen Mann. 3 0 8 14,33. E r darf vor sich selbst nicht eingestehen, daß er es mit einem schwierigen Gegner zu tun hat. Das wäre schon mit Feigheit gleichzusetzen, so daß er sich vor dem Wildesel, der ihn zu Hilfe gerufen hat, schämen müßte. 30» 14,31. 310 14,32. 311 Nizâmï 14,35: miqräza, döSäh; PB: tir-i dô Su'ba; Qiffa: sahm dû ibratain. 312 14,43. 304

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

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schlagen, was sicher auf Nizämi* s Vers: „Ein gewaltiges Gebrüll stieg von dem Drachen auf, er fiel auf den Kopf (kopfüber) wie die Säule eines Baumes313", zurückzuführen ist. Endgültig macht Bahräm ihm in allen Texten den Garaus, indem er ihm mit dem Schwert den Kopf abschlägt. Die Qissa und PB setzen hinzu, daß sich sein Blut wie ein Strom in die Höhle ergoß, wieder ein Beispiel für den volkstümlichen Erzählungsstil dieser beiden Texte und ihrer Vorlage A. Bahräm schlitzt den Körper des Drachen auf, um zu sehen, ob sich seine Vermutung bestätigt. Er findet nach A (Qissa und PB) zwei Wildeseljunge im Bauch des Drachen bzw. der Schlange, bei Nizämi dagegen nur eines314. In allen Texten schließt sich an die Besiegung des Drachen ein Dankgebet an. Bei Nizämi316 dankt Bahräm für die Rettung vor dem Drachen, während ihn die Qissa und PB Gott preisen lassen — in beiden Texten mit subhäna'Uäh — für den Verstand, den er den Tieren geschenkt habe, so daß ihn der Wildesel als Rächer herbeiholen konnte316. Der Abschluß der Drachenkampfepisode ist in allen drei Texten gleich. Bahräm besteigt sein Pferd, da er zu seinen Begleitern zurückkehren will. Damit endet der erste Teil dieser Erzählung, der eine durchaus selbständige Einheit bildet. Nizämi verbindet ihn jedoch mit einer zweiten Episode, der Entdeckung eines Schatzes in der Höhle. Der Wildesel, der zu Beginn des Drachenkampfes ganz aus dem Blickfeld verschwand, ist das verbindende Glied. Wieder ist seine Funktion auf das Hinlocken Bahräm's zu einer bestimmten Stelle beschränkt. Er taucht plötzlich wieder auf und verschwindet in der Höhle. Bei Nizämi entspricht diese Anknüpfung der eingangs geschilderten Situation, da es dort hieß: „Bis sie (die Wildeselstute) zu einer Höhle, fern von der Steppe, gelangte . . . 317 ." Die Qissa und PB ließen den Wildesel schon damals in der Höhle verschwinden, so daß für sie dieser Übergang nicht paßt. Man kann eben in Texten dieser Art keinen ganz in sich geschlossenen, logischen Hand313 314

a. a. O. 14,46 ¿ S i . j i à o j / ¡ç. J U i jl ; Die von R i t t e r / R y p k a gegebene Vokalisation 1. damai, 2. dumaS, verstößt gegen den Reim. Das 2. Wort des ersten Halbverses muß dumaS, das letzte damai gelesen werden. Auf Seite 2 (Verbesserungen) schlagen sie es selber als „besser" vor. E s ist aber wegen des Reimes eher notwendig.

315

14,48: „ E r beugte seinen Rücken vor Gott (in Dankbarkeit), daß er den Drachen getötet hatte, nicht der Drache ihn."

316

Im Text der Qi?sa muß hier ein Fehler vorhegen. Es heißt 18,21: ^ t ó y ) jJl»I wer-

den oft verwechselt. Der N a m e der fünften, iranischen Prinzessin lautet dagegen einheitlich in allen T e x t e n Dursiti bzw. Dursati 3 5 2 . Auch die beiden letzten Namen, 350

351

352

D. i. „Nektar der Wildrose" {nasrin), nach J U S T I , Namenbuch „süß, lieblich wie die Chinarose", (nasrin ist nach S T E I N G A S S auch der Name einer Insel, die Bernstein lieferte.) Zwar ist büi im Persischen auch vertreten. S T E I N G A S S : a hind of eye-salve brought from Dar-band. Das gibt hier natürlich gar keinen Sinn. Dieser Name gibt mit seiner Etymologie einige Probleme auf. Das Metrum verlangt eine Form Dursiti oder Dursati ( — ^ — ) ; J U S T I erwähnt auch die Formen Duräati, Duräiti. Er führt als Parallele den Namen der berühmten Dichterin zur Zeit des Sultan Sangar, Mahisti oder Mahsitl/Mahsatl an. F. M E I E R beschäftigt sich in: Die schöne Mahsati, S. 44ff. eingehend mit dem Namen dieser Dichterin. E r sieht in ihm eine Zusammensetzung der beiden Elemente mah = Mond und sali = Frau. Bei sali handelt es sich um ein Wort indischen Ursprungs; es bedeutet eigentlich „die züchtige Frau, die nur ihren Gatten liebt und sich bei dessen Tod verbrennen läßt" ( M O N I E R — W I L L I A M S , A Sanscrit-English Dictionary, Oxford 1899, S. 1135: Saii, f. (fem. of sat . . . ) her ladyship, your ladyship, Mahäbhäraia). sati in dieser Bedeutung findet sich im Persischen bereits bei Anwäri (Diwân, ed. S A ' Ï D N A F Ï S Î , Teheran 1347, 454: „Man sagt, sati heiße züchtige Frau . . . "). So besteht kein Grund, in den Matnawi-Veisea des Galäl ad-Dïn (I 2396; I I 702; I I I 1322) sati teilweise durch siti, als Ableitung des arabischen sitti, „meine Frau", was nur im Dialekt belegt ist, zu ersetzen, wie es N I C H O L S O N tut. M E I E R geht dann auf Nizämi's Dursatï ein. Während D A S T G I R D Ï in seiner Teheraner Ausgabe zwar den zweiten Bestandteil des Namens sati, aber als Abschleifung des arabischen sayyidati(\) liest, hält M E I E R auch hier an dem indischen sati fest. Die Bedeutung des Namens wäre also nach ihm „Perlenfrau" (Dur-Bänü; vgl. auch öauhar-Hätün), so wie Mahsati „Mondfrau" (Mah-Bänü, Qamar-Bänü) wäre. Er beweist dann an drei Proben aus der Poesie, daß im Namen Mahsati mah als Mond aufgefaßt wurde, daher sei es nicht möglich, den Namen als substantivierten Superlativ von mahj mih (groß) aufzufassen. Die spätere Auffassung eines Namens braucht jedoch nicht mit seiner Etymologie übereinzustimmen. Bei Dursitï/Dursatï könnte es sich jedenfalls um ein Abstraktsubstantiv des Superlativs von dwar = heil handeln. Der Name Durasti „Unversehrtheit, Echtheit" konnte vom Dichter ohne weiteres dem Metrum als Dursitï/Dursatï angepaßt werden. Dagegen fällt Duruäti bzw. Duräiti/ Duräati als Möglichkeit fort, da die Bedeutung „Rauhheit, Strenge" als Name einer Prinzessin nicht in Frage kommt.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Humäy363, Tochter des Kaisers von Rüm, und Ädaryün364, Tochter des Königs des Westens (Magrib), weisen keine Abweichungen auf. Im folgenden ist es einmal Nizäim, der ausführlicher als die beiden volkstümlichen Texte erzählt. Bei ihm findet sich inmitten der Bilder der Prinzessinnen das Porträt Bahräm's, dessen Schönheit die der anderen überstrahlt. Die Augen der 7 Prinzessinnen sind wie die von Dienerinnen auf Bahräm als ihren Herrn gerichtet365. Seine Herrscherstellung wird also schon durch die Anordnung der Bilder veranschaulicht. Dazu weist eine Inschrift über dem Porträt noch ausführlich darauf hin. PB und die Qissa (22,23) setzen bei der Inschrift wieder ein, ohne von Bahräm's Bildnis zu berichten, mit dem sie, analog zu den anderen Inschriften an den Standbildern der Prinzessinnen, eng verbunden sein müßte. Der Inhalt der Inschrift stimmt in den Texten weitgehend überein. PB hat sich hier etwas kürzer gefaßt, doch sind die beiden Hauptpunkte auch bei ihm vorhanden: 1. Bahräm steht unter einem glücklichen Stern, die Gestirne verheißen ihm Glück und Erfolg. 2. Er wird die 7 Prinzessinnen aus den 7 Klimata366 als Gattinnen heimführen. Während in PB Bahräm die Eroberung der 7 Klimata nicht ausdrücklich verheißen wird, erhält er diese Voraussage in der Qissa. Bei Nizäim ist sie an dieser Stelle nur im Ansatz vorhanden. Bahräm wird hier nämlich gahän-güy genannt367. In PB fehlt ebenfalls das eigenartige Nebeneinander zweier Vorstellungen von der schicksalsbestimmenden Macht. Bei Nizämi sind es in erster Linie die Gestirne, die das Leben des Menschen, hier Bahräm's, bestimmen (hukm-i haft ahtar)368. Doch im letzten 353

354

355

358

357 368

D. i. „von gutem Glück", oder „Phönix, Adler". Humäya kommt schon im Awesta als Frauenname vor; vgl. JUSTI, Namenbuch: Humä = Tochter des Kawi Wistäspa, Schwester des Isfandiyär (yt. 13,139). Im Pahlavi lautet er Humäk (Denkart, WEST, PT IV 220). Er setzt sich aus den Bestandteilen hüb und mäya zusammen, die Grundbedeutung ist also „von gutem Glück". Die Bedeutung „Adler" = glückbringender, königlicher Vogel, ist sekundär. NÖLDEKE, Pers. Stud. S. 30, faßt die Bedeutung des Namens als „mit guter Wissenschaft, heilkundig". Das Wort mäya ist eben vieldeutig. D . i . „Anemone"; ädaryün ist entstanden aus ädargün „feuerfarben" (g wird in dieser Stellung schon im Mp. zu y; vgl. j^Cf > jy?). 15,22f.: „Jene Schönheiten wandten ihm ihre Augen zu, eine jede hatte ihm ihr Herz in Liebe geschenkt. Er stand, süß lächelnd, inmitten dieser Puppen (gleichen), sie alle vor ihm wie Sklavinnen." Auf die 7 Klimata, das Problem ihrer Anordnung und Reihenfolge und ihrer Zuordnung zu den Planeten werde ich später bei der Schilderung des Baues der 7 Paläste eingehen. 15,25. 15,25f.: „So lautet der Beschluß der 7 Gestirne: Dieser nach Welteroberung Trachtende wird, wenn er sein Haupt hebt, 7 Königstöchter aus den 7 Klimata wie eine kostbare Perle umfangen."

Die Kindheit und Jugend Bahrain's

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Vers der Inschrift erscheint bei Nizämi Gott als die ausschlaggebende Macht, während die Gestirne das Geschick nur anzeigen: „Wir (d. h. die Sterndeuter) haben dieses Korn nicht aus uns selbst gesät: was das Gestirn anzeigte, das haben wir niedergeschrieben. Es sagte: Möge er von der Art der Weisheit sein. Das Sagen kommt von uns, das Tun von Gott 368 ." Hier ist also schon eine Synthese der beiden Vorstellungen versucht. In der Qissa tritt der Gegensatz und seine Überbrückung nicht so deutlich hervor. Es ist fraglos Gott, der Bahräm's Glücksgeschick bestimmt hat. Die Sterndeuter und Bahräm's glücklicher Stern werden zwar auch erwähnt, es wird aber nichts von einer bestimmenden Kraft des Gestirns gesagt. Seine Funktion im Ablauf des Geschicks wird nicht ausdrücklich erklärt. Das für die Vorstellungswelt der Qissa Naheliegendste ist, daß es den Kundigen Gottes Bestimmungen anzeigt360, wie wir es in Nizämi's Synthese gesehen haben. So wendet sich Bahräm in der Qissa und in PB, also nach A, in einem Dankgebet an Gott, als er die Inschrift gelesen hat. Dagegen ist Bahräm's Reaktion auf den Inhalt der Inschrift bei Nizämi kennzeichnend für dessen Konzeption: „Als der König Bahräm diese Geschichte gelesen hatte, stand er voll Staunen über die Zauberformel des Himmels (fusün-i falak)su." In allen drei Texten entfachen die Bilder der 7 Prinzessinnen in dem jungen Prinzen eine heftige Liebe. Doch dann kommt die Ernüchterung durch die Einsicht, wie weit er von der Erreichung des Ziels entfernt ist. Dieser Punkt, der bei Nizämi nur im Ansatz vorhanden ist in dem Vers: „Obgleich jener (Zukunfts-)Entwurf ihm den Weg versperrte, (so stieg doch seine Freude hundertfach)362", wird in den beiden Volkstexten besonders betont. Die Schilderung der Melancholie Bahräm's, seines Weinens und Seufzens, bis er (in der Qissa) ohnmächtig zu Boden sinkt, ist sicher auf A zurückzuführen. Man kann sie geradezu als Topos der orientalischen Volksliteratur bezeichnen, genauer gesagt, der arabischen. M. GERHARDT weist darauf hin, daß es in 1001 Nacht ein Charakteristikum der Liebesgeschichten arabischen Ursprungs, besonders der Baghdader Schicht, ist, daß der verliebte Held seelische Leiden durchstehen muß, die diese Symptome hervorrufen. „These sufferings cannot be taken seriously enough: They cause tears, fainting-fits, illness and prostration, and culminate in madness and 359 360

3M 382

15,27 f. Zu der Problematik s. B A U S A N I , Le sette principesse S. 12. Daß Gott die bestimmende Macht ist, ohne deren Beschluß nichts geschieht, ist für einen Muslim selbstverständlich. Die Qifsa betont wenig später, daß auch die Fähigkeiten einiger Menschen, die Zukunft zu erforschen, ausschließlich Gottes Werk ist. 15,29. 15,33. 7

Pantke, Roman

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Kommentar zur Rahmenerzählung

death363." Dagegen entspricht Bahrain's weiteres Verhalten dem der Helden in iranischen Liebesgeschichten, in denen der Hauptakzent auf der Tatkraft und dem Eifer des Helden liegt, die Erfüllung des vom Schicksal Bestimmten zu erreichen384. So "wird berichtet, daß Bahräm wieder Mut faßt und alles daransetzen will, die ihm verheißenen Prinzessinnen zu gewinnen. Dieses Moment hat A direkt von Nizämi übernommen, bei dem es heißt: „Obgleich jener (Zukunfts-)Entwurf ihm den Weg versperrte, so stieg doch seine Freude hundertfach durch das, was seinem Leben Festigkeit und ihm hoffnungsfrohe Zuversicht für seinen Wunsch gab 366 ." Nachdem Bahräm den Raum wieder verlassen hat, schließt er die Tür ab und behält den Schlüssel von nun an bei sich. Hier stimmen die Qissa und PB Wort für Wort überein, so daß der Text der Vorlage sehr genau ans Licht tritt. Dagegen schildert Nizämi Bahrain's absolute Besitzergreifung von dem Raum und seinen Bildern viel eindringlicher: „Als der König den Raum verlassen hatte, verschloß er ihn und gab den Schlüssel der Wache. Er sagte: Sollte ich hören, daß jemand das Schloß auch nur einen Augenblick von der Tür löst, werde ich noch in diesem Raum sein Blut vergießen und ihm den Kopf vom Nacken schlagen386." Der Raum mit den Bildnissen der Mädchen vertritt gleichsam den Harem des Königs, deshalb die strenge Strafandrohung. So zieht sich Bahräm in der Folgezeit öfter dorthin zurück, um den Bildern einen Besuch abzustatten; die Qissa und PB lassen ihn sogar zu den Standbildern sprechen ; denn nach den Worten der Qissa ist Bahräm „trunken vom Wein ihrer Schönheit"367. Am Schluß der Episode stellt die Qissa noch einmal die beiden Grundpfeiler in Bahräm's Leben, Jagd und Vergnügen, heraus. Einen Teil des Tages verbringt der Prinz auf der Jagd, der Rest des Tages geht mit Trinkgelagen hin, abends begibt er sich zu den Bildern der 7 Prinzessinnen. Damit ist der Bericht über Bahräm's Jugendabenteuer in al-Hira, die um diese beiden Begriffe kreisen, völlig in sich abgerundet. Dieser geschlossene 363

In The Art of Story-Telling S. 128. M. GERHARDT macht auf die altarabischen Wurzeln dieser Konzeption aufmerksam (S. 126).

384

S . M . GERHARDT a . a. O., S . 1 2 3 .

365

15,33f. 15,36f. Der Ausdruck der Trunkenheit kann auf Nizämi zurückgeführt werden, bei dem es 15,40 heißt: „Von Zeit zu Zeit, wenn der König betrunken war (mast), ging er zu jenerTür, den Schlüssel in der Hand." Dabei braucht mast nicht als „betrunken" verstanden zu werden. WILSON, S. 57 übersetzt es mit ,.overcome by love". STEINGASS gibt als Bedeutungen neben drunk, intoxicated auch libidinous, lustful, wanton an. Trunkenheit von der Liebe ist in der persischen Dichtung eine geläufige Metapher. Daß sie, nur geringfügig verändert, an der gleichen Stelle in der Qis§a auftritt, ist sicher kein Zufall.

368 367

Die Kindheit und Jugend Bahräm's

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Aufbau ist über A auf Nizämi zurückzuführen. Zwar findet sich im Text von R I T T E R / R Y P K A an dieser Stelle kein Anhaltspunkt dafür, doch die Handschriftengruppe ρ und die Handschrift Li fügen als Abschluß den Vers an: „Während er draußen war, ging sein Streben nur nach der Jagd; wenn er zurückkam war es jener Raum, der seine Melancholie vertrieb 368 ." Stoffgeschichtlich gilt für diese Episode das gleiche wie für die voraufgehende, mit der sie die märchenhafte Atmosphäre teilt: sie kann nicht über Nizämi hinaus verfolgt werden. Während man jedoch bei jener vermuten konnte, daß Nizämi sie nach einem Vorbild, wie immer es auch ausgesehen haben mag, gestaltet hat, scheint mir diese Episode von ihrem Inhalt her ganz Nizämi's Invention zu entstammen. Sie nimmt im Aufbau der Haft Paikar eine dominierende Stellung ein; denn sie ist die Schlüsselszene für die weitere Rahmenhandlung, in deren Verlauf Bahräm schließlich die Hand der 7 Prinzessinnen gewinnt, deren Erzählungen den Hauptteil der Haft Paikar ausmachen. Wenn man auch Nizämi als den Schöpfer dieser Episode bezeichnen kann, so besagt das nicht, daß er nicht Anregungen und Motive aus verschiedenen Quellen aufgenommen und seiner Konzeption gemäß verarbeitet hat. Zu den Anregungen aus der Biographie Bahräm's, also aus üterarischen Quellen, kann man in diesem Fall die Nachricht bei Firdausi369, in der Nihäya und bei at-Ta'älibi370 rechnen, daß Bahräm bereits in jungen Jahren al-Mundir bat, ihm mehrere Frauen zu beschaffen. So fallen Bahräm's erste Erlebnisse mit Frauen nach jenen Quellen in die gleiche Zeit wie bei Nizämi. In diesem Zusammenhang könnte auch eine andere Anekdote eine Rolle gespielt haben, die zum erstenmal im Kitäb at-täg erzählt wird371. Danach wurde Bahräm einmal als dreizehnjähriger Junge an einem verbotenen Ort, nämlich im Harem seines Vaters, entdeckt. Obwohl die Pointe der Erzählung auf etwas anderes hinausläuft 372 , kann aus ihr neben Bahräm's frühem Interesse an den Frauen auch noch ein anderer Zug als Anregung auf Nizämi gewirkt haben: sein Eindringen in einen verbotenen, nicht offenstehenden Raum. Allerdings kann gerade der Teil der Szene auch von einem bekannten Märchenmotiv angeregt 368

Der Vers findet sich auch, jedoch an der entscheidenden Stelle verändert, in dem Steindruck der Hamsa, Bombay 1265. Er lautet dort: „Eine Zeitlang war dies seine Gepflogenheit. Das Betrachten jenes Raumes war es, was seine Melancholie vertrieb." 369 S. oben A. 335. 3 '° S. oben A. 336. 371 S. 125 § lOöf. Später berichtet al-Gazâlï in Nasihat al-mulük S. 87f. dieselbe Anekdote; Gâmï nahm sie in den Bahäristän auf (S. 32). 3,2 Die Pointe liegt in der unerschrockenen Haltung des Türhüters des Harems, der sich nicht scheut, dem Prinzen mit Prügel zu drohen, falls er den Versuch wiederholen sollte. Dafür wird er von Yazdgerd gelobt. 7»

100

Kommentar zur Rahmenerzählung

worden sein. In einer Reihe von Volksmärchen spielt das Öffnen einer verriegelten Tür, die der Held auf seinem Rundgang entdeckt, eine große Rolle. Fast immer muß er jedoch teuer für seine Neugier bezahlen, da das Geheimnis dieses Raums nicht für seine Augen bestimmt war373. Hier hätte also Nizämi nur einen Teil des Motivs, der gerade in seine Konzeption paßte, übernommen. Ganz eindeutig dagegen ist ein anderes, tragendes Motiv dem Märchen entnommen: der Held (Bahräm) entbrennt in Liebe, nachdem er das Bildnis einer (hier mehrerer) Frau(en) gesehen hat. Die Liebe stellt sich also ein, ohne daß der Held die Gehebte kennt. M. GERHARDT sieht im Rahmen von 1001 Nacht in diesem Motiv das sichere Kriterium für den persischen Ursprung einer Liebesgeschichte: „All the love-stories that are of Persian provenance sum up the love-theme in the peculiar motif of the unknown beloved?1*." Entweder hört der Held durch andere von der Existenz des Mädchens375, in das er sich dann prompt verliebt, oder er sieht, mehr oder minder durch Zufall, ihr Bildnis376. Dieser persischen Konzeption der Liebesgeschichte hegt die Auffassung zugrunde, daß die Liebenden vom Schicksal für einander bestimmt sind. Nizämi hebt diesen Grundzug also nur ans Licht, wenn die Sterndeuter in der Inschrift die künftige Heirat Bahräm's und der 7 Prinzessinnen als Beschluß der Gestirne bzw. Gottes verkünden.

2. Der Thronstreit (Inhaltsangabe S. 14—17) Nach den Worten der Qissa verläuft Bahräm's Leben in al-Hira in diesen Bahnen — tagsüber Jagd, abends Besuch bei den Standbildern der sieben Prinzessinnen — bis er 15 Jahre ist. Die Altersangabe bildet hier die Verklammerung zweier wichtiger Abschnitte im Leben Bahräm's: seiner Jugendabenteuer am Hofe al-Mundir's und des Kampfes um die Herr373 YGI J N den Kinder- und Hausmärchen·. Der treue Johannes. Marienkind. Zu diesem auch in 1001 Nacht vertretenen Motiv s. auch W . F . KIRBY, The forbidden doors of the 1001 Nights, in: Folklore Journal, 5 (1887), S. 112—124. 374

S. 1 2 2 .

375

In 1001 Nacht: Ardaäir und H a y ä t an-Nufüs (II 215ff.), Tag al-Mulük und Dunyä (I 228), Badr Bäsim (II 242). Das Motiv kommt in dieser Form auch in der Qif?at Fairüz-Säh vor: Däräb verliebt sich in die Prinzessin Timurtäg ( ?), nachdem der Wezir ihm ihre Vorzüge geschildert hat (I 10).

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In 1001 Nacht: Saif al-Mulük (II 263). Das Motiv findet sich auch im Sindbäd-näma (Die 7 Wezire), in der Geschichte vom Goldschmied und der Sängerin aus Kaämir (s. CHAUVIN V I I I 46, GERHARDT S. 122). E s spielt in den Haft Paikar in der Geschichte der slawischen Prinzessin („Turandot") eine große Rolle (35,66 ff.). Das Motiv findet sich auch in europäischen Märchen, vgl. in den Kinder- und Hausmärchen: Der treue Johannes.

Der Thronstreit

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schaft, der mit der Thronbesteigung endet. Auch PB nennt an dieser Stelle die Zahl 15, jedoch mit einem Unterschied: Während diese Altersangabe in der Qissa klar den Endpunkt der unbeschwerten Jugend des Prinzen in al-Hïra bezeichnet, die Entdeckung der sieben Standbilder also vor diesen Zeitpunkt fällt, ist die Angabe in PB nicht eindeutig, da sich der Satz: ,,. . . und in jener Zeit waren 15 Jahre seines Lebens vergangen" 1 auf die ganze voraufgehende Episode der Entdeckung der Standbilder beziehen kann. Zweifellos hat sich diese Altersangabe in der gemeinsamen Vorlage der beiden Volkstexte, A, gefunden. Dagegen ist sie bei Nizämi nicht vorhanden. Vermutlich hat A die Zeitangabe ähnlich unbestimmt gesetzt wie PB. Die Qissa engte sie dann in ihrer Weise auf den Endpunkt der Episode ein. Damit hat sie, historisch gesehen, aber auch von der inneren Chronologie des Buches her, einen Mißgriff getan ; denn das würde bedeuten, daß Bahräm mit 15 Jahren den Kampf um den Thron führte, und, da dieser weder nach den Historikern noch nach der Qissa selbst, sehr lange dauerte, mit etwa 15 Jahren den Thron bestiegen haben müßte. Das trifft weder die historische Wirklichkeit, noch folgt die Qissa selbst diesem Zeitschema. Zwar argumentieren die Gegner Bahräm's in der Qissa mit dessen niedrigem Alter, 15 Jahren 2 , doch findet sich bei der Thronbesteigung und der Thronrede Bahräm's plötzlich die Altersangabe 18 Jahre 8 . Es ist also anzunehmen, daß die Zahl 15 in der Vorlage A als Zeitpunkt für die Entdeckung der Standbilder gemeint war. Bahräm's Ungewißheit über das Geschick seines Vaters und seine Sorge um ihn dient den beiden Volkstexten, die hierin sicher A folgen, als Ausgangspunkt für die Botenepisode. Diese findet sich nicht bei Nizämi. Dort fehlt sogar jeder Hinweis darauf, daß Bahräm sich um eine Verbindung mit seinem Vater bemühte. Ganz im Gegenteil heißt es sogar: „Wegen jener Fürsorge, die ihm auf der Reise ( = in der Fremde) geschah, kam ihm keine Erinnerung an das Reich seines Vaters 4 ." Allerdings hören wir bei Nizämi, daß die Verbindung zwischen Vater und Sohn zu Anfang nicht ganz abgebrochen ist; denn al-Mundir unterrichtet Yazdgerd laufend über die Fortschritte und Heldentaten seines Sohnes, die dem König jedoch Angst statt Freude bereiten, da er den künftigen Rivalen fürchtet. Deshalb läßt er ihn weiterhin in der Fremde8. Nizämi's Darstellung ist hier wohl kaum 1

2

3 1 5

S. 10,18. Mit dem voraufgehenden Satz lautet das Zitat: „In diesem Zustand verbrachte Bahräm so seine Zeit, und damals waren 15 Jahre seines Lebens vergangen." S. 27,13. Vorher weist auch al-Mundir Bahräm auf sein jugendliches Alter von 15 Jahren hin (S. 26,16). S. 36,4. 16,15. 16,1—8.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

von den Historikern beeinflußt; denn in einem Bericht, der sich bei vielen der Historiker® und auch bei Firdausi7 findet, wahrscheinlich also auf das Huatäi-nämak zurückzuführen ist, wird von einem Besuch des jungen Bahräm am Hofe seines Vaters erzählt. Der Prinz hat Verlangen danach, seinen Vater endlich wiederzusehen8. Hierin zeigt sich eine gewisse Übereinstimmung mit den beiden Volkstexten, die jedoch zufällig sein dürfte, da die Szene bei den Historikern zu Lebzeiten Yazdgerd's spielt und auf etwas ganz anderes hinausläuft. Bahräm erfährt nämlich am eigenen Leibe die Härte seines Vaters. Der König behandelt seinen Sohn wie einen Diener®, nach einigen muß Bahräm sogar eine Zeit im Gefängnis verbringen, woraus ihn erst die Fürsprache eines ausländischen Gesandten befreit10. Bahräm ist heilfroh, als er endlich an den Hof al-Mundir's zurückkehren darf11. « So bei Tabarï 1,857 (II 71), Nihäya fol. 125a, at-Ta'âlibï S. 544ff. (sein Bericht wurde von 'Auf! in die Gawämi' aufgenommen; vgl. Introduction, S. 148 Nr. 173), Ibn Haldün I I 550, B a r a m i S. H ö f . , Färs-näma S. 75. 7 34,229—287 (Wie Bahräm mit Nu'män zu seinem Vater Yazdgerd kam). 8 So Firdausi 34,230f. „Der Löwe Bahräm sagte zu Mundir: Wie lange ich auch bei dir weile, so erregt mich doch gleichermaßen das Verlangen nach meinem Vater." Nach anderen ist es eher der Wunsch, sich noch zu Lebzeiten des Vaters die Thronfolge zu sichern (Bal'ami). Vgl. auch at-Ta'âlibï, wo Bahräm die Bekanntschaft mit den Männern des Hofes sucht. In einigen der Berichte ist es dagegen al-Mundir, der den Besuch Bahräm's bei seinem Vater veranlaßt, da er ihm die Vorzüge seines Schutzbefohlenen vor Augen führen will (Ibn Haldün, Färs-näma). 9 Tabarï a. a. O. ; ausführlicher Nihäya a. a. O. und at-Ta'âlibï a. a. O. Bahräm erfährt keinerlei Freundlichkeit von Seiten seines Vaters ; er wird sogar gedemütigt, indem der König ihm seinen Platz zwischen den Sklaven und dem Gefolge anweist, wenn er bei der Audienz des Königs zugegen sein muß. Vgl. auch Färs-näma a. a. O. 10 at-Ta'âlibï S. 546: Bahräm schläft bei einer Audienz vor Erschöpfung ein. Das ist der Grund f ü r seine Gefangennahme; vgl. Firdausi 34,288—316. In der Nihäya ist seine Bestrafung nicht ganz so hart. Yazdgerd verbietet ihm lediglich, vor seinem Angesicht zu erscheinen. Nur an hohen Festen wird er zugelassen. Sein Befreier ist der Bruder des byzantinischen Kaisers, der wegen Waffenstillstandsverhandlungen an den Hof Yazdgerd's kommt. E r legt Fürsprache beim König ein, und Bahräm erhält die Erlaubnis, an den Hof al-Mundir's zurückzukehren. 11 So bei at-Ta'âlibï a. a. O.: Durch die Freude beflügelt eilt Bahräm nach alHira zurück. Vgl. Firdausi 34,307. N Ö L D E K E , G.d.S. S. 90, A. 2 weist darauf hin, daß die schlechte Behandlung, die Bahräm von seinem Vater erfährt, kaum zur Freude bei seiner Geburt paßt, daß aber die Mißhelligkeit zwischen Yazdgerd und Bahräm historisch sein muß. N Ö L D E K E kommt daher zu der Vermutung, daß der Aufenthalt Bahräm's in al-Hira eine Verbannung war. Das schließt m. E. jedoch nicht aus, daßBahräm sich bereits als Kind dort aufhielt und erst bei seinem Besuch mit dem Vater in Streit geriet, wie es die Quellen schildern. — Bei C A U S S I N D E P E R C E V A L I I 55ff. findet sich die Angabe, Yazdgerd selbst habe Bahräm von al-Hira an seinen Hof gerufen (nach D ' O H S S O N , Tabi. hist, de l'Orient I I 2 2 5 ) . Die

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Der Thronstreit

Festzuhalten ist die Ubereinstimmung aller Texte — der Historiker 12 , Nizämi's und der beiden Volkstexte — in dem Punkt, daß Bahräm in al-Hira war, als ihn die Nachricht vom Tode seines Vaters erreichte. Im Detail ergeben sich jedoch große Verschiedenheiten. In der Qissa und in PB, also in A, hört Bahräm durch einen Boten davon, nachdem schon 5 Jahre darüber vergangen sind. Die Zahl 5 ist willkürlich gewählt, sie läßt sich weder auf die innere Chronologie des Erzählungsablaufs noch auf eine Nachricht in den anderen Texten zurückführen. Die lange Zeitspanne des Interregnums und der Herrschaft des Usurpators Husrau soll einfach durch diese Zahl fest umrissen werden ; die Tendenz, alle Zeiträume zahlenmäßig genau zu bemessen, kann man als typisch für diesen Stil ansehen 13 . Bei Nizämi und in den anderen Texten findet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß Bahräm erst nach so langer Zeit vom Tode seines Vaters gehört h ä t t e ; bei Tabari heißt es sogar ausdrücklich, daß Bahräm sofort nach der Krönung Husrau's vom Tode seines Vaters und von den übrigen Ereignissen erfuhr 1 4 . Der Botenbericht, durch den Bahräm von der Lage in seiner Heimat erfährt, ist nur in der Qissa und in PB vorhanden. Er muß sicher auf ihre gemeinsame Vorlage A zurückgeführt werden. In ihrer Wiedergabe des Berichtes der Vorlage A stimmen die beiden Volkstexte an einigen Stellen wörtlich überein 15 . Sonst weichen sie zwar in einigen Einzelheiten voneinander ab 16 , doch ist der Aufbau des Berichtes in seinen verschiedenen Phasen beiden gemeinsam. Da A den Botenbericht nicht bei Nizämi vorgefunden hat, kann seine Einfügung nur dem volkstümlichen Stil A 's zugeschrieben werden. Doch findet sich in den Haft Paikar ein Vers, der dem Verfasser von A als „Aufhängepunkt" für die Botenepisode dienen konnte. Die Iranier beschließen nämlich, den Tod Yazdgerd's vor Bahräm geheimzuhalten. Quellen dafür werden jedoch nicht genannt. Ebenso fehlen Quellenangaben für die Nachricht, Yazdgerd habe Bahräm selbst auf den Rat der Weissager hin, die Unheil für Yazdgerd voraussagten, nach al-Hira zurückgeschickt. Vielleicht ist letzteres eine Kontamination der Kindheitsgeschichte und des Berichtes vom Besuch Bahräm's bei seinem Vater. 12

13

11 15

16

Natürlich nur der Historiker, die überhaupt vom Aufenthalt Bahräm's in al-Hïra berichten. S. S. 34. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Qiç$a S. 25,24.

1,858 (II 71)

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So heißt es in beiden Texten : ,, . . . ich versteckte mich in einem Winkel . . . ; . . . ich klopfte an die Tür . . . ; . . . sie (bzw. er) seufzte(n) und sagte(n): O unser Verwandter (o mein Bruder) . . . ." Der Iranier, der den Boten vor dem Betreten der Stadt warnt, ist in PB ein Kuhhirt, kein Bauer. Während in der Qissa nur der Tod Yazdgerd's erwähnt wird, erzählt PB von seiner schweren Krankheit. Yazdgerd selbst wollte Bahräm holen lassen, um ihm die Krone zu übergeben.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

„Ein jeder sagte: Wir wollen ihn (Bahräm) nicht in Betracht ziehen und ihm vom Tode seines Vaters keine Nachricht geben" (16,23). Nizâmî selbst führt das Angedeutete nicht weiter aus und gibt später keine Erklärung dafür, wieso Bahräm recht bald die Nachricht hört. Die beiden Volkstexte nehmen dagegen den Faden auf und spinnen ihn weiter. Der Botenbericht stellt eine kleine Rahmenerzählung innerhalb des großen Rahmens der Lebensgeschichte Bahräm's dar. Diese Technik der ineinandergefügten Rahmenerzählungen ist ein beliebtes stilistisches Mittel der orientalischen Volksliteratur17. Besonders gern werden Berichte in diese Form gekleidet, worauf M. GERHARDT hinweist: " . . . three structural proceedings can he distinguished throughout the book (1001 Nacht). A character in a story may assume the function of a witness, relating adventures or respecting accounts of others and thus lending them an apparent guarantee of authenticity . . ,"18. Inhaltlich folgt der Botenbericht in den großen Zügen der Darstellung Nizämi's, die wiederum die Berichte der Historiker und Firdausï's reflektiert. Während jedoch die Schilderung des seltsamen Todes König Yazdgerd's bei den meisten Historikern19 und im Säh-näma20 einen breiten Raum einnimmt, spielt Nizämi nicht einmal auf diese Überlieferung an. So fehlt auch in der Qissa und in PB, deren gemeinsame Vorlage A auf Nizâmî zurückgeht, jeder Hinweis auf den gewaltsamen Tod Yazdgerd's. Während in der Qissa und bei Nizämi die Umstände seines Todes ganz im Dunkeln bleiben, heißt es in PB, Yazdgerd sei krank geworden und (an dieser Krankheit) gestorben. Diese Darstellung steht in krassem Widerspruch zu den alten Quellen; denn, wie die Historiker und Firdausi übereinstimmend berichten, und wie es auch schon im H"atäi-nämak gestanden haben muß, wurde Yazdgerd beim Versuch, ein wildes Pferd zu satteln, durch einen Hufschlag getötet21. 17

18 19

20 21

Sie findet sich in 1001 Nacht, ζ. B. in der Erzählung vom Kaufmann und dem 'Ifrit und auch sonst häufig. In der Qissa findet sie sich ζ. B. in der Erzählung vom Tode Sinimmär's (S. 53). In: The Art of Story-Telling S. 383. Ibn Qutaiba, Maärif S. 660, Kitäb at-täg S. 163f. § 135f., Tabari 1,849 (II 64f.), Eutychios I 176, Nihâya fol. 125b, at-Ta'älibi S. 548f., Barami S. llOf., Gardîzî S. 26, Mugrnal S. 68f. 34,317—374. Während eines Aufenthaltes in Gurgän bzw. in Tüs, wo Yazdgerd nach Firdausi und Mugmal eine Krankheit durch das Trinken eines bestimmten Quellwassers heilen wollte, zeigte sich ihm ein prächtiges Pferd. Da niemand wußte, woher es kam und wem es gehörte, wollte es der König einfangen lassen; doch das gelang niemandem aus seinem Gefolge. Als der König es selbst versuchte, wehrte sich das Pferd zunächst nicht, aber dann schlug es plötzlich aus und traf Yazdgerd, der gerade hinter ihm stand, tödlich. Darauf verschwand das Pferd spurlos, wie es gekommen war. Die Iranier, die sich endlich von ihrem verhaßten Herrscher

Der Thronstreit

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Der Personenkreis, der sich nach dem Tode Yazdgerd's verschwört, B a h r ä m von der Thronfolge auszuschließen, ist in der Qissa also nach A, übereinstimmend mit wuzara

wa-wukala

und in

PB22,

beschrieben, wäh-

rend sich die Großen und Vornehmen des Reiches zunächst für Bahräm entscheiden. Bei Nizämi dagegen hören wir schon zu Anfang von einer einheitlichen Front gegen einen Thronfolger aus der Familie Yazdgerd's: befreit sahen, glaubten, das Pferd sei vom Himmel geschickt worden, um Yazdgerd zu bestrafen. N Ö L D E K E , G.d.S. S . 77 f., Α . 1 vermutet mit Recht, daß in dieser Erzählung, die besonders bei Firdausi sehr mythisch klingt (das Pferd taucht aus einem See bzw. einer Quelle auf und verschwindet auch wieder darin) eine absichtliche Erdichtung vorliegt, um Yazdgerd's Ermordung zu vertuschen. Die Erleichterung, die die Iranier auf die Nachricht von seinem Tode hin bekunden, zeigt, wie wenig Rückhalt er unter ihnen hatte. Auch die Stelle bei Eutychios I 176, I f· deutet auf die N Ö L D E K E verweist, i_ll ¿JJí . j ¡ j ¿ I ¡ darauf hin, daß der Gedanke an eine Ermordung Yazdgerd's zumindest nahelag. Zur Lokalisierung dieses Geschehens am See bzw. an der Quelle bei Tüs (nach Firdausi) wären zwei interessante Stellen im BundahiSn heranzuziehen, auf die mich Dr. Monchi-Zadeh hingewiesen hat. BundahiSn S. 92,4—6: var i Sövar 'pat Apar-Sahr'büm 'pat 'sar i köf i Tüs = der See des Sövar im Lande Abaräahr (Nisäpür) am Gipfel des Berges von Tüs. 79,10—11: Köf i Kundarv-asp 'pat Tüs-Sahr' (var i) 'kêS var Sövar 'pat 'sar = Der Berg von Kundarv-asp im Gebiet von Tüs, an dem der See Sövar am Gipfel (liegt), var im Mp. hat dieselbe Bedeutung wie Firdausi's Saima (34,324 und 34,335: IaSma-i Sö (Sau; reimt auf rau). Firdausi hat also wahrscheinlich den Namen Sövar als „See, Quelle Sö" aufgefaßt. In Nuzhat al-qulüb S. 148f. spricht Hamdalläh Mustaufi von einem „grünen" See (iaSma-i sabz), der 5 Parasangen von Nlääpür entfernt auf einem Hügel gelegen ist. Er führt dazu die Behauptung der Perser an, abends stiegen aus diesem See Wasserkamele, Wasserkühe und Wassermenschen. S. 241 lokalisiert Mustaufi den Tod Yazdgerd's eben an dieser iaSma-i sabz. Firdausi 34,363 nennt den See bzw. die Quelle, wo das geheimnisvolle Pferd auftaucht und verschwindet, ίaSma-i lägward. Das braucht nicht nur eine poetische Bezeichnung zu sein, sondern kann auf die richtige Benennung £aSma-i sabz hinweisen (der Wechsel zwischen blau und grün ist eine häufige Erscheinung). Wahrscheinlich kannte also Firdausi die Lokalisierung des Todes Yazdgerd's an der iaSma-i sabz. sabz wird dialektisch zu söz. Ein Wechsel zwischen söz und sö ist leicht vorstellbar. Ob der See Sövar aus dem mp. Text mit der iaSma-i sabz der späteren Zeit identisch ist, läßt sich nicht ganz sicher sagen, doch ist es nach den geographischen Angaben wahrscheinlich. Sonst muß man annehmen, daß Firdausi die verschiedenen Nachrichten und Bezeichnungen kombiniert hat. Der See kann nach den geographischen Angaben leicht lokalisiert werden. Im vorigen Jahrhundert existierte er noch. Y A T E S. 3 5 3 schreibt über seinen Ausflug zur ίaSma-i sabz auf einem Berg bei Nisäpür: „From Gulmahän I made an expedition 13 miles up to the valley to Cheshma-i-Sàbz, a small lake up in the mountains at a height of about 7700 feet . . . The guide told us that the lake was formerly much larger and pointed to a ledge as a former shore. It was fed apparently by a number of springs." 22

Qis?a S. 25,4f.. PB S. l l . l ö f .

106

Kommentar zur Rahmenerzählung

„Als der hohe Thron des Königs frei geworden war, kamen die Stadt und die Truppen zusammen: Sie würden niemanden aus seinem Geschlecht zulassen; der Schlange und dem Drachen würden sie nicht dienen 23 ." Der Ausdruck „die Stadt und die Truppen" bedeutet „die Zivilisten und das Militär" 24 . Daß damit die Gesamtheit der Iranier gemeint ist, geht aus einem später folgenden Vers hervor: „Niemand wünschte, daß er den Thron bestiege . . , 26 ." Die allgemeine Ablehnung der Thronfolge Bahräm's wird von Tabarï ausdrücklich hervorgehoben 26 . Im Färs-näma heißt es, ähnlich wie bei Nizämi, daß sich Volk und Militär gegen Bahräm stellten 2 '. Dagegen sind es bei anderen 28 nur die Großen und Edlen der Iranier, bzw. ihre hohen Würdenträger und die Edlen 29 , die Bahräm ablehnen und schließlich einen Mann aus ihrer Mitte zum König machen. Das entspricht wohl den tatsächlichen Verhältnissen. Die Großen des Reiches, besonders aus dem Priesterstand, hatten zu jener Zeit soviel Macht und Einfluß gewonnen, daß sie auch über die Thronfolge entschieden. CHRISTENSEN nennt das Sasanidenreich zu dieser Zeit eine ,,monarchie élective dans la famille des Sassanides". Nach ihm hatten die höchsten Repräsentanten der Stände der Priester, der Krieger und der Sekretäre das Recht, den König zu wählen. Waren sie uneinig, so entschied allein der Obermöbad 30 . Da CHRISTENSEN kein anderes Beispiel als den Thronstreit nach dem Tode Yazdgerd's und keine weiteren Quellen nennt, scheint mir seine Theorie etwas unsicher. Hätten die Großen des Reiches die Wahl des Königs nur als ihr selbstverständliches Recht ausgeübt, wäre der Zorn Bahräm's und seine Argumentation in dieser Auseinandersetzung nicht berechtigt. Auch verweisen die Großen im Thronstreit niemals darauf, daß ihnen das Recht der Königswahl verbürgt sei. Außerdem ist mir ein solches Vorgehen der Großen auch bei den nachfolgenden Sasaniden nicht bekannt. 23 24

25 26

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16,19f. Commentary S . 8 5 , Ν . 7 1 4 : ,,The city as opposed to the troops means the civilians." 16,26. 1,858 (II 71): ,,So kamen sie (die Großen und Edlen) und auch das Volk überein, Bahräm vom Thron auszuschließen" (nach N Ö L D E K E , G.d.S. S . 91). Bei Bal'amï S. 116 sind es allgemein „die Männer Irans". Unter dem „Volk" hat man nach N Ö L D E K E wohl nicht die untersten Schichten zu verstehen, sondern die Soldaten und Besitzenden, die nicht zum hohen Adels- und Beamtenstand gehörten {G.d.S. S. 91 A. 5). S. 75 lalkar o ra'iyat. So bei Dinawarî S. 56f., der sogar die Namen der Anführer nennt; vgl. Eutychios I 176, Mirh u änd I 760. Nihäya fol. 125b, Firdausi 34,375ff. L'Iran S. 263. S. WILSON'S

Der Thronstreit

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Es ist zu beachten, daß die Ablehnung der Iranier in erster Linie der gesamten Nachkommenschaft des verhaßten Königs gilt, erst in zweiter Linie Bahräm persönlich. Diese Unterscheidung ist in der Qissa nur in Ansätzen vorhanden 31 . Bahräm's übergroße Jagdleidenschaft wird zwar nicht ausdrücklich als Grund für seinen Ausschluß von der Thronfolge genannt; sie dient den Weziren nur als Vorwand, dem Volk seine Abwesenheit zu erklären. Der Vorwurf gegen Bahräm, der darin liegt, ist jedoch unüberhörbar. Er klingt bei Nizämi etwas später im Brief Husrau's an Bahräm an 32 . Der ursprüngliche Platz dieses Vorwurfs ist indessen nicht an dieser Stelle der Lebensgeschichte Bahräm's; vielmehr gehört er erst in die Regierungszeit Bahräm's 33 . So findet er sich weder bei den Historikern noch bei Firdausi als Argument gegen die Thronfolge Bahräm's. Nach ihren Berichten waren es die Erziehung Bahräm's bei den Arabern und seine Unerfahrenheit in den Regierungsgeschäften, die den Iraniern als Argument gegen seine Thronfolge dienten. Nizämi folgt dieser historischen Tradition 34 , wenn er die Einwände der Iranier gegen die Person Bahräm's so beschreibt: „Denn jenen haben die Wüstenaraber aufgezogen, er kann das persische Reich nicht verwalten. Den Arabern würde er Macht und Schätze geben, während die geborenen Perser in Not kämen 36 ." Die Qissa stellt die Lage nach dem Tode Yazdgerd's so dar, als habe eine Zeitlang ein Interregnum geherrscht. Diese Nachricht braucht nicht als ein Phantasieprodukt des Herausgebers angesehen zu werden, obwohl sie in PB fehlt und daher nicht von vornherein auf A zurückgeführt werden kann. Bei Firdausi finden sich nämlich Verse, die ebenfalls ein Interregnum 31

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25,6f.: „Sie nahmen sich vor, keines von den Kindern des Königs Yazdagird in der späteren Zeit zuzulassen." Hier klingt also die historische Überlieferung von mehreren Kindern Yazdgerd's an; s. dazu oben S. 38. 25,7f.: „Jedesmal, wenn die Leute nach Bahräm und dem Zeitpunkt seiner Ankunft fragten, sagten sie zu ihnen: Morgen wird er da sein, und: er ist jetzt ganz mit der Jagd beschäftigt." 18,42: „Abends und morgens (bist du) bei der Jagd und dem Trinkgelage; bald bei süßem Trunk, bald beim Schlafen." S. S. 143. Ya'qübi I 141: „Und sie sagten: Sein Sohn Bahräm ist im Lande der Araber aufgewachsen und hat keine Ahnung von der Herrschaft." Tabari 1,858 (II 71): „ . . . und sprachen: Yazdgerd hat keinen regierungsfähigen Sohn hinterlassen als den Bahräm; dieser aber hat noch nie eine Provinz verwaltet, woraus man hätte schließen können, wie es mit ihm steht; dazu hat er keine persische, sondern eine arabische Bildung, sieht auch wie ein Araber aus, da er unter dem Volk aufgewachsen ist" ( N Ö L D E K E , G.d.S. S. 91). Vgl. auch at-Ta'âlibï S . 550, Barami S. 116, Firdausi 34,388, Färs-näma S. 75. 16,24f.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

voraussetzen36 — wenn auch zeitlich nicht bestimmt — während sich bei den Historikern und bei Nizämi kein Anhaltspunkt dafür findet. Das A neben seiner Hauptquelle, Nizämi's Haft Paikar, auch Firdausî gefolgt ist, wurde bereits angedeutet und wird an späterer Stelle klar bewiesen werden können87. Auch im folgenden kann ein Einfluß Firdausi's vorliegen. Die Qissa und PB3S, also A, nennen den Namen des von den Edlen gewählten Königs in der echt persischen Form Husrau. A kann hier nicht Nizämi gefolgt sein, bei dem sich an dieser Stelle kein Name findet. Später, im Brief des Usurpators, wird zwar die arabisierte Form Kisrä angeführt, jedoch nicht als persönlicher Eigenname des Herrschers, sondern als eine Art Gattungsname89. Dagegen heißt er bei Firdausi Husrau40. Diese Namensform bringen sonst nur Dïnawarï, Gardizi und Mirhuänd41; doch da sich weiter kein Einfluß dieser Schriftsteller auf A feststellen läßt, liegt es nahe, Firdausî hier als Quelle anzunehmen. Während in den beiden Volkstexten die Person Husrau's ganz vage gezeichnet ist — als einziges Charakteristikum nennen sie sein hohes Alter — erfährt man aus den Quellentexten mehr. Die Historiker betonen vor allem seine Abkunft aus dem Geschlecht des Gründers der Sasanidendynastie, Ardasïr, Sohn des Päbak, um seine Wahl verständlich erscheinen zu lassen42. at-Ta'älibi läßt die Großen selbst als Richtschnur für die Wahl des neuen Königs Wissen und Erfahrung (ma'rifa wa-hunka), Güte und Erbarmen ( r a ' f a wa-rahma) aufstellen. Da Husrau auf Grund dieser Kriterien gewählt wird, erfährt er also eine sehr positive Beurteilung durch at-Ta'älibi, der hierin mit Firdausi übereinstimmt. Im Säh-näma heißt es nämlich über die Person Husrau's: „Es war ein alter Mann namens Husrau, ein Edelmann, herzensrein (rauian-dil) und froh (Säd-käm)"*3. 34,392ff. „Als sich die Nachricht vom Tode des Weltherrschers unter den Großen verbreitete, da sagte jeder, der König der Alanen, wie auch der Pahlawän des Heeres, wie Bêward und Saknän mit dem goldenen Diadem: Das Königtum ist mein, vom Erdboden bis zum Zeichen der Fische, alles zusammen, ist es mein. Die Menschheit wurde voll von Wirrnis, als das gekrönte Haupt vom Thron verschwand." 37 So im „indischen Abenteuer" Bahräm's. 38 Qisça S. 25,10, PB S. 11,17. 39 18,26: „Ich, der ich nach meiner Abkunft Kisrä heiße . . . ." S. dazu WILSON, Commentary S. 84, Ν. 701: ,,Kisrä was the generic name of the Persian kings of the Sasanian dynasty. It is said to be the Arabic form of the Persian Husrau (Chosroes)." 4 0 34,401: „Es war ein alter Mann namens Husrau . . . . " 34,408 gebraucht er den Namen jedoch wie einen Gattungsnamen: „Sie setzten einen Mann auf den Thron; in der Herrschaft ( = als er Herrscher war) nannten sie ihn Husrau." 4 1 Dïnawarï S. 57, Gardïzï S. 27, Mirhuänd I 761. 42 So Dïnawarï a. a. O., Tabarï 1,858 (II 71), at-Ta'âlibï S. 550, Bal'amï S. 116, 43 34.401. Gardïzï a. a. O., Fârs-nâma S. 75. 36

Der Thronstreit

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Die Nachricht über das hohe Alter Husrau's findet sich bei Firdausi zum ersten Mal. Nizämi hat sie sicher von dort übernommen44; die Vorlage der beiden Volkstexte, A, muß sie also von einem der beiden Dichter entliehen haben. Als der Bote seinen Bericht beendet hat, zeigt der Prinz so heftige Trauer, daß al-Mundir an ihn herantritt, um ihn zu trösten. Beide Volkstexte stimmen hierin überein, so daß die Trostrede al-Mundir's auf A zurückgeführt werden kann. Die Haft Paikar, deren Handlungsablauf in dieser Szene sonst sehr genau übernommen wurde, berichten nichts davon. Dagegen treten bei Firdausi al-Mundir und sein Sohn an-Nu'män auf, um den weinenden Prinzen zu trösten. Sie tun es fast mit den gleichen Worten wie in der Qissa und in PB, indem sie auf die Vergänglichkeit des Irdischen und die sterbliche Natur des Menschen verweisen46. Firdausi kommt also auch an dieser Stelle als Quelle für A in Frage; da es sich aber bei dem Inhalt der Trostrede um einen weitverbreiteten Topos handelt, muß hier nicht unbedingt eine Abhängigkeit vorliegen. Als al-Mundir Bahräm vorschlägt, gegen die ungetreuen Iranier ins Feld zu ziehen, geht Bahräm sofort darauf ein. Er zeigt sich nach dem Text der Qissa in seinem Rachedurst unversöhnlich (26,4ff.). Dagegen äußert sich Bahräm in PB sehr besonnen. Er will nichts übereilen und die Iranier lieber in Güte davon überzeugen, daß er nicht so hart wie sein Vater ist (S. 12). Bei Nizämi finden sich beide Komponenten. Bahräm gibt seinem ersten Rachegefühl nicht nach, sondern entschließt sich, mit Milde die verstockten Herzen zu gewinnen46. Es ist anzunehmen, daß A Nizämi hierin folgte. Die beiden Volkstexte nahmen dann jeweils einen der Aspekte heraus. — Nur in der Qissa wehrt sich Bahräm zunächst gegen das Hilfsangebot al-Mundir's, da er sich schon allzu sehr in dessen Schuld fühlt. Diese Floskel ist nur insofern interessant, als sie dem Bericht der Historiker 44

45

16

16,27: ,,Sie wählten einen betagten Mann aus der Reihe der Weisen und nannten ihn 'gerechter Herrscher der Erde'." 34,412ff. : „Mundir und Nu'män gingen hin, zusammen mit allen Arabern Jemens, Groß und Klein. Sie alle jammerten mit dem weinenden Prinzen, ohne Feuer wurden sie vom Schmerz geröstet . . . . V . 415f.: Wir alle sind in die Welt gekommen, um Staub zu werden, nicht um ein Gegenmittel (gegen den Tod) zu suchen. Wer von einer Mutter geboren ist, stirbt; seinen Weg sehe ich als Unrecht, seinen Tod als Gerechtigkeit." 16,35ff. : „Dann beschloß er, daß er wie ein Löwe gegen die Gegner das Schwert zücken wollte, er wollte es gegen die Feinde ausstrecken und Kampf und Haß die Tür öffnen. Dann wieder sagte er: Warum soll ich Grausamkeit anwenden ? Am besten, ich gebrauche zuerst Weisheit. Auch wenn die Iranier sich damit schuldig machten, daß sie die Ehrerbietung gegen mich aus ihrem Herzen ließen, so will ich doch nicht auf ihr verhärtetes Herz schauen ; ich will Milde walten lassen ; denn Milde ist der Schlüssel."

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Kommentar zur Rahmenerzählung

und Firdausi's kraß widerspricht. Nach ihnen forderte sich Bahräm nämlich die Hilfe al-Mundir's als dessen Dankesschuld ein. Da Yazdgerd sich immer freundlich und milde gegen die Araber gezeigt und sie sogar vor den Persern ausgezeichnet habe, müßten es die Araber ihm, seinem Sohn, mit Dankbarkeit vergelten 47 . al-Mundir sammelt sogleich ein großes Heer von 100000 Mann, mit dem sie nach Iran ziehen. Die Zahl 100000 wird auch von PB genannt, muß sich also auch in A gefunden haben. Sie ist auf Nizämi zurückzuführen ; denn bei ihm heißt es: „Vom Jemen bis nach 'Adan kamen, gemäß der Zählung, 100000 Reiter zusammen" 48 . Dagegen führen die Historiker und Firdaus! verschiedene andere Zahlen an: nach Tabari, atTa'älibi, Bal'amï, Firdausi und dem Färs-näma sind es 10000, nach Gardizi 4000, nach der Nihäya 12000. Während in den beiden Yolkstexten al-Mundir und Bahräm zusammen nach Iran ziehen, wird bei Nizämi nicht ausdrücklich gesagt, daß Bahräm von al-Mundir begleitet wird. Die historische Wirklichkeit, soweit man sie nach den alten Quellen noch fassen kann, sah wohl ganz anders aus: alMundir schickte zunächst seinen Sohn mit dem Araberheer gegen Ktesiphon, um den Iraniern durch einzelne Überfälle und Scharmützel seine Stärke vor Augen zu führen und sie so bereiter zu Unterhandlungen zu machen 49 . Später folgte er selbst mit Bahräm nach. (Jedenfalls wird Bahrain's Anwesenheit in Iran beim Löwenkampf vorausgesetzt.) Ob diese Version auf das Huatäi-nämak zurückzuführen ist, läßt sich nicht eindeutig sagen, da ein anderer Uberlieferungsstrang bei den Historikern Bahräm, al-Mundir und an-Nu'män gemeinsam aufbrechen läßt 60 , an-Nu'män's ersten Vorstoß also nicht kennt. Die Qissa beschreibt die prächtige Ausrüstung des arabischen Heeres: arabische Pferde, jemenitische Schwerter, Davidische Kettenpanzer (ad-durü' ad-Däwüdiya, 26,29), also in jeder Beziehung das Beste. Diese Stelle ist sicher vom arabischen Herausgeber der Qissa ausgearbeitet worden. In PB findet sich keine Bemerkung über die Waffen und Reittiere ; Nizämi nennt nur „stählerne Panzerhemden" (püläd-püS). Außerdem setzen die Epitheta Däwüdlya und Yamaniya als Inbegriff ausgezeichneter Waffen" Vgl. Tabari 1,858 (II 71), Bal'amï S. 116, Firdausi 34,418; etwas anders begründet Bahräm sein Hilfegesuch im Färs-näma'. Bahräm's Schande fällt auch auf alMundir als seinen Beschützer und Erzieher (S. 75). Nach Dïnawari S. 57 geht die Initiative zum Feldzug ganz von al-Mundir aus. Er befiehlt Bahräm, nach Iran zu ziehen, um sich das Erbe seines Vaters einzufordern. « 17,19. 49 So bei Tabari 1,858 (II 71f.), Bal'amï S. 116f., Firdausi 34,427f., Gardizi S. 27, Färs-näma S. 75. 50 So Nihäya fol. 125 b: Bahräm zieht zunächst voraus, al-Mundir holt ihn am 7. Tag ein; at-Ta'älibi S. 550.

Der Thronstreit

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rüstung eine Kenntnis der älteren arabischen Literatur voraus. Zumindest trifft das für Yamamya zu; denn während man ad-Däwüdiya noch dank der Koranstellen 21,80 und 34,10 als einen einigermaßen gängigen Begriff bezeichnen kann61, beschränkt sich der Gebrauch von „jemenitisch" für ein ausgezeichnetes Schwert auf die alten Dichter62. Als Husrau erfährt, daß Bahräm mit dem arabischen Heer vor der Stadt lagert, ruft er die Großen der Iranier zu sich, um sich mit ihnen zu beraten (27,4). Dieser Szenenabschnitt ist wieder über A auf Nizämi's Verse zurückzuführen: „Der Herrscher der Welt hörte die Nachricht, daß ein neuer Drache63 sein Maul geöffnet hätte. Die Vornehmen und die Möbads versammelten sich alle am Königshof. Sie hielten eine Versammlung ab und berieten sich 64 ." In dieser Versammlung spielt naturgemäß der König Husrau eine gewisse Rolle. Nizämi folgt in diesem Szenenaufbau keiner der uns bekannten alten Quellen. In den Berichten über den Thronstreit fällt nämlich auf, daß Husrau ganz im Hintergrund bleibt. Die Auseinandersetzung spielt sich bei den Historikern und bei Firdausi ausschließlich zwischen den Großen der Iranier, die für die Wahl Husrau's verantwortlich zeichnen und Bahräm bzw. al-Mundir ab. Nur bei der Löwenprobe tritt Husrau kurz ins Blickfeld, allerdings nur, um Bahräm dabei den Vortritt zu lassen. Doch sind die iranischen Großen auch bei Nizämi und entsprechend in den Volkstexten die eigentlich treibende Kraft. Sie sind es, die Husrau raten, seinem Nebenbuhler einen Brief zu schreiben, um ihn, den törichten Knaben, wie sie ihn nennen, zur Aufgabe seines Anspruchs zu bewegen. Bei Nizämi setzen sie sogar selbst diesen Brief auf66. Der Brief Husrau's an Bahräm ist für die Quellenanalyse der Qissa sehr aufschlußreich. Er hegt in den drei Fassungen der Qissa (27,21—28,20), 61

Nach den Koranstellen lehrte Gott selbst Däwüd die Herstellung von Eisenpanzern. Besonders gute Panzer wurden daher nach Däwüd (David) genannt. Wie aus den Beschreibungen der Dichter hervorgeht, hat man sich diese Panzer als Ringelpanzer bzw. Kettengeflechte vorzustellen; s. S C H W A R Z L O S E S . 331 f. L A N E , Arabian Nights I 605, Ν. 5 führt eine etwas humoristisch klingende Legende zu der koranischen Uberlieferung an, die sich im Mir'ät az-zamän findet. Gott „machte das Eisen weich" für Däwüd, damit dieser wirtschaftlich unabhängig würde und sich nicht mehr an der Staatskasse vergreifen bräuchte.

52

S. S C H W A R Z L O S E S. 128. Die Schwerterherstellung blühte im Jemen unter der Dynastie der Himyariten. Später verlor sich der Ruf der jemenitischen Schwerter. Mutanabbï gebraucht dieses Epitheton wohl nur aus seiner allgemeinen Neigung heraus, alte Epitheta wieder aufzufrischen. Auch eine Art von Helmkappe führte das Epitheton „jemenitisch".

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E s ist sicher nicht Zufall, sondern eine wörtliche Übernahme, wenn auch in P B (S. 12) Husrau den Thronerben in dieser Versammlung mit einem Drachen vergleicht. 55 18,7. 18,1.5.

54

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Kommentar zur Rahmenerzählung

PB's (S. 12f.) und Nizämi's (18,15—59) vor, während die Historiker und Firdausï nichts von einem solchen Brief berichten. Daher hegt es nahe, wieder eine direkte Linie von der Qissa bzw. PB über A zu Nizämi zu ziehen. In diesem Fall wird die Abhängigkeit der beiden Volksbücher bzw. ihrer Vorlage A vom Texte Nizämi's besonders deutlich ; denn einmal ist der Inhalt des Briefes den vorliegenden Versionen gemeinsam — die Gliederung variiert allerdings an einigen Stellen — zum anderen ergeben sich mehrfach wörtliche Übereinstimmungen bzw. Ubersetzungen. Da dieser Brief ein wichtiges Beweisstück für die bereits an verschiedenen Stellen vorgetragene Theorie zur Quellenanalyse darstellt, möchte ich etwas ausführlicher darauf eingehen. Nach der Grußformel legitimiert sich Husrau in der Qissa als Herrscher. Gott hat ihm den Thron geschenkt, ohne daß er Anspruch darauf gehabt oder danach gestrebt hätte. Gottes Ratschluß hat das bewirkt, da er unter einem glücklichen Stern geboren ist. Hier zeigt sich die gleiche Ambivalenz: Gottes Beschluß — Bestimmung des Geschicks, die schon früher bei der Inschrift im Hawarnaq auffiel86. Beide Komponenten sind auch in PB vorhanden87, so daß man sie auf A zurückführen muß. Dagegen ist es bei Nizämi an diesen Stellen nur das Glücksgeschick (baht), das ihm den Thron verlieh; seine eigene Tüchtigkeit aber bildete die Voraussetzung88. Die Erweiterung in den beiden Volkstexten ist aus den geläufigen muslimischen Vorstellungen von der Schicksalsbestimmung durch Gott (qadar) zu erklären, von denen sich Nizämi auf Grund der astrologischen Grundkonzeption der Haft Paikar stellenweise freimacht. Obwohl Husrau nun das höchste Amt bekleidet, ist er nicht glücklich. Die königliche Macht erscheint ihm wie Honig, der mit Gift gemischt ist. Dieser Vergleich fehlt in PB, der seine Vorlage A knapper wiedergibt. A muß nämlich den Vergleich gebracht haben ; denn er findet sich auch bei Nizämi59. Eine direkte Abhängigkeit der Qissa von Nizämi kommt bekanntlich nicht in Frage. An dieser Stelle Hegt also eine wörtliche Übereinstimmung mit den Haft Paikar vor, ein Beweis, daß dem Verfasser von A Nizämi's Text vorgelegen haben muß. Bevor Husrau an die Herrschaft kam, führte er als reicher Mann ein sorgloses Leben, aus dem er durch den Willen der Iranier, die ihn zum S. oben S. 97. S. 13: ,,Gott hat mich für würdig erachtet und mir huldvoll diesen Thron und die Herrschaft geschenkt. Deswegen wird die Herrschaft und die Krone für den nicht möglich und erreichbar, dessen Geschick und Glück nicht günstig gewesen sind." 68 18,27: „Wegen meiner Tüchtigkeit beschenkt mich das Glück. Wer käme zu Krone und Thron ohne Tüchtigkeit ?" 5" 18,291: „Obgleich ich die Herrschaft über die Erde besitze und der Lenker von Geistern und Menschen bin, so bin ich doch mit dieser Königswürde nicht glücklich; denn sie ist Honig, stark mit Gift vermischt."

58 67

Der Thronstreit

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König machten, herausgerissen wurde. Auch dieser Passus läßt sich inhaltlich ganz auf Nizämi zurückführen60. Husrau fühlt sich nicht als Herrscher, sondern als Wächter (gafïr). Wieder Hegt, diesmal auch in PB, eine wörtliche Ubereinstimmung mit Nizämi vor; denn bei ihm heißt es: „Ich schütze das Königreich vor dem Verderben: das ist nicht Herrschaft, sondern Wächterarbeit (päsbäni)"β1. In der Qissa führt Husrau dazu die Redensart (matal) an: „Die Hälfte der Menschen ist dem feind, der regiert, auch wenn er gerecht ist" (28,1). Auch bei Nizämi steht an dieser Stelle ein Sprichwort, das jedoch auf etwas anderes hinausläuft und den Ubergang zu dem Nachweis bildet, daß Bahräm ungeeignet für die Herrschaft sei: „Wer der Begierde Feind ist, ist der Welt Freund62." Es ist denkbar, daß auch A hier eine Andeutung über ein Sprichwort machte, doch ob es vollständig angeführt wurde, und in welcher Form, läßt sich nicht sagen. — Dann malt Husrau aus, wie unbeschwert Bahräm dagegen sein Leben genießen könne. Er geht davon aus, daß Bahräm's Jugend nach Freude und Vergnügen, Jagd und Wein verlangt, nicht nach dem dornigen Leben, das er selbst als Herrscher führen muß. Auch hier stimmen die Qissa und PB, also A, inhaltlich mit Nizämi63 überein. Diesmal läßt sich auch in PB eine wörtliche Übereinstimmung mit den Haft Paikar feststellen. Nach dem obenerwähnten Sprichwort: Wer der Begierde Feind, ist der Welt Freund, fährt Nizämi nämlich fort: „Von einer solchen Welt hast du keine Ahnung (az cunïn 'âlamï tu bïhabarï) . . ," 64 . Dieser Satz findet sich auch in PB S. 13: az in 'älam ham bïhabar hastïd, wobei 'älam hier, im Gegensatz zu Nizämi, keinen Anknüpfungspunkt im Vorausgegangenen hat. — Sein eigenes Leben schildert Husrau dagegen als unaufhörliche Mühsal: Tag und Nacht quälen ihn Sorgen, bald muß er äußere Feinde abwehren, bald beschäftigen die eigenen Untertanen seinen Sinn. Auch hier lehnt sich der Text der beiden Volksbücher eng an die Verse Nizämi's an, bei dem sich ebenfalls die Gegensatzpaare Tag-Nacht, Feinde von außen—eigene Untertanen 60

61 82 63

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18,31ff.: „So viel besaß ich an Macht und Kraft, daß meines Glückes Stern davon stets jung war. Besser, wenn ich mit jenem zufrieden gewesen wäre; denn der erhöhte Platz ( = Thron) ist nicht fern von Gefahr. Doch die Iranier, in Macht und Bescheidenheit, erweichten mich durch ihre freundlichen Reden. Sie brachten mich dazu, König zu werden, der stolze Herr von Krone und Thron." 18,35. 18,36. 18,40: „Du hast mit nichts zu schaffen als mit Wein und Jagd; mit den Kopfschmerzen der Welt hast du nichts zu tun." V. 42: „Abends und morgens bei Jagd und Trinkgelage, bald bei süßem Trunk, bald beim Schlaf." V. 46: „Wie glücklich ist deine Seele, die nur Freude nährt, daß deine Tür weit weg ist von solcher Bedrängnis." 18,37. 8

Pantke, Roman

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Kommentar zur Rahmenerzählung

finden®6. So wünscht sich Husrau denn an die Stelle seines jungen Rivalen, dem alle Freuden des Lebens offenstehen. Auch in PB äußert Husrau diesen Wunsch. Er kann wiederum auf Nizämi zurückgeführt werden: „Ach, wenn diese Aufgabe doch mir zugefallen wäre; vielleicht wäre dann meine (ursprüngliche) Beschäftigung meine Arbeit gewesen. Ich hätte ein Leben voll Vergnügen und Unterhaltung geführt und meinem Herzen mit Wein und Saitenklang geschmeichelt" 86 . Doch an der Erfüllung dieses Wunschbildes hindert ihn der Wille der Iranier, die niemanden aus der Familie des verhaßten Königs Yazdgerd auf dem Thron sehen wollen. Auch PB und Nizämi67 führen an dieser Stelle die Schlechtigkeit Yazdgerd's als Hauptgrund für die Ablehnung der Thronfolge Bahrain's an. Wie sehr die beiden Volkstexte, bzw. ihre gemeinsame Vorlage, sich hier an Nizämi orientieren, geht daraus hervor, daß die sehr negative Beurteilung Yazdgerd's bei ihnen am Anfang der Erzählung noch nicht angelegt ist, während in den Haft Paikar Yazdgerd schon zu Beginn negativ gezeichnet ist. Ich bin bereits früher68 auf die Problematik der Beurteilung Yazdgerd's eingegangen, habe mich dort aber nur mit den spärlichen positiven Zeugnissen befaßt. Da an dieser Stelle der Qissa einige der geläufigsten Vorwürfe gegen Yazdgerd auftauchen, muß auch die negative Seite seines Charakterbildes kurz beleuchtet werden. Die Eigenschaften, die die Qissa Yazdgerd hier beilegt, sind: frevelhaft, sündhaft (atim), ungerecht/tyrannisch (zälim), von galliger (bitterer) Rede {murr al-kaläm); außerdem wird seine Verachtung für alle, Groß und Klein, hervorgehoben (28,13f.). Von den genannten Epitheta wurde das erste, atlm6B, bzw. seine persische Entsprechung baza-kar/gar70 zum Beinamen des Herrschers. Sehr wortreich führen die Quellen an, worin die Tyrannei Yazdgerd's bestand, durch die er seine Untertanen, besonders die Hochgestellten, zu demütigen versuchte71, notfalls 18,43f.: „Nicht, wie ich, Tag und Nacht fern von Freude, um der Sache der Menschen willen mit betrübtem Herzen. Einmal ist die Sorge um die Freunde meine Beschäftigung, dann wieder bin ich sorgenvoll wegen der Feinde." «« 18,47 f. «7 18,50—56. 6 8 S. oben S. 35. ββ Vgl. Dinawari S. 53, Tabari 1,847 (II 63), Eutychios I 176, Mas'üdi, M.d. I 261, Hamza S. 49, al-Maqdisi I I I 163, at-Ta'älibi S. 537, Färs-näma S. 74. 65

70

Hamza a. a. O.: baza-kard, al-Huärazmi, Mafâtih S. 65: baza-kar, Nihäya fol. 123 a:

baza-kun, Fârs-nâma a. a. G.d.S. S. 72, A. 4. 71

O. :

gunäh-kar, Mugmal S. 68: baza-gar; s. dazu

NÖLDEKE,

Nach Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 659 nahm er keinerlei Rat an; nach Dïnawarï S. 53 belohnte er gute Handlungen nicht. Tabari 1,847 (II 63) schildert seine Übeltaten besonders ausführlich. Nach ihm war er ränkevoll, verschlagen, maßlos streng bei der Bestrafung kleinster Vergehen, mißtrauisch, gewalttätig, boshaft. Bal'ami S. 109 hebt seine mitleidlose Strenge hervor, die ihn niemals etwas verzeihen oder

Der Thronstreit

115

auch mit Grausamkeit und Blutvergießen 72 . Auch sein Hochmut und seine Verachtung für die Menschen werden in den Quellen geschildert73. Statt des Ausdrucks murr al-kaläm finden sich in den alten Texten mehrere Wörter, die in die gleiche Richtung weisen; es sind vor allem jazz, galïz, und haiin74, die alle sein grobes, barsches Wesen kennzeichnen und die in den Quellen immer wieder auftauchen. Das führt zu der Annahme, daß in der ältesten Quelle, die den Historikern und Firdausi vorgelegen hat, dem Huatäi-nämak, ein Wort dieser Bedeutung gestanden hat. Tatsächlich findet sich bei einigen alten Historikern in diesem Zusammenhang ein Wort j»->75, das als persische Entsprechung zu fazz76 angegeben wird. Mit diesem Wort wußte man lange Zeit nichts anzufangen. NÖLDEKE77 dachte an eine Ableitung von dab, betrügen, oder von einem nicht belegten Wort dabz, „dick, roh", bezweifelt aber selbst diese unsichere Ableitung. B A H Ä R gibt dagegen in seiner Ausgabe des Mugmal in einer Anmerkung an, es handle sich um ein Pahlavi-Wort dafr bzw. dafr in der Bedeutung von galïz und verbessert die Angabe dafzak im Burhän, auf die sich N Ö L D E K E wahrscheinlich bezog, zu dafrak78. Wie mir mein Lehrer, Dr. Monchi-Zadeh, mitteilte, lebt das mp. Wort dafr noch in nordpersischen Dialekten als zibr in der Bedeutung rauh, hart (was dem Arabischen haSin am nächsten käme), fort, z. B . in dem Gegensatzpaar gäru zibr è (Hartbesen) — gäru narmè (Weichbesen). Damit wäre das Rätsel, das dieses Wort aufgab, gelöst. — Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die historische Berichterstattung über Yazdgerd I nicht objektiv ist. Vermutlich wurde sie von seiten der Priesterschaft und des Adels, denen dieser König nicht gefügig war, negativ gefärbt 78 .

'2 73

71

75

76

77 78 79

eine Fürsprache annehmen ließ. Das Färs-näma wirft ihm dazu Habsucht vor (S. 74). Eine solche Andeutung findet sich schon bei Firdausi 34,384. Tabari 1,849 (II 64), al-Maqdisi III 163f., at-Ta'âlibi S. 538, Bal'ami S. 109, Firdausi 34,384; nach Gardizi S. 26 führte Yazdgerd die Tortur ein. Ibn Qutaiba, Mofärif S. 659; at-Ta'älibi S. 537 f. schildert sogar, daß er sich nicht herabließ, seinen Untertanen zu antworten. E r begnügte sich mit Kopfnicken und Handgesten; Barami S. 109, Firdausi 34,16. Ya'qûbï I 141, Ibn Qutaiba a. a. O., Dinawari S. 53, Tabari 1,847 (II 63), alMaqdisi a. a. O., Hamza S. 49. al-H u ârazmi S. 65 schreibt wafr, was leicht als Verlesung des j zu } erklärbar ist. Mugmal S. 35 schreibt dafr, wozu B A H Ä R A. 1 bemerkt, daß das Wort im Pahlavi mit Dal anfangen muß; denn wie schon Hamza gesagt habe, sei im Pahlavi kein Wort mit Anfangs-DäZ vorgekommen. So al-H u ärazmi: die Begriffspaare al-atimjal-mugrim und al-fazz, auf der anderen Seite wafr (dafr) und baza-kar sind chiastisch gestellt; da baza-kar nur Entsprechung von atimfmugrim sein kann, ist die Bedeutung von dafr eindeutig faz?; ebenso bei Hamza S. 24. G.d.S. S . 72f., A . 4 ; s. auch S P I E G E L III S . 3 4 0 , A . 2, C H R I S T E N S E N , L'Iran S . 269ff. S. 35, Α. 1. S. 8*

dazu

NÖLDEKE,

G.d.S.

S.

74f.,

Α . 3, CHRISTENSEN,

L'Iran a. a.

O.

116

Kommentar zur Rahmenerzählung

Nachdem Husrau Bahräm die Lage dargelegt hat, fordert er ihn auf, freiwillig auf den Thron zu verzichten, da er sonst die Stärke des persischen Heeres bitter zu fühlen bekäme. Beides, Aufforderung und Drohung, sind in PB und bei Nizämi80 ähnlich ausgedrückt, so daß auch der Briefschluß die Abhängigkeit A 's von den Haft Paikar beweist. Nizämi selbst hat diese Szene frei gestaltet ; denn sonst ist nichts über einen Brief Husrau's bekannt. Bei den Historikern ist die Szene vielmehr so aufgebaut: Als an-Nu'män mit der arabischen Vorhut die iranische Hauptstadt bedroht, senden die Großen der Iranier durch einen Vornehmen aus ihrer Reihe einen Brief an al-Mundir, um sich über das Vorgehen der Araber zu beschweren, alMundir verweist den Boten an Bahräm, der jedoch al-Mundir bittet, den Brief zu beantworten. Der Bote, beeindruckt von der Majestät Bahräm's, schlägt mündliche Unterhandlungen zwischen Bahräm/al-Mundir und den Iraniern vor. So ziehen al-Mundir und Bahräm, begleitet von arabischen Truppen, nach Ktesiphon, wo sie den Iraniern eine Audienz erteilen und mit ihnen verhandeln81. Firdausï's Bericht weicht davon ab. Bei ihm treffen Bahräm und al-Mundir nach der Botenepisode in öahram mit den Iraniern zusammen. Auf Vorschlag des Obermöbad wird Bahräm dort in einer Wahl, an der er sich selbst beteiligt, zum König gewählt (34,538—546). Doch die Älteren des Volkes protestieren gegen seine Wahl und führen eine Schar von Männern vor, die Yazdgerd verstümmeln ließ. Sie wollen damit die Iranier gegen Bahräm aufbringen. Trotz der Wahl muß weiterverhandelt werden82. — Allerdings tragen in den genannten Quellen die Iranier die gleichen Hauptargumente gegen Bahräm vor, die im Brief Husrau's erwähnt werden: die Schlechtigkeit Yazdgerd's und den Leichtsinn Bahräm's83. Der Brief Husrau's wird nach der Qissa von zwei Weziren und fünf anderen hochgestellten Personen überbracht (28,21). Auch PB führt zwei Wezire als Boten auf, dazu eine unbestimmte Anzahl vornehmer Iranier. Die Zahl 2 kann also sicher auf A zurückgeführt werden ; im übrigen zeigt sich die schon mehrfach festgestellte Tendenz der Qissa, alles zahlenmäßig festzulegen. Nizämi übergeht dieses Detail. Dagegen schildert er einige 80

81

82 83

18,56f.: „Da dich niemand an der Herrschaft wünscht, ist es besser, daß du dich von diesem Amt zurückziehst. Heißes Feuer triffst du an, wenn du (in Zorn) aufwallst; kaltes Eisen hämmerst du, wenn du kämpfst." Dazu bietet Husrau seinem Nebenbuhler Geld aus seiner Schatzkammer an. So Tabari 1,859 (II 72), 1,860 (II 73), at-Ta'älibi S. 551, B a i a m i S. 117f., Färsnâma S. 76 u. a. 34,43&—604. Schlechtigkeit Yazdgerd's: Tabari a. a. O., Bal'amì S. 118, Firdausï 34,534, Gardïzï S. 27, Färs-näma a. a. O. Leichtsinn Bahrâm's: Firdausï 34,548: „Sie sagten: Wir wollen Bahräm nicht, den Kühnen, Leichtsinnigen, Eigensinnigen."

Der Thronstreit

117

Einzelheiten der Audienz fast so ausführlich wie die beiden Volkstexte: Die Gesandten bitten um Erlaubnis, einzutreten. Sie wird ihnen gewährt, und zitternd treten sie vor den Thron Bahrain's 84 . Während jedoch die Qissa und PB bei der Schilderung der Herrlichkeit und Majestät Bahräm's, die die Gesandten tief beeindrucken, verweilen, faßt sich Nizämi hier knapper. Es entspricht eben dem volkstümlichen Erzählerstil, an solchen Stellen die Erzählung durch möglichst viele Details auszuschmücken. So hören wir hier, daß Bahräm auf einem edelsteinbesetzten Thron sitzt. Erhabenheit und Schönheit strahlen so von ihm aus, daß die Iranier von Furcht und Verwirrung befallen werden. Eigenartig ist, daß auch die Historiker und Firdausi die Situation ähnlich ausmalen. Sie erwähnen den prunkvollen Thron, auf dem Bahräm Platz nimmt85 und schildern eingehend die Verwirrung der Iranier bei seinem Anblick88. Nun ist es klar, daß volkstümliche Stilelemente auch in die Berichte der Historiker eingegangen sind87, von Firdausi ganz zu schweigen. Hier kann allerdings die ausführliche Schilderung auch einen wichtigen Aussagewert haben. Die majestätische Erscheinung Bahräm's ist kein unwesentliches Detail: sie legitimiert ihn als Herrscher; denn nur, wem Majestät (farr) von Gott geschenkt ist, der hat Anspruch auf den iranischen Thron88. Die Reaktion Bahräm's auf den Brief Husrau's ist in den beiden Volkstexten wie bei Nizämi heftiger Zorn: sein Gesicht wird rot, nach der Qissa sprühen seine Augen Funken (29,ôf.). Auch Nizämi verwendet hier eine Feuer-Metapher: „Als der Vorleser den Brief bis zu Ende gelesen hatte, schlug loderndes Feuer aus Bahräm empor" 89 . Bahräm's Bemühen, den Zorn zu beherrschen, wie es von der Qissa geschildert wird, kann ebenfalls auf Nizämi80 zurückgeführt werden. PB geht nicht darauf ein. Ähnlich wie im Brief Husrau's lassen sich auch in der Antwort Bahräm's auf diesen Brief durchweg inhaltliche Übereinstimmungen der beiden Volkstexte mit Nizämi feststellen; dazu kommen einige wörtliche Ubernahmen aus den Haft Paikar. Die Hauptpunkte der Antwort Bahräm's sind den 18,9ff. Tabarl 1,860 (II 72): der Thron ist golden, mit Edelsteinen geschmückt; vgl. Bal'amï S. 118, Färs-näma S. 76, Firdausi 34,521: der Thron ist aus Elfenbein. 88 Tabarï 1,859 (II 72) erzählt die Anekdote von dem Gesandten Guwänöe, der in seiner Verwirrung vergaß, sich vor Bahräm niederzuwerfen. Bei Firdausi 34,461ff. vergißt er dagegen, seine Botschaft auszurichten; vgl. Färs-näma S. 76. 87 S. oben S. 68. 88 S. dazu NÖLDEKE, G.d.S. S. 93, A. 1. 8» 19,1. 19,2f. : „Er gab sich mit hundert Anstrengungen wieder Geduld wie die Weisen. Er beeilte sich nicht in einer solchen Hitzigkeit; erst nach Überlegung gab er Antwort." 84 86

118

Kommentar zur Rahmenerzählung

drei Fassungen gemeinsam: 1. Bahräm sieht es als seine Pflicht an, den Thron, der ihm von seinen Vorvätern her überkommen ist, zu besteigen; Verzicht auf den Thron wäre für ihn gleichbedeutend mit Verrat91. 2. Die Vorwürfe gegen Yazdgerd sind berechtigt, doch kann nicht der Sohn für die Verbrechen des Vaters verantwortlich gemacht werden. Bahräm's eigener Charakter ist zudem grundverschieden von dem seines Vaters92. 3. Der Vorwurf der Ahnungslosigkeit und Unerfahrenheit trifft jetzt nicht mehr zu93. 4. Bahräm verspricht, ein guter, gerechter Herrscher zu sein und den Rat der Weisen nicht zu verschmähen94. Wörtliche Anklänge an den Text der Haft Paikar zeigen sich vor allem in der Qissa. So sagt hier Bahräm gleich zu Anfang: „Es ist euch nicht verborgen, daß ich an Edelsteinen und Geld soviel besitze, daß ich damit die 7 Klimata kaufen könnte" (29,10f.). Mit der Anspielung auf sein Vermögen bringt er ein völlig neues Stichwort in die Debatte. Außerdem ist die Vorstellung, daß er mit Geld die 7 Klimata kaufen könnte, etwas eigenartig. Bei Nizâmî findet sich an dieser Stelle der Vers: „Ich, für den Staub (häk) und Silber gleichen Wert haben, würde die 7 Klimata nicht unterwerfen98." Damit weist Bahräm Husrau's Angebot, ihm Schätze aus seinen Schatzkammern zur Verfügung zu stellen96, zurück. Wenn sein Motiv nur Gewinnsucht wäre, möchte er nicht einmal die 7 Klimata beherrschen. Dagegen ist es seine Pflicht, den Thron zu besteigen. In diesem Fall hat Nizämi's Text also eine Umdeutung erfahren, da der Bezugspunkt Nizämi's, das Angebot Husrau's, ausgelassen worden ist. An späterer Stelle zeigt sich ebenfalls das Mißverständnis eines Verses der Haft Paikar. In der Qissa sagt Bahräm, nachdem er auf sein ererbtes Recht der Thronfolge hingewiesen hat: „Im Sprichwort heißt es: Wenn mein Vater Anspruch auf Göttlichkeit erhob, ist es meine Pflicht, ihn zu verehren" (29,13). Ein Zusammenhang mit der sonstigen Argumentation ist nicht gegeben, außerdem wirkt das Sprichwort an sich seltsam und läßt sich m. E. an anderer Stelle nicht nachweisen. Daher scheint es mir eindeutig, daß es sich um eine Mißdeutung und Entstellung eines Nizämi-Verses handelt; denn in den Haft Paikar wehrt sich Bahräm mit folgenden Worten gegen den Vorwurf, wie sein Vater geartet zu sein: „Wenn mein Vater (auch) Anspruch auf Göttlichkeit erhob, so bin ich doch, in Einsicht geübt, einer der Gott liebt. Es besteht dem ganzen Wesen nach ein großer Unterschied zwischen dem, der Gott, und dem, der die Göttlichkeit liebt 97 ." »! Qissa 92 Qissa 93 Qissa 41 Qissa 9 5 19,7.

S. S. S. S.

29,11—14, 29,15—18. 29,18—19, 29,20—28,

PB S. 14. Nizâmî 19,8. PB S. 14, Nizâmî 19,11—19. PB — , Nizâmî 19,20.24f. PB S. 14, Nizâmî 19,27—38. 9 6 18,58.

97

19,9f.

Der Thronstreit

119

Um die Wesensverschiedenheit zwischen seinem Vater und sich anschaulich zu machen, bringt Bahräm in der Qissa diesen Vergleich: „Wenn er die Nacht war, so bin ich der Tag. Wißt ihr nicht, daß die Nacht den Tag hervorbringt, und daß Edelstein aus Stein entsteht" (29,16f.). Hier läßt sich Nizämi wieder klar als Quelle nachweisen; sein Text hat hier keine Umdeutung erfahren; denn es heißt bei ihm: „Der helle Morgen kommt aus der Nacht, der leuchtende Edelstein (oder Rubin) entsteht aus Stein 98 ." Den Vorwurf, unwissend und ahnungslos zu sein, weist Bahräm in der Qissa ebenfalls zurück, indem er ein Bild gebraucht: „Wenn ich bis jetzt ein Schlafender war, seht, so bin ich jetzt aufgewacht. Wenn ich etwas nicht wußte, so weiß ich es jetzt" (29,18). Entsprechend findet sich das Bild vom Schlaf bei Nizämi: „Ein helfendes Geschick weckte mich auf, nach schwerem Schlaf gab es mir ein waches Bewußtsein. Danach ist nun mein Gesicht dem Guten zugewandt, mein Herz ist frei von jeder Unachtsamkeit"." Sein Versprechen, gut zu regieren, präzisiert Bahräm in der Qissa, indem er drei Handlungsweisen von sich aus ablehnt: „Ich giere nach niemandes Vermögen und trachte niemandem nach dem Leben; ich verzeihe100 euren Verrat und eure Verfehlung" (29,21). Bei Nizämi heißt es: „Ich schaue auf niemandes Verfehlung, giere nach niemandes Vermögen, trachte nach niemandes Kopf 101 ." Zusammenfassend verspricht Bahräm in der Qissa und in PB, seine Untertanen so zu behandeln, wie es ihnen zukommt (29,22). Auch dieses Versprechen findet sich bei Nizämi102. Weise und Gelehrte sollen Bahrain's Hof (bzw. seiner Tür = bob) nicht fern sein, während er jeden Unwissenden und Schlechten verjagen will (29,22). Das ist wiederum eine Übersetzung Nizâmï's: „Der, der guten Rat zu geben weiß, soll meinem Hof (bzw. meiner Tür = dar) nicht fern sein. Den Schlechten und den schlechten Ratgeber will ich zurückweisen103." Bahräm schließt seine Rede in der Qissa mit folgendem Versprechen: „Ich will nur das tun, was Gott gefällt und die Untertanen erfreut" (29,27f.). Ebenso bekräftigt er in den Haft Paikar seine Worte: „Ich will dem Auge des Zuschauers nichts zeigen, was der Schöpfer nicht billigen würde104." Das Material für die Antwortrede Bahräm's stand Nizämi auch hier wieder in den Berichten der Historiker und Firdausi's zur Verfügung. In 98 99 100

19,13. 19,24 f. Der Text der

Qis$a

hat hier lyel, was in yel verbessert werden muß. Es steht

parallel zu . ^ t l V 101 102 103 104

19,28. 19,30: 19,32. 19,38.

„Ich behandle euch, wie es sich ziemt

(Säyad)."

120

Kommentar zur Rahmenerzählung

der großen Audienzrede, in der Bahräm den Iraniern seinen Standpunkt darlegt, kehren drei Punkte bei den verschiedenen Autoren immer wieder: 1. Bahräm ist von der Rechtmäßigkeit seines Thronanspruchs überzeugt. Der Thron steht ihm als Erbe zu106. 2. Er erkennt die Wahrheit der schweren Vorwürfe gegen seinen Vater an, dessen Härte und Schlechtigkeit er am eigenen Leibe erfahren hat 106 . 3. Er verspricht, ein milder, gerechter Herrscher zu sein und die Verbrechen seines Vaters wiedergutzumachen107. Die Argumentation Bahrain's in den alten Quellen deckt sich also weitgehend mit der in den Haft Paikar, deren Niederschlag sich schließlich in der Qissa als dem jüngsten Text findet. Bei Firdausi gibt es darüber hinaus noch Übereinstimmungen mit Nizämi, die Details betreffen. Daher ist anzunehmen, daß Nizämi sich hier besonders stark an diese Quelle gehalten hat. So verspricht Bahräm ζ. B. auf der Audienzversammlung in Gahram, Verfehlungen nicht sofort mit aller Strenge zu bestrafen, sondern den Schuldigen erst zu ermahnen108; nicht nach dem Vermögen anderer zu streben109; sich stets mit Ratgebern zu besprechen110. Auch der Vergleich Hirte—Herde wird in diesem Zusammenhang von Firdausi111 wie von Nizämi112 angewandt. Die Wirkung der Rede Bahräm's auf die Abgesandten der Iranier ist in der Qissa und in PB breit geschildert. Da die beiden Volkstexte hier fast Wort für Wort übereinstimmen, wird an dieser Stelle wieder einmal der Text ihrer Vorlage A greifbar. Bahräm's Beredsamkeit [fasäha, auch inP5!), seine erhabene Erscheinung und sein freundliches Benehmen bringen die Gesandtschaft zu der Einsicht, daß sie falsch handelten, als sie ihn 105 106

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Nihâya fol. 126b, at-Ta'âlibï S. 551, Bal'amï S. 118, Firdausi 34,576, Gardïzï S. 27. Tabarï 1,860 (II 73), Nihâya a. a. O., at-Ta'âlibï a. a. O., Bal'amï a. a. O., Firdausi 34,563ff., Färs-näma S. 76. Dïnawarï S. 57, Tabarï a. a. O., Nihâya a. a. O., at-Ta'âlibï a. a. O., Bal'amï a. a. O., Firdausi 34,571ff., Färs-näma a. a. O.; at-Ta'âlibï läßt Bahräm allerdings eine massive Drohung hinzufügen: Wenn sich die Iranier nicht fügen, werden sie am heilichten Mittag die Sterne sehen (!). 34,610: „Dem, der sich schuldig gemacht hat, will ich Hat spenden; erst, wenn er es ein zweites Mal tut, bringe ich die Fessel herbei." 34,618f.: „Wenn jemand stirbt, ohne Verwandte zu haben, und er ein großes Vermögen hinterläßt, will ich es den Armen schenken; denn ich will mein Herz nicht an vergängliche Paläste ( = das Erdenleben) binden." 34,620f.: „Jeden Entschluß will ich mit Sachverständigen überlegen; in der Beratung will ich der Begierde das Rückgrat brechen. Ich will zur gleichen Zeit, wenn ich etwas Neues beginne, einen Ratgeber befragen." 34,582: „Wir alle suchen Ruhe und Gerechtigkeit; ich bin der Hirte, die Untertanen die Herde." 19,35: „Frauen und Kinder, Besitz und Vermögen aller, sind bei mir sicherer als die Herde beim Hirten."

Der Thronstreit

121

vom Thron ausschlossen. Der erste Wezir spricht aller Gedanken aus und erkennt an, daß Bahräm als einziger des Thrones würdig ist; denn seine Persönlichkeit und sein Erbanspruch legitimieren ihn als Herrscher. Bei Nizämi, dem A auch in diesem Fall folgte, ist es der Älteste der Möbads, der Bahräm auf Grund der beiden genannten Kriterien als Herrscher anerkennt. Er legt allerdings mehr Gewicht auf den Erbanspruch und verfolgt die Geschlechterlinie Bahräm's bis in die Urzeit zurück113. Darin stimmt Nizämi wieder mit Firdausi überein, bei dem Bahräm selbst seine Ahnenreihe aufführt, um sich vor den Iraniern zu legitimieren114. — Nizämi berichtet dagegen nicht, wie die Qissa, von einem Schuldgeständnis der Gesandten. Bahräm überhäuft sie vielmehr mit Anklagen, um ihnen ihre Schuld zum Bewußtsein zu bringen115. In der Qissa, in PB und bei Nizämi bittet der Führer der Gesandschaft Bahräm, einen Ausweg zu ersinnen, um die Iranier vom Treueid, den sie Husrau leisteten, zu befreien. Bahräm schlägt die Löwenprobe vor und man einigt sich darauf. Auch in diesem Abschnitt stimmen die Qissa und PB genau überein. Sie haben hier A 's Text fast wortgetreu wiedergegeben, wobei es jedoch zu kleinen Akzentverschiebungen durch Umdeutung eines bestimmten Ausdrucks kommen konnte116. Vergleicht man die Version der Haft Paikar, die den beiden Volkstexten hier zugrunde liegt, mit den Darstellungen bei den Historikern und bei Firdausi, zeigen sich einige interessante Unterschiede. Zunächst ist es nicht in allen Quellen klar gesagt, von wem der Vorschlag zur Löwenprobe ausgeht. Ya'qübi's Darstellung ζ. B. läßt eher an die Iranier als Urheber dieser Idee denken117. Bei anderen kommt zwar der Vorschlag von Bahräm selbst, er ist aber mit einem anderen, weniger risikoreichen, gekoppelt. Bahräm will sich einer friedlichen Probe unterziehen: wenn die Iranier 113

ue

117

19,42f.: „Du bist würdig, das Haupt zu sein; denn du bist für alle der Herrscher; es ziemt sich, daß du als Haupt zugleich Hirte für diese Herde bist. Daß du die Krone trägst, paßt zu deinem Wesen. Die Krone ist bei uns, jedoch auf deinem Haupt." 19,47ff.: „Dein Geschlecht mit Thron und Krone geht zurück bis auf Gayömart, König auf König . . . ." 115 19,55—84. 34,576 ff. Der Wezir sagt in der Qi§sa S. 30,17: „Jetzt werden wir unser Leben nur für deinen Dienst opfern": iü» ¿k. J ¿ΛΛ jVl Ist. Dagegen bezieht PB S. 15 dieses Versprechen auf Husrau: L; j tS ¿1 »lj j» jW· Wahrscheinlich hat A sich ähnlich wie PB ausgedrückt. Die bindende Verpflichtung des Treuegelöbnisses soll dadurch betont werden. I 141: „Sie (die Perser) fürchteten ihn (Bahräm). Da nahmen sie die Königskrone und den Ornat, den die Könige tragen, legten beides zwischen zwei Löwen und sagten zu Bahräm und Kisrä: Wer von euch beiden die Krone und den Ornat zwischen diesen beiden Löwen wegnimmt, der sei König." Vgl. auch Gardizi S. 27 und Mirhuänd I 761, der sich unbestimmter ausdrückt.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

nach dem ersten Jahr seiner Herrschaft nicht mit ihm zufrieden sind, will er freiwillig abtreten118. Bal'amï führt als einziger noch einen dritten Vorschlag an, der aber keinerlei Echo findet: Bahräm will sich seinem Rivalen Husrau zu einem Wortgefecht stellen, bei dem beide Seiten ihren Standpunkt darlegen sollen; dann könnten die Iranier sich zwischen beiden entscheiden119. Auch bei Firdausi ist die Löwenprobe als allerletztes Angebot an die Iranier gedacht, nachdem Bahräm zuvor die Richtlinien seiner Herrschaft aufgezeichnet hat, um die Iranier durch seine Versprechungen zu gewinnen120. Alle Quellen stimmen darin überein, daß die Iranier nur den Vorschlag der Löwenprobe aufgreifen und nicht auf das Angebot der Probeherrschaft eingehen. Sie entschuldigen ihr Bestehen auf der gefährlichen Probe damit, daß sie Husrau gegenüber zur Treue verpflichtet seien. Bei Firdausi121 nennt der Möbad die Löwenprobe geradezu einen Vorwand (bahäna) ; entsprechend bezeichnen sie Nizäml122 und die Qissa (30,17) als hugga. Gleichzeitig lassen die Quellen jedoch durchblicken, daß Husrau zu diesem Zeitpunkt noch eine große Anhängerschaft unter den Großen der Iranier hatte123, und daß man Bahräm's Vorschlag der Löwenprobe eher in der stillen Hoffnung annahm, der junge Prinz werde ein Opfer seiner eigenen Tollkühnheit werden, so daß man ihn loswerden könnte, ohne mit seinen arabischen Beschützern in Konflikt zu kommen124. Nizämi hat diese Überlegungen der Großen, die er bei Tabari/Bal'ami und Firdausi vorfand, zum Gegenstand der Unterredung Husrau's mit den Iraniern gemacht, worin ihm die beiden Volkstexte, bzw. A, gefolgt sind. Während die Gesandten, die Bahräm persönlich kennengelernt haben, von ihm angetan sind und seinen Herrschaftsanspruch unterstützen126, teilen die übrigen 118

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Tabarl 1,860 (II 73), Nihäya fol. 126b; at-Ta'âlibî S. 552f. kehrt die Reihenfolge der Vorschläge um. Vgl. weiter Bal'amì S. 118f., Färs-näma S. 76f. Bal'amì a. a. O. ; auch Nihäya a. a. O. spielt darauf an: Bahräm will in einer Diskussion klarmachen, daß er nicht seinesgleichen hat, und daß er allein zur Herrschaft berechtigt ist. Doch klingt der Vorschlag in der Nihäya nur nach 120 34,571—584. rhetorischer Floskel. 34,648: „Der Löwenkampf ist lediglich ein Vorwand — genug damit. Hernach wird niemand mehr nach Größe suchen ( = nach Beweisen der Größe)." 19,53: „Jetzt ist ein überzeugender Vorwand nötig, der diesem Versprechen seine Verbindlichkeit nimmt." 19,87: „Der Vorwand ist dieser: daß der gewinnt, der sich zwischen zwei Löwen mutig zeigt." Tabarî 1,861 (II 74); at-Ta'âlibî S. 552 (nach ausgiebigen Beratungen): „Ein Teil von ihnen neigte zu Bahräm, ein anderer zu Husrau, wieder ein Teil zu noch einem anderen." Vgl. Firdausi 34,646. Tabarî 1,861 (II 73), Nihäya fol. 127a; Firdausi 34,602: „Da er es selbst gesagt und es selbst vorgeschlagen hat, können wir auch, wenn er stirbt, froh sein." 20,lf.: „Die Königsanhänger, die die Liebe des Königs gesehen und jene guten Worte gehört hatten, kehrten zurück zu ihrem Haus, vor sich das Bild des neuen

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Iranier ihre Begeisterung nicht. Husrau will sofort die Krone niederlegen, als ihm die Löwenprobe genannt wird126, doch halten ihn die Iranier davon ab, indem sie ihm klarmachen, wie gering Bahräm's Aussichten auf ein siegreiches Bestehen der Probe sind127. So willigt auch Husrau in die Bedingung ein. Hier wird wieder einmal deutlich, wie eng sich Nizämi inhaltlich an seine Quellen anschließt, auch wenn er den Stoff formal in einen anderen Rahmen stellt. Bei der Darstellung der Löwenprobe führen einige der Historiker und Firdausi mehr Einzelheiten an als Nizämi, der diese Episode verhältnismäßig knapp behandelt. Da die beiden Volkstexte die Löwenprobe natürlich breit ausmalen, ergeben sich in einigen Punkten Ubereinstimmungen mit den alten Quellen, die nicht über Nizämi in die Volksbücher gelangt sein können. Diese Übereinstimmungen können einmal zufällig sein und ihren Grund in dem volkstümlichen Erzählungsstil haben, der auch bei den Historikern nicht selten zutage tritt, besonders an Stellen wie dieser, wo sie eine durch lange mündliche und schriftliche Tradition vorgeformte Sage wiedergeben. Zum anderen — das trifft für Details zu, die nur in der Qissa vertreten sind — kann an eine direkte Benutzung der alten Quellen durch den Herausgeber der Qissa gedacht werden. In der Schilderung der Vorbereitungen für die Löwenprobe stimmen die Qissa und PB wieder fast wörtlich überein128, sie geben also ihre Vorlage Königs." Vgl. die Wirkung der Erscheinung Bahräm's auf den Gesandten Guwânôë bei Tabari 1,859 (II 72): „Als ôuwânôë al-Mundir's Worte gehört hatte und sich erinnerte, in welch herrlicher Gestalt er Bahrâm erblickt, und welchen Schrecken er dabei empfunden hatte, da sah er es als bewiesen an, daß alle die verkehrt gehandelt hätten, welche geraten hatten, Bahrâm vom Throne auszuschließen" (nach NÖLDEKE, G.d.S. S. 93). 126

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20,14f.: „Der alte Mann, der den Thron erprobt und die Krone in Ehren gehalten hatte, legte die Krone nieder und nahm unterhalb des Thrones Platz. Er sagte: Ich bin dieser Krone und dieses Thrones überdrüssig, wegen derer ich mein Leben einem Löwen geben soll." Vgl. die Argumentation Husrau's vor der Löwenprobe bei Firdausi 34,662 ff. 20,25ff.: ,,Es ist kein Spiel, die Krone vor den Löwen wegzunehmen. (Wir wollen sehen,) welche Listen die dunkle Nacht spielen läßt. Wir wollen seine Bedingung ausführen, die Löwen anbinden und die Krone hinbringen. Wenn er Angst hat, so ist der Elfenbeinthron dein, und wenn er getötet wird, so ist die Krone ebenfalls dein. Wenn er jedoch siegreich ist und die Krone aufhebt, so soll er auch die Steuern des Reiches erheben." Qissa S. 31,21: „Am Morgen des nächsten Tages zogen die Wezire und Wakile, die Herren der Regierung und das Volk der Stadt, Klein und Groß, Mann und Frau, zu einem weiten Platz inmitten der Stadt, und alle waren in großer Bestürzung." PB S. 16: „Am nächsten Morgen wählten sie einen weiten Platz aus. Dann kamen alle Wezire und Wakile und die Stützen der Regierung, Klein und Groß, Mann und Frau, zu jenem Platz gegangen, und alle waren in Bestürzung."

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Kommentar zur Rahmenerzählung

getreu wieder. Daß das Schauspiel am frühen Morgen viele Zuschauer herbeilockt, berichten Nizämi129 und Firdausi130 ebenso wie die Qissa und PB. Auch Husrau zieht zum Kampfplatz. Nizämi erwähnt seine Anwesenheit nicht, da sie als selbstverständlich vorausgesetzt werden muß, soll doch die Löwenprobe ein Entscheidungskampf zwischen ihm und Bahräm sein. Die beiden Volkstexte engen jedoch den Teilnehmerkreis der Probe nicht auf die beiden Rivalen ein; denn später wird durch einen Herold bekanntgemacht, wer immer es wage, sich der Löwenprobe zu unterziehen und sie bestehe, solle König sein (33, Iff.). Nur Firdausi hat die gleiche Ausweitung der Probe; denn Bahräm's Vorschlag ist zunächst allgemein gehalten und gilt jedem unbescholtenen Iranier131. Auch bei dem folgenden Detail könnte ein Einfluß Firdausi's vorliegen. Die Qissa (31,26) und PB berichten nämlich, daß die Königskrone auf den königlichen Thron gelegt wurde, an den dann die Löwen angebunden wurden. Die gleiche Darstellung findet sich bei Firdausi132 und in einigen anderen persischen Quellen133, während Nizämi134 wie die übrigen Quellen135 sagt, daß sie auf den Erdboden gelegt wurde; jedenfalls wird in diesen Texten der Thron nicht erwähnt. Nach einigen sehr alten Quellen136 wurde der königliche Ornat (zïna) zusammen mit der Krone dort niedergelegt. Vielleicht wurde der Herausgeber der Qissa durch diese Stellen angeregt, in der voraufgehenden Diskussion mit den Iraniern (30,10) Krone, Thron und Mantel (quftän) 137 als Insignien des M»

21,Iff. i3» 34,660. 131 34,587ff. : „Wir binden die wilden Löwen zu beiden Seiten an; jeder, den es nach der Königsherrschaft gelüstet, soll hingehen und die Krone vom Elfenbeinthron aufheben: der Held soll sich die Krone auf's Haupt setzen. Niemanden als ihn wollen wir zum König, ist er nur gerecht und unbescholten." Allerdings geht es in der eigentlichen Löwenprobe auch bei Firdausi nur um die Entscheidung zwischen Bahräm und Husrau. 132 34,659: „Sie banden sie an die Füße des Elfenbeinthrons und legten die Krone auf eine Ecke des Elfenbeinthrons." 133 Gardïzï S. 27, Mugmal S. 69. Allerdings braucht täht nicht als Königsthron verstanden zu werden. Bei Gardïzï steht ζ. B. die indefinite Form tahti. 184

21,6.

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Tabari 1,861 (II 74), at-Ta'älibl S. 553; Bal'ami S. 119: ausdrücklich: auf den Boden gelegt. Ya'qübi I 141, Tabari a. a. O., Färs-näma S. 77. quftän¡qaftän, pers. haftän wird als „Waffenrock", aber auch als „Helm, Rüstung" gedeutet. Firdausi gebraucht es in der Bedeutung „Waffenrock" (6,790; 35,71). D O Z Y , Vêtements S. 162f.: es handelt sich um ein Wort fremden Ursprungs. Die Zeit seiner Einführung ins Arabische ist unbekannt. Zur Zeit des Propheten war es noch nicht in Gebrauch. Doch schon bei Mas'üdi findet es sich. Er beschreibt den prächtigen haftän des Kalifen al-Muqtadir. Obwohl das Kleidungsstück in den einzelnen Ländern verschiedenen Moden unterworfen war, handelt es sich immer

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Der Thronstreit

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Königs zu nennen. Wie die Qissa gehen auch einige der Historiker und Firdausi auf den Transport der Löwen zum Kampfplatz ein138, ein Detail, das sicher schon in der alten Quelle dieser Autoren, dem Huatäi-nämak, gestanden hat 139 . Von den beiden Löwen wird in den Volksbüchern ausdrücklich gesagt, sie seien hungrig gewesen. Auf diese Feststellung legen auch die Historiker Wert140. Tabari fügt noch hinzu, daß sie Junge hatten (musbilain), was ihre Gefährlichkeit noch erhöhte. Nizämi hatte Bahräm schon anfangs fordern lassen, die Löwen sollten hungrig sein141 und geht an dieser Stelle nicht mehr darauf ein. Die Löwen werden zu beiden Seiten des Thrones angepflockt. A, dem die beiden Volkstexte hier anscheinend genau folgen, kann diese Schilderung nicht aus den Haft Paikar übernommen haben; denn Nizämi geht nicht auf die technische Seite des Löwenkampfes ein142. Auch hier kommt wieder Firdausi als Quelle in Frage113, falls dieses Detail nicht einfach als selbstverständliche Lösung des praktischen Problems angesehen werden muß. Ähnliches gilt für die Historiker, die dieses Detail erwähnen144; ihre Schilderung der praktischen Ausführung braucht nicht unbedingt auf eine gemeinsame Quelle zurückgeführt werden. Auf den volkstümlichen Erzählungsstil der Qissa und PB's geht die breite Darstellung der Anteilnahme des Volkes am Schicksal Bahräm's zurück. Der Held Bahräm gewinnt bei seinem Auftreten sofort die Herzen der rechtschaffenen Leute des Volkes. Die Gegner Bahräm's, die Wezire und Wakile, sind in dieser Auseinandersetzung als herzlose Bösewichte geschildert, die Bahräm bis zuletzt verlachen und verspotten. In dieser Verteilung von Gut und Bös bleiben die beiden Volkstexte ihrer Darstellung am Anfang des Thronstreits treu145. Dagegen ist es in den alten Quellen gerade der Vertreter der vornehmen Iranier, der Obermöbad, der bis zuletzt u m ein weites, fußlanges Gewand, ζ. T. ohne Ärmel. S. 167: Die F o r m qaftän oder quftän s t a t t haftän scheint erst seit d e m 16. J h d . in Gebrauch gekommen zu sein. 138

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T a b a r i 1,861 (II 74), Bal'amï S. 119, Firdausi 34,657f. Diese Quellen nennen den N a m e n des Eigentümers der beiden Löwen, eines Spahbad namens Bistäm bzw. G u s t a h m . S. dazu N Ö L D E K E , G.d.S. S. 96, A. 3. Das wird durch die Überlieferung des Eigennamens des Löwenbesitzers bekräftigt. T a b a r i a. a. O., at-Ta'älibi S. 553, Bal'amï a. a. O., Gardïzï S. 27. Färs-näma S. 77. 19,87: ,,. . . (Löwen), deren Magen nicht mit F u t t e r gefüllt ist." 21,5: „Sie warfen Löwen auf Löwen übereinander . . ." 34,659; s. oben A. 132. Bal'amï a. a. O.: sie geben den Löwen an ihren K e t t e n Bewegungsfreiheit. Nach T a b a r i 1,862 (II 74) l ä ß t m a n ihre K e t t e n locker (arhä). N Ö L D E K E ' S Übersetzung S. 96: er ließ ihre K e t t e n los, ist mißverständlich. Vgl. Gardïzï S. 27, Färs-näma S. 77. S. oben S. 105.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

versucht, Bahräm von seinem Vorhaben abzubringen und sein Leben zu retten 146 . Bahräm stellt sich als einziger der Probe. Husrau wird an dieser Stelle von den Volkstexten nicht erwähnt, da seine Weigerung, für die Krone sein Leben zu riskieren, schon früher berichtet wurde. Nizämi deutet jedoch an, daß sich Husrau der Teilnahme an dem Entscheidungskampf nicht von vornherein entziehen konnte: ,,Es wurde entschieden, daß der löwenmutige Bahräm als erster zu den Löwen schreiten sollte 147 ." Darin folgt Nizämi den Berichten Firdausï's und der Historiker, die schildern, mit welchen Argumenten es Husrau gelingt, Bahräm den Vortritt zu lassen148. In den beiden Volkstexten geht Bahräm unbewaffnet in den Kampf; was er an Waffen mit sich führt149, legt er vorher ab. Zuletzt gürtet er sein Gewand. Diese Darstellung geht auf Nizämi zurück, bei dem Bahräm ebenfalls ohne Waffen, mit gegürtetem Gewand, den Löwen entgegentritt160. Dagegen berichten die alten Quellen, daß er sich den Löwen nicht waffenlos stellte; die meisten lassen ihn eine Keule151 mitnehmen, aber auch ein Schwert162 und ein Stein163 werden als Waffen genannt. Vor dem Kampf spricht Bahräm in den beiden Volksbüchern ein Gebet, dem später, als er sich den Löwen bereits genähert hat, das echt muslimische bismi'lläh folgt164, 148 147 148

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Tabari a. a. O., Bal'ami S. 119, Firdausi 34, 668ff., Färs-näma a. a. O. 21,13. Tabari l , 8 6 1 f . (II 74): Zuerst fordert Bahräm Kisrä auf, sich als erster der Probe zu unterziehen. Darauf erwidert Kisrä: „Dir liegt es näher, anzufangen, weil du die Herrschaft als dein Erbe verlangst, während ich sie nur usurpiere" (NÖLDEKE, G.d.S. S. 96). Bal'amï's Begründung ist viel verständlicher. Bei ihm sagt Kisrä: „Du forderst die Herrschaft und willst sie mir wegnehmen." Deswegen soll Bahräm als erster in die Arena. Vgl. Färs-näma a. a. O. Firdausi läßt Kisrä dieselbe Begründung vortragen, dazu seine altersbedingte Schwäche (34,663f.). Nach der Qi?sa S. 33,9f. legt Bahräm seinen Panzer (dir') und seine täsa ab. Bei letzterem handelt es sich wahrscheinlich um einen Helm. Dozy gibt diese Bedeutung neben der gebräuchlichen „Tasse" an. In der Bedeutung „Helm" ist es erst im 19. Jhd. belegt (M. 'UMAR AT-TUNISÎ, Voyage au Ouaday), wahrscheinlich war die Form eines bestimmten Helms einer Tasse ähnlich. Vgl. dazu den Ausdruck baida, im klass. Arabisch für „ H e l m " gebraucht, ebenso die poetische Bezeichnung basal (Zwiebel). LANE, Arabian Nights I 605, Ν. 5: "The Arab completes his armour by putting on his head an iron cap (täs), which is but rarely adorned with feathers" (nach BURCKHARDT, Notes on the Beduins and Wahabys). 21,20: „ E r schürzte den Saum seines Mantels mit dem Gürtel . . . " Vgl. at-Ta'älibi S. 553: auch hier schürzt sich Bahräm. Ya'qübi I 141 (gurz), Tabari 1,862 (II 74) (gurz), at-Ta'älibi a. a. O. {'amüd), Firdausi 34,667 (gurza), Färs-näma S. 77 (gurz), Mugmal S. 69 (gurz). at-Ta'älibi a. a. O. Bal'ami S. 119. Qi§?a S. 33,28: dakara 'lläh ist gleichbedeutend mit PB's bismi 'lläh (S. 17).

Der Thronstreit

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das der Held orientalischer Volkserzählungen stets in solchen Situationen spricht. Auch bei Tabari und Firdausï fehlt das religiöse Moment nicht ; es geht allerdings vom Obermobai aus, der den ungestümen, auf seine Kraft vertrauenden Prinzen vor dem Kampf auffordert, seine Sünden zu bereuen. Bahräm gehorcht ihm 155 . Die Schilderung des eigentlichen Löwenkampfes ist in den beiden Volkstexten sehr unterschiedlich. Sie stimmen nur soweit überein, daß Bahräm sich den Löwen nähert und ruhig abwartet, bis die Löwen sich auf ihn stürzen. Während in PB Bahräm die beiden Löwen, die ihre Kette zerrissen haben, am Nackenfell packt und sie mit den Köpfen solange aneinander schlägt, bis sie tot sind, faßt Bahräm in der Qissa die Löwen bei den Ohren und hält ihnen mit gewaltiger Stimme eine Schimpfrede, so daß sie vor ihm zittern. Dann reißt er sie mit aller Kraft an den Ohren, bis sie tot zu Boden sinken. Es fällt sogleich auf, daß die Schilderung der Qissa nicht plausibel ist. Sowohl der Zeitpunkt der Schimpfrede, wie auch die Todesursache der Löwen wirkt schlecht gewählt und eher komisch. Ein Rückschluß auf die Fassung /l's ist durch die Verschiedenheit der beiden Versionen nicht ohne weiteres möglich. Erschwert wird er noch dadurch, daß Nizämi's Schilderung so knapp ist 156 ; außerdem hat diese kurze Darstellung fast keine Ähnlichkeit mit der der beiden Volkstexte. Für Firdausï gilt das gleiche167. Doch lassen sich bei Nizämi und bei den Historikern einzelne Ubereinstimmungen mit der Darstellung der Qissa bzw. PB's aufzeigen. So berichtet auch Nizämi, daß Bahräm die Löwen zunächst durch sein lautes Gebrüll einschüchterte 168 . Dieses Detail kann also von Nizämi über A in die Qissa gelangt sein. Nizämi folgt hierin alter iranischer Volkstradition, die die gewaltige Stimme eines Mannes als Maßstab seiner Stärke und seines Heldentums ansieht. So setzt der Held seine Stimme oft als erste Waffe ein und bringt schon dadurch die Feinde ins Wanken 189 . 155 156

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Tabari a. a. O., Firdausï 34,674ff. 21,21ff.: „Er brüllte schnell die wilden Löwen an und raubte die Krone aus der Mitte der beiden Löwen. Sie machten einen Angriff wie gewaltig Starke, Dolche in der Hand, Schwerter in den Zähnen, um das gekrönte Haupt zwischen ihre Klauen zu bringen und dem Welteroberer seine Aufgabe schwer zu machen. Als der König beschloß, sie zu züchtigen, schleuderte er beider Köpfe unter seinen Fuß. Er zerriß ihre Klauen und zerbrach ihre Zähne; er brachte Kopf und Krone heil davon aus der Mitte der Löwen." 34,677ff. : „Einer zerriß schnell Kette und Fessel und kam auf den erhabenen Herrscher zu. Er schlug ihm die Keule auf den Kopf, der Held Bahräm, und raubte seinem Auge alles Licht. Dann stürzte er sich auf den anderen und schlug ihm auf den Kopf. Das Blut flöß ihm aus dem Auge auf die Brust." 21,21. Besonders deutlich wird das in der Rustam-Sage bei Firdausï. Der Vogel Sïmurg sagt Zäl vor der Geburt seines Sohnes voraus (6,1672). „Vor seiner Stimme zer-

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Bei Tabari ist der Löwenkampf besonders abenteuerlich und ausführlich dargestellt160. Hier findet sich eine wichtige Gemeinsamkeit mit der Qissa: Bahräm packt einen der Löwen, der sich auf ihn stürzen will, bei den Ohren und fügt ihm starke Schmerzen zu. Aber auch die Schilderung in PB kann Ubereinstimmungen mit Tabari aufweisen: bei Tabari schlägt Bahräm die Köpfe der Löwen so lange zusammen, bis ihr Gehirn verletzt ist. Fügt man die Darstellungen PB's und der Qissa mit wenigen Abstrichen zusammen, ergibt sich eine brauchbare Version, die in den Grundzügen mit Tabari's übereinstimmt. Vielleicht hat die Fassung des Löwenkampfes in A ungefähr diese Form gehabt. Da jedoch die Löwenprobe Bahräm's eine sehr bekannte Sage ist 161 , können die Herausgeber der beiden Volksbücher in diesem Falle auch von anderen Darstellungen als der A 's ausgegangen sein, so daß ihre Verschiedenheit nicht in einer selektiven Benutzung von A begründet sein muß. Mit der Tötung der Löwen steht Bahräm der Weg zu Krone und Thron offen; er krönt sich selbst und besteigt den Thron. Als erster huldigt ihm sein Rivale Husrau. Die beiden Volkstexte folgen in dieser Darstellung Nizämi162, dessen Quelle hier entweder Firdausi 183 oder Tabari/Barami 1 6 4 gewesen ist. Die Huldigungsszene ist in den Hauptquellen so ähnlich gestaltet, daß man sie auf eine Quelle, das Huatäi-nämak, zurückführen kann. Während die Qissa und PB herausstellen, wie freundlich sich Bahräm gegenüber seinen früheren Feinden zeigt, berichten Tabari 166 und Firreißt das Fell des kriegerischen Leoparden, und er beißt in seine zwei Pfoten." V. 1674: „Vor seiner Stimme vergeht das Herz des kriegerischen, eisenzerbeißenden Mannes." Rustam wendet seine Stimme bereits im ersten Abenteuer, dem Kampf mit dem weißen Elefanten, an (V. 1839). Auch in der Qissa spielt das Geschrei Bahräm's im Kampf gegen den Chinesenkönig eine Rolle, in PB ebenfalls. 160

161

1,862 (II 74). Bahräm reitet auf einem der Löwen und schlägt ihm dabei mit der Keule auf den Kopf. Als der andere angreift, packt er ihn an den Ohren und schlägt beider Köpfe zusammen. Dann tötet er sie vollends mit der Keule. Sie findet sich ζ. B . auch im Kitäb at-täg S. 164ff. § 136ff., im Mustatraf I 2 5 6 1 ,

im Tärih-i Guzida I 112, in den öawämi' des 'Auf! (Introduction S. 148 Nr. 173a). 162

163

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21,26: „ E r setzte die Krone auf's Haupt und ließ sich auf dem Thron nieder. Ein solches Glück kann das Schicksal schenken." 2 2 , l l f . : „Als der, welcher zuerst auf dem Königsthron gesessen hatte, und dem die Stadt und die Truppen gehuldigt hatten, diese Herrlichkeit Bahräm's, durch den Diadem und Thron Ruhm gewonnen hatten, sah, nannte er ihn als erster unter Kleinen und Großen „König des Universums, Herrscher der W e l t . " 34,680ff.: „Der Weltherrscher setzte sich auf den Elfenbeinthron und hob die herzerleuchtende Krone auf sein Haupt. Husrau ging hin und brachte ihm seine Verehrung dar und sprach: O stolzer König, Möge dein Thronen glücklich und mögen die Starken der Erde vor dir Sklaven sein." Tabari 1,862 (II 75), B a i a m i S. 120. a. a. O.

Der Thronstreit

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dausi188, daß es die Großen der Iranier doch für ratsam halten, al-Mundir um Vermittlung bei Bahräm zu bitten. Betrachtet man den Thronstreit nach dem Tode Yazdgerd's unter dem Gesichtspunkt der Historizität, muß manches in der Darstellung der Volkstexte und Nizämi's, aber auch der alten Quellen, zweifelhaft erscheinen. Festzuhalten sind jedoch die Grundzüge: Nach dem Tode Yazdgerd's wählten die Iranier einen ihnen genehmen Adligen zum König. Bahräm, der zu der Zeit in al-Hira weilte, erzwang sich mit Hilfe der arabischen Truppen unter al-Mundir die Herrschaft167. Welche Mittel und Methoden er dabei anwandte, ist nicht sicher zu sagen. Es ist möglich, daß eine persönliche Entscheidung zwischen ihm und Husrau herbeigeführt wurde. Obwohl die Löwenprobe schon in der ältesten Quelle, dem Huatäi-nämak, gestanden haben muß, ist ihre Geschichtlichkeit sehr unwahrscheinlich188. Zudem stellt sie ein in sich geschlossenes Sagenmotiv dar, das sich auch in anderen Kulturkreisen findet. BASSET189 weist darauf hin, daß es auch im Sagenkreis um Pipin den Kurzen vorkommt. Das schließt nicht aus, daß es seinen ursprünglichen Platz doch in der Bahräm-Tradition hat; denn es könnte sich um ein Wandermotiv handeln. Wie sehr schon die Hauptquelle der uns vorhegenden historischen Texte und Firdausi's ihre Darstellung aus bestimmten Rücksichten färbte, zeigt das Verschweigen eines wichtigen Faktums: Außer Bahräm hatte auch sein älterer Bruder Säpür, dem Yazdgerd die Verwaltung Armeniens übertragen hatte, nach dem Tode des Vaters seine Thronansprüche angemeldet. Als er zur Durchsetzung seiner Rechte nach Ktesiphon kam, wurde er von den iranischen Großen ermordet. Keine der persischen oder arabischen Quellen erwähnt auch nur seinen Namen, so daß auch das H"atäi-nämak ihn totgeschwiegen haben muß. Die Nachricht findet sich nur bei einem armenischen Historiker170. Bei der Thronbesteigung ist Bahräm nach den Worten der Qissa (36,4) und PB's (S. 18) 18 Jahre alt. Dieses Alter muß von A, dem es die beiden Volkstexte entlehnt haben müssen, willkürlich gewählt sein; denn Nizämi 166

35,56—62.

I I I 347, N Ö L D E K E , G.d.S. S . 98, A. 1, J U S T I , Geschichte Irans S. 627, L'Iran S. 274ff. 1 6 8 C H R I S T E N S E N a. a. O.: „Die Legende von der Mutprobe mit den Löwen wurde zweifellos erfunden, um die peinliche Tatsache zu verdecken, daß eine kleine arabische Armee genügte, um den Adel zur Anerkennung der Rechte eines von ihm abgelehnten Thronfolgers zu zwingen." ie» ji 475. iQn remarquera le rapport de ce récit avec celui de l'exploit de Pépin le Bref dans les circonstances analogues et dont on a plusieurs versions dans l'Astronome limousin, le moine de Saint Gali, et Adenès li Rois H Roumans de Berte aus grans piès, ed. S C H E L E R , p. 1, V. 11—12; p. 2—4, V. 46—78." 170 S. oben S. 38, A. 27.

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S. SPIEGEL

CHRISTENSEN,

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Pantke, Romaa

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Kommentar zur Rahmenerzählung

geht nicht auf Bahräm's Alter ein. Zwar nennen auch einige Historiker sein Alter bei der Thronbesteigung, doch geben sie es übereinstimmend mit 20 Jahren an171. Die Freudenmaßnahmen aus Anlaß der Thronbesteigung sind in den beiden Volkstexten sehr ausführlich beschrieben. Außer von Freudenboten und Ausschmückung der Stadt hören wir von Geldspenden an die Bedürftigen, von Armenspeisung und von der Verleihung von Ehrenkleidern an die Vornehmen. Diese Details spiegeln orientalische Bräuche wider und sind von daher als Topoi in die volkstümliche Erzähltradition eingegangen172. Während sich Nizämi hier sehr knapp faßt, erzählen die Historiker und Firdausi ebenfalls recht breit, wie das Fest der Thronbesteigung begangen wurde. Eine Reihe der genannten Details finden sich in ihren Berichten wieder, was ihre Nähe zum Stil der Volkserzählung beweist. So berichtet die Nihäya von Geldspenden an die Armen und von Geschenken an die Vornehmen173. Dagegen beziehen sich die Geldgeschenke nach anderen nur auf die Araber und das Heer. Auch die Verleihung von Ehrengewändern wird erwähnt. Zwar werden sie nach den meisten Quellen al-Mundir und seinem Sohne174, nicht den Iraniern, verliehen, doch bei Firdausi übersendet Bahräm auch seinem früheren Gegner Husrau ein Ehrengewand und andere Geschenke176. Firdausi erwähnt auch Freudenboten17®, Ausschmükkung des Palastes177 und Festmähler178. Nach einigen alten Quellen erließ Bahräm bei seiner Thronbesteigung den Iraniern die noch ausstehende Grundsteuer179, eine Nachricht, die glaubhaft erscheint180. 171 172

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175 17e

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So Mas'ödl, M.d- I 261, Tabari 1,863 (II 75), Bal'amï S. 120, Färs-näma S. 78. S. oben S. 39. Zur Sitte, Ehrengewänder zu verleihen, s. C H R I S T E N S E N , L'Iran S. 408f.: „La coutume royale de distìnguer un homme en lui donnant une robe d'honneur est tris ancienne ; plus tard, elle fut adoptée par les califes et entra par là dans 173 la vie de cour de tout l'orient islamique." fol. 128a. Seltsamerweise ist in den beiden Volkstexten keine Rede mehr von al-Mundir und seinen Arabern. Auch Nizämi erwähnt sie an dieser Stelle nicht; erst viel später spricht er von an-Nu'män's Rückreise, die nach der Besiegung des Häqän erfolgt (28,88). 35,75f.; auch in der Nihâya fol. 128a macht Bahräm Husrau Geschenke. 35,51 f.: „Lest auch einen Freudenbrief vor, durch den ihr ewige Ehre und Kostbares findet. Einen Gruß von mir an das ganze Königreich, besonders an die, deren Zuneigung vollkommen (wörtlich: Kette und Schuß) ist." 35,63: ,,Er schmückte den königlichen Palast, und es kam, wer Glück und Macht besaß." 35,63ff.: ,,Αη jedem Platz stellte man einen Speisetisch auf und ließ Wein, Musik und Musikanten kommen. Am nächsten Tag kam eine andere Gruppe, eine Zeitlang wurde sie des Essens nicht müde. Drei Tage lang gab es Festmähler, Wein und Gelage; Kummer war dem Palast des Weltkönigs fern." Tabari 1,866 (II 78): Bahräm erläßt die ausstehende Grundsteuer, 70.000.000 Dirham und ein Drittel der Steuer seines ersten Regierungsjahres; Nihäya fol. 128a

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Als erste Amtshandlung verkündet Bahräm sein Regierungsprogramm. Die Verkündigung durch Herolde oder Ausrufer steht hier anstelle der Thronrede, die Nizämi181 im Anschluß an die meisten Quellen182 an dieser Stelle einfügt. Jedoch haben die Qissa und PB, also A, nur den äußeren Rahmen verändert; inhaltlich stimmt das von den Herolden ausgerufene Programm genau mit der Thronrede in den Haft Paikar überein; Nizämi wiederum hält sich in den Hauptpunkten an Firdausï. Die Verkündigung beginnt mit dem Dank des Königs an Gott, der ihm den Thron geschenkt hat und die Löwen vernichtete; denn nicht seine eigene Tapferkeit hat ihn siegen lassen, sondern Gottes Hilfe. Das gleiche lesen wir bei Nizämi188. Auch bei Firdausï184 und in der Nihäya1Si leitet Bahräm seine Proklamation mit dem Dank an Gott ein. Da der Löwenkampf in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird, wirkt diese Einleitung in den beiden zuletzt genannten Texten eher formelhaft. Als nächstes nennt Bahräm die Pflicht, die ihm auferlegt ist: Gott wohlgefällig zu handeln, indem er Gerechtigkeit walten läßt und sich um die Angelegenheiten der Untertanen kümmert. Auch hierin stimmen die Volkstexte wieder mit Nizämi184 überein. Das Versprechen der Gerechtigkeit und Sorge um das Wohl des Volkes findet sich ebenfalls bei Firdausï187 u n d in der

Nihäyalss.

Dann fordert Bahräm alle, die ein Amt bekleiden, auf, ihm auf dem Weg der Gerechtigkeit zu folgen. Nur so wird Sicherheit und Ruhe ihr Anteil sein. Darin sieht Bahräm eine Freudenbotschaft (biSära) für alle hat Steuererlaß für das Jahr der Thronbesteigung und Erlaß der Hälfte der Steuern für das folgende Jahr; Gardïzï S. 27: Steuererlaß für 7 Jahre. Diese Nachricht spiegelt sich sicher in den Haft Paikar wider, wo von einem 7jährigen Steuererlaß kurz nach der Thronbesteigung die Rede ist. 180

S. NÖLDEKE, G.d.S.

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22,17 ff. Tabarï 1,863 (II 75) : Die Thronrede zieht sich über 7 Tage hin, bei Firdausï 35, 1—35 ebenfalls; auch Nihâya fol. 127b erwähnt kurz die Thronrede; das Schwergewicht hegt allerdings auf einem Brief, der die Grundlagen seiner Herrschaft aufzeigt. Ya'qübi I 141 und at-Ta'âlibï S. 555 erwähnen nur eine briefliche Botschaft. 22,18ff. 35,5: „Danach sprach er: Diese Krone und den Thron habe ich von dem erhalten, der das Geschick (Glück) geschaffen hat." fol. 127 b. 22,22f.: „Da ich nun die Krone erlangt habe und den hohen Thron, will ich gottgefällige Werke tun. Ich will mein Handeln so einrichten — wenn Gott es zuläßt — daß es niemanden durch mich bedrückt." 36,13.28ff.38ff. a. a. O. „Ich werde mich um euer Bestes (çalâh) bemühen . . . und darum, Gerechtigkeit in eurem Reich walten zu lassen."

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S. 105, A . 5, CHRISTENSEN, L'Iran

S. 124.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Gutwilligen. Wieder lesen wir gleiches bei Nizämi, selbst die Freudenbotschaft (nuwëd) fehlt nicht189. Hier läßt sich der Anknüpfungspunkt bei Firdausï nicht in der Thronrede, sondern in einer späteren Rede an die Iranier finden: „Jeder, der unseren Befehl erwählt, soll das Haupt nicht von unserem Weg und Versprechen abwenden190'*. Auch in der Nihäya191 fordert Bahrain seine Untertanen auf, seine Worte als Freudenbotschaft zu verstehen. Zu den Versprechungen fügt Bahräm eine Drohung: Hört er, daß sich einer von den Großen vergangen hat, will er zunächst Milde walten lassen ; beim zweiten Mal jedoch trifft ihn unerbittliche Härte. Eine gleichlautende Drohung spricht Bahräm bei Firdausï aus, als er den Iraniern im Thronstreit seine Regierungsprinzipien aufzeigt182. In den Haft Paikar verspricht Bahräm an dieser Stelle, jedem nach seinem Tun zu vergelten, Unrecht also hart zu strafen193. Bahräm's Regierung richtet sich in den ersten Jahren nach diesen Prinzipien, so daß das Land eine Blütezeit erlebt. Auch hierin stimmen die beiden Volkstexte mit Nizämi194 überein, doch deutet sich bei diesem bereits der spätere Niedergang an, da schon zu Anfang Bahräm's Hang zu Lust und Vergnügen erwähnt wird195. Allerdings gewinnt diese Veranlagung Bahräm's in den ersten Jahren seiner Regierung noch nicht die Oberhand, so daß Nizämi diese Epoche als das Goldene Zeitalter ausmalen kann. Der Glanz dieser Jahre wird von Nizämi noch dadurch hervorgehoben, daß er sie vor den dunklen Hintergrund einer vierjährigen Dürreperiode stellt. Bahräm öffnet seine Getreidespeicher und sorgt so gut für das Volk, daß nur ein einziger Mann an Hunger stirbt. Während dieser Zeit vermehrt sich das Volk und lebt sorgenlos und glücklich auf Kosten des Königs, der für 7 Jahre alle von der Steuer befreit hat19®. Diese Geschichte, die die Volkstexte nicht erzählen, hat ihren ursprünglichen Platz nicht in der BahrämTradition, sondern gehört in die Regierungszeit seines Enkels, Peröz b. 189

180 181 182

193

194 195 198

22,24ff. ; 22,30: „Die Lebenden sollen von mir Sicherheit und freudige Nachricht erhalten, mehr als das Maß von Schwarz und Weiß ( = über die Grenzen von Schwarz und Weiß hinaus). 35,104. a. a. O. 34,610: „Dem, der sich schuldig gemacht hat, will ich Rat spenden. Wenn er es aber ein zweites Mal tut, bringe ich die Fessel herbei." 22,28: „Was mir als Pflicht zugefallen ist, das ist Unrecht für Unrecht, Gerechtigkeit für Gerechtigkeit." 23,19ff. 23,28ff. cp. 24. Vom Steuererlaß ist 24,49 die Rede.

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Die Geschichte der Sklavin Fitna

Yazdgerd b. Bahräm Gör197. Nizämi hat sie jedoch mit echten BahrämTraditionen vermischt198. Die Beurteilung dieser Epoche bei den Historikern ist sehr unterschiedlich. Während ein Teil nicht differenziert und Bahräm von Anfang an als leichtlebigen Herrscher schildert199, der durch seine Sorglosigkeit das Land in äußerste Gefahr bringt, betonen andere200, daß er seine Regierung in Gerechtigkeit und Milde eröffnete. Hierin kann sich also die Darstellung Nizämi's und folglich die der Volkstexte wieder auf die historische Tradition berufen.

3. Die Geschichte der Sklavin Fitna (Inhaltsangabe

S. 17—19)

Mit der Thronbesteigung ist Bahräm dem Ziel der Weltherrschaft, die ihm einst durch die Inschrift im Hawarnaq verheißen wurde, näher gekommen. Dagegen ist er von der Erfüllung der zweiten Verheißung, Gemahl der 7 Prinzessinnen zu werden, weit entfernt. So ist sein Glück noch nicht vollkommen, da ihm die Liebe zu den Prinzessinnen keine Ruhe läßt. Die Qissa malt Bahräm's unglückliche Liebe und seine Sehnsucht sehr breit aus, während sich PB auch hier wieder knapp faßt. In den Haft Paikar spielen die 7 Prinzessinnen zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle im Leben Bahräm's, so daß A, an das sich die beiden Volkstexte halten, in der Anlage dieser Szene eigenständig ist. Hier ist die Tendenz der Volksbücher zu spüren, die einzelnen Episoden stark zu verklammern, während sie von Nizämi eher aneinandergereiht werden1. Da schon früher erzählt wurde, i»7 vgl. Xabarï l,873f. (II 82f.), in dessen Bericht sich fast alle Grundzüge der von Nizämi berichteten Geschichte finden. (Allerdings dauert die Dürre bei ihm 7 Jahre). Auch der Steuererlaß wird erwähnt. Nur ein einziger Mann stirbt in dieser Zeit an Hunger; alle anderen werden dank der Fürsorge des Königs vor dem Hungertod bewahrt. Sehr kurz erwähnen auch Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 661 und Mulinai S. 71 die siebenjährige Dürre unter Pêrôz. Auch in "Aufi's öawämi* wird von ihr berichtet (Introduction S. 148 Nr. 177). Nach Mugmal begießen sich die Iranier beim Einsetzen des ersten Regens vor Freude gegenseitig mit Regenwasser. Darin wird der Ursprung des Festes ? abb al-mâ', pers. äb rizan gesehen. 198 So die Nachricht, daß Bahräm den Tag offiziell in eine Hälfte für die Arbeit, eine Hälfte für Vergnügen einteilte; (vgl. Hamza S. 49) und viele Musikanten in die Städte brachte; vgl. Gardïzï S. 27. 1S» Dïnawarï S. 57, Tabari 1,863 (II 75), Färs-näma S. 78. 200

at-Ta'älibi S. 554f., Bal'amï S. 120, Gardïzï S. 27. Davon sind die Stellen zu unterscheiden, die nur ein positives (Gesamt-)Urteil bringen: Mas'üdi, M.d. I 261, alMaqdisi III 163f., Eutychios I 176f., Mugmal S. 69.

1

S. B A C H E R S. 63ff.: „Doch verwahrt er (Nizämi) sich gegen den Vorwurf von Mangel an Einheit, und meint, auch der Maler könne, wenn sein Bild aus noch so viel Figuren besteht, immerhin die nötige Symmetrie in der Anordnung befolgen."

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Kommentar zur Rahmenerzählung

daß Bahräm sich heftig in die 7 Prinzessinnen verliebte, muß in den Volkstexten erklärt werden, warum er sich trotzdem der Sklavin Fitna zuwendet. Sie tun es durch die Darstellung des Liebeskummers, der den König so quält, daß er sich schließlich um seiner Gesundheit willen durch die Sklavin ablenken und erheitern lassen muß. Ein Detail in der weitläufigen Schilderung der Qissa ist interessant, da es — zufällig, wie ich annehme — mit einer alten Tradition übereinstimmt. Es heißt 36,17 daß Bahräm sich durch das Verfassen von Gedichten zu trösten suchte. Nach einer alten, nicht sehr verbreiteten Tradition2 tat sich Bahräm als Dichter hervor, man schreibt ihm sogar das erste Gedicht in persischer Sprache zu3. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich, daß der Herausgeber der Qissa hier auf diese Tradition anspielt, da seine Angaben zu allgemein gehalten sind. Daß ein von Liebeskummer geplagter junger Mann Gedichte rezitiert oder selbst verfaßt, ist für diesen volkstümlichen Stil nichts Außergewöhnliches, wie aus vielen Beispielen in 1001 Nacht und ähnlicher Literatur, ζ. B. auch in der Qissat Fairüz-Säh, deutlich wird. Die Geschichte Bahräm's und seiner Sklavin wird auch von vielen alten Quellen4 erzählt, so daß diese Berichte bei der Untersuchung dieser Episode zum Vergleich herangezogen werden können. — Nach den beiden Volkstexten ist der Name der Sklavin „Fitna" — „Versuchung, Betörung". Beide Texte bringen diesen Namen mit dem betörenden Wesen der Namensträgerin in Zusammenhang. Darin folgen sie Nizämi5. Dagegen führt keine der alten Quellen den Namen Fitna an. Wenn überhaupt ein Name ange2

3

1

5

Ibn Hurdädbih, Masälik S. 118 (der von ihm zitierte Vers in persischer Sprache wird, mit einigen Varianten, auch von 'Aufi Lubäb I 19 und Daulatääh 28,22 angeführt); Mas'ûdï, M.d. I 262 (zitiert nur arabische Gedichte; al Maqdisï I I I 163f. bringt eines dieser von Mas'ûdï zitierten Gedichte, ohne es jedoch Bahräm zuzuschreiben) ; at-Ta'älibi S. 556 führt ebenfalls diese arabischen Gedichte, doch etwas verändert, an. 'Aufî a. a. O., Daulatääh a. a. O.; s. dazu B r o w n e LHP I 12: "It is very generally assumed, however, that in Persian, as in Arabic, verse preceded prose. One story, cited by several of the native biographers, ascribed the first Persian couplet to the joint invention of Bahräm Gür the Sasanian and his mistress Dil-Äräm." S. auch A r b e r r y S. 30. Ibn Qutaiba, 'Uyûn I 178, Ibn al-Faqih S. 256f„ al-Maqdisi III 163f., Nihäya fol. 124b, at-Ta'âlibî S. 541f., Yäqüt 4,2 S. 733, Qazwïnï S. 464f., Firdausî 34, 166—201, Mugmal S. 69 f. 25,12f. : „ E r hatte eine Sklavin bei sich wie ein Mond, schnell und flink ritt sie dem König immer zur Seite. Fitna genannt, 1000 Versuchungen in ihr; sie Versuchung für den König, der König Versuchung für sie." An späterer Stelle spielt Nizämi auf die andere Bedeutung von Fitna, „Aufruhr", an. 25,49; „Sie bedeutet Aufruhr gegen den Thron meiner Herrschaft; den Aufruhr {Fitna) zu töten, ist durch die Vernunft gerechtfertigt."

Die Geschichte der Sklavin Fitna

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geben wird, so ist es Äzäda® oder Äzädwär 7 , also Ableitungen von äzäd „edel, frei". Es ist anzunehmen, daß die Namensänderung Nizämi zuzuschreiben ist; denn nur bei ihm ist die Geschichte der Sklavin mit der späteren schuldhaften Nachlässigkeit Bahräm's verknüpft, deren Ursache die „Betörung" durch die Sklavin ist 8 . „Fitna" als Mädchenname ist nicht ungewöhnlich. So heißt ζ. B. die Schwester des Ganim in der gleichlautenden Geschichte aus 1001 Nacht „Fitna". Auch hier wird die Bedeutung des Namens noch empfunden und ähnlich wie in den beiden Volkstexten ausgelegt9. Diese sehen ihre Vorzüge jedoch nicht nur in ihrer Schönheit, sondern auch in ihrer Klugheit, ihrem meisterlichen Saitenspiel und schönem Gesang. PB fügt noch den Tanz hinzu. In der Aufzählung dieser Punkte halten sich die beiden Volkstexte eng an Nizämi10. In den alten Quellen wird die Sklavin, wenn überhaupt ihr Beruf genannt wird, entweder als Sängerin (qaina, muganniya)u oder als Saitenspielerin (cangzan, sannäga)12 bezeichnet, so daß Nizämi hier zwei Traditionen vereinigt hat. In der Darstellung des Jagdausfluges stimmen die Qissa und PB im großen ganzen mit Nizämi überein. Kleinere Unterschiede, die vor allem in der Qissa auftreten, sind fast ausschließlich auf den Herausgeber der Qissa zurückzuführen. — Während die alten Quellen13 die Sklavin hinter Bahräm auf seinem Reittier sitzen lassen — so ist die Szene auch auf allen mir bekannten Miniaturen dargestellt — spricht die Qissa (37,22) aus• Firdausi 34,168. 7 Nihäya fol. 124b., at-Ta'älibl S. 642. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß ein Epitheton, das ihr Firdausi 34,169 beilegt: diläräm „herzberuhigend, geliebt" selbst wieder zum Namen wird. So nennt Amir Husrau Dihlawi die Sklavin in dieser Episode Diläräm. Auf diesem Wege kam es schließlich zur „Diliramma" im Peregrinaggio des Christoforo Armeno (s. dazu das spätere Kapitel über die Geschichte der drei Söhne des Königs von Ceylon). Auch die Tadkira des Daulatääh nennt die Sklavin, die Bahräm auf der Jagd begleitet, Diläräm, so daß diese Tradition in späterer Zeit sehr verbreitet gewesen sein muß. 8 Es ist jedoch nicht auszuschließen, wenn auch unwahrscheinlich, daß Nizämi die Erweiterung der Fitna-Geschichte und ihre Verknüpfung mit der folgenden Episode in einer volkstümlichen Quelle, die aber nicht mehr zu bestimmen ist, vorgefunden hat. • 1 125, I I 139: „Ihr Name war Fitna wegen ihrer übermäßigen Schönheit." „Der Kalif hörte, daß seine Schwester Fitna in ihrer Schönheit eine Versuchung darstellte." Außerdem tritt in der „Geschichte der Liebe des Abü 'Isä zu Qurrat al-'Ain" eine Sklavin Fätin auf; s. L I T T M A N N I I I S. 572. 10 25,16: „Bei all ihrer Schönheit war sie auch eine Sängerin und Musikerin, schnellfüßig beim Tanz." 11 Ibn Qutaiba a. a. O., Ibn al-Faqïh S. 257, al-Maqdisï a. a. O. 12 Firdausi 34,167, Nihäya a. a. O., at-Ta'älibi S. 542. 13 al-Maqdisï a. a. O. (Verb ardafa), Nihäya a. a. O. (radïfa) at-Ta'älibi S. 541 f. (ardafa), Firdausi 34,170f. (das Reitkamel hat vier Steigbügel).

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Kommentar zur Rahmenerzählung

drücklich von zwei Tieren. Weder aus PB noch aus den Haft Paikar14 geht das eindeutig hervor. Daß die beiden zunächst mit einem stattlichen Gefolge aufbrechen, sich dann aber von der Gesellschaft absondern, ist eine stehende Wendung in der Qissa, durch die bisher jedes Jagdabenteuer eingeleitet wurde. Die anderen Texte gehen nicht darauf ein, oder aber betonen wie Firdausi, daß die beiden ohne Begleitung ausritten15. Während die Sklavin den König mit ihrem Gesang unterhält — dieses Detail läßt sich über Nizämi16 auf die alten Quellen17 zurückführen — werden vor ihnen zwei Wildesel aufgeschreckt. Wie der Vergleich mit PB zeigt, muß auch A von zwei Wildeseln oder einem Wildeselpaar gesprochen haben. Dagegen erwähnt Nizämi nur einen Wildesel18. Der Unterschied ist deshalb von Bedeutung, da es sich hier in den Volkstexten um den Nachklang einer anderen als der von Nizämi berichteten Version der Jagdgeschichte handeln kann, in der sich Bahrain's Meisterschuß auf zwei Tiere, ein Gazellenpaar, richtet. Das Auftreten zweier Tiere hat natürlich nur in dieser anderen Version einen Sinn, da dort die Pointe der Geschichte darin hegt, daß Bahräm das weibliche Tier durch Pfeile mit „Hörnern" versieht, dem männlichen Tier dagegen die Hörner abschießt, um es einem weiblichen Tier ähnlich zu machen19. In den alten Quellen ist überhaupt nur von Gazellen die Rede, auch in denen, die die von Nizämi wiedergegebene Version des Schusses anführen20. Wenn Nizämi stattdessen Wildesel einsetzt, hängt das sicher mit seiner Deutung des Beinamens Bahrain's, Gör = Wildesel zusammen, die sich wie ein roter Faden durch die Haft Paikar zieht. So sind in allen von Nizämi berichteten Jagdgeschichten Wildesel die Beutetiere, von einem Wildesel wird Bahräm schließlich auch in den Tod gelockt. Im folgenden weicht die Darstellung der Qissa stärker von der PB's ab, die im wesentlichen mit Nizämi's übereinstimmt. PB folgt hier also seiner Vorlage A getreuer als die Qissa. Darin, daß die beiden Wildesel in einer Entfernung von 100 Schritt stehenbleiben, sind sich die beiden Volkstexte noch einig — wieder ein Beispiel für ihre Neigung, alles Meßbare zahlenmäßig genau zu bestimmen. Doch während in PB Bahräm selbst seine Treffsicherheit beweisen will und deshalb Fitna fragt, wo er seine Beute treffen soll, ist es in 14 16 16

25,12. 34,167. 25,18: „Sehr oft verlangte der König auf der Jagd, beim Trinken und bei Gastgelagen von ihr Musik und Gesang."

" Nihäya fol. 124b, at-Ta*älibI S. 542. 18

19

20

25,26: „Der König stand eine Weile geduldig da, bis ein Wildesel von weitem daherlief." Ibn Qutaiba, al-Maqdisï, at-Ta'âlibî, Yäqüt, Firdausi (Firdaus! nennt zu Anfang zwei Gazellenpaare, 34,174). Ibn al-Faqïh, Nihâya, Qazwini.

Die Geschichte der Sklavin Fitna

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der Qissa Fitna, die Bahräm zu einer Probe seines Könnens auffordert. Ein Vergleich mit Nizämi21, aber auch mit den alten Quellen22, zeigt, daß sich die Qissa hier von ihrer Vorlage entfernt haben muß. Auch ein inneres Kriterium macht das deutlich: Fitna schlägt Bahräm nicht nur vor, was er tun soll, sondern sie beschreibt ihm in allen Einzelheiten, wie er es tun soll. Dadurch ist die Leistung Bahräm's von vornherein abgewertet; denn seine Meisterschaft soll sich nach den übrigen Texten gerade darin zeigen, daß er durch seine Klugheit einen Weg findet, die zunächst unmöglich erscheinende Forderung der Sklavin zu erfüllen. In der Qissa aber wirkt die Forderung nicht unmöglich, da Fitna gleich dazu sagt, jeder geschickte Jäger könne diesen Schuß fertigbringen. Dadurch wird die Geschichte in ihrem Zusammenhang mit der späteren Bestrafung der Sklavin unlogisch; denn erst nach dem Schuß dürfte diese Abwertung der Leistung Bahräm's kommen. Zwar nennt auch bei Firdausi die Sklavin den Modus der Ausführung, stellt es aber nicht so dar, als sei jeder andere auch zu diesem Schuß fähig. Außerdem wird die Sklavin hier nicht wegen der Geringschätzung der Leistung Bahräm's bestraft, sondern weil sie Bahräm nach dem Schuß Vorwürfe wegen seiner Grausamkeit macht. Die Forderung, Huf und Ohr des Tieres mit einem einzigen Pfeil zusammenzuheften, ist in einem Teil der alten Quellen mit einer anderen, ebenso schwierigen, verbunden: Bahräm soll die weibliche Gazelle in ein männliches Tier, den Bock in ein weibliches Tier verwandeln23. Auf welche Weise Bahräm diese Forderung der Sklavin erfüllt, ist bereits oben gesagt. Die Ausführung der anderen, von den Volkstexten und Nizämi, aber auch einigen alten Quellen24 ausschließlich genannten Forderung ist recht einheitlich dargestellt. Ein Unterschied ist nur im Detail festzustellen. Die alten Texte und Nizämi lassen Bahräm zuerst eine Kugel (bunduqa, gulähiq, muhra) auf das Ohr des Tieres abschießen, so daß es sich am Ohr kratzt, um das Geschoß zu entfernen. In PB verwendet Bahräm dafür einen Pfeil, der, wie bei den anderen, das Ohr des Wildesels trifft. Die Qissa schließlich läßt Bahräm den Pfeil am Ohr des Tieres vorbeischießen. Nur der Luftzug bringt das Tier dazu, sich am Ohr zu kratzen. Die Version PB's gibt hier sicher die A 's genauer wieder; denn sie steht Nizämi's Darstellung näher. 21

22

23 24

25,29f.: „Ein Wildesel ist gekommen; sag, wie soll ich ihn angreifen ? Was soll ich an ihm treffen, vom Kopf bis zu den Hufen ? Sie sagte: Du mußt dein Gesicht erhellen ( = mußt Ruhm gewinnen) ; hefte den Kopf dieses Wildesels mit seinem Huf zusammen." Bahräm stellt die Frage auch bei Ibn Qutaiba, 'Uyün I 178, al-Maqdisi III 163f., Nihäya fol. 124b, at-Ta*älibi S. 542; nach Ibn al-Faqïh S. 256 und Yäqüt 4,2 S. 733 stellt Bahräm der Sklavin einen Wunsch frei. S. oben A. 19. S. oben A. 20.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Fitna spendet Bahräm für seinen meisterhaften Schuß nicht das uneingeschränkte Lob, das er erwartet hat. Da er sich viele Jahre im Schießen geübt hat, findet sie daran nichts Besonderes. Diese Geringschätzung seiner Leistung ist es, die Bahräm's Zorn entfacht. Darin stimmen die Qissa und PB mit Nizämi25 überein. Alle anderen Texte aber nennen einen anderen Grund: die Forderung an sich hat den König aufgebracht, da er glaubt, die Sklavin habe seine Schwäche bloßstellen wollen, indem sie Unmögliches von ihm verlangte2®. Firdausi gibt noch einen anderen Grund an, worauf schon hingewiesen wurde. Als die Sklavin Bahräm wegen der Grausamkeit, die sie selbst herausgefordert hat, tadelt, sieht er, daß sie Streit mit ihm sucht und launisch ist27. Es ist klar, warum Nizämi hier von der Darstellung der alten Quellen abweicht. Während diese die Geschichte mit dem Tod28 bzw. der Verstoßung29 der Sklavin enden lassen, fügt Nizämi einen zweiten Teil an, in dem Fitna Bahräm durch ihr eigenes Beispiel von der Richtigkeit des Sprichwortes „Übung macht den Meister" überzeugt. Bahräm selbst verhält sich in einer ähnlichen Situation wie zuvor die Sklavin und sieht in der Leistung anderer nur langjährige Übung. In dieser Komposition liegt wahrscheinlich Nizämi's Abweichen an der genannten Stelle begründet. Zur Geschichte des Stoffes, den Nizämi für den ersten Teil seiner Erzählung verwertet hat, ist noch anzumerken, daß diese Episode sich schon im Huatäi-nämak fand. In der Übersetzung dieses Werkes, den Siyar al-mulük des Ibn al-Muqaffa', hat sie jedenfalls gestanden, wie das Zeugnis Ibn Qutaiba's beweist. Aus dieser Stelle geht auch hervor, daß Bahräm in der Version der Siyar al-mulük beide Proben seiner Schußfertigkeit gab. Der Bericht der Siyar al-mulük bzw. des Huatäi-nämak liegt allen späteren Darstellungen zugrunde. Diese haben ihn teils gekürzt wiedergegeben, also nur eine Probe erwähnt, oder aber, wie die Geographen, den Bericht etwas ausgeschmückt30. Einer der Traditionsstränge, der vom Huatäi-nämak aus25,40f.: „ D a ß der Pfeil des Königs den Huf des Wildesels traf, geschah durch Gewohnheit, nicht durch übermäßige Stärke. Diese Antwort mißfiel dem König, die scharfe A x t k a m über den B a u m . " 2 6 Vgl. die Grabinschrift, die Y ä q ü t a. a. O. zitiert: „Beinahe hätte sie mich bloßgestellt; sie wollte mich als Schwächling hinstellen." 2 7 34,196—200. 2 8 Ibn al-Faqïh, al-Maqdisï; at-Ta'âlibî S. 543: „ E s ist nicht klar, ob sie an den Folgen des Sturzes s t a r b . " Firdausi und Ibn Qutaiba sagen nur: er schlug sie zu Boden. 2 ® Nihäya: er nahm sie von da an nicht mehr mit. 3 0 Sie erzählen ζ. B., daß B a h r ä m mit der Sklavin unterwegs im Schlosse Bahräm's (das bei ihnen genau lokalisiert wird) haltmachte. Sie tranken so viel Wein, daß sie beide berauscht waren. In diesem Zustand stellt B a h r ä m der Sklavin einen Wunsch frei.

25

Die Geschichte der Sklavin Fitna

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geht und zu dem Firdausï, Nihäya und at-Ta'älibi gerechnet werden können, verlegt die Geschichte nach al-Hïra in die Zeit der Jugend Bahrain's 31 . Wie NÖLDEKE32 andeutet, gehört sie aber wohl in die Zeit seiner Herrschaft. Die Lokalisierung in al-Hïra geht vielleicht von der auch bei Dïnawarï33 vertretenen Nachricht aus, daß Bahräm während der Zeit in al-Hïra in Begleitung saitenspielender Sklavinnen auf die Jagd zu reiten pflegte. Zwingende innere Kriterien für die Bestimmung des Ortes gibt es nicht. Als äußeres Kriterium, das für die Ansetzung der Episode in der Zeit der Herrschaft Bahräm's spricht, kann die alte Tradition angesehen werden, die diese Geschichte mit dem Grabmal der Gazelle (nä'üs az-zabya) in der Nähe von Hamadän in Verbindung bringt34. Das Grabmal soll in der Nähe eines Schlosses (oder Jagdschlosses) des Bahräm Gör gelegen haben. Schon Ibn al-Faqih verknüpft die Geschichte der saitenspielenden Sklavin mit diesem Grabmal, wobei er sicher auf eine alte Lokaltradition zurückgreift36. An die Jagdepisode, die mit dem Zornesausbruch des Königs und dem Todesurteil für Fitna schließt, fügt sich in den beiden Volkstexten die weitere Geschichte der Sklavin an, die mit ihrer und Bahräm's Versöhnung endet. Als Quelle kommen hier für die Qissa und PB, bzw. A, nur die Haft Paikar in Frage; denn dort allein wird die Geschichte fortgeführt. Wie bei Nizâmï nimmt dieser Teil in den Volkstexten einen viel breiteren Raum ein als der ursprüngliche Kern der Geschichte, die Jagdepisode. Schritt für Schritt folgt die Darstellung der Volkstexte der Nizämi's. Nur Kleinigkeiten sind verändert. Der unterschiedliche Stil der drei vorliegenden Fassungen läßt sich gerade an einer solchen Episode, für die weitere Vorbilder ausscheiden, klar beobachten. Deshalb möchte ich als Beispiel für die Abhängigkeit der beiden Volkstexte von den Haft Paikar, aber auch für die unterschiedliche Behandlung desselben Erzählungsinhalts, die Übersetzung einer Stelle anführen. Sie schildert Fitna's Bemühen, den Beauftragten des Königs von der Vollstreckung ihres Todesurteils abzubringen. Als erstes die Fassung Nizämi's (25,52—64): (Der Offizier = sarhang ist fest entschlossen, sie zu töten.) 31 32 33

S. oben S. 91, A. 336. G.d.S. S. 90, A. 1. S. 53.

31

S. SCHWARZ V

35

Der Verfasser des Mugmal geht bereits auf die Verschiedenheit der Überlieferungen ein. Er gibt an, in einem Kitäb Hamadän die Lokalisierung der Geschichte in der Nähe von Hamadän vorgefunden zu haben. Über das Alter des Kitäb Hamadän ist mir nichts bekannt. Doch spricht die Nachricht im Mugmal (S. 70) dafür, daß es in Hamadän eine alte Lokaltradition gab, die dann in die schriftliche Tradition einging.

547.

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Kommentar zur Rahmenerzählung

„Mit Tränen in den Augen sagte jene Schöne (Herzenfesselnde): Billige nicht solch eine abscheuliche Tat. Wenn du nicht dein eigener Feind bist, nimm nicht mein schuldloses Blut auf deinen Nacken. Ich bin die vertrauteste Gefährtin des Herrschers, ich bin die Auserlesenste von seinen Sklavinnen, so sehr, daß er beim Trinken und auf der J a g d keinen Vertrauten und Freund hatte als mich. Wenn durch eine Anmaßung meinerseits mir ein Dlw einen Streich gespielt hat und der König im Zorn meine Bestrafung befohlen hat, so strebe doch nicht zu schnell danach, mich zu töten. Warte einige kurze Tage in Geduld. Sage dem König, indem du ihn täuschst: Ich habe sie getötet. Wenn der König über diese Worte froh ist, töte mich, mein Blut steht dir frei. Wenn er aber über meinen Tod betrübt wird, hast du Sicherheit an Leib und Leben. Du entgehst dem Verhör, ich dem Verderben: eine edle Zypresse fiel nicht zu Boden. E s kommt ein Tag, an dem ich, obgleich ich ein niemand bin, dir für das, was du getan hast, dienen werde. So sprach sie und löste ihr Halsband; 7 Rubinsteine legte sie vor ihn hin, jeder von ihnen die Grundsteuer eines Klimas, die Hälfte seines Preises das Einkommen von "Ummän." Qissa 38,21—39,10: (Der Haushofmeister = qahramän ist über den Auftrag betrübt.) „Fitna bemerkte das an ihm und erkannte, daß er im stillen über sie seufzte und sich nach dem Grund (für ihre Verurteilung) fragte. Da sagte sie zu ihm: O Haushofmeister! Du weißt, daß ich zu den auserlesensten Sklavinnen des Königs Bahräm gehöre, und daß ich seine einzige Gefährtin bin, von der er sich nicht eine Minute zu trennen vermag. Du weißt auch, welche Liebe und Zuneigung uns verbindet. All diesem zum Trotz erzürnte er sich über mich wegen eines Wortes, das von mir fiel und das seiner Laune nicht behagte. Er legte es aus, als ob ich ihn hätte beleidigen wollen, und vielleicht war es auch eine Beleidigung, doch nicht beabsichtigt. Der Zorn flammte so in ihm auf, daß er die Liebe ganz verdrängte und seinen Blick blind machte, so daß er meine Hinrichtung anordnete, bevor er sich noch besinnen konnte. Und jetzt höre und folge mir: warte ein paar Tage mit meiner Hinrichtung — mich zu töten, ist ja keine Sache von Bedeutung — und laß mich am Leben ; geh zum König, und wenn er nach mir fragt, sage ihm: Ich habe sie getötet; schau ihn aber dabei an: Wenn du siehst, daß er sich freut und froh ist, kehre zu mir zurück und töte mich. Wenn du aber siehst, daß er traurig wird und daß auf seinem Antlitz Zeichen der Trübsal erscheinen, dann wisse, daß er sich für mich an dir rächen wird; denn, obwohl er selbst meine Hinrichtung befahl, wird ihm doch bestimmt der Gedanke kommen, daß du mein Leben hättest schonen müssen. Also bedenke die Sache noch einmal. Wenn er immer noch auf seinem Befehl beharrt, führst du ihn aus; wenn er ihn aber bereut, bringst du ihm sein

Die Geschichte der Sklavia Fitna

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Juwel wieder, wegen dessen er seufzt. Ich kenne den König Bahräm besser als mich selbst: er ist milde und kein Tyrann, einsichtig, nicht töricht. Doch ist er voll Kraft, Stolz und Erhabenheit, und das Heß den Zorn in ihm aufwallen. Er kann heute nacht nicht schlafen, ohne über seinen Befehl zu seufzen. Schaue auch auf dein eigenes Bestes und tue das, was du als Ursache für mein und dein Wohl erkennst. Dann löste sie ein Juwelenhalsband mit 7 kostbaren Edelsteinen von ihrem Nacken und gab es dem Haushofmeister." PB S. 20: (Ich gebe die arabischen Wörter, bzw. Zusammensetzungen mit arabischen Elementen an, um zu zeigen, wie arabisiert dieser sonst so primitive Text ist.) (Der Offizier = sarkarda ist betrübt über den Auftrag.) „Auf der anderen Seite (taraf) bemerkte (multafit Sudan) Fitna sogleich, welche Betrübnis (balä'i) ihn überkommen hatte. Sie wandte sich ihm zu und sagte: Ihr wißt, daß ich zu den auserlesenen (hass) Sklavinnen (gäriyahä) Bahräm's gehöre, und daß ich zu jeder Zeit (auqät) seine Vertraute (anís), Gefährtin (mu'nis) und Gesellschafterin (ham-maglis) bin. Gerade (hol) geriet er wegen (ba-wäsita) einer Forderung (matlab), die ich an ihn stellte, in Zorn (gadab) und befahl (hukm namüdan), mich zu töten (qatl). Handelt nicht übereilt (ba-ta'gil) bei meiner Hinrichtung. Vielleicht bereut Bahräm meine Hinrichtung und fordert von euch Rechenschaft. Dann löste (badd äwurdan) sie ihr Halsband, das mit kostbaren (pur-qtmat) Edelsteinen (gawähiräti) besetzt (mukattal) war, von ihrem Nacken und gab es dem Offizier." Dazu gehört noch die Überlegung des Offiziers: „Es ist wirklich (fi'lwäqi) so, und wenn ich diese Sklavin (gäriya) töte (ba-qatl rasânïdan), wird Bahräm, nachdem (ba'dan) er seinen Zorn (gadab) überschlafen hat, bestimmt (lä budd) Vergeltung (mu'ähada) an mir üben wollen." äußert die Vermutung, daß Nizämi durch den zweiten Teil der Fitna-Geschichte das Sprichwort: „Übung macht den Meister" illustrieren will36. Der Skopus der Geschichte hegt sicher darin. Obwohl Nizämi nicht ausdrücklich ein Sprichwort dieses Inhalts zitiert, findet sich bei ihm ein Vers, der den Charakter eines Sprichworts haben kann, in jedem Fall aber eine Sentenz darstellt: „Was immer der Mensch (lang) gelernt hat, das kann er machen, auch wenn es schwer ist 37 ." Das geläufige pers. Sprichwort, das unserem „Übung macht den Meister" entspricht, nennt er nicht: „Eine gute Arbeit zustande zu bringen, kommt von der WiederBROWNE

36 37

LHP II S. 409. 25,39: .¿jíjiljí Si jl^ij

ij> ¿ i l n ß ^JuJ

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Kommentar zur Rahmenerzählung

holung38." Doch findet sich dieses Sprichwort in der Fassung PB's, wo Fitna es dem König entgegenhält39.

4. Der Krieg mit dem König von China (Inhaltsangabe S. 19—22) Eng mit der Geschichte der Sklavin Fitna ist in den beiden Volkstexten eine andere Episode aus Bahräm's Leben verknüpft: der Einfall des Chinesenkönigs. Die Liebe zu der Sklavin lenkt Bahräm nämlich so von seinen Herrscherpflichten ab, daß Iran den Feinden schutzlos preisgegeben erscheint. Die Verknüpfung der beiden Kapitel durch die Person der Sklavin Fitna ist nur in der Qissa und in PB durchgeführt, geht also schon auf A zurück; Nizämi reiht dagegen die beiden Episoden einfach aneinander1. Doch findet sich bei ihm am Schluß der Fitna-Erzählung ein Vers, der A als Ausgangspunkt für seine Konzeption dienen konnte: „Er war mit ihr zusammen in Vergnügen, Wohlleben und verliebtem Getändel, bis eine lange Zeit darüber verstrich2." Darin, daß Bahräm sich ganz von den Regierungsgeschäften zurückzieht, um sich dem Vergnügen zu widmen, stimmen die Volkstexte mit Nizämi überein3. Während aber der Dichter betont, daß die Regierung in den Händen seines Ministers Narse und der drei Söhne Narsë's bestens aufgehoben war4, schildern die Volkstexte den inneren Zustand des Reiches als ein Chaos, das Iran dem Untergang nahebringt. Hier bestätigt sich die Neigung der Volkstexte zur Schwarz-Weiß-Malerei. Als Bahräm die Zügel der Regierung fest in der Hand hatte, stand das Land in höchster Blüte; jetzt, da er sich nicht um die Herrschaft kümmert, greift überall Auflösung und Verfall um sich. Wenn auch nicht bei Nizämi, so lassen sich doch bei einigen der Historiker5 und bei Firdausi® Bemerkungen über Bah38

39 1 3

4

5

o—t ¿ ρ β j j jt jaβ ßj> j

Das Sprichwort ist ein Halbvers {mi fra)

eines Ramal-

verses (katalektischer Trimeter). S. 19: „Es ist ein bekanntes Sprichwort. . ." 2 S. oben S. 133. 26,100. 27,16f.: „Die ganze Nacht machte er hell durch den Wein; seine Statthalter waren den ganzen Tag bei ihrer Arbeit. Wie ein Mühlstein drehte er sich um sich selbst; alles, was er sammelte, warf er wieder weg." 27,4—16; dazu will nicht recht passen, daß Bahräm beim Einfall des Häqän nur 300 Soldaten vorfindet. Nizämi hat den Bericht über diesen Wezir und seine Söhne bei Tabari 1,869 (II 79) bzw. Barami S. 125 vorgefunden, wo er viel später, im Anschluß an den Römerkrieg, vor Bahräm's Indienfahrt steht. Der Zeitpunkt der Ämterverleihung an Mihr Narsê, wie er bei Tabari und Bal'ami richtig heißt, und an seine drei Söhne ist allerdings nicht klar bestimmt. Ya'qûbî I 141, Dinawari S. 57, Tabari 1,863 (II 75), Eutychios I 1761, Nihäya fol. 128b, at-Ta'älibi S. 557, Bal'ami S. 120, Gardizi S. 28, Färs-näma S. 78 (erwähnt unter seinen Vergnügungen kanizak-bäzi = Tändeln mit Sklavinnen).

Der Krieg mit dem König von China

143

räm's Vergnügungssucht und seinen Leichtsinn bei der Ausübung Herrschaft, durch die seine Feinde herbeigelockt werden, finden.

der Eine

Beeinflussung der beiden Volkstexte bzw. A 's an dieser Stelle durch den einen oder anderen der Historiker, wahrscheinlicher aber durch Firdausî, ist nicht auszuschließen. Nur die Qissa schildert, daß einige wohlmeinende Wezire

Bahräm

wegen seines Lebenswandels tadeln, eine Erweiterung, die dem breit ausmalenden Stil dieses T e x t e s entspricht. Allerdings kann sie auch von Stellen bei einigen Historikern, deren Kenntnis m a n bei dem gebildeten Herausgeber der Qissa voraussetzen kann, ausgegangen sein. Dort heißt es nämlich, daß das Volk König B a h r ä m wegen seines ungehemmten Lebensgenusses tadelte 7 . Nach der Schilderung der beiden Volkstexte rüstet sich als erster der König von China zum Feldzug gegen Iran. W ä h r e n d sich die Qissa mit seiner Bezeichnung als malik „ K ö n i g " begnügt, nennt ihn PB auch (S. 26). Hier wird wieder einmal deutlich, daß die Fassung PB's

Häqän

nicht von

der Qissa abhängig sein kann. PB hat den Titel Häqän wahrscheinlich aus A übernommen. E r läßt sich weiter auf Nizâmï 8 zurückführen, der damit der historischen Tradition und Firdausî folgt®. Auch darin, daß es sich um den 36,111: „Seine ganze Beschäftigung waren Festgelage und Jagd, oder aber Pferde und Rennbahn, Schläger und Ball." Firdausî illustriert Bahräm's Hang zum Vergnügen in vielen Episoden, die in ihrem Aufbau einander ähneln: Tagsüber erlebt Bahräm Abenteuer auf der Jagd, abends vergnügt er sich mit Wein und Mädchen; vgl. 35,451ff., 668ff. 890ff.; 941ff. beklagt sich der Wezir Rüzbih in sehr deutlichen Worten über Bahräm's Frauenleidenschaft. Vor der Häqän-Episode faßt Firdausî Bahräm's Lebensstil noch einmal zusammen. 35,1439f.: „Auf diese Weise genoß er eine Zeitlang die Welt, ohne Schlacht, ohne Kummer, Schande und Krieg. Seine Beschäftigung waren Jagd und Weintrinken; kurz: alle Freuden waren seine Genossen." 7 Dïnawarï a. a. O., Tabarï a. a. O., Eutychios a. a. O., Nihâya a. a. O. Bei at-Ta'alibî a. a. O. findet sich eine interessante Erweiterung. Als man Bahräm vom Mißfallen des Volkes an seinem Lebenswandel unterrichtet, beruft sich der König auf sein gutes Recht: zu Friedenszeiten, wenn das Land in Blüte stand, haben die persischen Könige immer so gehandelt. Hier wird also die Blüte des Landes vorausgesetzt. In den persischen Texten ist erst vom Tadel des Volkes die Rede, als die Gefahr offen erscheint: Barami a. a. O., Firdausî 35,1449ff., Färs-näma a. a. O. 8 27,28; vorher, 27,22, nennt ihn Nizâmï hän-i hänän, „Großhän", was dem Häqän al-akbar bei Eutychios 1176f. und dem Häqän-i buzurg im Mugmal S. 70 entspricht. • Nach M A R Q U A R T , Ërâniahr S. 53ff. taucht der Titel Häqän hier in der ÜberUeferung zum erstenmal auf. ,,. . . Es ist schwerlich ein zufälliges Zusammentreffen, wenn uns die chinesischen Quellen ausdrücklich berichten, daß kurz vorher (ums Jahr 402) Se-lun, der Gründer der Macht der Zuan-2uan den alten Titel Sen-jü gegen den neuen K'o-han vertauscht hatte." Von diesen 2uan-iuan oder echten Awaren ging nach M A R Q U A R T der Titel Chagan aus. Doch kann der von Bahräm getötete 6

144

Kommentar zur Rahmenerzählung

Herrscher von China handelt, stimmen die Volkstexte mit Nizämi10 überein, der an dieser Stelle sicher von Firdausi11 abhängig ist. Die Historiker nennen ihn dagegen „Herrscher der Türken" 12 bzw. „der Hazaren"18. Auch Nizämi und Firdausi sprechen an anderer Stelle von den „Türken" des Häqänu. Dabei muß an die weite Bedeutung des Wortes turk in alter Zeit gedacht werden. Es bezeichnet nach STEINGASS neben den eigentlichen Türken auch die zahlreichen Stämme der „Tataren" zwischen Huärizm und China. NÖLDEKE weist darauf hin, daß hier von Türken noch nicht die Rede sein kann, da diese erst unter Husrau I Nachbarn der Iranier wurden. Er vermutet, daß die Angreifer in Bahräm's Regierungszeit wie später unter Peröz Haitäl (griech. Hephtaliten) waren, die, wie andere barbarische Nachbarstämme Irans im Norden, unter die Bezeichnung „Türken" fallen16. Dagegen sind es nach MARQUART Chioniten, was durch die ganze historische Lage nahegelegt würde. Außerdem spreche für die Chioniten, daß der Schauplatz der Schlacht zwischen Bahräm und dem Häqän, Kusmëhan, derselbe sei wie in der großen Schlacht zwischen Wistäsp und den Hiyön im Zarerbuch16. Zu einer Verwechslung mit den Hephtaliten konnte es um so leichter kommen, als nach MARQUART der Name „weiße Hunnen", mit dem man die Hephtaliten bezeichnet, zuerst für die Chioniten gebraucht und erst später auf die Hephtaliten übertragen wurde17. Die Qissa (46,15) und PB (S. 24) berichten übereinstimmend, daß der König von China mit einem Heer von 300.000 Mann nach Iran aufbricht. Diese Zahl läßt sich über A auf Nizämi18 zurückführen. Vielleicht ist sie bei Nizämi eine Phantasiezahl, die einfach eine sehr große Menge ausdrücken soll; wahrscheinlich hat er sie jedoch von älteren Quellen übernommen. In der Nihäya19 findet sich nämlich dieselbe Zahl, so daß man annehmen Häqän keiner der 2uan-¿uan gewesen sein. Man muß daraus schließen, daß auch die westlichere Horde bald diesen Titel angenommen hat. 10 11 12

13

14 15

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18

27,22. 35,1446; vgl. auch "Aufï, âawämi' (Introduction S. 148 Nr. 174b). So Ya'qübi I 141, Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 661, Dinawari S. 57, Tabari 1,863 (II 75), Eutychios I 176f., Mas'üdi, M.d. I 261, Nihäya fol. 128b, at-Ta'älibl S. 558, Bal'ami S. 120, Gardïzï S. 28, Färs-näma S. 78. al-Maqdisî III 163f.; vielleicht ist al-Maqdisï hier von dem ausführlichen Bericht Mas'üdi's in M.d. I 180 über den Häqän der Hazaren beeinflußt. Firdausi 35, 1509, Nizämi 27, 81. G.d.S. S. 99, A. 1; S. 53, Α. 2; s. außerdem JUSTI, Geschichte Irans S. 527, SYKES S. 431 ff. EränSahr S. 52. ËrânSahr S. 55, Α. 8. 17,23: „In seinem Gefolge, wie furchtbare Drachen, waren 300.000 tüchtige Bogenschützen." fol. 128 b.

Der Krieg mit dem König von China

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kann, daß sie in einem Teil der alten historischen Uberlieferung angeführt wurde. Die anderen uns bekannten Historiker nennen, wenn überhaupt, andere Zahlen, die sich aber in der gleichen Größenordnung bewegen20. — Obwohl die Volkstexte Wert auf genaue Angaben legen, wenn es um Zahlen geht, interessieren sie sich nicht für geographische Details. So genügt es ihnen zu erzählen, der Chinesenkönig habe die Grenzen Irans überschritten. Nizämi dagegen drückt sich genauer aus: „Er überschritt den Gaihün und kam schnell heran, nach Horäsän brachte er Aufruhr (Tumult)21." Darin folgt er der alten historischen Tradition22. Während in den beiden Volksromanen die Handlungsweise der Wezire nicht als direkter Verrat beschrieben ist — sie beschließen zwar, sich zu ergeben, benachrichtigen aber Bahräm von dem Entschluß, bevor sie ihn in die Tat umsetzen — schildert Nizämi die Situation düsterer: aus reiner Gewinnsucht unterhandeln die Heerführer heimlich mit dem Häqän, sie sind sogar bereit, Bahräm umzubringen. Bahräm hört nur zufällig durch einen Sekretär, der diese Botschaft der Heerführer überbringen soll, davon23. In diesem Fall stehen einmal die Volkstexte der alten Tradition näher als Nizämi; denn die Historiker und Firdausi berichten übereinstimmend, daß die einflußreichen Iranier Bahräm beim Herannahen des Häqän aufsuchten, um ihn zum Handeln aufzufordern. Wie in der Qissa und in PB bleiben jedoch ihre Ermahnungen fruchtlos. Erst, als Bahräm die Stadt verlassen hat, wenden sich die Großen an den Häqän24. Wie sehr Bahräm's Verhalten gegen die Pflichten eines Herrschers verstieß, läßt sich deutlich aus einer Notiz im Kitäb at-täg herauslesen. Im Falle einer ernsten Gefahr mußte der König die Stunden, die er sonst seinem Vergnügen widmete, opfern und seine ganze Zeit dafür verwenden, Kriegslisten gegen den Feind auszudenken und seine Truppen zu rüsten. Die persischen Könige — diese Nachricht geht sicher auf eine sasanidische Tradition zurück — befolgten 20

21 22

23 21

Tabarï a. a. O.: 200.000; ebenso Eutychios a. a. O.; al-Maqdisï a. a. O.: 100.000; ebenso at-Ta'älibi a. a. O.; Bal'amî a. a. O.: 250.000; ebenso Färs-näma a. a. O. und Mirhuând I 763. 27,24. Dïnawarï a. a. O., Nihâya a. a. O., at-Ta'âlibï a. a. O., Mugmal S. 70; Eutychios a. a. O. nennt als Stelle des Einfalls a§-§a'id, was in Verbindung mit Mas'ûdï, M.à. I 261 in aç-çugd, Sogdiana, verbessert werden muß. al-Maqdisî a. a. O. läßt den Häqän dagegen im Nordwesten, bei Bäb al-Abwäb, also Darband, am Westufer des Kaspischen Meeres einfallen, was seiner Identifizierung des Häqän mit dem Herrscher der Hazaren entspricht. 27,27—33. Tabarï a. a. O., Eutychios a. a. O., Nihâya a. a. O., at-Ta'âlibï a. a. O., Bal'amî a. a. O., Firdausi 35,1447ff., Färs-näma S. 79; bei Dïnawarï S. 58 läßt Bahräm, als er die Nachricht hört, sofort von seinem Wohlleben ab. Später hat es nur den Anschein, als sei er unbekümmert. 10 Pantke, Roman

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Kommentar zur Rahmenerzählung

in einer solchen Gefahrensituation sogar ein besonderes Tischzeremoniell. Der König speiste nur in der Gesellschaft der drei höchsten Männer des Staates: des Obeimöbad, des Chefs der Kanzlei (dabirbad) und des Anführers der Reiterei. Die Mahlzeit durfte nur aus Brot, Salz, Essig und Gemüsen, dazu einem einfachen Gericht aus Brot, Fleisch und Eiern (bazm-äward) bestehen. Erst, nachdem sich die Lage gebessert hatte, nahm der König wieder seine gewohnten Mahlzeiten ein26. Nach der Darstellung der beiden Volkstexte findet Bahräm, als er endlich die drohende Gefahr erkennt, bei den Iraniern keine Unterstützung mehr. Noch einmal sind es die Araber, die ihm zur Seite stehen: er sammelt 300 arabische Reiter um sich. Die Zahl 300 läßt sich wieder auf Nizämi28 zurückführen, der sie von Tabarï27 bzw. Bal'ami28 übernommen haben kann, wenn er nicht selbst die Zahl 300 als Gegenstück zu den 300.000 Mann des Häqän wählte. Dagegen nennen die anderen alten Quellen bedeutend höhere Zahlen, jedoch betonen auch sie die gewaltige Überlegenheit der feindlichen Truppen29. Doch weder in den Haft Paikar noch in den Quellentexten ist gesagt, daß Bahräm im Kriege gegen den Häqän von den Arabern unterstützt wurde30. Allerdings wird in den Haft Paikar an späterer Stelle vorausgesetzt, daß an-Nu'män auch während dieser Zeit noch am Hofe Bahräm's weilt und erst nach dem Sieg über den Häqän in seine Heimat zurückkehrt31. So ist die Gleichsetzung der 300 königstreuen Soldaten mit arabischen Reitern, wie sie die Volkstexte bieten, eine verständliche Schlußfolgerung. Im folgenden weichen die beiden Volkstexte stärker von Nizämi und von der historischen Tradition ab. Bei ihnen konzentriert sich das Geschehen nämlich auf die „Stadt", die Residenz Bahräm's. So flieht Bahräm in die S. 173 § 143f.; s. auch die Übersetzung von P E L L A T S. 190f. 27,47: „Zur Zeit der Rüstung hatte er von seinem ganzen Heer nur 300 Reiter, sonst niemanden." 27 1,864 (II 76). Außer den 300 Soldaten folgen ihm sieben edle Iranier. 28 S. 121. 2 · Ibn Qutaiba, Ma'ärif S. 661; nach Dïnawarï a. a. O. sind es 7000; ebenso nach der Nihäya fol. 128b; Firdausi 35, 1472 nennt 6000, Mugmal a. a. O. 7000. 30 Es ist sogar an vielen Stellen ausdrücklich gesagt, daß seine Begleiter Iranier waren. Nur aus der Nihäya fol. 129 b läßt sich eine Beteiligung der Araber an diesem Feldzug herauslesen. Bahräm schenkt al-Mundir nämlich einen Teil der erbeuteten Gegenstände: Krone, Schwert und Gürtel des Häqän. Das ist nur sinnvoll, wenn al-Mundir am Krieg teilgenommen hat. 3 1 2 8 , 6 6 f f . W I L S O N ' S Übersetzung S. 1 0 4 unten läßt an-Nu'män und al-Mundir nach dem Krieg zusammen heimziehen. Dafür gibt es weder im Text von R I T T E R / R Y P K A noch im Apparat einen Anhaltspunkt, ρ und Li setzen im Vers 28,88 Mundir statt Nu'män ein, und B, Pe, Le, R bringen beide Namen in einer Izäfat-Verbindung, also: Nu'män, Sohn Mundir's. Nu'män u n d Mundir findet sich in keiner der von R I T T E R / R Y P K A herangezogenen Hss. 26

28

Der Krieg mit dem König von China

147

Umgebung der Stadt, der Chinesenkönig zieht in die Stadt ein, und in der Stadt findet auch der nächtliche Überfall Bahrain's und die Entscheidungsschlacht statt. Diese Konzeption muß auf A zurückgeführt werden. Sie ist bei Nizämi nicht angelegt, doch da in den Haft Paikar — im Gegensatz zu den Berichten der Historiker und Firdausfs — an dieser Stelle keine geographischen Angaben über das Fluchtziel Bahräm's und den Schauplatz der Schlacht 32 gemacht werden, konnte A auf seine Weise den lokalen Rahmen abstecken, ohne seiner primären Quelle zu widersprechen. D a weder in der Qissa noch in PB je der Name einer iranischen Provinz oder ein anderer Ortsname (außer dem Namen der Hauptstadt al-Madä'in) fällt und sich Bahräm's Leben — von Reisen in fremde Länder abgesehen — im engen Rahmen der „Stadt Iran" 3 3 abspielt, muß man annehmen, daß auch schon A kein Interesse für geographische Details zeigte und der „Stadt Iran" die gleiche Rolle zuwies wie die beiden Volkstexte, die hier vorliegen. In ihrem Bericht über die Flucht Bahräm's und die sich anschließenden Ereignisse stimmen die Qissa und PB im großen ganzen überein. Nur in einigen Punkten zeigen sich kleine Unterschiede. Während in der Qissa der Geschehensablauf auf 1 % Tage zusammengedrängt ist, läßt PB den Chinesenkönig zwei Monate in der Stadt regieren, ehe Bahräm den Thron zurückerobert. Auch bei Nizämi liegt eine längere Zeitspanne zwischen der Flucht Bahräm's und seinem Überfall 34 , so daß PB das zeitliche Schema von A wahrscheinlich genauer wiedergibt als die Qissa. Nur, wenn eine längere Zeit bis zur Entscheidungsschlacht verging, erscheint die Sorg- und Achtlosigkeit des Chinesenkönigs, die Bahräm's Sieg erst ermöglichen, verständlich. Diese Voraussetzung für die Niederlage des feindlichen Heeres wird von Nizämi 35 , der sich hier eng an Firdausi 36 hält, aber auch von einem 32

33 34

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34

27,34f. Daß der Häqän jedoch die Stadt nicht betritt, geht daraus hervor, daß er nicht weiter vorrückt, obwohl ihn das Angebot der Iranier erreicht (27,40f.). S. oben S. 49. Bahräm wartet eine Zeitlang, bis sich der Häqän in Sicherheit wiegt. Seine Spione halten ihn über die Truppen des Iläqän auf dem laufenden (27,44). 27,44ff.: „Als der Hän der Häne die Botschaft hörte, daß B a h r ä m aus der Welt verschwunden war, ließ er a b von Schwert und Schwertspiel und setzte sich müßig nieder zu Lautenspiel und Wein. E r war wegen des Feindes nicht bekümmert und trank Wein; er t a t Dinge, die man nicht tun sollte." W I L S O N ' S Ubersetzung S. 96 bezieht Vers 41 und 42 zu Unrecht noch auf Bahräm. 35,1520ff.: „Als er (der Häqän) sich ausgeruht hatte, wandte er sich dem Trinken zu ; niemand dachte mehr an Bahräm. In Marw hatte vor Lauten- und Zitherlärm niemand mehr einen Ort zum Kühen und Schlafen. E r ließ das Heer in jener Steppe frei umherschweifen; es gab weder Wachtposten noch Späher zu Pferde. J a g d und Wein, Gelage, Flötenspiel und Lautenklang: T a g und Nacht wiegte er sich in Sicherheit vor dem K a m p f . " 10·

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Teil der Historiker37 betont. Noch in einem anderen Punkt weicht die Qissa von PB ab. Nach ihr entdeckt der König der Chinesen erst nach seinem Einzug in den Palast Bahräm's, daß sein Gegner geflohen ist. Dagegen melden in PB die Wezire dem Feind die Flucht Bahräm's, bevor sie die Stadt übergeben. Auch hier steht, wie sich aus dem Vergleich mit Nizämi38 ergibt, die Fassung PB's A näher als die der Qissa. Daß der Herausgeber der Qissa bei diesem Bericht seine Vorlage freier wiedergegeben hat als PB, zeigt sich auch beim Vergleich der eigentlichen Schlachtschilderung. Während die Fassung PB's hier sehr knapp ist, führt die Qissa zwei Berichte über die Schlacht an. Zunächst hört der Chinesenkönig durch einen Boten eine Schilderung des Überfalls und des sich anschließenden Kampfes. Vom Botenbericht hebt sich ein direkter Bericht ab, der das vorher Erzählte noch einmal aufnimmt und ausführlicher darstellt. Da sich in PB und in den Haft Paikar nur ein direkter Bericht findet, hegt es nahe, daß auch A nur diesen Bericht kannte. Gestützt wird diese Annahme dadurch, daß der Herausgeber der Qissa den zweiten, direkten Bericht mit der Formel einleitet: „Der Erzähler berichtet... (wa-qäla'r-räwi.. ., 49,15)." Die Formel ist sicher ein Hinweis darauf, daß der Herausgeber diesen Bericht, im Unterschied zum Botenbericht, in seiner Quelle vorgefunden hat. Doch muß man annehmen, daß er auch diesen vorgefundenen Bericht sehr erweitert und stilistisch ausgearbeitet hat. Es finden sich in der langen Schilderung nur wenig informative Einzelheiten, kaum mehr, als im knappen Bericht PB's, so daß die Schlachtszene inhaltlich recht allgemein und typisiert wirkt. Sie ist jedoch hochstilisiert und sticht sprachlich durch den ausgiebigen Gebrauch von Reimprosa hervor39. Außerdem wendet der Herausgeber in diesem Abschnitt eine Fülle von Metaphern an, um Bahräm's Kampfeswut zu beschreiben. Es sind dies die traditionellen Metaphern, die auch in der altarabischen Poesie für Kampfszenen behebt sind: Feuer und Löwe40. Beide kommen auch in PB vor, jedoch nur einmal. Der Kampf endet mit der Flucht des Chinesenkönigs und eines kleinen Restes seines Heeres nach China. Darin folgen die beiden Volkstexte wieder 3'

Dïnawarï S. 59, Tabarî 1,864 (II 76), Eutychios I 176f., al-Maqdisi I I I 163f„ at-Ta'âlibî S. 559, Bal'amï S. 121. Diese Texte betonen, daß sich der Häqän sicher fühlte und Vorsichtsmaßnahmen unterließ. Gardïzï S. 28 und Färs-näma S. 79 berichten wie Firdausi, daß sich der Häqän mit Jagd und Weingelagen vergnügte.

38

27,36f. Die Iranier bringen dem Häqän selbst die Nachricht und bieten ihm die Krone an. Es scheint für die arabischen Volksromane typisch zu sein, daß gerade die Schlachtschilderungen hochstilisiert sind und besonders gern Sag' darin verwendet wird; vgl. auch die Qiçsat Fairüz-Säh I 49 f.

39

40

Feuermetaphern: jl^·»- Vi o l i j Ul · Löwenmetaphern:

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Der Krieg mit dem König von China

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Nizämi41, der hierin von den alten Quellen abweicht. Diese berichten nämlich, daß Bahräm den Häqän tötete42 oder aber ihn gefangennahm48. Verfolgt man die Überlieferung der Häqän-Episode über Nizämi hinaus, zeigt sich, daß der Dichter hier freier als sonst mit seinen Quellen verfahren ist. Besonders auffällig ist, daß sein Bericht viel weniger spezifische Details aufweist als die älteren Texte. Während Nizâmi ζ. B. kurz und allgemein erzählt, Bahräm sei aus der Stadt geflohen, äußern sich die Quellen zu diesem Punkt sehr differenziert. Bahräm verläßt mit seinem Heer die Stadt und begibt sich zunächst nach Ädarbäigän und seinem berühmten Feuertempel, dann nach Armenien, um zu jagen; von dort zieht er schließlich in die Gegend von Marw, wo sich der Häqän aufhält. Seinen Bruder Narsë hat er zuvor als seinen Stellvertreter eingesetzt44. Sein Auszug aus der Stadt geschieht also offen, ohne den Anschein der Flucht. Das Volk interpretiert seinen Weggang allerdings sofort als Flucht45. Das ist der Ansatzpunkt für Nizämi's Darstellung. Weiter unterscheidet sich das Angebot der Iranier an den Häqän bei Nizämi einerseits und den Historikern/Firdausi andererseits ganz beträchtlich. Während in den Haft Paikar die Iranier dem Feind Krone und Thron übergeben wollen46, was sie in den beiden Volkstexten auch in die Tat umsetzen, kann nach der historischen Tradition davon nicht die Rede sein. Dem Häqän geht es nur um den Tribut des Landes. Die Iranier versprechen ihm Steuern und Tribut unter der Bedingung, daß er nicht weiter vorrückt, das Land vielmehr nach Erhalt der Abgaben wieder verläßt. Damit erklärt sich der Häqän einverstanden47. Auch in der Schlachtschilderung tritt das Fehlen von spezifischen Details in Nizämi's Darstellung hervor, obwohl er die Szene breit ausmalt. Selbst die Historiker, die sich hier kurz fassen, bringen mehr informative Einzelheiten, besonders über die Beute, die Bahräm in die Hände fällt48. Andere schildern den Kampf 41 42

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27,92. Ya'qûbï I 141, Dïnawarï a. a. O., Tabarï a. a. O., Eutychios a. a. O., Mas'udî, M.d. I 261, al-Maqdisï a. a. O., Nihâya fol. 129b, at-Ta'âlibi a. a. O., Bal'amî 43 Firdausï 35,1598, Gardïzî S. 28. a. a. O., Färs-näma S. 81. So bei Dïnawarï S. 58, Tabarï l,863f. (II 75f.), Nihâya fol. 128b, Bal'amî S. 121, Firdausï 35,1473ff., Färs-näma S. 79. Dïnawarï a. a. O., Tabarï 1,864 (II 76), Eutychios a. a. O., Nihâya a. a. O., atTa'âlibï a. a. O., Bal'amî a. a. O., Firdausï 35,1476f., Mugmal S. 70. 27,39.

Es ist von amwäl (Dïnawarï, at-Ta'âlibî), haräg (Tabarï, Nihâya) und gizya (Euty-

chios) die Rede ; in den persischen Texten entsprechend von säw und bäj (Bal'amî, Firdausï, Gardïzï). Bei Firdausï 35,1517 verspricht der Häqän·. „Ich gehe nach Marw, weiter ziehe ich nicht; ich möchte nicht, daß von Seiten meines Heeres Leid geschieht." Nach Dïnawarï fiel die Hätün, die Gattin des Häqän, in seine Hände, ebenso nach Tabarï 1,866 ill 771: at-Ta'àlibï fügt hinzu, daß er sie zur Tempelsklavin eines

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Kommentar zur Rahmenerzählung

sehr ausführlich, wobei es ihnen hauptsächlich auf die Kriegslist, die B a h rain zum Siege verhilft, ankommt 4 9 . Der Krieg gegen den Häqän scheint in der Überlieferung vor allem der Kriegslist wegen Berühmtheit erlangt zu haben. W e n n im Kitäb at-täg als erstes Beispiel im Kapitel „Kriegslisten" eine Kriegslist B a h r ä m ' s geschildert wird, ist dabei sicher auf den Feldzug gegen den Häqän

angespielt, obwohl der Feind nicht mit Namen genannt

wird. Daß die List hier ganz anders aussieht 6 0 als bei den Historikern, spricht nicht dagegen, da auch deren Versionen von B a h r ä m ' s Kriegslist sehr verschieden sind. Die breite Skala der angeführten Kriegslisten scheint mir gerade ein Beweis dafür zu sein, daß in der alten Tradition die List in diesem Feldzug eine wesentliche Rolle spielte, sonst h ä t t e n die Historiker nicht so unterschiedliche Versionen vorfinden können. Auch in den Quellen, die nicht ausdrücklich eine Kriegslist erwähnen, finden sich Spuren davon. So verlegt B a h r ä m seinen Uberfall auf die Nacht, um den Häqän zu überrumpeln 5 1 , nach einigen ist sein Auszug zur J a g d bereits ein Täuschungs-

Feuertempels (des berühmten in Ädarbäigän) machte. Die Krone und das Schwert des Häqän gehörten ebenfalls zu seiner Beute (Tabari, Eutychios, Nihäya, atTa'älibl, Barami, Firdausî). 49

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Dînawar! S. 58 f.: Bahräm läßt die mit Kieselsteinen gefüllten Häute von Kühen an den Hals von 7000 Fohlen hängen und diese nachts mit großem Lärm in das Lager des Häqän treiben. Durch den Lärm werden die Feinde erschreckt und irregeführt. Nihäya fol. 128b: Bahräm hat auf der Jagd viel Wild gefangen. Diese Tiere läßt er, zusammen mit Hunden und Jagdfalken, unter Trommellärm auf das Lager der Feinde los. Diese glauben, eine riesige Menge Soldaten sei über sie gekommen und fliehen. Mugmal S. 70 hat denselben Bericht. Färs-näma S. 81: Bahräm und die Iranier verkleiden sich als Türken. In der Nacht überfällt er mit 200 seiner Leute das Zelt des Ifäqän und tötet diesen. Vier andere Abteilungen haben das Lager umstellt und verwirren die Türken mit Trommellärm und Geschrei. Was im Lager bleibt, wird von Bahräm niedergemacht, die Flüchtigen werden von den anderen Abteilungen verfolgt und getötet. — S. zu diesen Kriegslisten die kritische Äußerung N Ö L D E K E S in G.d.S. S. 101, A. 2. S. 177 ff. § 147 ff. Die Begleitumstände sind ähnlich wie bei den Historikern beschrieben: Bahräm hört nicht auf die Warnungen der Wezire, sondern gibt sich ungehemmtem Lebensgenuß hin. Dann begibt er sich allein unter die Feinde, denen er vorspiegelt, ein entlaufener Sklave des iranischen Königs zu sein. Vor dem feindlichen König legt er einige Proben seiner Schußfertigkeit ab. Als dieser über seine Treffsicherheit staunt, sagt ihm Bahräm, er sei nur der geringste Sklave seines Königs, zudem gelte er als der schlechteste Schütze nnter allen Königssklaven. Nur deshalb habe der iranische König es sich erlauben können, den Feind so nah herankommen zu lassen, weil jeder von seinen Leuten ein Meisterschütze sei. Daraufhin packt den feindlichen König Angst vor diesem Gegner, und er kehrt in sein Land zurück. So bei Tabari, Eutychios, at-Ta'älibi.

Der Krieg mit dem König von China

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manöver 52 . Firdausi läßt den Uberfall zwar während des Tages geschehen, betont jedoch den gewaltigen Lärm von Stimmen und Trompeten, der die Feinde verwirren soll 53 . Diese verschiedenen Darstellungen gehen letzten Endes alle von der historischen Tatsache aus, daß Bahräm's Heer den Feinden zahlenmäßig weit unterlegen war, und der Sieg deshalb nur durch eine geschickte Strategie möglich wurde. Nach dem Sieg über den Chinesenkönig wendet sich Bahräm wieder seinen Herrscherpflichten zu. Wie die Qissa und PB hervorheben, ist er sich seiner früheren Nachlässigkeit bewußt und will seine Schuld wiedergutmachen. Das geht sicher auf A zurück. Bei Nizämi äußert sich Bahräm dagegen sehr selbstbewußt. In einer langen Strafrede, die er den Heerführern und den Großen der Iranier hält, rühmt er sich seiner eigenen Stärke, die ihm den Sieg verlieh 54 . Er gibt keineswegs zu, daß er nachlässig gehandelt hat, sondern nimmt für sich in Anspruch, auch bei Vergnügen und Trinkgelagen niemals seine Aufgaben vergessen zu haben 55 . Diesen Gedanken hat Nizämi von Barami 5 ® entlehnt, während er sich bei Tabari 5 7 nicht findet. In der Qissa tritt derselbe Gedanke später in einem anderen Zusammenhang auf: die Könige der Erde fürchten Bahräm von nun an, da sie wissen, daß er auch beim Weintrinken und Lebensgenuß die Verteidigung des Landes nicht außer acht läßt (51,28). Während die beiden Volkstexte von einem strengen Strafgericht über die ungetreuen Wezire berichten, begnügt sich Bahräm in den Haft Paikar mit einer Strafrede 58 . Darin folgt Nizämi der historischen Tradition, genauer gesagt Bal'ami; denn wenn auch andere Historiker 59 von einer Strafrede Bahräm's nach seiner Rückkehr berichten, so finden sich doch die meisten Ubereinstimmungen in der Fassung Nizämi's und Bal'aml's. In keiner der alten Quellen hören wir von einer Bestrafung der Schuldigen. Bahräm's Freundlichkeit 52 53 61

So bei al-Maqdisï, Nihäya, 35,1040«. 28,16—32.

Gardïzï.

66

28,16: „ A u c h wenn ich Wein trinke, trinke ich nicht so, daß ich vor Trunkenheit nicht um die Welt bekümmert wäre." Vgl. auch 28,17ff. E s ist der Grundgedanke in Bahräm's Argumentation. S. 122: „Glaubt nicht, daß ich mit Vergnügen und J a g d beschäftigt sei; denn ich bin bei der Lenkung des Reiches und bin nicht nachlässig." Allerdings hat Nizämi diesen Satz etwas umgedeutet; denn bei Bal'ami weist Bahräm den Vorwurf, er gebe sich seinem Vergnügen hin, als gänzlich falsch zurück.

57

1,866 (II 77) hält Bahräm bei seiner Rückkehr den Iraniern ebenfalls eine Strafrede.

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28,4—14. Tabari a. a. O.; Nihäya fol. 1 2 9 a b : der Vorwurf gegen die Großen, daß sie nicht wie B a h r ä m auf die Hilfe Gottes vertrauten, findet sich in einem Brief an die Untertanen.

55

ω

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Kommentar zur Rahmenerzählung

ihnen gegenüber wird sogar ausdrücklich erwähnt60. Bei Firdausï halten es die Großen der Iranier allerdings für ratsam, Bahräm's Bruder Narsê um Vermittlung anzugehen61. Im folgenden schildern die Qissa und PB, daß Bahräm in einem Brief an den König von China dessen Tochter zur Frau fordert, dazu die Grundsteuer für 7 Jahre. Die breite Darstellung der einzelnen Phasen des Handlungsablaufs ist Sondergut der beiden Volkstexte. Dem stehen bei Nizämi drei Verse gegenüber, die A als Ausgangspunkt dienten: „Dann sandte er einen Boten zum Häqän, teils mit Freundlichkeit, teils unter Drohungen forderte er seine Tochter, mitsamt Schätzen und mit der Krone, darüber hinaus noch die Grundsteuer von 7 Jahren. Der Häqän gab die Steuer, seine Tochter und Reichtum, eine Ladung Dinare und auch einen Schatz von Edelsteinen62." Natürlich braucht für diesen Abschnitt keine historische Quelle gesucht zu werden, sondern er ist in Nizämi's Konzeption der Haft Paikar begründet. Nizämi macht die Anknüpfung dieser Episode an die Entdeckung der 7 Standbilder in einem Vers deutlich63, während in den beiden Volkstexten der Ubergang nahtlos und ohne Kennzeichnung verläuft. Dieser direkte Übergang ist sicher der Grund dafür, daß in diesen beiden Texten in den Bericht über die Brautwerbung Bahräm's beim Chinesenkönig eine andere Episode, seine Heirat mit der iranischen Prinzessin Dursiti, eingeschoben ist. Bei Nizämi nimmt Bahräm Dursiti ebenfalls als erste der 7 Prinzessinnen zur Frau, erst dann hält er um die chinesische Prinzessin an. Diese Reihenfolge sollte anscheinend auch in den Volkstexten bzw. A beibehalten werden, deshalb die etwas eigenartige Unterbrechung der Erzählung über die Gesandtschaft bei dem Häqän. Nach der Qissa läßt Bahräm sogleich nach der Hochzeit für jede seiner Gattinnen ein prächtiges Schloß erbauen. Da in PB und bei Nizämi erst an späterer Stelle in einem zusammenhängenden Abschnitt über den Bau der 7 Paläste, die für die Gesamtkonzeption aller drei Fassungen eine so große Rolle spielen, berichtet wird, ist anzunehmen, daß der Herausgeber der Qissa hier bereits auf jene Stelle vorgegriffen hat. Auch in der Qissa werden nämlich erst dort die Eigentümlichkeiten der 7 Paläste beschrieben, was deutlich zeigt, daß die Nachricht an jene Stelle gehört. So im Färs-näma S. 81. 35,1601ff. «2 29,8ff. 63 29,2: „Die Erzählung jenes Meisters kam ihm ins Gedächtnis, der früher diese Schilderung erwähnt hatte." 60

61

Der Feldzug gegen den Kaiser von Rum

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5. Der Feldzug gegen den Kaiser von Rüm (Inhaltsangabe S. 22—23)

Als nächstes macht sich Bahräm daran, die Hand der byzantinischen Prinzessin zu gewinnen. Die Qissa und PB schildern die einzelnen Phasen dieser Episode recht einheitlich und mit vielen wörtlichen Übereinstimmungen, so daß der Text der Vorlage A deutlich hervortritt. Wie sich aus dem Vergleich der beiden vorliegenden Versionen ergibt, muß in A am Anfang dieses Kapitels ein Gebet Bahrain's gestanden haben, in dem er Gott für das Erreichte dankte und ihn bat, ihm auch zur Heirat mit den übrigen fünf Prinzessinnen zu verhelfen. Daran Schloß sich in A der Briefwechsel mit dem Kaiser von Rüm an, worauf sich beide Seiten zum Krieg rüsteten. Auch in A fand die Schlacht auf byzantinischem Gebiet statt. Während die Qissa von zwei Schlachten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen berichtet, ergreift in PB der Kaiser schon nach dem ersten Zusammentreffen der Heere die Flucht. Vermutlich geht die Erweiterung der Szene auf den Herausgeber der Qissa zurück, wie auch die stilistische Ausarbeitung der Schlachtschilderung sicher sein Werk ist. Die Darstellung der Kämpfe hebt sich in der Qissa wieder durch hochstilisierte sprachliche Wendungen 1 und durch den ausgiebigen Gebrauch von Sag* 2 vom Kontext ab. Sicher soll auch hier die Formel: wa-qäla'r-räwl (58,23), die am Schluß der zweiten Kampfesschilderung steht, darauf hinweisen, daß sich der Herausgeber nach der freieren Behandlung des Stoffes hier wieder dem Bericht seiner Vorlage anschließt, also vorgefundenes Material wiedergibt 3 . Auch in A muß es in der Stadt des Kaisers zu einer letzten Schlacht gekommen sein. Als die Bewohner der Stadt um Frieden 4 baten, unterwarf sich schließlich der Kaiser voll Reue und erfüllte die Forderungen Bahräm's. E s ist eine stereotype Wendung der Qissa, daß Bahräm sogar die Liebe seiner Feinde gewinnt, so daß sie im Grunde ihres Herzens froh sind, ihn als Schwiegersohn zu bekommen, da sie seine Tapferkeit und Ritterlichkeit erfahren haben. Die Qissa malt, ihrem Erzählungsstil gemäß, die einzelnen Phasen des Handlungsablaufs breit aus, während PB sie jeweils nur andeutet 5 . Dem So z. B. S. 58,lf.: „Der Krieg öffnete überall seine Tore, und der Rabe der Trennung krächzte und jammerte über die Menschenleben." Der Text ist hier nicht ganz in Ordnung. Statt ^jJI J J . ist natürlich ¿ J l ,_Jjé zu lesen. Eine andere hochstilisierte Wendung ist der Ausdruck 'arüs dälika Ί-maidän für Bahräm (58,5). 2 S. oben S. 148, A. 39. 3 S. oben S. 148. * Hier stimmen die Qissa und PB wörtlich überein. S. 59,20 heißt es in der Qiffa: oí. Vi j u * j . ο ν Vi ö - ä j I j . Dem entspricht PB S. 28: ΛΛ JaI jl jU Vi tfl .»xl xl< 6 23 Zeilen in PB stehen 4% Seiten in der Qiffa gegenüber! 1

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Kommentar zur Rahmenerzählung

detaillierten Bericht der beiden Volkstexte stehen bei Nizämi nur zwei Verse gegenüber: „Dann machte er einen Einfall nach Rüm und warf Feuer in jenes Land. Aus Furcht widersetzte sich der Kaiser nicht, er gab ihm seine Tochter und bat vielmals um Verzeihung·." Es ist durchaus denkbar, daß diese beiden Verse für A als Ausgangspunkt genügten; denn sicher überfordert es die erzählerische Phantasie eines Volksbuch-Autors nicht, das von Nizämi Angedeutete in eine detaillierte Darstellung umzusetzen. Da der Krieg mit Rüm historisch ist, könnte man auch an einen Einfluß der Historiker auf A denken, wie man auf der anderen Seite annehmen darf, daß Nizämi durch die Berichte bei den Historikern zu seiner Darstellung angeregt worden ist. Es zeigt sich bei einem Vergleich der verschiedenen Berichte, daß A und die Historiker nichts gemeinsam haben, was nicht auch bei Nizämi vorhanden wäre. Die einzige Ausnahme ist die Nachricht, daß das iranische Heer sogar in die Stadt Konstantinopel einzog. Sie wird von Tabari 7 angeführt; von den Persern hat sie nur Mirh u änd 8 aufgenommen. Auch A ließ die Iranier in die Stadt des Kaisers eindringen. Doch kann diese Übereinstimmung zufällig sein. Der Name der Stadt wurde in A sicher nicht genannt; wahrscheinlich spielt die „Stadt des Kaisers" für die Volkstexte die gleiche Rolle wie die „Stadt Iran" 9 . Sonst hat A jedenfalls keine Details aus den Berichten der Historiker übernommen, um seine Darstellung dieser Episode inhaltlich aufzufüllen. Ein wesentlicher Unterschied zu den Historikern liegt darin, daß bei diesen nicht Bahräm selbst den Feldzug führt, sondern sein Minister Mihr Narsë, der seinen Auftrag jedoch ebenfalls ruhmreich erledigt10. Nur Eutychios berichtet, daß der Konflikt nicht sehr erfolgreich für die Iranier endet : nach heftigen Kämpfen ziehen sich beide Seiten zurück, ohne etwas erreicht zu haben 11 . Wie N Ö L D E K E annimmt, ist der Bericht bei Eutychios auf eine byzantinische Quelle zurückzuführen 12 . Seltsamerweise findet sich bei Firdausi keine Nachricht über den Krieg mit Rüm. Er berichtet nur, daß der Kaiser einen Gesandten mit Tributforderungen zu Bahräm schickt, die Situation ist also umgekehrt wie in den Volkstexten. Doch beschränkt sich die Auseinandersetzung bei Firdausi auf einen Weisheits-Rangstreit zwischen dem gelehrten Gesandten und dem Obexmöbad. Natürlich geht der Wettstreit zu Gunsten des iranischen Vertreters aus13. 9 9 10 11 la 13

7 8 29,llf. 1,8681 (II 79f.). I 867f. S. oben S. 49. Färs-näma S. 82 verwechselt ihn mit Narsë, dem Bruder Bahräm's. I 178. G.d.S. S. 108f., A. 2. 35b,10—118.

Das indische Abenteuer

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Der Krieg mit Rüm hat also in der alten iranischen Tradition kaum eine große Rolle gespielt, was auch aus der Kürze der Nachrichten über diesen Krieg im Verhältnis zum Krieg gegen den Häqän hervorgeht. Außerdem setzen die Historiker die Auseinandersetzung mit Rüm erst nach dem Krieg mit dem Häqän und nach dem indischen Abenteuer an; nur bei Eutychios ist die Reihenfolge Feldzug gegen den Häqän, Krieg mit Rüm, indisches Abenteuer. Dagegen ist es durch die byzantinischen Quellen einwandfrei bezeugt, daß der Krieg mit Rüm gleich nach Bahräm's Thronbesteigung ausbrach, also an sehr exponierter Stelle unter seinen verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen stand. Der Grund für die Ungenauigkeit und Knappheit des Berichtes über diesen Krieg in den alten orientalischen Quellen ist sicher in dem für Iran unbefriedigenden Ausgang zu suchen. Der Krieg brach in Wirklichkeit wegen der Christenverfolgung Bahräm's aus. Viele christliche Iranier flüchteten nach Byzanz, um sich der Verfolgung zu entziehen. Bahräm's Auslieferungsverlangen wurde vom Kaiser abgeschlagen, und nach verschiedenen Schikanen gegen byzantinische Christen in Iran kam es zum Krieg. Bahräm's Feldherr Mihr Narsê wurde geschlagen und später in Nisibis belagert, doch konnte Bahräm die Stadt entsetzen. Arabische Hilfstruppen unter al-Mundir sollten Bahräm's Lage durch einen Einfall nach Syrien verbessern; als sie eine Niederlage erlitten, stürzten sie sich in panischer Flucht vor den Byzantinern in den Euphrat, und ein großer Teil von ihnen ertrank. Im Jahre 422 kam es zum Frieden, bei dem beide Seiten Zugeständnisse machen mußten. Die Christenverfolgung wurde beendet, und Byzanz zahlte den Iraniern jährlich eine bestimmte Summe für die Bewachung des Kaukasus-Passes zum Schutz gegen die Barbarenvölker14.

6. Das indische Abenteuer (Inhaltsangabe S. 23—25) Bahräm's Indienfahrt und seine Vermählung mit der indischen Prinzessin wird von den beiden Volkstexten sehr ausführlich und im wesentlichen übereinstimmend geschildert, während Nizämi dieser Episode nur eine kurze Erwähnung schenkt: „Von dort ( = dem Magrib) begab er sich in das Reich Hindüstän ; mit Verstand und Klugheit forderte er die Tochter des Räy und erlangte seinen Wunsch 1 ." Auch hier könnten diese beiden Verse A als Ausgangspunkt gedient haben. Sie stecken den großen Rahmen für die Episode ab: Bahräm reist persönlich nach Indien und gewinnt die 14

S. SPIEGEL III 347ff., NÖLDEKE, G.d.S. S. 1081, A. 2, JUSTI, Geschichte Irans. S. 5 2 7 , ROTHSTEIN S. 6 9 , SYKES S. 4 3 1 ff.

1

29,151

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Kommentar zur Rahmenerzählung

Hand der Prinzessin durch sein listiges Vorgehen, nicht durch kriegerische Mittel wie in den voraufgehenden Episoden. Diese dürftigen Angaben könnten für den Herausgeber A 's durchaus genügt haben, um daraus eine spannende, verwickelte Handlung, die sich aus verschiedenen Abschnitten, wie Reise, Empfang am Hofe des Inderkönigs, Verhandlungen mit diesem, Überwindung des Widerstandes, usw. zusammensetzt, zu konstruieren. Doch da das Säh-näma, das schon einige Male als Quelle für A in Betracht kam und als solche auch nachgewiesen wurde, die Indienreise Bahräm's und seine Abenteuer am Hofe des Inderkönigs sehr detailliert schildert, muß untersucht werden, ob A in der Darstellung dieser Episode von Firdausi abhängig ist. Ziel und Zweck der Indienreise sind bei Firdausi anders definiert als in den Volkstexten. Nachdem Bahräm vor den versammelten Möbads eine Rede über die Gerechtigkeit gehalten hat, klagt ein Wezir über die Ungerechtigkeit des Königs von Indien, die einen ständigen Unruheherd bildet. Daraufhin entschließt sich Bahräm, die Verhältnisse in Indien mit eigenen Augen auszukundschaften, bevor er etwas gegen den Inderkönig unternimmt2. Dagegen ist in der Qissa und in PB, also A, die Heirat mit der indischen Prinzessin das einzige Ziel Bahräm's, eine Abweichung, die in der Gesamtkonzeption dieser Texte begründet ist. Wie bei Firdausi® wählt Bahräm auch in den beiden Volkstexten für seine Reise die Verkleidung eines iranischen Gesandten. Firdausi4 schildert, daß Bahräm, bevor er von Iran aufbricht, seinen Wezir auffordert, ihm einen Brief aufzusetzen, den er dem Inderkönig in seiner Eigenschaft als Gesandter überreichen will. Auch die Qissa (S. 61,15) und PB (S. 28) erwähnen diesen Brief. Die Reise selbst wird von Firdausi und den beiden Volkstexten sehr knapp behandelt. Hier zeigt sich wieder, daß letztere, bzw. A, nicht an geographischen Angaben interessiert sind. Firdausi nennt wenigstens den Namen der Stadt Qannüg, der Residenz des Inderkönigs5. PB und besonders die Qissa betonen, daß Bahräm am Hofe des Königs sehr kühl, ja fast unhöflich, empfangen wird, so daß er seinen Ärger darüber kaum bezwingen kann. Dafür findet sich im Säh-näma kein Anhaltspunkt. Dagegen schildert Firdausi* die Pracht des königlichen Schlosses und das geschäftige Leben 2

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35 b, 126—191; V. 125—180: Rede Bahräm's, V. 181—187: Klage des Wezirs, V. 188—191: Entschluß Bahräm's zur Reise. 35b,191: ,.Ich will wie die Gesandten zu ihm gehen, ohne den Edlen in Iran etwas davon zu sagen." 6 35b,226.270. 35b,192ff. 35b,230ff. : „Als er zum Palast des Sangui kam, sah er sein Tor, seinen Vorhang und die Audienzhalle. Er sah ein Gebäude, das sein Haupt in die Luft reckte, am Tor viele Waffen und Truppen. Reiter und Elefanten, die am Tore standen, Lärm und Schall von Trompeten."

Das indische Abenteuer

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vor den Toren des Palastes mit ähnlichen Worten wie die beiden Volkstexte, bei denen indessen allgemein von der Stadt des Inderkönigs die Rede ist. Hier wie dort ruft der Anblick bei Bahräm Betroffenheit über die Macht seines Gastgebers hervor7. In der Schilderung der Audienz bei Hofe ist die Ubereinstimmimg der drei Texte sowohl im Aufbau der Szene, mit Rede und Widerrede, als auch in den Argumenten, die vorgebracht werden, sehr genau und manchmal sogar wörtlich. Zunächst reizt der angebliche Gesandte den fremden König durch eine Lobrede auf den iranischen Herrscher. PB und Firdausi weisen hier die größte Ähnlichkeit auf 8 . Da der Herausgeber der Qissa die Lobrede (S. 62,11—15) stilistisch ausgearbeitet und in Sag' gesetzt hat, finden sich bei ihm keine wörtlichen Anklänge an Firdausi. In allen drei Fassungen wird der indische König durch den Brief, den ihm Bahräm übergibt, vollends aufgebracht. Firdausi und PB beschreiben dies durch den Wechsel seiner Gesichtsfarbe9. In der Qissa nennt der Inderkönig den iranischen Herrscher, der ihm diesen Brief geschrieben hat, wahnsinnig und ohne Verstand (S. 62,19f.). PB bezieht diese Epitheta auf den Gesandten. Bei Firdausi ist beides angelegt10, wahrscheinlich drückte sich A ähnlich aus. An diese Vorwürfe schließt eine Ruhmrede des Inderkönigs auf seine eigene Macht und Herrlichkeit an ; auch hierin stimmen die beiden Volkstexte mit Firdausi 11 überein. Der König beendet seine Antwort mit den drohenden Worten, er würde dem Gesandten auf der Stelle den Kopf abschlagen lassen, gälte solches Tun nicht als schändlich. Hier läßt sich eine wörtliche Übereinstimmung der beiden Volkstexte, also A 's, mit Firdausi12 feststellen. In der Qissa schlägt Bahräm als Gesandter im Auftrag seines Herrschers vor, eine Auswahl indischer Reiter gegen 100 Iranier 7

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Qissa S. 61,25f.: „Als er dies sah, verwunderte er sich und versank in einem Meer von Gedanken." PB S. 29: „Als Bahräm diesen Glanz sah, wurde er verwirrt. Firdausi 35b,233: „Er wurde voll Verwunderung über jenen Audienzsaal und versenkte sein Herz in Gedanken." So in der Bezeichnung Bahräm's als Weltherrscher, in der Hervorhebung seiner edlen Abstammung und seiner Einzigartigkeit unter den Menschen (Firdausi 35b, 252if. ; V. 252 in M O H L S Ausgabe muß statt jty »Lt^lS" gelesen werden: jlS" jlji

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» Ii. Nach einer langen Sperrung geht der Satz V. 257 weiter:

PB S. 29: „Seine Farbe wurde rot, dann gelb ( = bleich)." Firdausi 36b,259: „Als der glückhafte Schreiber jenen Brief vorgelesen hatte, wurde die Wange des Königs wie Zarir ( = Gelbfärbepflanze)." 36b,261: „Dein König zeigt Wildheit, das Gleiche zeigt dein Weg." 35b,268—290. Er zählt auf, worauf sich seine Macht und sein Reichtum stützen: Schätze, Soldaten, Elefanten, Edelsteine u.s.w. In der Qi§§a S. 62,21 heißt es summarisch: quwwa und satwa. PB erwähnt auch die Schätze. 35 b, 291: „Wenn es die Art eines Edlen wäre, im Ungestüm einen Gesandten zu töten, würde ich dir den Kopf vom Rumpf trennen, dein Gewand würde über dich weinen."

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Kommentar zur Rahmenerzählung

antreten zu lassen und den Ausgang des Kampfes als Entscheidung zwischen Indien und Iran anzunehmen. Dann erbietet er sich sogar, allein gegen 100 Inder zu kämpfen. PB führt nur den zweiten Vorschlag an. Wieder kann man das Säh-näma als Quelle bestimmen. Auch hier schlägt Bahräm im Auftrage des iranischen Herrschers den Kampf von 100 Indern gegen einen Iranier vor, ohne sich allerdings selbst für diesen Kampf anzubieten 13 . Der Inderkönig geht bei Firdausi jedoch nicht auf das Angebot ein, während in den beiden Volkstexten der Vorschlag konsequent in die T a t umgesetzt wird. Doch findet sich auch bei Firdausi eine Parallele zum Zweikampf Bahräm's, wie ihn die Qissa und PB schildern. Als nach dem Gastmahl, das der König für den vermeintlichen Gesandten gibt, zwei Ringkämpfer auftreten, bittet Bahräm um Erlaubnis, sich mit ihnen zu messen. Er besiegt sie mühelos, indem er sie um die Taille faßt und zu Boden schleudert 14 . Nach der gleichen Kampftechnik geht Bahräm in den beiden Volkstexten vor, nur sind die Kämpfer hier beritten. Nach dem Bericht der Qissa läßt die gewaltige Kraft des Gesandten und sein Mut bei den Zuschauern die Vermutung aufkommen, daß er der Bruder des iranischen Königs ist oder ein mächtiger Fürst. In PB äußert der Inderkönig in der Beratung mit seinen Weziren den Verdacht, daß der Gesandte Bahräm selbst oder aber sein Bruder ist. Im Säh-näma nennt der König alle drei Möglichkeiten 15 . Bei Firdausi werden im folgenden einige Abenteuer Bahräm's geschildert. Der Inderkönig möchte den Gesandten, dessen Stärke ihm Angst einflößt, auf seine Seite ziehen und trägt ihm das Amt eines Heerführers an 16 . Als Bahräm das Angebot zurückweist, stellt er ihm die Aufgabe, zwei gefährliche Tiere, einen Wolf und einen Drachen, zu töten, da er hofft, der Gesandte werde dabei sein Leben verlieren 17 — das alte Märchenmotiv der labores Herculei. Doch Bahräm besteht auch diese Abenteuer siegreich, und so versucht der Inderkönig, ihn an sich zu binden, indem er ihm seine Tochter und die spätere Herrschaft über Indien verspricht, wenn er nicht 35b,299: „Wähle aus Hindustan 100 Reiter aus, die mit einem von uns kämpfen." Vorher hat Bahräm eine friedliche Entscheidung, einen Weisheitswettkampf, vorgeschlagen. 14 35b,321f.: „Wen er von jenen bei der Taille faßte, wie ein Löwe, der nach einem wütenden Wildesel strebt, den schlug er so zu Boden, daß er ihm die Knochen brach und die Farbe aus seinem Gesicht entwich." Vgl. die Qi$$a S. 63,26: "juj j y J1 Q» 4*ki)j } J1 > jj (bahr as-sarg nach D O Z Y : fonds de la selle). PB S. 30: . j j t i / j l X» JiJ iyu