Die Ousia-Lehren des Aristoteles: Untersuchungen zur Kategorienschrift und zur Metaphysik [Reprint 2012 ed.] 9783110903621, 3110179784, 9783110179781

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Die Ousia-Lehren des Aristoteles: Untersuchungen zur Kategorienschrift und zur Metaphysik [Reprint 2012 ed.]
 9783110903621, 3110179784, 9783110179781

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
1. Problemaufriß: Was ist erste Ousia bei Aristoteles?
2. Vorgehen der Untersuchung
3. Stand der Forschung
I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift
1. Allgemeine Kennzeichnung der Kategorienschrift
2. Die Bestimmung der ersten Ousia in logischer und ontologischer Hinsicht
3. Die Bestimmung der zweiten Ousiai und ihre epistemologische und ontologische Bedeutung
4.Das Eigentümliche (ἴδιον) der Ousia
5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie in der Kategorienschrift
6. Ousia nach Plato und Aristoteles
7. Zusammenfassung der frühen Ontologie des Aristoteles
II. Ousia als πολλαχῶς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8
1. ,Metaphysik‘ als Terminus und die Gestalt des Textes
2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met: Δ 8
3. Die zwei Hauptbedeutungen der Ousia und die Bestimmung der Ousia als τόδε τι und χωριστόν
4. Zusammenfassung
III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik ?
1. Von der Frage „Was ist das Seiende?“ zur Frage nach dem ,ersten Seienden‘ bzw. ,auf erste Weise Seienden‘ (Met. Z 1)
2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (ὑποκείμενον) (Met. Ζ 3)
3. Das τί ἦν εἶναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4–6)
4.Das τί ἦν εἶναι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10–12)
IV. Das Problem in Metaphysik Z und ein Lösungsansatz durch Hinsichtenunterscheidung
1. Met. Z 13 im Kontext der Ousia-Lehre von Met. Z
2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Z 13
3. Diskussion der wichtigsten Lesarten
4. Die Lösung des Problems durch Hinsichtenunterscheidung
5. Die Ousia als ,Ursache‘ (Met. Z 17)
V. Ausblick: Anwendung der universalontologischen Bestimmungen auf die drei Grundbereiche des Seienden in Met. Λ
1. Die Differenzierung der Ousia-Arten in Met. Λ 1
2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6–10
3. Die Pros-Hen-Relation in Met. Λ 10
4. Die teleologische Seinsordnung des Aristoteles zwischen bloßer Möglichkeit und reiner Wirklichkeit
5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in verschiedene Ontologie-Typen
VI. Resümee zur Ontologie der Ousia des Aristoteles
VII. Literaturverzeichnis
1. Aristoteles-Textausgaben
2. Andere Quellentexte
3. Sekundärliteratur
Register
1. Stellenregister
2. Namen- und Sachregister

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Dirk Fonfara Die Ousia-Lehren des Aristoteles

W G DE

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß, Dominik Perler, Wolfgang Wieland

Band 61

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2003

Die Ousia-Lehren des Aristoteles Untersuchungen zur Kategoñenschnft und zur Metaphysik von Dirk Fonfara

Walter de Gruyter · Berlin · New York

2003

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-017978-4 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über h t t p : / / d n b . d d b . d e abrufbar.

© Copyright 2003 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Für Sabine

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2002 als Dissertation eingereicht, von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln im Wintersemester 2002/03 angenommen und im Rahmen der Disputation am 8. 11. 2002 verteidigt. Für die Publikation wurde sie geringfügig überarbeitet und leicht gekürzt. Die Dissertation wurde von Prof. Dr. Klaus Düsing und Prof. Dr. Jan A. Aertsen (Köln) betreut. Zu besonderem Dank bin ich Herrn Düsing verpflichtet, der das Zustandekommen der Arbeit in den letzten Jahren intensiv betreut, mit zahlreichen wertvollen Anregungen und Hinweisen entscheidend gefördert und ihre inhaltliche und systematische Ausrichtung nachhaltig geprägt hat, vor allem durch sein Hauptseminar zu Aristoteles' Ousia-Lehre im Sommersemester 1999, in dem ich bereits einige der vorliegenden Argumentationen diskutieren konnte. Mein Dank gilt ebenso Herrn Aertsen, der 1995 mein Interesse für das Studium der Philosophie geweckt und in mehreren Seminaren und Vorlesungen instruktive Anstöße gegeben hat, besonders zur Aristoteles-Rezeption im 13. Jahrhundert und zu den Metaphysik-Konzeptionen im Mittelalter. Weiterhin möchte ich Dr. Kristina Engelhard danken, die zu einigen Kapiteln unmittelbar nach ihrer Fertigstellung wichtige Hinweise gegeben hat, Dr. Rainer Schäfer, mit dem ich die Aristoteles-Texte auf ihren philosophischen Gehalt hin erörtert habe, Dr. Dietmar Heidemann und Tobias Schlicht, M.A., für effektive Verbesserungsvorschläge vor Einreichen der Dissertation und Sabine Folger-Fonfara für die umsichtige Unterstützung bei der Erstellung der Register. Schließlich danke ich den Herausgebern der „Quellen und Studien zur Philosophie", Prof. Dr. J. Mittelstraß, Prof. Dr. D. Perler und Prof. Dr. W. Wieland, dem Walter deGruyter-Verlag für die Aufnahme der Dissertation in diese Reihe, sowie Dr. Gertrud Grünkorn für ihre fachkundige und engagierte Beratung und Grit Müller für ihre Hilfe bei dem Layout der endgültigen Druckvorlage. Köln, im September 2003

Dirk Fonfara

Inhalt Vorwort Einleitung 1. Problemaufriß: Was ist erste Ousia bei Aristoteles? 2. Vorgehen der Untersuchung 3. Stand der Forschung I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift 1. Allgemeine Kennzeichnung der Kategorienschrift 2. Die Bestimmung der ersten Ousia in logischer und ontologischer Hinsicht 3. Die Bestimmung der zweiten Ousiai und ihre epistemologische und ontologische Bedeutung 4. Das Eigentümliche (ϊδιον) der Ousia 5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie in der Kategorienschrift 6. Ousia nach Plato und Aristoteles 7. Zusammenfassung der frühen Ontologie des Aristoteles II. Ousia als πολλαχως λεγόμενον in Metaphysik Δ 8 1. ,Metaphysik' als Terminus und die Gestalt des Textes 2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8 a) Das Zugrundeliegende (ύποκείμενον) b) Die immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) eines Zugrundeliegenden c) Konstitutiver Bestandteil eines Ganzen d) Die Essenz (τό τί ήν είναι) 3. Die zwei Hauptbedeutungen der Ousia und die Bestimmung der Ousia als τόδε τι und χωριστόν 4. Zusammenfassung III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ 1. Von der Frage „Was ist das Seiende?" zur Frage nach dem ,ersten Seienden' bzw.,auf erste Weise Seienden' (Met. Ζ 1) 2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) (Met. Ζ 3) a) Die vier Hauptbedeutungen der Ousia b) Die dreifache Differenzierung des Hypokeimenon c) Kann die Materie als Hypokeimenon Ousia sein? d) Erste Materie und letzte Materie

VII 1 1 2 3 17 17 19 21 24 25 34 35 39 39 42 43 47 48 51 52 56 59 59 73 73 76 80 84

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Inhalt

e) Zwei weitere Kriterien für die Ousia-Bestimmung 87 f) Weiterentwicklung der Ontologie in Met. Ζ 3 gegenüber Cat. 5 90 3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6) 92 a) Das τί ήν είναι (Essenz) als Ousia-Bestimmung 92 b) Differenzierung des τί ήν είναι durch die Pros-Hen-Relation 102 c) Identität und Differenz von Essenz und Einzelwesen (Met. Ζ 6).... 107 4. Das τί ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10-12).. 114 a) Die Lehre vom Gegenstand der Definition und von der Einheit ihrer .Teile' 115 b) Das Dihairesisverfahren bei Plato und Aristoteles 121 c) Die ontologische Bedeutung des letzten Unterschiedes 128 d) Zusammenfassung 131 IV. Das Problem in Metaphysik Ζ und ein Lösungsansatz durch Hinsichtenunterscheidung 135 1. Met. Ζ 13 im Kontext der Ousia-Lehre von Met. Ζ 135 2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ 13 137 3. Diskussion der wichtigsten Lesarten 149 4. Die Lösung des Problems durch Hinsichtenunterscheidung 164 5. Die Ousia als .Ursache' (Met. Ζ 17) 168 V. Ausblick: Anwendung der universalontologischen Bestimmungen auf die drei Grundbereiche des Seienden in Met. Λ 173 1. Die Differenzierung der Ousia-Arten in Met. Λ 175 2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6-10 179 3. Die Pros-Hen-Relation in Met. AIO 185 4. Die teleologische Seinsordnung des Aristoteles zwischen bloßer Möglichkeit und reiner Wirklichkeit 188 5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in verschiedene Ontologie-Typen 192 VI. Resümee zur Ontologie der Ousia des Aristoteles 199 VII. Literaturverzeichnis 205 1. Aristoteles-Textausgaben 205 2. Andere Quellentexte 207 3. Sekundärliteratur 209 Register 225 1. Stellenregister 225 2. Namen- und Sachregister 235

Einleitung l. Problemaufriß:

Was ist erste Ousia bei Aristoteles?

„Und die Frage, welche von altersher so gut wie jetzt und immer aufgeworfen und Gegenstand des Zweifels ist, die Frage, was das Seiende ist (τί το δν), bedeutet nichts anderes als, was die Wesenheit (τίς ή ουσία) ist... Darum müssen auch wir hauptsächlich und zuerst und so gut wie einzig darauf unsere Betrachtung richten, was denn das in diesem Sinne Seiende ist."1 (Met. Ζ 1, 1028b3-8) Im Corpus Aristotelicum findet sich nicht nur die in der Metaphysik vertretene Substanz- oder Ousia-Lehre2, sondern es lassen sich bei Aristoteles zwei unterschiedliche Versionen der Ontologie-Konzeption ausmachen: (1) Gemäß einer frühen Ontologie in der Kategorienschrift (Cat. 5) gilt als erste Ousia das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), nur als .zweite Ousiai' (δεύτεραι ούσίαι) werden hingegen die Gattungen (γένη) und Arten (είδη) bezeichnet, welche jeweils ein bestimmtes Einzelwesen als erste Ousia voraussetzen. Diese Ousia-Lehre transformiert damit implizit die Ontologie Platos (vgl. Kap. I 5), nach der die Idee in ihrer Allgemeinheit sich als Ousia erweist. Bei Plato erhielt der Terminus, der von τό δν (das Seiende) abgeleitet ist und zunächst die konkrete Bedeutung ,Anwesen', .Besitz' hatte, eine philosophische Bedeutung als das an sich und beständig Seiende, die Idee3. Trotz jener inhaltlichen Umdeutung bleibt auch für Aristoteles die Ousia die leitende Bedeutung des Seienden als Bezeichnung für das primär Seiende.

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Aristoteles, Metaphysik, Ubersetzt von H. Bonitz (hrsg. von E. Wellmann), auf der Grundlage der Bearbeitung von H. Carvallo und E. Grassi neu hrsg. von U. Wolf, Reinbek 1994. Diese Übersetzung dient der folgenden Untersuchung - sofern nicht anders vermerkt - als Textgrundlage. Als lateinische Übersetzung von Ousia ist seit Augustin (vgl. Conf. IV 16) - evtl. bereits bei Marius Victorinus - der Terminus substantia belegt, der das Zugrundeliegende (ύποκείμενον, lat. subiectum/substratum) betont, dem eigene Existenz zukommt. Hegel Ubersetzt Ousia dann mit,Substanz'; weitere, nicht unproblematische Übertragungen von Ousia aus dem 20. Jahrhundert lauten: ,Wesen' bzw. .Wesenheit'. Zur Bedeutungsentwicklung von Ousia zu .Substanz' vgl. auch R. Hirzel, Ούσία, in: Philologus 72, 1913, 42-64; C. Aipe, Substantia, in: Philologus 94,1941, 65-78, hier: 66, 74; J. Halfwassen, „Substanz" I, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, hrsg. von J. Ritter und K. Gründer, Basel 1998,495-507. Zur Ousia bei Plato vgl. H. H. Berger, Ousia in de dialogen van Plato. Een terminologisch onderzoek, Leiden 1961; R. Marten, Ousia im Denken Piatons (Monographien zur philosophischen Forschung 29), Meisenheim 1962; J. Derbolav, The Philosophical Origins of Plato's Theory of Ideas, in: Archiv für die Geschichte der Philosophie 54, 1972, 1-24; J. A. Driscoll, The Platonic Ancestry of Primary Substance, in: Phronesis 24,1979,253-269.

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Einleitung

(2) Nach der späteren Lehre des Aristoteles in Met. Ζ (vgl. Kap. III-IV), die in Met. Δ 8 angedeutet ist (vgl. Kap. II), gilt das Eidos als erste Ousia (Met. Ζ 7, Ζ 11). Wenn aber das Eidos als Definiens der Wesensbestimmung (ορισμός) ein Allgemeines ist (Met. Ζ 12), wie kann es dann Ousia, ja sogar Ousia im primären Sinne sein, als welche in der Kategorienschrift noch das bestimmte konkrete Einzelindividuum (τόδε τι) angesehen wurde? Handelt es sich bei der Ousia-Lehre von Met. Ζ mit ihrer Auszeichnung des Eidos als erster Ousia um eine Rückkehr des Aristoteles zur Platonischen Ontologie? Dies ist unmöglich, da in Met. Ζ 13 behauptet wird, kein Allgemeines könne Ousia sein (1038b8-12). Inwiefern gilt dann aber angesichts dieser Entsubstantialisierung des Allgemeinen das Eidos als erste Ousia? Oder bleibt Aristoteles vielmehr dabei, daß primäre Ousia weiterhin das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) ist, dessen ontologische Bestimmungen und konstitutive Möglichkeitsbedingungen nun eingehend zu analysieren sind? Die These der Arbeit lautet, daß das Eidos erste Ousia ist, aber nicht das Eidos als solches, sondern nur, sofern es die Essenz (το τί ήν είναι, zum Terminus vgl. Kap. II 2d) eines Einzelwesens darstellt, die dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein ausmacht, während das Eidos im Rahmen der Definition - gedacht in der letzten Differenz - ein Allgemeines ist, damit aufgrund seiner Unveränderlichkeit und Notwendigkeit gemäß den Analytica posteriora Gegenstand der Wissenschaft ist und auf diese Weise erst eine wissenschaftliche Erkenntnis des jeweiligen Einzelnen ermöglicht. Darin liegt die epistemologische Bedeutung des Eidos4; denn gerade das stofflich bestimmte, konkrete Einzelwesen ist als solches nicht definierbar und damit philosophischer Erkenntnis unzugänglich (vgl. Met. Ζ 15).

2. Vorgehen der Untersuchung Das methodische Vorgehen der vorliegenden, auf das oben geschilderte philosophische Problem zentrierten Untersuchung wird geleitet von der Absicht, auf der Grundlage der divergierenden, scheinbar nicht zu vereinbarenden, inkompatiblen Bestimmungen Aristoteles' Ontologie der Ousia in der Kategorienschrift und in Metaphysik Ζ durch eine systematisch-entwicklungsgenetische Deutung theoretisch konsistent zu rekonstruieren und die oben skizzierten Widersprüche letztlich durch Hinsichtenunterscheidung - also durch ein genuin Aristotelisches Verfahren 5 - zu vermeiden. Da die Ousia-Lehre der Metaphysik gegenüber der Kategorienschrift sich in Konzeption und Ausrichtung offenbar gewandelt hat, müssen im folgenden die einschlägigen Textstellen aufgegriffen und die Ousia-Bestimmungen von Cat. 5, Met. Δ 8 und Met. Ζ zueinander in 4 5

Vgl. K. Düsing, Ontologie bei Aristoteles und Hegel, in: Hegel-Studien 32, 1997,61-92. Vgl. z.B. die Formulierungen des Satzes vom zu vermeidenden Widerspruch in Met. Γ 3-8.

3. Stand der Forschung

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Beziehung gesetzt werden6. Im Zentrum der Darlegungen wird die spätere Ousia-Konzeption der Metaphysik (vgl. Kap. II-IV) stehen, die jedoch nur in Verbindung mit der früheren Ousia-Lehre der Kategorienschrift {Cat. 5, vgl. Kap. I) angemessen auf ihren philosophischen Gehalt hin untersucht werden kann7. Es wird im einzelnen zu zeigen sein, ob und inwieweit die Ousia-Bestimmungen bzw. die Kriterien der urteilslogisch ausgerichteten frühen Ontologie für die Überlegungen der .Ersten Philosophie' (πρώτη φιλοσοφία)8 der Metaphysik ausreichen, oder ob hierbei gegebenenfalls die Ousia-Konzeption modifiziert und differenziert werden muß.

3. Stand der Forschung Bevor die Ousia-Lehre der Kategorienschrift näher betrachtet werden soll, sei die allgemeine Forschungsentwicklung skizziert. Denn jene beiden voneinander abweichenden Versionen der Ousia-Lehre und das Problem von Met. Ζ wie nämlich (1) das Eidos einerseits erste Ousia sein soll (Met. Ζ 7), das (2) als Definiens der Wesensbestimmung ein Allgemeines sein muß (Met. Ζ 10-12), und andererseits (3) ein Allgemeines nach Met. Ζ 13 nicht Ousia sein kann veranlaßten die Aristoteles-Forschung zu ganz unterschiedlichen Erklärungen und Interpretationen, die sich wie folgt einteilen lassen. Obwohl man bereits im 19. Jahrhundert gelegentlich auf Widersprüche innerhalb des Corpus Aristotelicum hingewiesen hat9, dominierte die Auffassung von einem philosophischen System des Aristoteles10. Meist wurden die festgestellten Divergenzen auf die angebliche Unechtheit der Kategorienschrift zurückgeführt". Für Hegel jedoch waren Inkonsistenzen zwischen den beiden 6

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Das philosophische Problem bleibt auch dann bestehen, wenn man mit Konjekturen in den Text eingreift, wie etwa H. Schmitz (Die Ideenlehre des Aristoteles, Bd. I, 1 : Kommentar zum 7. Buch der Metaphysik, 2 Bde., Bonn 1985) an 25-30 Stellen, oder M. Frede/G. Patzig (Metaphysik Z. Text, Übersetzung und Kommentar, 2 Bde., München 1988) an ca. 130 Textstellen. Daher ist es schwierig, wenn man die Kategorienschrift - wie die ältere Forschung im 19. Jahrhundert bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. Anm. 11), aber auch neuerdings H. Schmitz (op. cit. [Anm. 6], 1,2,1-24) - für unecht hält. Zu den Argumenten von Schmitz vgl. Anm. 37. Zum Terminus vgl. Kap. I, Anm. 35. Vgl. hierzu z.B. E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Bd. 2/2: Aristoteles und die alten Peripatetiker, Leipzig M879, ND Darmstadt 1963, 304ff., 345, und H. Chemiss, Aristotle's Criticism of Plato and the Academy I, Baltimore 1944, New York 2 1962, 372. Vgl. auch Κ. Schuhmann, Die Philosophie des Aristoteles als Identitätssystem, in: Tijdschrift voor Filosofie 29, 1967, 482-512; Κ. Brinkmann, Aristoteles' allgemeine und spezielle Metaphysik (Peripatoi 12), Berlin/New York 1979. Vgl. hierzu C. Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande I, Leipzig 1855, ND Graz 1955, 181ff.; E. Dupréel, Aristote et le traité des Catégories, in: Archiv für die Geschichte der Philosophie 22, 1909, 230-251; I. Husik, The Categories of Aristotle, in: Philosophical Essays in honour of E. A. Singer Jr., hrsg. von F. P. Clarke und M. C. Nahm, Philadelphia 1942, 317-334, ND in: I. Husik, Philosophical Essays, Oxford 1952, 96-112; S. Mansion, La première doctrine de la substance: la substance selon Aristote, in: Revue neoscolastique de philosophie 44, 1946,

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Einleitung

Schriften des Aristoteles nicht relevant; er hat sie in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie nicht thematisiert, da er Aristoteles' spätere Version unter 'Metaphysik', die Kategorienschrift hingegen als die erste der logischen Schriften im ,Organon' unter 'Logik' behandelte12. Erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde das Problem, das bereits D. Ross sah13, Gegenstand zahlreicher Darstellungen unter philologischen und philosophischen Aspekten. Besonders in den letzten fünfzehn Jahren hat die Aristoteles-Forschung es auf sehr unterschiedliche Weise erörtert und äußerst kontrovers diskutiert. Die verschiedenen Deutungsansätze, die unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden sollen, ob sie in ihren teilweise überaus schwierigen und gewundenen Darlegungen das Problem von Met. Ζ letztlich hinreichend und philosophisch zufriedenstellend zu lösen vermögen, lassen sich in mehrere Hauptrichtungen klassifizieren: (1) W. Jaeger hat in seiner Aristoteles-Monographie, in der er einen Ansatz von T. Case systematisch ausarbeitete, die Widersprüche im Corpus Aristotelicum entwicklungsgeschichtlich begründet, d.h. die sich widersprechenden Aussagen des Aristoteles auf verschiedene Abfassungszeiten zurückgeführt, die mit einer philosophischen Denkentwicklung einhergehen, und zwar von einer PlatoNähe hin zu einer Plato-Ferne14. Auch wenn diese Aristoteles-Deutung in den achtziger Jahren noch vereinzelt vertreten wurde15, ist sie mittlerweile obsolet: Denn sie geht bei der Textinterpretation über eine Feststellung bestimmter Widersprüche, die unterschiedlichen Entwicklungsphasen im Denken des Aristo-

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346-369, dt. in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969,21979, 114-138; dies., La doctrine aristotélicienne de la substance et le traité des Catégories, in: Proceedings of the IO"1 International Congress of Philosophy II, Amsterdam 1949,1097-1100; Ph. Merlan, Beiträge zur Geschichte des antiken Platonismus I. Zur Erklärung der dem Aristoteles zugeschriebenen Kategorienschrift, in: Philologus 89, 1934, 35-53, ND in: Ders., Kleine philosophische Schriften, hrsg. von F. Merlan (Collectanea 20), Hildesheim/New York 1976, 51-69. Die Echtheit hingegen verteidigten F. A. Trendelenburg (Aristoteles Kategorienlehre, in: Geschichte der Kategorienlehre. Zwei Abhandlungen (Historische Beitrage zur Philosophie 1), Berlin 1846,21876, ND Hildesheim 1963, 1-195), E. Zeller (op. cit. [Anm. 9]), vor allem L. M. de Rijk (The Authenticity of Aristotle's Categories, in: Mnemosyne IV/4, 1951, 129-159; vgl. ders., The Place of the Categories of Being in Aristotle's Philosophy, Utrecht 1952) u.a. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II, in: Theorie-Werk-Ausgabe, Bd. 19, hrsg. von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankftirt a.M. 1971, 151-168 (Metaphysik), 229-249 (Logik). D. Ross, Aristotle, London 1923, London/New York '1949, ND 1971,165-173. Vgl. W. Jaeger, Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin 1923, H955, ND 1967, 170ff.; und T. Case, „Aristoteles", i n : Encyclopedia Britannica II, 1910, 501522; vgl. ders., The Development of Aristotle, in: Mind 34, 1925, 80-86. - In dieselbe Richtung geht auch E. Oggioni (La filosofia prima di Aristotele, Mailand 1939), für den Aristoteles' Erste Philosophie (vgl. Kap. I, Anm. 35) von einer Wissenschaft des Transzendenten ausgeht, im weiteren Verlauf sich als eine Wissenschaft von den ersten Gründen und Prinzipien erweist und schließlich als eine Lehre vom Seienden als Seienden (d.h. als Ontologie). Vgl. z.B. B. Dumoulin, Recherches sur l'évolution de la pensée d'Aristote. II: Analyse génétique de la Métaphysique d'Aristote, Paris M986; J. M. Rist, The Mind of Aristotle. A Study in Philosophical Growth (Phoenix Suppl. 25), Toronto 1989.

3. Stand der Forschung

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teles zugeordnet werden, nicht hinaus; die Probleme, die sich im Zusammenhang mit den scheinbar inkompatiblen Ousia-Bestimmungen ergeben, werden auf diese Weise nicht philosophisch zu lösen versucht. (2) In der jüngeren Forschung wird bis heute vielfach eine aporetische Aristoteles-Interpretation bevorzugt, welche durch die Untersuchung von P. Aubenque16 eingeleitet wurde. Dieser geht aufgrund des Dilemmas von Met. Ζ 13, das auch im sog. 'Aporien-Buch' der Metaphysik formuliert wird (vgl. Met. Β 6, 1003a5-17), davon aus, daß die offensichtlichen Widersprüche innerhalb der Metaphysik grundsätzlich nicht lösbar sind und daher ungelöst bleiben müssen. Ausschlaggebend sei die Problematisierung der Schwierigkeiten, wie J. Barnes betont17. H. Steinfath, der die verschiedenen Interpretationsrichtungen zum Substanzproblem untersucht hat, spricht von einem „notwendigen Scheitern aller positiven Lösungsversuche"; er hält Bemühungen um eine Harmonisierung für fragwürdig und sieht in Met. Ζ 13 den Beweis für einen nichtüberbrückten Widerspruch, da sich kein konsistentes Eidos-Konzept finde18. Der stark philologisch ausgerichtete Kommentar von D. Bostock führt die inhaltlichen Widersprüche - sogar innerhalb von Met. Ζ 13 - auf eine frühere und eine spätere Version zurück, d.h. auf verschiedene Überarbeitungsphasen, die sich im vorliegenden Text als zwei miteinander inkompatible, jedoch ineinander verwobene Gedankenlinien herausstellen; die Metaphysik bleibe daher ein „work in progress"19. D. Graham bezeichnet Kategorienschrift und Met. Ζ als zwei inkommensurable „Systeme" des Aristoteles, von denen wiederum Met. Ζ bereits in sich inkonsistent sei20. W. Schneider hat in seiner jüngst erschienenen Monographie zum Ousia-Problem die Widersprüche dadurch zu erklären versucht, daß 16

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P. Aubenque, Le problème de l'être chez Aristote. Essai sur la problématique aristotélicienne, Paris 1962, 21966, 51983, 189f.; zusammengefaßt in: Ders., Aristoteles und das Problem der Metaphysik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 15, 1961, 321-333. - Auch L. Lugarini (Aristotele e l'idea della filosofia, Florenz 1961, Ί972, 123-147) hält die Aporien der Metaphysik Air entscheidend. Zu dieser Gesamtdeutung zählen auch die Beiträge von L. Brémond (Le dilemme aristotélicien, in: Archives de philosophie 10, 1933, 116-137) und J. H. Lesher (Aristotle on Form, Substance and Universale: A Dilemma, in: Phronesis 16, 1971, 169-178, hier: 169). - A. R. Lacey (Ούσία and Form in Aristotle, in: Phronesis 10, 1965, 54-69, hier: 66) erklärt das Dilemma durch die Verwendung mehrerer Bedeutungen des Ousia-Begriffs. J. Barnes, Metaphysics, in: The Cambridge Companion to Aristotle, hrsg. von J. Barnes, Cambridge 1995, 66-108, hier: 90f. - Die Unlösbarkeits-These vertritt ebenfalls R. D. Sykes (Form in Aristotle: Universal or Particular? In: Philosophy 50,1975,311-331, hier: 326ff ). H. Steinfath, Selbständigkeit und Einfachheit. Zur Substanztheorie des Aristoteles, Frankfurt a.M. 1991, 13, 117, 199. - Dies veranlaßte eine andere Forschungsposition, als deren führende Vertreter M. Frede und G. Patzig gelten (op. cit. [Anm. 6]), eine individuelle Form von einer allgemeinen Form zu unterscheiden. Vgl. hierzu die Ausführungen unter (6) sowie die ausführliche Diskussion dieser Interpretation in Kap. IV 3. D. Bostock, Aristotle's Metaphysics. Books Ζ and Η. Translated with a Commentary, Oxford 1994, X. - Nur eine intelligible Ousia - Gott - könne alle Ousia-Anforderungen gleichermaßen erfüllen (186, 207, 235). Dies führt zu weitreichenden Konsequenzen für die Konzeption der .Ersten Philosophie'. Vgl. zum Terminus Kap. I, Anm. 35, sowie zu verschiedenen Deutungen bes. Kap. V 5. D. Graham, Aristotle's Two Systems, Oxford 1987, 17, 84-118,213,221,244.

6

Einleitung

dasjenige, was jeweils als Ousia gelten soll, je nach Kontext verschieden sei, da Aristoteles Begriffe verwendet habe, die als philosophische Termini noch nicht endgültig fixiert seien, und daß es daher nur um Orientierungspunkte gehe, die eine definitive Lösung von vornherein unmöglich machten21. Nach E. Sonderegger22 erörtert die Metaphysik lediglich verschiedene allgemein anerkannte Ansichten (ένδοξα), „die allen oder den meisten oder den Sachkundigen richtig erscheinen" (Top. 11,100b21f.). Daß die Hauptabsicht der Metaphysik darin liegen soll, „Ansichten" und „Meinungen" zu bestimmten Problemen der Ersten Philosophie widerzuspiegeln, ist allerdings ebenso unbefriedigend wie die Tatsache, daß insgesamt die aporetische Lesart das Hauptproblem von Met. Ζ - den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung - nicht hinreichend zu klären vermag23. (3) Eine andere Position hält - mit einigen Modifikationen - auch in Met. Ζ grundsätzlich an der frühen Ontologie der Kategorienschrift fest, wonach das konkrete Einzelwesen als Zugrundeliegendes und Selbständiges Ousia sei24; das Eidos wird hierbei als allgemeines Substanzprädikat aufgefaßt. Nach dieser prädikativen Deutung25 bleibt also die Allgemeinheit des Eidos trotz der Entsubstantialisierung der Universalien in Met. Ζ 13 gewahrt, da sie nur für das Allgemeine oberhalb der unteilbaren Spezies - d.h. für das Gattungsallgemeine - gelte, während das Eidos als Spezies ein all seinen Mitgliedern Gemeinsames und nur in diesem Sinne ein Allgemeines, jedoch kein Allgemeines im strengen Sinne darstelle. So faßt Thomas von Aquin die infima species als besondere Weise 21

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W. Schneider, ΟΥΣΙΑ und ΕΥΔΑΙΜΟΝΙΑ. Die Verflechtung von Metaphysik und Ethik bei Aristoteles (Quellen und Studien zur Philosophie 50), Berlin/New York 2001, 11, 172, 199, 315f. E. Sonderegger, Aristoteles, Metaphysik Ζ 1-12. Philosophische und philologische Erwägungen zum Text (Berner Reihe philosophischer Studien 15), Bern 1993. Daher wird dieser Ansatz im folgenden und bei der ausführlichen Diskussion der verschiedenen Forschungspositionen in Kap. IV 3 nicht weiter berücksichtigt. Die schlechthinnige Selbständigkeit im Sinne der ontologischen Eigenständigkeit des konkreten Einzelwesens betonen z.B. Ch. E. Witt (Substance and Essence in Aristotle. An Interpretation of ,Metaphysics' VII-IX, Ithaca 1989,48, 51,161) und M. L. Gill (Aristotle on Substance. The Paradox of Unity, Princeton 1989,4,242). Auch die an Heidegger orientierte Deutung von A. Ermano (Substanz als Existenz. Eine philosophische Auslegung der πρώτη ουσία. Mit Text, Übersetzung und Diskussion von: Aristoteles, Categoriae 1-5 (Europaea Memoria. Studien und Texte zur Geschichte der europäischen Ideen, Reihe I, Bd. 13), Hildesheim/ Zürich/ New York 2000,98) hält an der Konzeption der ersten Ousia gemäß der Kategorienschrift fest, ebenso an der Allgemeinheit des Eidos und betrachtet daher die frühe Konzeption als Aristoteles' eigentliche Ousia-Lehre, während Met. Ζ lediglich eine „unglückliche Revision der ursprünglichen Substanzlehre" (218) darstelle. Aufgrund der Entsubstantialisierung des Eidos in Met. Ζ 13 sei auch in Met. Ζ das τόδε τι erste Ousia als unabhängige und unmittelbare Existenz (67,280). Zur weiteren Diskussion dieser eigenwilligen, die ontologischen Verhältnisse zwischen Kategorienschrift und Met. Ζ nahezu umkehrenden Deutung vgl. Kap. IV 3. Vgl. hierzu H. Steinfath, op. cit. [Anm. 18], 55-136, und als Vertreter dieser Forschungsmeinung W. Leszl, Aristotle's Conception of Ontology (Studia aristotelica 7), Padua 1975, 359ff., 375; G. E. L. Owen, Particular and General, in: Proceedings of the Aristotelian Society 79, 1978/79, 1-21.

3. Stand der Forschung

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der Allgemeinheit auf, die als ein mehreren Dingen gemeinsames Seiendes (ens commune) nicht allgemein prädiziert wird und die Entsubstantialisierungs-These nicht betreffe26 und der infolgedessen die Auszeichnung der primären Ousia zukommen könne. Denn als Form eines Einzelnen könne das Eidos - im Gegensatz zum Allgemeinen - nicht von einer Vielheit prädiziert werden, und als ein derartiges Nicht-Allgemeines sei das Eidos gemäß Met. Ζ 13 durchaus Ousia. Es sei jedoch insofern ein Allgemeines, als es von allen Individuen desselben speziellen Typs geteilt wird, für den es somit ein Gemeinsames ist, und der durch jene Einzelwesen exemplifiziert wird27; deshalb komme dasselbe Eidos allen Menschen zu, die sich nur durch die zufalligen Beschaffenheiten ihrer Materie unterscheiden (vgl. Met. Ζ 8, 1034a5ff.), die daher als Prinzip der Individuation oder Pluriflkation28 fungiere. Wenn Aristoteles aber das Allgemeine stets als das mehreren Dingen Gemeinsame bezeichnet (vgl. De int. 7, 17a38-b4, Met. Ζ 13, 1038b9-12), kann man das Eidos als ein allen seinen Mitgliedern Gemeinsames nicht als ein vom Allgemeinen Unterschiedenes auffassen, um der Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen von Met. Ζ 13 zu entgehen. In den neunziger Jahren haben M. Loux und F. Lewis 29 versucht, auf der Grundlage dieser Deutung das Dilemma von Met. Ζ 13 zu lösen, und zwar durch zwei einander disjunktiv ausschließende Relationen - durch ein Verfahren, welches W. Detel 30 neuerdings als „relationale Lösung" in Anlehnimg an Untersu-

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Vgl. Thomas von Aquin, In XII Libros Metaphysicorum Aristotelis Expositio, hrsg. von R. M. Spiazzi, Turin/Rom 1950,31964, n. 1566-1591 [zu Met. Ζ 13]; sowie N. Hartmann, Zur Lehre vom Eidos bei Piaton und Aristoteles, in: Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Nr. 8, Berlin 1941, ND in: Ders., Kleinere Schriften II, Berlin 1957, 129-164, hier: 146; und F. Inciarte, Forma formarum. Strukturmomente der Thomistischen Seinslehre im Rückgriff auf Aristoteles (Symposion 32), Freiburg 1970. - Zu weiteren Untersuchungen dieser Interpretationsrichtung vgl. Kap. IV 3, darunter besonders die Diskussion des Ansatzes von M. J. Woods (Problems in Metaphysics Ζ, Chapter 13, in: Aristotle. Modem Studies in Philosophy. A Collection of Critical Essays, hrsg. von J. Μ. E. Moravcsik, New York 1967, 215-238, hier: 216, 229), der zwischen dem Allgemeinen und dem allgemein Ausgesagten unterscheidet. Vgl. D. K. W. Modrak, Forms, Types and Tokens in Aristotle's Metaphysics, in: Journal of the History of Philosophy 17, 1979, 371-381; vgl. dies., Aristotle's Theory of Language and Meaning, Cambridge 2001, 205f., 213,263. - Modrak unterscheidet ein Allgemeines im engen Sinne, das nicht Ousia ist, von einem Allgemeinen im weiten Sinne, dem eigentlichen Objekt der Definition als Substanztyp. Vgl. A. Schwegler, Metaphysik. Grundtext, Übersetzung und Commentar nebst erläuternden Abhandlungen, 4 Bde., Tübingen 1847/48, ND Frankfurt a.M. I960, IV, 86; B. Hafemann, Aristoteles' transzendentaler Realismus. Inhalt und Umfang erster Prinzipien in der Metaphysik (Quellen und Studien zur Philosophie 46), Berlin/New York 1998,298. Vgl. M. J. Loux, Primary Ousia. An Essay on Aristotle's Metaphysics Ζ and Η, Ithaca/London 1991, 117-121; F. Lewis, Substance and Predication in Aristotle, Cambridge 1991, 151-158, 309-321. Vgl. W. Detel, Eine terminologische Rekonstruktion von Aristoteles, Categoriae 1-5, in: Amicus Plato magis amica Veritas, Festschrift für W. Wieland zum 65. Geburtstag, hrsg. von R. Enskat, Berlin/New York 1998, 60-81; ders., Metaphysik und Wissenschaftstheorie bei Aristo-

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Einleitung

chungen von A. Code und Th. Scaltsas31 positiv hervorhob. Dieser Ansatz sprachanalytischer Provenienz unterscheidet zwei Prädikationstypen: die „Spezies-Prädikation" und die „Form-Materie-Prädikation" (Met. Ζ 3, 1029a23f., Η 2, 1043a5f.). Bei dem ersten Prädikationstyp handelt es sich um eine allgemeine Aussage; infolgedessen kann die Spezies als Allgemeines gemäß Met. Ζ 13 nicht Ousia sein. Bei der „Form-Materie-Prädikation" hingegen werde das Eidos als Form von mehreren Materiestücken prädiziert, wobei die Form nicht deren Ousia ausmache, sondern die Ousia des gesamten Synholon, das jedoch wiederum nicht Gegenstand der Prädikation sei. Daher sei die These von Met. Ζ 13 für diesen Prädikationstyp irrelevant. Die „Form-Materie-Prädikation" ist als Lösung fur das Problem von Met. Ζ 13 insofern schwierig, als die Prädikation der Form bzw. des Eidos von der Materie keine eigentliche, d.h. keine essentielle Prädikation darstellt, also eine Aussage des Wasseins von einem Zugrundeliegenden, sondern eine ,uneigentliche' (vgl. hierzu An. post. I 22, 83alff., 83a24ff.). Zudem steht diese Prädikationsweise im Kontext einer argumentatio ad absurdum (vgl. Kap. III 2 zu Met. Ζ 3), in der Aristoteles nur vorübergehend und rein hypothetisch einen materialistischen Standpunkt einnimmt, von dem aus gesehen die Ousia von der Materie prädiziert wird, wobei allerdings das Eidos völlig unberücksichtigt bleibt. Diese Prädikationsweise gehört ebensowenig wie die gesamte materialistisch ausgerichtete Argumentation zu Aristoteles' genuiner Ousia-Lehre und trägt somit zur philosophischen Erhellung der Problematik von Met. Ζ 13 nicht bei. (4) Eine andere Forschungsrichtung, die u.a. I. Düring32 vertritt, behauptet gerade das Gegenteil der zuletzt skizzierten Deutung: Individuelle Ousiai seien überhaupt nicht das Thema der Erörterungen von Met. Z, da das Individuum als solches undefinierbar sei (Met. Ζ 15, 1039b28ff.). Bereits A. Preiswerk33 hob die schlechthinnige Unerkennbarkeit des stofflich gefaßten Individuums hervor (Met. Ζ 10, 1036a2-5) und wertete es auf diese Weise ab. Die Ousia stelle vielmehr den Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis dar (Met. Ζ 10-12); ihr müsse daher Allgemeinheit und Notwendigkeit zukommen. Auch D. Modrak betont neuerdings diese Allgemeinheit der Ousia, indem sie sie mit dem Logos

teles, in: Internationale Zeitschrift fllr Philosophie 7, 1998, 199-229, hier: 207 Anm. 11, 218223. Vgl. A. Code, Aristotle on Essence and Accident, in: Philosophical Grounds of Rationality, hrsg. von R. Grandy und R. Warner, Oxford 1986, 411-439, hier: 413; ders., The Aporematic Approach to Primary Being in Metaphysics Z, in: Canadian Journal of Philosophy, Suppl. Vol. 10, 1984, 1-20, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 305-324; Th. Scaltsas, Substance and Universale in Aristotle's Metaphysics, Ithaca 1994. Vgl. I. Düring, Aristoteles. Darstellung und Interpretation seines Denkens, Heidelberg 1966, 589. Vgl. A. Preiswerk, Das Einzelne bei Piaton und Aristoteles, in: Philologus Suppl. 32/1, Leipzig 1939, 104.

3. Stand der Forschung

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schlichtweg identifiziert und demgemäß die individuellen konkreten Einzeldinge als „inkorporierte Logoi" auffaßt34. Bei dieser Forschungsposition wird jedoch Met. Ζ 13 nicht in die Untersuchungen miteinbezogen. Es bleibt nämlich fraglich bzw. offen, auf welche Weise dieses dezidierte Festhalten an der Notwendigkeit und Unveränderlichkeit der Ousia - d.h. an den Kriterien für wissenschaftliche Erkenntnis - und infolgedessen an der Allgemeinheit der Ousia bzw. des Eidos mit der Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen {Met. Ζ 13) vereinbart werden kann. (5) Nach einer platonisierenden Lesart ist die Realität des bestimmten Einzelwesens (τόδε τι) im Eidos aufgrund seiner ontologischen Priorität aufgehoben, da das Eidos als schlechthin Einfaches erst das Sein und die Selbständigkeit des jeweiligen Einzelnen begründet. Damit wird die Ontologie von Met. Ζ - im Unterschied zu der Einzelding-Ontologie von Cat. 5 - als eine Ontotogie der untersten Art35 verstanden: Während G. Reale die Aristotelische Eidoslehre der Metaphysik als eine positive Weiterführung der Platonischen Ideenlehre betrachtet, sieht H. Schmitz in ihr sogar die radikalisierte Form der Ideenlehre, nämlich einen „exzessiven Piatonismus"36. Dagegen erheben sich jedoch folgende Bedenken: Da Aristoteles in der Metaphysik die Ideen durchgängig und explizit kritisiert, kann man schwerlich von einer 'Weiterfuhrung' dieser Lehre sprechen, denn seine Ontotogie-Konzeption ist gegenüber Piatos Ontotogie trotz der ontologischen Auszeichnung des Eidos völlig verschieden (vgl. Kap. I 5). Indem Schmitz37 die Kategorienschrift für 34

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Vgl. D. K. W. Modrak, Aristotle's Theory of Language and Meaning, Cambridge 2001, 7, 31, 85f., 176, 199. Vgl. H. Steinfath, op. cit. [Anm. 18], 50f. Vgl. z.B. G. Reale, Il concetto di filosofia prima e l'unità della metafisica di Aristotele, Mailand 1961, 6 1994,20f.; H. Schmitz, op. cit. [Anm. 6], 1,2, 101. H. Schmitz (op. cit. [Anm. 6], 1,2, XI, 1 -26, bes. 18f., 23f.) will die Kategorienschrift als propädeutisches Kompendium des theophrastischen Peripatos nachweisen, indem Gemeinsamkeiten mit anderen, in der Forschung unbestritten als nichtaristotelisch geltenden Schriften (De coloribus, Magna Moralia) aufgezeigt werden. „Zeichen der Unechtheit" sei z.B. das Fehlen zentraler Termini (ΰλη, ενέργεια, τέλος) und die fehlende Ideenkritik, was auf Unkenntnis des Verfassers zurückgeführt wird (14, 20). - Allerdings ist die ontologische Auszeichnung des bestimmten Einzelwesens als erste Ousia ebenso antiplatonisch wie die Kennzeichnung der höheren Allgemeinheiten, der Gattungen, als nur 'zweite Ousiai', die immer ein Einzelnes als ihnen Zugrundeliegendes voraussetzen. Ein weiteres Zeichen der Unechtheit seien Abweichungen von der Topik, die mehr logischgrammatisch orientiert sei, während sich in der Kategorienschrift „Redeweise und Seinsweise vermische", nämlich in der Einteilung der Aussagen (Cat. 4) gemäß den Kriterien „von einem Zugrundeliegenden ausgesagt zu werden" und „in einem Zugrundeliegenden zu sein." (7f.) Das ist jedoch in Aristoteles' urteilslogisch konzipierter Ontologie kein Anhaltspunkt ftlr eine angebliche Inkongruenz, da für ihn Aussagen in Urteilen nur dann sinnvoll sind, wenn sie sich auf real Existierendes beziehen. Prädiziertes und ontologisch Existierendes dürfen also nie völlig voneinander getrennt werden. Deshalb sprechen Überlappungen oder Inkongruenzen auch nicht für die Unechtheit der Schrift. Die beiden Bestimmungen, daß die Ousia einerseits gemäß der Kategorienschrift (Cat. 5, 3a7f.) nicht einem Anderen inhärieren könne, andererseits aber nach Met. Ζ 11 als das dem Einzelwesen immanenten Eidos angesehen wird (είδος το ένόν, 1037a29), hält Schmitz für mitein-

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Einleitung

unecht hält, ergibt sich ein weiteres Problem. Denn diese Schrift enthält nicht nur eine in der Metaphysik wiederkehrende urteilslogisch ausgerichtete Ontologie-Konzeption, sondern bereits zentrale Ousia-Bestimmungen der reifen OusiaLehre von Met. Z, und zwar vor allem die Auszeichnung des unteilbaren, numerisch einen bestimmten Einzelwesens (τόδε τι) als dasjenige, was eigentlich und an sich ist, und zwar als das logisch-grammatisch und zugleich ontologisch Zugrundeliegende (ύποκείμενον). Neben G. Reale und H. Schmitz hält auch H. J. Krämer Aristoteles' ontologische Theorie fiir eine Weiterführung der Platonischen Ideenlehre, und zwar als Lehre vom Art-Eidos als dem untersten und daher ontologisch ausgezeichneten Allgemeinen: Aufgrund dieses Sonderstatus dürfe es nicht unter diejenigen Entitäten fallen, die nach Met. Ζ 13 entsubstantialisiert werden. Das Art-Eidos sei also kein Allgemeines im eigentlichen Sinne, sondern liege als substantielles Allgemeines zwischen den Synhola und den tatsächlich entsubstantialisierten höheren Allgemeinheiten. Darin besteht nach Krämer die eigentliche Kompromißlösung des Aristoteles zwischen den beiden extremen Ontologie-Konzeptionen der Akademie: einerseits der Betonung des Einzelnen bei Speusipp, andererseits der Auszeichnung des untersten Allgemeinen bei Xenokrates, der - im Unterschied als Plato - die höheren Allgemeinheiten abschwächte38. (6) Eine individualistische Lesart des Eidos als eine individuelle, den Affektionen zugrundeliegende Form vertraten erstmals R. Albritton und W. Seilars39.

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ander unvereinbar und seien nur durch eine Meinungsänderung des Aristoteles in einem so zentralen Punkt seiner Ontologie erklärbar; deswegen könne er nicht Urheber der Kategorienschrift sein (Schmitz, ebd., 10f.). Dieser Schluß ist allerdings insofern problematisch, als Aristoteles in Cat. 5 das bestimmte Einzelding als Unteilbares (ατομον) bezeichnet, ohne jedoch tiefergehend dessen interne Konstituentien in die Untersuchung miteinzubeziehen; in Met. Ζ hingegen werden die immanenten Konstitutionsbedingungen dieses Einzelnen analysiert. Mit dieser modifizierten Fragestellung und Blickrichtung geht auch eine entsprechende Weiterentwicklung und Differenzierung der Ousia-Lehre einher. Weitere Argumente fllr die Unechtheit der Kategorienschrift betreffen die Postprädikamente oder terminologische Abweichungen akzidenteller Kategorien, die filr die Ousia-Lehre unerheblich sind. Die unterschiedliche Anzahl und Reihenfolge der Kategorien bei ihren Auflistungen (ebd., 12) spricht ebenfalls nicht für eine Unechtheit der Schrift, da an die als bekannt vorausgesetzte Kategorienlehre lediglich erinnert werden soll und eine vollständige Aufzählung gar nicht erforderlich ist. - Zur Diskussion weiterer Schwierigkeiten vgl. Kap. IV 3. H. J. Krämer, Aristoteles und die akademische Eidos-Lehre. Zur Geschichte des Universalienproblems im Piatonismus, in: Archiv für die Geschichte der Philosophie 55, 1973, 119-190, hier: 121, 155, 177. R. Albritton, Forms of Particular Substances in Aristotle's Metaphysics, in: Journal of Philosophy 54, 1957, 699-708, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 153-162; W. Sellars, Substance and Form in Aristotle, in: Journal of Philosophy 54, 1957, 688-699, hier: 688, 691, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 140152; vgl. ders., Aristotle's Metaphysics: An Interpretation, in: Philosophical Perspectives: History of Philosophy, Atascadero 1967, 73-124, hier: 111.

3. Stand der Forschung

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Darauf basieren auch die Arbeiten von E. D. Harter und M. Frede40, der mit G. Patzig diese Forschungsposition in einem Kommentar zu Met. Ζ ausführlich verteidigt41. Dieser besonders im angelsächsischen Sprachraum weitverbreiteten Deutung sind ebenfalls die Interpretationen von A. C. Lloyd, M. L. Gill, J. Whiting, E. Hartman, R. Heinaman und Ch. Witt42 verpflichtet; T. Irwins umfassende Untersuchung zu Aristoteles' erste Prinzipien präferiert ebenso die Annahme von „particular forms" 43 . Diese individualistische Deutung sieht in der negativen These von Met. Ζ 13, daß kein Allgemeines Ousia sei, die Entsprechung zu der positiven Aussage, daß Ousia nur das bestimmte Einzelwesen ist (vgl. Cat. 5) und, sofern das Eidos als primäre Ousia gelte (Met. Ζ 7), das Eidos selbst τόδε τι, also Zugrundeliegendes und damit selbst individuell und zugleich auch das Prinzip der Individuation sei44. Frede/Patzig entnehmen Met. Ζ 13 nicht nur, daß Aristoteles die reale und unabhängige Existenz allgemeiner Arten und Gattungen - gegen Plato - bestreitet, sondern auch, daß er individuelle Formen annehme. Hierbei stützen sie sich vor allem auf das 'Idion-Argument' (Met. Ζ 13, 1038b9-12), wonach jeder Mensch ein eigenes, ihm eigentümliches (ϊδιον) und somit individuelles Eidos besitze. In Verbindung mit der unumstrittenen und von Aristoteles bereits in der Kategorienschrift vertretenen These, Ousia sei τόδε τι, gehen Frede/Patzig davon aus, daß, wenn das Eidos des Sokrates seine Ousia ist, es ihm eigentümlich sein müsse und nicht von ihm mit anderen Menschen geteilt werden dürfe45. Daß aus dem 'Idion-Argument' oder aus der Immanenz des Eidos im jeweiligen Einzelnen (είδος τό ένόν, Met. Ζ II, 1037a29) oder aus der Identität von wesentlichem Wassein und bestimmtem Einzelwesen bei primären Ousiai (Met.

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E. D. Harter, Aristotle on Primary ΟΥΣΙΑ, in: Archiv fìlr die Geschichte der Philosophie 57, 1975, 1-20, hier: 11-19; M. Frede, Individuen bei Aristoteles, in: Antike und Abendland 24, 1978, 16-39, ND (engl. Übersetzung) in: Ders., Essays in Ancient Philosophy, Oxford 1987, 4971. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Anm. 6], 1,40. A. C. Lloyd, Form and Universal in Aristotle, Liverpool 1981, 3, 7, 23-27; M. L. Gill, op. cit. [Anm. 24], 3, 34f„ 143ff, 179; J. E. Whiting, Form and Individuation in Aristotle, in: History of Philosophy Quarterly 3, 1986, 359-377, hier: 367, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 163-182; E. Hartman, Aristotle on the Identity of Substance and Essence, in: Philosophical Review 85, 1976, 545-561, hier: 551ff.; vgl. ders., Substance, Body and Soul. Aristotelian Investigations, Princeton 1977, 60-64; R. Heinaman, Knowledge of Substance in Aristotle, in: Journal of Hellenic Studies 101, 1981, 63-77, hier: 64; Ch. Witt, op. cit. [Anm. 24], 177ff. T. Irwin, Aristotle's First Principles, Oxford 1988,217ff., 250,259, 263f. Vgl. W. Sellars, op. cit. [Anm. 39], 691; T. Irwin, op. cit. [Anm. 43], 211; M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Anm. 6], I, 52; E. Hartman, op. cit. [Anm. 42], 58; A. C. Lloyd, op. cit. [Anm. 42], 3 8 f f ; Ch. Witt, op. cit. [Anm. 24], 159f. - Zum Individuationsprinzip und zu den Belegstellen, die diese Deutung anführt, vgl. Kap. IV 3. Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Anm. 6], 1,48f., 53.

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Einleitung

Ζ 6) gefolgert wird, das Eidos sei selbst individuell46, ist eine höchst problematische These, die am Text nicht explizit bestätigt werden kann, wie in Kap. IV 3 im einzelnen nachgewiesen werden soll. Eine weitere Schwierigkeit bei der Annahme individueller Eide ergibt sich im Zusammenhang mit der Definitionslehre: Das Eidos muß als Kern einer Wesensbestimmung, die auf das Notwendige und Unveränderliche geht, gemäß den Analytica posteriora ein Allgemeines sein; das sinnlich wahrnehmbare Einzelne als solches erweist sich hingegen als undefinierbar (Met. Ζ 15); deshalb kann nur die Ousia als Ganzes τόδε τι sein, nicht eigentlich das Eidos. Denn dieses existiert nie selbständig für sich, sondern immer nur in einem Einzelnen als dessen wesentliches und bestimmendes Konstituens. Das Eidos ist also nicht als solches selbst τόδε τι, sondern das ein τόδε τι erst in seinem wirklichen Sein und wesentlichen Wassein ontologisch Ermöglichende und Konstituierende47 (vgl. De an. II 1,412a8f.). (7) Eine andere Interpretationsrichtung hält das in Met. Ζ als primäre Ousia ausgezeichnete Eidos weder fur individuell noch für allgemein. Deswegen treffe auf das Eidos auch die These von Met. Ζ 13 nicht zu: J. Lear48 versteht das Eidos als ein Drittes zwischen Einzelnem und Allgemeinem, nämlich als τόδε τι. J. Owens ist ebenfalls der Ansicht, daß das Eidos als Basis der Allgemeinheit selbst weder allgemein noch einzeln sei, sondern als Akt τόδε τι und als Ursache' für die Individualität des jeweiligen Einzeldinges der Unterscheidung von Allgemeinem und Einzelnem noch vorgeordnet49. In dieselbe Richtung geht auch A. Ferrarin: Das Eidos sei weder singulär, da es als Allgemeines definierbar ist und erst dadurch das vergängliche Einzelne definierbar wird (Met. Ζ 10, 1036a8), noch allgemein, weil es aktuell als Ursache eines τόδε τι fungiert50. Ebenso verortet Chr. Rapp, der klassifizierende und individuierende Funktion des Eidos unterscheidet51, das Eidos zwischen dem in Met. Ζ 13 als Ousia abgelehnten Allgemeinen und dem undefinierbaren und somit der Wissenschaft unzugänglichen sinnlich-wahrnehmbaren Einzelwesen als solchen. Er verwendet zwei unterschiedliche Begriffe von Allgemeinheit, indem er das allgemeine Artprädikat, das gemäß Met. Ζ 13 nicht Ousia sein kann, von der Artform abgrenzt, 46

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Vgl. auch K. Brinkmann, op. cit. [Anm. 10], 114ff.; sowie E. Tugendhat, ΤΙ ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ. Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung aristotelischer Grundbegriffe (Symposion 2), Freiburg/München 1958,41986, 86. Zur weiteren Diskussion dieses Ansatzes und zur Anwendung der Konzeption individueller Eide auf immaterielle Entitäten vgl. Kap. IV 3; zur Gleichsetzung von τόδε τι und Eidos vgl. auch Kap. II 3 zu Met. Δ 8. Vgl. J. Lear, Aristotle. The Desire to Understand, Cambridge 1988, 273ff.; ebenso M. de Corte, Aristote et Plotin, Paris 1935, 51ff. J. Owens, The Doctrine of Being in the Aristotelian Metaphysics. A Study in the Greek Background of Mediaeval Thought, Toronto 1951, M963, 3 1978,385,390ff., 398f. A. Ferrarin, Hegel and Aristotle, Cambridge 2001, 178. Chr. Rapp, Allgemeines konkret. Ein Beitrag zum Verständnis der Aristotelischen Substanzlehre, in: Philosophisches Jahrbuch 102, 1995, 83-100, hier: 85, 97. Vgl. hierzu auch O. Höffe, Aristoteles, München 1996,168-174.

3. Stand der Forschung

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die als eine besondere Weise der Allgemeinheit weder individuell noch im Sinne der Universalien-Kritik von Met. Ζ 13 allgemein ist und der somit durchaus Ousia-Charakter zugeschrieben werden sein kann52. Auch für L. Spellman befindet sich das Eidos in einem Bereich zwischen Allgemeinheit und Individualität, indem sie die Essenz (τί ήν είναι), die gemäß Met. Ζ 7 und Ζ 11 mit dem Eidos zusammenfällt, als Speziesexemplar (specimen of a natural kind) deutet. Anders als Rapp, der eher eine Allgemeinheit der Eide behauptet, bevorzugt L. Spellman eine individuelle Lesart der Eide bzw. Essenzen als Speziesexemplare und bezeichnet das Eidos als τόδε τι 53 . Ein Speziesexemplar sei zwar numerisch mit seinem Träger, dem jeweiligen konkreten Einzelwesen, dasselbe, aber inhaltlich mit diesem insofern nicht identisch (vgl. Met. Ζ 6), als das Speziesexemplar Gegenstand der Wissenschaft als reines Abstraktum wesentlicher, unveränderlicher Eigenschaften ist und zugleich das wesentliche Kennzeichen des jeweiligen Einzelnen, während der stofflich gefaßte Träger auch akzidentell bestimmt ist54. Diese „specimens" seien also aufgrund ihrer Notwendigkeit und Allgemeinheit wissenschaftlich erfaßbar und erweisen sich in eingeschränkter Weise als individuelle Formen55, indem sie jeweils das Wassein eines bestimmten Einzelwesens ausmachen und rein äußerlich von ihrem konkreten Gegenstand nicht zu unterscheiden sind. Dennoch besitze jeder Mensch ein gleiches Speziesexemplar. Dieses sei zwar kein Allgemeines im strengen Sinne; aber indem es über die epistemischen Qualitäten des Allgemeinen verfüge, „imitiere" es das Allgemeine56. Nach dieser Interpretationsrichtung, deren Untersuchungen im einzelnen argumentativ durchaus voneinander abweichen, wäre das Eidos also jeweils eine Entität zwischen Allgemeinem und Individuellem. Es liegt dann aber die Frage nahe, wie dies logisch möglich sein soll, zumal Aristoteles in De interpretatione im Hinblick auf das Allgemeine und das Einzelne ausdrücklich von einem disjunktiven, einander ausschließenden Gegensatz spricht57, ohne also irgendein 'Zwischenreich' zuzulassen: „von den Dingen sind die einen allgemeine, die anderen hingegen einzelne - als allgemein bezeichne ich das, was seiner Natur nach dazu geeignet ist, von mehrerem prädiziert zu werden, als einzeln hingegen das, was seiner Natur nach hierzu nicht geeignet ist." {De int. 7,17a38-b4) 52

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Vgl. Chr. Rapp, „Kein Allgemeines ist Substanz" (Z 13,14-16), in: Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996, 157-191, hier: 157ff., 164, 175, 186f.; vgl. ders., Aristoteles zur Einführung, Hamburg 2001, 168. - Zur weiteren Diskussion, vor allem zu einer angeblichen Änderung des tode-ti-Begriffs in Met. Ζ vgl. Kap. IV 3. L. Spellman, Substance and Separation in Aristotle, Cambridge 1995, 40-62, 97. - Auf die Probleme bei der Interpretation des Eidos als τόδε τι wurde bereits hingewiesen. Ebd., 48ff. Ebd., 4, 82. Ebd., 51,55. Vgl. H. Seidl, Aristoteles, Metaphysik, griechisch-deutsch, in der Übersetzung von H. Bonitz neu bearbeitet, mit Einleitung und Kommentar, griechischer Text in der Edition von W. Christ (Leipzig 1885,21895), 2 Bde., Hamburg 1978-1980, M989-1991, II, 429.

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Einleitung

Auch die den zuvor genannten Arbeiten entgegengesetzte These wurde in der Forschung vertreten: nach E. Halper sei das Eidos sowohl einzeln, weil ihm bei der Konstitution des Einzelnen eine aktive Funktion zukommt, als auch allgemein, weil es für eine Vielzahl von Individuen zutreffen muß58. In dieselbe Richtung gehen die komplizierten Erörterungen von U. Nortmann: Die Formen eines Typs seien individuell (Art-Vertreter), die eines anderen Typs allgemein (sortale Begriffe) 59 . Gegenüber diesen beiden Ansätzen ergeben sich dieselben Bedenken, die auf der oben zitierten Grundunterscheidung von Allgemeinem und Einzelnem in De int. 7 beruhen. Mit dem Überblick über die ältere und aktuelle Forschung zum Ousia-Problem sollte gezeigt werden, daß trotz des breiten Spektrums an Interpretationsvorschlägen das eigentliche Dilemma von Met. Ζ nicht zufriedenstellend gelöst wurde: Entweder ist eine Lösung von vornherein nicht beabsichtigt bzw. unmöglich (aporetische Deutung), oder das Problem wird auf verschiedene Überarbeitungsphasen zurückgeführt (entwicklungsgeschichtliche Deutung); entweder gilt das Eidos weder als Allgemeines noch als Einzelnes, oder es wird als unterstes Allgemeines ontologisch ausgezeichnet und als ein solches besonderes Allgemeines von der Entsubstantialisierung in Met. Ζ 13 ausgenommen; dies ist jedoch vom Text her nicht zu belegen. Die Lehre von Met. Ζ kann auch nicht für die Weiterführung einer Platonisch-akademischen Ontologie-Konzeption gehalten werden, wenn man die durchgehende Ideenkritik des Aristoteles in der Metaphysik mitberücksichtigt und sich die eindeutig antiplatonische ontologische Auszeichnung des bestimmten Einzelwesens (τόδε τι) als das an sich Seiende vor Augen führt. Ebensowenig kann die Deutung des Eidos als individuelle Form zufriedenstellen, da auf diese Weise - neben den Schwierigkeiten mit der Definitionslehre und abgesehen von einer eigentlich nur für unstoffliche Entitäten zutreffenden unmittelbaren und daher problematischen schlichten Gleichsetzung von Eidos und bestimmtem Einzelwesen (vgl. Met. Ζ 6) - eine OntologieKonzeption aus der Geschichte der Philosophie auf Aristoteles zurückprojiziert wird, die sich erst in späteren Theorien (vgl. Kap. V 5) findet und die zudem durch die von den Interpreten als einschlägig bezeichneten Textpassagen kaum gestützt wird (vgl. Kap. IV 3). Angesichts der Defizite der Interpretationsrichtungen, die sich dem Problem auf vielfältige Weise gewidmet haben, sucht die vorliegende Untersuchung im folgenden zu zeigen, daß nach Aristoteles in Met. Ζ das Eidos zwar erste Ousia ist, aber nicht das Eidos als solches, sondern nur, sofern es als Essenz (τί ήν είναι) eines Einzelwesens aufgefaßt wird, die dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein ausmacht; darin liegt die ontologische Bedeutung des Eidos. 58

59

Vgl. E. Halper, One and Many in Aristotle's Metaphysics. The Central Books, Columbus (Ohio) 1989,244-255. U. Nortmann, Allgemeinheit und Individualitat. Die Verschiedenartigkeit der Formen in Metaphysik Z, Paderborn/München/Wien/Zürich 1997,28,34-37, 59-78.

3. Stand der Forschung

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Dieses ist hingegen im Rahmen der Definition - gedacht in der letzten Differenz - ein Allgemeines, Notwendiges und Unveränderliches und damit gemäß den Analytica posteriora der eigentliche Gegenstand der Wissenschaft. Auf der Ermöglichung der philosophischen Erkenntnis des jeweiligen konkreten Einzelwesens beruht die epistemologische Bedeutung des Eidos. Bevor Aristoteles' Ousia-Lehre von Met. Ζ dargelegt wird, die im Mittelpunkt der Erörterungen stehen soll (vgl. Kap. III-IV), sei zunächst (Kap. I) die frühere Ousia-Konzeption der Kategorienschrift {Cat. 5) in ihren Grundzügen skizziert, da nur auf diese Weise die spätere Theorie angemessen dargestellt und auf ihren philosophischen Gehalt hin analysiert werden kann. Im Laufe der Untersuchung soll dann im einzelnen herausgearbeitet werden, an welchen OusiaBestimmungen der frühen Ontologie-Konzeption Aristoteles auch in der späteren Lehre festgehalten hat, welche er aufgrund einer veränderten Fragestellung und Blickrichtung in Met. Ζ differenziert hat und auf welche Weise er seine Ousia-Lehre möglicherweise modifiziert hat.

I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift 1. Allgemeine Kennzeichnung der Kategorienschrift Bei der Kategorienschrift handelt es sich um die erste der logischen Schriften, welche seit der Aristoteles-Ausgabe des Andronikos von Rhodos unter dem Sammelbegriff 'Organon' zusammengefaßt werden. Jene Schrift enthält im fünften Kapitel eine Ontologie der Ousia1. Unter Ontologie versteht man die Lehre von den Grundbestimmungen des Seienden als solchen. Obwohl diesem Terminus - wie auch dem philosophischen Zentralterminus ,Ousia' - das griechische το öv (das Seiende) zugrunde liegt, wurde er erst im 17. Jahrhundert geprägt; nach Grundbestimmungen des Seienden als solchen fragten jedoch bereits Plato und Aristoteles. Die frühe Ontologie-Konzeption des Aristoteles in der Kategorienschrift kann man als urteilslogisch charakterisieren, da sie dasjenige, was eigentlich und an sich ist, an Weisen ,ist' zu sagen entwickelt und sich dabei am einfachen, kategorischen Urteil orientiert. Gemäß einer Einteilung alles Seienden in zehn Kategorien, die lediglich in Top. I 9 und Cat. 4 vollständig aufgelistet werden2, gilt die erste Kategorie, die Ousia, als das Zugrundeliegende (ΰποκείμενον), während die übrigen Kategorien nur 'an' oder 'in' diesem Zugrundeliegenden (έν ύποκειμένφ) sind. Dahinter steht die logisch-grammatische und zugleich ontologische und epistemologische Grundunterscheidung zwischen Substanz (Ousia) und Akzidens, d.h. zwischen dem Träger als Subsistierendem, selbständig fur sich Existierendem, an sich Seiendem, und dem ihm Inhärierenden, das notwendig immer eines Trägers bedarf und daher gerade

1

2

Einen Überblick zur Kategorienlehre im Corpus Aristotelicum und zu ihrer Wirkungsgeschichte gibt K. Oehler in der Einleitung seines Kommentars (Aristoteles. Kategorien, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 1/1, hrsg. von E. Grumach und H. Flashar, Darmstadt 1984, 3 1997, 37-119, zu Cat. 5: 213-224), auf den für die folgenden Erörterungen zur OusiaLehre der Kategorienschrift verwiesen sei. Zur Entstehung der Kategorienlehre vgl. auch K. von Fritz, Der Ursprung der aristotelischen Kategorienlehre, in: Archiv für die Geschichte der Philosophie 40,1931,449-496, ND in: Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 226), Darmstadt 1972, 22-79, ND in: K. von Fritz, Schriften zur griechischen Logik II: Logik, Ontologie und Mathematik, Stuttgart 1978,9-51. Zur Kategorienlehre in der Topik vgl. bes. S. Mansion, Notes sur la doctrine des catégories dans les Topiques, in: Aristotle on Dialectic. The Topics, Proceedings of the 3rd Symposium Aristotelicum, hrsg. von G. E. L. Owen, Oxford 1968,189-201. An anderen Stellen im Corpus Aristotelicum werden die Kategorien als bereits bekannt vorausgesetzt und ihre Auflistung daher nur angedeutet; auch in Met. Ζ 1 werden lediglich drei namentlich erwähnt.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der

Kategorienschrift

nicht selbständig existieren kann, also nicht ohne ein es erst ermöglichendes Zugrundeliegendes existieren kann3. Die Kategorien kann man im Rahmen dieser an logischen Aussageformen orientierten frühen Ousia-Lehre des Aristoteles als Prädikate (κατηγορούμενα) in Urteilen auffassen 4 . In Cat. 5 geht es in 3

4

Vgl. zur fundamentalen Unterscheidung von Substanz und Akzidens, die sich in anderer Terminologie bereits in Cat. 5 findet: K. Bärthlein, Zur Entstehung der aristotelischen Substanz-Akzidens-Lehre, in: Archiv für die Geschichte der Philosophie 50,1968,196-253. Zur Eigenart der Kategorien vgl. F. A. Trendelenburg (op. cit. [Einleitung, Anm. 11]), der sie an grammatischen Funktionen im Satz orientiert, H. Bonitz (Über die Kategorien des Aristoteles, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Bd. 10, Wien 1853, ND Darmstadt 1967, 591-645), der sie als reale Seinsweisen versteht, und O. Apelt (Die Kategorien des Aristoteles, in: Beitrage zur Geschichte der griechischen Philosophie, Leipzig 1891, 101-216), der sie eher logisch auffaßt und das Moment des Anzeigens betont. Für F. Brentano (Geschichte der griechischen Philosophie, nach den Vorlesungen Uber Geschichte der Philosophie aus dem Nachlaß hrsg. von F. Mayer-Hillebrand, Bern/München 1963, Hamburg 2 1988, 248) sind die Kategorien „oberste Begriffe", von denen jeder ein Seiendes in je anderer Bedeutung bezeichne, oder „höchste Klassen von positiven Prädikaten" (Aristoteles und seine Weltanschauung, Leipzig 1911, Hamburg M977, 45). Auch später bleibt ihr Charakter umstritten: Nach A. Graeser (Sophistik und Sokratik, Plato und Aristoteles, in: Geschichte der Philosophie II: Die Philosophie der Antike 2, hrsg. von W. Röd, München 1983, M993, 213) sind sie „Bedeutungsklassen, natürliche Klassen von Dingen (οντα)." Er bezieht die Klassen demnach nicht auf die Aussageformen, sondern auf Seiendes selbst. Gemäß I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 594, 612) gelten die Kategorien zwar primär als .Aussageformen", haben aber auch einen „Wirklichkeitsgehalt" und stellen daher ebenso „Grundformen des Seins", „Seinsweisen" dar. Der Prädikation kommt somit bei Aristoteles „ontologische Bedeutung" zu. - Diesen „logisch-ontologischen Charakter", den bereits H. Meyer (Die Weltanschauung des Altertums, in: Geschichte der abendländischen Weltanschauung I, 5 Bde., Paderborn/Würzburg 2 1947,31967, 199) „dem Zusammenhang von Denken und Sein entsprechend" den Kategorien zuschrieb, hebt ebenfalls H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, XII, XIV) hervor: diese zehn „obersten Aussagegattungen" seien jeweils auf real Seiendes bezogen (375), da der sprachliche Ausdruck bei Aristoteles immer eine reale Bedeutung habe. - Daß aber nach Seidl die Kategorien, die er vornehmlich als „Aussageweisen" kennzeichnet, in der Metaphysik nach ihrer „ontologischen Seite hin ausgewertet werden" (377), ist schwierig, da auch die Kategorienschrift eine urteilslogisch ausgerichtete Ontologie-Konzeption enthält. Daher kann man auch umgekehrt formulieren: das reale Seiende ist bei Aristoteles an den Weisen, ,ist' zu sagen, orientiert. So betrachtet K. Brinkmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 44ff.) die kategoriale Aussage als „Seinsaussage" und diese als das eigentliche Thema der Ontologie; auch für K. Oehler (Ein Mensch zeugt einen Menschen. Über den Mißbrauch der Sprachanalyse in der AristotelesForschung, in: Einsichten, Festschrift für G. Krüger zum 60. Geburtstag, hrsg. von K. Oehler und R. Schaefiler, Frankfurt a.M. 1962, 230-288, ND Frankfurt a.M. 1963, 29, 31, 34f„ ND in: K. Oehler, Antike Philosophie und byzantinisches Mittelalter. Aufsätze zur Geschichte des griechischen Denkens, München 1969, 95-145) sind die kategorialen Begriffe nicht nur Prinzipien sinnvollen Sprechens über Gegenstände, sondern „Formen des Seienden selbst." - Bereits A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], III, 211) nannte die Kategorien „Grundbestimmungen alles Seienden", da sie für alles Seiende gelten. Für D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 50) gibt es keine Seinsweise, die nicht unter eine der Kategorien fällt. Somit fungieren sie als grundlegende Bestimmungen des Seienden als solchen. J. Tricot (Aristote. La Métaphysique, nouvelle édition entièrement refondue avec commentaire, 2 Bde., Paris 1932,21953,1,270) hält sie für die höchsten Seinsgattungen, die zugleich die Realität alles Seienden bestimmen („les déterminations reelles de l'être") und dabei jeweils bestimmte Aspekte des Seienden unterscheiden. L. Routila (Über die beiden Fassungen der Kategorienlehre des Aristoteles, in: Ajatus 29, 1967, 62-78, hier: 73) bezeichnet die Kategorien, rekurrierend auf Met. Δ 7, als Seinsweisen und sieht darin im Unterschied zur Kategorienschrift die spätere Version der Kategorienlehre. Unklar bleibt H. Schmilz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,1,31; 2,12,63, 68,98), der die Kate-

2. Die Bestimmung der ersten Ousia in logischer und ontologischer Hinsicht

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erster Linie um Aussagen als Wesensbestimmungen, da die erste Kategorie, die Ousia, untersucht wird und diese das primäre, eigentlich und an sich Seiende bezeichnet. Für die im folgenden näher zu untersuchende frühe Ontologie des Aristoteles bleibt festzuhalten, daß für ihn die urteilslogischen Charakterisierungen immer bereits auf Seiendes bezogen sind, da sich Aussagen in einem Urteil nur dann als sinnvoll erweisen, wenn sie sich notwendig auf real Seiendes (πράγματα) beziehen (vgl. De int. 1, 16a4-18)5.

2. Die Bestimmung der ersten Ousia in logischer und ontologischer Hinsicht Im 5. Kapitel der Kategorienschrift wird die Ousia zunächst rein negativ bestimmt: „dasjenige, was weder von einem Zugrundeliegenden (καθ' υποκειμένου) ausgesagt wird noch an einem Zugrundeliegenden (έν ύποκειμένφ) ist." (Cat. 5, 2al0ff.)

Diese vorläufige Charakterisierung der ersten Ousia nimmt die Einteilung der Aussagen von Cat. 2 auf und wendet die beiden Einteilungskriterien - „von einem Zugrundeliegenden ausgesagt zu werden" (καθ' υποκειμένου λέγεσθαι) und „in" oder „an einem Zugrundeliegenden zu sein" (έν ύποκειμένφ είναι) auf die erste Kategorie an. Im Unterschied zu den übrigen Kategorien - den Akzidentien - , die immer einem anderen Seienden inhärieren, das ihnen zugrunde liegt, ist die Ousia im eigentlichsten und ursprünglichsten Sinne dasjenige, was nie einem anderen Seienden als Träger inhärieren und ebensowenig von einem ihr Zugrundeliegenden prädiziert werden kann. Nun differenziert Aristoteles jedoch noch innerhalb der Ousia-Kategorie zwischen 'erster Ousia' (πρώτη ουσία) und 'zweiter Ousia' (δεύτερα ούσία, Cat. 5, 2b8f.). Erste Ousia ist jenes Zugrundeliegende (ύποκείμενον), das logisch-grammatisch in einem Urteil nie als Prädikat (κατηγορούμενον) fiingieren kann. Die zweiten Ousiai, als welche die Gattungen (γένη) und Arten (εϊδη) gelten, sind in jener Einteilung der Aussagen (vgl. Cat. 2) dasjenige, das zwar nie einem Zugrundeliegenden akzidentell zukommen, also als beiläufige Eigengorien einerseits als „Prädikationstypen" oder „Zugänge durch verschiedene Prädikationsweisen zu einer und derselben Sache" charakterisiert, andererseits jedoch Stellen, die diese als Gattungen des Seienden bezeichnen (Met. Δ 6, 1016b33f.; I 3, 1054b35-1055al; I 8, 1058al3-16), als „von fremder Hand interpoliert", d.h. als unecht ansieht. Im übrigen seien die Kategorien für ihn gleichwohl „semantisch charakterisierte Seinsweisen", denen „ontologische Brisanz" zukomme, so daß jene Atethese fragwürdig scheint. Man kann diese Ontologie-Konzeption somit zu Recht als urteilslogische, realistische Gegebenheits-Ontologie bezeichnen, in der das real Seiende, auf das Bezug genommen wird, bereits vorgängig gegeben und vorausgesetzt sein muß. Vgl. hierzu Kap. V 5, wo die Aristotelische Ontologie der Ousia in verschiedene Ontologie-Typen, die in der Geschichte der Philosophie vertreten wurden, eingeordnet wird.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

schaft ihm inhäriert, aber durchaus - und darin liegt der Unterschied zu den ersten Ousiai - prädiziert werden kann, und zwar von einem Zugrundeliegenden, also einer ersten Ousia. Diese Prädikation bringt deren Wasbestimmtheit zum Ausdruck; denn Gattung und Art bzw. artbildender Unterschied sind die konstitutiven Bestandteile einer Defmition im strengen Sinne. Prädikationen zweiter Ousiai von einer ersten Ousia erweisen sich daher stets als Wesensaussagen, 'essentielle Prädikationen' 6 . Als Beispiele erster Ousiai dienen 'dieser bestimmte Mensch' (ό τίς άνθρωπος) und 'dieses bestimmte Pferd' (ό τις ίππος). Wenn nun gemäß der oben zitierten rein negativen logisch-grammatischen Kennzeichnung die erste Ousia weder an oder in einem Subjekt ist noch von einem ihr Zugrundeliegenden ausgesagt wird, die Kategorien aber gleichwohl als 'Aussageweisen' oder 'Prädikate' gelten (vgl. Anm. 4), dann stellt sich die Frage, ob die erste Kategorie, die Ousia bzw. das Seiende im eigentlichen und primären Sinne, möglicherweise überhaupt nicht zu ihnen gehört. Positiv gewendet fungiert die erste Ousia in einer kategorischen Aussage als logischgrammatisch Zugrundeliegendes. Wenn sie auch infolgedessen offenbar selbst nie Prädikat (κατηγορούμενον) sein kann, zählt sie dennoch zu den Kategorien als Seinsweisen, weil sie als Subjekt das Aussagen (κατηγορείν) überhaupt erst ermöglicht. Da die erste Ousia allem übrigen Seienden zugrunde liegt (Cat. 5, 2b38) und dieses entweder von ihr als Subjekt ausgesagt wird (καθ' υποκειμένου λέγεται) - wie die zweiten Ousiai - oder an bzw. in ihr ist (έν ΰποκειμένω είναι) - wie die akzidentellen Bestimmungen - heißt sie am ehesten (μάλιστα, Cat. 5, 2b 17) Ousia. Die ontologische Bedeutung der ersten Ousia besteht darin, daß, wenn sie nicht wäre, unmöglich von allem übrigen etwas sein könnte (Cat. 5, 2b5f.). Denn im Hinblick auf die übrigen neun Kategorien erweist sich die Ousia - das logisch-grammatisch Zugrundeliegende der Prädikation - insofern auch ontologisch als konstitutiv, d.h. als seinsermöglichend, als jene Akzidentien nur „an" oder „in einem Zugrundeliegenden sind", d.h. einer ersten Ousia inhärieren; diese muß also zu deren Existenz notwendigerweise vorausgesetzt werden. Die Ousia erweist sich - wie fur Plato - auch für Aristoteles als leitende Bedeutung des Seienden, als das eigentlich Seiende7. Allerdings hält er nicht die Idee in ihrer Allgemeinheit für das primär und an sich Seiende bzw. für die erste Ousia, sondern im Unterschied zu Plato das mit einem Eigennamen benennbare, bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), wie Sokrates (dieser bestimmte Mensch) oder Bukephalos (dieses bestimmte Pferd), d.h. das Pferd Alexanders des Großen mit dem Namen Bukephalos. Ob die für die Kategorienschrift kennzeichnende Auszeichnung der ersten Ousia als das allem übrigen Seienden Zugrundeliegende

7

Vgl. E. Kapp, Die Kategorienlehre in der aristotelischen Topik (1920), in: Ders., Ausgewählte Schriften, hrsg. von H. und I. Diller, Berlin 1968,215-253. Vgl. zur Ousia als leitende Bedeutung des Seienden auch Kap. III 1 zu Met. Ζ 1 und Γ 2, wo die Beziehung alles Seienden auf ein primär Seiendes (Pros-Hen-Relation) erörtert wird.

3. Die Bestimmung der zweiten Ousiai und ihre Bedeutung

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als Ousia-Bestimmung für die Lehre der Metaphysik (Z 3) genügt, werden die weiteren Darlegungen zu zeigen haben. 3. Die Bestimmung der zweiten Ousiai und ihre epistemologische und ontologische Bedeutung Die zweiten Ousiai - gemäß Cat. 5 die Arten (ε'νδη) und Gattungen (γένη) werden im Unterschied zu den ersten Ousiai in einer Wesensbestimmung von einem Zugrundeliegenden, d.h. einem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι) ausgesagt, z.B. daß Sokrates 'Mensch' bzw. 'Lebewesen' ist. Zweite Ousiai sind demnach diejenigen Prädikate, welche die Wasbestimmtheit der ersten Ousiai angeben. Jene stehen somit im Hinblick auf die ontologische und epistemologische Dignität zwischen den ersten Ousiai als Zugrundeliegenden und den diesen inhärierenden, unwesentlichen Eigenschaften als akzidentellen Bestimmungen. Unter den zweiten Ousiai sind wiederum die Eide eher (μάλλον) Ousiai als die Gene, da erstere in Wesensaussagen den letzteren logisch-grammatisch zugrunde liegen und insofern näher an den ersten Ousiai sind8 (Cat. 5, 2b22). Es scheint hier offenbar durchaus bestimmte Seinsabstufungen zu geben, obwohl Aristoteles auch behauptet, innerhalb der Ousia dürfe es kein Mehr oder Minder (μάλλον και ήττον, 3b35) geben9; denn kein Eidos sei eher Ousia als ein anderes Eidos (2b23f.); analog gilt dies auch für erste Ousiai. Gemeint ist wohl folgendes: Will man zum Ausdruck bringen, was eine zugrundeliegende, erste Ousia - z.B. dieser bestimmte Mensch - ihrem wesentlichen Wassein nach ist, will man sie also definieren, dann ist die eidetische Bestimmung 'Mensch' ihr eher eigentümlich (μάλλον ίδιον)10 als die Bestimmung 'Lebewesen', die Angabe ihrer übergeordneten Gattung. Diese ist allgemeiner (κοινότερον) und somit umfangreicher, jedoch weniger bestimmend als das Eidos, welches das 8

'

10

H. J. Krämer (op. cit. [Einleitung, Anm. 38]) versteht diese Auszeichnung des Eidos in Cat. 5 als eine bereits hier sich abzeichnende Antizipation der in Met. Ζ vertretenen Eidos-Lehre, nach der das Eidos erste Ousia ist. Vgl. hierzu Kap. III 3-4. Jede Kategorie wird in der Kategorienschrift auf zwei Kriterien hin untersucht: auf einen möglichen Gegensatz und ein mögliches Mehr oder Weniger. Ph. Merlan (op. cit. [Einleitung, Anm. 11]) sieht darin Anklänge bzw. Reminiszenzen an Platonisch-akademische Prinzipienlehren und plädiert zu Recht fllr ein Frtlhwerk des Aristoteles. Das Eigentümliche (ίδιον) wird von Aristoteles auf mehrfache Weise verwendet und in Top. V 1, 128bl6ff., wie folgt differenziert: Im Gegensatz zu demjenigen ίδιον, das auch fehlen kann und das von der Wesensbestimmung zu unterscheiden ist, meint eine andere Bedeutung das Wassein von etwas, das nach An. post. II 6, 92a6ff., als t í ήν είναι des jeweiligen Einzelnen bezeichnet wird. - Diese Distinktion wird noch für die Ousia-Lehre von Met. Ζ bedeutsam werden, vor allem für Met. Ζ 13, wo das 'Idion-Argument' (1038bl0) davon ausgeht, daß kein Allgemeines, sondern das dem Einzelnen jeweils Eigentümliche Ousia sei. Die Entsubstantialisierung insbesondere des höheren Allgemeinen, der Gattung, ist in der Kategorienschrift bereits dadurch vorgezeichnet, daß das Eidos näher an die eiste Ousia gestellt wird, indem es ihr eher „eigentümlich" (μάλλον ίδιον) ist. Vgl. zum τί ήν είναι Kap. II 2 und III 3-4; zu dem ,IdionArgument' und zur engen Verbindung von ϊδιον und τί ήν είναι Kap. IV 3.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

Wassein des Einzelnen in der Definition als , Wesensumgrenzung' (ορισμός) spezifischer ausdrückt als das Genos. Neben dieser epistemologischen Bedeutung kommt den zweiten Ousiai auch ontologische Bedeutung zu: Sie können zwar nicht selbständig für sich existieren - wie die Universalien bei Plato - , sie verleihen aber einem existierenden Einzelwesen erst dessen wirkliche Wasbestimmtheit und gelten daher als einzige neben den ersten Ousiai überhaupt als Ousiai, wenn auch nur als 'zweite' Ousiai. Denn indem sie das wirkliche Wassein der ersten Ousiai ausmachen, grenzen sie sich von allem übrigen Seienden ab und unterscheiden sich als Wesensprädikate auch in logisch-grammatischer Hinsicht von akzidentellen Bestimmungen, die von einem Zugrundeliegenden zwar prädiziert werden können, die aber als unwesentliche, zufällige Eigenschaften (Cat. 5, 3al5) jenem lediglich inhärieren, die ebenso in ihr Gegenteil umschlagen oder sogar auch gänzlich fehlen können. Bisher wurde das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als erste Ousia bezeichnet. Als solche ist es ein Unteilbares (ατομον) und numerisch Eines (άριθμφ εν, Cat. 5, 3b 1 If.). Unteilbarkeit meint hier, daß eine Teilung das Einzelwesen als Ganzes - und damit die Ousia - zerstören und es zu existieren aufhören würde. Wie steht es jedoch mit den zweiten Ousiai? Sind auch sie jeweils ein bestimmtes Einzelwesen, ein Unteilbares und der Zahl nach Eines? Da die zweiten Ousiai die konstitutiven Bestandteile von Wesensbestimmungen ausmachen und als solche notwendigerweise allgemein sein müssen und sich als Universalien per defmitionem (vgl. De int. 7, Met. Ζ 13) auf mehrere Dinge beziehen müssen, von denen sie aussagbar sind, können jene nicht zugleich jeweils ein numerisch Eines und Unteilbares sein und - wie jene ersten Ousiai - Zugrundeliegende (υποκείμενα). Zweite Ousiai fungieren nie als Subjekte, sondern stets als Wesensprädikate der Einzelwesen. Worin besteht dann aber die sachliche Abgrenzung zwischen dem Eidos (bzw. Genos), welches als zweite Ousia das Wesen des Einzelnen angibt, und dem Qualitativen (ποιόν) als einer akzidentellen Bestimmung der unwesentlichen, zufälligen Beschaffenheit? Aristoteles bleibt in seiner Formulierung unklar: anstelle eines numerisch Einen (άριθμφ ëv) bezeichnet die zweite Ousia eher (μάλλον σημαίνει) ein irgendwie Qualitatives (ποιόν τι). Wenn auch in der Kategorienschrift eine offenbar in der Konzeption neuartige Differenzierung zwischen Eidos und Qualitativem angedeutet ist, schimmert in einigen Formulierungen11 dennoch die frühere Auffassung der Topik durch, in der die Eide noch unter das akzidentelle Z.B. erfaßt die Bestimmung 'zweifüßig' den Menschen nur im Hinblick auf ein Qualitatives, jedoch nicht im Hinblick auf dessen spezifische (eidetische), d.h. ihn von anderen Spezies letztlich abgrenzende Differenz - die Rationalität - , da Zweifüßigkeit auch Vögeln zukommt, wie Aristoteles in De part. anim. I 2-4 kritisch zum gängigen Schulbeispiel des zweifüßigen Lebewesens bemerkt. Vgl. dazu die Erörterungen in Kap. III 4 zu Met. Ζ 12. Zur problematischen Abgrenzung des Eidos vom Qualitativen und zur Bezeichnung des Allgemeinen als ein „Solches" (τοιόνδε) vgl. Kap. IV 2 zu Met. Ζ 13.

3. Die Bestimmung der zweiten Ousiai und ihre Bedeutung

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Qualitative (ποιόν) subsumiert wurden. Jene Unterscheidung des Eidos vom Qualitativen ist jedoch nicht formallogisch beweisbar, sondern kann nur sachlich-inhaltlich begründet werden: Das Eidos gibt dasjenige an, was die erste Ousia ihrem wesentlichen Wassein nach ist, und ist als solches von dieser nicht abtrennbar, ohne daß sie zu existieren aufhören würde. Hingegen kann sich ein Qualitatives, z.B. Weiße, ohne schwerwiegende Folgen für das Einzelwesen, dem es inhäriert, auch in sein Gegenteil verändern oder sogar gänzlich fehlen, da es sich um eine unwesentliche, zufällige Eigenschaft handelt. Hingegen impliziert die Wesensaussage 'Sokrates ist Mensch' die Wasbestimmtheit von Sokrates12. Zweite Ousiai erweisen sich demnach zwar nicht als bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), d.h. als ein jeweils numerisch Eines und Unteilbares, da sie von mehreren prädiziert werden; sie machen jedoch das wirkliche und wesentliche Wassein der jeweiligen Einzelnen aus unter Absehung von deren individuierenden Merkmalen. Darin liegt ihre epistemologische Bedeutung: erst die zweiten Ousiai machen die ersten Ousiai zu demjenigen, was sie sind. Denn man erfaßt ein bestimmtes Einzelwesen erst dann in seiner Wasbestimmtheit, wenn man dessen zweite Ousiai angibt, vor allem das Eidos, da es umfangsärmer als das Genos ist (Cat. 5, 3b22f.) und damit spezifischer. Die Einzelwesen werden also durch die zweiten Ousiai bestimmt, vor allem durch das eidetisch Allgemeine. Die ontologische Bedeutung des Eidos als zweiter Ousia beruht darauf, daß es dasjenige ist, was in den entstehenden und vergehenden Einzeldingen Bestand hat: z.B. beim Menschen das eigentliche und wesentliche Menschsein. Das Eidos bleibt nämlich über viele Generationen von Einzelindividuen erhalten (vgl. De an. II 4, 415a30). Wie nach Plato kommt also auch gemäß Aristoteles dem Eidos ewige Fortdauer zu. Dies gilt auch für Artefakte (Phys. II): Während z.B. das Eidos ,Krug' bleibt, vergeht dieser oder jener Einzelkrug. Das Eidos als das Prägende des jeweiligen Einzeldinges gewährleistet somit, daß es sich stets um Individuen gerade dieser Art handelt. Im Unterschied zu Plato ist für Aristoteles jedoch das Eidos den Einzelwesen als deren wesentliches Wassein immanent, wie in Met. Ζ näher dargelegt wird; das Eidos kann offenbar nicht selbständig für sich und unabhängig von den Einzelwesen existieren. Nach der Charakterisierung erster und zweiter Ousiai und der Hervorhebung ihrer ontologischen und epistemologischen Bedeutung liegt nun die Frage nahe, worin denn das Eigentümliche der Ousia gegenüber allen anderen Kategorien

So unterscheidet A. G. Baumgarten (Metaphysica, Halle 1779, § 39,63) als determinationes enIis einerseits essentialia (primae determinationes intemae), d.h. eidetische Bestimmungen, und andererseits attributo (Eigenschaften) aut modi (Zufälligkeiten) aut relationes (Verhältnisse), d.h. Affektionen. Vgl. die deutsche Übersetzung (Ders., Metaphysik, Halle 1766, § 34): „Die innerlichen Bestimmungen einer Sache sind entweder diejenigen ersten Gründe der übrigen innerlichen Bestimmungen, welche in der Sache selbst von ihren Bestimmungen angetroffen werden, oder nicht, sondern sind Folgen der ersteren. Jene sind die wesentlichen Stücke (essentialia, determinationes primae, principes), diese aber die Affektionen."

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

besteht. Gilt für sie allein eine bestimmte Konstellation der beiden bei jeder Kategorie diskutierten Kriterien, d.h., gibt es für die Ousia einen Gegensatz oder nicht, und läßt sie ein Mehr oder Minder (μάλλον και ήττον) zu oder nicht?

4. Das Eigentümliche (ίδιον) der Ousia Es gibt für erste und zweite Ousiai zwar kein Gegenteil, dies ist ihnen jedoch nicht eigentümlich, da dasselbe auch auf das Quantitative zutrifft. Was das zweite Untersuchungskriterium - das Mehr und Minder - angeht, so kann in gewisser Weise eine Ousia in höherem Maße Ousia sein als eine andere: „daß dies so ist, ist ja gesagt" (vgl. Cat. 5, 3b34), nämlich durch die Unterscheidung von ersten und zweiten Ousiai. Der Textverweis und der Kontext der urteilslogisch orientierten Kategorienschrift stützt diese Auffassung13. Allerdings ist die Ousia das, was sie ist, nicht in stärkerem oder geringerem Maße, wie es bei Akzidentien der Fall ist, z.B. weiß-weißer; schön-schöner. Vielmehr bleibt im Rahmen der Unterscheidung von ersten und zweiten Ousiai der Ousia-Charakter jeweils unangetastet, wenn auch die Eide den ersten Ousiai 'näher' sind als die Gene, wie oben dargelegt. Was aber ist nun für die Ousia allein kennzeichnend und ihr somit eigentümlich (ίδιον)? Ihre Eigentümlichkeit besteht in ihrer Fähigkeit, für Veränderungen akzidenteller Art - sogar für gegenteilige Bestimmungen - empfänglich zu sein (4al0ff.), d.h. alles auf je verschiedene Weise kategorial Bestimmte - alles, was nicht Ousia ist - annehmen bzw. aufiiehmen zu können und auf diese Weise selbst eine akzidentelle Veränderung zu erfahren (μεταβολήν δεχόμενον, 4a33f.), ohne daß dabei ihr Ousia-Charakter in irgendeiner Weise in Frage gestellt wird. Dieses Merkmal trifft auf keine andere Kategorie zu. So können sich z.B. bei diesem bestimmten Menschen (ό τις άνθρωπος) als Zugrundeliegendem akzidentelle Bestimmungen als zufällige Eigenschaften, die sich an ihm finden, verändern und in ihr Gegenteil umschlagen - z.B. von 'gesund' zu 'krank' oder von 'schwarz' zu 'weiß' - oder können auch ganz fehlen. Das Beispiel verdeutlicht, daß jene Eigentümlichkeit ausschließlich für erste Ousiai gilt. Denn nur sie sind, wie oben dargelegt, jeweils ein Unteilbares (ατομον) und numerisch Eines (άριθμφ εν) und ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι). Ordnet man die frühe Ontologie des Aristoteles in die Philosophiegeschichte ein, so zeigt sich, daß die Begriffe ,Ousia' und ,Eidos' von Plato als philosophische Fachtermini übernommen werden. Der Ousia kommt bei Plato der Seinscharakter einer Idee zu. Die Bedeutung der Ousia als das primär und eigentlich 13

Man könnte diese Stelle auch als Andeutung einer hierarchischen Staffelung von Ousiai, bis hin zur ewigen, unbewegten Ousia verstehen, d.h. einer Stufenleiter der Vollkommenheiten unter dem Maßstab der Wirklichkeit, wie sie in Met. Λ 1 expliziert wird. Vgl. hierzu Kap. V 1. Eine Anwendung der Ousia-Lehre auch auf göttliche Entitäten legt Cat. 5 in den Beispielen m.E. nicht nahe, läßt sich jedoch auch nicht völlig ausschließen.

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie

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Seiende bleibt auch bei Aristoteles erhalten; aber dasjenige, was für ihn als Ousia im ursprünglichst und eigentlichsten Sinne gilt, ist allerdings der Platonischen Konzeption entgegengesetzt. Um dies näher zu betrachten, ist es notwendig, zunächst Piatos Ideenlehre - hier beschränkt auf den .mittleren Plato' grob zu skizzieren und anschließend von ihr die gerade erörterte frühe OusiaLehre des Aristoteles aus seiner Kategorienschrift abzugrenzen.

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie in der Kategorienschrift Plato hat seine Ideenlehre nicht in einem systematischen Zusammenhang dargelegt; infolgedessen muß man sie aus verschiedenen Stellen zusammentragen. Sie war jedoch für ihn keineswegs selbstverständlich, was aus einer Selbstkritik und aus der Kritik anderer damaliger Mißverständnisse innerhalb der Akademie hervorgeht14. Bereits in den Frühdialogen bedeuten Tugenden zugleich etwas an sich Seiendes; sie müssen demnach ontologische Bedeutung haben: So ist z.B. die Tugend der Tapferkeit etwas allgemein Geltendes und liegt den jeweiligen tapferen Handlungen zugrunde. Die Tugenden erweisen sich somit als ethische Ideen und werden letztendlich ontologisch begründet. Erst im Laufe der Entwicklung der Platonischen Philosophie stellt sich heraus, daß die Was-ist-Frage nach dem fragt, was etwas an sich ist, d.h. nach der Idee, in der letztlich erfaßt wird, was etwas wesentlich und eigentlich ist. Man kann vier grundlegende Charakteristika angeben, um das Wesen der Platonischen Idee - wenn auch nicht vollständig - zu bestimmen15: (1) Die Idee ist Eines und Allgemeines. (2) Die Idee ist das Seiende selbst. (3) Die Idee ist das ständig Bleibende. (4) Die Idee ist das rein Gedachte. Die Idee ist zunächst (1) ein Eines (εν) und Allgemeines oder ein Gemeinsames (κοινόν) für Vieles, das dieser Idee unterzuordnen ist. Die Annahme von Ideen ergibt sich für Plato notwendigerweise, da nur sie eine Erkenntnis des Wahren ermöglichen. Denn die sinnliche Wahrnehmung bezieht sich stets auf Wechselndes, von dem nicht einheitlich erkannt werden kann, was es ist, wohl 14

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Diese Kritik führt Plato in den Spätdialogen Parmenides und Sophistes durch. Zu einigen Einwänden gegen die Ideenlehre vgl. Anm. 19 (Argument des .dritten Menschen') und Anm. 24 (zur Modifikation der Lehre im Spätdialog Sophistes). - Die folgende Skizzierung seiner Ideenlehre sei jedoch auf den 'mittleren Plato' (Phaidon, Politeia) beschränkt. Vgl. hierzu J. Derbolav, op. cit. [Einleitung, Anm. 3]; D. Ross, Plato's Theory of Ideas, Oxford 1951.

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aber in der Idee, der gleichbleibenden Einheit für viele Zustände oder Gegenstände. Offenbar haben für Plato bei der Konzeption seiner Ideenlehre epistemologische Gründe eine zentrale Rolle gespielt. Die Idee, die das, was etwas ist, in seinem An-sich-Sein ausmacht, antwortet auf die Was-ist-Frage, indem sie die Einheit für Vieles und daher Allgemeinheit angibt (Politeia VI, 507b). Aus dieser epistemologischen Bedeutung der Platonischen Idee als Allgemeines und daher wissenschaftliche Erkenntnis Ermöglichendes ergeben sich weitere Grundbestimmungen der Idee: Sie ist (2) das Seiende selbst. Dieses An-sich-Seiende, das Seiende als solches (το ôv καθ' αύτό), ist das Wassein oder das Wesen. Denn nicht das sinnlich Wahrnehmbare, das vielfältig wechselt, macht dasjenige aus, was etwas ist (τό τί έστι), sondern nur das, was als ein identisches Eines und Allgemeines (1) gefaßt wird. Die Idee als das wesentliche Wassein von etwas gilt demnach als eigentlich und an sich Seiendes. So ist z.B. ein Tisch nicht aufgrund seiner zufälligen sinnlichen Beschaffenheiten, die sich ebensogut auch ändern können, ein Seiendes von bestimmter Art; vielmehr ist dieser Gegenstand Tisch aufgrund derjenigen Einheit und Allgemeinheit, die für alle Tische gilt. Denn diese erweist sich jeweils als identisches Wesen oder Wassein gegenüber allen sinnlichen ständig sich verändernden Zufälligkeiten. Das, was an einem Tisch tatsächlich Bestand hat und existiert - die Idee des Tisches, d.h. das ihm Einheit gewährleistende Tischsein - macht diesen Gegenstand erst zu dem, was er ist. Ein solches Sein nennt Plato Ousia oder „das auf seiende Weise Seiende" (τό όντως öv, Phaidr. 247e; Politeia X, 596b, 597d). Die Idee ist also dasjenige, was eigentlich ist, was etwas wesentlich ist. Darin liegt ihre ontologische Bedeutung. Jede Idee fungiert somit als Wesen oder Wassein von etwas, als dessen An-sich-Sein und gilt demgemäß als Ousia. Daraus ergibt sich: Was eigentlich existiert, ist dasjenige, was über Ousia verfugt. Dieses Einheitliche und Allgemeine ist nach Plato das eigentlich und an sich Seiende. Als solches kommt der Idee auch eine bestimmte Seinsart zu: Die Idee ist (3) das beständig Bleibende, das identisch Beharrliche gegenüber dem vielfältigen Wechsel des Sinnlich-Wahrnehmbaren, das immer zu etwas Anderem wird, und bei dem nie etwas Beständiges, Wesenhaftes auszumachen ist. An dieser Seinsweise der Ousia, der Beständigkeit, wird auch die Wendung der Ideenlehre gegen die Herakliteer und die Sophisten deutlich, nach deren Ansicht es ja nichts Beständiges gebe, alles 'im Fluß', d.h. in Bewegung und Veränderung begriffen und infolgedessen auch nichts erkennbar sei. Demgegenüber folgt die Ideenlehre des mittleren Plato dem Parmenideischen Eleatismus, nach welchem dasjenige, was ist, beständig ist und sich nicht verändert; sie folgt somit der entsprechenden Auffassung über die Seinsart der Ousia: Das eigentlich Seiende - dasjenige, was an sich ist und sich als Ousia erweist - ist das unveränderlich Gleichbleibende (vgl. Phaid. 78d, Politeia VI, 484b, 485b). Diese Beständigkeit kommt also der Idee als Wesen und An-sich-Sein von et-

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie

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was zu, ergibt sich unmittelbar aus der epistemologischen und ontologischen Bedeutung der Idee und unterstreicht, daß die Ermöglichung dauerhafter, wesenhafter Erkenntnis der Hauptgrund für Piatos Annahme von Ideen ist. Denn als ein Allgemeines (1) erweist sich die Idee als das wissenschaftlich Erkennbare, als Gegenstand der Wissenschaft im eigentlichen Sinne. Die Idee ist (4) das rein Gedachte (νοητόν). Denn nur das Denken kann die Idee als ein Identisches für Vieles, d.h. das Wesen in Beständigkeit erfassen und somit etwas erkennen. Gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung, die nur das für sich genommen völlig einheitslose Vielfältige kennt, ist die der Idee als rein Gedachtem angemessene Vorstellungsweise das Denken, und zwar des Erfassenden (νους)16. Die höchste Idee - nach den drei Gleichnissen der Politela die Idee des Guten - begründet im Bereich des Denkbaren nicht nur die Zusammenstimmung von Denken und Gedachtem im Licht der Wahrheit, sondern auch das eigentliche An-sich-Sein des Erkannten, das wahrhaft Seiende, das wesentliche, in der Idee gedachte Sein, die Ousia. Die ontologische Bedeutung der Idee des Guten, jener obersten und an Dignität ausgezeichneten Idee, liegt darin, daß durch sie die Ideen als reine Gedanken zugleich die Bedeutung haben, das eigentliche, wesentliche Seiende von etwas auszumachen. Somit fungiert die Idee des Guten als Ursache (αιτία) im Sinne eines konstituierenden Grundes für die anderen Ideen und ragt daher noch über deren jeweiliges wesentliches Sein, d.h. über die Ousia, hinaus, die den spezifisch ontologischen Charakter einer Idee und das spezifische Sein bzw. die Seinsart dessen, was eigentlich und an sich ist, ausmacht. Die Idee des Guten besteht noch jenseits der Ousia (έπέκεινα της ουσίας, Politela VI, 509b), weil sie überhaupt erst das Sein und das Beständigsein dessen, was in der Idee erkannt wird, ermöglicht. Wenn aber die Ideen sich aufgrund ihrer ontologischen Auszeichnung als Ousiai erweisen, wenn sie erkannt werden, dann kann das Gute, da es diese An-sich-Seienden als deren voraussetzungsloser Ursprung (άρχή άνυπόθετος, Politeia VI, 510b) zusätzlich noch einmal übersteigt, nicht in demselben Sinn eine Idee sein wie die anderen Ideen. Denn das Gute als solches konstituiert ja erst deren jeweiliges bestimmtes Wassein. Damit wird es aber noch schwieriger, ein solches Prinzip anzugeben17. 16

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Daher sagt Aristoteles in De an. III 4 durchaus Platonisch, der Nous sei der „Ort der Ideen" (τόπος ειδών, 429a27f.). Vgl. hierzu K. Bormann, Piaton, Freiburg/Mtlnchen 1973, M987, 3 1993, 50. Das vieldiskutierte Problem der .ungeschriebenen Lehre' Piatos sei hier nur benannt: Sie geht davon aus, daß er - anders als in den Dialogen - in der Spätzeit eine Prinzipienlehre vertreten habe, in der das Gute als sachlich Bestimmend-Bestimmtes (κέρας) aufgefaßt wird, das eine fest umgrenzte Einheit (ëv) bildet, wobei aber dasjenige vorausgesetzt wird, wovon es sich abgrenzt, nämlich die unbestimmte Zweiheit (άόριστος δυάς) des Zuviel und Zuwenig. Damit ergeben sich zwei Prinzipien, auf die alles zurückgeführt wird. Das Eine bezeichnet Plotin (Erm. VI, 9, 6, 40) später als das Gute im ausgezeichneten Sinn, als Urquell alles Seins, das Über-Gute, jenseits des Guten. Vgl. hierzu H. Reiner, „Gut/Das Gute" I, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, hrsg. von J. Ritter, Darmstadt 1974, 937-946, hier: 942. Es sei auch verwiesen auf H. J. Krämer, Arete bei Piaton und Aristoteles.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

Jene Transzendenz des Guten hat Plato in der Politela nicht weiter ausgeführt. Im Spätdialog Philebos (64d-66d) hat er sich des Gedankens einer Idee des Guten (ιδέα του αγαθού) enthalten. Hier wird das Gute nicht mehr als Idee bestimmt, sondern stellt sich als Einheit von Schönheit (κάλλος), Maßbestimmtheit (συμμετρία) und Wahrheit (άλήθεια) dar. Das Gute liegt noch dahinter, und indem sich Schönheit, Maßbestimmtheit und Wahrheit gewissermaßen 'davorschieben', ist es für uns nicht faßbar und entzieht sich somit der Untersuchung. Die Idee wurde oben in einer Bestimmung auch als das rein Gedachte bezeichnet. Es stellt sich dann allerdings die Frage, worin denn das Verhältnis der Ideen als rein intelligibler Entitäten zu den sinnlich wahrnehmbaren Dingen bestehen soll, deren Wassein sie ausmachen. Plato nennt die Ideen als das eigentlich und wesentlich Seiende, das erkannt wird, Urbilder (παραδείγματα) für das Aussehen und für die Beschaffenheit der sinnenfälligen Dinge als deren 'Abbilder'. Denn sie spiegeln ein derartiges Sein lediglich wider und hängen daher von jenen 'Urbildern' notwendigerweise ab. Wenn diese als Ideen - wie dargelegt - reine Gedankeninhalte sind, dann kann die Rede von ihrem Urbildcharakter eigentlich nur metaphorisch verstanden werden, da wir Urbilder ja nur aus dem Bereich der Sinnlichkeit kennen. Man muß das Verhältnis der Ideen zu den Sinnendingen also auf andere Weise charakterisieren, und zwar mit Hilfe des Begriffes der Teilhabe (μέθεξις): Nach Plato haben die sinnlich wahrnehmbaren Dinge an den Ideen dadurch teil {Phaid. 100c-d), daß jenen bestimmte Eigenschaften in spezifischer Weise zukommen, die in der Idee allgemein und wesentlich gedacht werden. Die Einzeldinge sind also dasjenige, was sie eigentlich und an sich sind, erst aufgrund ihrer Teilhabe an den jeweiligen Ideen. Daß man an den stetig sich verändernden Sinnendingen überhaupt etwas erkennen kann, beruht darauf, daß sie an den allgemeinen, einheitlichen, eigentlich und an sich seienden, immer gleich bleibenden, d.h. unveränderlichen und rein gedachten Ideen partizipieren. In diesem Sinne versteht Plato die Ideen auch als Ursachen (αντίαι) für das Sosein der einzelnen Sinnendinge {Phaid. 99b, 100c-d, 101c), d.h. für deren wesentliche Bestimmung und spezifische Beschaffenheit. Der Begriff .Ursache' ist hier allerdings nicht im Sinne kausal-mechanischer Wirksamkeit aufzufassen, sondern als konstituierende Möglichkeitsbedingung für die Gestalt und das AusZum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie, in: Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Nr. 6, Heidelberg 1959, Amsterdam M967, 159-243; K. Gaiser, Piatons ungeschriebene Lehre. Studien zur systematischen und geschichtlichen Begründung der Wissenschaften in der Platonischen Schule, Stuttgart 1963, M968, mit einer Zusammenstellung aller Testimonien (443-557); und auf den Sammelband Das Problem der ungeschriebenen Lehre Piatons. Beiträge zum Verständnis der Platonischen Prinzipienphilosophie, hrsg. von J. Wippem (Wege der Forschung 186), Darmstadt 1972. Zur Forschungsgeschichte der angeschriebenen Lehre' vgl. zusammenfassend: H. J. Kramer, Piatons ungeschriebene Lehre, in: Piaton: Seine Dialoge in der Sicht neuer Forschungen, hrsg. von Th. Kobusch und B. Mojsisch, Darmstadt 1996,249-275, hier: 273ff.

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie

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sehen der Sinnendinge. Die Bestimmung des Verhältnisses von Idee und Einzelding als ein Teilhabe-Verhältnis erweist sich offenbar nicht als metaphorisch, so daß sich auf diese Weise jenes streng genommen nur metaphorisch zu verstehende Urbild-Abbild-Verhältnis von Idee und Einzelding durchaus originär begrifflich fassen läßt. Der Begriff der 'Teilhabe' grenzt einerseits Ideen und sinnenfällige Einzeldinge voneinander ab, bezieht sie aber andererseits auch aufeinander. Dies wird für die im folgenden zu skizzierende Kritik des Aristoteles an der Ideenlehre von besonderer Bedeutung sein. Aristoteles hat Piatos Ideenkonzeption, die einen ontologischen Vorrang der Ideen als Universalien gegenüber den einzelnen Sinnendingen lehrt, mehrfach heftig und explizit kritisiert18: Die Ideen (εί'δη) seien „leere Worte, poetische Metaphern, eine sinnlose Verdopplung der Welt" (Met. A 9, 992b22ff.). Der Hauptvorwurf des Aristoteles besteht darin, daß es eine scharfe Trennung, eine 'Kluft' (χωρισμός) zwischen den Ideen und den einzelnen Sinnendingen gebe, da jene unabhängig von diesen für sich existierten. Die Ideen könnten auch nicht Ursachen der bewegten bzw. sich bewegenden Einzeldinge sein, sondern seien vielmehr von diesen getrennt und trügen deshalb ebensowenig zu deren Erkenntnis bzw. zum Verständnis des Werdens und Vergehens unserer Welt bei und seien daher überflüssig. Die Platonischen Ideen könnten, da sie den Einzeldingen nicht immanent sind, auch nicht die Ousia der Dinge erklären und seien infolgedessen auch nicht Ousia im eigentlichen Sinne. Man könne nämlich nicht davon ausgehen, daß die Idee ein An-sich-Seiendes sei und ein wirklich existierendes Wassein habe. Denn die Ideen existierten in einer eigenen Welt, die von der Sinnenwelt unterschieden ist, auf welche jene keinerlei Bezug hätten; jedenfalls könne man das nicht nachweisen, und versuche man dies dennoch, ergebe sich das Problem des .dritten Menschen' (990b 15ff.). Auf dieses Argument des ,dritten Menschen' wird häufig nur verwiesen (vgl. Soph. El. 22, 178b36-179al0, Met. Ζ 13, 1039a2f.), da Aristoteles es offenbar als bekannt und nicht weiter erklärungsbedürftig voraussetzen konnte. Seine eigene Version 19 im zweiten Buch seiner verlorenen Frühschrift Περί

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Diese Kritik findet sich durchgehend in den unterschiedlichen Entstehungsphasen der Aristotelischen Schriften. Vgl. z.B. Met. A 9; M 4-5; Ζ 14-16; NE 14, EE I 8. Vgl. hierzu z.B. P. Wilpert, Das Argument des .dritten Menschen', in: Philologus 94, 1940, 5164. - Zu diesem Einwand gegen die Ideenlehre gibt es in der Forschung zwei Debatten: Die von Wilpert resümierte erste Debatte ist eher historisch ausgerichtet und wurde von K. v. Fritz (Die Ideenlehre des Eudoxos von Knidos und ihr Verhältnis zur platonischen Ideenlehre, in: Philologus 82,1927,1-26, hier: 25f.) besonders propagiert; sie untersucht die Herkunft des Arguments und unterscheidet verschiedene Versionen. Die zweite Debatte hat sich vom historischen Kontext gelöst und ist zum Selbstläufer geworden; sie ist logisch-systematisch ausgerichtet und wurde von G. Vlastos (The Third Man Argument in the Parmenides, in: Philosophical Review 63, 1954, 319-349, ND in: Studies in Plato's Metaphysics, hrsg. von R. E. Allen, London/New York 1965, 231-263; vgl. ders., Plato's Third Man Argument, in: Philosophical Quarterly 77, 1969, 289-301) begründet, der im Rekurs auf Piatos Parmenides aufgrund jenes dort erörterten Arguments dessen Ideenlehre ftir widerlegt

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I. Die frühe Ontotogie des Aristoteles in der Kategorienschrift

ιδεών ist für uns durch den Kommentar des Alexander von Aphrodisias zu Met. A 9 (In Met. 83, 34 - 85, 12) faßbar, der vier verschiedene Versionen des Arguments nennt, von denen er eine dem Eudemos zuschreibt, eine andere anonymen Sophisten, die dritte dem Polyxenos 20 , die letzte schließlich Aristoteles 21 , der das Argument wie folgt verwendet habe: Die Idee 'Mensch', der nach Plato unabhängige Existenz zukommt, und die das Wassein der einzelnen Menschen ausmacht, kann sich auf die vielen individuellen Einzelmenschen nur vermittels eines ihnen Gemeinsamen beziehen, des dritten Menschen. Dieser Beziehungsbegriff müßte dann ebenfalls existieren. Sie alle zusammen unterstehen einer weiteren, sie zusammenfassenden gemeinsamen Idee des vierten Menschen etc. in infinitum. Nie kommt eine wahre, wirkliche Beziehung zwischen der einheitlichen Idee 'Mensch' und den vielen individuellen Einzelmenschen zustande. Denn die Trennung zwischen Idee und Einzelding ist durch keine Beziehung überbrückbar. Dieses Argument hielt Aristoteles fllr beweiskräftig. Dasselbe Argument hat Plato jedoch am Beispiel der Größe im ersten Teil des Parmenides (13 la-d, 132a-b) erörtert: Von vielen großen Dingen wird gesagt, daß sie groß sind, da sie an der Idee der Größe teilhaben. Faßt man nun die großen Dinge und die Idee der Größe zusammen, ergibt sich, daß allen dasjenige Wassein gemeinsam ist, das ihre Beziehung ermöglicht, nämlich eine Größe dritter Ordnung, allen diesen wiederum als deren gemeinsames Wassein eine Größe vierter Ordnung usw. in infinitum. Das Argument trifft allerdings Piatos genuine Theorie überhaupt nicht. Denn der eigentliche Fehler in diesem schon von Plato diskutierten und von Aristoteles aufgenommenen Argument liegt darin, daß Sinnendinge und Ideen als gleichwertig in eine Reihe gestellt, als zu einer Ordnung und derselben Ebene gehörig behandelt werden: Viele Menschen unterstehen der Idee 'Mensch', die Einzelmenschen und die Idee 'Mensch' ihrerseits der höheren Idee des ihnen Gemeinsamen, des dritten Menschen usf. Die in diesem Argument stets vorausgesetzte Gleichrangigkeit von Dingen und Ideen verstößt aber gegen Piatos Ideenlehre, nach der Idee und konkretes Einzelding nicht zu demselben Seinsbereich, sondern gerade zu verschiedenen Seinsbereichen gehören 22 . Wenn auch

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hält, obwohl Plato weiterhin an der notwendigen Annahme von Ideen festhält (vgl. Parm. 135c). Vgl. auch die folgenden Erörterungen. Einen ForschungsUberblick zum .dritten Menschen' sowie zur Selbstprädikations-Annahme (Mensch ist Mensch) und zur Nichtidentitäts-These (Sokrates ist ein Mensch), die hier nur genannt seien, gibt R.-P. Haegler, Piatons Parmenides. Probleme der Interpretation (Quellen und Studien zur Philosophie 18), Berlin/New York 1983,9-76. Vgl. hierzu auch C. Baeumker, Über den Sophisten Polyxenos, in: Rheinisches Museum 34, 1879, 64-83, hier: 73. Vgl. É. de Stiycker, Aristote, critique de Piaton, in: L'Antiquité Classique 18, 1949, 95-107, dt. in: Aristoteles in der neueren Forschung, hrsg. von P. Moraux (Wege der Forschung 61), Darmstadt 1968, 193-211, hier: 203f. Vgl. I. Düring, „Aristoteles", in: RE Suppl. XI, Stuttgart 1968,159-338, hier: 305.

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie

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ein Ähnlichkeitsverhältnis zwischen Idee und Einzelding besteht, nämlich aufgrund der Teilhabe des Einzeldings an der Idee als dem paradigmatischen, an sich und eigentlich Seienden, so gilt diese Ähnlichkeit nicht zugleich auch umgekehrt: Denn der Seinscharakter der Idee ist von demjenigen des sinnlichen Einzelnen völlig verschieden23. Man kann die einzelnen Sinnendinge und die Ideen nicht auf eine Stufe stellen, da die Ideen - wie oben dargelegt - vielmehr als unmittelbare Ursachen für das Sosein der Einzeldinge, d.h. als deren allgemeine Erklärungsgründe fungieren (vgl. Politeia VI, 508e, VII, 517b). Daher ist ein gemeinsames Drittes als Beziehungsbegriff von Ideen und Dingen gar nicht notwendig, da die Einzeldinge aufgrund ihrer Teilhabe an den Ideen in ontologischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht bereits auf diese bezogen sind. Infolgedessen erörtert Plato dasselbe Argument auch im Parmenides, ohne jedoch dadurch veranlaßt zu sein, die Ideenlehre grundlegend revidieren24 oder gar aufgeben zu müssen. Also folgt aus jenen Einwänden gegen sie für Plato keineswegs eine Widerlegung seiner Lehre. Vielmehr hält er nach der Diskussion weiterer Einwände gegen die Annahme von Ideen weiterhin an deren notwendiger Existenz fest: „Aber wenn man keine Ideen annimmt, wohin soll man den Verstand dann wenden? Nirgends wohin wohl, wenn wir keine Ideen haben." (Parm. 135b-c) Die Ideen-Kritik des Aristoteles ist somit nicht gerechtfertigt, da sie unter der grundlegenden Voraussetzung seiner Chorismos-These erfolgt, d.h. daß es eine 'Kluft' (χωρισμός) zwischen Sinnendingen und Ideen gebe und das Einzelwesen von seiner, von ihm unabhängigen Idee getrennt sei. Aristoteles hat auf diese Weise die genuin Platonische Lehre aus ihrem Zusammenhang gelöst und dabei stets seine eigene Eidos- bzw. Ousia-Lehre zugrunde gelegt25, die sich an der Struktur der einfachen Aussage orientiert, in der das Eidos an der Prädikatstelle steht und somit nicht letztes Subjekt, d.h. kein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) sein kann. Das Eidos muß sich vielmehr als ein Allgemeines jeweils notwendig auf ein Einzelnes, ihm Zugrundeliegendes beziehen, das dann als Ousia im eigentlichen Sinne zu gelten hat (vgl. Cat. 5). Nur unter der Voraussetzung dieser Aristotelischen Eidos-Konzeption werden der konkrete Gegenstand und die Idee - verstanden als ein selbständig für sich Existierendes und damit 23 24

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Vgl. C. Arpe, Das Argument ΤΡΙΤΟΣ ΑΝΘΡΩΠΟΣ, in: Hermes 76,1941, 171-207, hier: 205. Nur in einem wichtigen Punkt ändert Plato seine Lehre: Die oben genannte Kennzeichnung der Idee als das beständig Gleichbleibende, d.h. die Beständigkeit als Seinsart der Ousia, kritisiert er im Spätdialog Sophistes und schreibt sie den „Ideenfreunden" (vgl. Soph. 248a) zu, fllr die das eigentlich Seiende insofern beständig sei, als es sich stets in Ruhe (στάσις) befinde. Es muß jedoch auch innerhalb der bisher als statisch dargestellten Ideenwelt Bewegung geben, nämlich eine intellektuelle Erkenntnisbewegung als Erkenntnisprozeß, d.h. als Erkennen und Erkanntwerden der Ideen. - Zur Kritik an den „Ideenfreunden" und zu den Interpretationsalternativen (Ideenbewegung-Seelenbewegung) vgl. H.-E. Pester, Piatons bewegte Usia (Klassisch-Philologische Studien 38), Wiesbaden 1971. Vgl. hierzu H. Cherniss, op. cit. [Einleitung, Anm. 9], 81, 206-220; É. de Strycker, op. cit. [Anm. 21], 210.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

als bestimmtes Einzelwesen, nämlich als Ousia im Aristotelischen Sinne (vgl. Kap. 12-4) - tatsächlich auf eine Stufe gestellt, nicht aber gemäß Piatos eigener Lehre26. Diese grenzt vielmehr die beiden Seinsbereiche ausdrücklich voneinander ab: einerseits die Ideen als Ursachen für das Sosein der Einzeldinge, andererseits die Einzeldinge, die nur aufgrund ihrer Teilhabe an den Ideen diesen ähnlich sind, nicht aber umgekehrt. Neben dem Einwand des ,dritten Menschen' und dem 'Chorismos-Vorwurf, die sich gegen die Annahme von Ideen schlechthin richten, hat Aristoteles in der Nikomachischen Ethik und der Eudemischen Ethik gerade auch die Idee des Guten scharf kritisiert: Das Gute werde in allen Kategorien ausgesagt (NE 14, 1096 al9ff.; EE I 8, 1217b27-34)27: Es wird in der ersten Kategorie, der Ousia, einem Menschen oder einem Gott (θεός) attribuiert (vgl. Met. Ζ 1, 1028a 18), findet sich aber ebenso in der Kategorie des Qualitativen (1028a28f.) und des Quantitativen. Das Gute wird also nicht schlechthin der Ousia oder einer bestimmten akzidentellen Kategorie zugeschrieben, sondern hat in jeder Kategorie eine je verschiedene Bedeutung. Es kann sich bei dem Guten daher nach Aristoteles im Unterschied zu Plato - nicht um eine identische, inhaltlich einheitliche Idee handeln. Ein allem gemeinsames Eidos des Guten - etwa in einer akademischen Prinzipienlehre, nach der alles Seiende letztlich von zwei obersten Prinzipien abgeleitet wird28 - ist für ihn somit unmöglich. Denn die einzelnen Kategorien können ja gerade nicht aufeinander zurückgeführt werden, da sie bereits selbst die obersten Gattungen des Seienden darstellen. Dieser kategorialen Einheit kommt somit nur analoger Charakter zu, sofern das Gute wie auch das Seiende in Bezug auf Eines (προς εν), auf ein Primäres als seine jeweilige Grundbedeutung hingeordnet ist (vgl. Met. Ζ 1, Γ 2). Daran wird die transformierte Ontologie-Konzeption des Aristoteles gegenüber jener ontologischen Auszeichnung einer Idee des Guten in Piatos Politela deutlich, die noch jenseits der Ousia (έπέκεινα της ουσίας, Politeia VI, 509b) als voraussetzungsloser Ursprung (άρχή άνυπόθετος, Politeia VI, 510b) betrachtet wird. Für Aristoteles ist das Gute - wie das Seiende - offenbar nicht auf eine bestimmte Kategorie begrenzt oder auf sie zurückführbar, sei es im Sinne einer obersten, alle anderen Ideen erst ermöglichenden Idee oder als ein akademisches Prinzip (oder mehrere), auf das alles Seiende letztlich zurückführbar ist. Das 26 27

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Vgl. de Strycker, op. cit. [Anm. 21], 204. Vgl. hieizu H. Flashar, Die Kritik der platonischen Ideenlehre in der Ethik des Aristoteles, in: Synusia, Festgabe für W. Schadewaldt, hrsg. von H. Flashar und K. Gaiser, Pfullingen 1965, 223-246; zur Parallelstelle in EE I 8 vgl. F. Dirlmeier, Eudemische Ethik, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 7, hrsg. von E. Grumach, Darmstadt 1962, Berlin 41984, 194218; E. Berti, Multiplité et Unité du Bien selon EE I 8, in: Untersuchungen zur Eudemischen Ethik, Akten des 5. Symposium Aristotelicum, hrsg. von P. Moraux und D. Harlfinger (Peripatoi 1), Berlin 1971, 157-184; und G. Verbeke, La critique des Idées dans l'Ethique Eudemienne, in: Untersuchungen zur Eudemischen Ethik, Akten des 5. Symposium Aristotelicum, hrsg. von P. Moraux und D. Harlfinger (Peripatoi 1), Berlin 1971,135-156. Zum Problem der .ungeschriebenen Lehre' vgl. Anm. 17.

5. Implizite Transformation der Platonischen Ontologie

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Gute und das Seiende finden sich vielmehr in allen Kategorien (vgl. Met. Δ 7). Die Kritik des Aristoteles an der Idee des Guten ist daher eine Quelle für die im Mittelalter entwickelte Lehre von den Transzendentalien, d.h. von denjenigen ersten, grundlegenden Begriffen, welche die Kategorien in ihrer Allgemeinheit noch .übersteigen' (transcendentia), allem Seienden zukommen und somit in allen Kategorien aussagbar sind. Zu diesen allgemeinsten Begriffen, den .Gemeinsamsten' (communissima)29, gehören neben dem Seienden (ens) das Eine (unum), welches mit dem Seienden konvertibel ist30 (vgl. Met. Γ 2, 1003b3134), das Wahre (verum, vgl. Met. α 1, 993b23ff.) und das Gute (bonum). Zu den Hauptmerkmalen der Transzendentalien zählt neben ihrer gegenseitigen Konvertibilität auch, daß sie koextensiv und gemäß ihrem Träger (secundum suppositum) identisch sind; sie beziehen sich also auf dasselbe Seiende, unterscheiden sich aber hinsichtlich ihres Sinngehaltes (secundum rationem), indem die anderen transcendentia dem Seienden (ens) als erstem transcendens jeweils eine inhaltliche Bestimmung hinzufügen, die in diesem nur implizit enthalten, aber noch nicht expliziert ist. Die mittelalterliche Transzendentalienlehre ist in einigen Punkten bei Aristoteles in einer allgemeinen, für alles Seiende geltenden Ontologie präfiguriert31 und wird im Hinblick auf das Gute, das aufgrund seiner kategorial je verschiedenen Bedeutungen keine einheitliche Idee sein kann, im Kontext einer Kritik an der Platonischen Idee des Guten expliziert. Nach der Skizzierung der Platonischen Ideenlehre und der Darlegung einiger Einwände, die gegen sie erhoben wurden, soll nun in einem der Ousia-Konzeptionen aufgezeigt werden, inwieweit der Ousia-Begriff des Aristoteles in der frühen Ontologie der Kategorienschrift sich von demjenigen Piatos unterscheidet.

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Zu den Transzendentalien als communissima vgl. Philippus Cancellarius, Summa de bono, prologus, q. 3, hrsg. von N. Wicki, Bern 1985, 17,30. Eine systematische Ableitung dieser Doktrin findet sich in Thomas von Aquins De veritate (Von der Wahrheit. Quaestio I. Ausgewählt, Ubersetzt und hrsg. von A. Zimmermann, Hamburg 1986), q. 1, 1. - Vgl. hieizu bes. J. A. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalteis 52), Leiden/New York/Köln 1996,17-23. - Zu den Transzendentalien als eigentümlichem Gegenstand der Metaphysik in den Aristoteles-Kommentaren des 13. Jahrhunderts vgl. Kap. V 4-5. Zur Konvertibilität von Seiendem und Einem vgl. L. Oeing-Hanhoff, Ens et unum convertuntur. Stellung und Gehalt des Grundsatzes in der Philosophie des hl. Thomas von Aquin (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 37,3), Münster 1953. Vgl. hierzu K. Barthlein, Die Transzendentalienlehre der alten Ontologie I: Die Transzendentalienlehre im Corpus Aristotelicum, Berlin/New York 1972; H. Seidl, Die aristotelischen Quellen zur Transzendentalien-Aufstellung bei Thomas von Aquin, De veritate, q. 1, a. 1, in: Philosophisches Jahrbuch 80, 1973, 166-171.

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I. Die frühe Ontotogie des Aristoteles in der Kategorienschrift 6. Ousia nach Plato und Aristoteles

Wie im einzelnen dargelegt, behält die Ousia auch für Aristoteles diejenige leitende Bedeutung des Seienden bei, die ihr Plato zuschreibt: Sie erweist sich als dasjenige, was eigentlich und an sich existiert. Dies ist für Plato die Idee als ein Allgemeines; bei Aristoteles hingegen gilt als erste Ousia kein Allgemeines, sondern das numerisch eine, unteilbare, bestimmte Einzelwesen. Diese von Aristoteles ontologisch ausgezeichnete Entität wäre nach Plato überhaupt nicht oder allenfalls auf defiziente Weise seiend, nämlich qua Teilhabe an den an sich und in eigentlicher Weise seienden Ideen. Denn dasjenige, was wirklich und wahrhaft seiend ist (τό όντως öv, Phaidr. 247e, Politela X, 597d) - d.h. die Idee (ιδέα, είδος) - erweist sich in Aristoteles' früher Ontologie lediglich als zweite Ousia, die notwendig ein Einzelnes, also eine erste Ousia, voraussetzt, von der als logisch-grammatisch Zugrundeliegendem jene aussagbar ist. Ebenso erfordern alle weiteren Bestimmungen des Seienden (Kategorien) als Prädikate ein Subjekt, von dem sie abhängen, und zwar nicht nur logisch-grammatisch, sondern vor allem ontologisch, d.h. ihrem Sein nach. Da die zweiten Ousiai als Universalien für Aristoteles nicht selbständig und an sich existieren können wie die vorauszusetzenden ersten Ousiai, kommt jenen auch kein Ousia-Charakter im eigentlichsten und ursprünglichsten Sinne zu. In der am kategorischen Urteil orientierten Ontologie-Konzeption der Kategorienschrift steht offenbar eine implizite Plato-Kritik im Hintergrund. Denn von der Konzeption Piatos her betrachtet, wären Aristoteles' zweite Ousiai - die Eide und Gene - die einzigen Ousiai, wobei letzteren, weil sie allgemeiner und umfassender sind, ein höherer ontologischer Status zukommt als den Eide. Immerhin subsumiert Aristoteles die Gattungen in der Kategorienschrift noch unter die zweiten Ousiai, während sie in den Untersuchungen der Ersten Philosophie {Met. Z) zwar als mögliche Ousia-Kandidaten thematisiert werden, jedoch letztlich als Universalien explizit entsubstantialisiert werden {Met. Ζ 13, vgl. Kap. IV). Die Ontologie-Konzeptionen von Plato und Aristoteles weisen demnach folgende Gemeinsamkeiten auf: (1) Die Verwendung des ontologischen Zentralterminus der Ousia (2) Die These, daß im Unterschied zum konkreten Einzelwesen nur das Allgemeine, Notwendige und Unveränderliche Gegenstand der Wissenschaft bzw. der wissenschaftlichen Erkenntnis sein kann. (3) Ein jeweils ontologisch herausragendes Seiendes: In Piatos Politeia ist dieses ontologisch Ausgezeichnete die Idee des Guten, jene höchste, absolut transzendente Idee, sogar noch jenseits des an sich und eigentlich Seienden,jenseits der Ousia (έπέκεινα της ουσίας, Politeia VI, 509b). Auf die Veränderung dieser Lehre im Philebos wurde bereits verwiesen.

7. Zusammenfassung der frühen Ontologie des Aristoteles

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Aristoteles schreibt hingegen diese ontologische Dignität dem göttlichen Nous zu, dem ersten, selbst unbewegten Beweger als rein eidetisch bestimmte, völlig immaterielle und aufgrund der Tätigkeit - der Noesis Noeseos - vollkommenste Ousia, auf die alles andere Seiende hingeordnet ist (vgl. Kap. V zu Met. Λ).

7. Zusammenfassung der frühen Ontologie des Aristoteles Die frühe Ontologie-Konzeption des Aristoteles steht in einem urteilslogischen Kontext, in dem erste und zweite Ousiai erörtert werden, da die Bedeutungen des Seienden nach Weisen, ,ist' zu sagen, bestimmt werden. Zunächst bezeichnet Aristoteles die erste Ousia rein negativ, und zwar logisch-grammatisch als dasjenige, „was weder von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird noch an einem Zugrundeliegenden ist" {Cat. 5, 2al0ff.). Die erste Ousia ist vielmehr stets das Zugrundeliegende (ύποκείμενον) in einem einfachen Urteil und kann als solches nie als Prädikat, sondern immer nur als Subjekt der Prädikationen fungieren. Auf diese Weise ermöglicht sie erst das Aussagen (κατηγορείν) überhaupt, d.h. sie stellt die konstitutive Möglichkeitsbedingung für die Prädikabilität der übrigen Kategorien bzw. alles anderen Seienden dar. In ontologischer Hinsicht ist die erste Ousia ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), das namentlich benennbar, ein Unteilbares (ατομον) und numerisch Eines (άριθμφ εν) ist. Als Beispiele dienen stets aus Stoff und Form bestehende, also zusammengesetzte Ganzheiten. Diesen kommt ontologische Priorität zu, denn „wären die ersten Ousiai nicht, so könnte unmöglich von allem übrigen etwas sein" (Cat. 5, 2b5f.). Von der ersten Ousia werden die Arten und Gattungen als 'zweite Ousiai' ausgesagt. Beide Ousia-Arten sind jeweils wechselseitig aufeinander bezogen, da die zweiten Ousiai als Wesensprädikate die Wasbestimmtheit der ersten Ousia zum Ausdruck bringen. Ohne diese wäre die erste Ousia kein bestimmtes Einzelwesen mehr - und somit auch nicht mehr primäre Ousia - , sondern letztlich lediglich unbestimmte Materie. Die zweite Ousia erweist sich jedoch im Unterschied zur ersten Ousia nicht als ein bestimmtes Einzelwesen, als ein Unteilbares und numerisch Eines, sondern als ein Allgemeines, das sich als solches immer auf mehrere Dinge beziehen muß, von denen es prädiziert wird (Cat. 5, 3bl5ff.) 32 . Unter den zweiten Ousiai sind die Eide umfangsärmer, somit spezifischer bzw. bestimmender und daher 'näher' an der ersten Ousia als die Gene. Die ontologische Bedeutung des Eidos (Genos) liegt darin, daß es das wesentliche Wassein eines wirklich existierenden Einzelwesens ausmacht, d.h. dasZum Eidos, das als Allgemeines vom rein Qualitativen in der Kategorienschrift als neues Moment gegenüber der Topik abgegrenzt wird, vgl. Anm. 11, auch im Hinblick auf die Definitionslehre von Mei. Ζ 12.

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I. Die frühe Ontologie des Aristoteles in der Kategorienschrift

jenige ist, wodurch dieses erst ist, was es ist, mit ihm jedoch nicht entsteht und vergeht, sondern ewig fortdauert und somit überzeitlich ist. Denn die Eide erhalten sich über viele Generationen von Individuen, beziehen sich demnach auf viele Dinge. Sie existieren allerdings nicht für sich in einer Ideenwelt rein intelligibler Entitäten (κόσμος νοητός) - am 'Ideenhimmel', wie Plato im Phaidros (247c) metaphorisch formuliert - , sondern nur in den entsprechend geprägten Einzeldingen, wie in Met. Ζ näher erörtert wird (vgl. Kap. III 3-4), und nicht getrennt - wie Aristoteles es Piatos Ideen vorwirft - von den Einzeldingen, auf die sie in der Prädikation bezogen sind und deren jeweiliges wesentliches Wassein sie angeben. Die das gesamte Corpus Aristotelicum durchziehende explizite Kritik an der Ideenlehre Piatos zeichnet sich bereits implizit in der frühen Ousia-Lehre der Kategorienschrift ab, welche die Platonische Ontologie-Konzeption grundlegend transformiert: Die Gattungen - bei Plato höchste Ideen (etwa die μέγιστα γένη, vgl. Soph. 254d ff.) oder auch konkretere Ideen - werden ontologisch abgewertet zugunsten des konkreten Individuums, das nach Plato lediglich qua Teilhabe an der Idee als dem „wahrhaft Seienden" erst seiend genannt wird: Erste Ousia ist bei Aristoteles also nicht mehr das Allgemeine; gleichwohl bleibt auch bei ihm eine gewisse Subsumtion der Universalien unter die Ousia, d.h. unter das an sich und eigentlich Seiende erhalten, wenn auch nur als zweite Ousiai (δεύτεραι ούσίαι), welche jeweils notwendigerweise erste Ousiai in ontologischer und epistemologischer Hinsicht voraussetzen. Die skizzierte frühe Ousia-Lehre der Kategorienschrift bestimmte lange Zeit das Bild der Aristotelischen Ontologie schlechthin. In der Spätantike galt sie als Programmschrift und autoritative Schulschrift und erlangte als Logica vetus mit De interpretatione und der Isagoge des Porphyrius eine zentrale Bedeutung für die Geschichte der Philosophie33. Erst mit der Aristoteles-Rezeption im 12. und 13. Jahrhundert wurden wesentliche Teile des Corpus Aristotelicum (Physik, Metaphysik, Ethik), besonders die Ousia-Lehre der Metaphysik, über die Vermittlung der arabischen Kommentatoren (Avicenna, Averroes) dem lateinischen Westen zugänglich gemacht. Im 19. Jahrhundert hat man - abgesehen von Hegel und seinen Schülern - Aristoteles' Philosophie weitgehend als .Realismus' bzw. Empirismus gekennzeichnet gegenüber dem Platonischen ,Idealismus'. Wie zu Beginn der Untersuchung bereits angedeutet (vgl. Einleitung), ist Aristoteles' Ousia-Lehre offenbar Wandlungen unterworfen, da in Met. Ζ etwas anderes behauptet wird als in der Kategorienschrift, weshalb deren Authentizität gerade in der älteren Forschung stark angezweifelt, bisweilen sogar ausdrücklich bestritten wurde34: Nach der Kategorienschrift ist dasjenige, was eigentlich 33

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Vgl. hierzu I. Düring, Von Aristoteles bis Leibniz, in: Antike und Abendland 4, 1954, 118-154, ND in: Aristoteles in der neueren Forschung, hrsg. von P. Moraux (Wege der Forschung 61), Darmstadt 1968, 250-313, hier: 304. Vgl. hierzu auch Einleitung, Anm. 11; zur Interpretation von H. Schmitz, der die Unechtheit der Kategorienschrift endgültig nachgewiesen zu haben beansprucht, vgl. Einleitung, Anm. 37.

7. Zusammenfassung der frühen Ontologie des Aristoteles

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existiert, das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), während das Eidos in diesem urteilslogischen Kontext lediglich als zweite Ousia betrachtet wird. In Met. Ζ bestimmt Aristoteles hingegen das Eidos als erste Ousia (Met. Ζ 7, 1032bIf.), jedoch nicht das Eidos im begrifflich-definitorischen Kontext, in dem es immer ein Allgemeines sein muß, das gemäß Met. Ζ 13 wiederum nicht Ousia sein kann. Das Eidos gilt als erste Ousia vielmehr nur, sofern es die Essenz des jeweiligen Einzelnen (τί ήν είναι έκάστου), d.h. dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein ausmacht. Dabei darf es von dem jeweiligen Einzelnen nicht getrennt werden, sondern muß ihm notwendigerweise immanent sein (είδος tò ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29). Bei rein eidetisch bestimmten Entitäten (Met. Ζ 6, vgl. Kap. III 3-4) koinzidieren Essenz und Einzelwesen sogar. Es wird im folgenden zu zeigen sein, ob die erörterten Ousia-Bestimmungen bzw. die Kriterien der frühen Ousia-Lehre, wie sie in der Kategorienschrift dargelegt ist, für die Untersuchungen der ,Ersten Philosophie' (πρώτη φιλοσοφία)35 ausreichen, oder ob die Ousia-Konzeption aufgrund einer neuen, tiefer gehenden Fragestellung und anderen Blickrichtung gegebenenfalls modifiziert36 und differenziert werden muß, zumal diese Wissenschaft nicht ausschließlich die aus Stoff und Form bestehenden Ousiai (vgl. Met. Λ 1) thematisiert - wie es die Beispiele für erste Ousiai in der Kategorienschrift nahelegen - , sondern auch Ousiai im Sinne von reinen, nicht-inkorporierten und somit immateriellen Eide einschließt (vgl. Met. Λ 7-10).

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Mit 'Erster Philosophie' (πρώτη φιλοσοφία) bezeichnet Aristoteles (vgl. z.B. Met. E 1, 1026 alò, Κ 4, 1061bl9, Phys. I 9, 191a36, De caelo I 8, 277bl0) die Wissenschaft, die sowohl das Seiende als Seiendes (tò ôv f¡ öv) und was ihm als solchem zukommt (Met. Γ 1, 1003a30f.) als auch das unbewegte, unstoffliche, unvergängliche, unveränderliche und daher vollkommene Seiende (Met. E 1, Λ 6-10) untersucht, also eine Wissenschaft, die gleichermaßen Ontologie und Theologie ist. G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], XXVII; 43; 336) bestimmt diese Wissenschaft auch als „usiologia", „aitiologia" und „archeologia" (zum systematischen Problem der Ursache vgl. Kap. IV 5 zu Met. Ζ 17), weil sie eine Lehre von den ersten Ursachen und Prinzipien der Dinge (Met. A 2, 982b9) ebenso umfaßt wie die Lehre von der Ousia, die zunächst ούσίαι αίσθηταί erörtert, dann Uber die unvergänglichen Ousiai bis zum absolut immateriellen 'unbewegten Beweger' (Met. Λ 6-10) gelangt - Die Problematik dieser unterschiedlichen Bestimmungen der Ersten Philosophie wird in Kap. V 5 erörtert. Als Übergangsphase von der Kategorienschrift zur 'reifen' Ousia-Konzeption der Metaphysik betrachten W. Detel (Metaphysik und Wissenschaftstheorie bei Aristoteles, in: Internationale Zeitschrift fllr Philosophie 7, 1998, 199-229) und D. Charles (Matter and Form: Unity, Persistence, and Identity, in: Unity, Identity, and Explanation in Aristotle's Metaphysics, hrsg. von D. Charles, M. L. Gill und Th. Scaltsas, Oxford 1994, 75-105) die Analytica posteriora mit ihrer , Wissenschaftslehre'.

II. Ousia als πολλαχως λεγόμενον in Metaphysik Δ 8 1. Metaphysik' als Terminus und die Gestalt des Textes Bevor die Ousia-Bestimmungen von Met. Δ 8 untersucht werden, sei eine Bemerkung zum Terminus .Metaphysik' vorausgeschickt, da mit dem Ursprung dieser Bezeichnung auch der Charakter und der sprachliche Stil des vorliegenden Textes in engem Zusammenhang steht und verständlich wird. Aristoteles selbst hat keine Schrift unter dem Titel .Metaphysik' veröffentlicht. Vielmehr ist ,τά μετά τά φυσικά' die Bezeichnung des Andronikos von Rhodos, der um 70 v. Chr. die Aristoteles-Schriften ordnete und herausgab, für diejenige Gruppe, die ,hinter' (μετά) den Schriften zur Physik stehen, also den Büchern „Über die Natur" ,nach'-geordnet sind1. ,Metaphysik' ist also eine Bibliotheksbezeichnung2, die sich bereits bei Nicolaus Damascenus (1. Jh. v. Chr.) findet3. Der Terminus wurde dann später inhaltlich von den spätantiken griechischen Aristoteles-Kommentatoren - besonders von Simplicius - platonisierend gefüllt als Bezeichnung für die ,Wissenschaft von den ersten Ursachen', deren Begründungsinteresse ,über' (υπέρ) die Natur hinausgeht4, und deren Gegenstände jenseits' der Gegenstände der Physik (έπέκεινα των φυσικών) liegen5. Seither 1

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Vgl. U. Wolf, Einleitung, in: Dies., op. cit. [Einleitung, Anm. 1], 9-23, hier: 9f.; ausführlicher handelt darüber H. Flashar, Aristoteles, in: Grundriß der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Überweg, Die Philosophie der Antike III: Ältere Akademie, Aristoteles, Peripatos, hrsg. von H. Flashar, Basel/Stuttgart 1983,175-457, hier: 256. Vgl. hierzu H. Reiner, Die Lehre vom bibliothekarischen Ursprung des Namens Metaphysik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 9,1955, 77-99. Vgl. hierzu J.-H. Königshausen, Ursprung und Thema von Erster Wissenschaft. Die aristotelische Entwicklung des Problems, Amsterdam/Atlanta 1989, 40; und H. Reiner, Die Entstehung und ursprüngliche Bedeutung des Namens Metaphysik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 8, 1954,210-237, ND in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Dannstadt 1969, 2 1979, 139-174, der herausarbeitet, daß jene Bezeichnung der Ordnung und dem Fortschritt des menschlichen Erkenntnisprozesses korrespondiert, nämlich vom 'für uns Bekannteren' zum 'an sich Bekannteren'. Vgl. L. Oeing-Hanhoff, „Metaphysik" IV, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, hrsg. von J. Ritter und K. Gründer, Basel/Stuttgart 1980, 1217-1226; und Ph. Merlan, Metaphysik: Name und Gegenstand, in: Journal of Hellenic Studies 77, 1957, 87-92, ND in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969, 2 1979,251-265, ND in: Ders., Kleine philosophische Schriften, hrsg. von F. Merlan (Collectanea 20), Hildesheim/New York 1976, 189-194. Simplicius, In Aristotelis Categorías Commentarium, hrsg. von C. Kalbfleisch (CAG VIII), Berlin 1907,1,17-21. Vgl. hierzu auch K. Kremer, Der Metaphysikbegriff in den Aristoteles-Kommentaren der Ammonius-Schule (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 39,1), Münster 1961.

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

wird ,Metaphysik' auch als Disziplin verstanden6. Aristoteles selbst nennt diese theoretische Wissenschaft 'Erste Philosophie' (πρώτη φιλοσοφία, vgl. Met. E 1, 1026al5ff.; Κ 4, 1061Ò19; Phys. I 9, 191a36)7, und zwar unterschieden von der Physik als 'Zweiter Philosophie' {Met. Ζ 11, 1037al5; De part. anim. II 7, 653a9) und der Mathematik. Die Textgestalt der Metaphysik ähnelt häufig unveröffentlichten Vorlesungsmanuskripten, die neben eigenen Erörterungen ebenso die Ansichten der philosophischen Tradition und zeitgenössische Lehrmeinungen (Plato und die ,Platoniker' der Akademie) einschließen. Die Texte dienten vor allem Unterrichtszwecken und wurden wohl ständig mit Zusätzen und Nachträgen überarbeitet und verbessert. Die Metaphysik liegt also nicht in Form einer endgültigen, in sich einheitlichen Abhandlung vor, die zur Veröffentlichung bestimmt war, sondern ist als Text nicht abgeschlossen und systematisch nicht abgerundet8, so daß Inkonzinitäten oder Widersprüche immer möglich sind9. Bei der Ausgabe des Andronikos wurden offenbar Varianten oder frühere Fassungen trotz verbesserter späterer Versionen mitberücksichtigt und gingen auf diese Weise ins Corpus Aristotelicum ein10. Die sprachliche Gestaltung des bisweilen knappen, notizartigen Textes legt nahe, daß Aristoteles an bestimmten Fragen längere Zeit gearbeitet und aufgrund systemimmanenter Probleme über verschiedenartige Ansätze und unterschiedliche Lösungen reflektiert hat11. Somit läßt sich der Text von Aristoteles' Metaphysik12 als Vorlesungsmanuskripte kennzeichnen, die teilweise Reflexionen-Charakter13 aufweisen. 6

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Die Schulphilosophie unterschied eine metaphysica generalis von einer metaphysial specialis: Erstere wird auch als 'Ontologie' bezeichnet, die nach dem 'Seienden als Seienden' fragt, letztere u.a. als Theologie. Zur Anwendung dieser Termini auf Aristoteles' Metaphysik vgl. K. Brinkmann, op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 51-60,206-217. Zum Terminus vgl. Kap. I, Anm. 35. - Dem vieldiskutierten Problem der Aristotelischen .Ersten Philosophie' liegt der Unterschied zwischen einer universalistischen und einer paradigmatischen Ontologie zugrunde, vgl. hierzu K. Dtlsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 61f., 91f., sowie die Darlegungen in Kap. V 5. Den unfertigen Charakter des Textes der Metaphysik hat vor allem W. Jaeger (Studien zur Entstehungsgeschichte der Metaphysik des Aristoteles, Berlin 1912, 131-148) herausgestellt und damit die im 19. Jahrhundert vorherrschende Ansicht von einem geschlossenen System des Aristoteles verdrängt. Die aporetische Deutung (vgl. Einleitung) hat besonders die inhaltlichen Widersprüche des Textes hervorgehoben. D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], X) bezeichnet die Metaphysik als „work in progress", um auf diese Weise die Disharmonien im Gedankengang plausibel zu machen. - Nach H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, XV) befinden sich große Teile „in flickenteppichartigem Zustand". Daß dies aber auf „Zeitmangel des Verfassers" zurückzuführen ist, dem es nicht anders möglich war, „im Drang seiner Vorhaben... neue Gedanken liegengebliebenen alteren Entwürfen aufzupfropfen", ist ebenso unbefriedigend wie die angebliche Absicht des Aristoteles, „durch Wiederholung alterer Ausarbeitungen sich die Werbung von Hörem und Anhängern in akademischen Kreisen zu erleichtern." Vgl. J. L. Ackrill, Aristotle the Philosopher, Oxford 1981, dt.: Aristoteles. Eine Einführung in sein Philosophieren, Berlin/New York 1985,11. A. Graeser, op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 210. Als griechischer Text sei die Edition von W. Jaeger (Metaphysica. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit, Oxford 1957) herangezogen, als deutsche Übersetzung die neue Ausgabe

1. .Metaphysik' als Terminus und die Gestalt des Textes

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Met. Δ - ein 'Lexikon der philosophischen Terminologie' - listet Ausdrücke mit mehrfacher Bedeutung (πολλαχώς λεγόμενα) auf14, die zwar jeweils mit demselben Namen (όνομα) bezeichnet, aber durch verschiedene Sinngehalte (λόγοι) bestimmt werden. Nachdem Aristoteles in Met. Δ 7 das Seiende (τό öv) in vier Bedeutungen15 differenziert und schließlich das an sich Seiende (TO ÔV καθ' αύτό) gemäß den Formen der Kategorien - also das kategorial bestimmte Seiende - als wichtigste Bedeutung des Seienden herausgestellt hat, wird in Met. Δ 8, die erste der Kategorien, die Ousia16, wiederum in ihren verschiedenen Bedeutungen aufgelistet und auf diese Weise das Seiende weiter spezifiziert17. Die Ousia ist also ebenfalls ein πολλαχώς λεγόμενον, und findet sich daher in jenem 'Buch der Definitionen' {Met. Δ)18. Da die Ousia auch in der Kategorienschrift als der grundlegende, zentrale Begriff des Seienden fungiert, von dem alle anderen Kategorien als Prädikate abhängen, gründet offenbar Aristoteles' Ontologie in der prinzipiellen Bedeutung der Ousia19. Die folgenden Erörterungen zur Ousia-Lehre der Metaphysik stehen unter der übergeordneten Leitfrage, ob die ontologischen Bestimmungen der Katego-

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der Bonitz-Übersetzung von U. Wolf (op. cit. [Einleitung, Anm. 1]), in der die griechischen Fachtermini beibehalten werden. In Seidls Neubearbeitung (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) liegt der griechische Text noch in der alten Edition von W. Christ (Leipzig 188S) vor. Aber in Abgrenzung von Kants Reflexionen zu Baumgartens Metaphysik (op. cit. [Kap. I, Anm. 12), die thesenartig und ohne Zusammenhang aneinandergereiht sind. Vgl. I. Kant, Reflexionen zur Metaphysik, in: Gesammelte Werke, Bd. XVII-XVIII, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin/Leipzig 1926-1928. H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 375) erklärt, daß sich die „Bedeutungsanalysen der Begriffe in voller inhaltlicher Übereinstimmung mit ihrem Gebrauch in den als spät geltenden SubstanzbUchern befinden." Dies wird sich jedoch in Met. Ζ durch verschiedene Einschränkungen und Differenzierungen der in Met. Δ 8 aufgelisteten Ousiai als problematisch erweisen. Met. Δ 7, 1017a7ff.: (1) τό ôv κατά συμβεβηκός, (2) τό ôv καθ' αύτό gemäß den Formen der Kategorien, (3) τό öv im Sinne des Wahrseins (αληθές, 1017a31ff.) oder Falschseins, (4) τό ôv der Möglichkeit (δυνάμει) und der Vollendung nach (έντελεχεία, 1017bl). In Met. E 2, 1026b3ff., wird die erste Bedeutung des Seienden und in Met. E 4, 1027bl7ff., die dritte Bedeutung - das Seiende im Sinne des Wahr- oder Falsch-Seins - erörtert und aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen (1028al-3); in Met. Θ 10 wird die letztere aber wieder aufgenommen. H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]), W. Bröcker (Aristoteles (Philosophische Abhandlungen 1), Frankfurt a.M. 1935,31964,51987, 113,241) und H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 11) übersetzen Ousia mit 'Wesen', was jedoch auch nur das .begriffliche Wesen' von etwas meinen könnte und daher unklar bleibt. Zu dieser Spezifikation des kategorialen Seienden auf die erste Kategorie vgl. auch Met. Γ 2. Denn τό ôv bezeichnet als solches nicht nur die Ousia, sondern auch die akzidentellen Bestimmungen (vgl. Met. Ζ 1, 1028al0-13). Vgl. I. Düring, op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 593: Dieses 'Lexikon' wurde vermutlich immer wieder revidiert, so daß es sowohl Stücke der Frühzeit als auch der Spätzeit enthält. Daher wird auch die alte Frage der Philosophie „Was ist das Seiende?" zugespitzt auf die Frage „Was ist die Ousia?" {Met. Ζ 1, 1028b2ff.). Durch die Bestimmung der 'Ersten Philosophie' als „Usiologie" haben z.B. G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36]) und W. Marx (Einführung in Aristoteles' Theorie vom Seienden, Freiburg 1972, 12,30, 36ff.) die Ousia ins Zentrum der Metaphysik gestellt; vgl. auch die programmatische Eröffnung von Met. Λ 1, 1069al8: „Περί της ουσίας ή θεωρία."

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II. Ousia als π ο λ λ α χ ώ ς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

rienschrifi zur ersten Ousia (vgl. Kap. I) auch innerhalb der 'Ersten Philosophie' ausreichen oder ob sie gegebenenfalls und modifiziert werden müssen. 2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8 In Met. Δ 8 20 werden vier Ousia-Bedeutungen summarisch aufgezählt: (1) (2)

Das Zugrundeliegende (υποκείμενοv) Die immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) eines Zugrundeliegenden

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Der konstitutive Bestandteil eines Ganzen Die Essenz (το τί ήν είναι)

Diese Bedeutungen fassen jedoch nicht unbedingt Aristoteles' eigene Theorie zusammen und antizipieren auch keine Lösungen21, sondern repräsentieren den damaligen philosophischen Sprachgebrauch des Ousia-Begriffs und rekurrieren - dies wird besonders in den Beispielen deutlich - auf andere Theorien, die sich allerdings nicht immer eindeutig zuordnen lassen22.

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Obwohl Met. A 8 aufgrund der vier Ousia-Bedeutungen, die schließlich in zwei Hauptbedeutungen zusammengefaßt werden, das .Programm' für die Ousia-Lehre der .Substanz-Bücher' (Met. Ζ-Θ) enthalt, wurde dieses Kapitel von der Forschung eher vernachlässigt. Neben dem kurzen Artikel von R. Polansky (Aristotle's Treatment of Ousia in Metaphysics Δ 8, in: Southern Journal of Philosophy 21, 1983, 57-66) ist lediglich auf die großen Metaphysik-Kommentare zu verweisen, die zudem häufig nur Parallelstellen angeben oder sich eher philologischen Fragen und bestimmten Konjekturen oder Textvarianten widmen. Vgl. z.B. Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 898-905), H. Bonitz (Commentarius in Aristotelis Metaphysica, Bonn 1849, ND Hildesheim 1992,242fT.), A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], III, 214-217), D. Ross (Aristotle's Metaphysics. A revised text with introduction and commentary, 2 Bde., Oxford 1924, M953,1,309ff.), G. Reale (Aristotele, La Metafisica·. Saggio introduttivo, testo greco con traduzione a franto e commentario, 3 Bde. (Studi e testi 23-25), Neapel 1968, Mailand M993, III, 233-236), J. Tricot (op. cit. [Kap. I, Anm. 4], I, XXIIIf., 273f.), H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 386ff.) und Chr. A. Kirwan (Aristotle's Metaphysics, Books Γ, Δ, and E. Translated with notes, Oxford 1971, M993, 147ffi). Die Bemerkungen zu Met. Δ 8 sind jeweils recht knapp. Vgl. aber den ausschließlich Met. A erörternden Kommentar von M P. Duminil und A. Jaulin (Aristote. Métaphysique V, Toulouse 1991,187-192). G. Reale, op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 326. Auf ähnliche Weise werden in Met. Ζ 2 - jedoch stärker historisch akzentuiert - verschiedene Ansichten darüber referiert, was als Ousia gelte (1028b8-27). Vgl. hierzu die in Anm. 20 genannten Kommentare sowie: Notes on Book Ζ of Aristotle's Metaphysics. Record of a seminar held in London 1975, hrsg. von M. Burnyeat, Oxford 1979, 7-11; H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1,43fT.), D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 69f., 83f.) und M. Frede/ G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 26-32). Während in Met. Ζ 2 die Ousia-Bestimmungen als mögliche Ansichten (anderer) explizit ausgewiesen sind, werden in Met. A 8 die eigene Theorie des Aristoteles und die Konzeptionen der philosophischen Tradition oder zeitgenössische Lehrmeinungen der Akademie nicht konsequent unterschieden. Daher ist es für die Darlegungen zu Met. A 8 hilfreich, die Darlegungen von Met. Ζ 2 mitzuberücksichtigen.

2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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a) Das Zugrundeliegende (ύποκείμενον) Die erste Ousia-Bedeutung kommt den einfachen Körpern zu (άπλα σώματα), die jeweils nur aus einem Stoff bestehen - wie Erde, Feuer, Wasser, d.h. den Elementen23 (vgl. Met. A 3, 984a5-16, Η 1, 1042a7-ll) - , dann Körpern überhaupt - damit sind die bereits geformten, komplexen Körper gemeint24 außerdem den aus diesen bestehenden Lebewesen sowie den halbgöttlichen Wesen (δαιμόνια) 25 und deren Teilen26 {Met. Δ 8, 1017bl0-13). Jene Ousiai haben 23

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Die Elemente gehen nach Aristoteles aus der Hyle als solcher in ständigem Kreislauf hervor. Aufgrund ihrer Qualitäten sind sie unterschieden, jedoch zugleich umwandlungsfilhig. Denn sie können ineinander übergehen (vgl. De gen. et corr. II 3, 330b3ff.). Aus diesen Qualitäten entstehen durch Mischung aus gleichartigen Teilen zusammengesetzte Körper (z.B. Gold, Holz, Knochen, Fleisch), aus diesen wiederum die aus ungleichartigen Teilen zusammengesetzten Substanzen. Die unorganischen Stoffe (Bronze, Öl, Rauch) werden dann zu organischen (Blut, Fleisch, Knochen), aus diesen die Organe und schließlich das ganze Lebewesen (De part. anim. I 1, 640al2-bl2, De caelo I 2, 268b27). Vgl. hierzu C. Baeumker, Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie. Eine historisch-kritische Untersuchung, Münster 1890, ND Frankfurt a.M. 1963,242ff. Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 898) führt als Beispiele dieser „corpora mixta" Stein, Blut, und Fleisch an. Denn sie weisen bereits eine körperliche Zusammensetzung auf und bestehen als Mischungen der Elemente aus diesen, sind aber nicht mit ihnen identisch. Im Text steht lediglich δαιμόνια. So erklärt auch Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 898) zunächst die übliche Wortbedeutung: „δαιμόνια, id est idola, quae in templis posita colebantur pro diis", d.h. im Sinne von Halbgöttern. Sie seien aber „secundum Platónicos" gewisse, vernunftbegabte Lebewesen (rationabilia), die ewig sind, da für Plato der Daimon ein Zwischenwesen zwischen Unsterblichem und Sterblichem ist (z.B. der Eros in Symp. 202d). Übersetzt man δαιμόνια mit „die göttlichen Dinge, die Himmelskörper" (H. Bonitz, op. cit. [Anm. 20], H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], oder G. Reale, op. cit. [Anm. 20], III, 233: „i corpi celesti"), ist nur der erste Teil eine Wiedergabe des Griechischen, der zweite Teil hingegen eine Erläuterung dessen, was unter δαιμόνια zu verstehen sei. Bereits Alexander von Aphrodisias (In Aristotelis Metaphysial Commentarla, hrsg. von M. Hayduck (CAG I), Berlin 1891, ND 1960,373, 8) identifiziert die δαιμόνια mit den Gestirnen oder himmlischen Körpern (333, 19). Diese werden auch in Met. Ζ 2 neben Sonne und Mond als .Teile' des Himmels bezeichnet (1028bl2). Jene Himmelskörper (als Teile des Universums) bestehen jedoch nicht aus den vier Elementen, sondern aus einem fünften, dem Äther, dessen Natur darin besteht, um das Zentrum herum zu bewegen (Vgl. D. Bostock, op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 69). Er fungiert als .Materie' der Ousiai der supralunaren Welt; daher kommt ihm Unvergänglichkeit zu. Zur Äther-Lehre im Corpus Aristotelicum vgl. Kap. V 2. Unklar bleibt die These von H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,1,43), die göttlichen Ousiai seien „bloße Elementengemische"; damit beabsichtigt er allerdings den Nachweis, daß nicht alle Ousia-Bestimmungen Aristotelisch sein müssen, was in der Tat zutrifft. Welche Teile nun Ousiai sind, ist mißverständlich, weil dieser Ausdruck sich entweder auf alle bisher genannten Entitäten beziehen kann oder nur auf die letztgenannten δαιμόνια. Nach Aristoteles dürfen jedoch stofflose Ousiai (im Sinne von Met. Λ 8) nicht Uber Teile verfügen, die ihrerseits als Ousiai gelten sollen. Allenfalls kann man unter Hinzuziehung von Met. Ζ 2 (vgl. vorige Anm.) diese δαιμόνια als ,Teile' des Himmels auffassen, die als solche nach Met. Λ 8 durchaus Ousiai sein können. In Met. Ζ 2 werden zu den Ousiai neben den „Teilen des Himmels" auch Teile der Lebewesen - Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 898) nennt z.B. Hand und Fuß - und Pflanzen (1028b8ff.) sowie der .natürlichen Körper', d.h. der Elemente, gezählt, jedoch mit der Einschränkung: „Ob aber diese allein Ousiai sind oder auch andere oder von diesen nichts, sondern andere Wesenheiten sind, das ist zu untersuchen." (1028bl2-14) Bezieht man die 'Teile' auf alle vorigen Ousiai (so J. Tricot, op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 273) wie es Met. Ζ 2 nahelegt - ergibt sich das Problem, daß nach Met. Ζ 13 Ousiai nicht wiederum

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

die gemeinsame Bestimmung, daß sie nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt werden, sondern vielmehr das andere - d.h. die Akzidentien - von ihm (vgl. Met. A 3, 983b 10; Β 5, 1002a3; Γ 4, 1007a31ff.). Die oben genannten Entitäten gelten demnach als Ousiai, da sie jeweils letztes Substrat sind und nicht als Prädikate ausgesagt werden können, sondern als logisch-grammatisch Zugrundeliegende die Prädikabilität der übrigen Kategorien und damit Prädikationen überhaupt erst ermöglichen 27 . Daß Lebewesen Ousiai sind, lehrt Aristoteles ausdrücklich (vgl. Met. Ζ 2, 1028b8f.); sie dienen in der Kategorienschrift als Beispiele erster Ousiai - dieser bestimmte Mensch, dieses bestimmte Pferd 28 . In ontologischer Hinsicht sind die Lebewesen jeweils ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), das namentlich benennbar, ein Unteilbares und numerisch Eines ist (vgl. Kap. I). Unter die Ousiai subsumiert Aristoteles ebenso Körper bzw. Elemente. Auf diese Weise tritt in Met. Δ 8 ein physikalischer und ein kosmologisch-theologischer Aspekt hinzu. Denn die Elemente, die Aristoteles als Beispiele für „einfache Körper" (άπλα σώματα) anführt, betrachtet er deshalb als Ousiai, weil sie komplexen, bereits geformten Körpern als Grundbestandteile zugrunde liegen. Sie sind daher ,früher' als diese und insofern deren Substrate. Der Begriff des Zugrundeliegenden wird offenbar in der 'Ersten Philosophie', die der Physik noch vorgeordnet ist, erweitert um diejenigen Ousiai, die für andere zusammengesetzte Ousiai als konstitutive Bestandteile fungieren. Mit der Bestimmung der Elemente als Ousiai rekurriert Aristoteles implizit auf Konzeptionen der ionischen Naturphilosophen, die jeweils ein Element oder mehrere als ,Urstoff, d.h. als das allem anderen Seienden Zugrundeliegende bezeichneten 29 .

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aus Ousiai zusammengesetzt sein dürfen (1038b23ff.). - Daß nicht alle Ousia-Bestimmungen von Met. Δ 8 Aristoteles' eigener Lehre angehören, zeigen die Einschränkungen der Ousiai in Met. Ζ 16 und ihre Differenzierung in Met. Λ 1 (vgl. Kap. V 1). Zudem erweist sich die Unterscheidung der vier Ousia-Bedeutungen von Met. Δ 8 als nicht konsequent: Im folgenden wird nämlich als weitere Ousia-Bestimmung der konstitutive Bestandteil eines Ganzen aufgeführt (c), was hier (a) möglicherweise bereits impliziert ist und später durch Beispiele expliziert wird. Vgl. hierzu A. Pronay, Untersuchungen zum Hypokeimenon bei Aristoteles, Basel 1980, 129135. - Pronay faßt die Ousiai, die Zugrundeliegende sind, zusammen als „alles Nicht-Begriffliche, Konkret-Materielle". Dies trifft zwar auf einfache Körper zu, nicht aber auf Lebewesen und keineswegs auf δαιμόνια (vgl. Anm. 25). Denn es gibt in der Seinsordnung des Aristoteles (vgl. Kap. V 4) nicht nur stofflich-gefaßtes „Konkret-Materielles", sondern auch rein eidetisch bestimmte Ousiai. So stellt auch Thomas von Aquin fest (op. cit. [Einleitung, Anm. 26]): „Id est descriptio primae substantiae in praedicamentis", d.h. in der Kategorienschrift (Cat. 2, lb2-8; 5,2a34-b5). Vgl. zu deren Lehre Met. A 3, 983b20ff. [Thaies], 984a5ff. [Anaximenes], 984a8ff. [Empedokles], De gen. et corr. II 3, 330bl4 [Parmenides]. - An den Naturphilosophen hebt Aristoteles das Forschen nach einer letzten Ursache aller Dinge hervor, bemängelt aber, daß sie meist ein (oder mehrere) materielles Grundprinzip angeben. Die Hyle ist zwar auch für ihn dasjenige, das allem Seienden und jeder Veränderung als Beharrendes zugrunde liegt (vgl. Phys. 17,190al4f., 190b25). Dasjenige aber, welches die Sache erst zu dem macht, was sie ist, ist nicht der zugrunde liegende S t o f f - dieser ist vielmehr das, woraus etwas ist - , sondern das Eidos.

2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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Es ist kennzeichnend für die Methode des Stagiriten, als Ausgangspunkt für eigene Untersuchungen zunächst gängige Auffassungen der philosophischen Tradition zu problematisieren (vgl. Met. A 3, 983a33ff.; α 1, 993bl2ff.) und in seine Lehre zu integrieren. Diese erweist jene Ansichten entweder als unzulänglich - wenn sich nämlich Widersprüche aufzeigen lassen30 - oder unvollständig, d.h. noch der Weiterentwicklung bedürfend, die dann in der genuin Aristotelischen Konzeption besteht. Durch die Bestandsaufnahme jener hinreichend glaubwürdigen Ansichten (ένδοξα), welche die allgemein anerkannte Sichtweise widerspiegeln (vgl. Top. I 1, 100b21f.)31, ordnet sich Aristoteles in einer systematischen Auseinandersetzung mit seinen Vorgängern in die philosophische Tradition ein (De an. I, Phys. I, Met. A 3-10), erörtert die jeweiligen Konzeptionen jedoch stets von seiner Lehre her32 und im Spiegel der eigenen philosophischen Begrifflichkeit (z.B. ούσία, είδος, ϋλη, ύποκείμενον, δύναμις, ενέργεια). Diese doxographische Darstellung ist daher häufig irreführend33. Außer den einfachen und komplexen Körpern und den Lebewesen werden auch die halbgöttlichen Wesen (δαιμόνια) Ousiai genannt. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Gestirne bzw. Himmelskörper. Da sie immerwährend existieren, schreibt Aristoteles ihnen Göttlichkeit zu (θεία, Met. E 1, 1026al8; vgl. De caelo III 1, 298b29-32). Eine explizite Untersuchung solcher Ousiai wird in der Metaphysik mehrfach angekündigt - bisweilen hypothetisch34, liegt 30 31

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Vgl. A. Graeser, op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 208. Die ένδοξα geben nicht unbedingt Aristoteles' eigene Auffassung wieder. So werden Körper „am offenbarsten" Ousiai genannt (φανερώτατα, Met. Ζ 2, 1028Ò7), verstanden als allgemeiner consensus (H. Bonitz, op. cit. [Anm. 20], 295), als „common-sense-Meinung" (Notes on Book Z, hrsg. von M. Bumyeat, op. cit. [Anm. 22], 7) bzw. als dasjenige, worin am ehesten unter Philosophen Übereinstimmung herrscht (M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 27). - H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 102) betont an dieser Stelle das ,,δοκεΐ" (Met. Ζ 2,1028b8) und erklärt die genannten Ousiai für „Schein-Wesen". Denn Aristoteles sage nicht, daß sie tatsächlich Ousiai sind, dies seien am ehesten natürliche Wesen (Met. Λ 3,1070al8ff.). Ähnlich sieht auch Hegel in der Tradition - vor allem in der griechischen Antike - sein eigenes philosophisches System in Ansätzen präfiguriert. Dadurch wird seine Hochschätzung besonders gegenüber Plato und Aristoteles verständlich; jedoch deutet er deren Lehren spekulativ um und transformiert sie auf diese Weise. Vgl. zu Hegel und Aristoteles K. DUsing, Hegel und die Geschichte der Philosophie. Ontologie und Dialektik in Antike und Neuzeit (Erträge der Forschung 206), Darmstadt 1983,97-132; sowie ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 76ff. Vgl. H. Chemiss, Aristotle's Criticism of Presocratic Philosophy, Baltimore 1935, ND New York 1971. Vgl. z.B. Met. Ζ 2, 1028b28ff.: „Ob es gewisse Ousiai gibt außer den sinnlichen, und wie diese existieren, und ob es eine vollständig abtrennbare Ousia gibt und warum und wie, oder ob es keine gibt, dies müssen wir untersuchen, indem wir zuerst den Grundzügen nach bestimmen, was die Ousia ist." - Dabei muß noch die Frage, ob überhaupt Ousiai neben (παρά) den ούσίαι αισθητοί existieren, abgegrenzt werden von der Frage, ob eine ούσία χωριστή existiert, und wenn ja, auf welche Weise. Vgl. auch D. Ross, op. cit. [Anm. 20], II, 163; G. Reale, op. cit. [Anm. 20], III, 320f. Mit den Ansichten der Pythagoreer und Platoniker setzt sich Aristoteles kritisch in Met. M-N auseinander, seine eigene positive Lehre von einer ersten, nicht-sinnlichen Ousia findet sich in Met. Λ (H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 381), wo gezeigt wird, daß es unkörperliche Substanzen gibt (J. Tricot, op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 352) und eine erste, transzendente, vollkommenste Ousia, nämlich den 'unbewegten Beweger'.

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

allerdings in der urteilslogisch ausgerichteten Kategorienschrift außerhalb der Betrachtungen. Diese verwendet als Beispiele erster Ousiai meist vergängliche, konkrete Einzelwesen, die sich aus der Perspektive der Ersten Philosophie als zusammengesetzte Ousiai (συνθέται ούσίαι) erweisen. Inwieweit hier auch unstoffliche, rein eidetisch bestimmte Einzelwesen in der Ousia-Lehre explizit thematisiert werden, wird noch zu zeigen sein. Gemeinsam ist allen Entitäten, die Aristoteles in Met. Δ 8 bisher Ousiai nennt, daß sie nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Diese negative Charakterisierung der Ousia in einem urteilslogischen Kontext erinnert an die Bestimmung der ersten Ousia in der Kategorienschrift. In Met. Δ 8 wird also der Hypokeimenon-Charakter der Ousiai als logisch-grammatische Subjekte in kategorischen Urteilen beibehalten. Denn er ist das gemeinsame Kennzeichen aller oben erwähnten Ousiai, und zwar mit dem erläuternden Zusatz (1017b 14) „sondern vielmehr [wird] das andere von ihm [ausgesagt]." Damit sind nicht ausschließlich die zweiten Ousiai (Eide und Gene) im Sinne der Kategorienschrift gemeint, die allein von einer ersten Ousia (τόδε τι), einem bestimmten Einzelwesen, als deren Wesensbestimmung aussagbar sind. Vielmehr gilt dies ebenso für alle übrigen Kategorien, die lediglich ein Inhärenzverhältnis gegenüber einem ihnen Zugrundeliegenden zum Ausdruck bringen. Die Ousia erweist sich also auch in der Metaphysik für sämtliche Prädikationen schlechthin als logisch-grammatisches Subjekt, das diese überhaupt erst ermöglicht. Doch die genannten Beispiele legen es nahe, daß mit der Ousia als Zugrundeliegendem neben einem urteilslogischen Subjekt auch ein physikalisches oder kosmologisch-ontologisches Substrat gemeint sein kann. Denn die einfachen Körper zählen deswegen zu den Ousiai, weil sie als konstitutive Grundbestandteile komplexer Körper fungieren und diesen vorgeordnet sind und ihnen somit im physikalischen Sinne zugrunde liegen. Dasselbe gilt analog für die halbgöttlichen Wesen (δαιμόνια): Sie sind Ousiai, weil ihnen Unvergänglichkeit zukommt und sie in physikalischer Hinsicht sowie aufgrund ihrer höheren ontologischen Dignität den zusammengesetzten Ousiai als Konstituentien zugrunde liegen35. Denn sie existieren für sich, bedürfen keiner Träger, denen sie akzidentell inhärieren, sondern stellen vielmehr selbst jeweils ein selbständig existierendes bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) dar. Die Beispiele für die Bedeutung der Ousia als Hypokeimenon haben gezeigt, daß es hier primär um ein kosmologisch-ontologisches Zugrundeliegen bzw. um ein physikalisches Substrat geht und eher sekundär um das der Prädikation zu-

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In Met. Ζ wird vorwiegend die sinnlich-wahrnehmbarer Ousia (ουσία αισθητή) analysiert, deren Existenz niemand bezweifelt. Für G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 184f., 246) wird so die Beantwortung der Frage nach der Existenz einer ούσία χωριστή vorbereitet. Vgl. Kap. V 1 zum Verhältnis der drei in Met. Λ 1 (1069a30ff.) unterschiedenen Ousia-Arten.

2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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grundeliegende logisch-grammatische Subjekt36, wenn auch das Kriterium des Zugrundeliegens im Hinblick auf die Ousiai in Kategorienschrift und Metaphysik urteilslogisch formuliert ist. Offenbar sind ontologische und logisch-grammatische Hypokeimenon-Bedeutung bei Aristoteles nie voneinander zu trennen. Es ist bereits deutlich geworden, daß die Ousia-Bestimmungen in Met. Δ 8 sehr gedrängt und abbreviativ sind und meist nicht weiter erörtert werden, so daß sich auch deshalb systematische Unstimmigkeiten ergeben können37. Eine Hinsichtenunterscheidung hat Aristoteles für den Hypokeimenon-Begriff bei den verschiedenen Ousiai in Met. Δ 8 nicht vorgenommen. Daher kann man ihn nur zu anderen Stellen in Beziehung setzen und auf diese Weise versuchen, ihn je nach Kontext zu differenzieren. Die bisherigen Darlegungen haben bereits gezeigt, daß die Bezeichnung einer Sache als Ousia nicht schlechthin, notwendig und unbedingt Aristoteles' eigene Ansicht zum Ausdruck bringt38.

b) Die immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) eines Zugrundeliegenden Eine zweite Ousia-Bedeutung bildet die immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) desjenigen, das nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird (μή καθ' υποκειμένου λέγεται), d.h. eines Zugrundeliegenden. Hier geht es offenbar um eine wesentliche innewohnende Bestimmung, welche die Ursache des Seins39 von etwas ausmacht, und zwar jeweils von denjenigen Ousiai, deren Gemeinsamkeit ja darin besteht, nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt zu werden, sondern vielmehr alles andere von ihnen zu prädizieren.

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H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 386) betont zu Recht diese „Doppelbedeutung des Hypokeimenon." Das Substrat muß jedoch nicht nur stofflich aufgefaßt, sondern kann auch in kosmologisch-ontologischer Hinsicht gemeint sein. Vgl. z.B. Anm. 26 zum Problem der 'Teile'. An mehreren Stellen der Metaphysik (Met. Ζ 17, 1041b28ff.; Η 2, 1043a4-7; Η 3, 1043b21ff.; Λ 3, 1070a3f.) wird der Geltungsbereich der Ousia eingeschränkt: So werden in Met. Ζ 16 (1040 b3ff.) Entitäten, die in Met. Δ 8 als Ousiai bezeichnet werden - z.B. die Teile der Lebewesen und die Elemente - , nicht für Ousiai im primären Sinne, sondern lediglich „der Möglichkeit nach" für Ousiai (δυνάμει ούσίαι) gehalten. Nur die Lebewesen und Himmelskörper (vgl. De gen. et corr. II 1, 329a24ff.) erfüllen gleichermaßen alle drei Ousia-Kriterien (vgl. Kap. III) und gelten somit als Ousiai im primären und eigentlichen Sinne. Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26]) betont, daß diese causa essendi nicht extrinsisch als Wirkursache (causa efficiens) zu verstehen ist, sondern intrinsisch „ut forma". - Auch H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], 1,387) faßt die Ousia als den Seinsakt ermöglichende causa essendi auf. Diese ist nicht die Materie, sondern die Form als Bestimmendes, gemäß der These: forma dat esse rei. - H. Bonitz (op. cit. [Anm. 20], 243f.) und G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 118, 194,235) beschränken das Zugrundeliegende auf sinnenfällige Ousiai und sehen in der immanenten Seinsursache nur die causa formalis der sinnenfälligen Dinge, was jedoch der Ousia als Hypokeimenon (1) nur teilweise gerecht wird. Auch die angeführte Parallelstelle (Met. H 2, 1043a2: ουσία αιτία τοΰ είναι έκαστον) muß nicht nur auf συνθέται οϋσίαι bezogen werden, sondern aufjedes Einzelwesen.

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

Die Bedeutung der Ousia als immanente Seinsursache eines Zugrundeliegenden geht offenbar über die frühe Ontologie der Kategorienschrift hinaus, in der noch nicht Ursächlichkeitsverhältnisse thematisiert werden und die Analyse mit dem bestimmten Einzelnen als Unteilbarem und numerisch Einem ihren Abschluß findet. Die zuerst genannte Bestimmung der Ousia als Hypokeimenon wird also aufgenommen und spezifiziert zu der Ousia im Sinne einer immanenten Seinsursache (αϊτιον του είναι) dieses Zugrundeliegenden. Bei Aristoteles ist unter dem Begriff,Ursache' allerdings keine kausal-mechanische Wirksamkeit im Sinne eines Ursache-Wirkung-Verhältnisses zu verstehen, sondern eher ein konstituierender Ermöglichungsgrund, ähnlich wie in Piatos Phaidon (99b) die Ideen als αίτίαι für das Sosein der Sinnendinge fungieren (vgl. Kap. I 5). ,Ursache' meint somit die ontologische Möglichkeitsbedingung für das jeweils Zugrundeliegende 40 . Als Beispiel nennt Aristoteles die Seele in einem Lebewesen als dessen immanentes Lebensprinzip 41 (vgl. De an. II 1, 412al 1-22), d.h. die Ousia als Ursache für das Lebendigsein des Lebewesens 42 . Jene Immanenz der Seele in ihm darf jedoch nicht als bloß akzidentelles Inhärieren verstanden werden. Denn die Seele gewährleistet als innere Ursache ja erst das Lebendigsein jenes Zugrundeliegenden, welches in seiner Existenz von ihr als dem Leben konstituierenden Prinzip abhängt.

c) Konstitutiver Bestandteil eines Ganzen Eine dritte Ousia-Bedeutung kommt den Teilen eines Ganzen zu, welche es begrenzen (ορίζοντα) und als ,,τόδε τι" bezeichnen und mit deren Aufhebung das Ganze ebenfalls aufgehoben wäre (Met. Δ 8, 1017bl7f.). Jene erweisen sich als unentbehrliche, notwendige, konstitutive Bestandteile: So ist z.B. die Linie konstitutiv für die Fläche oder diese wiederum für den Körper. Hier dienen also Beispiele aus dem Bereich der Mathematik bzw. aus der Geometrie zur Verdeutlichung dieser Ousia-Bestimmung 43 . Aus der Sicht genuin Aristotelischer 40

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Vgl. zum 'αίτιον' und zur Vier-Ursachen-Lehre Met. A 3 (verweisend auf Phys. II 3, 194b23195b21) und Met. Δ 2 (1013a24-b3). Bei bestimmten natürlich Seienden (φύσει όντα) reduzieren sich die vier Ursachen jedoch auf zwei: causa materialis und causa formalis (vgl. Phys. II 7). - H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 519) Ubersetzt 'αίτιον' sachlich zutreffend mit „für etwas verantwortlich sein." - Die Bestimmung der Ousia als Seinsursache wird in Met. Ζ 17 näher erörtert. Vgl. hierzu und zum systematischen Problem der Ursache bei Aristoteles die Erörterungen in Kap. IV 5. Vgl. hierzu auch Met. Ζ 10 (1035bl4ff), wo die Seele - im Unterschied zu Plato - als Eidos und Essenz (τί ην είναι) des entsprechenden Körpers betrachtet wird. In Met. Ζ 11 wird sie als πρώτη ούσία bestimmt (1037a5). Vgl. zur Seelenlehre des Aristoteles, insbesondere zum Verhältnis von menschlichem und göttlichem Nous Kap. V 3. Auch für Plato ist die Seele das, wodurch ein Körper lebendig ist (Phaid. 105d, Phaidr. 245c). In Met. Ζ 2 werden auch die konstitutiven Bestandteile der Fläche oder des Körpers - wie Punkt, Linie oder Einheit-Ousiai genannt (1028bl6-18). G. Reale (op. cit. [Anm. 20], III, 319) sieht darin - wie bereits H. Bonitz (op. cit. [Anm. 20], 298) - rekurrierend auf Asklepios (In

2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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Lehre kann es sich hierbei im strengen Sinne gar nicht um Beispiele handeln, sondern eher um Analogien aus der Geometrie, da die Mathematik ja für Aristoteles keinen Bereich für Ousiai darstellt (vgl. Met. M 2, 1077a39, 1077bl4) und infolgedessen Mathematika allenfalls der Möglichkeit nach als Ousiai zu bezeichnen sind (vgl. Met. M 3, 1078a25-31). Offenbar wird bei dieser Ousia-Bedeutung auf bestimmte Konzeptionen der Akademie Bezug genommen, welche die Zahlen und die geometrischen Objekte aus letzten Prinzipien ableiten, und von denen sich der Stagirit explizit abgrenzt44. Dies zeigt wird auch an dem dritten mathematischen Beispiel, der Zahl, deutlich. Auch sie gilt „einigen" (τισι, Met. Δ 8, 1017b20) als konstitutiver Bestandteil eines Ganzen, und zwar alles Seienden, da „nach ihrer Aufhebung nichts sei und sie alles begrenze." Bei dieser Auffassung ist wohl einerseits an die Pythagoreer zu denken, vornehmlich aber an den Platoniker Speusipp, gemäß dessen Lehre das eigentlich und an sich Seiende, d.h. die Ousia, nicht die Idee, sondern die Zahl sei45. Xenokrates - ein weiterer, nicht namentlich genannter Platoniker - begreift die Zahlen und Ideen als wesentlich Eines (IdeenZahlen), infolgedessen als Ousiai und ordnet in Abhängigkeit von ihnen Linien, Himmel und Sinnliches an46. Jene impliziten Bezugnahmen auf andere Theorien haben gezeigt, daß darüber, was als Ousia zu gelten habe, die Ansichten auch innerhalb der Akademie offenbar weit auseinandergehen. Die Bestimmung der Ousia als immanenter konstitutiver Bestandteil eines Ganzen, d.h. als wesentlicher, unentbehrlicher

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Aristotelis Metaphysicorum Libros A-Z Commentarla, hrsg. von M. Hayduck (CAG VI 2), Berlin 1888, 379, 3) einen Hinweis auf die Pythagoreer und nicht - wie Alexander (op. cit. [Anm. 25], 428,16) - die Ansicht Piatos und die Auffassung der Platoniker. Denn von diesen Theorien sagt Aristoteles ausdrücklich, daß sie falsch seien (Met. Ν 3, 1090a30-35). Denn es heißt ausdrücklich: „wie einige behaupten" (ώς φασί τίνες; Met. Δ 8, 1017bl9). - In Met. Ζ 2 wird neben der Ansicht, daß nur sinnlich Wahrnehmbares Ousia sei - was auf die ionischen Naturphilosophen zutrifft, die nur ein materielles Erstes annahmen (oder mehrere), oder auf die älteren Atomisten - , Plato eine Ousia-Lehre zugeschrieben (1028bl6-21), die dessen Konzeption entstellt: Ousiai seien (a) Nichtsinnliches, d.h. die Ideen, (b) Mathematika, (c) sinnlich Wahrnehmbares. Letzteres trifft sicherlich nicht zu, denn dieses ist nach Plato Uberhaupt nicht seiend, geschweige denn Ousia, sondern allenfalls „werdend" (Tim. 28a), da es nicht unveränderlich besteht und in seinem Sosein an den Ideen nur teilhat. Nur Ideen (a) als Nichtsinnliches sind nach Plato Ousiai. Zur Ideenlehre und zur Kritik des Aristoteles vgl. Kap. I 5. Den Mathematika (b) kommt noch nicht die ontologische Dignität von Ideen zu; diese setzen höchstens Ideen voraus. Speusipp nimmt viele Ousiai bzw. Ousia-Arten an und setzt für jede Art besondere erste Prinzipien fest: für die Zahlen Einheit und Vielheit, für die Größen Punkt und einen der Vielheit ähnlichen Stoff. Vgl. zu Speusipp Met. Ζ 2, 1028b21-24; Λ 10, 1075b37; M 9, 1085a33f., 1086a25; Ν 1, 1087bl2ff.; Ν 3, 1090a25ff.; Ν 4, 1091a34, 1091b20-25; und vor allem L. Taran, Speusippus of Athens. A Critical Study with a Collection of the Related Texts and Commentary (Philosophia Antiqua 34), Leiden 1981,324ff. In Met. Ζ 2 (1028b25ff.) wird die Lehre eines hierarchischen Systems referiert, das bereits Asklepios (op. cit. [Anm. 43], 379, 17ff.) dem „Xenokrates und seiner Schule" zuschrieb (vgl. Met. M 1, 1076a20; M 6, 1080b22, 1080b28; M 9, 1086a5; Ν 3, 1090b28-31). Für Xenokrates ist das Eine - zusammen mit der unbestimmten Zweiheit - das Entstehungsprinzip der IdeenZahlen. Vgl. zu dieser Prinzipienlehre H. J. Krämer, op. cit. [Einleitung, Anm. 38], 131ff.

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II. Ousia als π ο λ λ α χ ώ ς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

Teil eines Zusammengesetzten, rekurriert auf die erste Bedeutung der Ousia als Zugrundeliegendes, was auch auf die Elemente zutrifft. Denn diese fungieren als konstitutive Bestandteile für komplexe Körper, die ohne jene nicht sein können. Trotz der Kritik des Aristoteles an Theorien, welche den Mathematika OusiaCharakter zuschreiben, ist der konstitutive Bestandteil eines Ganzen nicht als Ousia-Bestimmung schlechthin zu verwerfen47. Denn sie kann auf Aristoteles' eigene Lehre angewandt werden48: Konstitutive Bestandteile eines Ganzen, mit deren Aufhebung das Ganze mit aufgehoben wäre, müssen jedoch nicht notwendig eidetischer Natur sein, da sich auch die Hyle als ein konstitutives Moment zusammengesetzter Ousiai (σύνολα) herausstellen wird (vgl. Kap. III 2 zu Met. Ζ 3). Entscheidend ist jeweils, daß das Ganze nicht ohne bestimmte grundlegende Konstituentien sein kann. Die Thematik konstitutiver Bestandteile eines Ganzen wird in der frühen Ontologie der Kategorienschrift noch nicht erörtert; vielmehr werden dort bereits gegebene Ganzheiten als 'erste Ousiai' (dieser bestimmte Mensch, dieses bestimmte Pferd, Cat. 5, 3bl0) betrachtet. Aus der Sichtweise der Ersten Philosophie erweisen sich diese jedoch als zusammengesetzte Ganzheiten. Diese gelten weiterhin als Ousiai, sogar als allgemein anerkannte Ousiai, weshalb die Untersuchung mit ihnen auch ihren Ausgangspunkt nimmt (Met. Z). Diese Synhola werden jedoch weiter analysiert in ihre konstitutiven Bestandteile. In dieser Hinsicht wird die Ousia-Konzeption offenbar entsprechend modifiziert. Im 'Buch der Definitionen' (Met. Δ) finden sich die verschiedenen OusiaBestimmungen nebeneinander aufgelistet; sie stehen also noch nicht in einem Argumentations- oder Kausalzusammenhang. Die ersten drei bisher erörterten Ousia-Bedeutungen haben deutlich gemacht, daß Aristoteles zunächst mehrere Bestimmungen referiert und erst nach deren Analyse klar wird, welche von ihnen auch seiner Ansicht nach zutreffend ist und welche nicht. Die Bestimmungen müssen zudem nicht völlig distinkt sein, sondern können sich gelegentlich durchaus überlappen, da ein philosophisches Problem häufig von mehreren Seiten aus untersucht werden kann.

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Dagegen ist für Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 905) der konstitutive Bestandteil eines Ganzen bereits als Ousia-Bedeutung falsch und werde daher in der Zusammenfassung der Ousia-Bedeutungen in zwei Hauptbedeutungen am Ende des Kapitels nicht aufgeführt. Ob dies auch ftlr die Lehre von der Definition (Met. Ζ 10-12) und ihren konstitutiven Bestandteilen möglich ist, wie Duminil-Jaulin (op. cit. [Anm. 20], 189) meinen, ist allerdings zu bezweifeln. Wegen der Bedeutsamkeit jener Lehre wäre es auch unverständlich, warum sie dann nicht explizit genannt ist. Mit den konstitutiven Bestandteilen der Definition - Gattung und letzter Differenz - würde zwar diese als Ganzes mit aufgehoben (Met. Ζ 13,1039al4-23); die Definitionslehre steht jedoch bei der folgenden, genuin Aristotelischen Bestimmung der Ousia als τί ήν είναι έκαστου stets im Hintergrund. Zudem ist es schwierig, wie die konstitutiven Teile eines Ganzen als Ousiai gelten sollen, wenn andererseits nach Met. Ζ 13 und Ζ 16 (1041a3-5) eine Ousia nicht wiederum aus Ousiai zusammengesetzt sein darf.

2. Die vier Bedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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d) Die Essenz (τό τί ήν είναι) Als vierte Ousia-Bedeutung nennt Aristoteles das τί ήν είναι {Met. Δ 8, 1017b21f.) als „dasjenige, dessen Aussage (λόγος) Wesensbestimmung ist." Dieser rätselhafte Terminus49, der hier nicht näher erläutert wird, gilt nicht - wie die vorigen Bestimmungen - bereits als solcher als Ousia, sondern vielmehr als Ousia eines Einzeldinges (ουσία εκάστου). Diese enge Verbindung des τί ήν είναι mit dem jeweiligen Einzelnen (εκαστον) wird sich für die Lösung des Ousia-Problems von Met. Ζ 13 als entscheidend erweisen (vgl. Kap. IV 4). Thomas von Aquin hat τό τί ήν είναι mit „quod quid erat esse", „quidditas" oder „essentia" wiedergegeben50. Da der Begriff von der Forschung auch in anderen europäischen Sprachen analog mit „essence" bzw. „essenza" wiedergegeben wird51, sollte man ihn auch im Deutschen mit „Essenz" übersetzen, womit jedoch nicht im Sinne des Thomas von Aquin eine Gegenüberstellung gemeint ist von existentia und essentia als Wesensbestimmung, der keine eigene Existenz zukommt52. Denn dies ist der Lehre des Aristoteles nicht angemessen, nach welcher sich die Essenz gerade als Ousia im primären Sinne erweisen soll, d.h. als das eigentlich Existierende53.

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Dieser Ausdruck wurde von Aristoteles als einer der philosophischen Fachtermini eingeführt, die aus Satzformen oder Frageweisen hervorgegangen sind. Vgl. hierzu C. Arpe (Das τί ήν είναι bei Aristoteles, Hamburg 1938, ND 1976), der ihn auch im Hinblick auf die Topik, in der er unter das ϊδιον subsumiert wird, und die Analytiken untersucht hat. - Seine Funktion als Mittelbegriff im Syllogismus erörtert M.-Th. Liske (Aristoteles und der aristotelische Essentialismus: Individuum, Art, Gattung (Symposion 75), Freiburg/München 1985, 354-376). - E. Buchanan (Aristotle's Theory of Being, Cambridge (Mass.) 1962, 2) hält das τί ήν είναι für eine Seins- oder Existenzweise, was aber dessen epistemologische Bedeutung nicht berücksichtigt; vgl. auch H. Weidemann (Zum Begriff des ti ên eînai und zum Verhältnis von Ζ 4, 1029b221030a6, in: Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996, 75-103) und H. Htlhn („To ti en einai", in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, hrsg. von J. Ritter und K. Gründer, Basel 1998,1310-1314). Zur philosophischen Bedeutung vgl. auch H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 13-22, 57-74, 81-99) und M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 26,36). Vgl. Thomas von Aquin, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 443,1270. Vgl. z.B. D. Ross, op. cit. [Anm. 20], I, 310; D. Bostock, op. cit. [Einleitung, Anm. 19], XI, bzw. G. Reale, op. cit. [Anm. 20], III, 233. - H. Bonitz (op. cit. [Anm. 20]) übersetzt ihn mit 'Wesenswas'; H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 388) mit 'Sosein', was jedoch irreführend ist wegen der Nähe zum akzidentellen Qualitativen als So-Beschaffenen. Schwierig und mißverständlich sind die Wiedergaben von Chr. Kirwan (op. cit. [Anm. 20], 148) mit „a thing's what-it-is-to-be", von M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 19) mit „Was-esheißt-dies-zu-sein" und von H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 520) mit „Was-warzu-sein-?", das er zwar als „sprachliches Ungeheuer" bezeichnet, es aber für „gut aristotelisch und dem Hörer zumutbar" hält (1,1,19). Vgl. Thomas von Aquin, De ente et essentia, mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar hrsg. von H. Seidl, Hamburg 1988, c. IV: Das Sein geht der Wesenheit (essentia) voraus, da Gott als reines Sein (esse per se) den stofflichen und unstofflichen Wesenheiten erst ihr Sein verleiht. Daß Ousia und Essenz für Aristoteles nicht schlechthin identisch sind, wird aus den Darlegungen zu Met. Ζ hervorgehen (vgl. Kap. III-IV).

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

Der Essenz kommt nach Aristoteles' eigener Lehre eine zentrale Bedeutung zu, da sie als Ousia des jeweiligen Einzelnen dasjenige ist, was das Einzelne wesentlich ist, d.h. wodurch es ist, was es ist54. Dieses wesentliche Wassein wird in einer Definition angegeben55, d.h. in der Wesensbestimmung (ορισμός, vgl. Top. I 5, 101b37; VI 3, 140a27-32) von etwas, deren Kern das Eidos bildet. Infolgedessen verwendet Aristoteles Essenz und Eidos häufig synonym. Spricht man von der Essenz einer zusammengesetzten Ousia (Synholon), so impliziert diese stets Materialität und Potentialität, wovon in ihrer Definition ja gerade abgesehen wird, so daß bei jenen aus Hyle und Eidos bestehenden Ousiai Essenz und Einzelwesen nicht schlechthin identisch sein können (vgl. Kap. III 3 zu Met. Ζ 6); im Fall der immateriellen, rein eidetischen Ousiai (vgl. Met. Λ 8) hingegen fallen Essenz und Einzelwesen unmittelbar zusammen.

3. Die zwei Hauptbedeutungen der Ousia und die Bestimmung der Ousia als τάδε τι und χωριστό ν Abschließend werden die vier in Met. Δ 8 aufgelisteten Ousia-Bedeutungen (1) Zugrundeliegendes (z.B. Elemente, Lebewesen) (2) immanentes Prinzip (z.B. die Seele im Lebewesen) (3) konstitutiver Bestandteil (z.B. die Fläche im Körper) und (4) Essenz (τό τί ήν είναι) in zwei Hauptbedeutungen zusammengefaßt56: 54

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G. Reale (op. cit. [Anm. 20], III, 235) bezeichnet die Essenz als „signifícalo principe e fondamentale." Damit fällt sie mit der Ousia als immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) eines Zugnindeliegenden zusammen. Vgl. H. Bonitz, op. cit. [Anm. 20], 243f.; G. Reale, op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 235. - Denn nach Met. Δ 2 (1013a27ff.) wird die causa formalis als τί ήν είναι betrachtet, vgl. H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 376. Auch Chr. Kirwan (op. cit. [Anm. 20], 148) identifiziert mit Bezug auf Mei. Ζ 7 (1032blf.) die Essenz mit der Form. - Dagegen unterscheidet Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 902) die essentia von der forma, und zwar wie humanitas von der anima: Die forma sei „pars essentiae", während die essentia „omnia essentialia principia" einschließe. U. Wolf (op. cit. [Anm. 1], 21) nennt das τί ην είναι dasjenige, was „Gegenstand notwendigen Wissens ist, das Seiende als Definitionsinhalt, als etwas, von dem es ein notwendiges wesentliches Wissen gibt."- Dies legt aber bereits die Definition als solche nahe, die stets auf ein Allgemeines, Notwendiges und Unveränderliches geht {An. post. I 8, 75b24-26) und daher auch nur die eidetischen Bestandteile des konkreten Einzeldings berücksichtigt (vgl. Met. Ζ 10-12). In Met. Ζ 2 werden ebenfalls zunächst mehrere Ousia-Bedeutungen referiert. Die sich als genuin Aristotelisch erweisende Ousia-Bestimmung des τί ήν είναι εκάστου fehlt allerdings. Am Ende von Met. Ζ 2 steht auch keine Zusammenfassung der für Aristoteles' eigene Theorie relevanten Bestimmungen, sondern ein Resümee, das inhaltlich völlig offen bleibt: „Welche nun von diesen Ansichten richtig ist, welche falsch, und welche Ousiai es gibt, und ob gewisse Ousiai außer den sinnlichen existieren oder nicht... dies müssen wir untersuchen." (1028b28-33) Die Divergenzen der referierten Ansichten machen allerdings eine eigene dezidieite Untersuchung über die Ousia erforderlich, die mit Met. Ζ 3 beginnt.

3. Die zwei Hauptbedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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(I) Ousia ist das letzte Substrat57 (έσχατον υποκείμενο ν, Met. Δ 8, 1017 b24f.), „das nicht von einem Anderen ausgesagt wird." Die urteilslogische Kennzeichnung der Ousia als Hypokeimenon für Prädikate in einfachen Urteilen gemäß der Kategorienschrift wird also in den Überlegungen der Ersten Philosophie beibehalten58. Das Zugrundeliegende als urteilslogischer Sinn des ontologischen Zentralterminus der Ousia meint allerdings nicht ausschließlich das logisch-grammatische Subjekt einer kategorischen Aussage, sondern vor allem das ontologische Substrat59. Dies zeigt auch die zweite Hauptbedeutung: (II) Ousia ist das selbständige, für sich existierende bestimmte Einzelwesen60 (τόδε τι ôv και χωριστόν, Met. Δ 8, 1017b25). Auch diese ontologische OusiaBestimmung rekurriert auf die Cat. 5 und zeigt, daß dem als erste Ousia ontologisch ausgezeichneten bestimmten Einzelwesen (τόδε τι)61 auch im Rahmen der 57

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Häufig wurde in der Forschung behauptet, dieses Substrat meine nichts als die Hyle, den „letzten Grundstoff' (A. Schwegler, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], III, 216) - allerdings höchstens aus der Sicht vorsokratischer Materialisten. Denn bereits Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 90S) erklärte, die Hyle werde, da sie nicht „substantia in actu" ist, bei der Zusammenfassung abergangen und allenfalls unter das Zugrundeliegende subsumiert. - Doch die Beispiele fllr Ousiai als Hypokeimena zeigten, daß keines von ihnen die Hyle als solche sein kann. Zu Recht bemerkt A. Pronay (op. cit. [Anm. 27], 132-135), daß ϋποκείμενον έσχατον nicht stellvertretend für die Hyle steht, also nicht mit ihr gleichgesetzt wird. Im Hinblick auf Lebewesen und δαιμόνια bemerkt er: „Sie sind ebenfalls mehr als bloße Hyle, nämlich aus Form und Stoff bereits zusammengesetzte Einzelsubstanzen." Dies trifft jedoch nur auf stofflich gefaßte Lebewesen zu, nicht auf die unvergänglichen δαιμόνια. Die erste Hauptbedeutung gilt also nicht ausschließlich für „konkrete Substanzen", wie Pronay zu Unrecht behauptet. Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 903) ergänzt daher im Sinne von Cat. 5 zur Ousia als „ultimum subiectum": „sicut prima substantia"; vgl. ähnlich H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 386; D. Ross, op. cit. [Anm. 20], 1,310. Vgl. hierzu die erste Ousia-Bestimmung in Met. Δ 8 als Zugrundeliegendes. M.-Th. Liske (op. cit. [Anm. 49], 241, 385) begreift die erste Hauptbedeutung als eigentliche Ousia-Bestimmung der Kategorienschrift, die zweite hingegen als diejenige der Metaphysik. Demgegenüber betont H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 45f.) zu Recht „die Gleichrangigkeit beider Haupttypen von Wesen." Denn jene Zusammenfassung spiegelt keine hierarchische Ordnung wider. Außerdem wird die Bestimmung der Ousia als Hypokeimenon in Met. Ζ keineswegs abgeschwächt, sondern ist auch fllr diese Lehre zentral, besonders für Met. Ζ 3 (vgl. Kap. III 2), worauf Liske auch mehrfach verweist. Denn das Hypokeimenon ist nicht deshalb als Ousia-Bestimmung weniger geeignet, weil die Hyle als solche zwar Hypokeimenon, nicht aber Ousia im primären Sinne sein kann. Zugrundeliegendes zu sein, reicht zur Bestimmung der Ousia nicht aus, da hierfür noch weitere Kriterien berücksichtigt werden müssen, wie Met. Ζ 3 näher ausführt. Vgl. zum τόδε τι als Terminus J. A. Smith, ΤΟΔΕ TI in Aristotle, in: Classical Review 35, 1921, 19, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 51. - M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 20, 38) Ubersetzen es umständlich mit „ein Dies-von-der-Art"; besser verständlich D. Ross und D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], XI, 83: „a this"). H. G. Zekl (Aristoteles. Kategorien Hermeneutik (Organon, Bd. 2), griechisch-deutsch, hrsg., übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen, Hamburg 1998) gibt τόδε τι mit „Dies-da" wieder, was wegen der terminologischen Nähe zu dem Gegenstand der sinnlichen Gewißheit in Hegels Phänomenologie des Geistes irreführend ist. - Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 444) bestimmt das τόδε τι (hoc aliquid) als „quasi per se subsistens" und betont zu Recht dessen ontologische Bedeutung; ebenso H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1,24), der das τόδε τι als etwas kennzeichnet, das „gleichsam auf eigenen Fußen stehend schon für sich allein etwas ist."

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

Ersten Philosophie weiterhin Ousia-Charakter zukommt. Während in den Beispielen der Kategorienschrift zusammengesetzte Ganzheiten als erste Ousiai angeführt werden (Cat. 5, 3b 10), so müssen die bestimmten Einzelwesen in Met. Δ 8, und besonders in Met. Ζ und Met. Λ, nicht ausschließlich stofflich gefaßte, konkrete Individuen sein62. Vielmehr umfaßt der in der Ersten Philosophie offenbar erweiterte Geltungsbereich des Ousia-Begriffs auch rein eidetisch bestimmte, immaterielle und daher göttliche Ousiai (Met. Λ 6-10), die in jener Wissenschaft explizit thematisiert werden. Daraus ergibt sich ein Unterschied zur frühen Ontologie bzw. eine Modifikation jener Ousia-Lehre, womit aber die urteilslogisch orientierte Konzeption der Kategorienschrift nicht völlig obsolet wird. Denn auch in Met. Δ 8 wird die Ousia - wie gesehen - als Zugrundeliegendes (ϋποκείμενον) und als bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) aufgefaßt. Neben den bereits in Cat. 5 genannten Ousia-Bestimmungen wird die Ousia in Met. Δ 8 auch als χωριστόν bezeichnet. Dieser Terminus, der sich in der Kategorienschrift noch nicht findet, bedeutet einerseits das defmitorisch oder logisch-begrifflich 'Abtrennbare'63 (τω λόγω χωριστόν), andererseits das einfachhin selbständig für sich Existierende (χωριστόν άπλώς). Allerdings sind die beiden χωριστόν-Bedeutungen in der Metaphysik nicht immer so eindeutig wie in Met. Η 1 (1042a29ff.) voneinander unterschieden64. Gemäß der ersten Bedeutung des χωριστόν sind die konstitutiven Bestandteile einer Definition im strengen Sinne vom jeweiligen stofflich gefaßten Ein62 63

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Dies unterstreicht auch G. Reale, op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 201. In dieser logisch-begrifflichen Bedeutung faßten bereits Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Anm. 25], 375, 30ff.) und Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 903: separabilis) das χωριστόν auf. Ihnen folgen E. Zeller (op. cit. [Einleitung, Anm. 9], 340), J. Tricot (op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 1,274: separable), Chr. Kirwan (op. cit. [Anm. 20], 140: separability) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], 1,388). E. de Strycker (La notion aristotélicienne de séparation dans son application aux Idées de Platon, in: Autour d'Aristote. Recueil d'études de philosophie ancienne et médiévale, offert à A. Mansion, Louvain 1955, 119-139) differenziert drei andere grundlegende Bedeutungen von χωριστόν: (1) die Substanz als unabhängig Existierendes und zugleich als logisch-grammatisch Zugrundeliegendes, (2) die transzendente Substanz, (3) die Platonischen Ideen als völlig für sich seiende und abgetrennte Entitäten, also im polemischen Sinne der Aristoteles-Kritik. - Es fehlt jedoch die Bedeutung der in Met. Η 1 unterschiedenen begrifflichen Abtrennbarkeit (τω λόγφ χωριστόν), während die ontologische Bedeutung in Synhola, ewige Ousia und Ideen aufgegliedert wird. - H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 133) betont zutreffend, daß die Schwierigkeit des Begriffs χωριστόν in seiner „impliziten Komplexität" begründet ist. - D. Ross (op. cit. [Anm. 20], I, 310 f.) nennt zwar neben Phys. II 2 (193b4) auch Met. H 1, allerdings nur für das χωριστόν als „separable in thought or definition" und subsumiert die letzten drei Ousia-Bestimmungen von Met. Δ 8 unter die gemeinsame Bezeichnung der Form. Unklar bleibt, daß er trotz der ontologischen Dignität des τόδε τι das χωριστόν hier nicht ontologisch als „selbständig Existierendes" auffaßt, während er bei der Frage nach der Existenz einer ουσία χωριστή (Met. Ζ 2, 1028Ò27-32) explizit auf die „pure substantial form" verweist und χωριστόν hier durchaus ontologisch versteht. - H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 45f., 534) gibt χωριστόν mit „abgesondert" wieder, versteht darunter aber eine begriffliche und gestalthafte Abgehobenheit gegenüber der Unbestimmtheit des Stoffes (I, 1, 44). Terminologisch erinnert diese Übersetzung an Aristoteles' (Miß-) Deutung der Platonischen Ideenlehre bzw. an dessen problematische Chorismos-These (vgl. Kap. I 5).

3. Die zwei Hauptbedeutungen der Ousia in Met. Δ 8

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zelindividuum begrifflich .abtrennbar' (τφ λόγω χωριστόν), indem bei der Wesensbestimmung von den beiläufigen Eigenschaften bzw. akzidentellen Bestimmungen des jeweiligen Einzelnen das Eidos bzw. die spezifische Differenz und das Genos abstrahiert werden. Darin liegt die epistemologische oder definitorische, logisch-begriffliche Bedeutung des χωριστόν. Demgegenüber meint χωριστόν in der zweiten Bedeutung dasjenige, was einfachhin (άπλώς), d.h. selbständig für sich existieren kann, ohne eines anderen Trägers zu bedürfen, an dem es sich befindet. Diese ontologische Auszeichnung kommt nun dem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι) zu, das aufgrund seiner ontologischen Eigenständigkeit65 unabhängig von allem anderen Seienden existiert66 und sich infolgedessen als Fundament und konstitutive Möglichkeitsbedingung für alles übrige Seiende erweist, dem es als Ousia in ontologischer und logisch-grammatischer Hinsicht zugrunde liegt (vgl. Kap. III 1). Selbständig für sich, d.h. ontologisch unabhängig existieren sowohl Synhola (vgl. Cat. 5, Met. Η 1) als auch rein eidetisch bestimmte unvergängliche Ousiai67, bei denen defmitorische und ontologische Bedeutung des χωριστόν zusammenfallen, da man zu deren Definition nicht von den auf körperliche Materie bezogenen, akzidentellen Eigenschaften zu abstrahieren braucht. Vielmehr sind diese immateriellen Entitäten bereits als solche wissenschaftlich erfaßbar, da das jeweils Einzelne (εκαστον) und dessen Eidos bzw. Essenz (τί ήν είναι εκάστου) identisch sind, im Unterschied zu den mit Materialität und Potentialität behafteten Synhola (vgl. Met. Ζ 6). In der Zusammenfassung von Met. Δ 8 wird die zweite Hauptbedeutung der Ousia - τόδε τι öv και χωριστόν - nun näher bestimmt als die Gestalt (μορφή) und das Eidos des jeweiligen Einzelnen (είδος εκάστου, 1017b25f.)68. Offenbar 65

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Zur ontologischen Eigenständigkeit des τόδε τι vgl. J. Hübner (Aristoteles über Getrenntheit und Ursächlichkeit. Der Begriff des είδος χωριστόν (Paradeigmata 20), Hamburg 2000, 4, 19). - Schwierig ist seine konsequente Wiedergabe des χωριστόν durch „getrennt" (3, 13); denn man muß hierbei differenzieren zwischen „getrennt" und „abtrennbar". Vgl. auch Kap. V 3 mit Verweisen auf De an. III 4-5, wo χωρισθείς den tatsächlich abgetrennten Nous bezeichnet, χωριστόν das Abtrennbare. - R. Polansky (op. cit. [Anm. 20], 63f.) versteht ,,άπλως χωριστόν" als Erstheit der Natur nach (κατά την φύσιν) und der Ousia nach (κατά τήν οϋσίαν) gemäß Met. Δ 11, vgl. zur dreifachen Priorität der Ousia Kap. III 1. Die Unabhängigkeit betont auch L. Spellman (op. cit. [Einleitung, Anm. 53], 46), bezieht χωριστόν in Met. Ζ 1,1028a34, jedoch auf die Form, was sehr umstritten ist (vgl. Kap. IV 3). Bereits Alexander (op. cit. [Anm. 25], 375, 29 - 376, 12) faßt die ewigen Entitäten als „άπλώς χωριστά" auf, allerdings ebenso geistige Entitäten. - Vgl. auch A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], III, 216f.): „die Form eines Synholon ist nicht schlechthin χωριστόν, sondern nur begrifflich abtrennbar,... άπλως χωριστόν ist nur die Gottheit als είδος άνευ ϋλης." Die Ausdrücke 'τόδε τι δν και χωριστόν' und 'μορφή και είδος εκάστου' sind verbunden durch 'τοιούτον' („von solcher Art") und nicht, wie A. Pronay (op. cit. [Anm. 27], 132) zu Recht betont, durch 'ταΰτα', was eine Gleichsetzung von τόδε τι und είδος έκάστου bedeuten würde. Nur die Ousia als Ganzes ist τόδε τι, nicht eigentlich Morphe und Eidos. Bezieht man 'von solcher Art' lediglich auf 'χωριστόν', so ist das Eidos des Einzelnen im Rahmen der Definition begrifflich abtrennbar (τω λόγφ χωριστόν). - Identifiziert man unmittelbar τόδε τι und είδος έκάστου, dann wird die Ousia als individuelle Form gedeutet, vgl. z.B. M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 52). Vgl. Kap. IV 3 zur Diskussion dieser

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II. Ousia als πολλαχώς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

wird der Ousia auch in deflnitorischer Hinsicht zentrale Bedeutung zugeschrieben. Als Eidos des aus Materie und Form zusammengesetzten und damit auch akzidentell bestimmten Einzelwesens ist die Ousia allerdings nur begrifflich, d.h. in einer Definition, abtrennbar (τω λόγφ χωριστόν). Denn das Eidos als solches ist ein Allgemeines, das nach Aristoteles - im Unterschied zu Plato gerade nicht Ousia sein darf {Met. Ζ 13, 1038b8-12). Ebenso kann das Eidos eines stofflich gefaßten Einzelnen nicht selbständig für sich existieren (άπλώς χωριστόν), sondern nur in einem bestimmten Einzelnen (είδος το ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29). Diese Immanenz darf man jedoch nicht als akzidentelles Inhärieren auffassen, sondern als ein wesenhaftes Innewohnen des Eidos im jeweiligen Einzelwesen, welches dessen wirkliches Wassein ausmacht; denn das Eidos des Einzelnen darf nicht von diesem 'getrennt' sein, was Aristoteles Piatos Ideen vorwirft (vgl. Kap. I 5). Wie gesehen handelt es sich bei der zweiten Hauptbedeutung der Ousia in Met. Δ 8, dem selbständig für sich existierenden bestimmten Einzelwesen (τόδε τι ôv καί χωριστόν) und der Erläuterung durch das Eidos des jeweiligen Einzelnen (είδος έκαστου) um Ousia-Bestimmungen, die als ontologisch konstitutive Bedingungen gleichermaßen gelten müssen. Im Hintergrund steht hier offenbar die erst in Met. Ζ ausgeführte Doktrin, nach der sich diejenige Entität als primäre Ousia erweist, welche ein bestimmtes Einzelnes erst zu dem macht, was es wesentlich ist, nämlich das bestimmende Eidos, allerdings aufgrund der Entsubstantialisierungs-These von Met. Ζ 13 nicht das Eidos als solches, sondern nur, insofern es als Essenz des jeweiligen wirklichen Einzelnen (τί ήν είναι έκάστου, Met. Ζ 7, 1032blf., vgl. Kap. III 3) aufgefaßt wird. Auf diese Weise wird implizit, nämlich indem die zweite Hauptbedeutung von Met. Δ 8 (τόδε τι öv και χωριστόν) als Eidos des jeweiligen Einzelnen (είδος έκάστου) gefaßt wird, die das Einzelwesen ontologisch erst konstituierende Essenz69 - die vierte, genuin Aristotelische Ousia-Bestimmung - mitberücksichtigt.

4. Zusammenfassung In der Zusammenfassung der vier Ousia-Bestimmungen von Met. A 8 in zwei Hauptbedeutungen wird mit der ersten Hauptbedeutung, dem letzten Zugrundeliegenden (ύποκείμενον εσχατον), die urteilslogisch ausgerichtete Ousia-Lehre der Kategorienschrift in der Metaphysik beibehalten. Gleichwohl zeigen die bereits zu Beginn des Kapitels aufgelisteten vier Ousia-Bestimmungen, daß gegenüber der frühen Ontologie-Konzeption der Geltungsbereich des Ou-

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Deutung und zu einer angeblichen Änderung des τόδε τι-Begriffs bzw. zu einer dreifachen τόδε τι-Konzeption im Corpus Aristotelicum, wie Chr. Rapp (Einleitung: Die SubstanzbUcher der Metaphysik, in: Aristoteles. Metephysik. Die SubstanzbUcher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996, 1-25, hier: 9) annimmt. A. Pronay, op. cit. [Anm. 27], 132.

4. Zusammenfassung

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sia-Begriffs offenbar erweitert ist: Das Hypokeimenon wird auch in physikalischem und kosmologisch-theologischem Sinne verstanden (Phys. II, Met. Λ). Durch die Bestimmung der Ousia als immanente Seinsursache (αίτιον του είναι) eines Zugrundeliegenden70 und als konstitutiver Bestandteil eines Ganzen modifiziert Aristoteles hier seine frühere Doktrin. In Met. Ζ stehen jene beiden Hauptbedeutungen der Ousia von Met. Δ 8 - letztes Hypokeimenon und τόδε τι ôv καί χωριστόν, näher gefaßt als μορφή και είδος έκαστου, und zwar, sofern es als Essenz des jeweiligen Einzelnen (τί ην είναι εκάστου) begriffen wird im Zentrum der Untersuchungen (vgl. Kap. III-IV). Das philosophische Problem, wie sowohl das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als auch das Eidos - d.h. ein in der Definition anzugebendes Allgemeines, das ja nach Met. Ζ 13 - als Ousia gelten soll, ist in Met. Δ 8 noch latent. Nur wenn die hier lediglich genannten zentralen Ousia-Bestimmungen - Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον), bestimmtes, selbständig existierendes und (begrifflich) abtrennbares Einzelwesen (τόδε τι öv και χωριστόν), Eidos als Essenz des jeweils Einzelnen (τί ήν είναι έκαστου) - gleichermaßen als konstitutive Möglichkeitsbedingungen erfüllt sind, kann deutlich werden, was die Erste Philosophie für die Ousia im primären und eigentlichen Sinne hält. Bereits in der frühen Ontologie-Konzeption der Kategorienschrift (vgl. Kap. I) waren erste und zweite Ousiai wechselseitig innerlich aufeinander bezogen: Ontologisch kann kein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) ohne sein es bestimmendes Eidos existieren71. In epistemologischer Hinsicht kann von einem τόδε τι ohne sein Eidos (und Genos) nicht erkannt werden, was es wesentlich und eigentlich ist72. Denn gerade das Eidos drückt die Wasbestimmtheit eines wirklichen Einzelwesens aus. Das enge Verhältnis zwischen erster und zweiter Ousia bzw. das wechselseitige Aufeinanderbezogensein von bestimmtem Einzelwesen und seinem Eidos 70 71

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Diese Ousia-Bedeutung wird in Met. Ζ 17 aufgenommen. Vgl. hierzu Kap. IV 5. Chr. Kirwan (op. cit. [Anm. 20], 147) bemerkt, daß in Cat. 5 die Eide 'δεύτεροι οϋσίαι' sind, in Met. Ζ 7 hingegen primäre. „In diesen Inkonsistenzen" spiegele sich die Doppeldeutigkeit des Eidos wider: in Cat. 5 eher im Sinne von species, in Met. Ζ eher im Sinne von forma. - Dies ist jedoch problematisch: Die frühe Ontologie ist am kategorischen Urteil orientiert, in dem bei einer essentiellen Prädikation von einem Zugrundeliegenden (erste Ousia) dessen Art (είδος) bzw. Gattung ausgesagt wird. Doch haben auch die zweiten Ousiai ontologische Bedeutung (vgl. Kap. I), die in der Metaphysik auch im Hinblick auf den physikalisch-kosmologischen Bereich erörtert wird. Hier werden auch Ousiai untersucht, die zwar reine Eide darstellen (Met. Λ 8), als Einzelindividuen (τόδε τι) aber zugleich bereits eine eigene Spezies bilden und auch definitorisch faßbar sind, dabei jedoch nicht mehr eigens begrifflich abgetrennt werden müssen, da sie nicht über Akzidentien verfügen, von denen ja in einer Wesensbestimmung abstrahiert werden muß. Denn nach Met. Ζ 15 (1039b28ff.) gibt es für sinnlich wahrnehmbare Synhola als solche keine Wesensbestimmung (Definition). Denn sie enthalten auch Stoff, der immer eine bestimmte Potentialität impliziert. Deshalb können jene Entitäten nicht Notwendigkeit und Unveränderlichkeit beanspruchen, was aber die Definition gemäß An. post. I 8 gerade verlangt. Nur aufgrund der eidetischen, in der Definition anzugebenden Bestimmungen ist das stoffliche Einzelding erst wissenschaftlich erkennbar.

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II. Ousia als π ο λ λ α χ ώ ς λεγόμενον in Metaphysik Δ 8

trifft auch auf die Ousia-Bestimmungen von Met. Δ 8 zu: Denn der dort verwendete χωριστόν-Begriff impliziert Kennzeichen sowohl erster als auch zweiter Ousiai der Kategorienschrift: Im Hinblick auf die ontologische Bedeutung des χωριστόν existiert stets ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) selbständig für sich, d.h. unabhängig und eigenständig gegenüber allem übrigen Seienden. In epistemologischer Bedeutung verweist es als begrifflich Abtrennbares (τω λόγφ χωριστόν) auf die Abstraktion, die bei jeder Definition im strengen Sinne vorgenommen wird (vgl. Met. Ζ 12), nämlich auf Universalien. Jenes beiderseitige Aufeinander-Angewiesensein von bestimmtem Einzelwesen (τόδε τι) und Eidos (Genos) bzw. von erster und zweiter Ousia gemäß der Kategorienschrift wird in der frühen Ousia-Lehre nicht explizit thematisiert und problematisiert. Ergebnis eines vertieften Reflektierens darüber scheint in Met. Ζ die modifizierte Lehre von der Ousia als primär Seiendem {Met. Ζ 1) zu sein, die sich in Met. Δ 8 bereits abzeichnet. Besonders den Beispielen kann man entnehmen, daß sich die Ousia-Theorie in der Ersten Philosophie - sogar innerhalb der Metaphysik (vgl. Kap. III-IV) - gewandelt haben muß. Jene Wissenschaft untersucht zwar auch die aus Materie und Form zusammengesetzten Entitäten (συνθέται οΰσίαι), die ,für uns bekannter sind'. Diese gelten wie in Cat. 5 weiterhin, und sogar ausdrücklich nach allgemein anerkannter Lehre (vgl. Met. H l ) , als Ousiai, da sie sich jeweils als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον), und als bestimmtes, selbständig für sich existierendes Einzelwesen (τόδε τι δν και χωριστόν) erweisen und deren Definitionsbestandteile (είδος und γένος) ihr wesentliches, wirkliches Wassein angeben. Jene Ousiai sind allerdings als zusammengesetzte Ganzheiten ontologisch ,später'73 (vgl. Met. Δ 11) als ihre konstitutiven Komponenten (vgl. Met. Ζ 3). Daher analysiert die Erste Philosophie als Wissenschaft von den ersten Ursachen des Seienden (vgl. Met. A 1-2, E 1) die Ousiai gerade auf ihre ontologischen Möglichkeitsbedingungen hin. Der Geltungsbereich des Ousia-Begriffs wird hier erweitert und unstoffliche, nichtinkorporierte Ousiai explizit mitberücksichtigt, und zwar bis hin zum ersten unbewegten Beweger, der völlig immateriell, unvergänglich, reine Energeia (Met. Λ 7, 9-10) und aufgrund seiner immerwährenden Noesis Noeseos das vollkommenste Seiende darstellt (vgl. Kap. V 2). Daß die Differenzierung der Kategorienschrift in erste und zweite Ousiai in den Darlegungen der Metaphysik nicht beibehalten wird74, ist ein weiterer Hinweis darauf, daß sich diese spätere OusiaLehre von Met. Ζ gegenüber der urteilslogisch orientierten frühen Ontologie von Cat. 5 gewandelt und in der Konzeption weiterentwickelt hat.

73 74

Zur Ousia als dem aufjede Weise „ersten Seienden" vgl. Kap. III 1 zu Met. Ζ 1. Zu einer anderen Differenzierung der Ousia-Arten in einer hierarchischen Ordnung unter dem Kriterium der Vollkommenheit bzw. Wirklichkeit vgl. Kap. V 1 zu Met. Λ 1.

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ 1. Von der Frage „ Was ist das Seiende? " zur Frage nach dem , ersten Seienden ' bzw., auf erste Weise Seienden ' (Met. Ζ1) Gegenüber den knappen, abbreviativen, aber durchaus programmatischen Ousia-Bestimmungen von Met. Δ 8 legt Aristoteles seine Ousia-Lehre in Met. Ζ ausfuhrlich dar. In Met. Ζ 1 wird gleich zu Beginn das Grundproblem derjenigen Wissenschaft formuliert, die heute .Ontologie', von Aristoteles selbst aber .Erste Philosophie' (πρώτη φιλοσοφία)1 genannt wird, daß nämlich das Seiende auf mehrfache Weise verwendet wird (τό öv πολλαχώς λέγεται 2 , vgl. Met. Γ 2, 1003a33; Ν 2, 1089a8f.). An dieser Stelle {Met. Ζ 1, 1028al0ff.) wird explizit auf Met. Δ verwiesen, das Termini mehrfacher Bedeutungen (πολλαχώς λεγόμενα) zum Gegenstand hat, allerdings nicht auf das Kapitel über die Ousia {Met. Δ 8), sondern auf dasjenige über das Seiende {Met. Δ 7), den umfassenderen ontologischen Terminus. In Met. Δ 7 werden vier verschiedene Seinsweisen bzw. ,Bedeutungen' des Seienden erwähnt (vgl. Met. E 2, 1026a31-b2), als deren wichtigste - neben dem akzidentell Seienden, dem Seienden im Sinne des Wahrseins oder Falschseins, dem Seienden der Möglichkeit oder der Wirklichkeit nach - sich das an sich ausgesagte Seiende (τό öv καθ' αυτό) erweist, und zwar nach den Formen der Kategorien3 (σχήματα τών κατηγοριών). Auf diese Bedeutung des Seienden bezieht sich Met. Ζ 1; gemäß den zehn Kategorien (vgl. Top. I 9; Cat. 4) wird das an sich Seiende {Met. Δ 7, 1017a24ff.) jedoch wiederum auf mehrfache Weise verwendet: Denn die Kategorien oder Prädikate (κατηγορούμενα) des Seienden in einfachen Urteilen bezeichnen teils ein Was-es-ist (τί έστι) - in der

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3

Aristoteles spricht allerdings bereits von einer „Wissenschaft der Seienden" (έπιστήμη των όντων, Met. Β 3,996b6f.). - Zum Terminus .Erste Philosophie' vgl. Kap. I, Anm. 35; zum Problem des Gegenstandes dieser Wissenschaft und zu deren Ausrichtung als Ontologie bzw. Theologie sei verwiesen auf Vf., Aristoteles' Erste Philosophie: universalistische oder paradigmatische Ontologie? In: Aufklärungen. Festschrift fllr K. DUsing zum 60. Geburtstag, hrsg. von K. Engelhard (Philosophische Schriften 47), Berlin 2002, 15-37, hier: 15ff.; zur typologischen Einordnung dieser Wissenschaft vgl. auch Kap. V 5. Der Ausdruck ,λέγεται' ist bereits schwierig; wörtlich bedeutet er 'es wird gesagt', bei Aristoteles ist meist gemeint 'es wird ausgesagt' im Sinne von .κατηγορείται' (.wird prädiziert'). Übersetzt man ,λέγεται' mit ,wird verwendet' bzw. ,wird gebraucht' (Bonitz), vermeidet man semantische Konnotationen, die Seidls Übersetzung (,wird in mehreren Bedeutungen ausgesagt') nahelegt. Zum ontologischen Status der Kategorien vgl. Kap. I, Anm. 4.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

ersten Kategorie - , teils ein Qualitatives, ein Quantitatives oder ein Relatives, ein Tun oder Leiden, ein Wo und Wann - in den übrigen Kategorien4. Die kategoriale Einteilung des Seienden wird in Met. Ζ 1 aufgenommen: Das Seiende bezeichnet dasjenige, was es ist (τό τί έστι), und zwar (καν)5 ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) oder ein Qualitatives (vgl. Cat. 8), ein Quantitatives (vgl. Cat. 6) oder jedes beliebige (έκαστον) der anderen Prädikate (κατηγορούμενα), d.h. der übrigen akzidentellen Kategorien, die nicht alle explizit aufgelistet werden, da an sie, die für alles Seiende gelten, lediglich erinnert wird und sie als bekannt vorausgesetzt werden können6. Durch den Rückgriff auf die Einteilung des Seienden in zehn Kategorien als dessen grundlegende Bestimmungen7 gewinnt Aristoteles in Met. Ζ 1 (vgl. Met. Γ 2) die wichtige ontologische Unterscheidung von Substanz (ουσία) und Akzidens (συμβεβηκός), d.h. von dem an sich seienden, selbständig für sich existierenden und definitorisch abtrennbaren bestimmten Einzelwesen (τόδε τι και χωριστόν8) als dem Seienden der ersten Kategorie und dem beiläufigen, zufälligen, unwesentlichen Seienden9 gemäß der übrigen Kategorien, die der Ousia nur inhärieren und nicht an sich existieren können wie diese. Über die urteilslogische Ausrichtung der Kategorienschrift hinausgehend begründet Aristoteles im Kontext der Ersten Philosophie differenzierter den herausgehobenen Status der Ousia. Denn die kategoriale Einteilung spezifiziert das an sich ausgesagte Seiende (τό öv καθ' αυτό), indem zwar nach Met. Δ 7 alles kategorial bestimmte Seiende an sich aussagbar

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Da hier zwar nicht alle Kategorien, aber immerhin acht signifikante namentlich genannt sind, wurde der Bestand an Kategorien von Top. 19 und Cal. 4 offenbar nicht verändert. Wenn man 'και' explikativ versteht, d.h. im Sinne von 'und zwar', wird hier die Lehre von Met. Ζ 4-6 und Met. Ζ 10-13 vorausgesetzt, nach der gezeigt wird, auf welche Weise das Eidos, das den Kern der Wasbestimmtheit (τό τί έστι) eines Einzeldings im Rahmen der Definition darstellt, als Essenz (τί ήν είναι) eines bestimmten Einzelnen (τόδε τι) die Ousia im primären Sinne ausmacht. Vgl. H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 375. - So werden z.B. in Met. Ζ 3 bei der Diskussion um den ontologischen Status der Hyle (1029b24f.) nur zwei genannt: „bestimmtes Was, Quantum, sonst irgendetwas"; ähnlich Met. Θ 1, 1045b27ff.: „Nach dem Begriff des Wesens (λόγος της ουσίας) wird alles übrige als seiend bezeichnet, das Quantitative, das Qualitative und das übrige in dieser Weise Ausgesagte", oder Met. Ν 2, 1089a8ff: „das Seiende bezeichnet teils Ousia, teils Qualitatives, teils Quantitatives und so die übrigen Kategorien." Neben der Anzahl ist auch die Reihenfolge der Kategorien bei diesen Auflistungen unerheblich, sogar innerhalb der Kategorienschrift entspricht die Reihenfolge der vollständigen Aufzählung {Cat. 4) nicht der Erörterung der ersten vier Kategorien. Die Kategorienlehre als Grundlage der Ontologie betont auch H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,2, 1). Zur ontologischen und deflatorischen Bedeutung des χωριστόν vgl. Kap. II 3. - Zum τόδε τι in der Kategorienschrift vgl. Kap. I, in Met. Δ 8 vgl. Kap. II. H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 30) und Chr. Rapp (Substanz als vorrangig Seiendes, in: Ders., Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996, 27-40, hier: 29) sprechen hier von einer „Zweiteilung" der Verwendung des Terminus 'Seiendes': (1) gemäß der ersten Kategorie und (2) der übrigen Kategorien.

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' (Met. ZI)

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ist, aber nicht alles Seiende an sich, selbständig für sich existiert10, sondern nur Seiendes der ersten Kategorie (vgl. An. post. 14, 73b5-10). Eine besondere ontologische Bedeutung kommt daher dieser Kategorie zu, die in Met. Ζ 1 zunächst nicht als Ousia, sondern als bestimmtes Einzelnes (τόδε τι) und als Was-es-ist (τό τί έστι, 1028allf.) bezeichnet wird. Allerdings handelt es sich dabei um Bestimmungen, die in Cat. 5 und Met. Δ 8 die Ousia kennzeichnen. In Met. Ζ 1 stehen jener ersten Kategorie die akzidentellen Bestimmungen bzw. das Seiende gemäß den übrigen Kategorien gegenüber. Obwohl die Kategorien als die allgemeinsten Gattungen des Seienden (τα γένη του οντος) bezeichnet werden und sie nicht aufeinander zurückfuhrbar sind, läßt sich dennoch innerhalb des an sich ausgesagten Seienden im Sinne der Kategorien (Met. Δ 7) ein entscheidender logisch-grammatischer und vor allem ontologischer Rangunterschied feststellen: Gegenüber allem übrigen Seienden erweist sich etwas als erstes Seiendes (πρώτον ôv), nämlich das Seiende gemäß der ersten Kategorie, als dasjenige, was es ist (τό τί έστι), d.h. als wesentliches Wassein. Es heißt jedoch nicht, die Wasbestimmtheit (τό τί έστι) als solche sei Ousia bzw. erstes Seiendes (πρώτον öv), sondern sie bezeichne die Ousia (την οΰσίαν σημαίνει, Met. Ζ 1, 1028al5). Anderenfalls wäre diese ja ein Allgemeines, wie bei Plato die Idee in ihrer Allgemeinheit als primär Seiendes und somit als Ousia gilt. Da aber nach Met. Ζ 13 gerade kein Allgemeines Ousia sein und selbständig existieren kann, wird die erste Kategorie in Met. Ζ 1 nicht nur als Wassein - wie in Met. Δ 7 und Met. E 2 - , sondern auch als bestimmtes Einzelnes (τόδε τι)11 bestimmt (Met. Ζ 1, 1028a 12), das selbständig existiert. Offenbar wird in Met. Ζ 1 - wie auch in Met. Δ 8 - nicht mehr im Sinne der Kategorienschrift zwischen ersten Ousiai (τόδε τι) und zweiten Ousiai, die als Arten (εϊδη) und Gattungen (γένη) das Wassein (τό τί έστι) der ersten Ousiai ausmachen, unterschieden, was auf eine Änderung der Theorie schließen läßt. Vielmehr bestimmt Aristoteles die erste Kategorie - die Ousia als „erstes Seiendes" - gleichermaßen als bestimmtes Einzelnes (τόδε τι) und als wesentliches 10

"

Diesen scheinbaren Widerspruch zwischen Met. Δ 7 und Met. Ζ 1 löst auch Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 885), indem nicht vom Seienden als solchen, sondern nur von den Modi der Prädikation des Seienden in Met. Δ 7 die Rede ist. So deuten auch H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 385, und G. Reale, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 229f. K. Bärthlein (op. cit. [Kap. I, Anm. 3], 251 f.) fragt, warum das Seiende gemäß den Kategorien außer der ersten Kategorie nicht zum akzidentell Seienden gezählt wird, und erklärt dies damit, daß nach Top. I 9, 103b29-35, alle Kategorien - auch die akzidentellen - oberste allgemeinste Wesensbestimmtheiten ausmachen. Dann kann das τί έστι - gemäß Met. Ζ 1 eine Ousia-Bestimmung kein Spezifikum der Ousia darstellen, wie H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 31) betont. In Met. Ζ 4 wird dieser scheinbare Widerspruch vermieden durch Hinsichtenunterscheidung (1) als Essenz im primären und (2) im abgeleiteten Sinne, vgl. hierzu Kap. III 3. - Chr. Rapp (op. cit. [Anm. 9], 30) sieht hingegen in Met. Δ 7 eine andere Bedeutung des 'An-sichSeienden' als in Met. Ζ 1. Für J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 317) ist die tode-ti-Bestimmung der ersten Kategorie hier neu hinzugefügt. - Jedoch gilt bereits in Cat. 5 das bestimmte Einzelwesen als erste Ousia, was in Met. Ζ aufgenommen und weiterentwickelt wird.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Wassein (το τί έστι) 12 . Beide Bestimmungen sind aber - wie in der frühen Ontologie - wechselseitig aufeinander bezogen und eng miteinander verknüpft: Denn das sinnlich-wahrnehmbare, stofflich gefaßte Einzelwesen kann als solches nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis sein {Met. Ζ 15, 1039b30; 1040a9), da es aufgrund seiner Materialität immer mit Potentialität behaftet, veränderlich und vergänglich ist (vgl. Met. Ζ 7-9). Wissenschaftlich erkennbar ist ein solches Einzelnes nur in seinem wesentlichen Wassein (τό τί έστι), das dessen Definition zum Ausdruck bringt, nämlich durch die höhere Gattung (γένος) und die artbildende, spezifische Differenz (διαφορά ειδοποιός, vgl. Top. I 8; VI 6), also durch Allgemeinbegriffe wie ,Mensch' oder ,Gott', denen Unveränderlichkeit und Notwendigkeit zukommt. Andererseits ermöglicht und fundiert erst das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) 13 ontologisch dessen Wesensbestimmung. Denn eidetische Bestimmungen sind bei Aristoteles stets notwendig auf ein Einzelnes bezogen und werden von diesem selbständig Existierenden (χωριστόν) prädiziert. Kommt diesem auch Materialität und Potentialität zu, dann handelt es sich um eine aus Materie und Form zusammengesetzte Ganzheit (Synholon), andernfalls um ein unstoffliches, ewiges und rein eidetisch bestimmtes Einzelwesen {Met. Λ 8-10). Nach Aristoteles kommt stets einem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι; vgl. Cat. 5, Met. Δ 8, Ζ 1) Ousia-Charakter zu, nicht dem Allgemeinen als solchen {Met. Ζ 13). Mit der Auszeichnung der ersten Kategorie als ,erstes Seiendes' (πρώτον öv) und damit als Ousia wird dieses Seiende von allem übrigen Seienden unterschieden, d.h. von allen akzidentellen Bestimmungen, vom Seienden gemäß allen anderen Kategorien - vom Quantitativen, Qualitativen oder von den Affektionen {Met. Ζ 1, 1028al7-20), Vorgängen oder Zuständen. Denn beiläufige, unwesentliche Eigenschaften kommen einer Ousia nicht notwendig zu; jene setzen Hier leuchtet das Problem von Met. Ζ auf, wie nämlich Ousia sowohl das Wassein, das im Eidos erfaßt wird und in der Definition ein Allgemeines ist, als auch das bestimmte Einzelseiende bedeuten kann. - Das Zusammendenken von Individuellem und Allgemeinem in Met. Ζ 1 ist in der Forschung umstritten: Ein innerliches Aufeinanderbezogensein betont z.B. A. Preiswerk (op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 84). D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 159), G. E. L. Owen (op. cit. [Einleitung, Anm. 25], 2-3, 14f.), M. Burnyeat (Hrsg., Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 1) und A. Code (op. cit. [Einleitung, Anm. 30], 7) sehen darin zwei Seiten der Ousia-Konzeption, die in einer gewissen Spannung zueinander stehen, da τόδε τι ein Individuelles, τί έστι ein Allgemeines bezeichnet. - Es ist jedoch schwierig, wenn Ross und Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 181) das τί έστι mit „essence" bzw. „essenza" (= τί ήν είναι) gleichsetzen und Ross dies als Kombination von Allgemeinheiten ansieht; denn die Essenz kann nicht ein Allgemeines sein, wenn sie zugleich als primäre Ousia (Met. Ζ 7,1032blf.) gelten soll. - H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 297) hebt ebenfalls jene „Spannung zwischen Individualität und Definierbarkeit" als für Aristoteles' Ousia-Konzeption charakteristisch hervor. M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 12, 39) halten dies fllr „Vorurteile, die sich in Ζ als falsch erweisen", und behaupten eine „Verschmelzung" von τί έστι und τόδε τι in Met. Ζ 1, indem sie das τί έστι als etwas Individuelles, als individuelle Form deuten, die in Met. Ζ als primäre Ousia gelte. Zu dieser Deutung vgl. Kap. IV 3. Wie beide Kennzeichnungen der Ousia aufeinander zu beziehen sind, wird in Met. Ζ 4-6 und Met. Ζ 10-13 erörtert (vgl. Kap. III 3-4 und Kap. IV). Vgl. auch Cat. 5,2b5f.: „Wären die ersten Ousiai nicht, so wäre Uberhaupt nichts."

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' (Met. Ζ 1)

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diese aber umgekehrt notwendig voraus und enthalten sie implizit mit; denn erstere existieren nur, sofern sie einer Ousia inhärieren. Gleichwohl gibt es unter den akzidentellen Kategorien graduelle Unterschiede: Das Relative ist am wenigsten Ousia {Met. Ν 1, 1088a23ff.), das Qualitative am ehesten14. In Met. Ζ 1 wird also das an sich ausgesagte, kategorial bestimmte Seiende (τό ôv καθ' αύτό) - nach Met. Δ 7 die wichtigste Seinsweise - auf etwas noch Grundlegenderes zurückgeführt 15 und näher spezifiziert: auf die Ousia als „erstes Seiendes" (vgl. Met. Γ 2). Dies zeigt den herausragenden Status der ersten Kategorie aufgrund ihrer ontologischen Dignität. Bei Aussagen über Seiendes ist stets die jeweilige entsprechende Kategorie mitzuberücksichtigen: Auf die Frage nach dem Qualitativen (ποιόν) kann man mit den Prädikaten ,gut' oder ,böse' antworten, nicht aber mit ,drei Ellen lang' oder ,Mensch'. Denn jenes Prädikat gehört zum Quantitativen, dieses zur ersten Kategorie, der Ousia, da es sich um einen konstitutiven Bestandteil der Wesensbestimmung handelt. Gefragt wurde jedoch nach dem Qualitativen (ποιόν), nicht nach dem Quantitativen oder nach der Ousia (Met. Ζ 1, 1028a28f.). Fragt man hingegen, was etwas ist (τί έστι), d.h. nach dem wesentlichen Wassein von etwas, ist die Antwort nicht - wie im vorigen Beispiel - ein Qualitatives (weiß, warm) oder Quantitatives (drei Ellen lang) usw., sondern ist derjenigen Kategorie zu entnehmen, zu der das „erste Seiende" (πρώτον öv) gehört, der Ousia. Die Frage, was etwas ist, richtet sich im strengen und eigentlichen Sinne stets auf die Kategorie des „ersten Seienden". Im Hinblick auf Aussagen gemäß der übrigen Kategorien (Qualität, Quantität usw.) bedeutet dies, daß sie jeweils die Frage nach demjenigen, was etwas ist, nicht beantworten können; dies kommt vielmehr ausschließlich den Prädikationen zu, die mit dem wesentlichen Wassein (τό τί έστι) von etwas dessen Ousia bezeichnen16 (Met. Ζ 1, 1028al5) und sich daher nur auf Seiendes der ersten Kategorie beziehen, wie z.B. .Mensch' oder ,Gott' (θεός, 1028al8). Denn will man die Wasbestimmtheit von Sokrates angeben, wird man im Rahmen einer essentiellen Prädikation, die stets das Was des jeweiligen Gegenstandes zum Ausdruck bringt (vgl. Top. I 9), von ihm ,Mensch' aussagen. Met. Ζ 1 nimmt insofern die Ontologie-Konzeption der Kategorienschrift auf, als bereits 14

15 16

Zum Verhältnis zwischen dem Eidos als Ousia und dem akzidentell Qualitativen vgl. Kap. I, bes. Anm. 11. K. Brinkmann, op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 60. Gemäß Top. I 9 (103b29-35) kann man von jeder Kategorie ein Wassein angeben. K. Bärthlein (op. cit. [Kap. I, Anm. 3], 251 f.) bezeichnet daher die Kategorien als „oberste Wesensprädikate." Denn man kann fragen, was das Qualitative oder Quantitative sei. Vgl. hierzu auch Anm. 10. Eine Antwort auf die Wasfrage im eigentlichen Sinne gibt es hingegen nur vom Seienden gemäß der ersten Kategorie und wird jeweils durch dessen Wesensbestimmung ausgedrückt (Met. Ζ 10-12). - Analog gilt dies auch von der Essenz (τί ήν είναι, vgl. Kap. III 3): Nach Met. Ζ 4, 1030a29-32, gibt es eine Essenz (τί ήν είναι) ausschließlich bei .ersten Seienden'; im weiteren Verlauf wird dann aber näher differenziert: eine Essenz gibt es in erster Linie und primär von den Ousiai, auf sekundäre, abgeleitete Weise auch vom akzidentellen Seienden.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

dort für diese besondere Prädikationsweise die aus Materie und Form zusammengesetzten Ganzheiten als Beispiele für 'erste Ousiai' angeführt werden. Bei der Angabe des wesentlichen Wasseins einer ontologisch höheren Ousia - eines Gestirns oder eines unbewegten Sphärenbewegers (vgl. Met. Λ 8) - prädiziert man von ihm, daß er ein ,Gott' ist (vgl. Met. Λ 7, 9-IO)17, d.h. eine unvergängliche und somit göttliche Ousia. Gerade dieses Beispiel für Prädikationen der ersten Kategorie zeigt den für die Überlegungen der .Ersten Philosophie' offenbar erweiterten Geltungsbereich der Ousia (vgl. Kap. II zu Met. Δ 8) gegenüber Cat. 5, indem auch die Existenz rein eidetisch bestimmter, d.h. nichtinkorporierter, sondern völlig immaterieller Ousiai bereits vorausgesetzt wird18. Jene Prädikate der ersten Kategorie - »Mensch' bzw. ,Gott' - werden als Wesensbestimmungen von einem Zugrundeliegenden, einem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι), ausgesagt, das seinerseits nie Prädikat sein kann, sondern das Aussagen (κατηγορειν) Uberhaupt erst ermöglicht. Da die Ousia die konstitutive Möglichkeitsbedingung für Prädikationen jeder Art und zugleich den notwendigen ontologischen Ermöglichungsgrund dafür bildet, daß sekundär Seiendes überhaupt als .seiend' gelten kann, bezeichnet Aristoteles sie in Met. Ζ 1 als „erstes Seiendes" (πρώτον öv), das näher spezifiziert wird als Wasbestimmtheit (το τί έστν) und als bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι). Jene wird in der Definition angegeben, die aus Allgemeinbegriffen besteht. Da aber nach Met. Ζ 13 kein Allgemeines als solches Ousia sein kann, gilt das τί έστι nicht schlechthin als Ousia bzw. erstes Seiendes. Denn Universalien können gerade deswegen nicht - wie Piatos Ideen - an sich existieren, weil sie nach Aristoteles notwendigerweise auf ein Einzelnes bezogen sind, und zwar jeweils auf ein bestimmtes, selbständig existierendes Einzelwesen (τόδε τι καί χωριστόν). Dieses wiederum fungiert nicht nur in logisch-grammatischer Hinsicht als das letztlich Zugrundeliegende - und zwar sowohl für Wesensprädikate in essentiellen Prädika17

18

Diente das Gute zuvor (Met. Ζ 1, 1028a28f.) als Beispiel filr Qualitatives, so findet es sich nun ebenso in der ersten Kategorie, die durch ,Gott' auf eminente und exemplarische Weise repräsentiert wird. Zum Begriff des Guten, das sich in allen Kategorien findet, und zur Kritik des Aristoteles an Piatos Idee des Guten (NE 14, 1096al9ff.) vgl. Kap. I 5. Die Frage nach der Existenz weiterer Ousiai neben den sinnlich-wahrnehmbaren wird auch in Met. Ζ mehrfach gestreift (Met. Ζ 2, 1028b27-32; Ζ 11, 1037al0-17). Zur Differenzierung von drei Ousia-Arten im Rahmen einer Stufenleiter von Vollkommenheitsgraden in Met. Λ 1 vgl. Kap. V 1. Wenn auch die sinnlich wahrnehmbaren Ousiai (ούσίαι αίσθητοά), d.h. die aus Materie und Form zusammengesetzten Ousiai (συνθέται ούσίαι) aufgrund ihrer Materialität und Potentialität die unvollkommensten sind, werden sie dennoch in Met. Ζ vornehmlich als Beispiele verwendet, da bei ihnen jene Kluft (χωρισμός) zwischen dem Einzelwesen und dessen wesentlichem Wassein, welche Aristoteles Piatos Ideenlehre vorwarf, am offenkundigsten zu widerlegen ist und die Existenz jener bewegten Ganzheiten im Unterschied zu gewissen unvergänglichen Ousiai allgemein anerkannt wird (vgl. Met. Η 1). Außerdem sind die sinnlich wahrnehmbaren Ousiai für unsere Erkenntnis, d.h. ,fllr uns' früher, ,an sich' bzw. .ihrer Natur nach' jedoch später. Damit korrespondiert die Explikation der Ousia-Lehre dem menschlichen Erkenntnisprozeß, nämlich von dem für uns Bekannteren zu dem an sich Bekannteren (Phys. I 1, 184 al6ff, Met. Ζ 3, 1029bl-12 u.a.).

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' {Met. ZI)

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tionen gemäß der Kategorienschrift als auch fur akzidentelle Bestimmungen - , sondern zugleich als ontologisches Substrat aller unwesentlichen Eigenschaften, die ihm inhärieren. Dem Verhältnis zwischen Ousia als logisch-grammatischem Subjekt und den prädizierten akzidentellen Bestimmungen korrespondiert somit ein ontologisches Verhältnis zwischen dem selbständig für sich exierenden, d. h. subsistierenden Zugrundeliegenden als dem ontologisch Ersten und dem ihm inhärierenden und daher von ihm abhängigen, sekundären oder abgeleiteten Seienden19. Offenbar umfaßt die Einteilung in Substantielles (Ousia) und Akzidentelles (Seiendes gemäß den übrigen Kategorien) alles Seiende. Nachdem die Ousia als „erstes Seiendes" (πρώτον öv) näher bestimmt und von allem übrigen Seienden ontologisch und logisch-grammatisch abgegrenzt wurde, wird nun der ontologische bzw. kategoriale Status z.B. des Gehens, Gesundseins und Sitzens unter der Fragestellung betrachtet, ob es sich jeweils um ein Seiendes oder ein Nicht-Seiendes handelt. Es stellt sich heraus, daß keines von ihnen an sich (καθ' αύτό) bestehen und von der Ousia getrennt werden kann (χωρίζεσθαι δυνατόν της ουσίας). Jene Bestimmungen können demnach nicht unabhängig von der Ousia existieren, sondern vielmehr erst und nur durch sie {Met. Ζ 1, 1028a23f., 1028a29f.). Denn ihr ist es gerade eigentümlich, sogar Gegensätzliches aufnehmen zu können, d.h. für akzidentelle Veränderungen empfänglich zu sein (vgl. Cat. 5, 4al0ff.), während sie selbst - als Zugrundeliegendes - keine entscheidende Veränderung im Sinne des Entstehens und Vergehens erfahrt, sondern als Träger jener akzidentellen Veränderungen beharrt. Diese sind - sogar ein Umschlagen in ihr jeweiliges Gegenteil - stets nur in Abhängigkeit von einer Ousia möglich, die dabei jeweils vorausgesetzt werden muß. Denn die Ousia, und zwar das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), ist dasjenige, was an sich (καθ' αύτό) besteht und selbständig existiert (χωριστόν), nicht aber das Gehen, Gesundsein oder Sitzen. Könnten diese nämlich jeweils von einer Ousia getrennt werden, dann würden sie selbst an sich existieren, ohne eines zugrundeliegenden Trägers zu bedürfen, und würden somit ihrerseits zu Ousiai. Sie fallen aber offenbar nicht unter diese Kategorie, sondern unter die Kategorie des Tuns (Gehen), der Lage (Sitzen) und des Qualitativen (Gesundsein) und erweisen sich in logisch-grammatischer Hinsicht - gerade im Unterschied zur Ousia - als lediglich akzidentelle Bestimmungen und in ontologischer Hinsicht als unwesentliche Eigenschaften, die notwendig eine Ousia erfordern und dieser inhärieren müssen. Seiendes gemäß diesen Kategorien existiert also nicht an sich, sondern verweist auf ein bestimmtes Einzelnes, von dem die betreffende akzidentelle Bestimmung jeweils aussagbar ist. Solche Prädikate enthalten stets implizit die Ousia als Zugrundeliegendes mit und setzen diese ontologisch und 19

Ähnlich wird in Met. Θ 1 die Ousia als ontologisch Erstes und ihre konstitutive Bedeutung für die übrigen Kategorien hervorgehoben: „Ober das, was auf primäre Weise seiend ist (πρώτως öv), und worauf alle anderen Kategorien des Seienden (κατηγορίαι τοΰ οντος) zurückgeführt werden, ist gehandelt worden, die Ousia." (1045b25f.)

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

logisch-grammatisch voraus. Bezeichnen jene Bestimmungen - das Gehen, das Sitzen und Gesundsein - ein Seiendes oder ein Nicht-Seiendes? Wenn man unter , seiend' ausschließlich Seiendes gemäß der ersten Kategorie versteht, also ein erstes Seiendes {Met. Ζ 1), dann erweisen sich Gehen, Sitzen und Gesundsein als nicht-seiend; meint .seiend' jedoch auch das Seiende im Sinne der anderen Kategorien, dann gelten sie jeweils zwar als Seiendes, aber nur als ein von der Ousia abgeleitetes und nicht als ein erstes Seiendes. Man kann sie allerdings insofern auch als nicht-seiend bezeichnen, als sie nicht von einer Ousia abgetrennt existieren und daher nicht an sich bestehen können. Wenn diese drei Bestimmungen auch kein ,erstes Seiendes' darstellen, sind sie aber dennoch nicht schlechthin Nicht-Seiende. Sie gehören vielmehr „eher" (μάλλον) 20 zum Seienden, weil das ihnen Zugrundeliegende (ύποκείμενον) etwas Bestimmtes (τι ώρισμένον) 21 ist. Dies ist die Ousia, und zwar22 jedes beliebige Einzelne (τό καθ' εκαστον), das etwas Bestimmtes ist, d.h. ein in seinem wesentlichen Wassein bestimmtes Einzelwesen. Diese Charakterisierung der Ousia konvergiert sowohl mit der Bestimmung der ersten Ousia von Cat. 5 als τόδε τι (vgl. Kap. I), dessen Wasbestimmtheit erst durch die zweite Ousia angegeben wird, als auch mit den in Met. Ζ 1 erörterten Ousia-Bestimmungen des Was-es-ist (τι έστι) und des bestimmten Einzelwesens (τόδε τι). Aufgrund eines wesensbestimmten Einzelnen bezeichnen die angeführten Termini - das Gehen, das Gesundsein und das Sitzen - zwar ein Seiendes, aber als akzidentelle Bestimmungen kein primäres und an sich bestehendes Seiendes; vielmehr „gehören sie zum Seienden" {Met. Ζ 1, 1028a25f.) dadurch, daß ihnen ontologisch und logisch-grammatisch eine Ousia als Träger zugrundeliegt. Ohne diese wären sie nicht in einfachen Urteilen prädizierbar (1028a29f.). Die Diskussion um den ontologischen und kategorialen Status beiläufiger Eigenschaften hat ex negativo die ontologische und logisch-grammatische Zentralstellung des „ersten Seienden" verdeutlicht, von dem jene akzidentellen Bestimmungen abhängen23. Obwohl das Seiende gemäß den verschiedenen Kategorien an sich ausgesagt wird (vgl. Met. Δ 7), kommt der Ousia als erster Kategorie eine ontologische 20

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Die Wiedergabe des 'μάλλον' von H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) und H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) mit '[zeigen sich] mehr [als seiend]' erinnert an Seinsabstufungen, die jedoch der Kontext hier nicht nahelegt. Übersetzt man es allerdings mit 'eher' (vgl. H. Schmitz, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 32f.; M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6]), wird die kausale Verbindung zwischen Ousia und Akzidentien deutlich, d.h. warum letztere überhaupt erst „zum Seienden gehören", weil nämlich die ihnen jeweils zugrundeliegende Ousia ein bestimmtes Einzelnes und daher 'eher' ein Seiendes ist als jene. Der ορισμός - die Wesensumgrenzung oder Definition - ist eine Aussage (λόγος), welche die wesentlichen Bestimmungen eines Einzeldinges angibt, die unter die Bezeichnung des τί έστι subsumiert werden können (vgl. Met. Ζ 1, 1028al4). Das griechische 'και.' ist hier erneut (vgl. Anm. 5) explikativ aufzufassen. Beispiele für akzidentelle Prädikationen sind hier beliebig; denn zuvor wurden drei Bestimmungen genannt (Gehen, Gesundsein, Sitzen), nunmehr zwei (das Gute und das Sitzende). Entscheidend ist die ontologische Grundunterscheidung zwischen der zugrundeliegenden Ousia und den ausgesagten Akzidentien.

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' {Met. Ζ 1)

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Vorrangstellung dadurch zu, daß nur sie an sich (καθ' αυτό) existierί24, daher als ,erstes Seiendes' gilt und allem übrigen, kategorial je verschieden bestimmten und von ihr abhängigen und abgeleiteten und infolgedessen sekundären Seienden zugrundeliegt25. Diese Kennzeichnung der Ousia als Zugrundeliegendes (Cat. 5, Met. Δ 8) wird somit auch in Met. Ζ 1 beibehalten, wobei weiterhin das logisch-grammatische Subjekt von dem ontologischen Substrat nicht völlig getrennt werden kann. Denn das Zugrundeliegende des Satzes ist zugleich etwas Bestimmtes (τι ώρισμένον, Met. Ζ 1, 1028a27), und zwar ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι, 1028al2) bzw. jedes beliebige Einzelne (καθ' έκαστον, 1028a27), das als „erstes Seiendes" bezeichnet wird, da es sich gewissermaßen als ,Ursache' für alles übrige .unselbständige' und infolgedessen sekundäre Seiende erweist26, d.h. als dessen ontologische Möglichkeitsbedingung und als logisch-grammatische Voraussetzung ihrer Prädikabilität. Denn aufgrund der Ousia gilt überhaupt erst alles andere Seiende gemäß den übrigen Kategorien als seiend und ist es in einfachen Urteilen prädizierbar (1028a28f.). Das Seiende wird - wie gesehen - bei Aristoteles auf mehrfache Weise verwendet (Met. Δ 7), ebenso das an sich ausgesagte, kategorial je verschieden bestimmte Seiende als wichtigste Seinsbedeutung. Dennoch werden all diese Bedeutungen des Seienden in einer ontologischen Pros-Hen-Relation auf Eines (προς εν), auf eine Kernbedeutung hingeordnet. Dieser gemeinsame Bezugspunkt, auf den alle anderen Bedeutungen fokussiert sind, stellt zugleich den sie einigenden Ursprung dar (προς μίαν αρχήν, Met. Γ 2, 1003b5f.): die Ousia27. 24

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Vgl. H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 385 (zu Met. Δ 7). - Zum engen Zusammenhang von An-sich und Ousia, der sich schon bei Plato findet (vgl. Kap. I), vgl. NE I 4, 1096al9ff.: „Das An-sich aber und [και] die Ousia ist von Natur früher als die Relation." Zum explikativen ' κ α ι ' vgl. auch Anm. 5 und 22. In diesem Sinne unterscheidet auch L. de Rijk (op. cit. [Einleitung, Anm. 11], 82) ein primäres, durch sich selbst existierendes Sein (esse per se) von dem sekundären Inhärieren (inesse). So fallt I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 612) das „auf erste Weise Seiende" (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) zutreffend als .Ursache' (αίτιον) des Seienden auf. Zum systematisch schwierigen Begriff der .Ursache' vgl. Kap. IV 5 zu Met. Ζ 17. Die ontologische Abhängigkeit der Akzidentien von der Ousia ist einseitig, wie z.B. J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 19) und Chr. Rapp (op. cit. [Anm. 9], 29) zu Recht betonen, der vom „Prinzip der ontologischen Dependenz" spricht. Vgl. J. L. Ackrill, op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 174; J. Barnes, op. cit. [Einleitung, Anm. 17], 76. Zur Betonung dieser ontologischen Vorrangstellung hat G. E. L. Owen (Logic and Metaphysics in Some Earlier Works of Aristotle, in: Aristotle and Plato in the Mid-Fourth Century, Papers of the Symposium Aristotelicum, Oxford 1957, hrsg. von I. Düring und G. E. L. Owen (Studia aristotelica 1), Göteborg 1960, 163-190, hier: 169, 184; dt. in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969, 2 1979,399-435) anstelle der scholastischen analogia attributions den seitdem vielfach diskutierten Ausdruck 'focal meaning' (Brennpunkt-Bedeutung) geprägt. H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 68f., 85, 489; II, 416) spricht im Hinblick auf die eigentliche Grundbedeutung eines Wortes gegenüber allen von ihr abhängigen, abgeleiteten, ,uneigentlichen' Bedeutungen, die aufjene bezogen sind, von „einstrahliger konvergenter Metaphorik." Bereits F. Brentano (op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 1963, 249; 1911, 27) betont bei dem vielfältigen Seienden dasjenige, das in eigentlichem Sinn den Namen führe und in Bezug auf welches alles Seiende im uneigentlichen Sinn so genannt wird. D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik

Ζ

Alles übrige Seiende ist hingegen ihr gegenüber ontologisch .später' (vgl. Met. Δ 11), da diesem auf erste Weise Seienden (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) nichts anderes mehr vorgeordnet werden kann. Die Ousia fungiert also gerade nicht als ein lediglich „irgendwie Seiendes" (ού τί öv)28, sondern als schlechthin Seiendes (άπλως öv, An. post. II 2, 89b36-90a3,90a9-12). Obwohl auch das Erste (τό πρώτον) - wie das Seiende und die Ousia - ein auf mehrfache Weise verwendeter Begriff (πολλαχώς λεγόμενον) ist, so erweist sich die Ousia dennoch auf jede Weise als ein Erstes, wie folgende Differenzierung zeigt: (1) Die Ousia ist der Definition nach oder begrifflich (λόγω) Erstes. (2) Die Ousia ist der Erkenntnis nach oder gnoseologisch (γνώσει) Erstes. (3) Die Ousia ist der Zeitordnung nach (χρόνω) oder ontologisch Erstes. Die Ousia ist (1) der Definition nach (τω λόγφ) Erstes. Denn diese ist derjenige Logos, der das Was-es-ist (τό τί έστι) zum Ausdruck bringt (vgl. Ari. post. I 4, 73a36f.). In jeder Antwort auf die Frage, was etwas wesentlich ist, ist implizit die Definition der Ousia mitenthalten, da jedes Ding zuerst und grundlegend in seinem Wassein als Ousia erkannt wird. Deshalb spricht man nur bei den Ousiai von Definitionen im strengen Sinne (vgl. Met. Ζ 4, 1030a34, 1030b3). Fragt man hingegen nach dem Wassein einer nichtsubstantiellen Eigenschaft, z.B. der Weiße, setzt dies notwendig die Definition einer Ousia (λόγος της ουσίας, Met. Ζ 1, 1028a34f.) voraus29, d.h. eines bestimmten Einzelwesens (τόδε

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20], I, 256) bezeichnet dies als „intermediate" zwischen synonym und homonym: Die verschiedenen Seinsweisen sind nicht völlig identisch, aber auch nicht absolut divers. G. Patzig (Theologie und Ontologie in der,Metaphysik' des Aristoteles, in: Kant-Studien 52, 1960/61, 185-205) nennt dies 'Paronymie', was jedoch nicht hinreichend ist: Die abgeleiteten Bedeutungen werden zwar - wie auch Brentano und Schmitz meinen - nach der zentralen Grundbedeutung benannt, auf die jene auf je verschiedene Weise bezogen sind. Dieser gemeinsamen Bezeichnung liegt jedoch wiederum eine diese gemeinsame Bezeichnung erst ermöglichende ontologische Abhängigkeit zugrunde, die durch den logisch-grammatischen Begriff der 'Paronymie' nicht zum Ausdruck kommt: In erster Linie ist alles übrige Seiende nur insofern seiend, als es einem primar Seienden inhäriert bzw. „zu diesem Seienden gehört" (vgl. Met. Ζ 1, 1028a25f.). Aufgrund dieser ontologischen Abhängigkeit wird alles abgeleitete Seiende erst nach jenem benannt (paronym bzw. ,nach'benannt), da in seiner Definition implizit jeweils ein Träger vorauszusetzen ist, der hingegen unwesentlicher Eigenschaften nicht notwendig bedarf. Vgl. auch Met. Ζ 4 mit der Unterscheidung von primärer und abgeleiteter Essenz (Kap. III 3). Die Wiedergabe des 'ού τί δν' mit 'nicht ein Etwas' (Benitz) bzw. 'nicht etwas Seiendes' (Seidl) ist problematisch, da dies unmittelbar an das bestimmte Dies oder Etwas, d.h. an das τόδε τι erinnert, das gerade als Ousia bzw. erstes Seiendes gilt (Met. Ζ 1, 1028al2). Gemeint ist hier jedoch die Abgrenzung der Ousia von allem unwesentlichen, lediglich ,in irgendeiner Weise' und insofern 'irgendwie' Seienden. - H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 377) betrachtet das akzidentell Seiende als das in irgendeiner Beziehung zur Ousia Seiende. Dies trifft streng genommen nur auf die Relation zu. Die Bezeichnung .irgendwie Seiendes' gilt hingegen für alle akzidentellen Prädikate, die von einer Ousia abhängig bzw. aussagbar sind. Vgl. J. Owens, op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 320, und D. Ross, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 159. - Vgl. hierzu auch Met. Θ 1, 1045b27ff.: „Nach dem Begriff des Wesens (λόγος της ουσίας) wird alles übrige als seiend bezeichnet, das Quantitative, das Qualitative und das übrige in dieser Weise Ausgesagte."

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' {Met. Ζ 1)

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τι) als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον), von dem akzidentelle Bestimmungen aussagbar sind. Akzidentien sind somit nur indirekt definierbar30. Die Ousia ist (2) der Erkenntnis nach (γνώσει) Erstes. Denn wissenschaftliche Erkenntnis geht nach Aristoteles auf das Unveränderliche, Allgemeine und Notwendige (vgl. An. post. I 8, 75b24-26). Dieses wird bei den aus Stoff und Form zusammengesetzten, sinnlich-wahrnehmbaren Einzeldingen durch ihre Wesensbestimmung ausgedrückt, die von akzidentellen, Materialität und Potentialität implizierenden Bestimmungen absieht und das wesentliche Wassein des wirklichen Einzelseienden angibt (vgl. Met. Ζ 6). Nach Met. Ζ 1 gilt als Ousia nun die Wasbestimmtheit (τό τί έστι), die vom stofflich gefaßten Einzelding im Rahmen der Definition, d.h. .begrifflich abtrennbar' (τω λόγω χωριστόν) ist31. Die Erkenntnis der Ousia als dem wesentlichen Wassein von etwas geht der Erkenntnis von dessen Akzidentien voraus. Wie Plato (vgl. Kap. I 5) betont also auch Aristoteles einen erkenntnistheoretischen Vorrang der Ousia vor allem übrigen Seienden32. Zwar kann man auch dieses - z.B. das Quantitative oder Qualitative - auf sein Wassein hin untersuchen (vgl. Top. I 9, Met. Ζ 4), da es offenbar graduelle Abstufungen der Erkenntnis gibt, aber in erster Linie und primär kommt nur den Ousiai als den „auf erste Weise Seienden" (Met. Ζ 1, 1028a30) ein wesentliches Wassein zu, dem Seienden gemäß den anderen Kategorien hingegen lediglich derivativ33. Schließlich ist die Ousia vor allem (3) das der Zeitordnung nach (χρόνφ), gemäß dem ontologischen Früher und Später Erste34. Denn die ontologische bzw. natürliche Priorität (κατά την φύσιν, vgl. Met. Δ 11, 1019a2ff.) der Ousia besteht darin, selbständig für sich existieren zu können (χωριστόν)35, d.h. keines 30 31

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Vgl. H. Happ, Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff, Berlin 1971,336. Nach der Ansicht von I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 589ff.) ist die Ousia als Gegenstand wissenschaftlichen Erkennens (vgl. Met. Ζ 10-12) ein Allgemeines; denn in Met. Ζ würden nicht individuelle Ousiai untersucht, da das Individuum nicht definierbar sei. - Als Ousia bestimmt Aristoteles jedoch nicht nur das Was-es-ist (τί έστι), sondern auch das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι). Zudem widerspricht eine schlechthin allgemeine Ousia der These von Met. Ζ 13. Ebenso würde auf diese Weise der χωριστόν-Begriff (vgl. Met. Η 1, 1042a29ff., vgl. Kap. II 3) auf die begriffliche Bedeutung begrenzt, seine ontologische Bedeutung als das selbständig für sich Existierende bliebe dann unberücksichtigt. Vgl. z.B. Plato, Euthyphr. IIa: „Die Ousia mußt du kennen, ehe du die Eigenschaften (πάθη) untersuchst." Zur kategorialen und ontologischen Differenzierung des Wasseins und der Essenz vgl. Met. Ζ 4, 1030al7-32, sowie Anm. 10 und 16. 'Χρόνος' meint hier das der (Zeit-) Ordnung nach Frühere. Die Ousia eines Einzelseienden ist als dessen .Ursache' diesem ontologisch vorgeordnet. - D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 160) und H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 92) setzen .zeitliche' Priorität unmittelbar gleich mit der Erstheit der Ousia nach (κατά την ούσίαν) bzw. der Natur nach. M. V. Wedin (Aristotle's Theory of Substance. The Categories and Metaphysics Zeta, Oxford 2000, 166, n. 20) identifiziert die zeitliche Priorität mit dem ontologisch Ersten. Die Gleichsetzung der ,zeitlichen' Priorität der Ousia mit dem Begriff des χωριστόν im ontologischen Sinne vertritt auch D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 63), dessen Kommentar allerdings insofern problematisch ist, als er - anders als Aristoteles - auch in Met. Ζ 1 an der Unterscheidung von Cat. 5 in erste und zweite Substanzen festhält (68). - Bostock Ubersetzt

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

anderen Trägers zu bedürfen, während die akzidentellen Bestimmungen von jener als ihrem Träger gerade nicht getrennt werden können (χωρίζεσθαι δύνατον της ουσίας, Met. Ζ 1, 1028a23f.). Aufgrund der einseitigen ontologischen Abhängigkeit dieses sekundären, ,unselbständigen' Seienden von der Ousia erweist sich dessen Existenz als derivativ36. Denn die ontologisch .späteren' Akzidentien gelten überhaupt nur insofern als seiend, als sie jenem „auf erste Weise Seienden" bzw. „auf jede Weise Ersten" (1028a32) als Attribute inhärieren, dem sie ontologisch bzw. zeitlich .nachgeordnet' sind. In der ontologischen Eigenständigkeit der Ousia ist also ihre Priorität gegenüber den Akzidentien begründet. Die Ousia ist als erste Kategorie allen anderen Kategorien zeitlich bzw. ontologisch ,vorgeordnet', da letztere der ersteren nicht notwendig zukommen müssen, sondern sich auch wieder ändern können, während die Ousia als Zugrundeliegendes beharrt37. Durch ihre Aufhebung würde das übrige Seiende die unwesentlichen Eigenschaften als ihre Akzidentien - mit aufgehoben (Met. Θ 8, 1050bl9; A 5, 1071a34f.; A 6, 1071b5), nicht aber umgekehrt. Auf diese Weise wird die Ousia von allem anderen Seienden abgegrenzt, was ex negativo bereits in der Diskussion um den ontologischen Status einiger akzidenteller Bestimmungen deutlich wurde. Das Relative ist z.B. gegenüber der Ousia nur ein „Nebenschößling" oder ein „Zubehör" (NE I 4, 1096al9ff.). Denn bei jedem „nur in zweiter Linie Seienden" muß notwendig ein „auf jede Weise Erstes (Met. Ζ 1, 1028a32) vorausgesetzt werden, das ontologisch vorangehen muß, dem nichts anderes mehr vorgeordnet werden kann, und von dem alles übrige Seiende in seiner Existenz abhängt. Unter allem kategorial je verschieden bestimmten Seienden ist die Ousia das einzige Seiende, das selbständig und an sich existiert, d.h. subsistiert38.

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χωριστόν - wie H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]), H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]), M. Bumyeat (Hrsg.), Notes on Book Ζ (op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 5) und R. Polansky (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 62, 64), der allgemein die enge Verbindung von Erstheit und Separabilität betont - auch hier mit 'selbständig abtrennbar'. Die definitorische χωριστόν-Bedeutung als begrifflich Abtrennbares ist hier wohl nicht gemeint, sonst fiele das Kriterium der ontologischen Priorität der Ousia (3) mit demjenigen ihrer deflatorischen Priorität (1) zusammen. Vgl. J. Hübner, op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 35, und J. Barnes, op. cit. [Einleitung, Anm. 17], 97. Vgl. J. Tricot, op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 348. - Alexander (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 461, 1-9) vergleicht die Ousia mit einer Vase, die immer mehr mit Wein - ihm entsprechen die verschiedenen wechselnden Akzidentien - gefüllt wird, aber an jedem Tag unterschiedlich. Für Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1257) gilt die Ousia als Erstes unter allen Seienden (prima inter omnia entia). G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 111) unterscheidet sie als „ens per se" vom „ens per altro", d.h. von dem Seienden aufgrund einer Substanz. M. V. Wedin (op. cit. [Anm. 34], 160) spricht zutreffend von einer ontologischen Bindung (ontological commitment) und Dependenz der Akzidentien von den Substanzen. - M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 238) schreibt den anderen Kategorien zu Recht ein nur „von der Usia geborgtes Sein" zu, worin der „Seinscharakter gründet, den sie an die Akzidentien weitergibt."

1. Die Frage nach dem ,auf erste Weise Seienden' (Met. Z I )

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Da die Ousia auf dreifache Weise das Erste (τό πρώτον) ist39, spezifiziert Aristoteles die von altersher übernommene und auch jetzt noch40 schwierige Frage, was das Seiende sei41 (τί τό öv), das auf mehrfache Weise verwendet wird (vgl. Met. Δ 7, Γ 2, Ν 2), auf die Frage, was das auf erste Weise Seiende (τό πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) die Ousia sei (τίς ή ουσία, 1028b4)42: Sie ist (1) ontologisch Erstes, da nur sie, als ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), selbständig für sich (χωριστόν) existieren kann. Es kann sich dabei um eine aus Materie und Form zusammengesetzte Ousia (ουσία συνθέτη) handeln oder um eine rein eidetisch bestimmte, immaterielle und immerwährende, daher göttliche Ousia (vgl. Met. Λ 1) oder sogar um die selbst völlig unbewegte, vollkommenste, alles andere aber letztlich bewegende Ousia, auf die das übrige Seiende teleologisch hingeordnet ist (vgl. Met. Λ 10). Die Ousia gilt (2) als definitorisch Erstes, da jede Wesensbestimmung der übrigen Kategorien notwendig diejenige einer Ousia (λόγος της ουσίας) implizit voraussetzt. Die Ousia ist (3) epistemologisch Erstes, da sie sich als das im Rahmen der Definition begrifflich .abtrennbare" (τω λόγω χωριστόν) wesentliche Wassein des veränderlichen, stofflichen Einzeldinges erweist und infolgedessen erst dessen wissenschaftliche Erkennbarkeit ermöglicht. Damit fungiert die Ousia - wie in Cat. 5 - auch in Met. Ζ als leitende Zentralbestimmung des Seienden, da das Spätere jeweils nicht ohne jenes Erste sein kann, wohl aber das Erste ohne das Spätere (Phys. VIII 7, 260b 16)43. Jener dreifache Vorrang der Ousia und ihre präformierende Bedeutung für alle anderen Kategorien ist so entscheidend, daß die Frage nach dem Seienden letztlich und wesentlich auf die Frage nach der Ousia hinausläuft; man kann daher von einer Ontologie der Ousia oder einer 'Substanz-Ontologie' bzw. von einer 'Ousiologie' sprechen44. Was jedoch dieses ,auf erste Weise Seiende' eigentlich sei, darüber gehen die Ansichten der philosophischen Tradition ebensoweit auseinander (vgl. Met. 39

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Nach Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 58) hängt bei den drei Prioritäts-Aspekten die definitorische und gnoseologische Erstheit von der ontologischen Priorität ab, während für Chr. Rapp (op. cit. [Anm. 9], 37-40) zu Recht alle drei Aspekte gleichermaßen konstitutiv sind. Möglicherweise ist diese Formulierung eine Anspielung auf Piatos Philebos ( 15d). Vgl. z.B. die Diskussionen in Piatos Sophistes um diese „Gigantomachie" (Soph. 246a). M. Heidegger hebt die zentrale Frage gelegentlich hervor. So endet Kant und das Problem der Metaphysik (1925/26, Frankfurt a.M. Ί965, 222) bezeichnenderweise mit diesem AristotelesZitat. - P. Aubenque (op. cit. [Einleitung, Anm. 16], 89, 92, 250) hingegen deutet diese „schwierige Frage" als ein „unlösbares Problem, ewiges Rätsel." - H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 40) betont zutreffend, daß sich aus jenem Diktum die Aufgabe ergibt, das Ousia-Problem zum Gegenstand eigener Untersuchungen zu machen, nachdem zuvor die allgemeinen Ansichten darüber referiert wurden (Met. Ζ 2). Vgl. D. Ross, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 160. G. Reale (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 318; op. cit. [Einleitung, Anm. 36], XXII, XXVII, 3, 33,43, 130, 163, 184, 330) bezeichnet die .Erste Philosophie' daher zu Recht als „fondamentalmente e essenzialmente usiologia" und wegen der Charakterisierung der Ousia als ontologische .Ursache' (αίτιον, vgl. Met. Ζ 17 und Kap. IV 5) bzw. „Ursprung" (άρχή, vgl. Met. Γ 2, 1003 b6) als „aitiologia" (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 192) oder „archeologia". Zur Kennzeichnung der Aristotelischen ,Ersten' Philosophie als 'Substanz-Ontologie' vgl. Kap. V 5.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

A 3-10) wie die damals gegenwärtigen Diskussionen der Akademie: So behaupteten z.B. die Eleaten und Milesier, das Seiende sei Eines, andere hingegen, wie die Atomisten, es sei mehreres. Einige hielten das Seiende für begrenzt, was für Empedokles mit seiner Konzeption der vier Elemente gilt und für die Pythagoreer, was aber auch auf Plato und seine Ideenlehre (vgl. Met. A 9, M 4-5) und auf die Platoniker der Akademie zutrifft. Andere sahen das Seiende als unbegrenzt an, z.B. Anaxagoras in seiner Lehre von den Homoiomerien, die allerdings offenbar eine Erfindung des Aristoteles sind. Ob aber jene Denker in ihren Theorien alle dasselbe und dasselbe wie Aristoteles unter Ousia verstehen, darf stark bezweifelt werden. Hier sind jedoch nur verschiedene Konzeptionen genannt, nicht deren Urheber. Die Diskrepanzen jener Theorien machen jedoch eine eigene Untersuchung des Aristoteles über die ontologisch zentrale Frage erforderlich, was denn Ousia eigentlich bedeutet, was in Met. Δ 8 nur skizzenartig und abbreviativ thematisiert wird (vgl. Kap. II). Die Erörterungen zu Met. Ζ 1 haben gezeigt, wie das auf mehrfache Weise verwendete Seiende zunächst auf das an sich ausgesagte Seiende gemäß den Kategorien {Met. Δ 7) spezifiziert wird, dieses wiederum auf die Ousia als erste Kategorie, von der alles übrige Seiende abhängt. Der Aristotelischen SubstanzAkzidens-Unterscheidung liegt somit die Kategorien-Einteilung alles Seienden konstitutiv und systematisch zugrunde. Da das kategorial je verschieden bestimmte Seiende auf ein Eines (προς εν, vgl. Met. Γ 2, 1003a33ff.) bezogen ist, „raffte" Aristoteles die Kategorien offenbar nicht - wie Kant ihm vorwarf „rhapsodistisch" „auf, wie sie ihm aufstießen" (vgl. Kritik der reinen Vernunft Β 107). Vielmehr steht die Bedeutungsvielfalt des Seienden in je verschiedenen Arten des Bezugs zu einem Ursprung (προς μίαν άρχήν, Met. Γ 2, 1003b5f.), und zwar zur Ousia als dem auf erste Weise Seienden {Met. Ζ 1, 1028a30). In der Hinordnung alles Seienden auf Eines (Pros-Hen-Relation) liegt auch die wissenschaftliche Einheit der Ersten Philosophie begründet, die keiner regionalen Einschränkung unterliegt und insofern eine allgemeine, d.h. für alles Seiende geltende Ontologie ist, als sie sowohl alles primär Seiende - die Ousiai (vgl. Met. Λ 1) - als auch alles sekundär Seiende umfaßt, das ontologisch auf primär Seiendes hingeordnet ist. Die Pros-Hen-Relation alles abgeleiteten Seienden zur Ousia steht offenbar auch in Met. Ζ 1 im Hintergrund der Erörterungen 45 . Wie gesehen wird in den Untersuchungen der Ersten Philosophie das aus Hyle und Eidos zusammengesetzte Einzelwesen weiter analysiert im Hinblick auf seine notwendigen Konstituentien, d.h. auf seine ontologisch konstitutiven Möglichkeitsbedingungen als ,erste Ursachen'. Dabei darf dasjenige, wodurch das bestimmte Einzelwesen erst ist, was es ist, nicht von ihm getrennt sein, sondern muß dem jeweiligen Einzelnen immanent sein, dessen wesentliches Wassern es ausmacht (είδος τό ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29, vgl. Kap. III 3-4).

45

Vgl. Chr. Rapp, op. cit. [Anm. 9], 17; M. V. Wedin, op. cit. [Anni. 34], 159.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) (Met. Ζ 3) In den vorangegangenen Erörterungen wurde dargelegt, auf welche Weise in Met. Ζ 1 die Ousia ontologisch ausgezeichnet wird als „erstes" (πρώτον) bzw. „auf erste Weise" (πρώτως) und als schlechthin oder einfachhin Seiendes (άπλώς öv). Diesem Seienden inhärieren akzidentelle Eigenschaften, die als auf sekundäre Weise Seiende jeweils eines ihnen Zugrundeliegenden bedürfen. Aufgrund der ontologischen Abhängigkeit alles übrigen Seienden von einem vorrangig Seienden kommt diesem auf dreifache Weise Priorität zu: als ontologisch Erstes, definitorisch und als der Erkenntnis nach Erstes. Daher wurde in Met. Ζ 1 die alte Frage der Philosophie „Was ist das Seiende?" zugespitzt auf die Frage „Was ist die Ousia?" Angesichts mehrerer konzeptionell voneinander differierender Ousia-Theorien (Plato, Speusipp, Xenokrates), die in Met. Ζ 2 referiert werden46, untersucht Aristoteles die Frage nach der Ousia, und zwar daraufhin, welchen Kriterien für die Ousia-Bestimmung konstitutive Bedeutung zukommt. Es soll zunächst „den Grundzügen nach" (Met. Ζ 2, 1028b31)47 bestimmt werden, was Uberhaupt Ousia sein kann; erst nach eingehenden Analysen wird sich herausstellen, welche der erörterten Bedeutungen von Ousia, d.h. welche .Kandidaten' sich als eigentliche, primäre Ousia erweisen. Damit wird bereits die Möglichkeit offengehalten, die Ousia-Lehre gegebenenfalls noch zu erweitern bzw. zu differenzieren (vgl. Met. Λ 1). Dies setzt allerdings zunächst eine Klärung des Ousia-Begriffs voraus.

a) Die vier Hauptbedeutungen der Ousia Met. Ζ 3 behandelt, ausgehend von einer Auflistung von vier Ousia-Bedeutungen, insbesondere die Frage, ob - wenn das Zugrundeliegende (ύποκείμενον) als Ousia gilt - vor allem die Materie (ΰλη) vollbestimmte Ousia sein kann. Die Erörterungen zur Ousia stehen - wie in Cat. 5, Met. Δ 8 und Ζ 1 weiterhin im Kontext der einfachen Aussage: „Ousia wird, wenn nicht in mehr, so doch in vier Hauptbedeutungen gebraucht (λέγεται)." (Met. Ζ 3, 1028b33)48

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Zu diesen Ousia-Bestimmungen vgl. Kap. II. - Wegen der vielfältigen Gemeinsamkeiten mit Met. Δ 8, auf die bereits in Kap. II eingegangen wurde, sei im folgenden auf eine dezidierte Analyse von Met. Ζ 2 verzichtet. A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 43) erklärt diese Formulierung zutreffend damit, dem Leser (bzw. Hörer) zunächst eine vorläufige Vorstellung von dem jeweiligen Gegenstand zu ermöglichen. Vgl. auch Cat. 2, lb27: „um es umrißhaft zu sagen" oder De an. II 1, 413a9; II 4,416b30. Zur Wiedergabe des λέγεται vgl. Anm. 5.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Folgende vier Ousia-Bestimmungen finden sich - zumindest teilweise auch in anderen Theorien, so daß nicht alle Aristoteles' eigene Ousia-Lehre widerspiegeln49 oder ihr eigentümlich sein müssen. Für Ousia werden gehalten: (1) die Essenz (το τί ήν είναι, vgl. Kap. II 2d) (2) das Allgemeine (τό καθόλου) (3) die Gattung (τό γένος) (4) das Zugrundeliegende (τό ΰποκείμενον) Die späteren Darlegungen, welche diese Reihenfolge nicht beibehalten, werden im einzelnen zeigen, welche dieser ,Kandidaten' für Aristoteles letztlich als Ousia gelten und inwiefern, und welche von ihnen nicht und aus welchen Gründen. Die Auflistung gibt also zugleich einen programmatischen Überblick über die Ousia-Lehre von Met. Z: Die Essenz (τό τί ήν είναι) (1) entspricht der genuin Aristotelischen Theorie, die in Met. Ζ 4-6 und Met. Ζ 10-12 expliziert wird (vgl. Kap. III 3-4). Da in Met. Ζ 13 ausdrücklich zurückgewiesen wird, daß das Allgemeine (τό καθόλου) (2) Ousia sein könne (1038M2-15) - was offenbar gegen die Platonische Ideenlehre gerichtet ist, welche die allgemeinen Ideen für Ousiai hält - trifft dies offenbar auch für die Gattung (τό γένος) (3) zu, da jede Gattung notwendigerweise ein Allgemeines sein muß (Met. A 9, 992b 12). Demnach kann auch keine Gattung Ousia sein50 - im Unterschied zu Cat. 5, wo die Gattungen immerhin noch als zweite Ousiai gelten (vgl. Kap. I). Offenbar werden sich in Met. Ζ nicht alle oben erwähnten .Kandidaten' für Aristoteles als Ousiai erweisen, wie auch in Met. Δ 8 (vgl. Kap. II); es werden zudem nicht alle auf dieselbe Weise als Ousia charakterisiert: Die ersten drei Bestimmungen bezeichnet Aristoteles nämlich nicht als Ousia schlechthin, sondern - wie in Met. Δ 8 die Essenz (τό τί ήν είναι) - als Ousia des jeweiligen Einzelnen (ουσία έκάστου) 51 . Auf diese Weise wird - unabhängig von der expliziten Entsubstantialisierung der Universalien in Met. Ζ 13 - die Abgrenzung von Piatos Ousia-Lehre deutlich. Denn nach Aristoteles ist die Ousia stets auf das jeweilige Einzelne (εκαστον) bzw. auf das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι, vgl. Cat. 5, Met. Δ 8, Ζ 1) bezogen. Als vierte Ousia-Bedeutung nennt Aristoteles abschließend das logischgrammatisch und ebenso ontologisch Zugrundeliegende (ΰποκείμενον), das bereits in Cat. 5 als erste Ousia ausgezeichnet wurde. Diese Ousia-Bestimmung wird in Met. Ζ 3 untersucht52, und zwar unter der Fragestellung, ob die Ousia im "

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Vgl. A. Schwegler, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 41f. Vgl. D. Ross, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 164. Dies betont auch R. Bolton (Science and the Science of Substance in Aristotle's Met. Ζ, in: Pacific Philosophical Quarterly 76, 1995,419-469, hier: 442). Für J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 329) wird das Hypokeimenon wegen seiner evidenten Rolle in den logischen Schriften als erste der vier Ousia-Bedeutungen thematisiert. Möglicherweise knüpft Aristoteles lediglich an die zuletzt genannte, noch unmittelbar gegen-

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

75

vollbestimmten Sinn hinreichend dadurch charakterisiert werden kann, Zugrundeliegendes oder „erstes Zugrundeliegendes" (πρώτον ύποκείμενον) zu sein. Im folgenden bezeichnet Aristoteles das Zugrundeliegende als dasjenige, von dem das Übrige ausgesagt wird (τα αλλα λέγεται), das selbst aber nicht von einem Anderen prädiziert wird. Es liegt daher in logisch-grammatischer Hinsicht als Subjekt jeder Aussage zugrunde und kann somit nie Prädikat (κατηγορούμενον) sein, sondern fungiert vielmehr überhaupt als Ermöglichungsgrund für das Prädizieren (κατηγορείν) aller anderen Bestimmungen. Aristoteles hält insofern an der am kategorischen Urteil ausgerichteten Ontologie von Cat. 5 mit ihrer ex negativo formulierten Ousia-Bestimmung (vgl. Kap. I 1) in der Metaphysik fest53. Mit „dem Übrigen", das von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird, sind nicht nur die Universalien gemeint - die in einer Wesensbestimmung 'essentiell' prädiziert werden, weil sie das wesentliche Wassein des jeweils Zugrundeliegenden angeben - sondern auch die unwesentlichen Eigenschaften, die von jenem als akzidentelle Bestimmungen aussagbar sind und nur insofern als seiend gelten, als sie einem Zugrundeliegenden inhärieren. Das Hypokeimenon hat also stets eine zweifache Bedeutung: (1) als logisch-grammatisches Subjekt einer einfachen Aussage und (2) als ontologisches Substrat. Beide Bedeutungen des Zugrundeliegenden sind jedoch nie völlig voneinander zu trennen: Denn das logisch-grammatische Verhältnis von Subjekt und Prädikat in einem kategorischen Urteil spiegelt zugleich ein ontologisches Verhältnis wider, nämlich zwischen einem Subsistierenden als Zugrundeliegenden der Ousia - und einem diesem Inhärierenden, den Akzidentien54. Das logische Subjekt einer Aussage erweist sich ontologisch als ein selbständig für sich existierendes, bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι και χωριστόν). Daher sind Aussagen nur dann sinnvoll, wenn sie sich auf real Seiendes beziehen und ihre Bestimmungen mit ihm ontologisch übereinstimmen. Aufgrund dieser logischen und ontologischen Vorrangstellung des Zugrundeliegenden ist es notwendig, dies näher zu analysieren, da das „erste Zugrundeliegende am ehesten (μάλιστα) 55 Ousia zu sein scheint." (Met. Ζ 3, 1029aIf.)

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wältige Ousia-Bestimmung an, unabhängig von einer ontologischen oder erkenntnistheoretischen Dignität. Auch in Met. Ζ 1 wird die letztgenannte Weise der Priorität der Ousia als erste erörtert (vgl. Kap. III 1). Vgl. auch die Zusammenfassung von Met. Δ 8 (vgl. Kap. II 3) mit der ersten Hauptbedeutung des letzten Zugrundeliegenden (έσχατον ύποκείμενον) und die urteilslogische Kennzeichnung des „auf erste Weise Seienden" (πρώτως öv) in Met. Ζ 1 (vgl. Kap. III 1). Vgl. W. Marx, op. cit. [Kap. II, Anm. 19], 39. Die Wiedergabe von 'μάλιστα ουσία' ist schwierig. H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) und H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) übersetzen 'am meisten Ousia', aber nach Cat. 5 (3b32-4al0) läßt die Ousia kein Mehr oder Minder zu, weder unter den ersten noch unter den zweiten Ousiai (vgl. Kap. I 4). Da es in Met. Ζ 3 um die sinnlich-wahrnehmbare, mit körperli-

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik

Ζ

Was ist in diesem Zusammenhang jedoch unter 'Erstheit' zu verstehen? Obwohl der menschliche Erkenntnisprozeß auf das 'an sich' (καθ' αυτό) Erste geht als das allem anderen Zugrundeliegende, erweist sich dieses Ziel des Erkennens als das 'für uns' (προς ήμάς) Letzte (vgl. Phys. I 1, 184al6ff., Met. Ζ 3, 1029bl12). Erstheit und Letztheit fallen somit je nach Argumentationsrichtung zusammen56. Möglicherweise ist in jenem Zitat (1029alf.) mit dem „ersten Zugrundeliegenden" eher das logisch-grammatische Subjekt der Prädikation gemeint, das diese erst ermöglicht. Wenn allerdings alles Übrige von ihm ausgesagt wird und es allen Prädikaten zugrundeliegt, dann ist es ihnen vorgeordnet, was bei Aristoteles nicht nur logisch-grammatisch, sondern letztlich ontologisch aufzufassen ist. Die Ousia als das auf erste Weise Seiende (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) fiingiert also auf beiderlei Weise als das allem Anderen Zugrundeliegende. Es ist deutlich geworden, daß Aristoteles das Hypokeimenon - wie das Seiende (τό öv) und das Eine (τό εν) - offenbar „auf mehrfache Weise" verwendet (πολλαχώς λέγεται): Denn 'erstes Zugrundeliegendes' meint einerseits das logisch-grammatische Subjekt aller Prädikationen (vgl. Cat. 5, Met. Δ 8, Ζ 1), andererseits das physikalische Substrat aller sublimaren Bewegung (vgl. Phys. I 7) sowie das kosmologisch-ontologisch Zugrundeliegende, das letztendlich jede sublunare Veränderung gewährleistet, die wiederum auf der Kreisbewegung der äußersten Himmelssphäre und auf der Bewegung der Sonne in der Ekliptik beruht (De gen. et corr. II 10, 336a31; Met. Λ 5, 107lai5). Jene Kreisbewegung wird ihrerseits auf eine erste, selbst unbewegte Bewegungsursache zurückgeführt (vgl. Met. Λ 8-10, vgl. Kap. V 2), die auf gewisse Weise alles andere Seiende konstituiert und diesem insofern als letzte bzw. erste .Ursache' zugrundeliegt (vgl. Kap. IV 5) - und zwar im Sinne einer ontologisch-kosmologisch konstitutiven Möglichkeitsbedingung.

b) Die dreifache Differenzierung des Hypokeimenon Nach der urteilslogischen Charakterisierung der Ousia als Hypokeimenon und in Anbetracht der Bedeutungsvielfalt stellt sich die Frage nach der ontologi-

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cher Materialität behaftete Ousia geht, ist hier der Verweis auf Met. Λ 1 und auf die dreifache Differenzierung des Ousia-Begriffs nicht angebracht, ebensowenig die Deutung von D. Morrison (The Evidence for Degrees of Being in Aristotle, in: Classical Quarterly 37, 1987, 382-401, hier: 388, 393), der 'μάλλον öv' bzw. 'μάλιστα ούσία' als Seinsabstufiingen auffaßt. - Im Kontext von Met. Ζ 3 sollte man 'μάλιστα ούσία' mit 'am ehesten' oder 'im strengsten Sinne Ousia' wiedergeben, wie M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 37,40). Daher gibt D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 75) 'πρώτον' mit 'letztlich' wieder. Vgl. die erste Hauptbedeutung der Ousia von Met. Δ 8 als letztes Zugrundeliegendes (έσχατον ύποκείμενον). - Nicht in diesen Zusammenhang gehört das allem Werden und aller sublunaren Veränderung „erste Zugrundeliegende": die πρώτη υλη. Vgl. hierzu Kap. III 2d.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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sehen Bedeutung des Zugrundeliegenden: Im folgenden wird es in drei Bedeutungen explizit differenziert (Met. Ζ 3, 1029a2ff.): solcher Art (τοιούτον) 57 ist (1) auf eine Weise (τρόπον τι να) 58 die Materie (ϋλη), (2) auf eine andere Weise die eidetisch bestimmte Gestalt (μορφή), (3) auf dritte Weise schließlich das aus diesen (τό έκ τούτων) zusammengesetzte Ganze, d.h. das bestimmte Einzelwesen. Damit sind bereits hier die weiteren Fragestellungen programmatisch festgelegt, denen in Met. Ζ 3 nachgegangen wird: Kommt allen Hypokeimenon-Bedeutungen Ousia-Charakter zu und allen auf dieselbe Weise? Oder gilt möglicherweise etwas als Zugrundeliegendes, nicht aber unbedingt und notwendigerweise als Ousia, d.h. als an sich und eigentlich Seiendes? Das zusammengesetzte Ganze (3) als ontologisch und logisch-grammatisch Zugrundeliegendes hält Aristoteles für Ousia, was auch Beispiele aus Cat. 5 nahelegen (vgl. Kap. I 1-2). Diese Lehre wird zwar in Met. Δ 8 und Ζ 1 aufgenommen, in bestimmter Hinsicht geht die Ousia-Konzeption der Metaphysik allerdings über die frühe Ontologie hinaus: Denn sie faßt das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), das den übrigen akzidentellen Bestimmungen zugrundeliegt, als ein Synholon auf, d.h. als ein aus zwei Komponenten - Materie (ύλη) (1) und Form bzw. Gestalt (μορφή, είδος) (2) - bestehendes und daher zusammengesetztes Ganzes (3) „aus diesen" (τό έκ τούτων). Die beiden Konstituentien liegen insofern als .Gründe' (άρχαί) oder ,Ursachen' (αίτίαι) jenem (3) zugrunde. In diesem Zusammenhang rekurriert Aristoteles offenbar auf seine Vier-UrsachenLehre der Physik (vgl. Phys. II 3)59. Die Gestalt (μορφή) (2) bei den Artefakten entspricht dem Eidos bei den Lebewesen 60 und gilt insofern nach Cat. 5 als - wenn auch nur zweite - Ousia. In Met. Δ 8 fällt die Gestalt ausdrücklich unter die zweite Ousia-Hauptbedeutung (είδος και μορφή έκάστου), allerdings abgegrenzt von dem letztlich Zugrundeliegenden (εσχατον ύποκείμενον) als erster Hauptbedeutung. Auf diese implizite Weise - als Gestalt (μορφή), die zweite Hypokeimenon-Bedeutung - findet

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R. Boehm (Das Grundlegende und das Wesentliche. Zu Aristoteles' Abhandlung „Über das Sein und das Seiende" (Metaphysik Z), Den Haag 1965, 40-54) bezieht 'τοιούτον' auf Ousia (Met. Ζ 3, 1028b33), nicht auf Hypokeimenon und hält die Ousia-Lehre von Met. Ζ wegen der nicht hinreichenden (angeblichen Ousia-)Bestimmung fllr aporetisch und unzulänglich. - Auch C. Georgiadis (The Criteria of Substance in Met. Δ 8, Ζ 3 and Η 1, in: Bulletin of the Institute of Classical Studies 25, 1978, 89-91) bezieht 'τοιούτον' auf Ousia, bemerkt aber zugleich die Inkonsistenz mit Met. Η 1, 1042a26. H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) übersetzt τρόπον τινα mit 'auf gewisse Weise', was jedoch im Griechischen eher 'πώς' entspräche. So werden z.B. in Met. Ζ 1 Akzidentien als nur 'in gewisser Weise seiend' (πως όν) bezeichnet. Zu weiteren expliziten Verweisen auf diese Lehre vgl. Met. A 3, Δ 2, An. post. II 11,94a20-23. Deshalb übersetzt H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) μορφή hier mit „Form".

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

sich also auch das Eidos unter den Ousia-Kandidaten61 von Met. Ζ 3 (1028 b33ff.). Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß das Eidos häufig mit dem τί ήν είναι identifiziert wird {Met. Ζ 7, Ζ 11, vgl. Kap. III 3), ist es sogar auf zweifache Weise unter jenen vertreten. Die sinnlich-wahrnehmbare Hyle (1) bildet ein neues Moment in der OusiaLehre, wenn in Met. Ζ 3 der Frage nachgegangen wird, ob die Hyle als erste der drei Hypokeimenon-Bedeutungen auch Ousia sein kann. Der Begriff der Materie, die im umgangssprachlichen Gebrauch soviel wie Holz und Wald, dann auch Rohmaterial bedeutete und als philosophischer Terminus ursprünglich „das, woraus etwas entsteht" (τό έξ οΰ, Phys. VII 3, 245bl0, Met. Ζ 7, 1033a5) meint62, wird allerdings je nach Kontext „in mehreren Bedeutungen" verwendet63. Außerdem muß bei 'erster Materie' (πρώτη ϋλη) bzw. 'letzter Materie' (έσχατη ΰλη) je nach Argumentationsrichtung differenziert werden, nämlich gemäß den Betrachtungsweisen 'für uns' (προς ημάς) und 'an sich' (καθ' amó). 'Für uns' erweist sich die bereits eigenschaftlich bestimmte, (mit dem Finger) ,anzeigbare' Materie (materia signata) als erste Materie (πρώτη ΰλη), an sich hingegen als letzte Materie (έσχατη ϋλη), d.h. als die oberste und differenzierteste Stufe der Materie, der Ousia-Charakter zukommt - wenn auch nur auf eingeschränkte Weise, nämlich der Möglichkeit nach (δυνάμει ουσία, Met. Η 2, 1042b9f.; Λ 5, 1071a3-l l) 64 . Die Unterscheidung des Zugrundeliegenden in seine Bedeutungen Materie (1), Gestalt (2) und zusammengesetztes Ganzes (3) wird nun anhand von Artefakten, und zwar am Beispiel des Erzes und der Bildsäule (vgl. Phys. II 3) illustriert: Das Erz repräsentiert die Materie, die Figur die Gestalt (μορφή) und die Bildsäule das aus diesen (τό έκ τούτων) Zusammengesetzte (Synholon). Unter Materie ist hier die materia signata zu verstehen. Als eine solche Materie ist Erz einerseits ein bereits Geformtes und irgendwie Bestimmtes, andererseits ein Bestimmbares, noch näher zu Bestimmendes, da es im Hinblick auf das herzustellende (Kunst-) Werk noch weiter determiniert werden muß durch die Gestalt (μορφή) als Bestimmendes und Formendes. Daß es in jenem Beispiel nicht um Lebewesen, sondern um Artefakte geht, ist für die dreifache Differenzierung des Hypokeimenon-Begriffs unerheblich65.

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Das Fehlen des Eidos bei der Auflistung der Ousia-Bedeutungen zu Beginn von Met. Ζ 3 bemerkt auch I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 613), was bereits H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 301) für ein Versehen („lapsus") hielt, das durch die Subsumtion des Eidos unter das Hypokeimenon beseitigt wird. Vgl. hingegen die „χώρα" bei Plato, die dasjenige ist, „in dem etwas entsteht" (Tim. 50d). Vgl. hierzu I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 613) und H. Happ (op. cit. [Anm. 30], 798ff.), der sie als ein oberstes Seinsprinzip (309, 684ff.) auffaßt und infolgedessen Aristoteles' Konzeption als unmittelbare Fortsetzung der platonisch-akademischen Zwei-Prinzipien-Lehren (703). Vgl. H. Happ, op. cit. [Anm. 30], 307, und A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 56, 127. Bereits Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1277) bemerkt, daß es lediglich um ein Ähnlichkeitsverhältnis geht: Die Figur verhält sich zum Erz bei den Artefakten wie die Form (forma substantial) zur Materie bei den Lebewesen.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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Auf diese Weise wird die Vielschichtigkeit des Zugrundeliegenden deutlich, das nun ontologisch klassifiziert wird: Aristoteles erklärt, ohne dies weiter zu begründen, das Eidos - bzw. bei Artefakten die Gestalt (μορφή) - sei der Materie vorgeordnet und eher seiend (μάλλον öv)66, also ontologisch vorrangig, woraus notwendigerweise eine Priorität gegenüber dem Synholon folge. Mit dieser Vorrangstellung des Eidos als ontologisch primäres Zugrundeliegendes wird die Ousia-Lehre von Cat. 5 modifiziert, in der .dieser bestimmte Mensch' (ό τις άνθρωπος) bzw. ,dieses bestimmte Pferd' (ό τίς ϊππος) - bestimmte Einzelwesen und Zugrundeliegende - als primäre Ousiai bezeichnet wurden (vgl. Kap. I). Ob und auf welche Weise jene Auszeichnung des Eidos als ontologisch Früheres (πρότερον) und ,eher' Seiendes (μάλλον öv) - d.h. als im strengeren Sinne Seiendes - auch dessen Ousia-Charakter betrifft, wird nicht näher erklärt, liegt allerdings nahe. Denn die ontologische Dignität des Eidos wird in Met. Ζ 4-6 und Ζ 12-13 näher analysiert, wo die Frage untersucht wird, wie das Eidos Ousia sein kann 67 . Die bisherigen Darlegungen werden folgendermaßen zusammengefaßt: Es sei „im Umriß" 68 - d.h. in einer groben, oberflächlichen und nur vorläufigen Skizze - bestimmt, was Ousia sei: Sie wird nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, sondern das Übrige von ihm. Die urteilslogische Orientierung der Ousia-Lehre von Cat. 5 und Met. Δ 8 wird somit auch in Met. Ζ 3 beibehalten. Im Unterschied zu den bisherigen Erörterungen zum Hypokeimenon wird dieses ausdrücklich auf dreifache Weise differenziert, so daß sich hier die Frage nach dem Ousia-Charakter des jeweils Zugrundeliegenden stellt: Gilt von den drei genannten Hypokeimenon-Bedeutungen die Hyle (1), die Morphe bzw. das Eidos (2) oder das Synholon (3) als Ousia? Die bereits in Cat. 5, Met. Δ 8 und Ζ 1 genannte, ex negativo formulierte logisch-grammatische Bestimmung der Ousia als ein Zugrundeliegendes, das stets auf real Seiendes bezogen ist und somit ontologische Bedeutung hat, wird als nicht ausreichend und unklar (Met. Ζ 3, 1029al0) disqualifiziert. Auf diese Weise wird auch eine Weiterentwicklung der Ontologie gegenüber Cat. 5 deutlich: Während dort nur das bestimmte Einzelwesen als das Zugrundeliegende und damit als erste Ousia gilt, wird in Met. Ζ 3 auch dem Eidos (als Morphe bei 66

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Zur Wiedergabe des 'μάλλον öv' - nämlich nicht im Sinne von Seinsabstufüngen, wie es H. Bonitz, H. Seidl und H. Schmitz durch 'mehr seiend' nahelegen - vgl. Anm. 20 und 55. Daß mit der ontologischen Priorität des Eidos gegenüber Hyle und Synholon „Aristoteles um sein Publikum werbend platonisierend spricht" und daher den „ontologischen Komparativ" verwende, wie Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 47f.) betont, bleibt eine Vermutung und problematisch, da gerade nach Aristoteles' eigener Lehre das Eidos primär Ousia ist (Met. Ζ 7, 1032blf.), jedoch nicht im Sinne des Platonischen Eidos als schlechthin Allgemeines, sondern als „είδος τό ένόν" (Met. Z Ì I , 1037a29), das nie selbständig für sich existieren kann, sondern stets bezogen ist auf das jeweilige Einzelne (είδος έκαστου, vgl. Met. Ζ 7, 1032blf.). Zur Vorwegnahme weiterer Analysen von Met. Ζ vgl. E. Tugendhat (op. cit. [Einleitung, Anm. 46], 70) und neuerdings J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 67). Zu dieser Formulierung des Aristoteles vgl. Anm. 47.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik

Ζ

Artefakten) und der Hyle ein bestimmter Subjekt-Charakter zugeschrieben. Zugrundeliegendes zu sein, erweist sich daher als ein nicht hinreichendes und infolgedessen unklares Ousia-Kriterium, da dann sogar die Materie zur Ousia würde (γίγνεται). Die Hyle ist offenbar nicht aus sich Ousia, sondern wird erst zur Ousia, wenn man das Hypokeimenon als alleinige Ousia-Bedingung ansetzt. Der folgende hypothetische Gedankengang soll mit der Bestimmung der Materie als Ousia methodisch aufzeigen, daß das bisherige Ousia-Kriterium - Zugrundeliegendes zu sein - für die weiterentwickelte, innere Konstitutionsbedingungen des Einzelnen analysierende Ousia-Lehre der Metaphysik nicht genügt.

c) Kann die Materie als Hypokeimenon Ousia sein? Aristoteles diskutiert in einer argumentatio ad absurdum den Ousia-Charakter der Materie, die als Zugrundeliegendes gilt, wobei er hypothetisch einen materialistischen Standpunkt einnimmt, demgemäß die Hyle Ousia ist: „wenn diese nicht Ousia ist, entgeht uns, was das übrige ist." 69 (Met. Ζ 3, 1029al lf.)

Bei dem folgenden „Gedankenexperiment"70 wird unter der Voraussetzung, daß die Materie Ousia ist, von einer bereits eigenschaftlich bestimmten , anzeigbaren' Materie (materia signata) das Übrige weggenommen, so daß nichts als das irreduzibel Zugrundeliegende zurückbleibt, das durch das Übrige weiter bestimmt wird, nämlich die Materie. Was mit „dem Übrigen" eigentlich gemeint ist, wird nun näher erläutert: Dies sind einerseits die Affektionen (πάθη), Eigenschaften und Vermögen oder Kräfte (δυνάμεις) der Körper (Met. Ζ 3, 1029 al2f.) - d.h. meist qualitative Bestimmungen - andererseits die quantitativen Dimensionen, also Länge, Breite und Tiefe71. Möglicherweise werden beiläufig 69

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H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 384) übersetzen: „was sonst Wesenheit sein sollte." Dies ist jedoch bereits eine Interpretation, die der griechische Text (τίς έστιν άλλη) nicht unbedingt erfordert. Vielmehr gilt stets die Ousia - in diesem Argument die Materie - als ontologisch konstitutive Möglichkeitsbedingung für das, „was das übrige ist" (τίς έστιν άλλη). Vgl. H. Happ, op. cit. [Anm. 30], 662; A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 146; und H. Schmitz, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1,48, 52. In der Forschung wurde häufig eine „zweifache Abstraktion" behauptet: So spricht H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 50) von einer „schichtenden Abstraktion", D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 165), T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 208) und neuerdings M. V. Wedin (Subjects and Substance in Metaphysics Ζ 3, Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996,41-73, hier: 54) sprechen von „zwei Stadien". H. Happ (op. cit. [Anm. 30], 622, 661ff.) unterscheidet „zwei Substraktionsgänge", bei denen zuerst die Affektionen, Erzeugnisse und Vermögen der Körper abstrahiert würden und anschließend die quantitativen Dimensionen. - Wenn aber bereits zu Beginn „das Übrige" weggenommen wird, kann man nicht in einem zweiten Abstraktionsschritt davon noch die Dimensionen abstrahieren. Es handelt sich eher um nähere Explikationen dessen, was „das Übrige" ausmacht: Sowohl Affektionen als auch Dimensionen werden weggenommen, so daß am Ende nur Materie übrigbleibt.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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bei der Thematisierung der Abstraktion von Dimensionen auch akademische Lehren kritisiert, welche - im Unterschied zu Aristoteles (vgl. Met. M-N) Mathematika als Ousiai auffassen, wie z.B. Speusipp. Es wird jedoch im Argument ausdrücklich betont, daß die Dimensionen als akzidentelle - nämlich quantitative - Bestimmungen selbst nicht Ousiai sein können, sondern ihrerseits Ousiai voraussetzen, denen sie lediglich inhärieren (vgl. Met. Ζ l) 72 . Als Ousia gilt im vorliegenden materialistischen Argumentationsgang die Materie, und zwar als das jenen Akzidentien Zugrundeliegende, von dem somit alles abstrahiert werden kann, was in einer der anderen Kategorien aussagbar ist, also alle qualitativen, quantitativen, relativen, temporalen und lokalen Bestimmungen. Wenn man „die Sache so betrachtet" (Met. Ζ 3, 1029al9), d.h. wenn man vorübergehend eine solche materialistische Auffassung vertritt, erweist sich die Materie, das „erste Zugrundeliegende" (πρώτον ύποκείμενον), notwendigerweise als alleinige Ousia (μόνην οϋσίαν) 73 . Eine solche Ousia-Lehre, nach der das Einzelwesen lediglich aus Stoff und Eigenschaften besteht, kann man den ionischen Naturphilosophen oder den Atomisten zuschreiben (vgl. Met. A 3, 983 b6-18), nicht jedoch Aristoteles74. Denn abgesehen von den anderen Hypokeimenon-Bedeutungen, die er zu Beginn von Met. Ζ 3 unterschieden hatte - Eidos bzw. Morphe (2) und Synholon (3) - , die in jenem Argument gar nicht erörtert werden, kommt nach seiner Lehre gerade dem Eidos Ousia-Charakter zu und nicht dem Qualitativen, Quantitativen usw. (vgl. Kap. III 1 zu Met. Ζ 1). Daher zeigt weder dieser hypothetische Gedankengang die aporetische Unzulänglichkeit von Aristoteles' Ousia-Begriff 75 noch wird auf diese Weise die Bestimmung der genuin Aristotelischen Ousia als Hypokeimenon ad absurdum geführt. Die Hyle ist zwar erstes Zugrundeliegendes für alles andere, ist sie aber deswegen zugleich primär Seiendes, d.h. Ousia?

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Daher ist es problematisch, das ganze Argument - wie M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 44) und J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 63) - für eine Kritik an einer platonistischen Theorie zu halten, evtl. an Speusipps Konzeption. - Vielleicht läBt sich unabhängig davon der Gesamtkontext erhellen, wenn man Cat. 5 und Met. H 1-2 hinzuzieht. Es ist in der Forschung ebenfalls umstritten, was nach der Abstraktion übrigbleibt: Für M. Loux (op. cit. [Einleitung, Anm. 29], 60) ist dies die Ousia, und zwar gemäß Cat. 5, jedoch ohne ihre Akzidentien, nach J. HUbner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 60) und M. V. Wedin (op. cit. [Anm. 71], 55) hingegen die Materie, wie es die Argumentation erfordert. Gemäß der Deutung von M. Schofield (Metaphysics Ζ 3. Some Suggestions, in: Phronesis 17, 1972, 97-101, hier: 99f.) bleibt am Ende überhaupt nichts übrig, da zwar alles abstrahiert werde außer der Materie, diese jedoch nichts Wahrnehmbares sei. Er konzediert allenfalls einen ausgedehnten Stoff, negiert aber eine „erste Materie" (πρώτη ϋλη) und ist daher gezwungen, die Stelle, die eine solche Materie nahelegt (Met. Ζ 3,1029al8), als „inept gloss" zu disqualifizieren. M. L. Gill (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], ch. 1) meint daher zu Recht, daß jenes Argument Aristoteles' eigenen Materie-Begriff nicht betreffe. - Dagegen hält E. Buchanan (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 25) die früheren Materie-Theorien nicht oder allenfalls sekundär für den Gegenstand der Kritik, sondern die Ousia-Lehre von Cat. 5, was textlich kaum gestützt wird, zumal sich der Materie-Begriff dort überhaupt nicht findet. Zu dieser Deutung vgl. R. Boehm, op. cit. [Anm. 57],

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik

Ζ

Aristoteles verneint dies entschieden, indem er im folgenden die Hyle als dasjenige bezeichnet, das an sich (καθ' αΰτήν) weder ein Etwas (τι) noch ein Quantitatives noch irgendetwas anderes von den allgemeinen Bestimmungen des Seienden genannt wird (Met. Ζ 3, 1029a20f.). Die Materie für sich selbst betrachtet - und nicht als ein bereits eigenschaftlich irgendwie Bestimmtes, Geformtes wie im Erz-Beispiel - fällt offenbar weder unter die erste Kategorie das τί έστι oder τόδε τι, d.h. unter die Ousia (vgl. Met. Ζ 1) - noch unter eine der anderen Kategorien, so daß sie auch nicht zu den Akzidentien gehört. Die Materie als solche liegt vielmehr außerhalb des kategorial bestimmten, an sich ausgesagten Seienden (Met. Δ 7) , da sie weder primär Seiendes, d.h. Ousia sein kann noch akzidentelles und daher sekundär Seiendes; sie ist an sich vielmehr völlig unbestimmt76. Nur auf eine bestimmte Weise, nämlich als materia signata, konstituiert sie das Synholon, fungiert daher als ein ihm Zugrundeliegendes und ist insofern der Ousia „sehr nahe" (έγγύς, Phys. 19, 192a5f.). Die Ousia wurde stets dadurch gekennzeichnet, daß von ihr alles Übrige nämlich das Seiende gemäß den anderen Kategorien - ausgesagt wird, da sie selbst das Zugrundeliegende bzw. das logisch-grammatische Subjekt des Urteils bildet. Diese Formulierung findet sich auch in Met. Ζ 3: „es gibt etwas (εστι τι), von dem jedes beliebige Einzelne von diesen, d.h. jede der Kategorien außer der Ousia, prädiziert wird, und dessen Sein verschieden ist, und zwar" für jede einzelne von diesen." (Met. Ζ 3, 1029a21ff.)

Diese Bestimmung bezieht sich auf die Materie78, da sie im Argument dadurch, daß sie als Hypokeimenon gilt, als alleinige Ousia (μόνην ούσίαν) erwiesen werden soll. Sie ist in diesem Gedankengang dasjenige, von dem alles Übrige, das selbst jedoch als erstes Zugrundeliegendes von keinem Anderen prädiziert wird - diese Charakterisierung trifft auch auf die genuin Aristotelische, urteilslogisch ausgerichtete Ousia-Lehre zu. Die Ousia wird aber wiederum von der Materie ausgesagt (Met. Ζ 3, 1029a23f.)79. Diese Prädikation der 76

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Für I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 594) ist sie „das absolut Undeterminierte jenseits der Kategorien", nach H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 50) ein „extrakategoriales Indefmitum." H. Happ (op. cit. [Anm. 30], 297, 664) spricht von der „akategorialen (oder praekategorialen) reinen Unbestimmtheit der Materie an sich, jenseits aller kategorialen Bestimmungen." Das 'καί' hat hier - wie in Met. Ζ 1 (vgl. Anm. 5) - explikative Bedeutung. H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) verstehen die Aussage als genuin Aristotelische Ousia-Bestimmung, die jedoch im Rahmen dieser materialistischen Argumentation unerheblich ist, auch wenn die urteilslogische Ausrichtung Aristoteles' eigene Lehre kennzeichnet. Hier ist die Materie gemeint, wie zu Recht M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 44) diese Stelle deuten. Diese rätselhafte Formulierung wurde in der Aristoteles-Forschung unterschiedlich erklärt: H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 385) unterscheidet eine logische von einer metaphysischen Ebene, die ursächliche Verhältnisse innerhalb des letzten Aussagesubjekts ausdrückt, wobei er - wie Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1288£), J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 332), M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 48) und H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 475) - unter Ousia im genuin Aristotelischen Sinne das Eidos

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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Ousia v o n der Materie läßt sich nicht aus Aristoteles' eigener Lehre plausibel machen, sondern nur aus der hypothetisch materialistischen Sichtweise j e n e s „Gedankenexperiments" 8 0 , w o n a c h die Materie Ousia „sei", nämlich in d e m einfachen Urteil: „Materie ist Ousia." 8 1 Hier drückt die Ousia als Prädikat ( κ α τ η γ ο ρ ο ύ μ ε ν ο ν ) das wesentliche Wassein der Materie als Zugrundeliegendem aus, allerdings in einer nach Aristotelischer Konzeption ungewöhnlichen und daher ,uneigentlichen' Prädikation 82 . Hier muß die Materie als Zugrundeliegendes an der Stelle des logisch-grammatischen Subjekts stehen. Denn als Prädikat müßte sie v o n einem anderen, ihr Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Dann aber könnte sie nicht mehr selbst als „erstes Zugrundeliegendes" gelten und somit nicht mehr als Ousia. D a die Materie aber all ihren akzidentellen B e s t i m m u n g e n zugrundeliegt, wird ihr Ousia-Charakter zugesprochen. W e n n die Materie als solche j e d o c h als etwas bezeichnet wird, das außerhalb des kategorial bestimmten Seienden liegt, m u ß ihr Sein von allem übrigen Seienden „verschieden" ( ε τ ε ρ ο ν ) sein. D i e s e Verschiedenheit kann s o w o h l eine hohe ontologische D i gnität als auch eine ontologische D e f i z i e n z implizieren:

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versteht und nicht im Sinne dieser hypothetischen materialistischen Argumentation die Materie. - Demgegenüber fassen Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 48, 51), D. Morrison (Separation in Aristotle's Metaphysics, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 3, 1985, 125-157, hier: 139-144) und M. Schofield (op. cit. [Anm. 73], 97) das konkrete Einzelding als Ousia auf; K. Brinkmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 130) differenziert zwischen einer prädikationslogischen und einer konstitutionstheoretischen Fassung von Ousia; in dieselbe Richtung geht auch D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 78), für den ein bestimmtes Prinzip (die Ousia) einem bestimmbaren Prinzip zugesprochen wird als physikalisch Zugrundeliegendes. - H. Happ (op. cit. [Anm. 30], 660) wirft Aristoteles vor, hier unstatthafterweise die logische AussageEbene von Substanz und Akzidens auf Stoff und Form bzw. Ousia zu übertragen. Das HyleSubjekt sei unausdrückbarer letzter Bezugspunkt aller kategorialen Bestimmungen. - Wie ist dies jedoch möglich, wenn die Materie an sich außerhalb der Kategorien liegt, was Happ selbst mit I. Düring und H. Schmitz zutreffend hervorhebt (vgl. Anm. 76)? Vgl. in ähnlicher Weise A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 145f. Nach J. Brunschwig (La forme, prédicat de la matière? In: Études sur la Métaphysique d'Aristote, Actes du VIe Symposium Aristotelicum, Cerisy-la-Salle 1972, hrsg. von P. Aubenque (Studia aristotelica 6), Paris 1979, 131-166, hier: 156f.) handelt es sich hier überhaupt nicht um eine Prädikation. Ähnlich argumentieren auch: R. J. Blackwell (Matter as a Subject of Predication in Aristotle, in: Modern Schoolman 33, 1955, 19-30), R. Rorty (Genus as Matter. A Reading of Metaphysics Z-H, in: Exegesis and Argument: Studies in Greek Philosophy presented to G. Vlastos, hrsg. von E. N. Lee, A. P. D. Mourelatos und R. Rorty, in: Phronesis Suppl. 1, Assen 1973, 393-420, hier: 400ff.) und Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 125-129). Zur Kennzeichnung dieser hypothetisch-materialistischen Argumentation als „Gedankenexperiment" vgl. Anm. 70. Mit einem ähnlichen Beispiel versuchte bereits Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1289), diese unklare These zu verdeutlichen: „Hoc materiatum est homo." Zur eigentlichen und .uneigentlichen' Prädikation vgl. An. post. I 22, 83alff., 83a24ff; und J. Owens (Matter and Predication in Aristotle, in: The Concept of Matter in Greek and Medieval Philosophy, hrsg. von E. McMullin, Notre Dame 1963, 79-95, ND in: Aristotle. Modern Studies in Philosophy. A Collection of Critical Essays, hrsg. von J. M. E. Moravcsik, New York 1967, 191-214, ND in: Aristotle: The Collected Papers of Joseph Owens, hrsg. von J. R. Catan, Albany 1981, 35-47) sowie G. E. L. Owen (The Platonism of Aristotle, in: Studies in the Philosophy of Thought and Action, hrsg. von P. F. Strawson, Toronto 1951, 147-174, ND in: Proceedings of the British Academy 51, 1966, 125-150), der „strong" und „weak predication" unterscheidet.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

(1) Die Verschiedenheit von allem übrigen Seienden meint eine ontologische Auszeichnung, wenn nach Aristoteles' eigener Lehre die Ousia als vorrangig Seiendes herausgestellt wird gegenüber allem sekundär Seienden gemäß den anderen Kategorien (vgl. Met. Ζ 1). In logisch-grammatischer Hinsicht wird diese Priorität darin deutlich, daß von der Ousia alles Übrige prädiziert wird, sie selbst aber von nichts anderem. (2) Eine ontologische Verschiedenheit (τό είναι ετερον) kann auch pejorativ dasjenige bedeuten, auf das keine der kategorialen Bestimmungen - weder die Ousia noch die Akzidentien - zutrifft, da es überhaupt außerhalb des kategorial bestimmten Seienden liegt: nämlich die Materie als solche. Diese ist - wie gesehen - weder ein bestimmtes Etwas (τι) noch ein Quantitatives noch sonst etwas anderes gemäß den übrigen Kategorien. Die Betonung ihrer völligen kategorialen Unbestimmtheit wird noch dadurch verstärkt, daß ihr nicht einmal die Negationen der jeweiligen Kategorie - Nicht-Quantitatives, Nicht-Qualitatives usw. - attribuiert werden können83. Die Materie als solche kann demnach nicht einmal negativ bestimmt werden, sondern bildet das letzte Substrat sowohl positiver als auch negativer Bestimmungen als das an sich nicht aussagbare, offenbar absolut Zugrundeliegende, das per se keinerlei Bestimmungen hat84. Infolge ihrer Nicht-Aussagbarkeit kann die Materie als solche auch nicht Subjekt in einem Urteil und damit nicht in logisch-grammatischer Hinsicht Zugrundeliegendes sein. Sie ist vielmehr an sich völlig unbestimmt und daher in ihrer Seinsweise absolut verschieden von jeder der kategorialen Bestimmungen des Seienden, und zwar dadurch, daß sie außerhalb des kategorial je verschieden bestimmten Seienden liegt. Da die Kategorien wiederum alles Seiende umfassen und klassifizieren, ist die Materie als solche ein Extrakategoriales und erweist sich somit als „das an sich Letzte" (τό εσχατον καθ' αυτό, Met. Ζ 3, 1029a24), als ein Nicht-Seiendes (vgl. De gen. et corr. I 3, 318al5f.) bzw. als ein nur der Möglichkeit nach Seiendes (δυνάμει öv), d.h. als reine ontologische Möglichkeit (vgl. Met. Ζ 7, 1032a20). d) Erste Materie und letzte Materie In diesem Zusammenhang ist mit Materie - im Unterschied zum oben angeführten Beispiel, in dem das Erz eine zwar bereits geformte, irgendwie bestimmte Materie darstellt, aber im Hinblick auf weitere Spezifizierung bestimmbare Materie - das an sich völlig Ungeformte und absolut Unbestimmte gemeint. 83

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H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) übersetzen: „die ihnen allenfalls κατά συμβεβηκός zukommen;" es heißt jedoch nur, daß Verneinungen akzidentell vorkommen (κατά συμβεβηκός ύπάρξουσι, Met. Ζ 3, 1029a26) und nicht an sich (καθ' αύτό). Um die Hyle an sich geht es allerdings gerade. Die positiv und negativ bestimmten Akzidentien erweisen sich jedoch nur als beiläufig Seiendes (τό öv κατά συμβεβηκός) und nicht als an sich Seiendes (τό öv καθ' αύτό). Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 45.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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Daher liegen Parallelen zur χώρα in Piatos Timaios (48e-52d) nahe: Jenes Prinzip, das die von den Ideen stammenden Wesensformen aufnimmt, ist ebenso ein an sich völlig Ungeordnetes, Gestalt- und Bestimmungsloses, das selbst nicht wahrnehmbar und unvergänglich (Tim. 50e) ist, allerdings eine Veränderung ermöglicht (Tim. 49a). Der Idee als bestimmendem Prinzip steht also ein bestimmbares gegenüber: die χώρα. Auf ähnliche Weise charakterisiert Aristoteles die Hyle als solche85: Sie gilt als das Gestaltlose (άμορφοv, vgl. Phys. 17, 191a812), das gänzlich Unbestimmte (αόριστος, Phys. IV 2, 209b9, Met. Ζ 11, 1037 a27) und infolgedessen als das an sich Unerkennbare (αγνωστον καθ' αυτήν, Phys. III 6, 207a25f.; Met. Ζ 10, 1036a8f.), das weder wahrnehmbar (De gen. et corr. II 5, 332a35) noch begrifflich erfaßbar ist, allenfalls der Analogie nach (κατ' άναλογίαν, Phys. I 7, 191a8), d.h. gemäß einer Entsprechung von Verhältnissen: Wie sich nämlich das Erz zur Figur und das Ungestaltete zum Gestalteten verhält, so verhält sich die formlose Hyle zur Gestalt (μορφή) bzw. zum bestimmten Seienden. Trotz dieser nur ex negativo benennbaren Bestimmbarkeit fungiert die Hyle als solche - das Ungestaltete, Unerkennbare und Unbestimmte - aber gleichwohl als erstes bzw. letztes - je nach Argumentationsrichtung - Substrat aller kosmischen Prozesse, d.h. aller sublunaren Veränderungen und Bewegungen (Phys. I 7, 190bl 1; De gen. et corr. I 4, 320a2ff.). Denn jede Bewegung und jedes Werden - z.B. das Ineinander-Übergehen der Elementarqualitäten von warm in kalt, von feucht in trocken, die allerdings nie selbst unmittelbar zu einer anderen werden können - vollzieht sich zwischen Gegensätzen (Phys. I 5, 188b25ff.), für die es ein Beharrendes und ihnen zugrundeliegendes Drittes geben muß (189bl): die Hyle (I 7, 190b25). Von diesem Zugrundeliegenden kann man nicht mehr angeben, woraus es ist oder entsteht (Met. Θ 7, 1049a24ff.). Es existiert jedoch nie selbständig für sich, sondern nur in Verbindung mit prägenden Formen (ε'ίδη) (De gen. et corr. II 3). Deshalb ist ein derartiges erstes Zugrundeliegendes (πρώτη ΰλη) nach Aristoteles ein 'Grenzbegriff 8 6 . Denn im Bereich des veränderlichen Seienden wird jedes Seiende aus einem Nichtseienden, d.h. aus einem Hypokeimenon, das allerdings nur in gewisser Hinsicht (πώς) nicht ist (Phys. I 7, 191al4f.). Auch in Met. Ζ 3 liegt der Gedanke einer πρώτη ΰλη nahe (vgl. Met. Θ 7, 1049al8-27), auch wenn er hier nicht expliziert wird - wie in De gen. et corr. I 1 und II 1 oder De caelo III 6 und daher in der Forschung umstritten ist87.

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Zum Verhältnis von χώρα nach Plato und ύλη nach Aristoteles vgl. H. Meinhardt, Teilhabe bei Piaton. Ein Beitrag zum Verständnis Platonischen Prinzipiendenkens unter besonderer Berücksichtigung des Sophistes (Symposion 26), Freiburg/München 1968, 89-94. Vgl. H. Happ, op. cit. [Anm. 30], 297; A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 142. Abgelehnt wird die πρώτη ΰλη z.B. von J. Tricot (op. cit. [Kap. I, Anm. 4], 354), W. Charlton (Aristotle's Physics. Books I and II. Translated with introduction and notes, Oxford 1970, 129145) und ebenso von H. R. King (Aristotle without prima materia, in: Journal for the History of Ideas 17, 1956, 370-389, hier: 370), nach dessen Ansicht sich „keine Spur von ihr in Aristoteles' Philosophie findet", ferner von M. Schofield (op. cit. [Anm. 73]), H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 131) und W. Detel („Materie" I, in: Historisches Wörterbuch der Philoso-

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Wenn als Ousia im vollbestimmten Sinn das erste bzw. letzte Substrat aller positiven und negativen Bestimmungen gälte, wäre die Materie alleinige Ousia (μόνην ούσίαν, Met. Ζ 3, 1029al9). Aber eine solche Ousia-Konzeption mit einer derartigen Vorrangstellung der Materie ist für Aristoteles „unmöglich" (άδύνατον, Met. Ζ 3, 1029a27)88, womit er zur eigenen Lehre zurückkehrt, nachdem er zuvor in jenem materialistisch ausgerichteten „Gedankenexperiment" hypothetisch davon ausging, daß bei dieser Auffassung die Materie zur Ousia „würde" (γίγνεται, Met. Ζ 3, 1029al0). „Unmöglich" ist nach genuin Aristotelischer Lehre jedoch nicht, daß die Materie Ousia ist89; denn eine bereits bestimmte, ,letzte' Materie (έσχατη ύλη, Met. Ζ 10, 1035b7f.) kann als materia signata - wie im Erzbeispiel dargelegt - in gewisser Weise durchaus Ousia sein, nämlich der Möglichkeit nach. Für Aristoteles ist es vielmehr „unmöglich", daß der an sich völlig unbestimmten Materie Ousia-Charakter zukommt, da sie außerhalb des kategorial je verschieden bestimmten Seienden liegt und somit keine bestimmte Bedeutung hat. Die Materie hat sich zwar als „erstes Zugrundeliegendes" (πρώτον ύποκενμενον) bzw. als „das an sich Letzte" (τό εσχατον καθ' αυτό) erwiesen. Aber Zugrundeliegendes zu sein, macht nicht den alleinigen Grundcharakter der Ousia aus. Denn im folgenden benennt Aristoteles zwei

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phie, Bd. 5, hrsg. von J. Ritter und K. Gründer, Basel/Stuttgart 1980, 870-880), der die Materie - wie auch I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 31, 613) und A. Pronay (op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 127, 147) - als Funktions- bzw. Relationsbegriff versteht, sowie von M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 38, II, 40), fllr die Materie stets Material eines bestimmten Gegenstandes ist, wohingegen es Materie als solche nicht gebe. - Ersteres trifft zwar auf die Materie im Erzbeispiel - als materia signala - zu. Von dieser grundverschieden ist jedoch die im weiteren Verlauf von Met. Ζ 3 erörterte, an sich völlig unbestimmte Materie. Dagegen befürworten eine πρώτη ϋλη für Met. Ζ 3 zu Recht E. Buchanan (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 28), K. Brinkmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 93) und M. Burnyeat (Hrsg.), Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 13f. Für H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 46, 53; I, 2, 72) wird hier die „Entscheidungsschlacht gegen den Materialismus vom platonisierenden Idealismus gewonnen." D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 80) sieht in jenem „Gedankenexperiment" eine spätere und inkompatible Ergänzung, woraus eine inhaltliche Diskrepanz resultiere. Ursprünglich sei in Met. Ζ 3 die Materie im Sinne des Erz-Beispiels thematisiert worden und die dargelegte Lehre somit in sich konsistent. - Er berücksichtigt allerdings weder, daß Materie nach Aristoteles nicht ausschließlich eine materia signata bzw. 'letzte Materie' (έσχατη ϋλη) meint, noch daß jenes oben im einzelnen erörterte Argument gerade von seiner eigenen Lehre abweicht („wenn man die Sache so betrachtet... dann würde die Materie Ousia werden", vgl. Met. Ζ 3, 1029al0, 1029al9) und sich daher zwangsläufig Inkonsistenzen mit der bisherigen und genuin Aristotelischen Ousia-Doktrin ergeben müssen. So deutet die Stelle z.B. G. E. L. Owen, op. cit. [Einleitung, Anm. 25], 13f.; vgl. auch M. Burnyeat (Hrsg.), Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 13. Für H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], I, 383), T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 208f.), Frede/Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 43) und J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 59) ist es „unmöglich", daß eine solche Materie alleinige Ousia sei. Diese Lesart bezieht jene Unmöglichkeits-These offenbar noch in den materialistischen Gedankengang mit ein. Aristoteles kehrt aber gerade an dieser Stelle durch dessen explizite Widerlegung zu seiner eigenen Theorie zurück.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes (Met. Ζ 3)

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weitere Grundbestimmungen der Ousia als Kriterien, allerdings ohne nähere Begründung, da er sie offenbar als bereits bekannt voraussetzt90.

e) Zwei weitere Kriterien für die Ousia-Bestimmung In Met. Ζ 3 wurden drei Bedeutungen des Zugrundeliegenden voneinander unterschieden und hervorgehoben, daß diese Bestimmung „unklar" sei (vgl. Met. Ζ 3, 1029al0), weshalb die Untersuchung hier nicht stehenbleiben dürfe, sondern weitergehen müsse. Für die erste Bedeutung des Zugrundeliegenden die Materie - stellte sich heraus, daß sie als solche nicht Ousia sein kann, womit jedoch das Hypokeimenon als Ousia-Kriterium nicht schlechthin widerlegt ist91. Denn Aristoteles lehnt das Zugrundeliegende als Ousia-Bedeutung seiner eigenen Theorie zufolge keineswegs ab, sondern nur im Rahmen jener materialistischen Argumentation, welche die Materie, sofern sie Hypokeimenon ist, als alleinige Ousia erweisen sollte. Es müssen nach Aristoteles jedoch noch zwei weitere Kriterien erfüllt sein92, um für Ousia gehalten werden zu können: (a) selbständig existieren zu können bzw. begrifflich abtrennbar (χωριστόν) zu sein (b) ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) zu sein (Met. Ζ 3, 1029a26f.). Die zuvor diskutierte Materie an sich als letztes Substrat erfüllt keines der beiden Kriterien. Denn da sie außerhalb des kategorial bestimmten Seienden liegt und sich als völlig unbestimmt erwiesen hat, ist sie weder ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι, vgl. De an. II 1, 412a6) noch existiert sie selbständig für 50

"

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Vgl. E. Sonderegger, op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 220. Auch nach D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 85) sind die Kriterien „selbst evident." Vgl. E. Sonderegger, op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 134: „Es kann nur in seine Vielfältigkeiten unterschieden werden, wie es als Ousia gelten kann, wie nicht." - Dagegen wird nach M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 385) die „erste Bedeutung der Usia als das Zugrundeliegende in Met. Ζ 3 als die eigentliche verworfen"; ebenso meint A. Pronay (op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 146), der Hyle „werde mit der Substantiality auch der Subjekt-Charakter abgesprochen." H. Granger (Aristotle on the Subjecthood of Form, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy 13, 1995, 135-159, hier: 154) vertritt die These, in Met. Ζ 3 werde das Subjekt-Kriterium als solches „diskreditiert". Vgl. in ähnlicher Weise H. Happ (op. cit. [Anm. 30], 662), M. Schofleld (op. cit. [Anm. 73], 97), J. Kung (Can Substance be Predicated of Matter? In: Archiv für die Geschichte der Philosophie 60, 1978, 140-159, hier: 149, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 120-139), H. M. Robinson (Prime Matter in Aristotle, in: Phronesis 19, 1974, 168-188, hier: 185f.) und D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 234f.). H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 109) versteht diese Kriterien als Präzisierungen des Hypokeimenon-Kriteriums, bemerkt aber, daß dessen drei Bedeutungen nicht gleichermaßen τόδε τι und χωριστόν sein können. - Es bleibt fraglich, ob die Kriterien einen Rangunterschied implizieren; eher handelt es sich um drei gleichermaßen hinreichende und zu erfüllende OusiaBedingungen.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

sich (απλώς χωριστόν) und ist ebensowenig begrifflich abtrennbar (τω λόγω χωριστόν, Met. Η 1, vgl. Kap. II 3), weil die die Materie betreffenden Bestandteile des Synholon in dessen Definition nicht berücksichtigt werden (vgl. Met. Ζ 10-12). Allerdings erfüllt die Materie das erste Ousia-Kriterium, nämlich Zugrundeliegendes zu sein; sie erweist sich sogar als „erstes Zugrundeliegendes" (πρώτον ύποκείμενον) bzw. als „das an sich Letzte" (τό έσχατον καθ' αύτό). Dieses kann in einer einfachen Aussage nie als Prädikat fungieren. Dies trifft allerdings auch auf die genuin Aristotelische Ousia-Lehre von Cat. 5 für das bestimmte Einzelwesen zu, das in der Kategorienschrift als ,erste Ousia' ausgezeichnet wurde (vgl. Kap. I). Jenes „erstes Zugrundeliegende" hingegen - die Materie als solche - kann allerdings ebensowenig an der Subjektstelle als das logisch-grammatisch Zugrundeliegende stehen. Denn die Materie als solche existiert nicht selbständig für sich in der Realität, wohingegen die Aussagen in Wesensbestimmungen für Aristoteles sich stets auf real Seiendes beziehen und mit diesem ontologisch Ubereinstimmen müssen. Die Materie als solche existiert aber immer und notwendigerweise bereits in Verbindung mit einer Form (είδος); und aus der Verbindung dieser 'ersten' Materie mit den vier Qualitäten entstehen erst die vier Elemente (vgl. De gen. et corr. II 3)93. Aufgrund jener Nicht-Aussagbarkeit und absoluten Unbestimmtheit kann die Materie als solche nicht Ousia sein, obwohl sie sich als „erstes Zugrundeliegendes", und zwar für alle kosmischen Prozesse des Werdens und der Veränderung, herausgestellt hat. Nachdem sich die Hyle - die erste der drei Hypokeimenon-Bedeutungen von Met. Ζ 3 - für Aristoteles nicht als primäre Ousia erwiesen hat, wird nun der Ousia-Charakter der beiden anderen Bedeutungen des Zugrundeliegenden untersucht, des Eidos bzw. der Morphe und des Synholon. Offenbar scheinen beide eher Ousia zu sein94 als die Materie {Met. Ζ 3, 1029a29ff.). Auf diese Weise wird das Synholon, das aus Hyle und Morphe Zusammengesetzte (τό έξ άμφοίν), ontologisch aufgewertet, da es nicht nur hyletisch, sondern auch eidetisch bestimmt ist. Dennoch wird es bei den folgenden Erörterungen des Aristoteles nicht weiter berücksichtigt, da es unproblematisch und ontologisch später (υστέρα) ist. Denn das Synholon - bei Aristoteles vor allem das natürliche Lebewesen - wird ontologisch konstituiert durch die ihm innewohnende Materie und seine Gestalt bzw. sein Eidos und erfüllt alle Ousia-Bedingungen: Das Synholon ist selbst Träger (supposition) akzidenteller Bestimmungen und somit Zugrundeliegendes als ontologisches Substrat und ebenso als logischgrammatisches Subjekt; es ist ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) und existiert einfachhin selbständig für sich (άπλώς χωριστόν). In jedem sinnlichwahrnehmbaren, zusammengesetzten Ganzen findet sich aber stets ein potentieller Aspekt und ein Rest an Unbestimmtheit, da eines seiner Momente immer 93 94

Vgl. D. Ross, op. cit. [Einleitung, Anm. 13], 168f. Zur Wiedergabe von 'μάλλον ούσία' und zu den Bedenken gegen eine Übersetzung im Sinne von Seinsabstufungen vgl. Anm. 20 und Anm. 55.

2. Die Ousia als Zugrundeliegendes {Met. Ζ 3)

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die Materie ist93, die als solche völlig unbestimmt ist. Infolgedessen kann das ontologisch nachgeordnete Synholon nicht primäre Ousia, wohl aber auf sekundäre Weise Ousia sein96. Die Materie geht dem Synholon zwar in gewisser Weise voraus {Met. Ζ 3, 1029a6), indem sie als dessen Konstituens fungiert und insofern ihm zugrundeliegt. Eine bereits irgendwie geformte, eigenschaftlich bestimmte und daher .letzte' Materie (έσχατη ΰλη, vgl. Met. Ζ 10, 1035b7f.) als materia signata kann durchaus - wie das Erzbeispiel aus Phys. II 3 verdeutlicht - als letztes bzw. erstes Zugrundeliegendes (je nach Argumentationsrichtung) in gewisser Weise Ousia sein (vgl. Phys. I 9, 192a5f.). Denn sie ist gegenüber dem bestimmenden Eidos ein zwar noch Unbestimmtes, aber letztlich ein durch alle positiven und negativen Prädikate Bestimmbares. Durch das Eidos ist die Materie nämlich in der Lage, von einem eigentlich Noch-nicht-Seienden zu allem Seienden zu werden. Sie ist aufgrunddessen der Möglichkeit nach Ousia (δυνάμει ουσία, Met. Η 2, 1042b9f.; Λ 5, 1071a3-l 1) und kann daher als das für die Bestimmung durch das Eidos Empfängliche in gewisser Weise selbst Ousia-Charakter beanspruchen. Als solche ist die Hyle jedoch völlig unbestimmt und bloße ontologische Möglichkeit {Met. Ζ 7, 1032a20). Denn da sie ontologisch außerhalb des kategorial bestimmten Seienden liegt, stellt sie ein Nicht-Seiendes dar. Diese Art von Materie erfüllt somit nur das erste Ousia-Kriterium - Zugrundeliegendes zu sein - , nicht aber die beiden anderen Ousia-Kriterien - ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) zu sein und selbständig für sich existieren zu können bzw. begrifflich abtrennbar zu sein (χωριστόν). Daher hat Aristoteles zuvor im Hinblick auf die Materie als solche erklärt, es sei „unmöglich" {Met. Ζ 3, 1029a27), überhaupt als Ousia gelten zu können. Deshalb bleibt die weitere Ousia-Untersuchung auf diejenige Hypokeimenon-Bedeutung gerichtet, welche als das „allerschwierigste"97 (άπορωτάτη, Met. Ζ 3, 1029a33, vgl. Β 4, 999a24ff.) bezeichnet wird, nämlich die Gestalt (μορφή) bzw. das Eidos. Dies wurde bereits vor jenem materialistischen Argument {Met. Ζ 3, 1029a6) als ontologisch früher (πρότερον) und als „eher Seiendes" (μάλλον ôv) gegenüber der Materie und damit auch gegenüber dem Synholon bestimmt, was aufgegriffen und durch die absurden Konsequenzen jenes Arguments bestätigt wird. Da dem Eidos als entscheidender Bedeutung des Zugrundeliegenden gegenüber den anderen Bedeutungen des Hypokeimenon -

95 96 n

Vgl. Thomas von Aquin, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1279: „Inquantum est in composito [Synholon] aliquid de materia." Vgl. J. Owens, op. cit [Einleitung, Anm. 49], 337, und E. Sonderegger, op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 227, im Anschluß an Alexander von Aphrodisias, op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 465, 8. H. Seidl (op. cit [Einleitung, Anm. 57]) Ubersetzt: 'das am meisten Aporetische'; auch nach H. Happ (op. ciL [Anm. 30], 664) trägt Met. Ζ 3 generell den Charakter des Aporetischen, was für eine aporetische Gesamtdeutung der Metaphysik (vgl. Einleitung) spräche. Aristoteles entwikkelt jedoch in Met. Ζ eine dezidierte Eidos-Lehre.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

dem Synholon und der Materie - ontologische Priorität zukommt, muß es alle drei Ousia-Kriterien gleichermaßen erfüllen98. Aristoteles beginnt die Erörterungen zum Eidos mit den Ousiai sinnlichwahrnehmbarer Dinge (ούσίαι αισθητών), deren Existenz allgemein anerkannt wird {Met. Ζ 2, 1028b8ff.; Ζ 7, 1032al9; Η 1, 1042a24f.), während der ontologische Rang unvergänglicher Ousiai - und Uberhaupt deren Existenz - nicht unumstritten ist, was die Kritik an der Ideenlehre (vgl. Met. A 9; Ζ 13-16) und an anderen akademischen Prinzipienlehren in Met. M-N zeigt. Jenes Vorgehen, nämlich als Ausgangspunkt für die Ousia-Lehre die sinnlich-wahrnehmbaren Ousiai zu wählen, entspricht auch dem menschlichen Erkenntnisprozeß, der von dem 'für uns' Bekannteren - dem Sinnenfälligen - fortschreitet zu dem 'an sich' Bekannteren, dem Notwendigen und Unveränderlichen99. Allerdings sind nicht sinnlich-wahrnehmbare Dinge als solche bereits Ousiai, wie es Beispiele von Cat. 5 nahelegen. In Met. Ζ geht es vielmehr um deren primäre Ousia. Nur bei rein eidetisch bestimmten, immateriellen Ousiai (vgl. Met. Λ 8-10) fallen Einzelwesen und deren primäre Ousia unmittelbar zusammen (Met. Ζ 6, vgl. Kap. III 3). Auch bei der Auflistung der ,Ousia-Kandidaten' zu Beginn von Met. Ζ 3 wurden diese nicht schlechthin als Ousia bezeichnet, sondern als Ousia des jeweiligen Einzelnen (ουσία έκαστου). Ebenso wurde in Met. Δ 8 nicht die Essenz als solche zu den vier Ousia-Bedeutungen gezählt, sondern die Essenz des jeweiligen Einzelnen (τί ήν είναι εκάστου, vgl. Kap. II). Daß sich die Universalien (wie das Eidos) stets und notwendigerweise auf das jeweils Einzelne (εκαστον) bzw. auf ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) beziehen, ist Aristoteles' Ousia-Lehre eigentümlich und grenzt diese gerade von Piatos OntologieKonzeption ab (vgl. Kap. 15).

f) Weiterentwicklung der Ontologie in Met. Ζ 3 gegenüber Cat. 5 Es ist deutlich geworden, daß in Met. Ζ 3 verschiedene Ousia-Bestimmungen (vgl. Met. Δ 8) als mögliche Ousia-,Kandidaten' auf ihren Ousia-Charakter hin erörtert werden. Diese ontologischen Bestimmungen dürfen jedoch nicht nur nebeneinander aufgelistet werden, sondern müssen als ontologisch konstitutive Möglichkeitsbedingungen im Hinblick auf das jeweilige Einzelne gleichermaßen erfüllt sein: Die Untersuchung darüber, was als primäre Ousia zu gelten hat, erfolgt im Hinblick auf drei Kriterien: Das jeweilige Seiende muß (1) ein Zu98

99

Die Forschungsrichtung, die unter der πρώτη οϋσ'ια eine individuelle Form versteht (vgl. Einleitung), identifiziert das τόδε τι mit dem Eidos, welches in Met. Ζ explizit als erste Ousia gilt. Dagegen behauptet Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1293), das Synholon sei eher Substanz als die Hyle, da es τόδε τι (hoc aliquid) und χωριστόν (separabile) sei, die Form jedoch keines von beiden, obwohl durch sie das Synholon erst ein wirklich Seiendes (ens in actu) wird. Zu dieser Diskussion vgl. Kap. IV 3. Zum Fortschreiten der menschlichen Erkenntnis vgl. Anm. 18.

2. Die Ousia als Zugnindeliegendes (Met. Ζ 3)

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grundeliegendes (ύποκείμενον) sein, (2) ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) sein und (3) selbständig für sich existieren können (άπλώς χωριστόν) bzw. d.h. in einer Definition begrifflich abtrennbar sein (τω λόγω χωριστόν). Die ersten beiden Ousia-Kriterien finden sich bereits in Cat. 5 und werden in den angeführten Beispielen bestimmten Entitäten zugeschrieben, die in der Kategorienschrift als .erste Ousiai' ausgezeichnet werden, sich aber aus der Sichtweise der Metaphysik als zusammengesetzte Ganzheiten (Synhola) herausstellen100. Die ,reifere' Ousia-Konzeption der Metaphysik nimmt also jene OusiaBestimmungen zwar auf (Met. Δ 8, Ζ 1, Ζ 3), modifiziert sie jedoch grundlegend: Das Zugrundeliegende wird auf dreifache Weise differenziert; und von den drei Bedeutungen des Hypokeimenon sind wiederum am Ende der Erörterungen von Met. Ζ 3 zwei Bedeutungen für die weitere Untersuchung der primären Ousia nicht mehr relevant: die Materie, die als solche die beiden anderen Ousia-Kriterien nicht erfüllt, und das Synholon. Dieses gilt zwar insofern als Ousia, als es einfachhin selbständig für sich existiert (άπλώς χωριστόν, vgl. Met. Η 1) und ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) darstellt, nämlich ein aus Materie und Form Zusammengesetztes. Das Synholon wird jedoch im Rahmen der Überlegungen der Ersten Philosophie nicht mehr als erste Ousia ausgezeichnet - wie noch in Cat. 5 - , da es sich bei der Analyse seiner Konstitutionsbedingungen als ontologisch 'später' (υστέρα) erweist gegenüber seinen beiden Konstituentien als .Ursachen' im Aristotelischen Sinne. Wie aber das Eidos, das in Cat. 5 als lediglich zweite Ousia bestimmt wurde, allen drei Ousia-Kriterien - nämlich Hypokeimenon, τόδε τι und χωριστόν zu sein - gleichermaßen genügen soll, bezeichnet Aristoteles als „das allerschwierigste" (άπορωτάτη, Met. Ζ 3, 1029a33). Das Hauptproblem scheint eigentlich darin zu liegen, auf welche Weise das Eidos, das begrifïlich-definitorisch ein Allgemeines sein muß (Met. Ζ 10-12), vorrangig Ousia (Met. Ζ 7, Ζ 11) sein soll. Diese ontologische Vorrangstellung des Eidos als ein Allgemeines klingt zwar Platonisch, soll es aber gerade nicht sein. Unter dieser zentralen Fragestellung stehen auch die weiteren Erörterungen.

100

Zum Synholon und seinem Entstehen vgl. bes. Met. Ζ 7-9.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik

Ζ

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6) a) Das τί ήν είναι (Essenz) als Ousia-Bestimmung Das τί ήν είναι (die Essenz101), dem die Untersuchungen von Met. Ζ 4-6 gelten, fungiert als philosophischer Zentralterminus für die Ousia-Lehre von Met. Z. Der in Met. Ζ 4 offenbar als bereits bekannt vorausgesetzte Ausdrude wird hier ebensowenig erläutert wie bei seiner erstmaligen Nennung in der Auflistung der verschiedenen Ousia-Bedeutungen zu Beginn von Met. Ζ 3 (1028 b33ff.). Auch in Met. Δ 8 (1017b21ff.) wurde die Essenz (τό τί ήν είναι) als Ousia-Bedeutung genannt (vgl. Kap. II 2d), als dasjenige bestimmt, „dessen Aussage (λόγος) Wesensbestimmung (ορισμός) ist", und nicht schlechthin als Ousia bezeichnet, sondern als Ousia des jeweiligen Einzelnen (ουσία εκάστου). Die Essenz soll also gerade als Ousia gelten, als das eigentlich Existierende102, als dasjenige, was das Einzelne wesentlich ist. Aufgrund dieser ontologisch konstitutiven Bedeutung der Essenz für das jeweilige Einzelne fällt die Ousia-Bestimmung der Essenz mit derjenigen der immanenten Seinsursache (αίτιον του είναι) des jeweiligen Zugrundeliegenden zusammen, welche in Met. Δ 8 als zweite Ousia-Bedeutung aufgelistet wurde (vgl. Kap. Π 2b)103. Mit jener ontologischen Bedeutung des τί ήν είναι, die anhand der Erörterungen von Met. Ζ 4-6 näher betrachtet werden soll, ist eine definitorische Bedeutung eng verbunden (vgl. Met. Ζ 10-12), aber dennoch zu unterscheiden: Das wesentliche Wassein von etwas wird in dessen Definition angegeben, die stets auf das Allgemeine, Notwendige und Unveränderliche geht (vgl. An. post. I 8, 75b24-26). Diese Wesensbestimmung (ορισμός) stellt nun die Aussage (λόγος) der Essenz dar (vgl. Met. Δ 8, 1017b21f.), also diejenige Aussage, die das τί ήν είναι zum Ausdruck bringt {Top. I 5, 101b33). Da eine Wesensbestimmung im 101

102

103

Zur Wiedergabe dieses Terminus mit 'Essenz' gegenüber anderen z.T. sehr komplizierten Übersetzungen vgl. Kap. II 2d. Die Aristotelische Essenz sei ausdrücklich abgehoben von der Gegenüberstellung des Thomas von Aquin von essentia und existenlia, wonach der essentia als Wesensbestimmung keine eigene Existenz zukommt, während für Aristoteles die Essenz gerade das an sich Seiende, die Ousia im primaren Sinne ausmacht als dasjenige, wodurch etwas ist, was es ist G. Reale (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 235) bezeichnet die Essenz unter den Ousia-Bedeutungen als „significato principe e fondamentale." Zum systematischen Problem der .Ursache' bei Aristoteles und zu dessen Auffassung der Ursache als eine seinskonstituierende Möglichkeitsbedingung vgl. Kap. IV 5 zu Met Ζ 17. Vgl. auch Met. A 3, 983a4-b3, und Met. Δ 2, 1013a27ff, wonach die Essenz die causaformatts Mim Ausdruck bringt. - Die Bedeutung der Essenz als ontologisches Prinzip, als Ursache der Existenz eines Dinges betont E. Buchanan (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 41, 50). - Auch Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 3), die Met. Ζ 4-6 in ihrer Interpretation nicht naher untersucht, meint, die Essenz einer Substanz sei - unter besonderer Berücksichtigung von Met. Ζ 17 - dasjenige, was diese in ihrer Existenz verursacht, d.h. sie sei Seinsursache einer sinnenfilligen Substanz (37, 101, 112ff). Ihre Schlußfolgerung, daß deswegen nach Aristoteles die Essenzen bzw. Eide selbst individuell sein sollen (143-179), ist schwierig und in der Forschung heftig umstritten. Zur inhaltlichen Diskussion dieser Kontroverse vgl. Kap. IV 3.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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strengen Sinne ausschließlich die eidetischen, d.h. das Eidos betreifenden Bestandteile des konkreten Einzelwesens berücksichtigt und nicht diejenigen, die auf dessen Materialität zurückzuführen sind (vgl. Met. Ζ 10, 1035b33-1036a5), wird bei der Definition von der Materialität (und somit auch von der Potentiality) des Synholon abgesehen, weshalb Aristoteles die Essenz hier auch als „Ousiaohne Stoff' (ούσία άνευ ΰλης, Met. Ζ 7, 1032b 14) bezeichnet. Die Essenz des jeweiligen Einzelnen (τί ήν είναι έκάστου) ermöglicht neben ihrer ontologisch konstitutiven Funktion als ,Seinsursache' (αίτιον του είναι) - offenbar auch erst die wissenschaftliche Erfaßbarkeit eines stofflich bestimmten Einzelwesens, und zwar durch dessen Definition. Die folgenden Erörterungen werden unter der Fragestellung stehen, wann die Essenz und das jeweilige Einzelne verschieden (vgl. Kap. III 3c zu Met. Ζ 6) und wann sie identisch sind (vgl. Kap. V zu Met. A), und wovon es überhaupt eine Essenz gibt, und wenn es mehrere Essenzen gibt, worin sie sich ontologisch voneinander unterscheiden. Es werden dabei auch mehrdeutige Bedeutungen (πολλαχως λεγόμενα) zu berücksichtigen sein; ebenso wird in diesem Zusammenhang zur Vermeidung eines systematischen Widerspruches eine Hinsichtenunterscheidung vorgenommen werden zwischen einer eigentlichen, primären Bedeutung und ein«- davon abgeleiteten und daher sekundären Bedeutung. Daran wird sich auch die Frage nach deren Einheit bzw. Gemeinsamkeit anschließen. Da die umstrittene Situierung des erkenntnistheoretischen Exkurses (1029 bl-12) in Met. Ζ 3 oder Ζ 4 für die Ousia-Konzeption unerheblich ist und daher hier auf sich beruhen möge, endete die ontologische Theorie von Met. Ζ 3 mit der Ankündigung, daß nun das Eidos der sinnlich-wahrnehmbaren Ousia zu untersuchen sei. Es sei jedoch das „allerschwierigste" (άπορωτάτη, Met. Ζ 3, 1029 a33) aufzuzeigen, wie das Eidos vorrangig Ousia sein soll, das sich gemäß Cat. 5 und nach der Definitionslehre der Analytica posteriora als ein notwendigerweise Allgemeines erweist, wohingegen die Materie, die nach dem Ergebnis von Met. Ζ 3 unmöglich alleinige Ousia sein kann, und das Synholon, da es ontologisch später sei, sich für die weiteren Erörterungen als irrelevant bzw. zweitrangig herausgestellt haben. Met. Ζ 4 thematisiert allerdings jene Problematik um den ontologischen Status des Eidos nicht explizit104; dies erfolgt erst in Met. Ζ 13. Es wird vielmehr auf jene Auflistung von Met. Ζ 3 rekurriert, welche die Essenz (τί ήν είναι) als erste und das Zugrundeliegende als letzte Ousia-Bedeutung anführte (1029 alff.). Nachdem in Met. Ζ 3 das Zugrundeliegende analysiert wurde, widmen sich die Erörterungen von Met. Ζ 4-6 der Essenz. Da diese dasjenige ist, was das jeweilige Einzelne wesentlich ist, in dessen Wesensbestimmung zum Ausdruck kommt und das Eidos den Kern der Defmition ausmacht, lassen sich die Bestim,β,

Daher halten M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 57ff.) - wie bereits C. Arpe (op. cit [Kap. Π, Anm. 49], 32,41f.), der in Met. Ζ 4 einen völligen Neuansatz sieht - die Erörtenmgen zum τί ήν είναι, d.h. den Übergang von Met. Ζ 3 zu Met. Ζ 4, für „überraschend".

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

mungen von Met. Ζ 4 zum τί ήν είναι mit den abschließenden Bestimmungen von Met. Ζ 3 zum Eidos vereinbaren, zumal wenn man die in Met. Ζ 7 explizierte Gleichsetzung von Essenz und Eidos des jeweiligen Einzelnen als dessen primäre Ousia (1032blf.) hier bereits implizit voraussetzt105. Die erste Hälfte von Met. Ζ 4 gilt mehr logisch-sprachlichen (λογικώς) 106 Problemen, die zweite grundlegend ontologischen Problemen107. Zunächst bestimmt Aristoteles die Essenz „für das jeweilige Einzelding (έκάστφ) als dasjenige, als welches es an sich (καθ' αυτό, vgl. An. post. I 4, 73a34ff.; I 22, 84 al Iff.) ausgesagt wird" (λέγεται) 108 {Met. Ζ 3, 1029al3ff.). Bei den Erörterungen zum τί ήν είναι steht also weiterhin - wie in Cat. 5, Met. Δ 8 und Met. Ζ 1 - das einfache, kategorische Urteil im Hintergrund. Dabei bedeuten das jeweilige Einzelding an sich und das τί ήν είναι für dieses dasselbe. Da das τί ήν είναι in Met. Δ 8 als dasjenige charakterisiert wurde, „dessen Aussage (λόγος) Wesensbestimmung (ορισμός) ist" (1017b21f.), steht es in engem Zusammenhang mit der Definition. Dasselbe trifft auf das An-sich von etwas zu, das jedoch in mehreren Bedeutungen verwendet wird (Met. Δ 18,1022a25-36): (a) an sich ist primär dasjenige, was die Essenz für das jeweilige Einzelwesen (τί ήν είναι έκάστφ) ist, (b) was in dem Was (τί έστι) von etwas, in dessen Definition, enthalten ist, (c) was ein Erstes (πρώτον) - etwas, was keine andere Ursache hat - oder einen entscheidenden Teil darstellt. So ist z.B. der Mensch an sich lebendig, denn die Seele ist ein Teil des Menschen, in dem als erster das Leben ist109, (d) was einem Ding allein zukommt, d.h. was ihm eigentümlich ist110. 105 106

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Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 57. H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) Ubersetzt λογικώς mit 'im Allgemeinen', was jedoch eine oberflächliche Kennzeichnung ausdrückt. Die Wiedergabe von H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]) 'in begrifflicher Weise' ist ebenfalls irreführend wegen der Nahe zu Hegels 'Begriff, der auch eine ontologische Bedeutung einschließt, von der aber die 'logische' Betrachtung des ersten Teils von Met. Ζ 4 gerade unterschieden werden soll. M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 67) Ubersetzen λογικώς mit 'rein formale Bemerkungen', was allerdings pejorativ wirkt, obwohl hier die ontologischen Essenz-Bestimmungen des zweiten Teils vorbereitet werden. Im Unterschied dazu wird in Met. Ζ 17 die Essenz nicht mehr 'logisch-sprachlich', sondern als ontologisch konstitutive Möglichkeitsbedingung (αίτιον τοΰ είναι, vgl. Met. Δ 8) erörtert. Diese These vertritt auch D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 166f.), anders hingegen M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 58. H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20]) und M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6]) Ubersetzen 'λέγεται' - anders als Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57]'ausgesagt wird') - mit 'bezeichnet wird', was eher 'σημαίνει' entspricht. Vgl. zur Wiedergabe von λέγεται Anm. 2. Die Seele als konstitutiver Bestandteil und ontologische Konstitutionsbedingung diente bereits in Met. Δ 8 als veranschaulichendes Beispiel fllr eine Ousia-Bedeutung (vgl. Kap. II 2c). Hier wird das τί ήν είναι (1) offenbar von dem Eigentümlichen (ίδιον) (4) abgegrenzt, unter das es in Top. I 4 (101bl7-28) noch als spezielle Unterart subsumiert wurde. Die Darlegungen der Ersten Philosophie erfordern eine genauere Differenzierung der Bedeutungen. DaB das ίδιον in der Ousia-Lehre zentral ist, zeigt das 'Idion-Argument' in Met. Ζ 13 (vgl. Kap. IV 2).

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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Es wurde bereits gezeigt, daß primär die Essenz (a) an sich ist und auch das wesentliche Wassein von etwas (b) angibt, was in einer Definition erfolgt. Es wird im einzelnen darzulegen sein, ob auch andere Bedeutungen des An-sich die Essenz charakterisieren und damit zur Ousia-Lehre von Met. Ζ beitragen. Nach der Kennzeichnung der Essenz als dasjenige Ausgesagte, welches ein An-sich bedeutet, folgen in Met. Ζ 4 zunächst ex negativo mehrere Bestimmungen, die verdeutlichen, was alles nicht an sich aussagbar ist bzw. was nicht Essenz sein kann. Da dasjenige, was etwas an sich ist, in der Definition angegeben wird, geht es bei der Essenz stets auch um die Wesensbestimmung (ορισμός). Daher kann man die Frage danach, was die Definition eines menschlichen Gegenüber (Du) - also eines bestimmten Einzelwesens (τόδε τι) - ist, nicht mit der Angabe einer akzidentellen Bestimmung - z.B. einer Qualität wie 'gebildet' beantworten. Die Wesensbestimmung eines Gegenüber, das Du-Sein, ist vielmehr dasjenige, was du an dir selbst (κατά σαυτόν) bist, d.h. deine Essenz (Met. Ζ 4, 1029b 16). Die grundlegende kategoriale Einteilung alles Seienden (vgl. Met. Δ 7, 1017a7ff.) in (1) An-sich-Seiendes, d.h. Ousiai und (2) akzidentell Seiendes wird offenbar in Met. Ζ aufgenommen. Nicht zum An-sich-Seienden gehören jedoch quantitative oder qualitative Bestimmungen111, wie z.B. Fläche-Sein oder Weiß-Sein, oder auch Nicht-Weiße-Fläche-Sein112, wobei die Fläche wiederum als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) fungiert, da sie ebensogut auch ohne Weiße sein könnte. Weiß-Sein setzt zwar Fläche-Sein oder Oberfläche-Sein in seiner Bedeutung voraus; kann aber nicht durch die Zusammensetzung ,Weiße-Fläche-Sein' (Met. Ζ 4, 1029bl9f.) definiert werden, weil das Definiendum - Weißsein - bereits darin enthalten ist. Es kommt also in den definierenden Bestimmungen dasjenige wieder vor, was eigentlich definiert werden soll. Einen Zirkel in der Definition (vgl. hierzu Met. Ζ 5), wenn man z.B. 'weiß' durch 'Weiße-Fläche-Sein' definieren will, muß man jedoch vermeiden. Der Logos der Essenz darf demnach das jeweilige Definiendum nicht mitenthalten (Met. Ζ 4, 1029b20), sondern es lediglich bezeichnen. Demjenigen, das nicht an sich ist, sondern akzidentell, kommt kein Wassein und somit auch keine Essenz zu (vgl. Met. Ζ 4, 1030a6ff., Ζ 5, 1031a9f.), zumindest nicht im eigentlichen oder strengen Sinne113, da die Aussage (λόγος)114, welche die Essenz von etwas zum Gegenstand hat (vgl. Met. Δ 8, 1017b21 f.), als Definition dessen Wassein angibt. 111

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114

In Met. Ζ S wird das An-sich-Sein der Wesensbestimmung vom akzidentellen Sein klar abgegrenzt: An sich ist nicht das Weißsein des Kallias oder des Menschen, da das Weiße auch ohne Bezugnahme auf jene erklärbar ist, nicht aber das Männliche oder Weibliche ohne das Lebewesen (1030b25ff.). Denn nur ihm kommt das Weibliche bzw. Männliche zu. Vgl. hierzu die Erläuterungen von M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 59ff. Da sich jedoch daraus - z.B. bei zusammengesetzten Dingen - Probleme ergeben, wird diese Aussage im folgenden modifiziert. Vgl. hierzu die weiteren Ausführungen. M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 69ff.) übersetzen 'λόγος' mit 'Formel', was jedoch seiner deflatorischen und epistemologischen Bedeutung für das Synholon unangemessen ist.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

In Met. Ζ 5 wird am Beispiel der Stupsnasigkeit (ή σιμότης, vgl. Met. E 1, 1025b26ff.) dargelegt, daß es von zusammengesetzten Dingen - hier: die Zusammensetzung der Nase und einer bestimmten Wölbung - keine Wesensbestimmung geben kann, da bei ihnen notwendigerweise stets dasjenige hinzuzudenken ist, an dem sie sich befinden müssen - hier: die Nase, welcher die Stupsnasigkeit zukommt {Met. Ζ 5, 1030b30ff.). Dann aber würde zweimal dasselbe gesagt (vgl. Soph. El. 13, 173b5-ll), und es ergäbe sich ein für Aristoteles stets unmöglicher und daher zu vermeidender regressus in infinitum, weil immer wieder etwas anderes hinzugedacht werden müßte. Daraus folgt für die zusammengesetzten Dinge entweder keine Wesensbestimmung und somit keine Essenz oder aber ein unendlicher Regreß. Also gibt es ausschließlich für Ousiai eine Wesensbestimmung {Met. Ζ 5, 1031a9f.). Die Essenz erweist sich somit als wesentlicher Bestandteil der Definition von Ousiai. Nun gibt es aber - wie oben bereits angedeutet - neben den Ousiai auch zusammengesetzte Dinge (σύνθετα, Met. Ζ 4, 1029b23), d.h. Verbindungen eines Akzidens mit einem Einzelnen115. Allem Seienden gemäß den übrigen Kategorien liegt ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι, vgl. Cat. 5, Met. Δ 8, Ζ 1) zugrunde. Kann aber neben dem primär Seienden, der Ousia als erster Kategorie, auch dem Seienden im Sinne der übrigen Kategorien, das also nach Qualität, Quantität usw. bestimmt ist, eine Aussage der Essenz (λόγος του τί ήν είναι, Met. Ζ 4, 1029b26), d.h. eine Wesensbestimmung zukommen oder nur dem primär Seienden? Gäbe es auch für das akzidentell bestimmte Seiende jeweils eine Essenz bzw. eine Wesensbestimmung, würde die obige Behauptung, die eine Essenz oder ein Wassein ausschließlich den Ousiai zuschrieb, korrigiert, und man müßte beide Termini als mehrdeutige Bezeichnungen (πολλαχώς λεγόμενα) differenzieren116. Gibt es von also z.B. von der akzidentellen Verbindung 'weißer Mensch' (λευκός άνθρωπος) eine Essenz (1029b27f.)? Wenn 'weißer Mensch' Kleid (ίμάτιον) bedeutet - offenbar weißes Kleid und einen weißgekleideten Menschen bezeichnet, dann wird ihm keine Essenz zugeschrieben werden können, da diese das An-sich-Sein von etwas aussagt. Das Kleidsein gehört jedoch nicht zum an sich Ausgesagten (καθ' αυτό λεγό-

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Diese werden auch als „interkategoriale Komplexe" (vgl. H. Steinfath, op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 279), „cross-category-compounds" (vgl. M. Bumyeat (Hrsg.), op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 25) oder als „Zwittergebilde aus τόδε τι und Akzidens"(vgl. H. Schmitz, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,1,66) bezeichnet. Hierzu bemerkt W. Mesch (Die Einheit der aristotelischen Ontologie, in: Philosophische Rundschau 43, 1996, 71-82, hier: 77) zu Recht, daß Aristoteles häufig „denselben Gedanken sowohl in einer zugespitzten wie in einer moderaten Version präsentiert", wobei die „weniger rigide Alternative korrigiert wird" (vgl. D. Bostock, op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 92). Diese Modifikation der oben zuerst erwähnten, aber offenbar nur vorläufigen, zugespitzten These ermöglicht die Definierbarkeit zusammengesetzter Dinge, ohne in einen regressus in infinitum zu geraten. Vgl. zu dieser systematische Widersprüche vermeidenden, fllr Aristoteles charakteristischen Hinsichtenunterscheidung die Erörterungen in Kap. III 3b.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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μενα). Wenn allerdings etwas nicht an sich ist, kann dies - sprachlich gesehen entweder eine HinzufUgung (a) oder eine Weglassung (b) meinen117: (a) eine Hinzufügung: Will jemand 'weiß' bestimmen und fügt 'Mensch' hinzu, so daß der Ausdruck 'weißer Mensch' entsteht, wird auf diese Weise schwerlich 'weiß' definiert. Denn einerseits ist das Definiendum in der Bestimmung mitenthalten, andererseits ist das Weiße durchaus auch ohne Bezugnahme auf den Menschen definierbar, von dem es vielmehr lediglich beiläufig (κατά συμβεβηκός) prädiziert werden kann (Met. Ζ 5, 1030bl9ff.). (b) eine Weglassung: Bei der Bestimmung der Verbindung 'weißer Mensch' (bzw. Kleid) wird 'Mensch' weggenommen und als 'Weißes' bezeichnet. Offenbar ist 'weißer Mensch' ein Weißes (Met. Ζ 4, 1030al), jedoch nicht die Essenz für das Weiße (τί ήν είναι λευκφ). Denn für den Menschen ist Weiß-Sein eine qualitative, also akzidentelle Eigenschaft, die ihm nicht an sich, sondern nur zufällig zukommt. Im folgenden sucht Aristoteles zu klären, wie das An-sich-Sein einer Sache durch deren Essenz in einer Realdefinition erfaßt wird, und wovon es solche Definitionen gibt und wovon nicht. Bei der Verbindung 'weißer Mensch' wird 'weiß' von einem einzelnen Menschen, einem bestimmten Einzelnen (τόδε τι, Met. Ζ 4, 1030a3) prädiziert, das bereits in Cat. 5, Met. Δ 8 und Ζ 1 als Ousia herausgestellt wurde. Dieses Einzelwesen wird als Ousia jedoch nicht wiederum von einem Anderen ausgesagt, sondern gilt selbst als das allen Prädikaten Zugrundeliegende (ύποκείμενον). Hingegen wird in der Zusammensetzung 'weißer Mensch' bloß etwas Qualitatives zum Ausdruck gebracht, nämlich 'weiß' als eine dem Menschen lediglich zufällig zukommende Qualität. Da auf diese Weise nicht dasjenige erfaßt wird, was das Weiße eigentlich und seinem wesentlichen Wassein nach, d.h. an sich ist (vgl. Met. Γ 4, 1007a27-33), kann eine akzidentelle Verbindung ,weißer Mensch' nicht zum Gegenstand einer Essenzbestimmung werden118. Vielmehr gibt es eine Essenz allein für Ousiai (Met. Ζ 4, 1030a6) - also für bestimmte Einzelwesen (τόδε τι, 1030a3) - als deren jeweiliges An-sich-Sein, das in einer Realdefinition angegeben wird. Die Realdefinition, d.h. eine Definition im strengen und eigentlichen Sinne, wird als Definitionsform von einer bloßen Nominaldefinition - einer Aussage (λόγος), in der lediglich etwas bezeichnet wird (An. post. II 8, 93b20) - unterschieden und dadurch abgegrenzt, daß der Logos der ersteren Wesensbestimmung ist (Met. Ζ 4, 1030a7), bei der die Essenz die wesentliche Bestimmung 117

118

Zu den folgenden beiden Weisen des 'Nicht-An-sich-Seins' vgl. die ausführlichen Erörterungen von H. Weidemann (op. cit [Kap. II, Anm. 49], 75-103, hier: 86ff.). Erst nach weiteren Bedeutungsdiffeienzierungen konzediert Aristoteles, 'weißer Mensch' habe in nicht-primärem Sinne durchaus eine Essenz. Vgl. Anm. 116 sowie Kap. III 3b.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

ausmacht. Eine solche Realdefinition (vgl. An. post. II 10, 93b29-94al0) kommt nicht bereits durch eine Namenserklärung zustande; also nicht, wenn man das bestimmte Homerische Epos als „Ilias" bezeichnet (Met. Ζ 4, 1030a9). Sonst wären alle Aussagen (λόγοι) bereits Definitionen. Vielmehr gibt es eine solche Definition im eigentlichen Sinne nur von einem Ersten, einem Primären (πρώτον, 1030al0) und nicht von etwas, das von einem von ihm selbst verschiedenen Substrat ausgesagt wird, sondern nur von einem ,auf erste Weise Seienden' (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30), der Ousia. Denn dieses Primäre und an sich Seiende119 setzt ontologisch und logisch-grammatisch nichts anderes voraus; es wird nicht von einem Anderen prädiziert, sondern ist vielmehr selbst das erste Zugrundeliegende (ϋποκείμενον). Von diesem wird die Essenz in einer Realdefinition ausgesagt, welche die inhaltliche, eidetische Bestimmung, das wirkliche Wassein von etwas, zum Ausdruck bringt, so wie es existiert120. Da die Essenz im Unterschied zu quantitativen (vgl. Cat. 6, Met. Δ 13) oder qualitativen Bestimmungen (vgl. Cat. 8, Met. Δ 14) das An-sich-Sein einer Sache im Rahmen einer Realdefinition bestimmt, kommt ihr ontologisch konstitutive Bedeutung zu und kann infolgedessen nicht als eine bloße Namensbezeichnung in Aussagen (Nominaldefinitionen) gelten. Es bleibt aber bei all diesen sprachlich-logischen Beobachtungen rätselhaft, warum es eine wirkliche Definition nur von einem auf erste Weise Seienden, einer Ousia, geben soll. Sie lassen ebensogut eine Nominaldefinition oder auch nur eine bloße Bezeichnung zu. Daher erklärt Aristoteles im folgenden: eine Essenz als Zentralbestandteil der Realdefmition kommt allein den Arten (μόνον είδη, Met. Ζ 4, 1030al Iff.) einer Gattung zu121. Als Eidos innerhalb einer Definition - nämlich in Form einer spezifischen Differenz (είδετική διαφορά, vgl. Top. I 8, 103bl5f.; VI 6, 143b7) in bezug auf eine allgemeinere Gattung - erweist sich wiederum die Essenz (vgl. Met. Ζ 7, 1032blf.), welche offenbar in dem hierarchisch absteigenden, von Plato übernommenen, aber erheblich abgeänderten Dihairesisverfahren von der allgemeinsten Gattung zu immer spezifischeren Bestimmungen den letzten, entscheidenden Unterschied ausmacht (Met. Ζ 12, vgl. Kap. III 4), d.h. den Wesensunterschied bestimmter Arten gegenüber

119 120

121

Vgl. hierzu die oben auch aufgeführte, dritte Bedeutung des An-sich in Met. Δ 18,1022a30ff. D. K. W. Modrak (op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 7, 31, 85f.) identifiziert den Logos mit der „realen Essenz der jeweiligen Substanz." - Dies ist jedoch insofern problematisch, als sich Aristoteles' Essenz nicht in der Angabe von Gattung und Differenz erschöpft. Denn ihr kommt nicht nur definitorische Bedeutung, sondern auch ontologische Bedeutung zu, indem sie das wesentliche Wassein von etwas ausmacht. Dies wird zwar in einer Definition erfaBt, die aber deshalb nicht selbst schlechthin die reale Essenz des Einzelnen ist, zumal die Bestandteile der Definition Universalien darstellen und für Aristoteles kein Allgemeines Ousia sein kann (Met. Ζ 13), die Essenz aber gerade als primäre Ousia gilt (vgl. Met. Ζ 7, Ζ 11). Ferner ist nicht jeder Logos unbedingt und schlechthin eine Wesensbestimmung (όρισμός), wie Modrak selbst betont (159). Daher müßte man die von ihr vertretene Identifikation von Logos und realer Essenz auf solche Logoi begrenzen, die zugleich Wesensbestimmungen sind. Vgl. hierzu aber Anm. 116 und 118.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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anderen . Jenes Eidos ist weder seiend, weil es nur teilhat (Met. Ζ 4,1030al3), sei es am Einzelnen, sei es an den Gattungen - also an Universalien, was gegen Piatos Methexislehre gerichtet ist - , noch ist es seiend, weil es das Widerfahrnis (πάθος) einer Sache ist, oder weil es als akzidentelle Bestimmung - z.B. als ein Qualitatives - im Sinne einer zufälligen Eigenschaft einem anderen, ihm Zugrundeliegenden inhäriert. Das Eidos ist als Essenz vielmehr an sich seiend, indem es dem jeweiligen Einzelnen (έκαστον) wesentlich immanent ist (είδος τό ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29). Aristoteles' Konzeption des είδος τό ένόν richtet sich dezidiert gegen die Ideenlehre Piatos, der vorgeworfen wird, sie trenne das Einzelding von demjenigen, wodurch dieses erst ist, was es ist, d.h. von seinem Eidos als dessen wesentlichem Wassein und wirklichem Sein (Chorismos-Vorwurf). Demgegenüber vertritt Aristoteles die These, daß die Essenz des jeweiligen Einzelnen (τί ήν είναι έκαστου, Met. Ζ 7, 1032blf.) diesem als dessen Eidos innewohnen muß und auf diese Weise dessen primäre Ousia (πρώτην ούσίαν) ausmacht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Ousia-Konzeption von Met. Ζ erheblich von der frühen Ontologie der Kategorienschrift: Während dort das bestimmte Einzelwesen als erste Ousia gilt, wird dieses in den Erörterungen der Metaphysik als Zusammengesetztes betrachtet und weiter analysiert in seine ontologischen Konstituentien. Daraus ergibt sich - nachdem die Hyle als solche in Met. Ζ 3 als Ousia-Kandidat eliminiert wurde - die gegenüber Cat. 5 entscheidend modifizierte Ousia-Lehre mit der Bestimmung des Eidos als primäre Ousia. Das Eidos ist allerdings im definitorischen Zusammenhang ein Allgemeines. Als Wassein des Einzelnen wird es in dessen Definition zum Ausdruck gebracht, welche die Wasbestimmtheit von etwas angibt. Obwohl das Eidos den Kern einer solchen Wesensbestimmung ausmacht, kann es dennoch in diesem Sinne nicht als primäre Ousia gelten, sondern ausschließlich dann, wenn es als Essenz des Einzelnen dieses in seinem wirklichen Sein und wesentlichen Wassein konstituiert123. Nur in diesem Fall erweist sich das Eidos als das eigentlich und an sich Seiende (όπερ öv), d.h. als die Ousia des bestimmten Einzelwesens (τόδε τι)124. Oben wurden Realdefinition und Nominaldefinition voneinander abgegrenzt, und es wurde bei ihrer Anwendung auf das kategorial je verschieden bestimmte Seiende dargelegt, daß es vom Seienden gemäß den übrigen Kategorien lediglich eine Nominaldefinition gebe, hingegen keine Wesensbestimmung (όρισ122

123

124

Noch spezifischere Bestimmungen - wie 'weifler Mensch', 'braunes Pferd' usw. - tangieren als zufällige Eigenschaften, die auch fehlen können, die Essenz einer Ousia nicht weiter. In diesem Sinne kann man im Hinblick auf Met. Ζ 17 (1041a6-10) vom τί ήν είναι als einem ontologischen Prinzip sprechen, nämlich als der immanenten Ursache des Synholon. Das Τόδε τι ist als eidetisch bestimmtes Einzelnes vom völlig unbestimmten jeweiligen Einzelnen (έκαστον) zu unterscheiden. Gibt man dessen Ousia an - d.h. das Eidos, sofern es dessen Essenz ausmacht - , erhält man das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι). Wie dieses in ontologischer und epistemologischer Hinsicht durch seine Essenz konstituiert wird, steht in Cat. 5 außerhalb der Betrachtungen.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

μός) im strengen Sinne und infolgedessen auch keine Essenz {Met. Ζ 4, 1030 al6f.), die vielmehr ausschließlich den Ousiai zukomme. Da sich - wie ebenfalls oben erwähnt - bei zusammengesetzten Dingen Schwierigkeiten ergeben (vgl. Met. Ζ 5, 1030bl4f.), wird jene Einschränkung der Essenz bzw. der Wesensbestimmung auf Ousiai in den weiteren Erörterungen modifiziert und folgende differenzierende Hinsichtenunterscheidung vorgenommen: Die Wesensbestimmung (ορισμός) und das Wassein (το τί έστι) - und damit auch die Essenz, da eine Wesensbestimmung diejenige Aussage ist, welche die Essenz zum Ausdruck bringt (vgl. Top. I 5, 101b37ff.) - werden jeweils in mehreren Bedeutungen verwendet (πλεοναχώς λέγεται, Met. Ζ 4, 1030al8ff.): (1) In einer Bedeutung bezeichnet das Wassein die Ousia, und zwar (καί)125 das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι). (2) In einer anderen Bedeutung bezeichnet es ein jedes der Prädikate (κατηγορούμενα), d.h. Seiendes, das gemäß den übrigen Kategorien ausgesagt wird. Es handelt sich also um das Wassein von etwas, sofern es quantitativ, qualitativ, relativ etc. bestimmt ist. Das auf zweifache Weise gebrauchte Wassein wird demnach in erster Bedeutung (1) der Ousia attribuiert, d.h. dem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι), und bringt im Rahmen einer Realdefinition eines solchen 'Ersten', Zugrundeliegenden durch die spezifische Differenz bzw. durch das Eidos dasjenige zum Ausdruck, was ein τόδε τι wirklich und wesentlich ist. Die zweite Bedeutung des Wasseins (2) gliedert sich nochmals in die neun akzidentellen Kategorien, denen ein je unterschiedliches Wassein zukommt (vgl. Top. I 9, 103b20-35). Auch auch gemäß diesen kategorialen Bestimmungen ist das Seiende offenbar Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis. Dabei muß allerdings stets etwas im Sinne „einer Hinzufügung" erklärend dazugedacht werden (Met. Ζ 5, 1031a3), was eine Essenz und eine Wesensbestimmung im strengen Sinne unmöglich macht wegen eines sich daraus ergebenden unendlichen Regresses. Denn die Definition enthält auch dasjenige, was gerade zu definieren ist, so daß man in einen Zirkel gerät und zweimal dasselbe sagt. Es handelt somit nicht um Definitionen im eigentlichen Sinne, sondern um Logoi „auf andere Weise" (άλλον τρόπον, Met. Ζ 5, 1031a8f.). Da Wesensbestimmung, Wassein und daher ebenso die Essenz in mehreren Bedeutungen ausgesagt werden (1031a9f.), liegt die Frage nahe, auf welche Weise sich dann das Verhältnis zwischen ihren je verschiedenen Verwendungen kennzeichnen läßt. Sind sie völlig unabhängig voneinander zu denken, oder stehen sie in einem inhaltlichen, ontologischen oder logisch-sprachlichen Zusammenhang? Aristoteles antwortet mit einem Analogie-Argument: Wie das „ist" (τό εστίν, Met. Ζ 4, 1030a21) zwar allen wie auch immer kategorial bestimmten 125

Aristoteles verwendet ' κ α ί ' häufig explikativ im Sinne von 'und zwar'; vgl. auch Anm. 5.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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Seienden zukommt, jedoch nicht allen auf gleiche Weise, sondern den einen ursprünglich und primär (πρώτως), den anderen in abgeleiteter Weise (έπομένως, 1030a22), so wird auch das Wassein einfachhin (άπλώς) und wesentlich der Ousia zugeschrieben, irgendwie (πώς) aber auch allem übrigen Seienden (1030 a23). Es handelt sich also jeweils um ein analoges Verhältnis der verschiedenen Bedeutungen von Seiendem bzw. Wassein: Das Seiende wird auf vierfache Weise verwendet (vgl. Met. Δ 7, 1017a7ff.; E 2, 1026a31-b2), wird aber primär und ursprünglich der Ousia attribuiert, sekundär und auf abgeleitete Weise allen übrigen kategorial bestimmten Seienden, die ontologisch und logisch-grammatisch von der Ousia als dem ihnen Zugrundeliegenden abhängen (vgl. Met. Γ 2). In einem solchen analogen Verhältnis stehen auch die verschiedenen Bedeutungen der Wesensbestimmung und des Wasseins zueinander: In ursprünglicher Weise (πρώτως) und einfachhin (άπλώς) gelten sie von der Ousia als .Erstem', d.h. dem auf erste Weise Seienden (τό πρώτως δν, Met. Ζ 1, 1028a30) und Zugrundeliegenden (ϋποκείμενον), also letztlich dem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι). Die Wasbestimmtheit des jeweiligen Einzelnen wird dann in einer Realdefinition durch dessen Eidos bzw. spezifische Differenz angegeben. In abgeleiteter Weise (έπομένως, Ζ 4, 1030a22), irgendwie (πώς, 1030a23) gibt es jedoch auch vom Seienden gemäß den anderen Kategorien - z.B. vom Qualitativen (1030a24ff.) - eine Wesensbestimmung bzw. ein Wassein126. Dann handelt es sich allerdings nicht um reines, wesentliches Wassein, d.h. um ein Wassein schlechthin (άπλώς), sondern nur um sekundäres, derivatives Wassein. Es gibt bei der Wesensbestimmung bzw. bei dem Wassein - wie auch beim Seienden (vgl. Met. Γ 2) - einen ontologischen, definitorischen und epistemologischen Rangunterschied zwischen einer ursprünglichen, primären Bedeutung und einer abgeleiteten Bedeutung und innerhalb der sekundären Verwendungsweise eine neunfache Untergliederung gemäß den neun Kategorien. Worin liegt nun aber die Gemeinsamkeit bzw. Einheit dieser verschiedenen Bedeutungen? Dies deutet bereits auf zentrale ontologische Bestimmungen des zweiten Teils von Met. Ζ 4 hin.

126

Aristoteles vergleicht hier das sekundäre Wassein des Qualitativen mit dem Nicht-Seienden, das nicht einfachhin ist, wohl aber im Hinblick auf das Seiende, und zwar als dessen Negation. Vgl. hierzu K.-H. Volkmann-Schluck, Die Metaphysik des Aristoteles, Frankfurt a.M. 1979, 56. M. Frede/G. Patzig (op. cit [Einleitung, Anm. 6], II, 68) rekurrieren hier auf die Bestimmung aus Piatos Sophistes, „daß auch das Nicht-Seiende sei" (Soph. 255e). Durch die Idee der Verschiedenheit - eines der μέγιστα γένη (254d) - kann das Nicht-Seiende sowohl sein als auch gedacht werden, nämlich als Verschiedenes. Denn bereits bei Plato findet sich eine Hinsichtenunterscheidung („nicht in gleicher Weise", ού ομοίως, Soph. 256a) zur Vermeidung eines Widerspruches. Der Rekurs auf Plato hinkt jedoch insofern, als im Sophistes das Verschiedene (έτερον) eine ontologische Bestimmung darstellt, gemäß Plato also eine Idee. - Möglicherweise meint Aristoteles lediglich, auch das Nicht-Seiende sei ein qualitativ Anderes; oder man konzediert beim Vergleich des sekundären Wasseins des Qualitativen mit dem Nicht-Seienden, daß jedes Akzidens nach Aristoteles „nahe am Nicht-Seienden ist" (Met. E 2, 1026b21).

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III. Die Ontotogie der Ousia in Metaphysik Ζ b) Differenzierung des τί ήν είναι durch die Pros-Hen-Relation

Nachdem im ersten Teil von Met. Ζ 4 logisch-sprachliche Überlegungen (λογικώς, 1029b 13) zur Essenz im Vordergrund standen und hierbei auch die verschiedenen Bedeutungen der Wesensbestimmung, des An-sich-Seins und des Wasseins berücksichtigt wurden, wird dies nun im Hinblick auf die Bestimmung der Ousia zusammengefaßt (Met. Ζ 4, 1030a29ff): Während zuvor - wie oben dargelegt - eine ursprüngliche von einer abgeleiteten Bedeutung des Wasseins ausdrücklich unterschieden (1030a20ff.) und damit implizit zugleich eine entsprechende Hinsichtenunterscheidung für die Essenz vorgenommen wurde denn bei der Aussage (λόγος) der Essenz handelt es sich um die Wesensbestimmung (vgl. Met. Δ 8, 1017b21f., Met. Ζ 5, 1031al2f.) - , wird dies nun explizit für die Essenz formuliert und damit explizit auf die genuine Ousia-Untersuchung von Met. Ζ bezogen: Die Essenz kommt in erster Linie oder primär (πρώτως) und einfachhin (απλώς) der Ousia (Met. Ζ 4, 1030a30) bzw. den Ousiai zu (Met. Ζ 5, 1031 al3ff.), denen ja gemäß Met. Ζ 3 die nachfolgenden Erörterungen gelten, da deren Existenz - genauer: die Existenz sinnlich-wahrnehmbarer Ousiai - allgemein akzeptiert wird. Denn dasjenige, was in der Weise der Ousia als Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) und bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) existiert, ist wesentlich durch seine Essenz bestimmt. Diese gilt ja gerade als Ousia des jeweiligen Einzelnen (ουσία έκαστου, vgl. Met. Δ 8, 1017b21f.), die eine Realdefinition angibt, und zwar als spezifische Differenz (vgl. Kap. III 4) bzw. als das Eidos des Einzelnen, das dieses erst zu dem macht, was es ist, d.h. das das jeweilige Einzelne erst zu diesem bestimmten Seienden macht, das es ist, und somit ein wirkliches, bestimmtes Einzelwesen in seinem Wassein ontologisch konstituiert. Die Essenz des Einzelnen wird also in einer Realdefmition als sein Eidos. Ohne dieses als seine Wasbestimmtheit wäre ein Synholon lediglich Materie, letztlich bloße, also noch völlig unbestimmte Materie (vgl. Met. Ζ 3); erst durch sein Eidos ist es ein wirkliches, bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) wie z.B. 'diese Rose'. Irgendwie (πώς), nämlich auf sekundäre Weise kann etwas in seiner Essenz bestimmt sein, was nicht Ousia ist, d.h. was nur qualitativ, quantitativ, relativ etc. bestimmt ist. Die Essenz kommt also auch dem übrigen, akzidentellen Seienden zu und ist demnach ebenso die Bestimmung dessen, was ein Seiendes nach Quantität, Qualität, Relation usw. bedeutet. In diesem Fall handelt es sich allerdings nicht um eine Essenz im ersten und eigentlichen Sinne (Met. Ζ 4, 1030b7) und schlechthin (απλώς, 1030a31, 1030b5), sondern um die Essenz bzw. um das Wassein auf abgeleitete Weise und in einem derivativen und daher ,uneigentlichen' Sinne (1030a22ff.). Man spricht dann von einer qualitativen oder quantitativen Essenz etc.127, da man jeweils die Kategorie hinzufügen muß, 127

Vgl. D. Ross, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 167.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung {Met. Ζ 4-6)

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der diese Essenz bzw. dieses Wassein angehören soll (1030a33ff.). Eigentlich aber und auf erste, ursprüngliche Weise sind Wassein und Essenz den Ousiai vorbehalten. Denn Essenz und Wesensbestimmung gibt es im strengen Sinne nur bei einer bestimmten Aussage (τινί λόγω, Met. Ζ 4, 1030b8), die das Wassein (τό τί έστι) von etwas Einem als Definiendum angibt - von einem bestimmten Einzelwesen (τόδε τι), das numerisch Eines (άριθμφ ëv) ist128 und selbständig existiert (χωριστόν). Aristoteles' erste und nur vorläufige Charakterisierung der Essenz, daß sie ausschließlich den Ousiai zukomme {Met. Ζ 4, 1030a6), wird offenbar modifiziert durch die jeweilige Bedeutungsmannigfaltigkeit der Wesensbestimmimg (ορισμός) und der Essenz (τί fjv είναι) gemäß den verschiedenen Kategorien des Seienden: Im strengen Sinne gibt es allein von den Ousiai eine Essenz (vgl. Met. Ζ 5, 1031al3: μόνων ούσίων); nimmt man aber ontologische, definitorische oder epistemologische Gradabstufungen vor und grenzt sie voneinander ab, dann wird die Essenz auf erste Weise (πρώτως) und schlechthin (άπλώς, Met. Ζ 4, 1030a29f., 1030b5) den Ousiai attribuiert, irgendwie (πώς, 1030a23) - nämlich auf abgeleitete Weise (έπομένως, 1030a22) - auch den anderen Kategorien des Seienden. Worin stimmen diese verschiedenen Bedeutungen von Essenz bzw. Wassein überein, womit jeweils das eigentlich Seiende gemeint ist? Worin besteht ihre Einheit? Was erweist sich als das ihnen allen Gemeinsame? Zunächst werden - ex negativo - die Arten von Einheit genannt, welche nicht zutreffen: Es ist keine einfache Identität, da der Essenz und dem Wassein im Fall der Ousia und bei den Akzidentien jeweils eine unterschiedliche ontologische und epistemologische Dignität zukommt. Ebensowenig besteht ihre Übereinstimmung in schlichter Namensgleichheit, also im Sinne einer bloßen Homonymie {Met. Ζ 4, 1030a32, 1030b3) bzw. Äquivokation, während die Bedeutungen inhaltlich völlig divers sind. Ferner ergibt sich jene Einheit auch weder durch die Hinzufügung - z.B. eines Quantitativen oder Qualitativen - zur Ousia noch durch eine Wegnahme, etwa in inhaltlich negativen Ausdrücken. Denn durch akzidentelles Hinzutreten von Eigenschaften oder durch Negationen wird kein Eidos und keine Essenz erkannt129. Um die Übereinstimmung bzw. die Gemeinsamkeit der verschiedenen Bedeutungen der Essenz und des Wasseins zu erklären, bedient sich Aristoteles wie bereits bei den vorangegangenen Erörterungen - einer Analogie: Wie man vieles ärztlich nennt, weil es sich auf ein und dasselbe bezieht (προς τό αυτό και εν), ohne ein und dasselbe zu sein {Met. Ζ 4, 1030a35-bl), so besteht die Gemeinsamkeit der verschiedenen Bedeutungen der Essenz in der sogenannten 128

Auf welche Weise jene begriffliche Einheit der Definition, obwohl sie Teile hat und insofern ein Zusammengesetztes (σύνθετον, Met. Η 3, 1043b29) ist, auf der Einheit des Definiendum beruht, wird in Met. Ζ 10-12 erörtert, vgl. hierzu Kap. III4. I2 ' Vgl. hierzu M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 70f.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

'Pros-Hen-Beziehung', in einer Relation von Verschiedenem zu Einem (προς εν, 1030b2), ohne jedoch schlechthin ein und dasselbe, also in jeder Hinsicht völlig identisch zu sein. Das Ärztliche (vgl. Met. Γ 2, 1003b 1-4) ist also ein Bedeutungsgehalt, der vielerlei verschiedenen Dingen auf recht verschiedene Weise zukommt: das Ärztliche wird etwa einem bestimmten Körper, einer bestimmten Tätigkeit, einem bestimmten Instrumentarium, Arzneien etc. zugeschrieben130. Wie sich also das Ärztliche primär und in erster Linie auf die Arztkunst als Grundbedeutung oder 'Brennpunkt-Bedeutung' (focal meaning) bezieht, dann aber auch auf Geräte, Medikamente usf., so gilt dies auch von der Essenz und dem Wassein: in primärer Bedeutung, auf ursprüngliche Weise (πρώτως) und eigentlich, d.h. schlechthin (άπλώς, Met. Ζ 4, 1030b5), kommen die Essenz und die Wesensbestimmung den Ousiai zu als bestimmten Einzelwesen (τόδε τι), die jeweils numerisch Eines (άριθμφ εν) sind und selbständig für sich existieren können (χωριστόν) 13 '.

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Mit dieser Pros-Hen-Relation und demselben Beispiel wird auch in der Eudemischert Ethik (vgl. EE VII 2, 1236al8ff., 1236b21-29) das Verhältnis der Arten von Freundschaft bestimmt: Die Freundschaft im primären Sinne erfolgt um des Guten willen, in sekundärer Weise auch um der Lust und des Nutzens willen. - Als weiteres Beispiel für die Pros-Hen-Relation seien die verschiedenen Bedeutungen des Gesunden genannt (vgl. Met. Γ 2, 1003a33ff.): das Gesunde bezieht sich primär auf den zentralen Bedeutungsgehalt .Gesundheit' - denn alles andere Gesunde ist daraufhin orientiert - , dann in abgeleiteter Weise auch auf einen Körperzustand, auf Kleidung, einen Erholungsaufenthalt, Speisen, die Arztkunst usw. Zur ontologischen Pros-Hen-Relation alles akzidentell Seienden zur Ousia vgl. Kap. III 1, bes. Anm. 27. - H. J. Krämer (op. cit. [Einleitung, Anm. 38], 153, 179, 182f.) fühlt die Aristotelische Pros-Hen-Relation auf die akademische Reihe als methodisches Modell zurück im Rahmen seiner Interpretation der Aristotelischen Eidoslehre als Weiterbildung zweier Konzeptionen der Akademie, vornehmlich der Theorie des Xenokrates, während er die von Aristoteles betonte ontologische Dignität des Individuums, dem verschiedene Seinsbereiche zugeordnet werden, auf die Ontologie des Speusipp zurückgehe. Im Mittelalter wurde vielfach von einer 'analogia' gesprochen: Thomas (Summa theologiae I, 13, S, in: Opera omnia IV, ed. Leonina, Rom 1888, 146f.) charakterisiert sie als „terminus médius" zwischen Homonymie und Synonymie, wovon auch H. Flashar (op. cit. [Kap. II, Anm. 1], 425) ausgeht. Zunächst muß jedoch die analogia proportionalitatis (Entsprechung oft mathematischer Verhältnisse) von der analogia attributionis (etwas wird mehrerem auf verschiedene Weise zugeschrieben) unterschieden werden, wie F. Inciarte (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], 173) argumentiert. - Allerdings wird bei der Kennzeichnung der Pros-Hen-Relation als analogia attributionis (vgl. M.-Th. Liske, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 238) nicht deren ontologische Ausrichtung deutlich. - H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,2,68-80, bes. 69f.), der jene Beziehung als „konvergente Metaphorik" bezeichnet, berücksichtigt ebenfalls kaum das ontologische Abhängigkeitsverhältnis alles abgeleiteten Seienden vom primär Seienden, das die verschiedenen Wortbedeutungen erst fundiert. - Dies gilt auch für G. Patzig (op. cit. [Anm. 27]), der die Pros-Hen-Relation als 'Paronymie' auffaBt (vgl. hierzu Anm. 27). - Die abgeleiteten Bedeutungen werden zwar nach der primären Grundbedeutung benannt (paronym = nachbenannt), aber der Pros-Hen-Relation liegt jenes ganz bestimmte, ontologisch einseitige Abhängigkeitsverhältnis zugrunde, wie W. Marx (op. cit. [Kap. II, Anm. 19], 13) und neuerdings J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 35) betonen. Auch T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 545, n. 46) spricht zu Recht von einer „Abhängigkeit existentieller Art" oder Chr. Rapp (op. cit. [Anm. 9], 29) vom „Prinzip der ontologischen Dependenz": Alles übrige ist nur dadurch seiend, daß es einem auf erste Weise Seienden (Met. Ζ 1, 1028a30) inhäriert.

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Mel. Ζ 4-6)

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Wie kann jene Pros-Hen-Relation der verschiedenen Bedeutungen zu einer zentralen Bedeutung charakterisiert werden? Auf welche Weise läßt sich die Gemeinsamkeit oder Einheit der verschiedenen Bedeutungen der Essenz und der Wesensbestimmung näher bestimmen, zumal das Eine - wie auch das Seiende bei Aristoteles auf mehrfache Weise ausgesagt wird (Met. Δ 6, 1015bl6ff., 12, 1053b25ff.)? Gemeint ist offenbar weder eine Einheit im Sinne bloßer Anhäufung - wie z.B. die Ilias (Met. Ζ 4, 1030b9) - noch eine akzidentelle Einheit. Vielmehr wird das Eine gemäß den zehn Kategorien (1030b 11 f.) auf je verschiedene Weise verwendet. Das Eine findet sich - im Unterschied zu den Einheits-Konzeptionen des Neuplatonismus (vgl. z.B. Plotin, Enn. VI, 9, 1) - in allen Kategorien132: So handelt es sich in der Kategorie des Qualitativen um die Einheit von Qualität und Ousia (etwa 'weißer Mensch'), analog in den Übrigen Kategorien. Für diese gibt es jeweils eine Einheit und auch eine Definition, aber in einem weiteren Sinne und anders als für die Ousia und für das Weiße133. Denn dieser Logos ist keine Wesensbestimmung (ορισμός) im eigentlichen Sinne, weil jeweils etwas hinzugefügt oder hinzugedacht werden muß (vgl. Met. Ζ 5, 103 lalff.). Die Einheit bzw. die Wesensbestimmung - wie oben bereits dargelegt - ist in den akzidentellen Kategorien somit eine andere als diejenige der Ousia als Primäres. Von der Essenz und der Wesensbestimmung bzw. ihrer jeweiligen Einheit gibt es offenbar eine ähnliche Bedeutungsmannigfaltigkeit und eine entsprechende Übereinstimmung wie beim Seienden selbst (vgl. Met. Γ 2, Ζ 1, vgl. Kap. III 1), dem die Essenz als grundlegende Bestimmung zugehört. Auch das Seiende wird in mehreren Bedeutungen verwendet, die in einer ontologischen Pros-Hen-Relation zueinander stehen; also nicht in einem Identitätsverhältnis und auch nicht als Übereinstimmung im Sinne bloßer Äquivokation. Das vielfältige Seiende wird vielmehr in erster Linie auf eine Kernbedeutung bezogen, auf anderes hingegen auf sekundäre Weise. Die Pros-Hen-Relation demnach ist eine unbestimmte Hinordnung einer Bedeutungsfamilie auf eine zentrale Grundbedeutung: nämlich auf das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι, Met. Ζ 4, 1030bl 1), die Ousia. Gleichwohl wird das Seiende bzw. die Essenz und das Wassein auch in allen übrigen Kategorien ausgesagt. In den Erörterungen von Met. Ζ 4 wurde im einzelnen herausgearbeitet, daß die Essenz und die Wesensbestimmung bzw. das Wassein primär den Ousiai zugeschrieben wird, in sekundärer Weise auch dem übrigen, kategorial je verschieden bestimmten Seienden. Die Essenz als Wesensbestimmung der Ousia hat sich als eine besondere, wesentliche Hinsicht auf das Seiende erwiesen. Da der Essenz gemäß den verschiedenen Kategorien mehrere Bedeutungen zukom133

Vgl. auch die kategorial je verschiedenen Bedeutungen des Guten in NE 14 (vgl. Kap. I 5). K.-H. Volkmann-Schluck (op. cit. [Anm. 126], 58) unterscheidet drei Arten der Wesensbestimmung: (1) diejenige des für sich Seienden, d.h. des τόδε τι, (2) diejenige der anderen Kategorien - z.B. des Qualitativen (des Weißen) - aber eines τόδε τι, (3) die Wesensbestimmung des Synthetischen (z.B. weißer Mensch), in noch .uneigentlicherem Sinne' als beim 'Weißen'.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

men, stellte sich auch die Frage nach ihrer Einheit bzw. Gemeinsamkeit. Bei der Übereinstimmung der verschiedenen Bedeutungen handelt es sich jeweils nicht um eine Identität; sie sind inhaltlich auch nicht völlig divers und ohne eigentliche Einheit. Die Gemeinsamkeit besteht vielmehr in einer Pros-Hen-Relation, d.h. in einer unbestimmten und je verschiedenen Hinordnung aller abgeleiteten Bedeutungen auf eine zentrale und primäre Grundbedeutung. Wie das Seiende, das Eine und das Gute werden die Essenz und das Wassein in allen Kategorien ausgesagt und haben eine je andere Bedeutung, aber gemeinsam ist ihnen jeweils die Beziehung auf Eines (προς εν), auf eine primäre Grundbedeutung. Denn in der bei Aristoteles begrifflich unbestimmten Pros-Hen-Relation wird unterschieden zwischen Primärem und Sekundärem, zwischen dem Ursprünglichen, Ersten und dem Abgeleiteten (έπομένως). Da dasselbe auch für weitere ontologische Grundbestimmungen gilt - flir das Eine, das mit dem Seienden konvertibel ist (Met. Γ 2, 1003b31-34), für das Wahre (Met. a 1, 993b23ff.) und ebenso für das Gute (NE I 4, 1096al9ff.; EE I 8, 1217b27-34, vgl. Kap. 1 5 ) - , deuten sich bei Aristoteles Grundlinien von universalontologischen Bestimmungen an, den sogenannten Transzendentalien (ens, unum, verum, bonum). Diese Lehre hat sich im 13. Jahrhundert herausgebildet (vgl. Kap. I 5), ist aber bereits in der für alles Seiende geltenden Aristotelischen Ontologie präfiguriert134. Jene ersten, gemeinsamsten Begriffe haben in der Pros-Hen-Relation des Aristoteles eine primäre und eine derivative Bedeutung. Allerdings erweisen sich diese Begriffe - anders als im Mittelalter, wo sie in besonderer Weise als Gottesnamen135 fungieren oder jeweils einer der göttlichen Personen der Trinität zugeeignet (appropriiert) werden136 oder sogar mit Gott unmittelbar identifiziert werden137 - für Aristoteles als die allgemeinsten Bestimmungen des Seienden Uberhaupt, wie auch immer es inhaltlich bestimmt sein mag. Diesen grundlegenden Begriffen - und infolgedessen auch der Essenz

134 135

136

131

Vgl. hierzu K. Bärthlein, op. cit. [Kap. I, Anm. 31], Vgl. Ps.-Dionysius Areopagita, De dtvinis nominibus, in: Corpus Dionysiacum I, hrsg. von B. R. Suchla (Patristische Texte und Studien 33), Berlin/New York 1996. Kap. IV handelt vom Guten als dem primaren Gottesnamen, Kap. XIII vom Einen und Kap. V vom Sein. Vgl. hierzu auch die Kommentare des Albertus Magnus und des Thomas von Aquin. Vgl. z.B. die zentrale Bedeutung der transcendentia für die Appropriationslehre des Alexander von Haies (Summa theologica t. 1, inq. 1, tract. III, q. 1-3, ed. Collegium S. Bonaventurae, Quaracchi 1924,1, 114) und des Bonaventura, für dessen Denken die Transzendentalien ein systembildendes entscheidendes Element darstellen (vgl. Breviloquium I, 6, in: Opera omnia V, ed. Collegium S. Bonaventurae, Quaracchi 1891). Vgl. hierzu J. A. Aertsen/A. Speer, Die Philosophie Bonaventuras und die Transzendentalienlehre, in: Recherches de Théologie et Philosophie médiévales 64, 1997,32-66, hier: 60ff. Vgl. Kap. V 5 zur expliziten Gleichsetzung der Transzendentalien mit Gott die eigentümliche Transzendentalienlehre bei Meister Eckhart. - Dieser appropriiert die Transzendentalien jedoch auch den drei göttlichen Personen, um diese besser verdeutlichen zu können (In Joh., n. 512-13, in: Lateinische Werke III, hrsg. von K. Christ und J. Koch, Stuttgart 1936,443-445).

3. Das τί ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

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und dem Wassein - kommt demnach bei Aristoteles universalontologische Bedeutung zu138.

c) Identität und Differenz von Essenz und Einzelwesen (Met. Ζ 6) Während es in Met. Ζ 5 im wesentlichen um Fragen geht, wie man in einer Definition den Zirkel vermeidet139 (vgl. Met. Ζ 4, 1029b20), und nochmals bekräftigt wird, daß man auch den zusammengesetzten Dingen (σύνθετα, Met. Ζ 5, 1030M6) eine Wesensbestimmung bzw. Essenz konzedieren müsse, allerdings jeweils mit einer Hinzufìlgung, so daß sie jenen nicht vorzugsweise (μάλιστα), primär (πρώτως) und einfachhin (απλώς) zukommt wie den Ousiai (1031a9ff.), wird in Met. Ζ 6 die ontologisch entscheidende Frage aufgeworfen, 1311

139

Wie das Seiende, das Eine, das Wahre und das Gute - also die transcendentia - werden auch die Essenz und das Wassein in allen Kategorien ausgesagt, kommen also jedem Seienden zu und sind in der Sache (in re) - d.h. gemäß ihrem Träger (secundum suppositum) - identisch, aber begrifflich (secundum rationem) verschieden. Obwohl Essenz und Wassein dieselben Merkmale wie jene transcendentia aufweisen, zählen sie im Mittelalter nicht zum klassischen Kanon dieser ersten Begriffe. Thomas nennt jedoch im Rahmen einer systematischen Ableitung der transcendentia in De veritate 1, 1 neben ens, unum, verum und bonum noch zwei weitere: res und aliquid. Die res expliziert das wesentliche Wassein von etwas, aliquid die Unterschiedenheit bzw. Abgrenzung und damit die ontologische Unabhängigkeit von anderem Seienden. Insofern wurden Essenz und Wesensbestimmung im Mittelalter nicht schlichtweg unter das Seiende subsumiert, sondern wurden auf diese Weise durchaus von der Transzendentalienlehre berücksichtigt. Bei Heinrich von Gent (Quodlibet VII, 1, in: Opera Omnia XI, hrsg. von G. A. Wilson, Louvain 1991, 26f.) wird die transzendentale Bedeutung der res, die bei ihm eine Sonderstellung einnimmt, zweifach differenziert: einerseits bezeichnet sie jeden Sinngehalt des Denkens, andererseits das quidditative Sein. Vgl. hierzu J. A. Aertsen, ,Res' as Transcendental. Its Introduction and Significance, in: Le problème des transcendentaux du XIVe au XVIIe siècle, hrsg. von G. F. Vescovini, Paris 2002, 139-156, hier: 149f. Im Spätmittelalter, etwa bei Lorenzo Valla (Repastinatio dialectice et philosophie [Originaltitel: Disputationes dialecticae] I, 2, 1, hrsg. von G. Zippel, 2 Bde., Padua 1982,1, 11), der wie Thomas sechs Bestimmungen aufführt, jedoch eher sprachlich-philologisch argumentiert, ist die res für alle anderen Bestimmungen der grundlegendste und am meisten erfaßbare Begriff (capacissima), also das oberste und wichtigste transcendental, das als wahrer „rex et imperator" die Übrigen „beherrscht", d.h. ihnen vorgeordnet ist. Vgl. hierzu J. A. Aertsen, Res as Transcendental, hier: 140f. Schwieriger wird es aber, wenn man die Essenz gemäß Met. Ζ 17 (vgl. Kap. IV S) als immanente Seinsursache, d.h. als ontologisches Prinzip betrachtet (vgl. Kap. II 2b). Denn ein wesentliches Kennzeichen der transcendentia ist ihre schlechthinnige Prädikabilität von allem Seienden. Deshalb sind sie nicht auf eine Kategorie begrenzt, etwa auf die Ousia. Von einem Synholon ist jedoch nicht dessen ontologisches Konstituens im eigentlichen Sinne prädizierbar. Der transzendentale Status der Essenz bezieht sich also primär auf ihre definitorische Bedeutung als Wasbestimmtheit des jeweiligen Einzelnen. Im Hinblick auf die ontologische Bedeutung der Essenz - d.h. sofern sie das wirkliche Sein und das wesentliche Wassein des Einzelnen ausmacht und dasjenige ist, wodurch etwas ist, was es ist - ist sie nicht von demjenigen Seienden prädizierbar, dessen Konstituens sie ist, und kann somit jene Bedingung der Transzendentalität, nämlich schlechthinnige Aussagbarkeit, nicht erfüllen. Da Met. Ζ 5 bereits bei den Darlegungen zu Met. Ζ 4 mitberücksichtigt wurde, wird im folgenden auf eine detaillierte Analyse verzichtet, so daß die Untersuchung unmittelbar zu Met. Ζ 6 Ubergehen kann, einem für die Ousia-Lehre entscheidenden Kapitel.

108

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

ob Essenz und das jeweilige Einzelne (έκαστον) identisch oder verschieden sind140 (1031al5f.), ob also zwischen dem Eidos und dem Synholon - als existierendem Einzelwesen - eine Identität oder eine Differenz vorliegt, bzw. wann ersteres und wann letzteres zutrifft141. Im folgenden soll der entscheidende positive Gehalt von Aristoteles' eigener Lehre herausgestellt werden. Er stellt die These auf, daß die Essenz als Ousia eines jeden Einzelnen bezeichnet wird (ουσία εκάστου λέγεται, Met. Ζ 6, 103 lal8f.). So ist z.B. die Lilie die Essenz als Ousia dieser bestimmten Blume142. Aristoteles identifiziert hier offenbar - wie bereits in Met. Δ 8 (vgl. Kap. II) - die Essenz nicht mit der Ousia schlechthin, sondern mit der Ousia des jeweiligen Einzelnen (ουσία έκάστου). Nicht das Eidos als solches - als an sich Existierendes wie bei Plato gilt demnach als Ousia (vgl. Met. Ζ 13), sondern nur sofern das Eidos die Essenz des jeweils Einzelnen ausmacht. Zunächst wird dies für das akzidentell Seiende untersucht und gefragt, ob bei diesem Nicht-an-sich-Seienden - z.B. bei dem bloß qualitativ Bestimmten - Essenz und Einzelding identisch oder verschieden sind. Ein qualitativ bestimmtes Einzelwesen wie 'weißer Mensch' (Met. Ζ 6, 1031a20) hat hinsichtlich seines qualitativen Seins keine Essenz im eigentlichen Sinne. Ein Mensch und ein weißer Mensch können zwar ontisch dasselbe Seiende sein (1031a22f.); allerdings sind nicht notwendigerweise Menschsein und Weißer-Mensch-Sein ontologisch dasselbe143 (1031a24f.), da es beim Menschsein nicht auf die Farbe ankommt (vgl. Met. Ζ 5, 1030bl9ff.). Denn es gehört nicht zum Eidos Menschsein, daß stets auch weiße Farbe mitgemeint ist. Der entscheidende philosophische Grund dieses Problems liegt in dem Unterschied von Eidos und Qualität144 140

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Bei dieser Gleichsetzung von Essenz und Ικαστον verstehen M. Frede/G. Patzig (op. cit [Einleitung, Anm. 6]) und H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 278f.) unter Ικαστον nicht das Einzelding, sondern das Eidos, d.h. das jeweilige Eidos, was jedoch eine Konzeption individueller Eide voraussetzt - eine im Hinblick auf Aristoteles umstrittene These (vgl. Kap. IV 3). M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 284) weist auf die Doppelbedeutung von Ικαστον als (1) das jeweils Einzelne und (2) als das jeweils gerade Erörterte hin. Die Erörterungen in Met. Ζ 7-11 zeigen, daß die Synhola mit ihrem τί ήν είναι nicht identisch sind. Bei der folgenden komplizierten Überlegung steht offenbar die Konzeption im Hintergrund, daß diese Essenz, sofern sie als das Eidos eines Einzelnen aufgefaßt wird, erst dessen Sein und Wassern ausmacht und das Einzelne erst dadurch dieses bestimmte Einzelwesen ist, sonst gäbe es nur bloße Materie. K.-H. Volkmann-Schluck (op. cit. [Anm. 126], 62ff.) bemerkt in terminologischer Anlehnung an Heidegger, daß der vorschnelle Schluß von einer ontischen Identität - einer Identität im Hinblick auf das tatsächlich Seiende - auf ontologische Identität - d.h. eine Identität mit demjenigen, wodurch das Seiende erst konstituiert ist - unberechtigt sei. Es handelt sich eher um eine beiläufige Identität (66). - L. Spellman (op. cit. [Einleitung, Anm. 53], 30) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Einheit im Sinne einer essentieller Identität und der numerischen Selbigkeit, was sicherlich auf das Verhältnis zwischen Essenz und Einzelding zutrifft: Sie sind numerisch dasselbe (76, 82, 86), beziehen sich also auf dieselbe ontische Entität als Träger, nicht auf numerisch verschiedene Entitäten (47); Essenz und Einzelding sind bei Synhola nicht schlechthin identisch, da sie auch Uber akzidentelle Eigenschaften verfügen (88). Vgl. hierzu auch Kap. I, Anm. 11.

3. Das τί fjv είναν in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

109

(vgl. Cat. 5, 3bl5), der in früheren Werken des Aristoteles - wie in der Topik noch nicht ausgearbeitet und trotz des hiesigen Versuches formallogisch nicht beweisbar ist. Dieser Unterschied ist allein sachlich-inhaltlich zu begründen. Im Fall des akzidentellen Nicht-an-sich-Seienden - z.B. bei der Prädikation 'weiß' von 'Mensch' - liegt offenbar keine Identität von Einzelding und Essenz bzw. Ousia vor. Wie verhält es sich nun bei dem An-sich-Seienden? Sind in diesem Fall Einzelding und Essenz dasselbe? Im folgenden nimmt Aristoteles die Platonische Ideenlehre kritisch auf und setzt sich mit ihr auseinander. In diese Auseinandersetzung ist seine eigene ontologische Konzeption verwoben: Es wird nämlich gefragt, ob Einzelding und Essenz bzw. Ousia dann identisch sind, wenn es primäre Ousiai gibt, denen keine weiteren Ousiai vorgeordnet sind, sondern selbst vorrangig sind. Ob sie existieren, bleibt zunächst offen, Aristoteles selbst nimmt dies jedoch an (vgl. Met. Ζ 1). Zunächst erklärt er, die Platonischen Ideen seien z.B. solche primären Ousiai. Dies ist in der Tat zutreffend. Denn nach Piatos eigener Lehre wird den Ideen selbst Ousia-Charakter im eigentlichen Sinne zugeschrieben: Sie sind dasjenige, was an sich und wesentlich ist (vgl. Kap. 15). So wäre es denkbar, daß gerade diese Entitäten die Forderung nach der Identität von Essenz und eigentlichem Seienden erfüllen. Dies ist aber nach Aristoteles' Kritik an Piatos Ideenlehre gerade nicht der Fall; die Ideen seien vielmehr als Essenzen verschieden, sogar getrennt von den Einzeldingen, auf die sie sich beziehen. Dazu bringt Aristoteles zwei Argumente vor: (1) Wären Ideen und Dinge verschieden, dann mtlßten solchen Ideen andere, noch ursprünglichere Ousiai vorgeordnet sein, bei denen eine solche Verschiedenheit nicht stattfände und daher höherstufig wären (Met. Ζ 6, 103 Ibi ff.). (2) Das schärfere Argument gegen die Ideenlehre - die sogenannte 'Chorismos-These'145 als Standard-Argument gegen Piatos Lehre - besagt, nach dieser Lehre seien die Ideen von den Dingen getrennt. Dann aber wäre z.B. das Lebewesen und die Lebewesenhaftigkeit als Essenz bzw. Ousia des Lebewesens voneinander getrennt, ebenso das Gute und das Gutsein als Essenz des Guten oder das Seiende und die Essenz des Seienden. Dann käme dem Guten dessen Essenz bzw. die jeweilige Idee nicht zu. Da aber nur die Essenz von etwas wirklich erkennbar, also wissenschaftlich erfaßbar ist, wären das Gute, das Lebewesen und das Seiende unerkennbar, und es gäbe keine Wissenschaft. Denn etwas erkennen bedeutet, seine Essenz zu begreifen (1031b7, 1031b20f.). Außerdem würden die jeweils entsprechenden Essenzen der jeweiligen Einzeldinge Uberhaupt nicht existieren. Dies ist bei primären Ousiai, denen gerade nichts anderes vorgeordnet werden kann und die als An-sich-Seiende existieren sollen, offenbar undenkbar, was Aristoteles offenbar auf die Platonische Ideenlehre bezieht. 143

Diese Frage wird jedoch bereits in Piatos Parmenides diskutiert Da Plato aber dennoch an der unverzichtbaren Annahme von an sich seienden Ideen festhält (vgl. Parm. 135b), wird seine genuine Ideenlehre von jener Kritik gar nicht getroffen. Vgl. hieizu Kap. I 5.

110

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Wenn ferner die Ideen - angeblich nach Plato - als von den Einzeldingen getrennte Entitäten angenommen werden und als Allgemeinheiten Ousiai wären, könnte kein Zugrundeliegendes Ousia sein (1031bl6ff.); dies muß aber für Aristoteles grundsätzlich der Fall sein. Denn bereits in seiner frühen Ontologie ist das Zugrundeliegende dasjenige, was eigentlich und an sich ist und daher primäre Ousia ist (vgl. Cat. 5). Ferner wären die Ideen nur Teilhabende (in inverser Ordnung der Methexis gegenüber Plato) an etwas anderem ihnen Zugrundeliegenden, also an dem jeweiligen Einzelwesen, was nach Aristoteles ebenfalls dem Ousia-Charakter widerspricht. Ideen können als Allgemeinheiten, die sich per defmitionem auf Einzelnes beziehen, das ihnen zugrunde liegen muß, keine Ousiai sein; in logisch-grammatischer Hinsicht erweisen sie sich lediglich als Prädikate von Subjekten (Cat. 5). Wenn man Ideen annimmt, sind sie nach Aristotelischer Lehre die Wesensbestimmungen des Zugrundeliegenden. Nach Aristoteles muß man, um die oben skizzierten Schwierigkeiten zu vermeiden, eine Identität des An-sich-Seienden bzw. der Ousia von etwas und dessen Essenz annehmen (Met. Ζ 6, 1031bl9f.). Die jeweilige Sache und ihre Essenz sind nicht voneinander trennbar, sondern notwendig ein und dasselbe. Dies gilt für primäre, vorgeordnete Ousiai (1031bl3f.)146. Aus diesen kritischen Überlegungen zur Platonischen Ideenlehre geht für Aristoteles' eigene Lehre offenbar hervor, daß bei jenen primären, vorrangigen Bestimmungen (1031bl2fF.) - wie Gutes und Gutsein, Schönes und Schönsein, Seiendes und Seiendsein - das an sich seiende Einzelseiende und dessen Essenz identisch sein müssen. Er bestreitet also keineswegs, daß es eine Essenz oder ein Eidos des Lebewesens gibt - nämlich die Lebendigkeit - bzw. eine Essenz des Guten - das Gutsein - oder eine Essenz des Seienden, das Seiendsein. Die essenziellen Bestimmungen sind in diesem Zusammenhang allerdings jeweils nicht als Allgemeinheiten im Sinne Piatos aufzufassen, sondern als Ousia des jeweiligen Einzelnen (έκαστου), die im Eidos besteht, welches die Essenz von etwas ausmacht. Dies gilt auch, wenn es keine Ideen gibt, d.h. wenn man Piatos Ideenlehre nicht akzeptiert. Es bleibt hier jedoch offen, von welcher Art von Einheit diese Essenzen sind. Entscheidend ist, daß solche Essenzen und die jeweiligen Einzeldinge identisch sind (1031bl8f.). Gerade in der kontinuierlichen Plato-Kritik hält Aristoteles bei dieser scheinbar Plato nahestehenden Überlegung - daß nämlich Eide, Ideen, an sich seiend sind - daran fest, daß dasjenige, was eigentlich ist - das Einzelding - das Zugrundeliegende ist, was an Cat. 5 erinnert und deutlich antiplatonisch ausgerichtet ist (vgl. Kap. I). Die Identität von Einzelding und Essenz gilt für primäre, vorgeordnete Ousiai und - wenn man Met. A 7-10 hinzuzieht - für alles rein eidetisch bestimmte, einfache und 146

Nur verstehen Plato und Aristoteles darunter jeweils etwas anderes (vgl. Kap. I 5): Für Plato ist das An-sich-Seiende - das primär und eigentlich Seiende, d.h. die Ousia - die Idee (vgl. Politela VII, 523a-525a), fllr Aristoteles hingegen das bestimmte Einzelwesen bzw. dessen Eidos als Essenz des Einzelnen.

3. D a s τ ί ή ν ε ί ν α ι in seiner ontologischen Bedeutung (Met. Ζ 4-6)

111

immaterielle Seiende. Doch wird dies in Met. Ζ 6 nicht weiterentwickelt. Für zugleich stofflich gefaßte Ousiai, also Synhola, trifft jene Identität nicht zu. Denn in ihrem Fall besteht eine Differenz zwischen Einzelwesen und Essenz, da deren Materie das Prinzip der Individuation bzw. der Grund für die individuierenden, unwesentlichen Unterschiede zu sein scheint147 (vgl. Met. Ζ 8, 1034a7f.) und das Eidos - fur sich betrachtet als Art (species) wie z.B. Hund, Pferd usw. ein Allgemeines ist. Aber als solches hat das Eidos nie selbständige Existenz (vgl. Met. Ζ 14-16), so daß ihm nur insofern primärer Ousia-Charakter zukommt, als es Sein und Wassein - d.h. die Essenz - eines zusammengesetzten oder auch eines immateriellen bestimmten Einzelwesens ausmacht. Ohne dieses ontologisch konstitutive Eidos wäre das jeweilige Einzelne nicht dieses bestimmte Einzelwesen. Die Essenz als Eidos ermöglicht und verwirklicht erst, was dieses Einzelne - etwa diese Rose - wesentlich ist. Erkannt und bestimmt wird dieses Eidos als Essenz in Definitionszusammenhängen148. Denn die Wesensbestimmung gibt das spezifische Eidos mit dem dazugehörigen Genos an (vgl. Met. Ζ 4, 1030allff.). Es hat sich gezeigt, daß das Eidos, nur insofern es die Essenz eines bestimmten Einzelnen ausmacht, dieses ontologisch in seinem wesentlichen Wassein bestimmt und daher als primäre Ousia gilt (vgl. Met. Ζ 7-11 gegenüber Cat. 5), der nichts anderes mehr vorgeordnet werden kann. Dies gilt für Bestimmungen wie Lebewesen, Gutes an sich. Ob es auch für ganz bestimmte Ousiai gilt, bleibt offen. Aus Met. Λ läßt sich jedoch entnehmen, daß zumindest der Aristotelische Gott - als Noesis Noeseos und als immaterielle Ousia - ein individuelles, aber rein eidetisch bestimmtes Einzelwesen darstellt und kein Allgemeines. Dasselbe trifft auch auf die 55 kosmologischen unbewegten stofflosen Beweger zu (vgl. Met. A 8, 1074a35ff.)149. Bei diesen immateriellen Ousiai, die tatsächlich - wie häufig lediglich hypothetisch und vorläufig angenommen (vgl. Met. E 1, Ζ 2) - jeweils als ein bestimmtes Einzelwesen und selbständig für sich existieren (τόδε τι και χωριστόν), und zwar als reine, nicht-inkorporierte Eide (vgl. Met. Λ 8), sind Essenz (τί fjv είναι) und Einzelwesen identisch (Met. Ζ 6, 1032a3f.), weil diese immerwährenden, unvergänglichen Ousiai nicht über körperliche Materie verfügen und ihnen daher auch keine bloß akzidentellen Prädikate attribuiert werden können; vielmehr kommt ihnen nur örtliche Materie (ϋλη τοπική, vgl. Met. Η 4, 1044b7f.) für den Vollzug ihrer stetigen Kreisbewegung zu. 147

148 149

Anders vertreten M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,48) und Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 175fF.) die These, das Eidos sei das Individuationsprinzip und selbst individuelle Form. Vgl. auch M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 239), der den aktiven Charakter des Eidos als dynamisches Prinzip des Formens hervorhebt, also nicht als statisches Geformtsein, sondern als aktive Tätigkeit (ένέργεια) und somit als Ousia; vgl. ebenso F. Lewis (op. cit. [Einleitung, Anm. 29], 160-163), der im Hinblick auf das Zusammengesetzte diese Tätigkeit des Eidos herausstellt, ohne aber eine Theorie individueller Formen anzunehmen. Zur Einheit der Definition bzw. der Essenz (Met. Ζ 4,1030b7ff.) vgl. Kap. III 4 zu Met. Ζ 12. Vgl. hierzu Kap. V 2, bes. Anm. 15 und 18.

112

III. Die Ontologie der Ousia in Metephysik

Ζ

Die Erörterungen haben deutlich gemacht, daß Aristoteles das Eidos bzw. die Essenz nicht als individuelle Form lehrt, d.h. als dasjenige Eidos, welches selbst individuell ist150. Es gibt möglicherweise Andeutungen in der Seelenlehre, daß die Seele als Eidos und belebendes Prinzip des Körpers individuell ist151; aber auch in diesem Zusammenhang sagt Aristoteles nicht, daß diese es auch körperlos sei. Die Seelen von Sokrates und Kallias sind verschiedene, und zwar unterscheiden sie sich in ihren Akzidentien, d.h. durch ihre Materie. Doch sind sie es stets nur als zugleich den Körper belebende152; ob sie auch getrennt vom Körper individuell existieren, bleibt offen. Im folgenden wendet sich Aristoteles erneut der Frage zu, ob eine Ousia, die zugleich qualitativ bestimmt ist und somit eine Verbindung von Ousia und Akzidens darstellt, mit ihrer Essenz identisch ist oder nicht. Bei dem An-sichSeienden ist diese Identität aus epistemologischen Gründen verständlich; denn Erkennen heißt, die Essenz erfassen (Met. Ζ 6, 103 lb7, 1031b20f.). Aber wie verhält es sich bei zusammengesetzten Bestimmungen wie 'weißer Mensch', 'gebildeter Mensch' usw.? Zunächst wiederholt Aristoteles seine anfangs formulierte Nicht-Identitäts-These (1031 al 8f.): Das Ding selbst und seine Essenz sind nicht identisch (1031b25). Anschließend erfolgt jedoch eine Differenzierung in zwei Hinsichten: in einer Hinsicht sind Essenz und Einzelwesen identisch, in einer anderen verschieden: 'Das Weiße' bezeichnet ein Zweifaches (διττόν σημαίνει, 1031b23): (1) das Akzidens einer Ousia, der es inhäriert ('weißer Mensch') (2) das Akzidens selbst, die Farbe Im ersten Fall (1) sind Einzelwesen und Essenz verschieden, denn 'weiß' ist keine Wesensbestimmung von 'Mensch'. Essenz und Einzelding sind also dann nicht identisch, wenn das Einzelne auch durch zufällige Prädikate bestimmt ist, d.h. durch stofflich fundierte, wie z.B. 'weißer Mensch'. Jene sind allenfalls der Affektion nach (πάθει, 1031b28) identisch, nicht aber der Essenz nach. Bei dieser Nichtidentität bedeutet die Essenz die Wesensbestimmung der Ousia. Dies 150

151

132

Allerdings behaupten dies neben M. Frede/G. Patzig (op. cit [Einleitung, Anm. 6], L, 48-57) auch E. Hartman (op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977), der vor allem die notwendige Beziehung der Essenz auf ein Einzelnes als Argument für diese Deutung anführt, sowie T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 250ff., 263ff.), Ch. Witt, (op. cit [Einleitung, Anm. 24]) und neuerdings - in gemäßigterer Form - auch L. Spellman (op. cit. [Einleitung, Anm. S3], 40-62). Zur Kontroverse vgl. Kap. IV 3. Wie aber kann das Eidos individuierendes Prinzip und zugleich ein Allgemeines sein? Als Essenz ist das Eidos Ousia und ontologisches Konstituens (vgl. Met Ζ 17), in Defimtionszusammenhängen hingegen ein Allgemeines (vgl. Met. Ζ 10-12) und ermöglicht dadurch eist die wissenschaftliche Erkennbarkeit des auch stofflich bestimmten Einzelnen (vgl. Kap. m 4). Nach De an. ist die Seele das Eidos des Körpers als belebendes und formendes Prinzip, also auch des Körpers als Synholon. Zwei Individuen unterscheiden sich zwar in Fleisch, Haut, Haare, Knochen usw. (Met. Ζ 8, 1034aS-8), allerdings nicht ausschließlich, sondern auch in ihren verschiedenen denkenden Seelen.

3. Das τν ήν είναι in seiner ontologischen Bedeutung {Met. Ζ 4-6)

113

stand offenbar auch bei jener Nicht-Identitäts-These {Met. Ζ 6, 1031al8f.) im Hintergrund. In jedem An-sich-Seienden inkarniert sich Seiendsein oder die Essenz des Seienden, in jedem An-sich-Guten die Essenz des Guten. Den Ousiai auch den stofflosen - kommt jeweils eine Essenz zu. Im zweiten Fall (2) sind Einzelwesen und Essenz identisch; denn weiß ist wesentlich das Weißsein. Weiß kann als Farbe zwar eine Essenz haben, aber nur in sekundärer Bedeutung als Wassein einer Qualität (vgl. Met. Ζ 4,1030bl3). Es folgt noch ein weiteres Argument gegen die Trennung von Essenz und Einzelwesen, das sich nicht speziell gegen Plato zu richten scheint (Met. Ζ 6, 1031b28ff.): Würde man Einzelding und Essenz trennen, obwohl sie Eines sind, und jedes mit einem eigenen Namen belegen, gäbe es zusätzlich zu der Essenz eines Einzeldings, die selbst als bestimmte Sache aufgefaßt würde, eine weitere Essenz usw. in infinitum153. Abschließend wird nochmals zusammengefaßt: Die Ousia des Einzelnen d.h. dessen Essenz (Met. Ζ 6, 1031al8f.) - und das Einzelne selbst sind bei demjenigen identisch, was als Erstes und als An-sich-Seiendes bezeichnet wird, also bei primären Ousiai. Damit sei auch die Frage geklärt, ob Sokrates und Sokrales-Sein dasselbe ist (1032a8ff.). Warum hier die Identität von Sokrates und dessen Essenz erwähnt wird, bleibt unklar; denn zuvor war nicht spezifisch von der Essenz einzelner Synhola die Rede, was hier nur angedeutet, aber nicht weiter ausgeführt wird. Unter 'Sokrates' kann nun wiederum zweierlei verstanden werden154 (vgl. Met. Ζ 11,1037a7f.): (1) die Bezeichnung für dessen Seele, bzw. dessen Eidos (2) die Bezeichnung für das Synholon. Wird Sokrates (1) als immanente Seinsursache aufgefaßt und somit als Ousia (vgl. De an. Π 4, 415b8-14), sind Sokrates und Sokrates-Sein identisch155. Dies gilt ebenso für diejenigen Einzelwesen, die nicht zugleich stofflich bestimmt sind, und denen keine zufälligen Bestimmungen zugeschrieben werden können, also für Gott oder überhaupt für immaterielle Ousiai. Auch bei ihnen ist das Einzelwesen jeweils mit seiner Essenz identisch und dasselbe Seiende, da sie nicht 153

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Ob diese Aigumentation stringent ist, sei dahingestellt. - Ebenso bleibt unklar, welche sophistischen Einwände (1032a7) gegen die folgende Identitäts-These gemeint sind. Es wurde zuvor nicht von Universalien gesprochen, wie D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 179f.) meint, was M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 102f.) daher zurückweisen. Die Doppeldeutigkeit sah bereits Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 485, 3Iff.); vgl. hierzu auch M.-Th. Liske, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 307f., und H. Steinfath, op. ciL [Einleitung, Anm. 18], 324. Diese Auffassung vertreten - meist verbunden mit der Deutung der Ousia als individuelle Form - E. Hartman (op. cit. [Einleitung, Anm. 42, 1977, 57-87), W. Sellare (op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 1967, 115) und T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 218). Gegen die Begründung einer Theorie individueller Formen bei Aristoteles durch die Identität von Essenz und Einzelnem argumentiert zu Recht D. K. W. Modrak (op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 207f.).

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

über Körperlichkeit verfügen und somit auch nicht mit Potentialität behaftet sind. Doch auch in diesem Fall gilt, daß nach der ontologischen Theorie des Aristoteles nicht dem Eidos als solchen selbständige Existenz und daher OusiaCharakter zukommt, sondern nur demjenigen Eidos, das die Essenz eines nichtstofflichen Einzelwesens bedeutet. Wird Sokrates (2) zwar als ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), also gemäß Cat. 5 als primäre Ousia, aber aus der Perspektive der Ersten Philosophie in Met. Ζ als Synholon betrachtet - d.h. als ein aus Hyle und Eidos konstituiertes, zusammengesetztes Einzelwesen (συνθέτη ούσία) - ergibt sich, da es auch über Materialität bzw. Akzidentien verfügt, eine Differenz zwischen dem Einzelnen (Sokrates) und dessen Essenz (Sokrates-Sein). In diesem Fall ist Sokrates mit seinem τί ήν είναι nicht identisch (vgl. Met. Η 3, 1043b2-4). Gleichwohl beziehen sich Einzelnes und dessen Essenz bzw. Ousia ontisch auf denselben Träger, bezeichnen jedoch nicht ontologisch dasselbe156. Denn von einem Synholon, einem Ganzen aus Stoff und Form, lassen sich auch akzidentelle Eigenschaften aussagen, die diesem zwar nicht wesentlich sind, aber dennoch an ihm vorkommen. Deshalb kann das stofflich gefaßte Einzelwesen nicht mit seiner Essenz bzw. seinem Eidos identisch sein; bei rein eidetisch bestimmten Einzelnen, die völlig immateriell sind, koinzidiert hingegen die Essenz bzw. das Eidos mit dem jeweiligen Einzelwesen.

4. Das τί ήν είναι in seiner deflatorischen Bedeutung (Met. Ζ10-12) Die vorangegangenen Erörterungen zu Met. Ζ 4-6 haben aufgezeigt, inwiefern nur den Ousiai eine Essenz (τί ήν είναι) im eigentlichen Sinne zukommt und somit nur von ihnen Defmitionen im strengen Sinne angegeben werden können. Außerdem wurde dargelegt, wann Essenz und Einzelwesen identisch sind - bei primären Ousiai - und wann sie voneinander verschieden sind - bei zusammengesetzten Entitäten. Unter der impliziten Voraussetzung der in Met. Ζ 7 explizierten Identifizierung von Essenz und Eidos bzw. erster Ousia eines Einzeldinges (1032blf.) wurde die ontologische Bedeutung der Essenz als Eidos herausgestellt157. Zwar bleibt auch in der veränderten Ousia-Lehre der Metaphysik die Grundthese der Kategorienschrift erhalten, daß das selbständig für sich und eigentlich Existierende das Einzelwesen (τόδε τι) sei. Im Rahmen der Ersten Philosophie werden jedoch die wesentlichen Konstituentien eines Einzelwesens näher be156

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Auf diese Weise verstehen M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 103), K.-H. Volkmann-Schluck (op. cit. [Anm. 126], 67) und L. Spellman (op. cit. [Einleitung, Anm. 53], 39) das Verhältnis zwischen Sokrates und Sokrates-Sein. - Zu Spellmans Interpretation vgl. Anm. 143. Auf eine detaillierte Analyse von Met. Ζ 7-9 sei hier verzichtet, da die für die Ousia-Lehre wesentlichen Aussagen bereits in der Interpretation von Met. Ζ 4-6 berücksichtigt wurden.

4. Das τί ήν ε ί ν α ι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10-12)

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stimmt, so daß das Eidos, das in der Kategorienschrift noch als zweite Ousia gilt, nun als primäre Ousia bezeichnet wird. Eine solche ontologische Auszeichnung des Eidos stellt eine Änderung bzw. Modifikation der Ousia-Lehre dar. In Met. Ζ erweist sich jedoch das Eidos nicht schlechthin als primäre Ousia, sondern nur - und darin liegt seine ontologische Bedeutung - , sofern es die Essenz eines bestimmten Einzelwesens ausmacht und sich in ihm findet, dem Einzelnen also wesenhaft immanent ist (είδος τό ενόν, Met. Ζ 11, 1037a29), und nicht selbständig für sich existiert (απλώς χωριστόν), d.h. getrennt von dem jeweiligen Einzelnen - wie es Aristoteles Piatos Ideen zuschreibt. Vielmehr gewährleistet das Aristotelische, dem Einzelnen innewohnende Eidos als Essenz dessen Ousia-Charakter, wodurch dieses Uberhaupt erst eigentlich existiert, und ohne das es nicht diese bestimmte Sache wäre158. Das Eidos fungiert somit als das Einheit- und Gestaltgebende und macht das wirkliches Sein und wesentliche Wassein des Einzelwesens aus. Die Essenz als das Eidos ermöglicht und verwirklicht erst, was dieses bestimmte Einzelwesen ist. Erkannt und Bestimmt wird das Eidos, das im Unterschied zu dem aus Materie und Form bestehenden Synholon (vgl. Met. Ζ 8, 1033b6ff.; 1033bl2ff.; Η 3, 1043bl7; Λ 3, 1070al5) weder entsteht noch vergeht, jedoch in Definitionszusammenhängen, denen daher die folgenden Betrachtungen gewidmet sind.

a) Die Lehre vom Gegenstand der Definition und von der Einheit ihrer .Teile' In Met. Ζ 10 wird das Verhältnis von Teil und Ganzem in der Definition erörtert: Da die Definition ein Logos ist und dieser notwendigerweise aus Teilen bestehen muß (1034b20f.), liegt die Frage nahe, ob diese Teile früher sind als das Ganze und wie die Teile der Definition mit den Teilen des Definiendum zueinander in Beziehung stehen. Dabei werden die Teile wie folgt differenziert: Die Teile des Eidos sind in der Definition enthalten (Met. Ζ 11, 1037a21ff.), während die materiellen Teile lediglich Teile des Zusammengesetzten darstellen, in welche dieses auflösbar ist. Die Teile des Zusammengesetzten bestehen offenbar nicht aus eidetischen, sondern aus materiellen Teilen. Die Materie ist demnach ein konstitutives Moment des Synholon und insofern ein ,TeiP von ihm, aber kein Teil des Eidos, weshalb die materiellen Teile im definitorischen Logos - d.h. in der Aussage, die das Wassein von etwas angibt - nicht enthalten sein dürfen (Met. Ζ 10, 1035a20ff.; Ζ 11, 1037a24, 1037a28). Was folgt daraus nun für die Priorität oder Posteriorität der Teile gegenüber dem Ganzen? Die 151

C. Arpe (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 45, 53ff.) nennt in diesem Zusammenhang die Essenz ein „ontologisches τί ήν είναι als das die Wiiklichkeit Konstituierende" und somit Ousia. Es ist jedoch präziser, von dessen ontologischer Bedeutung zu sprechen. Vgl. hierzu K. DOsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 71 f.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Teile der Definition, in welche diese aufgegliedert werden kann, sind früher als die Definition selbst (Met. Ζ 10, 1035b3ff.), während die stofflichen Teile, in die das zusammengesetzte Ganze zerlegbar ist, diesem nachgeordnet sind (1035 bl2ff.). Als Beispiel dient Aristoteles in diesem Zusammenhang die Seele der Lebewesen: Diese ist Ousia, sogar primäre Ousia (πρώτη ουσία, Met. Ζ 11, 1037a5), denn sie gilt als Eidos und Essenz für den so und so beschaffenen Leib (Met. Ζ 10, 1035bl4ff), der Körper hingegen ist Stoff (Met. Ζ 11, 1037a5). Die ,Teile' der Seele sind also ontologisch früher als das Zusammengesetzte, der Leib aber bzw. dessen Teile entsprechend nachgeordnet (Met. Ζ 10, 1035 b20ff). Es gibt offenbar eidetische Teile, welche ausschließlich Bestandteile des definierenden Logos sein können, und materielle Teile, die nicht das jeweilige Eidos betreffen, sondern nur zum konkreten Synholon gehören, von dem es, da es Materialität und somit Potentialität impliziert, keine Wesensbestimmung im eigentlichen Sinne geben kann (1036alff). Welche Teile gehören nun aber zur Form und welche zum konkreten Ganzen, d.h. zu dem mit dem Stoff Vereinigten? Wenn dies nicht klar ist, ist es unmöglich, eine Definition (ορισμός) anzugeben, die das Wesen von etwas 'umgrenzt'. Nicht zu den Teilen der Form zählen Fleisch und Knochen usw., denn diese sind Stoff (Met. Ζ 11, 1036b3ff), der sich bei allem findet, was nicht an sich ist, d.h. was nicht Essenz bzw. Eidos ist. Daß dasjenige, was der definierende Logos enthält, ein Teil ist und die Wesensbestimmung dennoch Eines ist, wird dadurch erklärt, daß „offenbar diese Sache Eines ist" (1037al7). Nach dieser Feststellung wird jedoch sogleich die Frage angeschlossen: „Wodurch ist die Sache Eines, da sie ja Teile hat? Die Lösung dieser Fragen ist späteren Untersuchungen vorbehalten." [nämlich den Erörterungen in Met. Ζ 12]

Zusammenfassend kann man sagen (Met. Ζ 11, 1037a21ff), daß im OusiaBegriff die stoffartigen Teile nicht enthalten sein dürfen, da sie nicht Teile des Eidos sind. Dieses ist gerade dadurch ontologisch ausgezeichnet, daß es als primäre Ousia, nämlich als eine Ousia ohne Stoff (ουσία άνευ ΰλης, Met. Ζ 7, 1032bl4) aufgefaßt wird. Die materiellen Teile sind Teile des Synholon. Dieses gilt zwar ebenfalls als Ousia, aber nicht als primäre, da es als Zusammengesetztes ontologisch später (υστέρα) ist, wie in Met. Ζ 3 dargelegt wurde. Sofern das Synholon nämlich materiell gefaßt wird, gibt es von ihm keinen Logos, sofern es aber als ein durch das Eidos Bestimmtes verstanden wird, welches dem jeweiligen Einzelnen innewohnt (είδος τό ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29), gibt es auch vom Synholon einen Logos bzw. eine Definition. Worin besteht die Bedeutung bzw. die Funktion einer Definition? Sie expliziert in ihren Bestimmungen, was etwas an sich ist, d.h. was das Wesen von etwas ist (vgl. An. post. II 3, 91al; II 10, 93b29, 94all-14). Somit gibt sie an, wodurch etwas ist, was es ist. Deshalb muß ihr Allgemeinheit (Met. Ζ 11, 1036 a26ff.) und Notwendigkeit zukommen - notwendig ist dasjenige, was sich nicht anders verhalten kann (vgl. An. post. I 4, 73a24, 73b25ff.). Dies sind nach Ari-

4. Das τί ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung {Met. Ζ 10-12)

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stoteles die Kriterien für wahres Wissen bzw. strenge Wissenschaft. Auf diese Weise ermöglicht die Definition eines Einzeldings, das als materiell gefaßtes, sinnlich-wahrnehmbares, konkretes Einzelnes nicht definierbar ist (vgl. Met. Ζ 15), erst dessen wissenschaftliche Erkennbarkeit. Denn mit der Definition als „Umgrenzung" (ορισμός) des Wesens von etwas - also mit dem Logos, der die Essenz (τί ήν είναι) einer Sache bezeichnet (vgl. Δ 8, 1017b22f.) - wird dies zugleich von anderen abgegrenzt. Met. Ζ 12 erörtert nun, wie eine solche Wesensdefinition zustande kommt, und auf welche Weise trotz mehrerer Termini, die in ihr verwendet werden und somit ihre ,Teile' darstellen, das Definierte Eines sein kann. Wie kann die Einheit des Gegenstandes der Definition gewahrt werden, obwohl sie aus mehreren Bestimmungen besteht? Das zu Definierende, das dadurch zugleich erkannt werden soll, ist die Ousia eines Einzelwesens, weshalb die Frage nach der Einheit der Definition im Rahmen der Untersuchungen zur Ousia behandelt wird. Man kann Met. Ζ 12 in zwei Abschnitte untergliedern: In einem ersten Teil (1037b8-1037b27) wird das Problem benannt, wobei zwei Lösungsmöglichkeiten zurückgewiesen und argumentativ ad absurdum geführt werden, indem - ex negativo - aufgezeigt wird, wie die deflatorische Einheit jeweils nicht zu denken ist. Der zweite Teil von Met. Ζ 12 (1037b28-1038a35) enthält hingegen Aristoteles' eigenen Lösungsversuch, der sich nur auf Definitionen eines besonderen Typs bezieht. Diese bestehen jeweils aus Gattung und spezifischer Differenz (1037b30) und sind aus dem Platonischen Dihairesisverfahren zu gewinnen, auf das Aristoteles im folgenden zurückgreift, das er aber auf eine ihm eigentümliche Weise modifiziert. Dies gilt sowohl für die dihairetische Methode als auch für die Konzeption des Atomon Eidos als deren Ergebnis. Das Definitionsproblem - genauer: die Frage, was die Einheit des Gegenstandes der Definition ausmacht, d.h. wodurch das Definiendum Eines ist - ist für die Ousia-Lehre förderlich {Met. Ζ 12, 1037bl0) und wird deshalb, obwohl es in den Analytiken als Problem benannt ist (vgl. An. post. II 6, 92a29), im Kontext der Ousia-Lehre nicht nur aufgeworfen {Met. Ζ 11, 1037al8-20), sondern erörtert; es wird hier zudem auch zu lösen beabsichtigt. Wie kann etwas eine Ousia bleiben - denn nur bzw. vorrangig von den Ousiai gibt es im strengen Sinne eine Definition {Met. Ζ 5, 1031a9ff.) - , wenn diese im Rahmen einer Wesensaussage (λόγος της ουσίας) durch mehrere Termini bestimmt wird? Als Beispiel dient hier der Mensch, der als „zweifüßiges Lebewesen" (ζφον δίπουν) bestimmt wird, womit allerdings nicht der Anspruch erhoben wird, das genuine Wesen des Menschen erfaßt zu haben159. Denn daß diesem gängigen 1,9

In diesem Kontext denkt man wohl eher an die Bestimmung des Menschen als ζφον πολιτικόν (vgl. Pol. I 2, 1253alff.), als vernunftbegabtes Sinnenwesen (ζφον λόγον ϊχο\, NE I 6, 1098 al-4) oder an die Erörterungen von NE X 7, 1178a2ff., zum vernünftigen Seelenteil, „der am meisten unser Selbst ist." In diesen Formulierungen deutet sich bereits die spätere Schuldefinition des Menschen als animal rationale an. - Die Verwendung dieses Schulbeispiels beruht of-

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Schulbeispiel der Akademie keine systematische Bedeutung zukommt, sondern eher einen provisorischen Charakter160 und lediglich veranschaulichende Funktion hat, zeigt bereits die hypothetische Formulierung: „Das soll sein Logos sein" (εστω)161. Mit der Aufnahme dieses Übungsbeispiels (vgl. Top. I 4, 101 b32f.) reiht sich Aristoteles offenbar in die platonisch-akademischen Diskussionen Uber Begriffseinteilungen und Definitionen ein, in denen es gerade im Zusammenhang mit der Frage, warum 'Lebewesen' und 'Zweifüßiges' Eines sind und nicht Vieles162, häufig angeführt wurde. Es wird sich zeigen, daß sich dieses Beispiel besonders eignet, das im folgenden noch näher zu erörternde, meist dichotomisch vorgehende Platonische Einteilungsverfahren der Dihairesis zu verdeutlichen. Warum ist also die Ousia, die durch zwei Bestimmungen - eine allgemeine erste Gattung {Met. Ζ 12, 1037b30) und eine spezifischere Bestimmung als Unterschied - definiert wird, Eines und nicht Vieles, im Beispiel: sowohl Lebewesen als auch Zweifüßiges (1037bl4)? Verhält es sich bei der Definition ebenso wie bei 'weißer Mensch'? Bei ihm handelt es sich ebenfalls um eine Einheit, allerdings nur, wenn das eine dem anderen zukommt, d.h. wenn 'Mensch' das Zugrundeliegende (ύποκείμενον) ist und 'weiß' das diesem als akzidentelle Bestimmung, nämlich als Qualitatives (ποιόν) Inhärierende. Wenn jedoch kein Substanz-Akzidens-Verhältnis bzw. kein Subsistenz-Inhärenz-Verhältnis vorläge, wären 'Mensch' und 'weiß' Vieles und nicht Eines. Da aber dem 'Menschen' als Zugrundeliegenden und somit als Ousia (vgl. Cat. 5) die Eigenschaft 'weiß' akzidentell zukommt bzw. ihm als zufälliges ποιόν inhäriert, das sich aber ebenso in 'schwarz' wandeln könnte, ohne dem Ousia-Charakter des Zugrundeliegenden zu schaden (vgl. Cat. 5, 4al0ff.), handelt es sich im Fall des 'weißen Menschen' zwar um eine Einheit, da sich beide Bestimmungen auf dieselbe ontische Entität, nämlich ein bestimmtes Einzelwesen, beziehen, aber nicht um eine wesentliche Einheit, d.h. um eine Einheit gemäß der Ousia, weil es nicht notwendig zum Wesen des Menschen gehört, weiß zu sein, sondern dies nur zufällig und möglicherweise der Fall sein kann. Diese Weise von Einheit stellt daher eine akzidentelle Einheit dar. Deswegen kann eine Definition im strengen Sinne auch nicht ein Eidos und ein zufälliges Widerfahrnis (πάθος) miteinander kombinieren, wie etwa 'weißer Mensch'.

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fenbar nicht darauf, daß Aristoteles nicht über eine genuine Wesensbestimmung des Menschen verfügt, wie M. Frede/O. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 224) vermuten. Vgl. C. Arpe, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 51. Vgl. auch die Übertragungen von M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,103): „angenommen, es sei" oder bei E. Sonderegger (op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 335) die etwas freiere Wiedergabe: „um ein Beispiel zu haben." Plato beantwortet diese Frage in Soph. 251a mit der Lehre von der Gemeinschaft (κοινωνία) bzw. der Verflechtung der Ideen (σομπλκή ειδών) untereinander. Aristoteles stellt dieselbe Frage anhand desselben Beispiels in De int. 5, 17al3-15, jedoch mit dem ausdrücklichen Verweis: „dies darzulegen, sei Sache einer anderen Disziplin"; offenbar ist dies eine Aufgabe der 'Ersten Philosophie'.

4. Das τί ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10-12)

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Nachdem für die Bestandteile der Definition eine Einheit gemäß Substanz und Akzidens ausgeschlossen wurde, wird eine weitere Möglichkeit in Betracht gezogen, die sich implizit gegen die Platonische Ontologie richtet. Aristoteles fragt nämlich, ob sich die ,Teile' der Wesensbestimmung gemäß Teilhabe (μέθεξις) zueinander verhalten 163 . Hier kehrt Aristoteles jedoch Piatos Ordnung der Methexis - wie bereits in der polemischen Ideenkritik in Met. Ζ 6 - in ihr Gegenteil um, indem er ausschließlich fragt, ob die Gattungen an den Differenzen teilhaben können. Die Auffassung Piatos, nach welcher das Eidos an der allgemeineren, höheren Gattung teilhat, der Aristoteles im begrifflichen Kontext durchaus zustimmt (vgl. Top. IV 1, 121all), wird dagegen überhaupt nicht diskutiert, sondern von vornherein ausgeschlossen 164 . Denn es nimmt hier nicht das Spezifischere, ontologisch Untergeordnete an dem Allgemeineren, ontologisch Übergeordneten teil, wie Plato lehrt (vgl. Phaid. lOOd, 102b). Vielmehr erweist sich das Teilhabemodell für die Einheit der Definitionsbestandteile deswegen als unmöglich, weil dann die Gattung - das Allgemeinere - an ihren Unterschieden - dem Spezifischeren - teilhätte, was auch nach Aristotelischer Lehre nicht denkbar ist (vgl. Top. VI 6, 143b4-21). Denn nicht alles, was der Gattung zukommt, gilt auch für die Art (vgl. Top. II 4, 11 la27-29; VI 6, 144a28ff.), da die Unterschiede, durch welche sich die Gattung in Untergattungen bzw. Unterarten differenziert, einander entgegengesetzt oder zumindest inkompatibel 165 sein können {Met. Ζ 12, 1037b22) und dann dasselbe zugleich am Entgegengesetzten teilnähme, was gegen den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch {Met. Γ 3, 1005b19, 1006al) Verstöße. Die Gattung hat an ihren Unterschieden also nicht in dem Sinne teil, daß diese Entgegengesetzten irgendwelche Bedeutungsbestandteile in ihr ausmachen würden. Denn in diesem Fall hätte etwa die Gattung 'Lebewesen' entgegengesetzte Bestimmungen in sich wie 'zweifüßig' und 'vierfüßig' und würde so selbst in sich widersprüchlich werden. Ein ähnliches Problem ergibt sich auch, wenn mehrere - also nicht nur eine - Differenzen angegeben werden, z.B. befußt, zweifüßig oder ungeflügelt {Met. Ζ 12, 1037b23). Diese können nicht alle in Einem, nämlich der Gattung, enthalten sein. Anderenfalls käme es zu der absurden Konsequenz, daß letztlich aus allem Eines 163

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Daß hier zwei verschiedene, jeweils nicht zutreffende Weisen von Einheit diskutiert werden, betonen zutreffend H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 342f.), S. Moser (Zur Lehre der Definition bei Aristoteles I (Philosophie und Grenzwissenschaften 6, 2), Innsbruck 193S, 26) und M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 225). - Demgegenüber sprechen A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 110), D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 170f., 206), C. Arpe (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 36) und neuerdings J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 134) jeweils nur von einer Art von Einheit. - Allerdings bringt die erste Weise von Einheit eine akzidentelle Einheit zum Ausdruck, die Aristoteles gemäß den nichtsubstantiellen Kategorien allem sekundär Seienden konzediert, das auf je verschiedene Weise notwendig auf eine Ousia bezogen ist. Die andere Möglichkeit, Einheit als Teilhabe-Verhältnis zu denken, richtet sich gegen Piatos Ontologie, und zwar gegen seine Methexis-Lehre. Vgl. die folgenden Darlegungen. Vgl. M. Kessler, Aristoteles' Lehre von der Einheit der Definition (Epimeleia 26), München 1976, 79, und M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 227. Vgl. M. Burnyeat (Hrsg.), Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 101.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

würde. Dann würde die Gattung gleichsam hypostasiert als die Eine, alles andere umfassende Idee. Die vorangegangene argumentatio ad absurdum hat gezeigt, daß das Verhältnis der Definitionsteile kein Substanz-Akzidens-Verhältnis sein kann und ebensowenig ein Teilhabe-Verhältnis166, weil mit jenem zu wenig erreicht worden wäre - nämlich eine lediglich akzidentelle, jedoch keine wesentliche Einheit - mit letzterem - daß alles Eines wäre - zuviel vereinheitlicht worden wäre167. Was aber in der Definition enthalten ist - d.h. Gattung und spezifische Differenz bzw. mehrere Differenzen - , muß Eines sein (1037b25), da die Definition der Logos der Ousia ist, der Einer (εις λόγος) sein muß, weil er ein unteilbares, der Zahl nach eines, bestimmtes Einzelwesen (άτομον, άριθμφ εν, τόδε τι, vgl. Cat. 5) bezeichnet. In Met. Ζ 4 wurde bereits dargelegt, daß es Definitionen im strengen Sinne vorrangig nur von Ousiai gibt, da sie jeweils ein Erstes (πρώτον) bzw. das primär Seiende (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) darstellen, das durch Arten einer Gattung (είδη γένους, Met. Ζ 4, 1030allf.) wesentlich bestimmt wird. In diesem Fall liegt nämlich nicht nur eine akzidentelle Prädikation oder ein Teilhabe-Verhältnis im oben beschriebenen Sinne vor. Erst die Einheit des Realdefinierten - d.h. einer Ousia - gewährleistet trotz der unterschiedlichen ,Teile' der Definition, aus denen sie notwendig bestehen muß, die Einheit der Definition als solcher, da ihre Bestimmungen sich notwendig auf ein ontisch bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), auf ein der Zahl nach Eines und Unteilbares (Cat. 5) beziehen. Die verschiedenen Bestimmungen einer Realdefinition und deren Verhältnis zueinander werden also von der Ousia als dem primär und eigentlich Seienden zusammengehalten. Diese einfache Einheit, die von ontologischer Bedeutung ist, erlaubt aber wie gesehen durchaus eine begrifflichdefinitorische Aufgliederung. Weitere Gründe für die Einheit des Definiendum werden nicht genannt; sie ist in der Ousia eines Einzelwesens gegeben und wird als Tatsache einfach und unbestritten von vornherein vorausgesetzt168. Wie kann aber diese Einheit des Gegenstandes der Definition in einem Logos zum Ausdruck gebracht werden, der Teile hat und das Wesen des Definiendum angibt?

b) Das Dihairesisverfahren bei Plato und Aristoteles Die folgenden Überlegungen sind in die klassische Definitionstheorie eingegangen. Für die Ousia-Lehre sind jedoch nur diejenigen Definitionen relevant, 166

Daher ist die Aussage von W. Schneider (op. cit. [Einleitung, Anm. 21], 194) problematisch, die „Definition werde aus der Gattung und den an ihr teilhabenden Differenzen gewonnen", was er spater auch zurückweist (211). 167 Vgl. M. Bumyeat (Hrsg.), Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 100. I6 " Den „Gegebenheitsgedanken bei Aristoteles" betonen auch J. Stenzel (Zahl und Gestalt bei Piaton und Aristoteles, Leipzig 1924, Darmstadt 31959, 129), M. Kessler (op. cit. [Anm. 164], 44, 121) und M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 230.

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die aus Piatos meist dichotomisch einteilenden Dihairesisverfahren (κατά τάς διαιρέσεις) gewonnen werden und schließlich aus Gattungen und Differenzen bestehen (vgl. Top. I 8, 103M5Í; VI 3, 140a28; VI 4, 141b25; VI 5, 143al5; VI 6, 143b8, 143b 19). Diese Wesensbestimmungen im eigentlichen Sinne berücksichtigen ausschließlich - wie in Met. Ζ 10-11 dargelegt wird - die eidetischen Bestandteile des Definiendum. Hingegen sind jene Definitionen, die materielle Bestandteile miteinbeziehen (vgl. Met. Β 3, 998bl2-14; Η 2, 1043al9-22), oder Definitionen von zusammengesetzten, d.h. materiell-eidetisch bestimmten Einzelwesen169 im Hinblick auf die Ousia-Lehre nicht von Bedeutung und werden daher bei den folgenden Erörterungen zu Met. Ζ 12 nicht thematisiert. Im Rahmen der Ousia-Lehre betrachtet Aristoteles demnach nur die aus der Methode der Begriffseinteilung (διαίρεσις) hervorgehenden Definitionen. Hier bedient sich Aristoteles eines von Plato erstmals mit philosophischer Zielsetzung angewandten Verfahrens, das er vornehmlich im Sophistes und Politikos durchführt (vgl. Soph. 253b-254b; Politikos 285c, 286d)170. Das Ziel ist jeweils die Definition eines gesuchten Begriffs, indem dieser im Rahmen einer Ideenverknüpfung (συμπλοκή ειδών, Soph. 259d) unter höhere, ihn umfassende und bestimmende Begriffe eingeordnet und durch diese kontinuierliche Spezifikation sein Wesen erfaßt wird. Auf diese Weise bestimmt Plato z.B. den Angelfischer (Soph. 218c-221c), den Sophisten (Soph. 224e-226a) oder den Staatsmann (Politikos 258c). Jeweils wird also eine übergeordnete Gattung - ein allgemeinerer Begriff - in ihre Arten, d.h. in speziellere Begriffe zergliedert, und zwar bis hin zum untersten, nicht mehr weiter teilbaren und daher unteilbaren Begriff der untersten Art, dem Atomon Eidos (Soph. 229d, Phaidr. 265e, 277b, Politikos 285a). Diesem kommt bei Plato eine wesentliche methodische Bedeutung zu, da es das gesuchte Eidos ist und mit ihm die nach Ideen erfolgende Einteilung endet, wenn man etwa bei der Bestimmung des Angelfischers, des Sophisten oder des Politikers angelangt ist. In der Abfolge dieser meist dichotomisch fortschreitenden Zweiteilung, bei der zwei artbildende Differenzbegriffe in disjunktivem, d.h. einander ausschließendem Gegensatz zueinander stehen, dürfen allerdings die mittleren Glieder nicht übersprungen werden, da durch diese die niedrigeren mit den höheren zusammenhängen (Politikos 262a f f ) . Nur durch einen stetigen Fortgang kann das jeweilige Verhältnis der Begriffe untereinander festgestellt und auf diese Weise der gesuchte Begriff in seinem Wesen als unterste Art (ατομον είδος) bestimmt werden (vgl. Phil. 16c ff.). 169 170

Vgl. hierzu ausführlich M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 195ff. Zu Piatos Dihairesismethode sei verwiesen auf J. Stenzel, Studien zur Entwicklung der platonischen Dialektik von Sokrates bis Aristoteles. Arete und Diairesis, Breslau 1917, Darmstadt 3 1961,45-62; F. M. Cornford, Plato's Theory of Knowledge. The Theaetetus and the Sophist of Plato, translated with a running commentary, London 1935, ND 1973, 170ff.; K. Bormann, op. cit. [Kap. I, Anm. 16], 59ff.; R. Marten, Der Logos der Dialektik. Eine Theorie zu Piatons Sophistes, Berlin 1965, 117-131; H. Koller, Die diairetische Methode, in: Glotta 31, 1961, 6-24; sowie K. Düsing, Formen der Dialektik bei Plato und Hegel, in: Hegel und die antike Dialektik. H.-G. Gadamer zum 90. Geburtstag, hrsg. von M. Riedel, Frankfurt a.M. 1990, 169-191.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Wie sieht aber die Dihairesis bei Aristoteles aus? Auch dieser setzt als Ausgangspunkt der Dihairesis bei einer „ersten Gattung" (γένος πρώτον, Met. Ζ 12, 1037b30) an, z.B. Lebewesen. Die Dihairesis ist aber ebensowenig wie für Plato darauf festgelegt, daß man mit jener Gattung anfangen muß; es wird lediglich als sinnvoll oder zweckmäßig angesehen im Hinblick auf das zu Definierende als Ziel der Einteilung, von dem man offenbar bereits ein gewisses Vorverständnis haben muß (vgl. An. post. I 1). Dieses muß also irgendwie vorher bekannt sein, um die richtigen Zweige weiterverfolgen zu können, die dann zu immer differenzierteren Unterschieden führen. Da nun die Differenzen und die sich daraus ergebenden Untergattungen bzw. Unterarten zunehmend inhaltsreicher, aber umfangsärmer, d.h. immer spezifischer werden, weil der allgemeinere wieder in spezifischere Unterschiede eingeteilt wird, kann die Abfolge der Differenzen nicht umgekehrt werden {An. post. II 13). Dabei ist es unerheblich, ob der dihairetische Ausdruck viele oder wenige oder nur zwei Glieder hat. Im letzteren Fall ist eines der beiden die erste Gattung (γένος πρώτον), das andere die Differenz {Met. Ζ 12, 1038a2f.), die sich als letzte, und zwar als entscheidende Differenz erweisen wird. Hat der Ausdruck mehrere Glieder, enthält er nichts weiter als die erste Gattung und die Unterschiede (1037b30). Nach der Feststellung der beiden konstitutiven Bestandteile einer Definition im strengen Sinne - Gattung und artbildende Differenz, die auch eine Synthese mehrerer vorangegangener Eide sein kann - festgelegt sind, wird nun näher betrachtet, wie deren Einheit zu denken ist. Denn die jeweils spezifischeren Unterschiede können nicht logisch abgeleitet werden, sondern man muß sie finden. Es kommt im Verlauf einer Dihairesis nur dann zu einer Realdefinition, wenn man keine willkürlichen Unterscheidungen vornimmt, sondern nach Ideen (κατ' ε'ίδη, Politikos 286e) einteilt, was Plato für eine sachgerechte Dihairesis bzw. Wesensbestimmung ausdrücklich fordert (vgl. Phaidr. 273d, 277b; Politikos 287c). Wird dies nicht befolgt, ergeben sich zwangsläufig fehlgebende Dihairesen. Auch Aristoteles' Dihairesis-Konzeption teilt nach wesentlichen Unterschieden ein171, nämlich vom ersten bis zum untersten, dem Atomon Eidos, das mit dem einen, letzten Unterschied (τελευταία διαφορά, Met. Ζ 12, 1038al9, 1038a25ff.) erreicht wird. Das Einteilungsverfahren endet also mit demjenigen, das keine weitere Teilung mehr zuläßt (τα αδιάφορα, 1038al7). Dieser Unterschied stellt letztlich - da die Differenz artbildend (διαφορά ειδοποιός) ist das unteilbare Eidos (ατομον είδος) dar. Kennzeichnend für das genuin Aristotelische Dihairesisverfahren ist die Teilung des Unterschiedes in wiederum seine Unterschiede (διαφοράν της διαφοράς, Met. Ζ 12, 1038a5ff.), z.B. ,befußt' in .zweifüßig' bzw. ,nicht-zweifüßig' oder in ,spaltfüßig' bzw. ,nicht-spaltfüßig' (1038al5). Teilt man aber ,befußt' in die Unterschiede .beflügelt' bzw. ,unbeflügelt', handelt es sich nicht um eine 171

H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 345) grenzt in diesem Kontext den wesentlichen, eigentümlichen Unterschied (primaria ac propria differentia) vom unwesentlichen (accidentalis) ab.

4. Das τί ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung {Met. Ζ 10-12)

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rechtmäßige Einteilung, da man - aus Unfähigkeit (1038al3) - den Unterschied nicht weiter differenziert hat. Sowohl für Plato als auch für Aristoteles endet die Dihairesis also beim Atomon Eidos, das somit eine 'absolute Grenze' bildet172. Aristoteles faßt dieses Eidos jedoch als Essenz auf, so daß diesem Abschluß der Begriffseinteilung nicht nur methodische Bedeutung - wie für Plato mit der Auffindung des gesuchten Begriffes - , sondern zugleich auch ontologische Bedeutung (vgl. Kap. III 4c) zukommt, da der letzte Unterschied im Rahmen einer Realdefmition letztlich das Eidos konstituiert und dieses ontologisch die Essenz bzw. das wirkliche Sein und wesentliche Wassein des jeweiligen Einzelnen {Met. Ζ 7, 1032 blf.) ausmacht. Definitionszusammenhänge stehen daher bei Aristoteles immer auch in einem ontologischen Kontext. Neben weiteren Vorbehalten gegen Piatos Dihairesismethode (vgl. An. post. II 5, 91b35ff.), die im Zusammenhang mit der Ousia-Lehre aber auf sich beruhen mögen173, vertritt Aristoteles - in deutlich antiplatonischer Tendenz - die These, die Gattung könne nicht außerhalb ihrer Arten (παρά τα εϊδη) existieren, während nach Plato dem Allgemeinen eine ontologisch ausgezeichnete Bedeutung zukommt, indem die Idee als Ousia und eigentlich Seiendes gilt174 und gerade die höheren Arten auch selbständige Existenz beanspruchen können. Aristoteles spricht jedoch der Gattung schlechthin (γένος άπλως) - im Gegensatz zu Plato - eine von ihren Arten unabhängige Existenz und somit ontologische Eigenständigkeit ab175. Auch im urteilslogischen Sinne können die Gattungen nicht selbständig sein, da sie in einfachen Aussagen als Prädikate fungieren und sich somit notwendig auf Besonderes und Einzelnes beziehen müssen, das ihnen zugrunde liegt und von dem sie prädiziert werden. In Aristoteles' urteilslogisch ausgerichteter Ontologie sind Aussagen wiederum Aussagen stets auf real existierendes Seiendes bezogen. Den Gattungen kann infolgedessen weder im logisch-begrifflichen noch im ontologischen Sinne Selbständigkeit zugeschrieben werden. Für einen Sonderfall wird dies allerdings modifiziert: Sollte die Gattung dennoch irgendwie existieren, dann kommt ihr ein defizienter ontologischer Status zu, der allenfalls mit demjenigen der Materie vergleichbar ist {Met. Ζ 12, 1038a5-8):

172 173

174 175

Vgl. N. Hartmann, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], 131. So bezeichnet er diese Methode als nur „schwachen Syllogismus" (An. pr. 131, 46a31ff., 46 b37) und kritisiert das dichotomische Verfahren in De part, attim. I 2-4, da es sich für die Klassifizierung biologischer Arten als unzureichend erweist (bes. 13,642b22-25,644a7-10). Vgl. zur Transformation der Platonischen Ontologie in Aristoteles' Kategorienschrift Kap. I 5. N. Hartmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], 138) bezeichnet die höheren Gattungen zutreffend als „unselbständig".

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

„Wenn nun die Gattung schlechthin (απλώς) nicht außerhalb (παρά) ihrer Arten existiert - oder sofern sie existiert, nur wie Materie (ώς ύλη)..., so ist offenbar176, daß die Definition der aus den Unterschieden hervorgehende Logos177 ist."

Nach Aristoteles existiert also die Gattung schlechthin nicht außerhalb - d.h. unabhängig und ontologisch getrennt von ihren Arten (vgl. Met. Β 3, 999al0f., Ζ 13, 1038b33). Sie kann also keine selbständige Existenz für sich beanspruchen, sondern nur in Korrelation mit ihren sie bestimmenden und differenzierenden Eide. Daher kann innerhalb einer Definition auch nicht von zwei verschiedenen Dingen die Rede sein178. Vielmehr werden die definitorischen Bestandteile durch die Einheit der Ousia, zusammengehalten, von der es allein bzw. vorrangig eine Definition im strengen Sinne gibt {Met. Ζ 4, 1030a6; Ζ 5, 103 lai 114). Als konstitutive .Teile' nennt Aristoteles hier neben dem Unterschied (Met. Ζ 12, 1038a2f.) bzw. den Unterschieden nicht - im Sinne der später kanonisch \179

gewordenen Definitionslehre - die nächsthöhere Gattung {genus proximum) , sondern eine „erste Gattung" (γένος πρώτον, 1037b30), offenbar in Anlehnung an die Platonisch-akademische Dihairesismethode, die bei einer ganz allgemeinen Gattung ansetzt. Also kommt der Gattung als konstitutivem Bestandteil der Realdefinition durchaus epistemologische Bedeutung zu. Daher darf man sie auch nicht mit der Materie als solcher schlicht gleichsetzen180. Nach Aristoteles kann die Gattung von ihren Arten überhaupt nicht getrennt und selbständig für sich existieren, wie er gegen Piatos ontologische Auszeichnung der höheren Eide hervorhebt. Allerdings konzediert Aristoteles eine Ausnahme: wenn man nämlich innerhalb der Definition der Gattung - unabhängig von den sie näher 176

177

178 179

180

Diese für die Ontologie wesentliche Kennzeichnung der Gattung ist zwar konditional formuliert ('wenn'), aber die Folge ('so ist offenbar') zeigt, daß selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß dies der Fall ist. Vgl. analog: „wenn dem so ist..., so erhellt...." (Met. Ζ 12,1038al8) H. Bonitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 1]) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 57) übersetzen λόγος jeweils mit „Begriff", was insofern schwierig ist als auf diese Weise die Definition auf einen Terminus begrenzt würde. Diese muß jedoch als Aristotelische Wesensbestimmung stets eine Aussage sein und damit mindestens aus zwei Gliedern bestehen. Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 223. Aristoteles hält es wohl noch nicht für zweckmäßig, nur die nächsthöhere Gattung anzugeben. Vgl. hingegen Thomas von Aquin, Summa theologiae (op. cit. [Anm. 131]) I, 3, 5: „definitici fiat per genus proximum et differentias specificas." Diese nächsthöhere Gattung deutet sich bei Aristoteles aber bereits an (vgl. Top. VI 5, 143a20), indem er vorschlägt, sich auf die unterste d.h. auf die nächste Gattung - zu beschränken, da diese die oberste, nämlich die erste, einschließt, also implizit stillschweigend voraussetzt. - Wie jenes nächste genus zu finden ist, und ob es nicht doch noch eine weitere Zwischengattung gibt, hat Aristoteles jedoch nicht weiter untersucht. Diese Gleichsetzung sowie diejenige von Differenz und Form findet sich bereits bei Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 489, 25-28), ebenso bei A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 100). - M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 34; II, 235 ff.) und E. Sonderegger (op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 342) sind der Meinung, daß durch die Auffassung der Gattung als bloße Materie der letzten Differenz bzw. des Eidos die Einheit der Definition begründet werde. - Gegen diese Identifizierung wenden sich zu Recht C. Arpe (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 46f.), der sie als „Mißverständnis" versteht, und M. Kessler (op. cit. [Anm. 164], 65, 140, 143), der von einem die Distanz bewahrenden, hyletischen Vergleich spricht. Zu den Problemen einer solchen Gleichsetzung vgl. die folgenden Erörterungen.

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differenzierenden Unterschieden - eine gewisse Existenz einräumt - eine begriffliche (κατά τον λόγον). Die Gattung kann als Bestandteil einer Definition keine ontologische Selbständigkeit für sich geltend machen; gleichwohl muß ihr auf irgendeine Weise Existenz zukommen, und zwar als eine logisch-begriffliche, gedankliche' Entität, um Uberhaupt von Differenzen weiter spezifiziert werden zu können. Nur für diesen Sonderfall kann man der Gattung einen eingeschränkten ontologischen Status zuschreiben, der in Met. Η 6 als Potentialität bezeichnet wird. Denn indem die Gattung für die sie näher bestimmenden Differenzen das Zugrundeliegende darstellt, d.h. die ermöglichende Voraussetzung, die aber noch unbestimmt ist, ist ihr ontologischer Status demjenigen der Materie signifikant ähnlich181: Die Gattung fungiert in der Definition als das Bestimmbare, von den Unterschieden noch zu Bestimmende. In diesem Sinne ist die Gattung „gleichsam Materie des Eidos."182 Die Differenzen sind jedoch nicht die eigenen Bestimmungen der Gattung als deren Bedeutungsbestandteile, da dies bei möglicherweise auch gegensätzlichen Unterschieden zur inneren Widersprüchlichkeit der Gattung selbst führen würde. Eine schlichte Gleichsetzung von Materie und Gattung ist - abgesehen von der vagen Formulierung (ώς ΰλη = so etwas wie Materie) und ihrer expliziten Einschränkung auf einen bestimmten Sonderfall - auch deswegen problematisch, weil als Bestandteile der Definition gemäß Met. Ζ 11 gerade nur die eidetischen Bestimmungen in Frage kommen aufgrund ihrer ontologischen und epistemologischen Priorität, während die materiellen Bestandteile, die das Zusammengesetzte als Ganzes betreffen, in der Definition aufgrund ihrer Posteriorität nicht berücksichtigt werden. Wäre die Gattung ein materielles Element183 im eigentlichen Sinne, könnte sie nicht konstitutiver Bestandteil einer Realdefinition sein, was aber nach Aristoteles unbedingt der Fall ist (Met. Ζ 12, 1038a2f.). 181

182

1,3

Vgl. D. Bostock, op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 182. Diese Ähnlichkeit von Gattung und Materie betonen zutreffend P. Gohlke (Die Lehre von der Abstraktion bei Plato und Aristoteles (Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 44), Halle 1914, 81) und S. Moser (op. cit. [Anm. 163]). In dieselbe Richtung geht F. Brentano (Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, Freiburg 1862, ND Darmstadt 1970,111), der das Verhältnis von Materie und Gattung als „Verwandtschaft" charakterisiert. Vgl. N. Hartmann, Aristoteles und das Problem des Begriffs, in: Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Nr. 5, Berlin 1939, ND in: Ders., Kleinere Schriften II, Berlin 1957,100-129, hier: 106. Deswegen betont auch J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 130), daß sich die Gattung wie Materie verhält, aber gleichwohl nicht Materie sein kann. - Eine Identifizierung des Gattungsbegriffs mit der unmittelbaren materiellen Ursache, aus der die Individuen der Spezies geformt werden können, wie sie erstmals A. C. Lloyd (Genus, Species and Ordered Series in Aristotle, in: Phronesis 7, 1962, 67-90, hier: 87f.), dann aber vor allem R. Rorty (op. cit. [Anm. 79], 406f., 41 Off.) vertrat, ist daher problematisch, weshalb M. Grene (Is Genus to Species as Matter to Form? In: Synthèse 28, 1974, 51-69) gegen jene Gleichsetzung argumentierte, was später S. O'Flynn Brennan (Substance and Definition, Reality and Logos. Metaphysics Z-H, in: New Scholasticism 59, 1985, 21-59, hier: 44f., 52) bekräftigte. Vgl. zu dieser Deutung mit besonderer Berücksichtigung der Dihairesis und der Definition in den biologischen Schriften des Aristoteles D. M. Balme, Aristotle's Use of Division and Differentiae, in: Philosophical Issues in Aristotle's Biology, hrsg. von A. Gotthelf und J. Lennox, Cambridge 1987,69-89.

126

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Denn bereits zu Beginn von Met. Ζ 12 wurde betont, daß nur diejenigen Definitionen betrachtet werden sollen, die gemäß der Dihairesis gewonnen werden und aus Gattung und Differenz bestehen. Damit sind alle Definitionen, die auch materielle Bestandteile des Defmiendum enthalten (Met. Η 2, 1043al 9-22) oder vom Zusammengesetzten sowohl Materielles als auch Eidetisches berücksichtigen, für die Ousia-Lehre von Met. Ζ 12 irrelevant. Wenn man nun den Materie-Begriff differenziert und die sinnlich wahrnehmbare Materie (ΰλη αισθητή) von einer denkbaren Materie (υλη νοητή) unterscheidet (vgl. Met. Ζ 11, 1037a4f.), könnte man im Hinblick auf die Auffassung der Gattung als Materie ebenfalls differenzieren und die erste Art von Materie gemäß Met. Ζ 10-11 aus der Definition ausschließen, aber die nicht sinnlich-wahrnehmbare, sondern bloß denkbare Materie (vgl. Met. Η 3, 1043 blOff., Η 6, 1045a35) der Gattung als einem konstitutiven Bestandteil der Definition zugestehen184. Auf diese Weise würde die zu bestimmende Gattung mit jener denkbaren, begrifflichen Materie identifiziert, jedoch nicht mit der sinnlich-wahrnehmbaren Materie und ebensowenig mit der bereits bestimmten, d.h. konkreten Materie (materia determinata)185. Aristoteles spricht zwar in Met. Ζ 10 (1035b27ff.) von Entitäten, die jeweils durch eine Materie als Bestimmbares im Sinne der Gattung und eine jeweilige Differenz definiert werden: sogenannten allgemeinen Zusammengesetzten' wie z.B. Mensch im allgemeinen. Allerdings fügt er sogleich hinzu, daß diese nicht als Ousiai gelten. Dasselbe trifft auf denjenigen Bereich zu, bei dem vornehmlich von einer ΰλη νοητή die Rede ist: bei den mathematischen Dingen (vgl. Met. Ζ 10, 1036a9-12, Η 6, 1045a33-35, sowie M-N). In Met. Ζ 12 geht es jedoch nur um diejenigen Definitionen, welche die Ousia von etwas angeben und daher nur eidetische Bestimmungen enthalten. Allerdings fungiert die Gattung 184

185

Vgl. zur ΰλη νοητή im Rahmen der Definition und bei Mathematika H. Happ, op. cit. [Anm. 30], 639-649. Vgl. J. Stenzel, op. cit. [Anm. 168], 135, der jedoch Aristoteles' Materiebegriff auf die intelligible Materie als das unselbständige Allgemeine der höheren Genera begrenzt, wodurch die Untersuchungen zur sinnlich-wahrnehmbaren Materie in den naturphilosophischen Schriften und in der Metaphysik unberücksichtigt bleiben. Dies beanstandet deshalb zu Recht N. Hartmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 26]). H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 443) faßt ebenso wie M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 315, 399) die Gattung als denkbare Materie auf. Liske bezeichnet die Gattung als unmittelbare materielle Voraussetzung, als „Letztmaterie" (έσχατη ΰλη) der Art (401 f.), was jedoch die eigentlich nur begrifflich gefaßte Materie doch wieder sehr nahe an die in Met. Ζ 11 aus der Definition ausgeschlossene sinnlich wahrnehmbare Materie rückt, von der sich die .denkbare' Materie gerade unterscheiden soll. In ahnlicher Weise folgt ftlr Schmitz (I, 1, 196,203f.) aus der Konzeption der Gattung als denkbare Materie, daß die Gattung als stoffliches Moment aus der Definition zu eliminieren sei, da der Stoff „als Indefinites alle Bestimmtheit vergifte." - Die Materie als solche, die nach Aristoteles in der Tat völlig unbestimmt (αόριστος) ist (vgl. Met. Ζ 11, 1037a27), kann nicht Gegenstand einer Wesensbestimmung sein, sondern vielmehr eine allgemeiner gefaßte, gedankliche Materie, die nicht völlig unbestimmt ist. Auf die Schwierigkeiten jener Konsequenz, die Gattung aus der Definition zu eliminieren, wird im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen.

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im Hinblick auf das Eidos als υλη νοητή (vgl. Met Η 3, 1043b32ff.)186. Denn sie ist das Zugrundeliegende und begrifflich noch Unbestimmte, aber zugleich gegenüber den sie bestimmenden Unterschieden das noch Bestimmbare. Das hat die Gattung mit der Materie als solcher gemeinsam; daher ist sie auch mit ihr vergleichbar (vgl. Met. Δ 28, 1024b3). Allerdings ist die Materie als solche unerkennbar (άγνωστον, Met Ζ 10, 1036a9) und an sich völlig unbestimmt (άόριστος) und liegt somit außerhalb des kategorial je verschieden bestimmten Seienden. Deshalb kann sie, obwohl sie primär Zugrundeliegendes (πρώτον ΰποκείμενον) ist, nicht Ousia sein, wie Met. Ζ 3 im einzelnen darlegt (vgl. Kap. III 2). Eine völlig unbestimmte Materie kann daher auch nicht in Definitionen enthalten sein, welche die Ousia von etwas angeben (vgl. Met. Ζ 4). Die Gattung hingegen gehört als ein konstitutiver Bestandteil zur Definition im strengen Sinne, die das Wesen und die Ousia des Definiendum zum Ausdruck bringt und angibt, was etwas wirklich und wesentlich ist. Gegenüber der artbildenden Differenz bzw. dem Eidos ist die Gattung ein Bestimmbares und Zugrundeliegendes und insofern ,wie Materie' (ώς ύλη) und ihr auch darin ähnlich, daß die Gattung ebenfalls nicht getrennt von den sie bestimmenden Eide existieren kann. In jedem Fall kann man hier von einer Analogie zwischen Materie und Gattung sprechen187, die mehr ist als eine reine Metapher188: Von den konstitutiven Momenten einer Realdefinition verhält sich somit die Gattung zur artbildenden Differenz wie die Materie zur Form. Bei dieser Proportionalitäts-Analogie fungiert als gemeinsame Bedeutung von Gattung und Materie das Bestimmbare, noch Unbestimmte, aber weiter zu Bestimmende, näher zu Differenzierende, und zwar zu etwas Bestimmtem. Trotz dieser Analogie kann die Gattung als notwendiger Bestandteil einer Wesensbestimmung jedoch nicht mit der Materie unmittelbar und schlechthin identifiziert werden: und zwar weder mit der sinnlichwahrnehmbaren Materie - von der in den für die Ousia-Lehre relevanten Definitionen gerade abgesehen wird (vgl. Met. Ζ 11) - noch mit der Materie als solcher, die an sich völlig unbestimmt, unerkennbar und daher wissenschaftlicher Erkenntnis unzugänglich ist.

186

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188

Vgl. hierzu K. Baier, Die Einwände des Aristoteles gegen die Ideenlehre Piatons: unter Berücksichtigung des Metaphysik-Kommentars des Thomas von Aquin, Wien 1981,164. Dieses Analogieverhältnis betonen z.B. M. Kessler (op. cit. [Anm. 164], 136), J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 303) oder W. Schneider (op. cit. [Einleitung, Anm. 21], 194) und D. K. W. Modrak (op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 173, 192). H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 85, 124) spricht in ähnlicher Tendenz von einem „hyletischen und einem eidetischen Aspekt", in welche die die Definition differenzierbar ist (183); vgl. auch H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 426), der im Anschluß an Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 862, 1758, 1761) die Gattung als „quasi materia" bezeichnet. Vgl. H. Happ, Hyle, op. cit. [Anm. 30], 42.

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III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

c) Die ontologische Bedeutung des letzten Unterschiedes Nachdem in den vorangegangenen Überlegungen die Gattung als ein konstitutiver Bestandteil der Realdefinition näher betrachtet und ihre ontologische und epistemologische Bedeutung deutlich gemacht wurde, soll im folgenden besonders die ontologische Bedeutung der spezifischen Differenz fllr die Ousia-Lehre herausgearbeitet werden. Es wurde oben bereits dargelegt, daß sich Aristoteles bei der Gewinnung von Definitionen, die für die Ousia-Lehre förderlich sind, an Piatos Dihairesisverfahren orientiert. Während dieses nach Ideen einteilt, teilt Aristoteles nach wesentlichen Unterschieden ein. Jeweils endet die Aufgliederung eines allgemeineren Begriffs in speziellere mit einem nicht weiter teilbaren (τα αδιάφορα, Met. Ζ 12, 1038al7) und daher unteilbaren Eidos (άτομον είδος). Auch für Aristoteles steht am Ende des Einteilungsprozesses der eine, und zwar189 der letzte Unterschied (τελευταία διαφορά, 1038a19, 1038a25ff.) und - da die Differenz artbildend ist (διαφορά ειδοποιός, vgl. Top. VI 6, 143b7) - letztlich das Atomon Eidos. Denn würde man dennoch den Versuch unternehmen, dieses weiter zu teilen, würde es nicht mehr - wie gefordert nach wesentlichen Unterschieden erfolgen, sondern lediglich nach unwesentlichen, akzidentellen Differenzen (κατά συμβεβηκός, Met. Ζ 12, 1038a26f.). Diese beträfen dann nicht mehr das Eidos bzw. den letzten Unterschied einer Sache zu anderen, sondern würden z.B. ,befußt' in ,schwarz' bzw. ,weiß' unterteilen, also in zufällige, meist stofflich bestimmte Eigenschaften, d.h. in Qualitäten oder Quantitäten, Relationen usw. Solche unwesentlichen Bestimmungen einer Sache, die ebensogut auch fehlen können, tangieren die Essenz einer Ousia nicht mehr, da sie letztlich materiell begründet sind. Das Einteilungsverfahren endet somit bei Plato wie bei Aristoteles mit dem nicht mehr weiter unterteilbaren und daher unteilbaren Eidos (άτομον είδος). Während diesem bei Plato wesentlich methodische Bedeutung zukommt - nämlich als das gesuchte Eidos, mit dem die Einteilung endet, wenn man das Gesuchte vollständig bestimmt hat - . fügt ihm Aristoteles offenbar noch eine spezifisch ontologische Bedeutung hinzu: Denn dieses Eidos bedeutet über jene methodische Bestimmung hinaus den letzten Unterschied gegenüber anderen Arten, der sich nicht weiter spezifizieren läßt. Indem dieser Unterschied im Rahmen einer Definition letztlich das Eidos bildet und dieses in ontologischer Hinsicht die primäre Ousia bzw. die Essenz oder das Wassein des jeweiligen Einzelnen (vgl. Met. Ζ 7, 1032blf.) ausmacht, stehen Definitionszusammenhänge stets auch in einem ontologischen Kontext190. Insofern kann der letzte Unter189

190

' K a i ' ist - wie häufig bei Aristoteles - explikativ zu lesen: dieser Unterschied ist einer, gerade weil er der letzte Unterschied ist, der die anderen implizit enthalt und somit das Eidos bildet. Diese Bedeutung der Essenz als Eidos innerhalb der Definition bezeichnet H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 199ff.; II, 1,486) als „Prägnanztypus" des Seienden. Zur Diskussion der Deutung des Eidos als individuelle Form vgl. Kap. IV 3 zu Met. Ζ 13, wo auch gezeigt wird, inwiefern das Eidos auch allgemein, dann aber nicht Ousia sein kann.

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schied (τελευταία διαφορά) als Atomon Eidos (Met. Ζ 12, 1038a25ff.) und somit als Ousia, d.h. (καί) 191 als Wesensbestimmung der Sache (ορισμός του πραγμάτος, 1038al9) bezeichnet werden. Wird auf diese Weise aber nicht der letzte Unterschied mit der Definition schlechthin gleichgesetzt? Dann wäre sie allerdings nur ein Begriff (vgl. Anm. 177). Sie soll jedoch als Logos eine Aussage, ein Satz sein, und zwar als Wesensbestimmung der Logos der Ousia von etwas (λόγος της ουσίας, vgl. An. post. II 10, 93b29-32, Top. I 5, 101b38f.), der als solcher mindestens zwei Elemente erfordert: Gattung und Differenz (Met. Ζ 12, 1038a2f.). Gleichwohl macht erst der letzte artbildende Unterschied (διαφορά ειδοποιός) die Definition von etwas aus, sofern er für diese als Eidos das entscheidende, wesentliche Moment darstellt192, da er die Essenz des Definiendum zum Ausdruck bringt und als Ousia des Einzelnen gilt. Besteht aber die Definition ausschließlich aus jenem letzten Unterschied, der die Ousia bezeichnet? Müssen die bei dessen Auffindung vorangehenden Unterschiede aus der Definition eliminiert werden? Während nach Plato in einer langen Eidos-Kette - wie im Sophistes und Politikos durchgeführt - sämtliche Unterschiede ausdrücklich angegeben werden müssen, genügt gemäß Aristoteles für die Definition einer Sache nach der Nennung der Gattung (Met. Ζ 12, 1038a2f.) der letzte Unterschied, da in diesem artbildenden Unterschied alle vorhergehenden allgemeineren Unterschiede analytisch enthalten sind. Wenn man etwa vom zweifüßigen Lebewesen spricht, muß man also nicht mehr hervorheben, daß es überhaupt beflißt ist. Es ist somit nicht nur nicht notwendig, sondern überflüssig (1038a30), in den Logoi - hier: in den Wesensbestimmungen - öfter dasselbe zu sagen. Dies ergäbe sich nämlich, wenn man in der Definition alle vorangegangenen Unterschiede nennen würde. Redundanzen und Wiederholungen sind in Definitionen zu vermeiden, da sie gerade möglichst kurz sein sollen (vgl. Met. Ζ 5; Top. VI 3, 140a30f., 141a414). Man muß demnach - wie Aristoteles implizit gegen Piatos Dihairesis hervorhebt - nicht mehr alle Zwischengattungen aufführen, die durchlaufen werden, sondern lediglich den letzten Unterschied, der diese alle implizit enthält. Bei der Definition handelt es sich - aber nur bei richtiger Einteilung, d.h. wenn man den Unterschied wiederum in seine Unterschiede und nicht nach unwesentlichen Unterschieden eingeteilt hat - um den aus den Unterschieden gebildeten Logos (λόγος έκ των διαφορών, Met. Ζ 12, 1038a28ff), aber letztlich um den aus dem letzten Unterschied gebildeten Logos. Wenn nun der letzte Unterschied die Ousia und das Wassein des jeweiligen Einzelnen ausmacht, muß dann die Gattung überhaupt noch in der Definition berücksichtigt werden? Da - wie oben dargelegt - die vorangehenden Unterschiede im letzten Unterschied analytisch mitenthalten sind, müßte dasselbe 191 1,2

Zum explikativen Sinn von ' κ α ί ' vgl. Anm. 5. Daher bezeichnet Thomas von Aquin (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 916f.) die spezifische, artbildende Differenz zutreffend als „differentia essentialis".

130

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

ebenso für die Gattung zutreffen. So impliziert z.B. die Zweifüßigkeit auch Lebewesenhaftigkeit (vgl. Top. VI 6, 144bl6ff.)193. Da es sich bei der Definition aber stets um einen Logos handeln muß, der etwas von etwas aussagt (vgl. Met. Η 3, 1043b30-32), muß die zugrundeliegende und näher zu bestimmende und zu differenzierende Gattung als weiterer konstitutiver Definitionsbestandteil ebenfalls genannt werden194. Anderenfalls ergäbe sich keine Aussage (λόγος), die etwas begreifen läßt, sondern nur die Nennung eines Begriffs. Die Gattung ist also methodisch das erste, noch näher und weiter zu Bestimmende, das Bestimmbare und insofern der Materie analog. Im Gegensatz zur Gattung - wie Aristoteles gegen die Platonische dihairetische Ideenpyramide bemerkt, in welcher der Ursprünglichkeitsgrad proportional zur Allgemeinheit der jeweiligen Idee ansteigt - ist das Eidos als letzter, artbildender Unterschied für die Definition das Entscheidende. Denn es macht ontologisch die Essenz eines Einzelwesens und als solche dessen Ousia aus. Innerhalb dieser Ousia gibt es keine Ordnung (τάξις, Met. Ζ 12, 1038a32) im Sinne des Früher und Später, da sie bereits als solche als primär Seiendes gilt (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30). Gäbe es nämlich bei ihr ein Früher und Später, also eine Reihenfolge wie in einer Platonischen Dihairesis195, wäre sie ihrerseits eine Vielheit und würde einen weiteren Regreß auf etwas noch Fundamentaleres erfordern usw. Außerdem könnte sie 193

194

195

Damit begründen M. Kessler (op. cit. [Anm. 164], 147), M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 240) und H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 196, 203f.) eine Eliminierung der Gattung aus der Definition. Nach Schmitz „schrumpft die Definition in Met. Ζ 12 letztlich auf die letzte, vollendete Differenz zusammen" (145), so daß die Gattung „aus dem Vorrat der Definitionsbestandteile gestrichen" ist (209). Da Schmitz aber zu Recht darauf rekurriert, daß die Definition als Logos nicht nur ein Begriff, sondern mehrere Teile haben muß (210) - was in den Deutungen von Met. Ζ 12 häufig vernachlässigt wird - , hat Aristoteles seiner Ansicht nach die Gattung „als Fassade" stehengelassen mit Rücksicht auf seine akademisch geschulten Hörer. Auf Schwierigkeiten dieser Vermutungen wurde bereits hingewiesen. Häufig werden in der Forschung letzte Differenz und Definition schlicht gleichgesetzt. So faßt z.B. Η. A. Zwergel (Principium contradictionis. Die aristotelische Begründung des Prinzips vom zu vermeidenden Widerspruch und die Einheit der Ersten Philosophie (Monographien zur philosophischen Forschung 101), Meisenheim 1972, 70f.) die letzte Differenz als den ορισμός schlechthin auf, der somit Uberhaupt keine Teile habe, wie D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 178) betont. Die Mehrgliedrigkeit der dihairetischen Definition sei eigentlich überhaupt keine, wie H. Steinfath (Die Einheit der Definition und die Einheit der Substanz. Zum Verständnis von Met. Ζ 12 und Η 6, in: Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996, 229-251, hier: 235) bemerkt. Ebenso ist die Definition für M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 431 f.) keine Zusammensetzung aus Gattung und Differenz - was jedoch Aristoteles' Definitionslehre widerspricht - , sondern einfach die letzte Differenz, „die die Gattung in sich befaßt." Auch nach M. Wedin (op. cit. [Anm. 34], 242) wird in einer genuinen Definition nur die Differenz genannt. Zu den Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, vgl. die folgenden Darlegungen. Daher gehört die Gattung in die Definition, wie A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 111) zu Recht betont, die aber gleichwohl keine wirkliche Zweiheit darstellt. - Auch A. Preiswerk (op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 160) hält an der Zweiheit der definitorischen Bestimmungsglieder fest, während nach J. Hübner (op. cit. [Kap. II, Anm. 65], 314) in einer Definition die Gattung nicht ausdrücklich erwähnt werden muß. Hier ist wohl nicht die Reihenfolge bei der Nennung der definitorischen Teile gemeint, wie M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 240) glauben.

4. Das τν ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10-12)

131

dann weder Eines (Met. Δ 6, 1016b2) noch Erstes (Met. Ζ 4, 1030al0), nämlich primär Seiendes sein196. Dem Gegenstand der Definition muß jedoch Einheit und Einfachheit zukommen (Met. Ζ 4, 1030b9, Ζ 12, 1037b27), wie auch der Logos der Ousia Einer sein muß (Met. Β 3, 998b 12), obwohl jeder Logos Teile hat. Gattung und Differenz stehen offenbar nicht im Verhältnis einer Folge - in der Ordnung eines Früher und Später - zueinander, sondern im Verhältnis eines Zugleich197, da die letzte, ontologisch entscheidende Differenz als Kern jeder Realdefinition die ihr vorangehenden Unterschiede bereits analytisch in sich enthält. Gleichwohl sind diese bei der Auffindung einer solchen Definition bzw. ihrer letzten Differenz hilfreich (An. post. II 13, 96b25-35), wobei unbedingt die dihairetische Reihenfolge eingehalten werden muß (vgl. An. post. II 12, 95 bl3ff.) 198 . Hierbei gibt es sehr wohl - wie auch bei Piatos Einteilungen - ein 'Früher' und 'Später'. Hat man aber die letzte Differenz erreicht, und macht diese dann das unteilbare Eidos aus (vgl. Met. Ζ 8, 1034a8), und gilt dieses Atomon Eidos, sofern es Essenz ist, als Ousia des Einzelnen, gibt es innerhalb der Ousia, da sie ein Erstes und als Eidos ein Unteilbares darstellt, keine Reihenfolge mehr199. In diesem Fall sind die vorangegangenen Differenzen irrelevant, da die letzte Differenz - anders als in Piatos Dihairesisverfahren - alle früheren allgemeineren Bestimmungen in sich enthält200.

d) Zusammenfassung Zu Beginn von Met. Ζ 12 hieß es, die Betrachtung der aus Gattung und Differenz bestehenden Definitionen, die Analyse ihrer Bestandteile und die Frage nach deren Einheit bzw. nach der Einheit des jeweiligen Definiendum sei für die Ousia-Untersuchung förderlich. Zuvor wurden zunächst das Zugrundeliegende (Met. Ζ 3) und anschließend die Essenz (Met. Ζ 4-6), deren Aussage (λόγος) Wesensbestimmung (ορισμός) ist, als genuin Aristotelische Ousia-Bestimmungen erörtert. Essenzen und Wesensbestimmungen kommen jedoch allein oder zumindest vorrangig den Ousiai zu, d.h. den bestimmten Einzelwesen, die jeweils als primär Seiendes und Eines gelten (vgl. Met. Ζ 4). Die Ousia, die die Essenz eines Einzelnen ausmacht - d.h. dasjenige, wodurch ein bestimmtes Einzelnes erst ist, was es wirklich und wesentlich ist - kann ihrerseits erkannt und in einer Definition erfaßt werden.

>9t 197

198 199 200

Vgl. E. Sonderegger, op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 343. Vgl. Thomas von Aquin, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1563, und A. Preiswerk, op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 161. Vgl. hierzu auch A. Preiswerk, op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 147, 155,159. Vgl. J. Stenzel, op. cit. [Anm. 168], 136. M. Kessler (op. cit. [Anm. 164], 132, 149) bezeichnet daher die letzte Differenz als „versammelnde Ousia" und die Definition als „noetische Versammlung der ganzen diairetischen Reihe einschließlich des Genus in der Differenz "

132

III. Die Ontologie der Ousia in Metaphysik Ζ

Im ersten Teil von Met. Ζ 12 diskutierte Aristoteles zwei mögliche Lösungen für das Problem der Einheit der Definition, die sich aber als argumentativ unzureichend bzw. als irrelevant herausstellten und daher zurückgewiesen wurden, indem jeweils ihre absurden Konsequenzen aufgezeigt wurden: Die Einheit der Definition kann man weder als Prädikationsverhältnis - d.h. als eine SubstanzAkzidens-Einheit bzw. als Subsistenz-Inhärenz-Verhältnis - auffassen noch als Einheit im Sinne der Teilhabe bzw. des Enthaltenseins, was mit impliziter Polemik gegen Plato ad absurdum geführt wurde. Hätte die Gattung an entgegengesetzten oder zumindest inkompatiblen Differenzen teil, würde sie zugleich am Entgegengesetzten partizipieren, womit sie selbst widersprüchlich würde. Da aber der Logos der Ousia Einer sein muß, weil diese selbst Eines ist, hält Aristoteles an der Fragestellung fest und schlägt nun im zweiten Teil von Met. Ζ 12 seine Lösung vor, wobei er ausschließlich Definitionen betrachtet, die aus Gattung und Differenz bestehen und aus Begriffseinteilungen (Dihairesen) gewonnen werden können. Hier orientiert er sich an Piatos Dihairesisverfahren, indem eine erste Gattung als etwas ganz Allgemeines gesetzt wird, die aber nicht selbständig für sich existiert. Soll die Gattung als höhere Allgemeinheit gleichwohl ontologische Bedeutung haben, kommt ihr ein Status zu, welcher demjenigen der Materie ähnelt. Die Gattung wird sehr vage charakterisiert als „so etwas wie Materie" (ώς ΰλη, Met. Ζ 12, 1038a5), und zwar im Sinne eines Bestimmbaren, einer begrifflichen, denkbaren Materie (ΰλη νοητή), und im Unterschied zur sinnlich-wahrnehmbaren Materie des konkreten Einzelnen, deren Bestandteile nach Met. Ζ 10-11 in die Definition ja nicht miteinbezogen werden. Die Aristotelische Konzeption des Gattungsbegriffs richtet sich offenbar gegen eine Hypostasierung der Allgemeinheiten als Ideen bzw. Ousiai, welche Aristoteles Plato zuschreibt. Indem für Aristoteles die Gattung also nicht für sich außerhalb ihrer Arten (παρά τα εϊδη) existieren kann, wird erst eine Einheit der Teile der Definition ermöglicht. Das Platonische Dihairesisverfahren, das als Methode der Ideenverknüpfung (συμπλοκή ειδών, Soph. 259e) notwendigerweise alle Untergattungen einbeziehen muß, löst Aristoteles durch ein auf besondere Weise abgewandeltes und entscheidend modifiziertes Verfahren ab, das zwar auch Gattungen und Differenzen unterscheidet, bei dem aber die Vielstufigkeit der verschiedenen dihairetischen Teile letztlich auf eine Zweiheit reduziert wird. Diese besteht aus der anzugebenden Gattung - sei es eine „erste Gattung" in Anknüpfung an platonisch-akademische Dihairesen, sei es im Sinne der späteren klassischen Definitionslehre die nächste Gattung (genus proximum), welche die noch allgemeineren Bestimmungen bereits in sich enthält - und aus dem letzten Unterschied, von dem es keine weitere Differenz mehr geben kann (vgl. An. post. II 13, 97a23-39), und der insofern artbildend (διαφορά ειδοποιός) ist, als er das Eidos angibt und mit diesem schließlich koinzidiert. Jene „vollendete Differenz"201, die am Ende der Einteilung vom Allgemeineren zum Besonderen 201

Vgl. H. Schmitz, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 1, 195.

4. Das τί ήν είναι in seiner definitorischen Bedeutung (Met. Ζ 10-12)

133

steht, macht den Wesensunterschied bestimmter Arten gegenüber anderen aus. Eine Einteilung in noch weitere Unterschiede wäre lediglich akzidenteller Art und beträfe die Essenz nicht mehr, um die es ja in der Definition geht. Die letzte Differenz, die alle anderen wesentlichen Differenzen in sich enthält, erweist sich letztlich als als das nicht weiter teilbare und daher unteilbare Eidos. Da die erste Gattung sich vollständig in ihre letzte Differenz ausdifferenziert, kann sie nicht neben ihren Arten selbständig für sich existieren. Sie ähnelt insofern der Materie, als die Gattung als Bestimmbares und Zugrundeliegendes durch die sie bestimmenden Differenzen zu etwas Bestimmtem wird. Die Definition ist als solche jedoch nicht nur ein Begriff, sondern eine Aussage (λόγος), also ein Satz, der mindestens aus zwei Gliedern bestehen muß; deshalb zählt auch die Gattung dazu. Die letzte Differenz bzw. das Atomon Eidos fungiert allerdings als das entscheidende Moment der Definition; es stellt aber in dieser bloß logisch-begrifflichen Bedeutung ein Allgemeines dar, das sich auf Besonderes und Einzelnes bezieht. Logisch betrachtet ist es ein Prädikat, das nicht unabhängig und selbständig für sich existieren kann, sondern nur als Bestimmung eines Zugrundeliegenden. Die ontologische Bedeutung des Eidos besteht darin, daß es die Essenz bzw. die Ousia - sogar die primäre Ousia (Met. Ζ 7, 1032bIf.) - eines Einzelwesens ausmacht (Met. Ζ 4-6). Der letzte Unterschied in einer Definition ist also ontologisch betrachtet die eidetisch bestimmte Essenz eines Einzelwesens. Somit fungiert das Eidos als primäre Ousia, aber nur, sofern es den eidetischen Bedeutungsgehalt der Essenz eines Einzelwesens darstellt. In diesem Sinne kann man den letzten Unterschied auch als immanente Seinsursache (αίτιον τοΰ είναι) verstehen202, die das Sein und das Wassein des Einzelnen erst ermöglicht und ontologisch konstituiert. Insofern kommt dem letzten Unterschied OusiaCharakter zu, der für das bestimmte Einzelwesen individualitätskonstituierend ist203. Dies hindert allerdings nicht, daß das Eidos trotz der ontologischen Bedeutung und aller Spezifiziertheit seines Bedeutungsgehaltes logisch-begrifflich - in einer Dihairesis oder im Rahmen einer Realdefinition - ein Allgemeines ist, das von einem Einzelwesen prädiziert wird204. Wenn das Eidos als solches aber ein Allgemeines ist, kann es nach Aristoteles - im Gegensatz zu Plato - nicht mehr Ousia sein, was in Met. Ζ 13 näher begründet wird. Diesem Kapitel seien deshalb die folgenden Ausführungen gewidmet

202

203

204

Vgl. An. post. II 2,90al4f.; Met. Δ 8,1017bl4f.; Ζ 17,1041a28. Zum Problem der Ursache vgl. die Erörterungen zu Met. Ζ 17 in Kap. IV 5. Dies bedeutet jedoch nicht, das Eidos als solches sei bereits individuelle Form, wie M. Frede/ G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 40, 50) oder L. Spellman (op. cit. [Einleitung, Anm. 53], 51ff.) ausführlich oder vorsichtig in Aristoteles' Ousia-Lehre hineinzudeuten suchen. Vgl. hierzu K. Düsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 69, 71f.

IV. Das Problem in Metaphysik Ζ und ein Lösungsansatz durch Hinsichtenunterscheidung 1. Met. Ζ13 im Kontext der Ousia-Lehre von Met. Ζ Es ist unbestritten, daß Met. Ζ 13 eine entscheidende Bedeutung für die Interpretation von Met. Ζ und für Aristoteles' Ontotogie überhaupt zukommt. Dennoch oder gerade deswegen ist Met. Ζ 13 philologisch und philosophisch in der älteren wie auch in der neuesten Forschung höchst umstritten. Die Diskussion über das Eidos, das in den vorangegangenen Kapiteln als aussichtsreichster .Kandidat' für die Ousia galt, kulminiert in Met. Ζ 13 mit der Frage, ob ein allgemein Ausgesagtes Ousia sein kann, deren negative Beantwortung zu weiteren Schwierigkeiten führt, da dies nicht nur mit der frühen Ontotogie der Kategorienschrift (vgl. Kap. I), sondern auch mit den Ousia-Bestimmungen von Met. Ζ 4-12 unvereinbar zu sein scheint. Diese seien daher noch einmal appräsentiert: Die Fragestellung bezüglich der Ousia hat sich in der Metaphysik gegenüber der Kategorienschrift offenbar geändert: Dort wurde das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als erste Ousia (πρώτη ουσία) bezeichnet, während das Allgemeine - besonders das Eidos als deren Wassein - nur als ,zweite Ousia' bestimmt wurde, welche eine erste Ousia voraussetzt, um überhaupt grundlegende Bedeutung haben zu können. In dieser frühen Ontotogie, die als Beispiele ausschließlich Synhola (dieser bestimmte Mensch, dieses bestimmte Pferd) nennt, wird das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) zwar als Unteilbares (ατομον) und als logisch-grammatisch und ontologisch Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) bestimmt, allerdings noch nicht auf seine konstitutiven Bestandteile hin untersucht. Diese immanenten Konstituentien des Einzelwesens analysiert hingegen die Metaphysik, indem sie der Frage nachgeht, auf welche Weise bzw. wodurch das bestimmte Einzelwesen das ist, was es wesentlich ist. Infolgedessen wird auch die Frage nach der πρώτη ουσία in den tiefergehenden Analysen der Metaphysik weiter differenziert. Was gilt nun aus der Blickrichtung und Fragestellung von Met. Ζ als primäre Ousia? Die Hyle ist zwar das primär Zugrundeliegende (Met. Ζ 3), erfüllt aber nicht die beiden anderen Ousia-Kriterien (1029 a38), nämlich ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) zu sein und selbständig für sich existieren zu können (άπλως χωριστόν, vgl. Met. Η 1) bzw. im Rahmen einer Definition, die von den materiellen Bestandteilen des Einzelnen absieht, begrifflich abtrennbar (τω λόγφ χωριστόν, vgl. Met. H 1) zu sein1. Daher wirkt 1

Zu den verschiedenen Bedeutungen des χωριστόν vgl. Kap. II 3.

136

IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

die Hyle bei der Konstitution des Einzelwesens nur potentiell mit. Sieht man nämlich von der eidetischen Bestimmung ab, bleibt nur die unbestimmte Materie, und letztlich die absolut unbestimmte, 'erste' Materie zurück als reine ontologische Möglichkeit. Das aus Materie und Eidos bestehende Synholon ist als primäre Ousia ebensowenig geeignet, da es sich um ein Zusammengesetztes handelt, das ontologisch später (υστέρα) als seine Konstituentien ist. Gleichwohl ist das aus beiden Zusammengesetzte (σύνολον) nach Met. Ζ auf sekundäre Weise Ousia2, da es als bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) schlechthin selbständig für sich existiert (χωριστόν). Also kann allein das Eidos alle drei OusiaBedingungen erfüllen, das jedoch zugleich für das Allerschwierigste (άπορωτάτη, Met. Ζ 3, 1029a33, vgl. Β 4, 999a24ff.) gehalten wird. In den Erörterungen von Met. Ζ 4-6 wurde deutlich, daß der Essenz (το τί ήν είναι) bei der Bestimmung der Ousia eine Zentralstellung zukommt. Die Essenz, die bereits in Met. Δ 8 genannt wird (vgl. Kap. II), wird sich nämlich in der folgenden Diskussion um die Allgemeinheit bzw. Individualität des Eidos als erhellend erweisen. Denn die Essenz dient dazu, das Wassein eines jeden Einzelwesens zu bestimmen, und hat sowohl ontologische als auch definitorische Bedeutung (vgl. Kap. III 3-4): Sie macht das wesentliche Wassein und das wirkliche Sein von etwas aus, indem sie in einer Definition das An-sich des Definiendum zum Ausdruck bringt. Die Essenz ist also der entscheidende Bestandteil einer Realdefmition. Diese defmitorische Bedeutung der Essenz kommt jedoch nur den Eide einer Gattung zu (Met. Ζ 4, 1030al Iff.). Offenbar setzt dies bereits die Lehre des Eidos voraus, das in der Definition eine ontologische Bedeutung besitzt, sofern es als Essenz (τί ήν είναι) das Wassein eines Einzelwesens (τόδε τι) bestimmt und diesem als einwohnendes Eidos (είδος τό ένόν, Met. ZÌI, 1037a29) immanent ist. Das als Essenz identifizierte Eidos (Met. Ζ 7, 1032bIf.) ist in ontologischer Hinsicht somit nicht nur für das Wassein des Einzelnen verantwortlich, sondern überhaupt für dessen wirkliches Sein. Insofern erweist sich die als Eidos identifizierte Essenz als primäre Ousia des jeweiligen Einzelwesens. Ist diese mit dem τόδε τι identisch? In Met. Ζ 6 wurde dargelegt, daß ein τόδε τι, sofern es zugleich ein Synholon ist, nicht mit seinem Eidos identisch sein kann, da die zufälligen Eigenschaften des Synholon, die auf dessen Materie zurückgehen, nicht in der Definition berücksichtigt werden dürfen, sondern darin gerade von ihnen abgesehen wird. Obwohl das Eidos dem Einzelwesen stets immanent ist und nicht von diesem abgetrennt werden darf, ist offenbar dennoch mit dem Synholon nicht schlecht2

Diese Ansicht vertreten Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 465, 8), J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 337), E. Sonderegger (op. cit. [Einleitung, Anm. 22], 227), H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 431), I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 615) und T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 266f ). - Es ist daher nicht zwingend, zu Beginn von Met. Ζ 13 im Rahmen eines Resümees Uber die bisherige Ousia-Lehre das Synholon als Ousia-Kandidat völlig zu eliminieren, wie etwa M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 106) bei ihrer Textwiedergabe von Met. Ζ 13, 1038b3.

2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ 13

137

hin identisch. Anders verhält es sich bei unstofflichen Einzelwesen. Diese sind nämlich aufgrund ihrer rein eidetischen Bestimmung mit ihrem Eidos identisch. Sie besitzen jeweils als bestimmte Einzelwesen ein eigenes, d.h. ein je eigentümliches und somit individuelles Eidos. Ob dies auch für Synhola gilt, ist in der Forschung heftig umstritten und soll in diesem Kapitel anhand der Lehre von Met. Ζ 13 diskutiert werden. Gegen diese individualistische Deutung der Aristotelischen Eidoslehre spricht auf jeden Fall, daß zwei konkrete Individuen von einer und derselben Art - z.B. Kallias und Sokrates - dem Eidos nach dasselbe sind, sich aber offenbar durch zufällige Beschaffenheiten ihrer Materie unterscheiden (vgl. Met. Ζ 8,1034a5-8). In Met. Ζ 10-12 wurde die von der ontologischen Bedeutung des Eidos bzw. der Essenz abgegrenzte definitorische Bedeutung näher betrachtet, indem die für die Ousia-Lehre relevanten Defmitionen aus Gattung und spezifischer Differenz eigens untersucht wurden. Gemäß Met. Ζ 10 bestehen Definitionen notwendig aus Teilen (1034b20f.) und berücksichtigen nur eidetische Bestimmungen. Da die Definition nur auf Allgemeines geht, muß ihr Kern - das Bestimmende, Spezifizierende, also das Eidos - ein Allgemeines sein {Met. Ζ 11, 1036a27f.). Am Ende von Met. Ζ 12 stellt sich heraus, daß - im Unterschied zu Piatos Dihairesisverfahren - allein die letzte, artspezifische Differenz die Ousia des τόδε τι erfassen kann, da weitere Unterteilungen nicht mehr wesentlicher Natur wären, sondern nur stofflich bestimmte Eigenschaften beträfen. Jener letzte Unterschied gewährleistet hingegen erst die Einheit der Definition, die gerade darin besteht, daß die Ousia, indem sie im letzten Unterschied enthalten ist, kein aus mehreren Teilen Zusammengesetztes, sondern ein Eines ist (1038a32). Die Angabe des letzten Unterschiedes macht offenbar die Einheit der Definition aus, sofern alle anderen Differenzen in ihm absorbiert werden. Damit hat dieses Definitionsverfahren die Einfachheit des Eidos gezeigt, die auch am Ende von Met. Ζ 13 im Hintergrund stehen wird. In der Definition ist das die Ousia des Einzelnen kennzeichnende Eidos also die letzte Differenz. Demgegenüber behauptet nun die Hauptthese von Met. Ζ 13: Kein Allgemeines kann Ousia sein.

2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ13 In Met. Ζ 13 sucht Aristoteles zu beweisen, daß kein Allgemeines bzw. allgemein Ausgesagtes Ousia sein kann. Damit steht man vor dem Dilemma, daß (1) das Eidos gemäß Met. Ζ 4-12 als Essenz primäre Ousia des Einzelnen ist, (2) daß aber das Definiens im Sinne des letzten Unterschiedes einer Definition (Met. Ζ 12) notwendig ein Allgemeines sein muß, von dem zwar allein Wissen und Erkenntnis möglich sind (vgl. An. post. I 8, 75b24-26), das aber nach Met. Ζ 13 gerade nicht Ousia sein darf.

138

IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

In der älteren Forschung wurden diese Widersprüche auf verschiedene Abfassungszeiten zurückgeführt, die mit einer philosophischen Denkentwicklung des Aristoteles einhergehen unter dem Kriterium der Nähe bzw. Ferne zum Denken Piatos3. Demgegenüber wird in der jüngeren Forschung unter Bezugnahme auf das obengenannte Dilemma häufig die von P. Aubenque4 begründete aporetische Lesart der Metaphysik bevorzugt, welche zwar Widersprüche feststellt, sie aber nicht für lösbar hält, weshalb sie ungelöst bleiben und stattdessen die Problematisierung der verschiedenen Schwierigkeiten im Mittelpunkt der Erörterungen stehen und nicht ihre Lösung bzw. ihr Ergebnis5. Da die vorliegende Untersuchung nicht beabsichtigt, die verschiedenen Bestimmungen des Aristoteles zur primären Ousia schlicht fiir inkonsistent zu erklären, sondern versucht, die scheinbar inkompatiblen Aussagen theoretisch konsistent zu machen, wird jener Ansatz bei den folgenden Darlegungen nicht weiter berücksichtigt. Denn mit einer solchen Lesart wird das Problem von Met. Ζ 13 innerhalb der Ousia-Lehre von Met. Ζ und ebenso gegenüber der frühen Ontologie der Kategorienschrift nicht gelöst. Gemäß Cat. 5 (vgl. Kap. I) werden Eidos und Genos als Allgemeinbegriffe als ,zweite Ousiai' bestimmt, was sich in Met. Ζ umzukehren scheint, indem das Eidos mehrfach als erste Ousia bezeichnet wird. Die Hauptthese von Met. Ζ 13, daß kein Allgemeines Ousia sein kann, ist hingegen noch antiplatonischer ausgerichtet als die Konzeption der Kategorienschrift, was in Met. Ζ 14-16 noch deutlicher hervortritt. Deswegen kehrt Aristoteles mit der Bestimmung des Eidos als erste Ousia in Met. Ζ nicht zum Piatonismus zurück, sondern bleibt bei seiner Auffassung, das bestimmte Einzelwesen sei Ousia, das es nun näher zu analysieren gilt. Wenn aber das Eidos in der Wesensbestimmung ein Allgemeines ist, inwiefern kann es dann Ousia, ja sogar primäre Ousia sein?6 3

4

5

6

Vgl. zu dieser entwicklungsgeschichtlichen Interpretation mit entsprechenden Literaturhinweisen den Forschungsüberblick im Einleitungs-Kapitel. P. Aubenque, op. cit. [Einleitung, Anm. 16], 189f.; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 16], 1961, 321-333. Auch L. Lugarini (op. cit. [Einleitung, Anm. 16], 123-147) hält die Aponen der Metaphysik (Met. B) für entscheidend. Vgl. z.B. J. Barnes (op. cit. [Einleitung, Anm. 17], 90f.) und H. Steinfath (op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 13,117,199), der ein „notwendiges Scheitern aller positiven Lösungsversuche" konstatiert, während fllrD. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], X) die Metaphysik ein „work in progress" darstelle und daher miteinander inkompatible Gedankenlinien ineinander verwoben seien. Alle Ousia-Anforderungen könne gleichermaßen nur eine intelligible Ousia, nämlich Gott, erfüllen (186, 207, 235). D. Graham (op. cit. [Einleitung, Anm. 20], 17, 84-118) spricht sogar von zwei miteinander inkommensurablen Systemen, Met. Ζ sei bereits in sich inkonsistent (213,221,244). W. Schneider (op. cit. [Einleitung, Anm. 21], 11, 172, 199, 315f.) führt die Widersprüche darauf zurück, daß die Begriffe des Aristoteles noch nicht endgültig fixiert seien und es somit nur um Orientierungspunkte gehe, die eine definitive Deutung unmöglich machten. Zu weiterer Literatur vgl. wiederum die Übersicht im Einleitungskapitel. Bereits in Met. Ζ 1 klingt das Problem an: Ousia ist sowohl das Was (το τί έστι), das im Eidos erfaßt wird, als auch das bestimmte Einzelseiende (τάδε τι). Beide bestimmen das primär Seiende als Ousia (1028al lf.).

2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ 13

139

Abgesehen von diesen scheinbar miteinander unvereinbaren Aussagen ist der Argumentationsgang von Met. Ζ 13 ziemlich unübersichtlich, da Gedankenlinien ineinander verschachtelt sind. Zudem operiert Aristoteles offenbar mit mehreren Bedeutungen von Eidos und Allgemeinem. Obwohl es schwierig ist, den Gedankengang von Met. Ζ 13 ohne Berücksichtigung der intendierten Lösung darzulegen, soll dieser im folgenden zunächst skizziert werden. Anschließend werden dann die wichtigsten philosophisch-systematisch argumentierenden Interpretationsansätze diskutiert und jeweils die Schwierigkeiten aufgezeigt, bevor die in dieser Untersuchung vorgelegte Lösung des Ousia-Problems von Met. Ζ durch eine Hinsichtenunterscheidung mit Hilfe des Aristotelischen Terminus der Essenz erfolgen soll. Das Kapitel läßt sich in drei Teile gliedern: (1) Zuerst wird dargelegt, warum das Allgemeine auf seinen Ousia-Charakter hin zu untersuchen sei (1038b 1-8). (2) Darauf wird zu beweisen versucht, daß das Allgemeine weder als allgemeines Prädikat noch als Bestandteil einer Ousia - nämlich einer Essenz - Ousia sein kann (1038b8-1039al4). (3) Der abschließende Teil enthält die Schlußaporie, daß die Ousia offenbar undefinierbar ist, wenn sie keinerlei Teile aufweise (1039al4-23). Diese Überlegungen gehen, obwohl sie mit der Ousia-Lehre zusammenhängen, über die Zentralthematik von Met. Ζ hinaus und verweisen auf die von der diskursiv-rationalen Erkenntnis völlig verschiedene Erkenntnis des Unzusammengesetzten und absolut Einfachen (vgl. Met. Θ 10). Zu Beginn von Met. Ζ 13 rekurriert Aristoteles in einer Zusammenfassung der bisherigen Erörterungen zur Ousia (1038b3) auf die Auflistung der vier Ousia-Bedeutungen von Met. Ζ 3 (1028b33-36): Von den ,Kandidaten', die beanspruchen, als Ousia gelten zu können, wurde in Met. Ζ 3 das Zugrundeliegende und in Met. Ζ 4-6 und Ζ 10-12 die Essenz untersucht. In der Auflistung finden sich aber noch weitere Ousia-Bestimmungen, die auch oder z.T. nur für andere Theorien gelten7: nämlich das Allgemeine und die Gattung. Diese werden in Met. Ζ 13-16 erörtert. Wenn das Allgemeine nicht Ousia sein kann - wie in Met. Ζ 13 im einzelnen begründet wird - , dann ebensowenig die Gattung, da jede Gattung notwendig ein Allgemeines sein muß8 (vgl. Met. A 9, 992bl2). Schwierig bleibt dann aber der ontologische Status des Eidos, das sogar auf vorrangige Weise Ousia sein soll (Met. Ζ 7, 1032bIf.). Dies klingt nach einer Rückkehr des Aristoteles zum Piatonismus, soll jedoch gerade nicht in diesem Sinne aufgefaßt werden, was zusätzlich durch die Ideenkritik von Met. Ζ 6 (vgl. Kap. III 3c) und Met. Ζ 13-16 nahegelegt wird. Da das Allgemeine von „einigen" - nämlich von Plato und seinen Anhängern - am ehesten (μάλιστα) als αίτιον und αρχή betrachtet wird (Met. Ζ 13, 1038b7) und Ursache-Sein ein wesentliches Kennzeichen für die Aristotelische 7 8

Vgl. A. Schwegler, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 41f. Vgl. D. Ross, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], II, 164, und M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,34; II, 35.

140

IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

Ousia ist (vgl. Met. Δ 8; 1017bl4ff., Ζ 17), muß dies näher untersucht werden, obwohl damit nicht dem Allgemeinen zugleich Ousia-Charakter zugeschrieben wird, wie etwa in Piatos Ideenlehre9. Für Plato, bei dem die Ousia die Bedeutung eines philosophischen Grundterminus erhalten hat, stellt die Ousia die ontologische Bedeutung einer Idee dar10 und bezeichnet deren Seinscharakter als wesentliche Allgemeinheit (vgl. Phaid. lOOc-lOlc; Parm. 135b). Diese Idee ist Eines (Theait. 185a-186e) und ein Allgemeines bzw. Gemeinsames (κοινόν) für Vieles (Politela VI, 507b). In dieser Allgemeinheit wird erfaßt, was etwas ist. Diese epistemologische Bedeutung des Allgemeinen übernimmt Aristoteles. Doch ist für Plato das Allgemeine zugleich dasjenige, was etwas an sich und eigentlich, d.h. wesentlich und beständig ist, worin die ontologische Bedeutung der Idee als Ousia besteht11. Hingegen wird den von den allgemeinen Ousiai qua Teilhabe ontologisch und epistemologisch abhängigen sinnlichen Einzeldingen ein nur defizienter ontologischer Status konzediert. Das sinnlich Wahrnehmbare gilt als nicht beständig seiend, sondern allenfalls als „werdend" {Tim. 28a). Die Ansicht der Platonischen Ideenlehre, nach der das Allgemeine (als Idee) und infolgedessen auch die Gattung Ousia sei, weist Aristoteles im folgenden mit vielfach gewundenen, nicht immer eindeutigen Argumenten zurück. Dabei nimmt er die Bedeutung der Platonischen Ousia als selbständig und für sich konstant bestehendes An-sich-Seiendes zwar auf, doch bestimmt er nicht das Allgemeine als Ousia, sondern das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι), das selbständig für sich existieren kann und begrifflich abtrennbar ist (χωρνστόν). Demgegenüber ist das Eidos nach Aristoteles insofern unselbständig, als es vom Einzelwesen nicht getrennt werden kann, sondern diesem notwendigerweise immanent sein muß (είδος το ενόν, Met. Ζ 11, 1037a29)12. In seiner Ideenkritik (vgl. Met. Ζ 6) wirft er Plato vor, die Ideen seien von den Einzeldingen nicht nur verschieden, sondern sogar getrennt (Chorismos-Vorwurf). Um die absurden Kon-

9

Zur Kennzeichnung der Platonischen Idee als Allgemeines bzw. als αίτιον und άρχή vgl. Lysis 219c; Phaid. lOld, 107b; Politela VI, 511b. - M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Anm. 6], I, 34; II, 241) verstehen unter jenen „einigen" nicht Piatos Konzeption, sondern Aristoteles' eigene frühe Ontologie der Kategorienschrift. - Dies trifft jedoch nicht zu, denn dort gelten Universalien allenfalls als .zweite Ousiai' (δεύτεραι ούσίαι), die jedoch notwendigerweise erste Ousiai voraussetzen. „Denn waren diese nicht, so wäre Uberhaupt nichts." (Cat. 5, 2b5f.). Zudem wird das Allgemeine in dieser urteilslogisch ausgerichteten Ontologie-Konzeption nicht im Hinblick auf Ursächlichkeit untersucht. Kausalitätsbedingungen werden vielmehr in Phys. II 3 oder in Met. A 3 expliziert. Zum problematischen Begriff der .Ursache' bei Aristoteles vgl. auch die Erörterungen am Schluß dieses Kapitels zu Met. Ζ 17.

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Zur Ousia vgl. Plato, Euthyphr. 6d-e, 8d, 1 la-b, sowie H. H. Berger, op. cit. [Einleitung, Anm. 3], R. Marten, op. cit. [Einleitung, Anm. 3] und J. Derbolav, op. cit. [Einleitung, Anm. 3]. Vgl. Tim. 51c, 52c; Phaid. 78d; Symp. 21 lb; Parm. 129a, 129d; Politeia VII, 523a-525a. Vgl. hierzu Kap. III 3 mit Erörterungen zu Met. Ζ 6. - Die notwendige Beziehung der Essenz auf ein Einzelnes (vgl. Met. Ζ 6) wird von der individualistischen Forschungsrichtung (vgl. Einleitung) bisweilen als Argument fllr die Annahme individueller Eide angeführt, etwa von E. Hartman (op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 57-87), T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 250ff., 263ff.) oder M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6],

" 12

2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ 13

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Sequenzen einer faktischen Trennung von Einzelding und dessen Eidos bzw. Essenz zu vermeiden, müsse man eine Identität von An-sich-Seiendem - der primären Ousia von etwas - und Essenz annehmen (Met. Ζ 7, 1032bIf.), so daß Einzelding - im Aristotelischen Sinne Ousia - und dessen Essenz identisch sind und das Eidos als Essenz das wesentliche Wassein des jeweiligen Einzelnen ausmacht, worin die ontologische Bedeutung des Eidos liegt. Da das Allgemeine vor dem Hintergrund der Platonisch-akademischen Ontologie-Konzeptionen für ein diskussionswürdiger ,Ousia-Kandidat* gehalten wird, folgt nun die zentrale - wenn auch noch unbegründete - Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen und damit zugleich der Platonischen Ideen. Anderenfalls wäre jede Idee - legt man Aristoteles' Definition des Allgemeinen (vgl. De int. 7, 17a38ff.; An. post. 14, 73b26; Met. Ζ 13, 1038bl lf.) zugrunde die Ousia von mehrerem, dem sie zukäme bzw. von dem sie prädiziert würde. Um jene These zu stützen, wird das sogenannte 'Idion-Argument' angeführt, nach dem die Ousia einem jeden Einzelnen, dessen Ousia sie ist, eigentümlich (ίδιον) sein muß (Met. Ζ 13, 1038b9ff.). Das Eigentümliche kommt seinem Subjekt notwendig zu (An. post. I 6, 75a28f.; Top. I 5, 102al8) und findet sich gerade nicht noch in einem anderen (Met. Β 4, 999b 17ff.) oder in mehreren. Im Unterschied dazu wird das Allgemeine per definitionem stets von mehreren prädiziert. Das Idion-Argument steht in einem engen Zusammenhang mit der ontologischen Bedeutung der Essenz (vgl. Met. Ζ 4-6), da diese das dem jeweiligen Subjekt eigentümliche Wassein ist (An. post. II 4, 91al5) und nicht nur das wirkliche Sein und wesentliche Wassein des Einzelnen ausmacht, sondern auch das diesem im Hinblick auf das τί έστι Eigentümliche bezeichnet (II 6, 92a7). Offenbar wird im Idion-Argument Eigentümliches und wesentliches Wassein des jeweiligen Einzelnen gleichgesetzt13. Wäre das Allgemeine Ousia, ergäbe sich folgende Alternative: entweder müßte es Ousia von allem sein, für das es zutrifft - z.B. von allen Einzelmenschen, wenn Mensch überhaupt Ousia sein soll. Dann aber wären diese alle Eines, da dasjenige Eines ist, dessen Essenz Eines ist; wenn es aber die Ousia von Einem ist, müßte es auch noch die Ousia von anderem sein - um weiterhin allgemein sein zu können - oder von keinem. Gemäß dem Idion-Argument ist beides unmöglich. Denn die Ousia ist nach Aristoteles' eigener Lehre dem jeweiligen Einzelwesen eigentümlich als dasjenige, was es ontologisch in seinem Wassein individuiert; und erweist sich daher als dessen Essenz, welche nur diesem Einzelnen als solchen zukommt und nicht einem anderen, erst recht nicht mehAuch Thomas (op. cit. [Einleitung, Anm. 26], n. 1S77, 1588) bezeichnet die Essenz als das einem Ding Eigentümliche, denn jedes Ding werde von den anderen durch seine „eigentümliche Form" (forma propria) abgegrenzt. Vgl. zur engen Verbindung von ίδιον und Essenz A. Preiswerk, op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 157, G. Reale, op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 381f., und C. Arpe, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 24. - In Top. I 4 (101bl9) wurde die Essenz unter das ϊδιον subsumiert als das an sich und stets Eigentümliche im Hinblick auf das Wassein, im Unterschied zu einem relativen ίδιον. Zur Differenzierung des ϊδιον vgl. Top. V 1, 128bl6ff

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

reren - wie nämlich das Allgemeine. Könnte dieses in ontologischer Hinsicht als Essenz bzw. als konstitutives 'ίδιον des Einzelnen fungieren, gäbe es von demselben Eidos nicht mehr zwei Einzelwesen, sondern nur ein Einzelnes. Dann wäre dieses Allgemeine als Ousia nicht mehr allgemein, da es nicht mehr mehreren zukommt, sondern nur einem. Daher kann ein Allgemeines von nichts Ousia sein; ihm kommt deswegen keinerlei Ousia-Charakter zu, weil es per defirtitionem stets mehreren gemeinsam (κοινόν), kein Zugrundeliegendes und somit auch kein ontologisch Individuierendes ist, was jedoch von einer Ousia gefordert wird. Das Allgemeine wird vielmehr von einem ihm Zugrundeliegenden ausgesagt (Cat. 5, 3bl5ff.), ist also notwendigerweise bezogen auf ein Einzelnes, von dem es in seiner Existenz abhängt 14 . Offenbar scheidet das Allgemeine nicht nur in ontologischer Hinsicht, sondern auch im urteilslogischen Sinne als Ousia-Kandidat aus, da es die Ousia-Bedingung, Zugrundeliegendes zu sein, nicht erfüllen kann. Denn als entscheidender Unterschied zu Plato betont Aristoteles, daß das Allgemeine stets von einem Zugrundeliegenden prädiziert wird und somit stets als Prädikat eines Subjekts fungiert (Met. Ζ 13, 1038M6). Ousia ist hingegen dasjenige, was weder von einem Zugrundeliegenden prädiziert wird noch in einem Zugrundeliegenden ist (vgl. Cat. 5, 2al0ff.), sondern was als Subjekt das Aussagen (κατηγρείν) erst ermöglicht. Denn alles andere wird von der Ousia ausgesagt (Phys. I 7, 190a36bl). Aristoteles behält also in der Metaphysik (Δ 8, Ζ 1, Ζ 3) die urteilslogische Ausrichtung der Ontologie bei. Denn auch nach Met. Ζ 13 erweist sich die Ousia als letztes Zugrundeliegendes, als Substrat aller Prädikationen in Urteilen 15 , das daher nicht selbst Prädikat (κατηγορούμενον) sein kann. Das Zugrundeliegende kann allerdings auf zweifache Weise aufgefaßt werden (Met. Ζ 13, 1038 b5f., vgl. Met. Θ 7, 1049a27-35): (1) entweder als das bestimmte Einzelseiende (τόδε τι, vgl. Cat. 5), das zweifellos Ousia ist, (2) oder als die Materie, die dem verwirklichenden Eidos (als έντελέχεια, vgl. Met. Θ 8, 1049b24) zugrunde liegt (Met. Ζ 13, 1038b3-7)16. 14 15

16

Vgl. Μ. V. Wedin, op. cit. [Kap. III, Anm. 34], 353, 358. Das Zugrundetiegende ist als Ousia-Kriterium also - wie Met. Ζ 13 zeigt - nicht mit der Entsubstantialisierung der Materie als „erstes Zugnindeliegendes" in Met. Ζ 3 (1029a9f.) widerlegt (vgl. Kap. III 2) oder „diskreditiert", wie vielfach in der Forschung behauptet wurde. Vgl. bes. Kap. III, Anm. 91. - Das Zugrundeliegende gilt auch nicht lediglich als sekundäre Ousia, wie J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 327, 365,395) meint. Nach Chr. Rapp (op. cit. [Einleitung, Anm. 52], 1996, 180) entsprechen den zwei Weisen des Zugrundeliegens zwei Weisen des Ausgesagtwerdens: eine subjektpräsupponierende und eine subjektkonstituierende Aussage, von denen nur erstere die Existenz des Subjekts voraussetzt. Letztere ist eine Prädikation der Form von der Materie, die jedoch in Met. Ζ 3 im Rahmen einer reductio ad absurdum steht. Diese „metaphysische" ,Form-Materie-Prädikation' wird später im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Deutung von Met. Ζ 13 noch diskutiert. Diese 'uneigentliche' Form des Zugrundeliegens dient hier zur Abgrenzung von der eigentlich relevanten Weise

2. Das Problem und der Gedankengang von Met. Ζ 13

143

Die Materie als solche kann keinen Ousia-Charakter beanspruchen; gleichwohl stellt sie als bereits irgendwie bestimmte Materie ein Konstituens dar im Hinblick auf das aus ihr und dem Eidos bestehende Synholon. Aber Ousia im vollbestimmten Sinn kann mit der Bestimmung, Substrat oder erstes Zugrundeliegendes zu sein, nicht hinreichend charakterisiert werden (vgl. Kap. III 2). Wenn auch die Materie als solche als das absolut Zugrundeliegende fungiert, ist dies nicht der alleinige Grundcharakter von Ousia. Denn diese ist ebenso und vorrangig dasjenige, was als bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) selbständig für existieren kann (χωριστόν). Dies trifft auf die Materie als letztes, unbestimmtes Substrat nicht zu. Nach jenen Kriterien ist das Synholon eher Ousia, die Materie hingegen nur der Möglichkeit nach Ousia {Met. Η 2, 1042b9f.), weil sie als letztes Zugrundeliegendes zwar noch unbestimmt, aber bestimmbar ist durch alle möglichen sie bestimmenden Prädikate. Gegenüber dem Synholon (1) und der Materie (2) als zwei verschiedenen Substrat-Typen kann das Allgemeine nicht Zugrundeliegendes sein; denn es wird in einer Wesensbestimmung gerade von einer Ousia als Zugrundeliegendem prädiziert und kann daher nicht selbst als Ousia im eigentlichen Sinne gelten, da es per definitionem mehreren Einzelwesen zukommt und diesen gemeinsam (κοινόν) ist. Stattdessen müßte das Allgemeine als Ousia dem oben erwähnten Idion-Argument zufolge dem jeweiligen Einzelwesen eigentümlich (ίδιον) sein. Dieser Eigentümlichkeit als Kennzeichen der Ousia steht hier offenbar die Gemeinsamkeit bzw. Prädikabilität von anderem als Merkmal des Allgemeinen (Met. Ζ 13, 1038bl lf.) gegenüber. Die Ousia von etwas muß in jedem Fall demjenigen, dessen Ousia sie ist, eigentümlich sein und darf daher nicht mehreren Entitäten gemeinsam sein. Das Allgemeine, das gerade mehreren Dingen gemeinsam ist, kann aufgrunddessen nicht Ousia sein. Im Anschluß an das Idion-Argument und an den Rekurs auf die Ousia-Bestimmung des Zugrundeliegenden soll ein weiteres Argument zeigen, daß das Allgemeine auch auf andere Weise nicht Ousia von etwas sein könne: Obwohl es per definitionem nicht als Ousia dem Einzelwesen eigentümlich sein und dessen spezifische Essenz ausmachen kann - wie Met. Ζ 13 (1038bl6ff.) in Anlehnung an Met. Ζ 6 wiederholt - , wäre es dennoch denkbar, daß das Allgemeine in einer solchen Essenz bzw. einem Eidos als Bedeutungsbestandteil enthalten ist, also einen Teil der Essenz darstellt. Es würde sich dann um eine Teilhabe des Allgemeinen an der Essenz als der eigentlichen Ousia des Einzelnen handeln, wie etwa die Gattung 'Lebewesen' an 'Mensch' bzw. 'Pferd' als ihren Eide teilhat. Das Gattungsallgemeine wäre dann als konstitutiver Bestandteil der Essenz in einem Eidos, d.h. letztlich in diesem Menschen und in diesem Pferd. Dies widerspricht jedoch den Überlegungen von Met. Ζ 12, aus denen hervor-

des Subjekts als τόδε τι, das Universalien ebenso zugrunde liegt wie zufälligen Akzidentien, die erst dadurch existieren, daß sie einem τόδε τι inhärieren (vgl. Met. Γ 2, Ζ 1).

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

ging, daß das Verhältnis der definitorischen Bestandteile zueinander gerade kein Teilhabe-Verhältnis und ebensowenig ein Substanz-Akzidens-Verhältnis bzw. ein Subsistenz-Inhärenz-Verhältnis sein kann (vgl. Kap. III 4). Wenn das Allgemeine als Ousia aufgefaßt wird, ergeben sich zudem epistemologische Schwierigkeiten. Denn als Teil der Definition - etwa als Gattung - müßte es vom Allgemeinen wiederum eine eigene Definition geben, welche ihrerseits nicht alles in der Ousia Enthaltene erfassen würde, und müßte außerdem die Ousia dessen sein, in dem es als ein ihm Eigentümliches vorkommt. Ferner müßte es entweder die Ousia von allem sein, dem es zugehört, oder von keinem, was schlechthin unmöglich ist, wie das Idion-Argument aufzeigte. Die Überlegung, daß das Allgemeine - wenn schon nicht als Ganzes - wenigstens als konstitutiver Bestandteil einer Realdefinition Ousia sein könne, bekräftigt nochmals die These des Idion-Arguments: nicht einmal als Teil kann ein Allgemeines Ousia sein. Ihm kommt also weder als Ganzes noch als Teil OusiaCharakter zu. Denn wäre es als Teil der Essenz Ousia, würde diese nicht mehr als ein primär Seiendes gelten, da sie nicht mehr schlechthin Erstes wäre, sondern ihr wiederum etwas Früheres vorausgehen müßte. Wegen des nach Aristoteles stets unmöglichen unendlichen Regresses kann die Essenz als primäre Ousia nicht ihrerseits noch aus weiteren, ihr selbst noch vorgeordneten ontologischen Konstituentien (Met. Ζ 13, 1038b24ff.) zusammengesetzt sein. Sie muß vielmehr schlechthin einfach sein, um als auf erste Weise Seiendes (πρώτοις öv, Met. Ζ 1, 1028a30) fungieren zu können. Daher kann das Allgemeine auch nicht als ein „Solches" (τοιόνδε, Met. Ζ 13, 1039a2; vgl. Met. Ζ 8, 1033b21ff.; An. post. 131, 87b28ff.) - wie Aristoteles polemisch Piatos an sich seiende Ideen charakterisiert - d.h. als Nicht-Ousia, konstitutiver .Teil' der Ousia sein, weil es dann früher als die Ousia und das bestimmte Einzelne (τόδε τι) sein müßte. Ein Akzidens wie das Qualitative17 kann allerdings der Ousia nicht vorausgehen, da diese auf dreifache Weise primär Seiendes ist: dem Begriff nach (τω λόγω), der

Das Verhältnis zwischen dem akzidentellen Sobeschaffenen, dem Qualitativen (ποιόν), und dem Eidos ist in der Topik noch nicht ausgearbeitet (vgl. Soph. El. 22, 178b37ff), in der die spezifische Differenz unter das ποιόν subsumiert wird (vgl. Top. IV 6, 128a26ff); auch in der Kategorienschrift wird beides nicht immer klar auseinandergehalten (vgl. Kap. I, bes. Anm. 11). Das Kriterium für die Unterscheidung zwischen einer eidetischen .Beschaffenheit' oder ,Sosein' und dem akzidentellen schlechthin Qualitativen liegt außerhalb des Logos, wie K. Wurm (Substanz und Qualität. Ein Beitrag zur Interpretation der plotinischen Traktate VI 1, 2 und 3 (Quellen und Studien zur Philosophie 5), Berlin 1973, 122) zu Recht bemerkt. Denn dieser ontologische und epistemologische Unterschied ist sachlich-inhaltlich begründet und daher formallogisch auch nicht beweisbar: Das bloße ποιόν stellt eine akzidentelle Eigenschaft dar, die einer Ousia zufällig zukommt. Es kann von ihr nicht abgetrennt werden, sondern ist nur durch sie Uberhaupt erst seiend. - Demgegenüber erweist sich das Eidos als das Bestimmende, ontologisch Konstituierende im Hinblick auf das Einzelwesen, das ohne jenes nur unbestimmte Materie bliebe. Deshalb wird das Eidos in Met. Ζ als primäre Ousia bestimmt, da bei seiner Wegnahme das jeweilige Einzelne aufhören würde zu existieren. Hingegen kann ein Qualitatives, das einer Ousia inhäriert, in sein Gegenteil umschlagen oder völlig fehlen.

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Zeit nach (χρόνφ) und der Entstehung nach (γενέσει 18 , Met. Ζ 13, 1038b27ff.). Die Akzidentien können hingegen nicht selbständig für sich existieren (χωριστόν); sie existieren vielmehr nur, sofern sie einem Zugrundeliegenden, einem bestimmten Einzelnen - also einer Ousia - inhärieren (vgl. Met. Γ 2, Ζ 1). Ein weiteres Argument (Met. Ζ 13, 1038b29-34) gegen eine selbständige Existenz des Allgemeinen als Teil einer Ousia besteht darin, daß Sokrates dann in zweifacher Hinsicht Ousia wäre, nämlich (1) als der individuelle Mensch Sokrates und (2) als sein Eidos 19 . Also ist weder die Gattung Ousia noch etwas anderes, was sich in der Definition befindet - nach Met. Ζ 12 ist dies der als Eidos identifizierte letzte, spezifische Unterschied. In diesem Sinne stellen Eidos und Genos unselbständig Seiende dar, da sie nicht neben den Individuen bestehen und für sich existieren können, weshalb die Kategorienschrift sie als ,zweite Ousiai' (δεύτεραι ούσίαι) bestimmte. Sie stehen aber in bestimmten Verhältnissen der Koordination oder Subordination zueinander, was Aristoteles gegenüber Plato logisch zu verdeutlichen sucht. Das Eidos in einem definitorischen Kontext - ein Allgemeines bzw. allgemein Ausgesagtes und per defmitionem mehreren Dingen gemeinsam (κοινόν) Zukommendes {Met. Ζ 13, 1039al) kann offenbar nicht Ousia sein, da es kein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) bezeichnet, sondern lediglich ein „Solches" (τοιόνδε, 1039a2, 1039al6). Diese These wird später für das weitere Verständnis des Eidos entscheidend sein. Offen ist noch, ob von der definitorischen Bedeutung des Eidos auch auf dessen ontologische Bedeutung geschlossen werden kann, die darin läge, als Essenz das wirkliche Sein und wesentliche Wassein des Einzelwesens auszumachen. Die sehr gewundenen Überlegungen haben bisher ergeben: Wäre ein Allgemeines - eine Gattung oder Art - Ousia eines Einzelnen, wäre z.B. 'Lebewesen' Ousia von diesem Menschen und diesem Pferd, dann wäre die Gattung 'Lebewesen' essenzkonstituierend, würde demnach das Eigentümliche für sehr Verschiedenes sein, nämlich für ganz unterschiedliche, möglicherweise sogar gegensätzliche Einzelwesen. Dies ist nach dem Idion-Argument unmöglich. Die dem jeweiligen Einzelnen immanente Ousia ist nach Met. Ζ 13 vielmehr individualitätskonstituierend, d.h. ist dasjenige, was das eigentümliche Wesen des bestimmten Einzelnen ausmacht, d.h. dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein und damit dessen Essenz. 18

19

M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 108) konjizieren 'γενέσει' zu 'γνώσει' (der Erkenntnis nach), und zwar im Sinne der dreifachen Priorität der Ousia in Met. Ζ 1, 1028 a34f. - Die epistemologische Priorität ist jedoch bereits mit der begrifflichen Priorität (λόγφ πρώτον) mitimpliziert, da ein definitorischer Logos stets das Wassein von etwas und damit etwas Allgemeines und Notwendiges ausdrückt, auf das nach Aristoteles die wissenschaftliche Erkenntnis geht. - Da Met. Ζ die sinnlich wahrnehmbaren, vergänglichen Synhola im Hinblick auf ihre Entstehung untersucht, kommt deren Ousia als der Entstehung nach Erstes konstituierende Funktion zu, weshalb jene den zufälligen Eigenschaften vorangehen muß. Das Eidos des Sokrates wäre also seine Seele. Zur Identität bzw. Differenz von Einzelnem und dessen Eidos bzw. Essenz vgl. Kap. III 3 zu Met. Ζ 6. Zur Frage, ob mit Sokrates das Synholon oder dessen Seele gemeint ist, vgl. auch Met. Β 6, 1003a9-12; Η 3, 1043b2-4.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

Jene Plato-Kritik des Aristoteles (1038b34-1039a3), daß die unselbständige' Seinsweise des Eidos und des Genos - also des allgemein Ausgesagten kein τόδε τι, sondern lediglich ein „Solches" (τοιόνδε) bezeichne, gipfelt in der Erwähnung des Arguments des .dritten Menschen*. Dieses geht davon aus, daß eine wirkliche Beziehung von Idee und Einzelding durch ein gemeinsames Drittes unmöglich bzw. ein unendlicher Regreß unvermeidlich sei. Der Fehler dieses Arguments besteht darin, daß Sinnendinge und Ideen für gleichrangig gehalten werden, was allerdings Piatos genuiner Lehre widerspricht. Denn Idee und konkretes Einzelding gehören gerade zu unterschiedlichen Seinsbereichen, da der Seinscharakter einer Idee von demjenigen der sinnlichen Einzeldinge völlig verschieden ist. Deshalb erwähnt Plato dasselbe Argument20, ohne damit die Annahme der notwendigen Existenz von Ideen aufgeben zu müssen (Ρarm. 135b). Bei der polemischen Kritik des Aristoteles an den Ideen, und besonders im Fall des ,Chorismos-Vorwurfs', setzt er seine eigene Eidos- bzw. Ousia-Lehre voraus21, die sich an der Struktur des einfachen Urteils orientiert (vgl. Cat. 5), in dem das Eidos an der Prädikatstelle steht und daher nicht ein Zugrundeliegendes, d.h. ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), sein kann. Als Allgemeines ist das Eidos insofern ein unselbständiges Seiendes, als es stets und notwendigerweise auf ein Einzelnes, das ihm als primär Seiendes ontologisch vorgeordnet ist, bezogen sein muß und nicht von ihm getrennt werden darf. Für Aristoteles steht das konkrete Einzelne und die Platonische Idee, wenn man sie als Aristotelische Ousia - also als τόδε τι - auffaßt, tatsächlich auf einer Stufe, nicht aber nach genuin Platonischer Lehre. In Met. Ζ 13 wird neben der Entsubstantialisierung des Allgemeinen als weiteres Argument angeführt, daß eine Ousia realiter nicht durch mehrere in ihr befindliche Ousiai konstituiert, d.h. zusammengesetzt sein darf {Met. Ζ 13, 1039 a3-14), wobei Aristoteles auf die Atomistik - und namentlich auf Demokrit- rekurriert, die nur unteilbare Größen (άτομα) als das wahre Seiende und somit als Ousia begreift (vgl. De caelo III 4, 303a3-8; De gen. et corr. I 8, 325a34-b5). Aristoteles hält im Unterschied zur Atomistik eine Zerlegung des Zusammengesetzten nach dessen Lebensende in seine materiellen Bestandteile für möglich (vgl. Met. Ζ 10, 1035al7-34). Auf jeden Fall wäre eine Zusammengesetztheit der Ousia, die als das auf jede Weise primäre Seiende gilt (Met. Ζ 1, 1028a34f.), aufgrund eines infiniten Regresses in sich widersprüchlich22. Außerdem würde auf diese Weise die Einheit der Ousia zerstört, welche als reale Einheit des Definiendum nach Met. Ζ 12 erst die begriffliche Einheit der Definition ermöglicht. Wäre das Allgemeine als Ousia in einer Ousia enthalten, gäbe es mindestens 20

21 22

Zum Argument des .dritten Menschen' und zur Version in Piatos Parmenides (131a-d, 132a-b) anhand des Beispiels der Größe vgl. Kap. I 5, zur Forschungslage vgl. bes. Kap. I, Anm. 19. Vgl. H. Cherniss, op. cit. [Anm. 9], 206-220, de Strycker, op. cit. [Kap. I, Anm. 80], 210. Diese absurde Konsequenz ergab sich auch bei dem zuvor angeführten Argument, welches das Allgemeine als Ousia erweisen sollte, indem es als Teil der Essenz aufgefaßt wird.

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zwei Ousiai, die aber gemäß Met. Ζ 12 zugleich Eines sein müßten. Hier kritisiert Aristoteles auf implizite Weise nochmals Piatos Dihairesisverfahren, das jeweils die gesamte ontologische Ideenhierarchie durchgeht, obwohl der letztlich gefundene Begriff - ein Allgemeines und nach Plato als solches Ousia - die zuvor durchgegangenen höheren Allgemeinbegriffe in sich faßt. Demgegenüber kann für Aristoteles aus zwei Ousiai der Vollendung nach (ώς έντελεχεία, Met. Ζ 13, 1039a4) - im Unterschied zu zwei der Möglichkeit nach existierenden Ousiai - niemals eine werden, da eine Ousia der Vollendung nach bereits den Verwirklichungsprozeß abgeschlossen hat und in ihrer eidetischen Bestimmung als endgültig determiniertes Einzelwesen (τόδε τι) vollendet ist. Dieses ist vielmehr unteilbar, der Zahl nach Eines, gegenüber anderen Seienden abgegrenzt und von ihnen unterschieden: Es liegt als solches allen akzidentellen Veränderungen als Beharrendes zugrunde und ist in diesem Sinne gegenüber jedem akzidentellen Wandel unveränderlich. Allerdings kann dasjenige, was nur der Möglichkeit nach zwei ist, durchaus zu Einem werden, z.B. aus zwei Hälften das Doppelte (1039a5f.). Was jedoch bereits ein Eines ist, kann nicht aus zwei Ousiai der Vollendung nach bestehen. Dieses Argument gegen eine Zusammensetzung der Ousia aus mehreren vollendeten Ousiai setzt offenbar bereits die Dynamis-Energeia-Lehre von Met. Θ implizit voraus23. Met. Ζ 13 schließt mit einer Aporie (1039al4ff.): Da das Allgemeine weder als Ganzes noch als Teil einer Ousia, d.h. der Essenz, Ousia sein kann - wie das Idion-Argument und die folgenden Argumente im einzelnen zeigten -scheint die Definierbarkeit der Ousia überhaupt fraglich zu sein. Denn eine Definition ist stets komplex, besteht aus mindestens zwei Teilen {Met. Ζ 10, 1034b20f.) und geht auf das Allgemeine, um wissenschaftliche Erkenntnis zu ermöglichen. Aber allein die Ousia kann durch die Angabe der Essenz Gegenstand einer Realdefinition im strengen Sinne sein. Dem steht jedoch entgegen, daß nach Met. Ζ 13 kein Allgemeines Ousia sein kann. Ist die Ousia dann überhaupt noch definierbar? Wenn dies nicht der Fall ist, widerspräche dies wiederum der Lehre von Met. Ζ 4. Aristoteles löst das Problem der Definierbarkeit von Ousiai wie folgt: Die Ousia ist in dem Sinne einfach, daß sie nicht realiter aus Ousiai zusammengesetzt sein darf. Die Ousia ist vielmehr ein „Unzusammengesetztes" (άσύνθετον, Met. Ζ 13, 1039al7f.), von dem es seinerseits keinen Logos der Ousia gibt. Aber nach Met. Ζ 12 soll das Definiendum, das in der Definition zugleich erkannt werden soll, die Ousia eines Einzelwesens sein. Da sich die definitorischen Bestimmungen auf ein ontisches Wesen beziehen, in dem sie ver-

Darauf kann hier nicht näher eingegangen werden, wohl aber in Kap. V 2 im Zusammenhang mit der paradigmatischen Ousia, dem ersten unbewegten Beweger, der durch reine Energeia und ohne jede Dynamis gekennzeichnet ist und in diesem Sinne als πρώτον τί ήν είναι gilt. Hingegen ist alles ihm untergeordnete Seiende auch stofflich bestimmt - bei den vergänglichen Ousiai durch eine sinnlich-wahrnehmbare Materie, bei den Gestirnen durch Ortsmaterie (vgl. Met. Η 4, 1044b7f.) - und somit stets mit einer gewissen Potentialität behaftet.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

sammelt sind, muß das Realdefinierte Eines sein, weil es Ousia ist; denn diese ist numerisch Eines und bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι). Von der Ousia als Einem werden also die verschiedenen Bestimmungen einer Realdefinition und deren Verhältnisse zueinander zusammengehalten. Auf diese Weise gewährleistet die real fundierte Einheit der Ousia die begriffliche Einheit einer Definition im eigentlichen Sinne, die am ehesten (μάλιστα) oder vorrangig der Ousia zukommt (vgl. Met. Ζ 5, 1031al 1-14). Unplatonisch ist bei dieser Doktrin, daß die Gattung, die als Allgemeines für Plato eigenständig existiert und ontologische Bedeutung hat, nach Aristoteles nicht außerhalb ihrer Arten - und diese wiederum nicht außerhalb der Einzelwesen - existieren kann (vgl. Met. Ζ 12, 1038 a5ff.). Das Atomon Eidos hat bei Aristoteles zugleich eine spezifisch ontologische Bedeutung (vgl. Kap. III 4c), wenn es auch in der Definition den letzten Unterschied zu anderen Arten angibt und in diesem Sinne ein Allgemeines ist. Auf welche Weise läßt sich nun die Diskrepanz zwischen Met. Ζ 10-12, wo eine Definierbarkeit und somit eine Allgemeinheit der Ousia nahegelegt wird, und Met. Ζ 13, wo eine Unzusammengesetztheit und ,Undefinierbarkeit' der Ousia vertreten wird, plausibel machen? Kann die Ousia real definiert und erkannt werden? Sie gilt nach Met. Ζ 13 als Nichtzusammengesetztes (1039a7f., vgl. Met. Θ 10, 1051b28)24 und demnach als ein Einfaches (άπλοΰν) 25 und Eines (εν, vgl. Met. Ζ 17), das man entweder intuitiv und dann vollständig und unfehlbar erfaßt26 oder in völliger Unkenntnis bleibt {Met. Θ 10, 1052a2). Bei diesem noetischen Erfassen oder „Berühren" (θιγείν) des Einfachen ist offenbar keine Täuschung möglich (1051b24ff.). Diese einfache Einheit der Ousia, die im wesentlichen auch auf Synhola zutrifft, ist von ontologischer Bedeutung, erlaubt aber für das Begreifen eine Aufgliederung dieser Einheit in einer Definition. Infolgedessen ist die Einheit und Einfachheit der Ousia durchaus mit der notwendigen Komplexität einer Definition vereinbar27 (vgl. Met. Η 6). Daher wird am Ende von Met. Ζ 13 jene These von der Nicht-Definierbarkeit der Ousia wie folgt modifiziert: Auf eine Weise gibt es nur von den Ousiai eine Definition {Met. Ζ 4, 1030a6; Ζ 5, 103 lai 1), auf andere Weise wiederum nicht, wenn man die Ousia nämlich als ein πρώτως öv {Met. Z I ) und als ein Nichtzusammengesetztes und Einfaches {Met. Θ 10) auffaßt. Ein auf erste Weise Seiendes konstituiert erst alles andere derivative Seiende, indem es als dessen ontologische und epistemologische Möglichkeitsbedingung und insofern als dessen

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Zum Eidos als nichtzusammengesetzte Ousia vgl. K. Oehler, Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Piaton und Aristoteles. Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewußtseinsproblems in der Antike (Zetemata 29), München 1962, Hamburg J1985, 183f., 217ff, und H. Seidl, Der Begriff des Intellekts (νους) bei Aristoteles im philosophischen Zusammenhang seiner Hauptschriften (Monographien zur philosophischen Forschung 80), Meisenheim 1971, 182ff. Zur Bestimmung der Ousia als schlechthin Seiendes (άπλώς öv) vgl. Met. Ζ 1, 1028a21. Vgl. De an. III 4,429b4f. - Diese Erkenntnis ist immer wahr (De an. III 6,430a26). Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 263.

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten

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.Semsursache' (αρχή bzw. αίτιον του είναι) fungiert28. Dieses primäre Seiende, das alles übrige Seiende Uberhaupt erst fundiert, kann nicht selbst wiederum aus Konstituentien zusammengesetzt sein, die jenem Ersten dann noch vorausgehen müßten und dessen dreifache Priorität (vgl. Met. Ζ 1) wieder aufhöben. Außerdem ergäbe sich ein unendlicher Regreß der Ursachen. Also muß das primär Seiende - die Ousia als Eine Ursache (μίαν αρχήν, Met. Γ 2, 1003b5f.), zu der alles Übrige Seiende in einer Pros-Hen-Relation steht (vgl. Kap. III) - ein schlechthin Erstes und wesenhaft Einfaches und Eines sein, von dem es keine weitere Ursache geben kann. Diese einfache Ousia kann in ihrem 'Warum' nicht bewiesen (vgl. Met. Ζ 17), sondern muß schlichtweg hingenommen werden29.

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten Nach der Darlegung des Gedankenganges von Met. Ζ 13 mit seinen einzelnen Argumenten sollen im folgenden die wichtigsten Interpretationen dieses Kapitels vorgestellt und diskutiert werden. Es ist nämlich in der Forschung höchst umstritten, wie die Zurückweisung des Allgemeinen als Ousia in Met. Ζ 13 zu bewerten ist, gegen welche Art von Allgemeinheit sich diese Kritik überhaupt richtet, und ob die genuine Lehre von Met. Ζ 13 eine individualistische Lesart des Eidos - d.h. eine Deutung des Eidos als partikuläre oder individuelle Form impliziert. Es lassen sich in diesem Zusammenhang mehrere in der AristotelesForschung vertretene Grundpositionen voneinander abgrenzen: (1) Die an Heidegger orientierte, gegenüber Met. Ζ sehr kritische Interpretation von A. Ermano hält auch für Met. Ζ an der Ontologie von Cat. 5 fest: Weiterhin sei die Ousia kein Allgemeines, sondern ein reales, konkretes Individuum, ein τόδε τι, das zwar unaussagbar bzw. undefinierbar ist {Met. Ζ 10, 1036a5; Ζ 15, 1039b28ff.), aber selbständig für sich existiert30. Demgegenüber wertet Ermano das Wassein ab, da es notwendigerweise ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) voraussetzt, während dieses ohne einen defmitorischen Logos bestehen könne31. Daher sei primäre Ousia (πρώτη ουσία) die individuelle, unabhängige und veränderungsfähige (vgl. Cat. 5,4al0ff.) Existenz32 als τόδε τι. Die eigentliche Ousia-Lehre sei also die Ontologie-Konzeption von Cat. 5, während 28

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Das systematische Problem der Ursache bei Aristoteles, die kein Ursache-Wirkung-Verhältnis meint, sondern dasjenige Erste, ohne welches alles übrige nicht sein kann, wird in Kap. IV 5 erörtert. Vgl. C. Arpe, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 55. Vgl. A. Ermano, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 98. - Er versteht nicht die allgemeine Essenz, das Wassein (τί έστι, 182f.), als den höchsten und wesentlichsten Zug am Substanzbegriff, sondern die Existenz (66), im Anschluß an Heideggers Bestimmung des Wesens des Daseins als Existenz (vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, Halle 1927, 9. Aufl. Tübingen 1960, 42, 212), und bestimmt somit die Ousia im Modus des τόδε τι (183). Ebd., 213. Ebd., 67.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

die entscheidenden Unterschiede der Ontologie von Met. Ζ eine „unglückliche Revision der ursprünglichen Substanzlehre" darstellten33 und das τί ήν είναι als ambivalente, letztlich abstrakte Chimäre zu einer Superessenz hypostasiert werde. Denn das Eidos bzw. τί ήν είναι sei gerade kein τόδε τι, sondern lediglich ein „Solches" (τοιόνδε, Met. Ζ 13, 1039a2) bzw. Allgemeines, dem aber zu Recht in Met. Ζ 13 der Ousia-Charakter abgesprochen werde. Daher sei auch in Met. Ζ πρώτη ουσία das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als unabhängige und unmittelbare Existenz34, die als erste Ursache des Wasseins fungiert. Diese Deutung berücksichtigt allerdings ausschließlich die epistemologische Bedeutung des Eidos bzw. der Essenz; ihre Kritik erfolgt infolgedessen in einer erkenntnistheoretisch verkürzten Perspektive35. Die für die Ousia-Lehre von Met. Ζ zentrale ontologische Bedeutung der Essenz, die darin besteht, daß sie dasjenige ist, was das wesentliche Wassein und wirkliche Sein eines Einzelnen erst konstituiert (vgl. Met. Ζ 4-6) und insofern als 'Ursache' des Seins dieses Einzelnen fungiert (vgl. Met. Ζ 17), wird in dieser Interpretation nicht betrachtet. Zwar kann diese Lesart die Entsubstantialisierungs-These von Met. Ζ 13 stark machen, indem sie gegen eine Allgemeinheit der Ousia argumentiert und weiterhin das bestimmte Einzelwesen - wie in Cat. 5 - für das eigentlich Existierende hält. Dieses wird jedoch in Met. Ζ auf seine Konstitutionsbedingungen hin weiter analysiert, so daß nun eine ontologische Analyse des Synholon vorgenommen wird, in der dem τί ήν είναι konstitutive Funktion zukommt, die in dieser Deutung völlig unberücksichtigt bleibt. (2) Eine prädikative Deutung36 versteht das Eidos als allgemeines Substanzprädikat. Eigentliche Ousia sei - wie in Cat. 5 - die konkrete Einzelsubstanz als Zugrundeliegendes und eigentlich Selbständiges. Dieser Ansatz37 hält also mit einigen Modifikationen an der frühen Ontologie der Kategorienschrift fest und ebenso an der Allgemeinheit des Eidos, trotz der These von Met. Ζ 13. Denn von dieser These sei das Eidos ausgenommen, weil sie nur für das Allgemeine oberhalb der unteilbaren Spezies - d.h. für das Gattungsallgemeine - gelte, während die Spezies allen ihren Mitgliedern gemeinsam sei38, von allen Individuen desselben speziellen Typs, der durch sie exemplifiziert wird, geteilt werde39 und 33 34 35 36 37

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Ebd., 218. Ebd., 280. Ebd., 287. Vgl. hierzu H. Steinfath, op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 55-136. Vgl. W. Leszl, op. cit. [Einleitung, Anm. 25], 359ff., 375; G. E. L. Owen, op. cit. [Einleitung, Anm. 25], 1-21. Vgl. zu dieser Deutung z.B. M. Furth, Transtemporal Stability in Aristotelian Substances, in: Journal of Philosophy 75, 1978, 624-646, hier: 627-632, ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 28-50; vgl. auch ders., Substance, Form and Psyche: An Aristotelian Metaphysics, Cambridge 1988, 4, 12, 38, 279-284. Vgl. D. K. W. Modrak, op. cit. [Einleitung, Anm. 27], 371-381; vgl. dies., op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 205f., 213, 263. - Modrak unterscheidet ein Allgemeines im engen Sinne, das nicht

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten

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in diesem Sinne allgemein sei. Auch Ch. Witt40 hält das Zusammengesetzte wegen seiner schlechthinnigen Selbständigkeit im Sinne ontologischer Eigenständigkeit für die eigentliche Ousia. M. J. Woods differenziert zwischen Allgemeinem und dem allgemein Ausgesagten, so daß dem Allgemeinen mehrere Bedeutungen zukommen: Ein allgemein Prädiziertes - wie das Eidos als Spezies - sei gemäß Met. Ζ 13 nicht Ousia; hingegen könne ein Allgemeines, das nicht von einer Pluralität von Dingen prädiziert wird und somit nicht per defmitionem ein Allgemeines ist - wie das Eidos im Sinne der Form - , durchaus Ousia sein41. Das Eidos erweist sich demnach nicht als Allgemeines im strengen Sinne42. Nach dieser Deutung kommt allen Menschen dasselbe Eidos zu, die sich lediglich in ihren zufälligen, auf ihre jeweilige Materie zurückzuführenden Eigenschaften unterscheiden {Met. Ζ 8, 1034a5ff.), so daß die Materie als principium individuationis oder als Prinzip der Plurifikation43 fungiere. In den neunziger Jahren haben M. Loux und F. Lewis mit diesem Ansatz das Dilemma von Met. Ζ 13 durch zwei verschiedene, einander disjunktiv ausschließende Relationen zu lösen versucht44. Hier werden zwei Prädikationstypen unterschieden: die „Spezies-Prädikation" und die .metaphysische' „Form-MateriePrädikation" (vgl. Met. Ζ 3, 1029a23f.; Η 2, 1043a5f.), wobei letztere von der Hauptthese von Met. Ζ 13 nicht betroffen sei. Denn Formen, die von mehreren Materiestücken als ihren jeweils metaphysischen Subjekten prädiziert werden,

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Ousia ist, von einem Allgemeinen im weiten Sinne, dem eigentlichen Objekt der Definition als Substanztyp. Vgl. Ch. Witt (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 48, 51, 161), die vor allem die Ursächlichkeit der Ousia als Seinsursache des Einzelnen betont (101-104, 143f.) und daher besonders Met. Ζ 17 behandelt. - In dieselbe Richtung geht auch M. L. Gill, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 4,242. Vgl. M. J. Woods, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], 216, 226-229. - Woods' These ist insofern problematisch, als das Allgemeine bei Aristoteles stets im urteilslogischen Kontext erörtert und dementsprechend als das von mehreren Dingen gemeinsam Ausgesagte definiert wird. Zudem sind in der Metaphysik Allgemeines und allgemein Ausgesagtes miteinander konvertibel, wie J. Lesher (op. cit. [Einleitung, Anm. 16], 170) und M. Wedin (op. cit. [Kap. III, Anm. 34], 366, 374) zutreffend feststellen. Denn die These von Met. Ζ 13, kein allgemein Ausgesagtes sei Ousia, findet sich in Met. Η 1 (1042a21) und I 2 (1053bl6f.) mit der Formulierung, daß kein Allgemeines Ousia sei. Daher ist eine Eingrenzung der Entsubstantialisierungs-These auf die höheren Gattungen, wie es auch Woods (220, 225f.) vertritt, nicht möglich, wie D. Bostock (op. cit. [Einleitung, Anm. 19], 189, 198), J. A. Driscoll („ΕΙΔΗ" in Aristotle's Earlier and Later Theories of Substance, in: Studies in Aristotle, hrsg. von D. J. O'Meara (Studies in Philosophy and the History of Philosophy 9), Washington 1981, 129-159, hier: 141ff., ND in: Aristotle. Substance, Form, and Matter, hrsg. von T. Irwin (Classical Philosophy 6), New York/London 1995, 273-304) und T. Irwin (op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 578, η. 41) zu Recht bemerken. Vgl. J. Moreau, L'être et l'essence dans la philosophie d'Aristote, in: Autour d'Aristote. Recueil d'études de philosophie ancienne et médiévale, offert à A. Mansion, Louvain 1955, 181-204, hier: 188, 192, dt. in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969, 2 1979, 222-250; G. Reale (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], I, 56ff). Vgl. A. Schwegler, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 86; M. Loux, op. cit. [Einleitung, Anm. 29], 234f.; B. Hafemann, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], 298. Vgl. M. Loux, op. cit. [Anm. 29], 117-121; F. Lewis, op. cit. [Anm. 29], 151-158,309-321.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

sind nicht deren Ousia, sondern Ousia der zusammengesetzten Einzelnen, von denen sie wiederum nicht prädiziert werden45. Demgegenüber wird bei der Spezies-Prädikation von den konkreten Einzelnen jeweils etwas Allgemeines ausgesagt, weshalb dieses nach Met. Ζ 13 nicht Ousia sein kann. Wie anhand von Met. Ζ 3 gezeigt wurde (vgl. Kap. III 2), handelt es sich hingegen bei jener Prädikation der Form als Ousia von der Materie nicht um eine essentielle Prädikation des Wasseins von einem Zugrundeliegenden, sondern um eine 'uneigentliche' Prädikation (vgl. An. post. I 22, 83alff., 83a24ff.) und systematisch zudem nicht um genuin Aristotelische Ousia-Lehre46, sondern um eine vorübergehend eingenommene, hypothetisch formulierte, materialistische Ousia-Auffassung innerhalb der reductio ad absurdum eines gegnerischen Arguments. Deshalb kann mit der Interpretation einer 'uneigentlichen' Prädikation schwerlich das obengeschilderte Dilemma von Met. Ζ 13 gelöst werden. Es bleibt auch generell diskussionsbedürftig, inwieweit Deutungen analytischer Provenienz den Ousia-Bestimmungen des Aristoteles mit einer Reformulierung in Variablen der genuin Aristotelischen Ousia-Theorie gerecht werden können. Gegenüber dieser prädikativen Deutung des Eidos, die am Ousia-Charakter des Einzeldinges prinzipiell auch in Met. Ζ festhält, versteht I. Düring47 unter der Ousia ausschließlich den Gegenstand wissenschaftlichen Erkennens (vgl. Met. Ζ 10-12) und betont den Anspruch der Ousia auf wissenschaftliche Erfaßbarkeit und Erkenntnis, weshalb sie notwendigerweise allgemein sein müsse. Da das Individuum nicht definierbar sei48 {Met. Ζ 10, 1036a2-5; Ζ 15, 1039b28), würden in Met. Ζ gar nicht die individuellen Ousiai untersucht. Aber als Ousia gilt nicht nur das τί έστι, sondern auch das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι, vgl. Met. Z I ) . Ein Allgemeines wie das τί έστι kann - abgesehen von der These von Met. Ζ 13 - jedoch gerade nicht τόδε τι sein (vgl. An. post. I 31, 87 b3 Iff.)- Daher bleiben Dürings Erläuterungen problematisch, zumal χωριστόν bei Aristoteles nicht ausschließlich 'begrifflich abtrennbar' (τω λόγφ χωριστόν) bedeutet - wie etwa das Eidos im Rahmen einer Definition vom Einzelwesen abstrahiert werden kann - sondern auch das selbständig für sich Existierende, das keines anderen Trägers bedarf (άπλώς χωριστόν, Met. Η 1), was auf das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) zutrifft als das ontologisch und logisch-

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Auf diese Weise kann das Eidos trotz Met. Ζ 13 ein Allgemeines sein, vgl. in diesem Sinne A. Code, op. cit. [Einleitung, Anm. 31], 1986,413; M. Furth, op. cit. [Anm. 38], 192-201. Dies betonen zu Recht M. L. Gill (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 26, 39), W. Charlton (op. cit. [Kap. III, Anm. 87], 1970, 136ff.), M. Schofield (op. cit. [Kap. III, Anm. 73], 97-101) und G. Hughes (Universals as Potential Substances: The Interpretation of Metaphysics Ζ 13, in: M. Burnyeat (Hrsg.), Notes on Book Z, op. cit. [Kap. II, Anm. 22], 107-126, hier: 114). I. Düring, op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 589; und ähnlich D. Κ. W. Modrak (op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 7,31, 85f., 199, 213), die die Ousia bzw. die reale Essenz der jeweiligen Ousia mit dem Logos identifiziert und die konkreten Ousiai als inkorporierte Logoi auffaßt (176). Hierzu tendiert auch A. Preiswerk (op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 104), der das Einzelding als Unerkennbares abwertet.

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grammatisch Zugrundeliegende (ύποκείμενον). Hingegen sind für Aristoteles die Universalien als solche im Unterschied zu Plato unselbständige Seiende. Zudem erschöpft sich in der Angabe von Gattung und Differenz nicht der Bedeutungsgehalt der Essenz (τί ήν είναι). Denn diese bezeichnet nicht nur die Definition, wie Düring τί ήν είναι durchgehend übersetzt49. Der Essenz kommt vielmehr neben dieser epistemologischen Bedeutung auch eine ontologische Bedeutung zu, indem sie das wirkliche Sein und das wesentliche Wassein von etwas ausmacht (vgl. Kap. ΠΙ 3 zu Met. Ζ 4-6). Diese ontologisch konstitutive Funktion der Essenz wird von Düring nicht näher erörtert. (3) Nach einer platonisierenden Lesart ist in Aristoteles' Eidos aufgrund seiner ontologischen Priorität - als positive Weiterführung von Piatos Ideenlehre50 - die Realität des τόδε τι aufgehoben, dessen Sein und Selbständigkeit das Eidos als schlechthin Einfaches begründet. Hiernach erweist sich die Ontologie von Met. Ζ - im Unterschied zur Einzelding-Ontologie von Cat. 5, die völlig negiert wird - als Ontologie der untersten Art51. H. Schmitz versteht diese Eidoslehre in Met. Ζ also nicht nur als Weiterführung, sondern als Radikalisierung der Platonischen Ideenlehre52 und spricht daher auch von der „Ideenlehre des Aristoteles". Dieser Ansatz ist jedoch insofern problematisch, als er - abgesehen von der durchgängigen Ideen-Kritik des Aristoteles - die Kategorienschrift und damit die frühe Ousia-Lehre für unecht hält (vgl. Einleitung, Anm. 37). Schmitz hält das Eidos als Gestalt oder Art-Idee für die Ousia und sieht Met. Ζ 13 als gedankliche Fortsetzung von Met. Ζ 12. Die Lehre von der letzten „vollendeten" Differenz (1038a19, 1038a26) - d.h. die Art-Idee als Ousia - sei als besondere Form der Allgemeinheit gar nicht von der Kritik des Allgemeinen in Met. Ζ 13 betroffen, die sich vielmehr ausschließlich gegen das höhere, unbestimmte Gattungs-Allgemeine richte. Der individuelle Mensch sei hingegen überhaupt nicht von Interesse wegen der Nichtdefinierbarkeit des Einzelnen53 (Met. Ζ 10, Ζ 15). Doch habe Aristoteles die niederste Art als etwas Individuelles ausgezeichnet, und zwar als unteilbares Eidos (ατομον είδος), das alle Bestimmtheit und Selbständigkeit in sich enthält. Dies wird als Einzelfall aufgefaßt, jedoch nicht als numerische, sondern als eidetische Einheit im Sinne einer ganzheitlichen Eigenart, als maximal prägnanter Grundzug der Einzelsubstanz. Dieses Nicht-Allgemeine stehe im Kontrast zum abstrakten Allgemeinen der Gattung, die in Met. Ζ 12 als ,Hyle' der Definition disqualifiziert worden sei54. Diese Deutung klingt angesichts der angeführten Beispiele - Sokrates und Bukephalos - wenig überzeugend, da diese entgegen der von Schmitz bevorzug49 50 51 52 53 54

I. Düring, op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 613,622. Vgl. etwa G. Reale, op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 20f. Vgl. H. Steinfath, op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 50f. H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,2,101) spricht von „exzessivem Piatonismus". Vgl. ebd., 1,1,212f„ 232. Vgl. ebd., 1,1,214, 218,223; 1,2,400f„ 416f., 478, 525, 556.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

ten ontologischen Priorität des Eidos zeigen, daß für Aristoteles stets das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) dasjenige ist, was an sich und eigentlich seiend ist. Im Zusammenhang mit dem Idion-Argument betont Schmitz, daß die ArtIdee, die er mit der „vollendeten" Differenz von Met. Ζ 12 identifiziert, das im Sinne einer „persönlichen Note"55 einem Jeglichen - unter Jeglichem' versteht Schmitz hier jeder Art-Idee' 56 - Eigentümliche sei, das keinem anderen zukommt. Dabei wird jedoch auf stark vereinfachende Weise und unter ausschließlicher Konzentration auf jene Lehre der „vollendeten" Differenz die Mehrdeutigkeit von Eidos und Essenz zu wenig berücksichtigt Außerdem ist trotz der ontologischen Priorität des Eidos nicht plausibel, warum dann das Allgemeine nicht unabhängig vom Einzelnen existieren kann57. Auch H. J. Krämer58 präferiert die Deutung des Eidos als Art-Eidos. Diesem untersten Allgemeinen, dessen ontologische Dignität er in der Akademie bei Xenokrates präfiguriert sieht, kommt ein ontologischer Sonderstatus zu und zählt daher auch nicht zu denjenigen Entitäten, die nach Met. Ζ 13 nicht Ousia sein können. Trotz seiner Allgemeinheit sei das Eidos kein Allgemeines im strengen Sinne, sondern liege als substantielles Allgemeines zwischen den Synhola und den höheren Allgemeinheiten, den Gattungen. Diese Auszeichnung des untersten Allgemeinen faßt Krämer als Kompromißlösung des Aristoteles auf, und zwar zwischen zwei Ontologie-Konzeptionen der Akademie: der Betonung des Einzelnen bei Speusipp einerseits und des untersten Allgemeinen bei Xenokrates andererseits, wobei zugleich im Unterschied zu Plato die höheren Allgemeinheiten in ihrer Bedeutung abgeschwächt werden59. (4) Eine individualistische Lesart, die das Eidos als individuelle, d.h. den Affektionen zugrundeliegende Form versteht, haben erstmals von R. Albritton und W. Seilars vertreten60. Darauf basieren auch die Ansichten von E. D. Harter sowie M. Frede und G. Patzig61. Dieser Forschungsrichtung sind ebenfalls A. C. Lloyd, M. L. Gill, J. Whiting, E. Hartman, R. Heinaman und Ch. Witt62 zuzuordnen; auch T. Irwin spricht von „particular forms"63. Diese Deutung sieht in der 55 56 57

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Ebd., I, 1,214,222,225; 1,2, 554. Ebd., I, 1,221 f. Vgl. W. Mesch, Ontologie und Dialektik bei Aristoteles (Neue Studien zur Philosophie 7), Göttingen 1994, 156. H. J. Krämer, op. cit. [Einleitung, Anm. 38], 121, 177. Ebd., 155. R. Albritton, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 699-708; W. Seilars, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 1957, 698, 691; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 111. E. D. Harter, op. cit. [Einleitung, Anm. 40], 11-19; M. Frede, op. cit. [Einleitung, Anm. 40], 1639; M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,40. A. C. Lloyd, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 3, 7, 23-27; M. L. Gill, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 34f., zu individuellen Essenzen: 3, 143ff., 179; J. Whiting, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 367; E. Hartman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1976, 55 Iff.; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 60-64; R. Heinaman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 64; Ch. Witt, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 177ff. T. Irwin, op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 217ff., 250,259,263f.

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negativen These von Met. Ζ 13 die Entsprechung zu der positiven Aussage, daß Ousia nur das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) ist; und sofern das Eidos als Ousia gelte, das Eidos τόδε τι, also Zugrundeliegendes und somit individuell sei64. Als Individuationsprinzip fungiere nicht die Materie - wie die traditionelle Deutung mit Rekurs auf Met. Ζ 8 behauptet - sondern das Eidos, da die Existenz der Individuen nicht durch die Materie erklärt werden könne. Als Textbelege dafür führen Frede/Patzig in ihrem Kommentar bezeichnenderweise keine Stelle aus Met. Ζ an, sondern vor allem drei Passagen aus drei anderen Büchern der Metaphysik: Δ 8 (1017b24ff.), Η 1 (1042a29) und Λ 3 (1070al Iff.): Die erste Stelle steht in der abschließenden Zusammenfassung der vier Ousia-Bedeutungen von Met. Δ 8 (vgl. Kap. II 3) in zwei Hauptbedeutungen: (1) letztes Zugrundeliegendes und (2) bestimmtes, selbständig für sich existierendes Einzelwesen (τόδε τι και χωριστόν). Dieses wird nochmals näher gefaßt als Gestalt bzw. Eidos des jeweils Einzelnen (μορφή και είδος εκάστου). Die Ousia-Bestimmungen τόδε τι και χωριστόν und μορφή και είδος έκαστου werden verbunden durch τοιούτον („von solcher Art") - was lediglich eine enge Beziehung zwischen beiden Ausdrücken zum Ausdruck bringt - und nicht durch ταΰτα, was τόδε τι und είδος έκαστου unmittelbar gleichsetzen würde65. Eine derartige Identifizierung nehmen vielmehr erst die Interpretationen vor, die damit bei Aristoteles die Theorie einer individuellen Form nachweisen wollen66. Nur die Ousia als Ganzes ist τόδε τι, nicht eigentlich Gestalt und Eidos. Die zweite Belegstelle (Met. Η 1, 1042a29) steht im Rahmen einer Zusammenfassung der Ousia-Lehre von Met. Z: Die Ousia wird als das Zugrundeliegende bestimmt und dieses wiederum auf dreifache Weise untergliedert (vgl. Kap. III 2), nämlich in die Materie, den Logos oder die Gestalt (μορφή) - was (δ) als τόδε τι begrifflich abtrennbar (τω λόγφ χωριστόν) ist - und als drittes in das aus beiden Zusammengesetzte. Auch hier wird die Gestalt - bei Artefakten im Sinne des Eidos zu verstehen - nicht mit dem bestimmten Einzelwesen unmittelbar identifiziert. Vielmehr ist die Gestalt, sofern sie in einem bestimmten Einzelnen realisiert und diesem dann immanent ist, begrifflich - d.h. im Rahmen einer Definition - abtrennbar. Im Hintergrund steht hier wiederum die gegen Plato gerichtete These des Aristoteles, daß das wesentliche Wassein - bei Artefakten die Gestalt - nicht von demjenigen Einzelnen, dessen Wasbestimmtheit es ausmacht, getrennt sein darf, sondern nur begrifflich abtrennbar ist. Diese Immanenz der Gestalt und des Eidos im jeweiligen Einzelnen bedeutet jedoch nicht bereits eine Identifikation mit dem τόδε τι. Denn nur bei rein eidetischen 64

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Vgl. W. Seilars, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 1957, 691; T. Irwin, op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 211; M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 52; E. Hartman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 58; A. C. Lloyd, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1981, 38ff.; Ch. Witt, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 159f. Vgl. A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 132. Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 52.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

Entitäten, die über keinerlei Materialität verfügen, sind das bestimmte Einzelwesen und dessen wesentliches Wassein vollkommen identisch, nicht aber bei Synhola, seien diese nun Artefakte oder Lebewesen (vgl. Met. Ζ 6). Auch in Met. Η 1 findet sich zwar eine enge Bezogenheit der Gestalt auf das Einzelne, dem sie innewohnt, aber keine unmittelbare Gleichsetzung von Gestalt und bestimmtem Einzelwesen67. Die dritte Belegstelle stammt aus Met. Λ 3 und steht im thematischen Kontext einer Aufzählung von drei Ousia-Arten: (1) der Stoff, der aber nur dem Schein nach τόδε τι ist, (2) die Physis, d.h. (καί) das τόδε τι und (3) das aus beiden Zusammengesetzte. An keiner der drei von Frede/Patzig angeführten Stellen werden τόδε τι und Eidos oder Gestalt oder Natur (φύσις) explizit miteinander identifiziert. Auch an dieser Stelle sind φύσις und τόδε τι durch das von Aristoteles meist explikativ gebrauchte 'καί' - im Sinne von 'und zwar' oder 'das heißt' - aufeinander bezogen: Spricht man von der Physis, ist damit notwendig ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) impliziert, dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein mit dem Begriff des Eidos, der Gestalt oder der Natur zum Ausdruck gebracht wird. Im Hinblick auf eine eventuelle Gleichsetzung von φύσις und τόδε τι in Met. Λ 3 ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß der systematische Kontext von Met. Λ gerade auch die rein eidetisch bestimmten, immateriellen Entitäten thematisiert, bei denen jeweils das bestimmte Einzelwesen und dessen Physis tatsächlich und notwendigerweise miteinander identifiziert werden, da es sich bei ihnen nicht um die aus sinnlich-wahrnehmbarer Materie und Eidos zusammengesetzten Synhola handelt68. Deshalb ist es schwierig, ein Problem von Met. Ζ durch einen Textnachweis aus Met. Λ zu lösen69. Außerdem kann eine einzige Textstelle, wenn sie überhaupt zu einer Gleichsetzung von Eidos und Physis berechtigt, schwerlich die ganze Theorie tragen. Somit ist deutlich geworden, daß die von Frede/Patzig für ihre individualistische Deutung angeführten Belegstellen diese textlich nicht explizit stützen. Dennoch entnehmen sie Met. Ζ 13 nicht nur, daß Aristoteles - gegen Plato - die reale und unabhängige Existenz von allgemeinen Arten und Gattungen bestreitet, sondern daß er zusätzlich individuelle Formen annehme. Zwar wird das Eidos in mehrfacher Bedeutung verwendet (vgl. Met. Λ 5, 1071a27ff.)70, da es sowohl eine Art bzw. Spezies bezeichne als auch eine individuelle Form; aber in 67

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Folgt man der Handschrift A b (= Cod. Laur. 87, 12), in der 'ö' gestrichen ist, welches 'μορφή' und 'τόδε τι' aufeinander bezieht, ergeben sich zwei voneinander abgetrennte Aussagen: das Zugrundeliegende ist auf zweite Weise die Gestalt; das τόδε τι aber ist begrifflich abtrennbar. Da dies auch nicht zu systematischen Schwierigkeiten führt, zeigt sich, daß τόδε τι und μορφή nicht gleichgesetzt werden. Das Verhältnis von individuellen Eide und immateriellen Entitäten wird später erörtert. Nach J. Lear (op. cit. [Einleitung, Anm. 48], 275) handelt es sich in Met. Λ ohnehin um eine veränderte Ontologie-Konzeption. Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,48f.

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten

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Met. Ζ 4 und Ζ 6 wird die Essenz als das wesentliche Wassein und das wirkliche Sein eines bestimmten Einzelwesens (τόδε τι) bezeichnet und diese ontologische Bestimmung in Met. Ζ 7 (1032bIf.) mit dem Eidos identifiziert. Dieses wird also einerseits im Sinne der Essenz verwendet, andererseits als ein reines Artprädikat, das als Allgemeines nicht Ousia sein kann. Daß daraus oder weil das Eidos dem Einzelding innewohnt (είδος το ένόν), die Konsequenz gezogen wird, es sei individuell71, ist eine höchst problematische These, die die oben erörterten Textstellen möglicherweise suggieren, aber nicht zwingend stützen. Wenn auch das Eidos bisweilen eng mit dem τόδε τι verbunden ist, ist es schwierig, es schlechthin mit ihm zu identifizieren72. Dann könnte es nämlich nicht mehr Kern einer genuinen Wesensbestimmung sein, da diese Definition nur eidetische Bestimmungen berücksichtigt {Met. Ζ 10), während das konkrete Einzelwesen als solches nicht definierbar und damit Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis ist {Met. Ζ 15, 1039b28ff.). Nur die Ousia als Ganzes ist also τόδε τι, nicht eigentlich Morphe und Eidos73. Denn diese können nicht schlechthin selbständig für sich existieren74 (vgl. Met. Λ 3, 1070al3-26). Man kann das Eidos nur insofern als τόδε τι bezeichnen, als es dasjenige ist, wodurch bzw. aufgranddessen das τόδε τι erst als Zugrundeliegendes fungiert und dasjenige ist, was es wesentlich ist75 (vgl. De an. II 1, 412a8f.). Denn erst das Eidos verleiht dem τόδε τι dessen Bestimmtheit76, begründet somit die Wirklichkeit jedes Einzelnen und ist in diesem Sinne τόδε τι-konstituierend77, also gewissermaßen ,Ursache' des τόδε τι (vgl. Met. Ζ 17, 1041b21ff.)78 als ein

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Vgl. etwa K. Brinkmann, op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 114ff.; oder E. Tugendhat, op. cit. [Einleitung, Anm. 46], 86. Vgl. A. Preiswerk, op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 125,130. Vgl. A. Pronay, op. cit. [Kap. II, Anm. 27], 132; R. Bolton, op. cit. [Kap. III, Anm. 51], 448. Dennoch wurde in der Forschung oft ein zweifacher tode-ti-Begriff des Aristoteles thematisiert. So sprechen H. Chemiss (op. cit. [Einleitung, Anm. 9], 350), G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 339) und M. L. Gill (op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 34) von zwei distinkten Verwendungen des tode ti, (1) für das Einzelindividuum und (2) filr das Eidos. Reale (op. cit. [Kap. II, Anm. 20, III, 234) kennzeichnet mit τόδε τι die wesentliche und formale Bestimmtheit (determinatezza essenziale e formale). - R. Polansky (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 62) betont den zweifachen Begriff des τόδε τι, indem er sowohl die sinnenfällige individuelle Substanz als auch die Form als τόδε τι auffaßt, da dasjenige, was ein solches sinnlich-wahrnehmbares Einzelnes bzw. eine immaterielle Entität konstituiere, selbst τόδε τι sein müsse. - Es ist aber schwierig, das τόδε τι, da es als είδος έκαστου näher gefaßt wird (vgl. Kap. II 3 zu Met. Δ 8, 1017b24ff), als wesentliche, eidetische Bestimmtheit zu verstehen, da so das τόδε τι in seinem Bedeutungsgehalt der Essenz (τί ήν είναι, vgl. Met. Ζ 4-6) zu nahe kommt. Vgl. E. Hartman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 32; M. Loux, op. cit. [Einleitung, Anm. 29], 145; und R. Bolton, op. cit. [Kap. III, Anm. 51], 452. Vgl. A. Preiswerk, op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 106,126,132. Vgl. J. Owens, op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 370,374. Bereits Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 376, 5ff.) versteht das Eidos als Ursache des τόδε τι für dessen Selbständigsein (χωριστόν); vgl. in diesem Sinne auch M. Furth, op. cit. [Anm. 38], 84.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

diesem eigentümliches Prinzip, welches das Einzelne erst zu diesem bestimmten Einzelnen macht79. Ohne das Eidos wäre das Einzelne nur unbestimmte Materie. Neben der trotz der Textbelege weiterhin problematischen Gleichsetzung von Eidos und τόδε τι stützt sich jene Interpretation des Aristotelischen Eidos als individuelle Form vor allem auf das 'Idion-Argument' von Met. Ζ 13 (1038 b9ff.), wonach jeder Mensch ein eigenes, ihm eigentümliches (ϊδιον) und somit individuelles Eidos besitze80. Das Eidos ist also derjenigen Sache eigen, dessen Eidos es ist. In Verbindung mit der These des Aristoteles, Ousia sei τόδε τι, nehmen Frede/Patzig an, daß, wenn das Eidos des Sokrates seine Ousia ist, dann auch dieses dem Sokrates eigen sein müsse und daher von ihm nicht mit anderen Menschen geteilt werden dürfe81. Ob dies die Lehre von Met. Ζ 13 hergibt, ist jedoch fraglich. Wenn eine Individualität der Formen vertreten wird, wie läßt diese sich mit deren Definierbarkeit vereinbaren? Hier unterscheiden Frede/Patzig zwischen (1) dem Eidos im Sinne der individuellen Form und (2) dem Eidos im Sinne der Spezies als allgemeinem Prädikat, vornehmlich rekurrierend auf Met. Λ 5, 1071 a21-29. Zunächst ist es - wie erwähnt - schwierig, Met. Ζ durch Met. Λ zu belegen, da bei den in Met. Λ erörterten immerwährenden Ousiai jeweils Einzelwesen und dessen Essenz völlig identisch sind. Denn es handelt sich bei ihnen um rein eidetische Ousiai, die zwar ebenfalls τόδε τι sind, aber zugleich partikuläre Eide darstellen, da sie über keine Körperlichkeit verfügen. Da in einer Textstelle kaum eine ganze Ousia-Theorie fundiert werden kann82, verweisen Frede/Patzig auf die feste Verankerung beider Eidos-Bedeutungen im damaligen Sprachgebrauch83: Das Eidos als Spezies bezeichnet etwas Allgemeines, das nicht unabhängig von ihren Einzelexemplaren existieren kann, während das Eidos als Form über die Artbestimmtheit hinausgeht und als individuelles, primär Seiendes den konkreten Gegenstand konstituiert. Dem Definitions-Argument, wonach das Defmiens ein allgemeines Eidos sein und zugleich eine Ousia kennzeichnen soll, versuchen Frede/Patzig dadurch zu entgehen, daß das Definierende kein Allgemeines, sondern ein Allgemeingültiges84 sei. Allgemeingültig aber ist - wie die Definition verlangt - dasjenige, was auf jeden Gegenstand derselben Spezies zutrifft, aber nicht derselben 79 80

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Vgl. A. Preiswerk, op. cit. [Anm. 33], 95, 116. Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,48. Ebd., I, 53. Doch gilt diese Stelle bevorzugt als Nachweis individueller Formen. Vgl. R. Albritton, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 700f„ 707; E. Hartman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1976, 552; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 63f.; A. C. Lloyd, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 6; J. Whiting, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 373f.; M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 52; und T. Irwin, op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 253. Aus demselben Grund hält H. Schmitz, der - wie oben skizziert - eine platonisierende Lesart von Met. Ζ vertritt, diese Stelle filr interpoliert und unecht (vgl. op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,2,388ff.). M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Anm. 6], 1,49. Ebd., I, 55.

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten

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Form85. Diese Distinktion von Spezies und Form setzt jedoch bereits die Annahme individueller Formen voraus. Da Frede/Patzig zugunsten einer Individualität der Form - und zwar nicht nur im Sinne numerischer Getrenntheit, sondern auch individueller Bestimmtheit, die über die Artbestimmung hinausreicht - argumentieren, unterscheiden sie beim Eidos zwischen Form und Spezies; diese wird als allgemeines und unselbständiges Prädikat von den individuellen Formen abstrahiert und auf diese Weise erst die Definierbarkeit der Formen ermöglicht86. So logisch konsistent diese individualistische Aristoteles-Deutung zunächst auch scheinen mag, so läßt sich m.E. dennoch aus dem Text nicht entnehmen, daß die Form notwendig etwas Individuelles sei, da sich dann Schwierigkeiten mit der Definitionslehre ergeben87 und die Ousia nach Met. Ζ 12 als Gegenstand der Definition bzw. als Ermöglichungsgrund von deren begrifflicher Einheit gilt (vgl. auch Met. Η 6). (5) In der Forschung wird ebenso die Ansicht vertreten, daß die primäre Ousia bzw. das Eidos weder individuell noch allgemein sei. So hält etwa J. Lear88 das Eidos fur ein Drittes zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, und zwar für τόδε τι. Auch für J. Owens89 ist das Eidos als Basis der Allgemeinheit weder allgemein noch einzeln, sondern als Akt τόδε τι 90 und dieser Differenzierung noch vorgeordnet. Gemäß A. Ferrarin91 ist das Eidos ebenfalls weder singular - da es allgemein definierbar und durch das Eidos das vergängliche Einzelne erst definierbar ist (vgl. Met. Ζ 10, 1036a8) - noch allgemein, weil es aktuelle Ursache eines τόδε τι ist. Das Eidos wäre dieser Deutung zufolge eine Entität zwischen Allgemeinheit und Individualität. Thomas von Aquin hat das Eidos in diesem Zusammenhang als ein Gemeinsames (commune) charakterisiert. Mit dem Gemeinsamen wird allerdings gerade das Allgemeine definiert. Dann kann man das Eidos nicht als ein vom Allgemeinen unterschiedenes Ge85

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A. C. Lloyd (op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 38) differenziert in seiner konzeptualistischen Deutung, die stark an De an. III 3-8 orientiert ist, zwischen einer individuellen Form als dem primär Seienden und deren mentaler Repräsentation in der Seele als dem eigentlichen Gegenstand der Definition. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 56. Auf die Inkompatibilität zwischen Definitionslehre und individuellen Formen wiesen zu Recht hin: W. Mesch, op. cit. [Anm. 64], 159; H. Steinfath, op. cit. [Einleitung, Anm. 18], 289,296f.; W. Detel, op. cit. [Einleitung, Anm. 30], 1998, 216; sowie A. Code, op. cit. [Einleitung, Anm. 31], 1984. Code vertritt die These, daß die Eide als Prinzipien gemeinsam, aber nicht allgemein seien, was aber mit der häufig verwendeten Definition des Allgemeinen als des mehreren Dingen Gemeinsamen (vgl. De int. 7, 17a38ff., Met. Ζ 13, 1038b9-12) nicht zu vereinbaren ist. Vgl. J. Lear, op. cit. [Einleitung, Anm. 68], 273ff. J. Owens, op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 39Iff. Dies teilt J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 385, 390) offenbar mit der individualistischen Deutung, aber nach Owens ist das Eidos τόδε τι, ohne ein Einzelnes zu sein (398), da es Ursache für die Individualität des Einzeldinges ist (399). - Demgegenüber betont A. Preiswerk (op. cit. [Einleitung, Anm. 33], 126), nur das Zusammengesetzte sei τόδε τι. Hier muß man jedoch bedenken, daß dies nur für das sinnliche Einzelwesen gilt; denn die rein eidetisch bestimmten Einzelwesen sind ebenfalls τόδε τι, aber nicht zusammengesetzt. A. Ferrarin, op. cit. [Einleitung, Anm. 50], 178.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

meinsames kennzeichnen, und es ist deshalb problematisch, das Eidos von der Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen in Met. Ζ 13 dadurch auszuschließen, daß es als commune aufgefaßt wird. Außerdem liegt dann die Frage nahe, wie dies logisch möglich sein soll, denn in De interpretatione wird ein disjunktiver Gegensatz zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen92 betont, ohne irgendein 'Zwischenreich' zuzulassen: „von den Dingen sind die einen allgemeine, die anderen hingegen einzelne - als allgemein bezeichne ich das, was seiner Natur nach dazu geeignet ist, von mehreren Dingen prädiziert zu werden, als einzeln hingegen das, was seiner Natur nach hierzu nicht geeignet ist." (De int. 7, 17a38-17b4)

Einige halten bereits diese Disjunktion für unzulänglich93, andere halten das Eidos sowohl für einzeln - weil ihm eine aktive Funktion zukommt - als auch für allgemein, weil es in einer Vielzahl von Individuen existieren muß94. Wie dies mit der obigen Unterscheidung von De int. 7 zu vereinbaren ist und welcher ontologische Status dem Eidos dann zukommen soll, bleibt unklar. Chr. Rapp schlägt eine Unterscheidung des Eidos im Hinblick auf zwei Funktionen vor: (1) Das Eidos individuiert als Subjekt, indem es ein τόδε τι bezeichnet. (2) Das Eidos klassifiziert als allgemeines Prädikat eine Klasse von Individuen, die durch einen sortalen Prädikator beschrieben wird, wobei ein klassifizierender Gebrauch ein vollständig individuiertes Subjekt voraussetzt95. Hier wird also - wie bereits von der individualistischen Interpretation96 - eine Mehrdeutigkeit des Eidos vertreten, so daß die Ablehnung der Ousia als allgemein Ausgesagtes zugleich die weitere Frage impliziert, für welches Eidos die These von Met. Ζ 13 überhaupt gilt und für welches nicht97. Das Eidos steht offenbar zwischen dem als Ousia abgelehnten Allgemeinen und dem undefinierbaren Individuellen98. Gemäß der bereits oben diskutierten, ,uneigentlichen' „metaphysischen Form-Materie-Prädikation" wird das Eidos zwar jeweils von einem Ma92 93

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Vgl. H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 429. Vgl. W. Charlton, Aristotle on Identity, in: Unity, Identity, and Explanation in Aristotle's Metaphysics, hrsg. von D. Charles, Th. Scaltsas und M. L. Gill, Oxford 1994,41-53, hier: 50-53. Vgl. E. Halper, op. cit. [Einleitung, Anm. 58], 244-255. Vgl. Chr. Rapp, op. cit. [Einleitung, Anm. 51], 85, 97. Vgl. hierzu auch O. Höffe, op. cit. [Einleitung, Anm. 51], 168-174. Diese grenzt das individuelle Eidos von der allgemeinen Spezies als Gemeinsamem ab. Vgl. W. Sellers, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 1957, 691-699; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 1967, 107-118; E. Hartman, op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1976, 545-561; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 1977, 64; E. D. Harter, op. cit. [Einleitung, Anm. 39], 11-18. J. Driscoll (op. cit. [Anm. 41], 141ff, 150) bezeichnet das Eidos als πολλαχώς λεγόμενον. Für ihn ist die Form-Ursache bzw. Essenz und das konstitutive Prinzip kein Allgemeines im strengen Sinne, da es nur von der Materie innerhalb des Einzelnen prädiziert werde. Met. Ζ 13 richte sich aber gegen allgemeine Komposita (vgl. Met. Ζ 10, 1035b27ff.), die er mit den Spezies identifiziert (145, 150); ähnlich argumentieren A. Code (op. cit. [Einleitung, Anm. 31], 1984, 18ff ), K. Brinkmann (op. cit. [Einleitung, Anm. 10], 133) und D. K. W. Modrak (op. cit. [Einleitung, Anm. 27], 373). Vgl. hierzu vor allem Chr. Rapp, op. cit. [Einleitung, Anm. 52], 157ff., 186f.

3. Diskussion der wichtigsten Lesarten

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teriestück ausgesagt, das aber aufgrund seiner Unbestimmtheit (vgl. Met. Ζ 11) aber nicht als ein im eigentlichen Sinne Zugrundeliegendes betrachtet werden kann, da es nur dasjenige der Möglichkeit nach ist, was das Eidos der Verwirklichung nach ist {Met. Η 6, 1045bl8f.)99. Deshalb kann hier von dem Eidos als individuierendem Prinzip der Materie gesprochen werden, jedoch nicht - obwohl es mehreren Materiestücken zukommt - von einem allgemein Ausgesagten, sondern nur von einer besonderen Weise der Allgemeinheit. Chr. Rapp verwendet offensichtlich auch zwei unterschiedliche Begriffe des Allgemeinen, indem er zwischen einer Artform und einem allgemeinen Artprädikat differenziert und die Ansicht vertritt, daß erstere von der Kritik in Met. Ζ 13 nicht betroffen ist, da diese nicht gegen alles Allgemeine gerichtet sei, sondern nur gegen eine bestimmte Verwendung des Allgemeinen, und zwar gegen die Gattung und das Artprädikat oder als Idee100. Dies impliziert jedoch noch nicht die Annahme einer individuellen Artform. Diese Artform ist nach Rapp vielmehr weder individuell noch im kritisierten Sinne allgemein. Entsubstantialisiert werde in Met. Ζ 13 das Gattungsallgemeine, da es mehreren selbständigen Bestimmungen zukomme - also mehreren Arten gemeinsam sei (Met. Ζ 12, 1038a5-9) - , aber aufgrund seiner Unselbständigkeit101 nicht neben den einzelnen Eide bestehen könne (vgl. Met. I 8, 1058a2-5). Dies treffe aber auf die Artform nicht zu. Diese sei daher nicht in diesem Sinne als allgemein aufzufassen und die Kritik in Met. Ζ 13 fur sie somit irrelevant. Denn im Gegensatz zum Gattungsallgemeinen und der Idee werde die Artform nicht von mehreren selbständigen Dingen ausgesagt, sondern konstituiere vielmehr als τί ήν είναι und primäre Ousia erst das τόδε τι in seinem Wassein102. Dieser Interpretation kann man jedoch entgegenhalten, daß die Artform dann nicht mehr ein Allgemeines sei, das ja per defmitionem mehreren Dingen gemeinsam sein muß. Dennoch kommt der Artform als individuierendem Prinzip ontologische Bedeutung zu, da sie den konkreten Einzelwesen erst ihre Bestimmtheit verleiht. In epistemologischer Hinsicht ist die Artform - auch wenn sie in jenen ,uneigentlichen' „Materie-Form-Prädikationen"103, in „subjektkonstituierenden Aussagen"104 an der Prädikatstelle steht - insofern allgemein, als sie als solche nicht-partikulär ist105. Es bleibt aber unklar, wie die Artform - da sie für ein bestimmtes Einzelwesen ontologisch fundamental ist - zugleich beanspruchen soll, ein Allgemeines zu sein, das nicht nur „nicht-partikulär" sein muß, um Gegenstand einer genuinen Realdefinition sein zu können, sondern ge" 100 101 102 103

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Ebd., 181ff. Ebd., 164; vgl. ders., Aristoteles zur Einführung, Hamburg 2001, 168. Ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 52], 184. Ders., Aristoteles zur Einführung, Hamburg 2001,169. Auf die Schwierigkeiten, die Ousia-Lehre von Met. Ζ 13 durch diese nicht genuin Aristotelische Prädikationsweise zu erklaren, wurde bereits bei der „relationalen Lösung" hingewiesen. Chr. Rapp, op. cit. [Einleitung, Anm. 52], 180. Ebd., 172ff.

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IV. Die L ö s u n g des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

rade in dieser von mehreren Dingen aussagbar sein muß, damit der Wesensbestimmung Notwendigkeit, Allgemeinheit und Unveränderlichkeit - die Kriterien für wissenschaftliche Erkenntnis - zukommen kann. Was das Idion-Argument betrifft, so impliziert dies nach Rapp nicht die Individualität der Form, da der Begriff der Eigentümlichen (ίδιον) - und damit letztlich Met. Ζ 13 - auf eine Differenzierung zwischen dem Selbständigen mit vollständiger Bestimmung (τόδε τι) und dem Unselbständigen mit einer unvollständigen Bestimmung (γένος) abziele106. Wenn Rapp das 'ίδιον auf das Selbständige, d.h. auf das vollständig bestimmte τόδε τι bezieht, im Gegensatz zur unselbständigen Gattung, bleibt unklar, weshalb er die Idion-Forderung von Met. Ζ 13 als ein AllgemeingUltiges auffaßt, wonach jede Instanz der Artform 'Mensch' ein Mensch (τόδε τι) ist, was nicht bedeutet, daß jeder einzelne Mensch aufgrund seiner materiellen Beschaffenheiten dem anderen genau gleicht. Wenn die Eigentümlichkeit des τόδε τι allgemeingültig sein soll, dürfte sie sich nicht mehr lediglich auf ein bestimmtes Einzelwesen beziehen. Dies wird jedoch in Met. Ζ 13 gerade im Zusammenhang mit der Entsubstantialisierung der Universalien behauptet; das Eigentümliche (ϊδιον) ist eng mit der Essenz (τί ήν είναι) des Einzelnen verbunden, die dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein ausmacht und daher ausschließlich ihm eigentümlich (ϊδιον) sein muß107. Die Artform, die das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) kennzeichnet, ist nach Rapp - wie oben erwähnt - weder individuell noch allgemein108. Während also Schmitz zwischen der Art-Idee und dem Gattungsallgemeinen unterschieden hat, differenziert Rapp zwischen Artform (τί ήν είναι), Artidee (είδος) und Gattung (γένος). Daß die Artform als subjektkonstituierendes Prinzip - d.h. als primäre Ousia - selbst allgemein ausgesagt wird und damit von der Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen in Met. Ζ 13 betroffen sei, ist für Rapp nicht abwegig, sondern angemessen. Dennoch ist diese Interpretation mit der Defmitionslehre von Met. Ζ 12 schwer zu vereinbaren, wo sich die letzte Differenz als Ousia und eidosbildend erweist und diese erst die begriffliche Einheit der Definition gewährleistet. Auf die Schwierigkeit, das Eidos selbst als τόδε τι zu bezeichnen, wurde bereits im Zusammenhang mit der individualistischen Deutung eingegangen. Eine Änderung des tode-ti-Begriffs, die Rapp in der Metaphysik feststellt, die das Eidos als τόδε τι bezeichnet, gegenüber der Kategorienschrift, die das konkrete Einzelwesen als τόδε τι auffaßt109, trifft m.E. nicht zu und wäre auch 106 107

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Ebd., 183ff. Zur Kennzeichnung der Essenz als ϊδιον im Hinblick auf das Wassein vgl. auch An. post. II 6, 92a6ff, sowie Kap. I, Anm. 10. Chr. Rapp, op. cit. [Einleitung, Anm. 52], 175. Ebd., 174f. - In der Einleitung (op. cit. [Kap. II, Anm. 68], 9) unterscheidet Rapp sogar drei tode-ti-Bestimmungen: (1) das konkrete Individuum im Unterschied zum Allgemeinen, (2) das substantial Subjekt, (3) die Form (είδος) in der Metaphysik.

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nicht notwendig, da - abgesehen von Abgrenzungsproblemen dieses „neuen" tode-ti-Begriffs gegenüber der Essenz - fìir Aristoteles in Met. Ζ weiterhin das bestimmte Einzelwesen primäre Ousia ist, das nun näher differenziert und auf das es ontologisch konstituierende τί ήν είναι spezifiziert wird. Zudem kann das Eidos als ,neues' τόδε τι in der Metaphysik nicht zugleich ebenso im Hinblick auf Met. Ζ 13 eine besondere Weise des Allgemeinen sein. Denn das Allgemeine ist - so sagt Aristoteles ausdrücklich in Met. Ζ 13 - kein τόδε τι, sondern ein „Solches" (τοιόνδε) und kann als solches deshalb nicht Ousia sein. Die Deutung des Eidos als τόδε τι, das als Nichtpartikuläres und somit Definierbares jenseits der Unterscheidung von Individuellem und Allgemeinem liegt, ist auch mit der einander ausschließenden Einteilung der Dinge in (1) Einzelne und (2) Allgemeine (vgl. De int. 7, 17a38ff.), die in Met. Ζ 13 (1038bl lf.) in der Definition des Allgemeinen als des mehreren Dingen Gemeinsamen aufgegriffen wird, unvereinbar110. Wie kann ein τόδε τι, wenn es weder einzeln noch allgemein ist, noch selbständig für sich existieren (χωριστό v, Met. H l ) , was aber ein Ousia-Kriterium darstellt? Schlechthin unabhängig von einem anderen Träger und somit an sich kann nur das bestimmte Einzelwesen sein und nicht das Eidos als solches, da es stets vielmehr einem Einzelnen wesentlich innewohnen muß (είδος τό ένόν)111. Begrifflich abtrennbar (τω λόγω χωριστόν) - im Rahmen einer Realdefinition - ist das Eidos allerdings durchaus; dann aber muß es als wesentlicher definitorischer Kern notwendigerweise ein Allgemeines sein, während die sinnlich-wahrnehmbaren Entitäten als solche nicht definierbar sind (Met. Ζ 15, 1039b28). (6) Ähnlich wie Rapp verortet auch L. Spellman das mit der Essenz identifizierte Eidos (Met. Ζ 7, 1032blf.) in einem Bereich zwischen Allgemeinheit und Individualität, indem sie das τί ήν είναι als Speziesexemplar einer natürlichen Art („specimen of a natural kind") versteht. Anders als Rapp, der eher die Allgemeinheit der Eide verteidigt, bevorzugt L. Spellman eine Individualität der Eide bzw. der Essenzen, und zwar als Speziesexemplare, wobei sie das Eidos - wie die oben diskutierte radikal individualistische Interpretation - als τόδε τι auffaßt112. Ein Speziesexemplar ist zwar mit seinem Träger, dem konkreten, auf über Akzidentien verfügenden Einzelwesen numerisch dasselbe, aber nicht inhaltlich mit ihm identisch113. Vielmehr wird auf diese Weise eine besondere Form der Abtrennbarkeit der Essenz gewährleistet, die zur Annahme eines „specimen of a natural kind" im Sinne einer reinen Artform führt, die in dem sinn110

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Dasselbe gilt für diejenigen zuvor erörterten Deutungen, welche das Eidos im Sinne des untersten Allgemeinen als Zwischenglied ansehen zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen oder als dieser Unterscheidung vorgeordnet, wie etwa J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 389ff.) und unter Berücksichtigung platonisch-akademischer Konzeptionen als partielle Präfigurationen der Aristotelischen Eidoslehre H. J. Krämer (op. cit. [Einleitung, Anm. 38], 119ff). Vgl. Chr. Rapp, op. cit. [Kap. III, Anm. 9], 22. L. Spellman, op. cit. [Einleitung, Anm. 53], 97. Ebd., 48.

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

lich-wahrnehmbaren Synholon impliziert ist. So ist die Essenz (τί ήν είναι) als Speziesexemplar - des Sokrates in diesem enthalten, unterscheidet sich aber dennoch von ihm, sofern sie als ein reines Abstraktum wesentlicher und unveränderlicher Eigenschaften wissenschaftliche Erkenntnis ermöglicht, die nur auf Notwendiges und Unveränderliches geht. Zugleich ist die als Spezies-Exemplar aufgefaßte Essenz wesentliches Kennzeichen des jeweiligen Einzelnen. Demgegenüber kann Sokrates als ein auch stofflich bestimmter Träger ebenso durch zahlreiche akzidentelle Bestimmungen charakterisiert werden und sich auf diese Weise ständig verändern114. Die Annahme eines im Einzelwesen enthaltenen und von allen Akzidenzien abstrahierenden „specimen" scheint aufgrund der Unterscheidung von Synhola und nichtstofflichen, rein eidetisch bestimmten Einzelwesen plausibel. Diese „specimens" sind aufgrund ihrer Notwendigkeit und Unveränderlichkeit Gegenstand der Wissenschaft und erweisen sich auf eingeschränkte Weise als individuelle Formen115, sofern sie das Wassein eines bestimmten Einzelwesens ausmachen und von diesem rein äußerlich nicht unterscheidbar sind, wenngleich jeder Mensch ein gleiches „specimen" besitze. Diese Zweideutigkeit sucht Spellman dadurch aufzulösen, daß sie den ontologischen Status der Essenz offenläßt, die philosophische Erkenntnis ermöglicht: Das Speziesexemplar sei zwar kein im strengen Sinne Allgemeines; aber indem es dessen epistemische Qualitäten besäße, „imitiere" es das Allgemeine116. Nach Spellman bleibt die Definierbarkeit der numerisch unterschiedenen Speziesexemplare einer Spezies zwar gewährleistet, da diese inhaltlich identisch sind, aber dann würden sich die einzelnen menschlichen Seelen inhaltlich nicht voneinander unterscheiden. Unberücksichtigt bleibt auch die vom Eidos unabhängige Ousia-Bestimmung des τόδε τι und das Idion-Argument von Met. Ζ 13; sie analysiert hingegen - anders als Rapp und Frede/Patzig - den χωριστόν-Begriff ausführlich, und zwar sowohl im Hinblick auf Aristoteles' Kritik an den Ideen, die angeblich von ihren Instantiierungen getrennt seien, als auch im Sinne der Getrenntheit als unabhängige Existenz (άπλώς χωριστόν) bzw. einer begrifflichen Abstraktion im Rahmen einer Definition (τω λόγφ χωριστόν).

4. Die Lösung des Problems durch

Hinsichtenunterscheidung

Die vorliegende Untersuchung beabsichtigt, die divergierenden, scheinbar nicht miteinander zu vereinbarenden, inkompatiblen Aussagen - nämlich daß das Eidos sowohl als primäre Ousia gilt (Met. Ζ 7; Ζ 11) als auch ein Allgemeines ist (Met. Ζ 10-12), dem keinerlei Ousia-Charakter zukommen soll (Met. Ζ 13) - theoretisch konsistent zu machen. Ein Lösungsweg bietet sich dadurch an, 114 115 116

Ebd., 50. Ebd., 4, 82. Ebd., 51, 55.

4. Die Lösung des Problems durch Hinsichtenunterscheidung

165

daß man die von Aristoteles in Met. Ζ unterschiedenen Ousia-Bedeutungen aufgreift und als ,Kandidaten' für dasjenige, was Ousia, vor allem erste Ousia sein kann, zueinander in Beziehung setzt: besonders das Eidos, das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) und die Essenz (τό τί ην είναι). So läßt sich möglicherweise durch die Rekonstruktion bestimmter Verhältnisse und Kontexte dieser Bestimmungen eine konsistente Theorie als Aristotelisch erkennen, in der sowohl gilt: „Das Eidos ist erste Ousia" als auch „Das Eidos ist Allgemeines." Um die zuvor im einzelnen dargelegten Widersprüche innerhalb der OusiaTheorie von Met. Ζ - vor allem im Hinblick auf die These von Met. Ζ 13 - zu vermeiden, wird im folgenden ein genuin Aristotelisches Verfahren angewandt: die Hinsichtenunterscheidung, die mit Hilfe der Essenz (τί ήν είναι), eines ontologischen Zentralterminus (vgl. Kap. II 2d) vorgenommen wird. Dieses Verfahren findet sich bei Aristoteles vor allem in den verschiedenen Formulierungen des Satzes vom zu vermeidenden Widerspruch (vgl. Met. Γ 3, 1005 bl7f.; Γ 4, 1007al0ff., 1007al6ff.). Mit dieser Hinsichtenunterscheidung hat Aristoteles in der Metaphysik einen sonst unauflösbaren Widerspruch vermieden. Dieses Verfahren läßt sich auch im Hinblick auf das Dilemma von Met. Ζ 13 durchführen: Je nach Zusammenhang ist das Eidos (1) entweder primäre Ousia eines Einzelwesens, und zwar sofern es dessen Essenz (τί ήν είναι) ausmacht, (2) oder ein Allgemeines, dann kann es nicht Ousia sein, wie Aristoteles in seiner Polemik gegen Piatos Ideenlehre in Met. Ζ 13-16 darlegt. Gibt es hierbei einen „Chorismos" zwischen dem Eidos als Ousia des jeweiligen Einzeldings und dem Eidos als einem notwendigerweise Allgemeinen im defmitorischen Kontext? Das Einzelwesen ist in seinem wesentlichen Wassein und wirklichen Sein durch das Eidos konstituiert, sofern es als Essenz dessen spezifische individuierende Bestimmtheiten ausmacht. Inwiefern kann nun dieses einerseits das individuierende Prinzip und andererseits ein Allgemeines sein? Um dieses Problem zu lösen, muß man zwischen einer ontologischen und einer definitorischen Bedeutung der Essenz, mit der das Eidos identifiziert wurde {Met. Ζ 7, 1032bIf.), differenzieren117: (1) In seiner ontologischen Bedeutung ist das Eidos, sofern es als Essenz eines Einzelwesens aufgefaßt wird, dessen Ousia und fungiert somit individualitätskonstituierend. Denn als Ousia von etwas erweist sich die Essenz als dasjenige, wodurch das τόδε τι erst seine eidetische Bestimmtheit erhält, das nur aufgrund dieser als Ousia existiert. Als Essenz des jeweiligen Einzelnen ist das Eidos zugleich auch dessen ihm notwendigerweise innewohnendes, die noch un-

117

Vgl. hierzu K. Düsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 69f.

166

IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

bestimmte und erst zu bestimmende Materie erst formendes und prägendes und daher aktiv tätiges Prinzip118. Dieses überführt die Materie aus ihrer Potentialität in die Wirklichkeit119. Als eine solche immanent wirkende Kraft120 konstituiert das Eidos erst die ursprüngliche Einheit eines Einzelwesens. Als Ousia bzw. als Essenz erweist sich das Eidos somit als einheitsstiftend und auf diese Weise als individualitätskonstituierend. Es begründet also die Existenz und die wesentliche Seinsweise des jeweiligen Einzelwesens121. Hier wird eine Weiterentwicklung der Ontologie gegenüber der Lehre von Cat. 5 deutlich, wo noch offenblieb, worin sich zwei Individuen unterscheiden, und auf welche Weise etwas überhaupt erst zum τόδε τι wird, ob durch die Materie - z.B. durch Fleisch, Haut und Knochen (vgl. Met. Ζ 8) - oder durch das Eidos. Als Beispiel für das Eidos führt Aristoteles in De anima (II 1,412al 1-22; II 4, 415b8ff.) und in der Metaphysik (vgl. Kap. IV 5 zu Met. Ζ 17) häufig die menschliche Seele an: Sie fungiert als Eidos bzw. als Essenz des Körpers als das diesen belebende und formende Prinzip und kann in diesem Sinne nicht allgemein sein. Doch ist es nicht schon als solches individuelle Form und das Prinzip der Individuation122. Denn ob es auch für sich - also getrennt vom Körper - individuell existierende Seelen gibt, läßt Aristoteles völlig offen. Dem Eidos als solchen kommt nach Aristoteles - anders als bei Plato - kein Ousia-Charakter zu. Denn es existiert nicht selbständig, ontologisch unabhängig für sich, sondern nur als ein dem jeweiligen Einzelnen wesenhaft Immanentes (είδος το ένόν), als ein Individualgebundenes123. Daher ist das Eidos nur dann und nur insofern Ousia, als es die Essenz des jeweiligen, ihm zugehörigen Einzelnen ausmacht. (2) In einer logisch-begrifflichen Bedeutung - im Rahmen einer Realdefinition - ist das Eidos ein Allgemeines, das sich auf Besonderes und Einzelnes be118 119 120 121 122

123

Vgl. W. Marx, op. cit. [Kap. II, Anm. 19], 46. Zum Eidos als Energeia vgl. Met. H 2,1043a20, und Θ 8, 1050b2. Vgl. M.-Th. Liske, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 244,248,325. Ebd., 64, 81 f., 240. Zum Eidos als Individuationsprinzip vgl. M. Frede/Q. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 40, 46ff.; Ch. Witt, op. cit. [Einleitung, Anm. 24], 175ff.; J. Owens, op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 399 (das Eidos als Ursache für die Individualität des Einzelnen); M. J. Woods, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], 237; G. Rodier, Remarques sur la conception aristotélicienne de la substance, in: Année philosophique 20, 1909, 1-20, hier: 10f.; M. Furth, op. cit. [Anm. 38], 641ff.; neuerdings auch A. Ferrarin (op. cit. [Einleitung, Anm. 50], 109), D. K. W. Modrak, op. cit. [Einleitung, Anm. 34], 208; B. Hafemann, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], 225; und W. Charlton (Aristotle and the Principle of Individuation, in: Phronesis 17, 1972, 239-249). - Zur traditionellen Deutung der Materie als Individuationsprinzip vgl. H. J. Krämer, op. cit. [Einleitung, Anm. 38], 119; J. Lear, op. cit. [Einleitung, Anm. 48], 316ff. - M.-Th. Liske (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 369) faßt das Eidos als aktive Tätigkeit (239, 367), als dynamisches Prinzip des Formens auf (236ff., 248ff.); auch F. Lewis (op. cit. [Anm. 29], 160-163) betont die aktive Funktion des Eidos im Zusammengesetzten, ohne damit eine Theorie individueller Formen zu begründen. Differenzierter ist die Deutung von A. C. Lloyd (Aristotle's Principle of Individuation, in: Mind 79, 1970, 519-529, hier: 519), der die Form als Prinzip der Einheit, die Materie als Prinzip der Individuation versteht, der aber notwendig die Form zugrundeliege. Vgl. M.-Th. Liske, op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 322,325.

4. Die Lösung des Problems durch Hinsichtenunterscheidung

167

zieht; urteilslogisch betrachtet handelt es sich um ein Prädikat (κατηγορούμε vov), das nicht ontologisch eigenständig zu existieren vermag, sondern nur als Bestimmung eines ihm Zugrundeliegenden, und zwar eines Einzelwesens, von dem es ausgesagt wird. Das Eidos ist also nicht selbst ein Zugrundeliegendes und ein selbständig Existierendes. Im definitorischen Kontext bleibt das Eidos somit ein Allgemeines (vgl. Cat. 5), das mehreren Einzelwesen als Gemeinsames zukommt und infolgedessen nach Met. Ζ 13 nicht Ousia sein kann. Das Eidos, das sich innerhalb der Definition als der letzte, und zwar der artbildende Unterschied erweist (vgl. Met. Ζ 12) - wobei allgemeinere Unterschiede, die in diesem analytisch enthalten sind, nicht notwendig angegeben werden müssen - ist ontologisch die eidetisch bestimmte Essenz eines Einzelwesens und somit dessen primäre Ousia, aber nur, sofern es den Bedeutungsgehalt der Essenz (τί ήν είναι) darstellt als das Einheitstiftende und Gestaltgebende eines Einzelwesens. Denn die Essenz bringt - wie Met. Ζ 4 im einzelnen zeigte - die wesentliche Bestimmung eines Einzelwesens zustande, ist demnach dessen primäre Ousia {Met. Ζ 7, 1032blf.; Ζ 11, 1037a28f„ 1037blf.) und als solche offenbar individualitätskonstituierend. Dies ist das Eidos. Sonst wäre das Einzelne völlig unbestimmt und letztlich formlose und einheitslose Materie, die für sich genommen nichts Wirkliches darstellt, sondern lediglich bloße ontologische Möglichkeit ist {Met. Ζ 7, 1032a20). Das Eidos jedoch gestaltet und prägt dieses Bestimmbare, konstituiert auf diese Weise erst ein wirkliches bestimmtes Einzelwesen und macht somit dessen Bestimmtheit aus, welches es in aktiver Tätigkeit verwirklicht. Hierbei fungiert es als ein dem Einzelnen immanentes Prinzip (είδος tò ένόν). Entscheidend ist, daß nicht das Eidos als solches Ousia ist, sondern nur, sofern es die Essenz des jeweiligen Einzelnen ist und dessen Ousia ausmacht. Nur dann ist das Eidos individualitätskonstituierend. Dies hindert nicht, daß das Eidos in einer anderen Hinsicht - nämlich in definitorischen Zusammenhängen - ein begriffslogisches Allgemeines ist und dann nicht als Ousia gilt. Das Eidos bleibt dann - für sich betrachtet, als Art (.species) z.B. Pferd, Hund - ein Allgemeines. Während des Abstraktionsprozesses im Rahmen einer Dihairesis oder im Rahmen einer Realdefinition fungiert das Eidos also nicht individualitätskonstituierend, weil im Unterschied zu Plato nach Aristoteles kein Allgemeines Ousia sein kann. Durch diese Hinsichtenunterscheidung wird ein Widerspruch vermieden und kann die beiden Forderungen, die an das Eidos gerichtet sind, miteinander vereinbaren: nämlich (1) die Ousia eines bestimmten Einzelwesens zu sein und (2) den wesentlichen eidetischen Bedeutungsgehalt einer Realdefinition auszumachen. Zudem wird dadurch verständlich, warum sich Aristoteles überhaupt veranlaßt sah, den Terminus des τί ήν είναι neben demjenigen des ausschließlich allgemein aufgefaßten Eidos zu verwenden. Entscheidend für eine Definition ist der letzte Unterschied, der das Eidos als Essenz des Einzelwesens erfaßt. Dieser Unterschied macht als dasjenige Eidos, welches die Definition angibt, auch die

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

Essenz des Definiendum aus, d.h. die Ousia des existierenden Einzelwesens. Gleichwohl ist in ontologischer Bedeutung das Eidos als Essenz mit dem konkreten Einzelwesen nicht schlechthin identisch, und zwar dann, wenn dieses auch stofflich bestimmt ist (vgl. Met. Ζ 6). Bei rein eidetisch bestimmten Einzelwesen hingegen ist das Eidos als Essenz mit ihnen jeweils identisch, aber auch in diesem Fall ist das Eidos nicht selbst individuell und als solches individuelle Form124. Es ist vielmehr als Essenz für dieses bestimmte Einzelwesen das ontologisch Konstituierende. Damit hält Aristoteles trotz diesen Plato scheinbar nahestehenden Erörterungen an seiner Überzeugung fest, daß eigentlich nur das Einzelwesen existiert, und daß dessen Eidos, sofern es als Essenz das wirkliche Sein und wesentliche Wassein des jeweiligen Einzelwesens ausmacht, daher auch dessen πρώτη ούσία ist. Eine Lesart, welche die Essenz als individuelle Seele eines jeden Einzelwesens versteht, wird nur angedeutet {Met. Ζ 10, 1035bl4ff.); eine individuelle Unsterblichkeit der Seele hat Aristoteles in De anima nicht definitiv gelehrt. Individuelle Eide gibt es nur von stofflosen, rein eidetisch bestimmten Entitäten (vgl. Kap. V zu Met. Λ). Ob Aristoteles ausschließlich die Materie dafür verantwortlich macht, daß sich die einzelnen menschlichen Individuen voneinander unterscheiden (Met. Ζ 8), muß offenbleiben125.

5. Die Ousia als, Ursache ' (Met. Ζ17) Nachdem in Met. Ζ 13 in verschiedenen Argumentationen gezeigt wurde, daß kein Allgemeines bzw. kein allgemein Ausgesagtes als solches Ousia sein kann, und diese These durch eine Hinsichtenunterscheidung - in ontologischer Hinsicht und in begrifflich-definitorischer Hinsicht - mit Hilfe des ontologischen Zentralbegriffs der Essenz mit den bisherigen Erörterungen von Met. Ζ in Einklang gebracht wurde, wird in Met. Ζ 14 die Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen {Met. Ζ 13) explizit auf Piatos Ideen bezogen und vertieft. In Met. Ζ 15 wird erneut das Problem von Allgemeinheit und Individualität aufgeworfen und hervorgehoben, daß kein sinnlich-wahrnehmbares Einzelwesen als solches definierbar (1039b28, 1040a7) und somit wissenschaftlicher Erkenntnis zugänglich ist, sondern vielmehr nur dessen eidetischer Bedeutungsgehalt, der im Rahmen einer Definition im Eidos angegeben wird. Um als Ousia zu gelten, muß die jeweilige Entität neben der Definierbarkeit auch über ontologische Eigenständigkeit verfügen, d.h., sie muß ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) 124

125

Vgl. M. Frede/G. Patzig, op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 48-57; T. Irwin, op. cit. [Einleitung, Anm. 43], 250ff., 263ff. J. Whiting (op. cit. [Einleitung, Anm. 42], 372) spricht in diesem Zusammenhang zu Recht auch nicht von dem Individuationsprinzip; vielmehr sei sowohl die Materie als auch die Form - auf je verschiedene Weise - ein Prinzip der Individuation.

5. Die Ousia als .Ursache' {Met. Ζ 17)

169

sein und selbständig, d.h. unabhängig von einem anderen Träger für sich existieren können (χωριστόν). Diese Bedingungen erfüllen jedoch die Teile der Lebewesen und die einfachen Körper (άπλα σώματα), d.h. die Elemente, die jeweils in Met. Δ 8 und Ζ 2 in den Auflistungen möglicher Ousiai genannt werden, nicht und werden daher nach Met. Ζ 16 nicht mehr zu den Ousiai gerechnet (1040 b6ff.): Die Elemente sind zwar Zugrundeliegende - nämlich für die komplexen, bereits geformten Körper als deren Grundbestandteile - und sind daher auch früher als diese und fungieren als deren letzte Substrate. Sie sind aber weder ein bestimmtes Dieses (τόδε τι) noch existieren sie selbständig für sich oder sind begrifflich in einer Realdefmition abtrennbar (χωριστόv, vgl. Met. Ζ 3, Η 1). Sie gelten daher allenfalls als Ousiai der Möglichkeit nach (δυνάμει). Die Teile der Lebewesen können nicht Ousiai sein, weil gemäß Met. Ζ 13 Ousiai nicht wiederum aus weiteren Ousiai zusammengesetzt sein dürfen (1038b23ff.), da sie dann nicht mehr primär Seiende wären, wenn ihnen ihrerseits etwas zugrundeliegen würde und ontologisch vorgeordnet wäre. Am Ende von Met. Ζ 16 (1040 b23-1041a3ff.) steht nochmals eine Zusammenfassung der zentralen OusiaBestimmungen von Met. Ζ 13: (1) (2) (3)

Kein Allgemeines existiert neben den Einzelnen selbständig für sich. Kein Allgemeines oder Gemeinsames bzw. allgemein Ausgesagtes kann Ousia sein. Keine Ousia kann wiederum aus Ousiai zusammengesetzt sein.

Damit haben sich in den Untersuchungen von Met. Ζ folgende Kennzeichen der Ousia ergeben: Sie ist Zugrundeliegendes (vgl. Cat. 5; Met. Δ 8), aber nicht im Sinne einer ersten, völlig unbestimmten Materie (vgl. Met. Ζ 3), sondern als ein der Zahl nach eines, unteilbares, bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι). In weiteren Erörterungen zeigt sich, daß das τόδε τι seine spezifische Bestimmtheit erst durch seine Essenz (τί ήν είναι) erhält, ohne welche lediglich bloße Materie zurückbliebe. Ousia bleibt die ontologische Bestimmung eines Einzelnen, auch wenn dessen Essenz im Eidos besteht, welches das Einzelwesen erst verwirklicht und dasjenige ist, wodurch dieses erst ist, was es wesentlich ist. Sofern die Essenz das wirkliche Sein und das wesentliche Wassein des jeweiligen Einzelnen erst ontologisch konstituiert, kann sie auch als immanentes Prinzip oder als Seinsursache eines Zugrundeliegenden (αίτιον του είναι, vgl. Met. Δ 8, 1017bl5; Ζ 17, 1041b28; Η 2, 1043a2; Η 3, 1043bl3) aufgefaßt werden. Wie Plato die Idee als αιτία (vgl. Phaid. 100c-d, 101c) - nämlich als konstituierenden Grund oder Möglichkeitsbedingung für die Gestalt und Beschaffenheit der Dinge - bestimmt, so versteht auch Aristoteles die Charakterisierung der Ousia als .Ursache' (άρχή, αιτία) nicht im Sinne einer kausal-mechanisch aufgefaßten Ursache-Wirkung-Relation. Mit dem Begriff .Seinsursache' (αίτιον τοΰ είναι) ist vielmehr der Sein und Wirklichkeit konstituierende Ermöglichungs-

170

IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

grund gemeint, die ontologische Möglichkeitsbedingung des jeweils Zugrundeliegenden126. Aufgrund dieser konstitutiven Bedeutung des Eidos als Essenz des Einzelwesens kann man hier auch von dessen ontologischem αίτιον sprechen {Met. Ζ 17, 1041a9f.; vgl. Η 3, 1043M3; An. post. II 2, 90al4) oder von dessen erster Seinsursache127 (vgl. Met. A 3, 983a24-29). Dieser eigentümliche Ursächlichkeitsbegriff des Aristoteles soll nun im Zusammenhang mit der Lehre von Met. Ζ 17 näher betrachtet werden. Systematisch gehört die Vier-Ursachen-Lehre in die Untersuchungen der Physik (vgl. Phys. II 3, 194b23-195b21). Auf diese verweist Aristoteles in Met. A 3 (983 a33f.) ausdrücklich; angesichts der ontologischen Bedeutung des Eidos bzw. der Essenz als Ousia und somit als die dem Einzelnen immanente Seinsursache wird nur implizit auf diese Lehre verwiesen, die nicht eindeutig in die Ontologie integriert ist sich vornehmlich auf das bewegte Seiende bezieht. Sie erweist sich deswegen für die Ousia-Bestimmung als erklärungsbedürftig, weil dann die Ousia die Ursache bereits voraussetzen und diese so zum 'Superbegriff erhoben würde, so wie in Piatos Philebos als oberster Begriff die αιτία noch über πέρας und άπειρον steht; die Ousia wäre damit lediglich die Wirkimg dieser Ursache. Ursächlichkeit von etwas setzt aber gerade die Ousia voraus. Denn nur dann können sich auch Kausalitätsbedingungen ergeben. Zudem ist die Ursache keine Kategorie, geschweige denn die oberste128. Würde man sie in die kategoriale Einteilung des Seienden einordnen, fiele sie unter das Relative, das unter den Kategorien als am wenigsten Ousia und Seiendes gilt (Met. Ν 1, 1088a22ff., 1088b2f.). Die Ursache als Relatives und somit akzidentell Seiendes kann der Ousia systematisch nicht vorangehen. Denn nur die Ousia existiert - im Unterschied zum Relativen - selbständig fìir sich und ermöglicht als oberste Kategorie erst das Sein und Ausgesagtsein aller anderen Kategorien. Neben den συνθέται ούσίαι gibt es weiterhin auch unstoffliche Ousiai (vgl. Met. Λ), so daß die Bestimmung der Ousia als Ursache sich nicht nur auf sinn126

127

128

H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 519) übersetzt αίτιον zutreffend mit „für etwas verantwortlich sein." Eine Identifizierung von Essenz und Seinsursache (αίτιον του είναι) vertreten zu Recht und explizit H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 243f.), G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 235), E. Buchanan (op. cit. [Kap. II, Anm. 49], 41, 50) und E. Berti (Il profilo di Aristotele, Rom 1979). Dieser betont (Il concetto di „sostanza prima" nel libro Ζ della Metafisica, in: Rivista di filosofia 80, 1989, 3-23) die Zentralstellung von Met. Ζ 17. Dahin tendierte bereits G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 199,328), der diese Ousia-Bestimmung als die treffendste (335) und die Essenz als Hauptursache bezeichnet (vgl. ders., op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 234). Zudem kennzeichnet er die Substanzlehre - die usiologia - (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 79ff.) auch als Lehre von den ersten Ursachen und Prinzipien (als archeologia und aitiologia, ebd., XXVII, 43,336). Mit dieser Begründung hat bereits Albertus Magnus (Metaphysica I, 1, in: Opera omnia XVI, hrsg. von B. Geyer, Münster 1960,3f.) im Zusammenhang mit der Frage nach dem eigentlichen Gegenstand der Ersten Philosophie die These verworfen, es handle sich um die „ersten Ursachen", was Met. A 3 nahezulegen scheint. - Zu Alberts Metaphysikkonzeption vgl. auch Kap. V 4-5.

5. Die Ousia als .Ursache' (Mel. Ζ 17)

171

lich-wahrnehmbare Entitäten als deren causa formalis bezieht129, sondern auf jedes Einzelne, auch auf unstoffliche Ousiai, die das Sein untergeordneter Ousiai erst konstituieren und auf diese Weise gewissermaßen deren 'αίτίαι' darstellen. Angesichts der Ursächlichkeits-Thematik wird in Met. Ζ 17 die Ousia abschließend von einem neuen Gesichtspunkt erörtert130, obwohl hierbei auf die ontologische Bedeutung der Essenz (vgl. Met. Ζ 4-6) zurückgegriffen wird. In Met. Ζ 17 wird also die Ousia - wie in Met. Δ 8 bereits angedeutet (vgl. Kap. II 2b) - als immanente, das wirkliche Wassein eines Einzelnen ausmachende und es somit ontologisch konstituierende Seinsursache des Zugrundeliegenden bezeichnet. Die Bestimmung der Ousia als άρχή oder αϊτια setzt jedoch bereits voraus, daß zuvor das Daß (το ότι) und das Sein (το είναι) bekannt und offenbar gegeben sein müssen (Met. Ζ 17, 104lai5, 1041a23). Die Existenz der auf sein Warum - d.h. auf seine Ursachen - hin zu untersuchenden Entität ist also stets vorgängig gegeben und positiv beantwortet (vgl. An. post. II 1, 89 b23ff.). Unter der Voraussetzung der Existenz einer Sache erklärt die Essenz131 (τί ην είναι, vgl. Met. Ζ 17, 1041a28) als αίτιον, warum der Stoff dieses Bestimmte (τι, 1041b5) ist. Als αίτιον des stofflich Bestimmten fungiert nun das Eidos, durch das der Stoff erst dieses Bestimmte ist. Die Materie kann ein Synholon somit nicht allein konstituieren, sondern ist vielmehr nur Mit-Ursache. Als Ousia im Sinne der verwirklichenden Seinsursache erweist sich das Eidos, sofern es als τί ήν είναι des Einzelnen ausmacht (1041b8f.). Das Synholon, das eine Einheit darstellt, ist ein Zusammengesetztes und einheitliches Ganzes, also nicht eine lediglich aufgehäufte Summe seiner Teile, sondern etwas anderes (ετερον τι, 104lb 17), das aufgrund des sonst drohenden unendlichen Regresses nicht wiederum Teil sein kann. Es ist etwas Bestimmtes (τι, 1041b25), nämlich erste Seinsursache (πρώτον αϊτιον του είναι, 1041 b26ff.), und zwar als Ousia eines jeden Einzelnen. Diese ist kein Element (1041 b31), sondern αρχή. Da es sich bei dieser offenbar um die Essenz (1041a28) bzw. das Eidos (1041b8f.) handelt, fungiert sie bei einem Einzelwesen als dessen Materie formendes, ontologisch begründendes Prinzip, und zwar als das ihm eigentümliche Wassein132. Dieses gilt als das primär und vorrangig Seiende133, da ihm nichts anderes mehr vorgeordnet werden kann. Da dieses Primäre nicht 129

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131 132 133

Dies meinen hingegen H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], 243f.) und G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 118,194). Wie M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 308) zu Recht betonen, geht es nicht um einen völlig neuartigen Anfang, sondern um einen entscheidenden, neuen Versuch, mehr Klarheit in der Ousia-Lehre zu gewinnen. Vgl. zum Verhältnis von Essenz und Existenz bei Thomas von Aquin Kap. II 2d. Vgl. A. Schwegler, op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 134. Vgl. hierzu auch Kap. III 1 zur dreifachen Priorität der Ousia in Met. Ζ 1: Ousia ist erstes oder schlechthin Seiendes, und zwar als begrifflich, erkenntnismäßig und zeitlich Erstes: Denn jedes Ding wird (1) begrifflich zuerst erfaßt in seiner Ousia, (2) grundlegend erkannt in seinem Wassein als Ousia, die zudem (3) gegenüber den Akzidentien das ontologisch bzw. zeitlich Frühere ist (vgl. Met. Δ 11, 1019a2).

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IV. Die Lösung des Problems von Met. Ζ durch Hinsichtenunterscheidung

weiter analysierbar ist, kann es auch nicht zusammengesetzt sein, sondern muß schlechthin und absolut einfach (άπλώς) sein134. Das Eidos bzw. die Essenz ist also weder durch Definition noch durch Beweis erfaßbar (vgl. An. post. II 7, 92 b38f.) und als innere Ursache dem jeweiligen Einzelnen wesenhaft immanent, von dem es nicht 'getrennt' sein darf, wie Aristoteles Piatos Ideenlehre vorwirft (vgl. Met. Ζ 6). Als Beispiel für ein solches Eidos als Ousia bzw. immanente Ursache dient Aristoteles die Seele in einem Lebewesen (vgl. Met. Ζ 10, 1035bl4ff.) als Prinzip für dessen Lebendigsein (άρχή καί αιτία). Als dessen Lebensprinzip fungiert die Seele als Ousia und als immanentes Eidos bzw. als Essenz des entsprechenden Körpers (vgl. De an. II 1, 412al 1-22; II 4, 415b8ff.), dem sie eigentümlich (ϊδιον) ist (vgl. De an. I 3, 407b20-24). Insofern wird die Seele als eine der vier Ursachen aufgefaßt - in einer Bedeutung, die ihr Plato nicht zubilligte. Die Seele versteht Aristoteles offenbar als das dem Einzelnen immanente Eidos und zugleich als die Ursache für dessen Lebendigsein, das in seiner Existenz von ihr - als dem Leben konstituierenden immanenten Prinzip - abhängt. So lassen sich die scheinbar inkompatiblen Äußerungen von Met. Ζ konsistent machen: Das Eidos ist im Defmitionskontext ein Allgemeines. In einer Definition, welche die Ousia erfaßt, wird eine erste Gattung - rekurrierend auf Piatos Dihairesis - als etwas Allgemeines gesetzt und - im Unterschied zu Plato ohne die zahlreichen Zwischengattungen der letzten Art-Unterschied als Atomon Eidos angegeben. Dieses ist begriffslogisch gesehen ein Allgemeines, das für Aristoteles - im Gegensatz zu Plato - nicht Ousia sein. Als Essenz eines Einzelnen und als diesem immanente, ontologische Seinsursache fungiert das Eidos hingegen individualitätskonstituierend und somit als primäre Ousia, ist jedoch nicht bereits als solches individuelle Form. Der Gedanke, daß das Eidos individuiert sei, ist erst bei den Neuplatonikern theoretischer Inhalt, daß die Seele als Eidos des Körpers auch von diesem ablösbar - d.h. auch körperlos - existieren könne und somit unsterblich sei. Dieser Ansatz wird von Leibniz in seiner Theorie der individuellen Substanz fortentwickelt, die durch den konkreten, vollständigen Begriff (notio completa) in allen ihren Momenten bestimmt ist, und kulminiert schließlich in Hegels Theorie von der sich eidetisch verwirklichenden und vollendenden konkreten Allgemeinheit, in der die Substanz Subjektivität geworden ist.

134

Zur Erkenntnisart dieser άπλα, μή σύνθετα vgl. Met. Θ 10, 1051b28ff.

V. Ausblick: Anwendung der universalontologischen Bestimmungen auf die drei Grundbereiche des Seienden in Met. Λ Die Untersuchungen in Met. Ζ haben gezeigt, daß Aristoteles' Ontologie für alles Seiende gilt, d.h. Grundbestimmungen des Seienden als Seienden expliziert. Es hat sich herausgestellt, daß alles, was ist, unter die Substanz-AkzidensUnterscheidung subsumiert wird und das akzidentelle Seiende in einem je verschiedenen ontologischen und epistemologischen Abhängigkeitsverhältnis zum primär Seienden steht, der Ousia. Diese ist in dreifacher Hinsicht ein „auf erste Weise Seiendes": der Zeitordnung nach, der Erkenntnis nach und der Definition nach (Met. Ζ 1, 1028a30-32). Was aber ist nun Ousia? Als ontologische Grundbestimmungen haben sich ergeben: Ousia ist (1) Zugrundeliegendes (ύποκείμενον) (2) bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) (3) Das selbständig für sich Existierende (άπλώς χωριστόν) und begrifflich Abtrennbare (τφ λόγφ χωριστόν); primäre Ousia ist aber (4) das Eidos des Einzelnen (Met. Ζ 11), aber nur, sofern es (5) die Essenz (τί fjv είναι) des Einzelwesens darstellt (Met. Δ 8, Ζ 7) und nicht als Allgemeines, wie im Rahmen der Definition (Met. Ζ 12), denn nach Aristoteles kann - in antiplatonischer Ausrichtung - kein Allgemeines Ousia sein (Met. Ζ 13), somit auch keine Gattung (Met. Ζ 14-16). Der Materie als solcher kommt kein Ousia-Charakter zu, obwohl sie ein Erstes und Zugrundeliegendes darstellt (Met. Ζ 3). Sofern die Essenz in ihrer ontologischen Bedeutung dasjenige ist, wodurch ein Einzelwesen erst wirklich ist, und sofern sie das wesentliche Wassein des jeweiligen Einzelnen ausmacht, ohne das es nur unbestimmte Materie wäre, ist sie ontologisch konstituierend und in diesem Sinne als primäre Ousia auch (6) die Seinsursache (αίτιον του είναι, Met. Ζ 17, 1041a9f.) des Einzelnen. Es gibt in der Seinsordnung des Aristoteles verschiedene Grundbereiche des Seienden, in denen die oben erwähnten universalontologischen Bestimmungen offenbar gelten müssen. Die Beispiele der Kategorienschrift - dieser bestimmte Mensch, dieses bestimmte Pferd - legen es nahe, daß es um konkrete, d.h. zusammengesetzte, sinnlich-wahrnehmbare Entitäten geht: Die Bestimmungen

174

V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

dieser frühen Ontologie-Konzeption werden jedoch in der Metaphysik auch auf vollkommenere Ousiai explizit bezogen. Denn diese stellen jeweils ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε ti) dar, existieren selbständig für sich (χωριστόν) und fungieren als Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον). Allerdings dienen Aristoteles häufig die natürlichen Lebewesen als Paradebeispiele für Ousiai: Sie sind nämlich für ihn aufgrund ihres Prinzipiencharakters (άρχή) für alles übrige Seiende „am ehesten Ousiai" {De an. II 1, 412a 12), da ihre Existenz allgemein anerkannt wird {Met. Ζ 2, Η 1), offensichtlich ist und sich an ihnen am deutlichsten aufzeigen läßt, daß eine Trennung von Essenz und demjenigen Einzelwesen, dessen Essenz sie ist, unmöglich ist, was Aristoteles gegen Piatos Ideenlehre in seinem „Chorismos-Vorwurf ' stets betont. Da den Naturwesen die causa formalis und das Bewegungsprinzip immanent ist - und zwar im Unterschied zu den Artefakten, die zwar das Eidos in ihrer Gestalt (μορφή) repräsentieren, deren Bewegungsprinzip aber in einem anderen ist, z.B. in der Seele des Baumeisters1 - , bieten gerade sie sich im Rahmen der Ersten Philosophie für die Analyse der inneren .Ursachen' der Einzelwesen an. Die oben genannten Ousia-Bestimmungen gelten für alles Seiende: für Lebewesen, Artefakte {Phys. II 1, 192b33) - denn auch sie sind Ousiai (vgl. De an. II 1, 412a9-12) - , immaterielle Entitäten und für den ersten unbewegten Beweger als vollkommenstes Wesen (vgl. Met. Λ 6-10). Dies korrespondiert zugleich dem menschlichen Erkenntnisprozeß, der mit dem für uns Ersten und Bekannteren beginnt und zu dem an sich Ersten und Bekannteren fortschreitet. Gäbe es nämlich nur vergängliche Dinge und wäre alles vergänglich {Met. Λ 6, 1071b6), könnte es nicht notwendigerweise erste Ursachen geben, und die Physik wäre als Wissenschaft vom bewegten Seienden Erste Philosophie. Die positiven Darlegungen des Aristoteles über die Existenz anderer unvergänglicher bzw. abgetrennter' Ousiai, die mehrfach angekündigt werden2, finden sich in Met. Λ, wo drei Ousia-Arten gemäß dem Kriterium der Bewegtheit und Unbeweglichkeit unterschieden werden (vgl. Kap. V 1). Also gibt es offenbar noch andersgeartete Ousiai als die in der Physik untersuchten bewegten Ousiai. Alle gelten gleichermaßen als Ousiai, gehören aber zu verschiedenen Seinsbereichen. Auf alle diese Grundbereiche des Seienden müssen die in Met. Ζ explizierten ontologischen Grundbestimmungen angewendet werden können, wenn ihnen universalontologischer Charakter zukommen soll. Würden sie nämlich nur für das bewegte Seiende gelten, wäre die Physik Erste Philosophie; falls nur vom unvergänglichen Seienden, dann wären Kosmologie und Theologie Erste Philosophie. Nur wenn jene Grundbestimmungen - die Kategorien, die diese noch übersteigenden Transzendentalien3 sowie disjunktiv die Modalbegriffe Möglichkeit und Wirk1 2

3

Vgl. Phys. II 1, 192b28f.; Met. Ζ 7,1032a32-b2; Ζ 8, 1034a9-25. Vgl. Met. Γ 5, 1009a36-39; E 1, 1026a29; Ζ 2, 1028b30f.; Ζ 16, 1040b20; 1040b30ff.; Ζ 17, 1041a7ff. Vgl. hierzu die Erörterungen in Kap. I 5 und am Ende von Kap. III 3.

1. D i e Differenzierung der Ousia-Arten in Met. Λ 1

175

lichkeit als Seinsweisen - alles Seiende umfassen, kann man von einer Universalwissenschaft des Seienden sprechen, die das Seiende als Seiendes, und was ihm als solchem zukommt (vgl. Met. Γ 1), zum Gegenstand hat.

1. Die Differenzierung der Ousia-Arten in Met. A 1 Der programmatische Eröffnungssatz von Met. Λ 1 verdeutlicht, daß auch Met. Λ in den Erörterungen der Ousia-Lehre steht: „Über die Ousia geht die Untersuchung." (Περί της ουσίας ή θεωρία, Met. Λ 1, 1069al8). Während in Met. Ζ die Grundbestimmungen des Seienden und des primär Seienden dargelegt werden, geht es in Met. Λ um die Prinzipien bzw. Ursachen (άρχαί και αίτια) dieser Ousiai. Denn diese „auf erste Weise Seienden" {Met. Ζ 1, 1028a30) fungieren auch im gesamten Universum als dessen „erster Teil" (πρώτον μέρος, Met. Λ 1, 1069a20). Hier wird Ousia offenbar als notwendiger, konstitutiver Bestandteil eines Ganzen gefaßt, womit eine in Met. Δ 8 genannte Ousia-Bedeutung (vgl. Kap. II 2c) aufgegriffen wird. Der ontologische Vorrang der Ousia gegenüber allem anderen kategorial bestimmten Seienden {Met. Λ 1, 1069 a23ff.; vgl. Met. Γ 2) wird dadurch bekräftigt, daß der Ousia in der Kategorienreihe das Qualitative und das Quantitative unmittelbar nachfolgt4. Kein derivatives, akzidentell Seiendes kann selbständig für sich existieren (χωριστόν), sondern setzt stets einen Träger voraus, ein ihm Zugrundeliegendes, dem es inhäriert und von dem es logisch-grammatisch aussagbar ist. Dieses Zugrundeliegende ist das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als das schlechthin Existierende (άπλώς χωριστόν) oder als das auf erste Weise (πρώτως öv) Seiende {Met. Ζ 1, 1028a22-25; 1028a30). Nur Ousiai können unabhängig für sich existieren (χωριστόν); deshalb kann man sie auch als ontologische Konstituentien, als seinsermöglichende ,Ursachen' für alles übrige Seiende (αϊτια πάντων, Met. Λ 5, 107lai) bezeichnen; denn mit der Aufhebung der Ousiai wird alles Übrige mit aufgehoben (1071a34f.)5. Affektionen und Bewegungen könnten ohne die Ousiai nicht existieren; sie gelten vielmehr nur als seiend, sofern sie in je verschiede4

5

L. Elders (Aristotle's Theology. A Commentary on Book Λ of the Metaphysics, Assen 1972, 76f.) sieht hierin einen Rekurs auf die Platonische Prinzipienlehre, was wohl nicht zutreffend ist. Die Reihenfolge der Kategorien, die Elders hier gegenüber anderen Verweisen für inkonsistent hält, ist für Aristoteles unerheblich, da er mit den Kategorien lediglich an eine bereits bekannte Doktrin erinnert. Ebenso geht die sich unmittelbar daraus ergebende ontologische Abhängigkeit alles übrigen Seienden von einem primär Seienden auf die fundamentale Substanz-Akzidens-Unterscheidung zurück, die genuin Aristotelisch ist. Zudem bleibt das Relative überhaupt ungenannt, das allerdings in der Platonischen Ontologie gegenüber den Ideen als An-sich-Seiende alles übrige Seiende subsumiert (vgl. Tim. 51c, 52c). Vgl. bereits Cat. 5,2b5f.: „Wären die Ousiai nicht, so wäre unmöglich sonst etwas." - J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 162) faßt die Ousia als Ursache im genuin Aristotelischen Sinne zu Recht als dasjenige auf, was für alles übrige Seiende „verantwortlich ist." Zum systematischen Problem der 'Ursache' vgl. Kap. IV 5 zu Met. Ζ 17.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

ner Weise auf dieses Eine Prinzip (προς μίαν άρχήν, Met. Γ 2, 1003a33ff.) hingeordnet sind6. Die ontologische Pros-Hen-Relation alles abgeleiteten Seienden zur Ousia als primär Seiendem zeigt deren zentrale Bedeutung für alles übrige Seiende. Diese kurzen Bemerkungen genügen bereits, um deutlich zu machen, daß zu Beginn der Suche nach den Prinzipien und Ursachen der Ousiai {Met. Λ 1, 1069 al8f.) - d.h. nach den Ursachen von allem Seienden {Met. Λ 5, 1071a35) - universalontologische Grundbestimmungen {Met. Λ 1, 1069a23ff.; vgl. Met. Λ 5, 107 l a i ff.) aufgegriffen werden7. Nach einer knappen Rekapitulation anderer Theorien zur Ousia, die diese entweder als Allgemeines und insofern als Prinzip setzen - wo-mit er auf Plato und seine Anhänger anspielt - oder als ein Einzelnes (καθ' εκαστον) - z.B. Feuer und Erde bei den ionischen Naturphilosophen - , werden im folgenden drei Ousia-Modi (οΰσίαι τρεις, Met. Λ 1, 1069a30) unterschieden, die verschiedene Grundbereiche des Seienden repräsentieren: (1) die sinnlich-wahrnehmbare vergängliche Ousia (ουσία αισθητή φθαρτή), (2) die sinnlich-wahrnehmbare unvergängliche Ousia (ουσία αισθητή άίδιος), (3) die unbewegte ewige Ousia (ουσία ακίνητος). Zu den vergänglichen Ousiai (1), die allgemein anerkannt sind und mit deren Analyse Aristoteles in Met. Λ 1-5 beginnt, zählen die Artefakte {Phys. II 1), Pflanzen und die natürlichen Lebewesen, deren konstitutive Bestandteile (στοιχεία) näher zu analysieren sind. Zu den sinnlich-wahrnehmbaren unvergänglichen Ousiai (2) gehören die Himmelskörper und Gestirne, die auch als göttlich (θεία) bezeichnet werden8. Keine allgemeine Übereinstimmung herrscht hingegen im Hinblick auf eine unbewegte Ousia (3): Einige behaupten deren selbständige, unabhängige Existenz (ουσία χωριστή) und untergliedern diesen Seinsbereich nochmals in Ideen und Mathematika; andere erkennen nur eine Gruppe von diesen beiden an. Hier rekurriert Aristoteles offenbar auf innerakademische Diskussionen: Speusipp rechnet nur die Zahlen zu den Ousiai, während Xenokrates Ideen und Zahlen als Idealzahlen miteinander identifiziert und Plato wiederum den Mathemati6

7

8

Vgl. hierzu die Darlegungen in Kap. IH 1 (zur Pros-Hen-Relation in Met. Ζ 1) und Kap. III 3 (zur Pros-Hen-Relation des τί ήν είναι in Met. Ζ 4). Deshalb ist die Behauptung von W. Jaeger (op. cit. [Einleitung, Anm. 14], 230) und H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 548) unzutreffend, Met. Λ zeige, daß Aristoteles' Erste Philosophie schlechthin „Theologie" sei, also eine Lehre vom Unbewegten und Unstofflichen. Vgl. hierzu Kap. V 5 die Einordnung der Ersten Philosophie des Aristoteles in verschiedene Ontologie-Typen, Zur Gleichsetzung des Seienden als Seienden mit der Ousia bzw. mit der göttlichen Ousia vgl. Anm. 35 und 50. Vgl. hierzu die Erörterungen zu Met. Δ 8 in Kap. II 2, wo göttliche Entitäten im Sinne von „δαιμόνια" als Ousiai gelten.

1. Die Differenzierung der Ousia-Arten in Met. Λ 1

177

ka ein Zwischenreich zwischen Sinnendingen und Ideen zuschreibt9. Für Aristoteles selbst fallen weder Ideen (vgl. Kap. I 5) noch Mathematika in den Geltungsbereich seiner genuinen Ousia-Lehre (vgl. Met. M 2, 1077bl5f.). Denn Mathematika subsumiert er vielmehr unter das Quantitative, das als akzidentell Seiendes ohne ein selbständig Seiendes - von den Untersuchungen der Ersten Philosophie ausgeschlossen wird {Met. E 2). Es bleibt somit offen, ob es nach Aristoteles eine unbewegte Ousia gibt, denn er sagt an dieser Stelle lediglich, welche Entitäten dafür nicht in Frage kommen. Demgegenüber ist - wie gesehen - die Existenz der sinnlich-wahrnehmbaren Ousia (1) unbestritten. Sie ist der Veränderung unterworfen, der ein Beharrendes zugrundeliegen muß {Met. Λ 2, 1069b2-7). Als dieses Dritte (τρίτον) erweist sich die Hyle (vgl. Met. Η 1, 1042a32-b7; Phys. I 9, 192a31). Infolgedessen hat alles Veränderliche einen Stoff {Met. Λ 2, 1069b24). Da es wiederum mehrere Formen der Veränderung gibt, existieren auch verschiedene Weisen des Stoffes. So lassen sich die beiden spezifischen Arten der sinnlich-wahrnehmbaren Ousiai voneinander abgrenzen: Die vergänglichen Ousiai (1) verfügen über einen Stoff der Entstehung (ϋλην γεννητήν, 1069b26), d.h. über eine sinnlichwahrnehmbare Materie, da sie sich durch ihr Entstehen und Vergehen substantiell verändern; den unvergänglichen Ousiai (2) hingegen kommt keine körperliche Materie, sondern lediglich Ortsmaterie zu (ύλη τοπική, vgl. Met. Η 1, 1042 b5f.; Η 4, 1044b3-20; Θ 8, 1050b20ff.), welche ihre stetige, nie aufhörende Kreisbewegung {Met. A 7, 1072b9) ermöglicht10. Während in Met. A die Materialität der sinnlich-wahrnehmbaren, bewegten Ousiai erneut (vgl. Met. Ζ 3) thematisiert wird, kommt mit der Lehre von Möglichkeit (δύναμις) und Wirklichkeit (ένέργεια) ein neues Moment in die OusiaKonzeption. Diese Doktrin wird in Met. Η und ausführlich in Met. Θ erörtert und auf Hyle und Eidos bezogen: der Wirklichkeit nach existiert das Einzelwesen, sofern es durch das Eidos zu etwas Bestimmtem differenziert wurde. Demgegenüber hat die Materie die Möglichkeit, sich auch anders verhalten zu können. Jede Veränderung kann man als Prozeß auffassen, bei dem etwas der Möglichkeit nach Seiendes (δυνάμει öv) zu einem der Wirklichkeit nach Seienden (ένεργεία öv, Met. A 2, 1069bl6; vgl. auch Met. Θ 6) wird. Mit jener Hyle der sinnlich-wahrnehmbaren bewegten Ousiai ist somit stets die Potentialität impliziert, ebensogut auch nicht sein zu können. Deshalb ist die Hyle als letzte, bereits geformte Hyle (ύλη τα έσχατα Met. A 3, 1069b35f.) nur der Möglichkeit nach Ousia (δυνάμει ούσία, Met. H 2, 1042b9f.), während die Natur (φύσις) d.h. das Eidos, welches das bestimmte Einzelwesen bzw. das jeweilige Einzelne (έκαστον) in dessen jeweiligem wirklichen Sein und wesentlichen Wassein erst ' 10

Zu diesen hier ex negativo aufgeführten Theorien vgl. auch die Erörterungen von Kap. II zu Met. Δ 8 bzw. Met. Ζ 2. Vgl. zur Ortsmaterie der Gestirne C. Baeumker, op. cit. [Kap. II, Anm. 23], 291ff., und H. Happ, op. cit. [Kap. III, Anm. 30], 498-503.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

konstituiert {Met. Λ 3, 1070al2) - der Wirklichkeit {Met. Λ 5, 1071a8f.) bzw. der Vollendung nach Ousia (έντελεχεία ουσία, Met. Η 2, 1042b 10) ist. In der Oüsia-Lehre kommen bei der Anwendung der ontologischen Grundbestimmungen auf die verschiedenen Seinsbereiche offenbar die Modalbestimmungen Möglichkeit und Wirklichkeit, die bei Aristoteles zugleich Seinsweisen darstellen, gegenüber Met. Ζ neu hinzu". Im Unterschied zu den vergänglichen Ousiai (1) verfügen die bewegten unvergänglichen Ousiai (2) - also die Gestirne und Himmelskörper (vgl. De caelo I 3, 270b4-25) - nicht über körperliche Materie; sie existieren immerwährend (vgl. Met. A 8, 1073a34f.), weshalb ihnen auch Göttlichkeit zugeschrieben wird. Dennoch sind sie nicht völlig unveränderlich; denn sie verändern sich nicht im Sinne des Entstehens und Vergehens wie die vergänglichen Ousiai, sondern sind insofern veränderlich, als eine Ortsmaterie ihren stetigen Wechsel in Form der Kreisbewegung ermöglicht. Jeder Bewegung muß aber notwendigerweise etwas zugrundeliegen, an dem diese sich vollzieht. Was ist nun das Zugrundeliegende dieser Bewegung? Gemäß der Kategorienschrift ist es der Ousia eigentümlich, sogar gegensätzliche akzidentelle Veränderungen aufnehmen zu können und dabei selbst zu beharren als das diesem Wandel Zugrundeliegende (vgl. Cat. 5, 4a lOff.). Geht man aber mit Phys. I 7 davon aus, daß die Materie das beharrende ,Dritte' ist, an dem sich Veränderungen vollziehen, und berücksichtigt man zusätzlich Aristoteles' frühere Lehre, könnte man bei diesen unvergänglichen Ousiai ebenfalls an ein »materielles' Element denken. Dieses wäre aber keines der vier Elemente aus dem sublimaren Bereich, sondern ein fünftes Element: die sogenannte 'quinta essentia', der ebenfalls unvergängliche Äther. Dieser wird als „erster Stoff' (πρώτον σώμα, vgl. De caelo 12,269a5ff.) oder als .Element' der Himmelsregion und als Stoff der Gestirne bezeichnet. In den naturphilosophischen Schriften {Meteor. I 2, 339allff.; De caelo I 2-3; II 12, III 1) hat Aristoteles dies näher ausgeführt, in der Metaphysik jedoch nicht12. 11

13

Vgl. hierzu J. Stallmach, Dynamis und Energeia. Untersuchungen am Werk des Aristoteles zur Problemgeschichte von Möglichkeit und Wirklichkeit (Monographien zur philosophischen Forschung 21), Meisenheim 1959; zum Verhältnis von Energeia {Met. Θ 6-9) und Eidos vgl. E. Berti, Der Begriff der Wirklichkeit in der Metaphysik des Aristoteles, in: Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), hrsg. von Chr. Rapp, Berlin 1996,289-311, hier: 289ff. Vgl. hierzu besonders P. Moraux, „Quinta essentia", in: RE XXIV, Stuttgart 1963, 1171-1263, und H. J. Easterling, Quinta natura, in: Museum Helveticum 21, 1964, 73-85. - Als Stoff kann der Äther nicht ftlr eine vollkommene Himmelsbewegung verantwortlich sein, wie A. Nolte (Het Godsbegrip bij Aristoteles, Nijmegen/Utrecht 1940,42) zutreffend bemerkt. Deshalb finde sich diese Lehre nur in den frühen Schriften (z.B. in De philosophia). Demgegenüber gilt die Konzeption des unbewegten Bewegers als eher spät, wobei Met. Λ wiederum auf Phys. VIII rekurriert. Vgl. C. Baeumker, op. cit. [Kap. II, Anm. 23], 246; H. v. Arnim, Die Entstehung der Gotteslehre des Aristoteles, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse, Bd. 212/5, Wien 1931, 3-80, ND in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969,21979, 1-74, hier: 5-13, 19-26; ebenso W. K. C. Guthrie, The Development of Aristotle's Theology, in: Classical Quarterly 27, 1933, 162-171; 28, 1934, 90-99, dt. in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969, 21979, 75-113, hier: 86ff.

2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6-10

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Jene zwar veränderlichen, aber zugleich unvergänglichen, immerwährenden und daher göttlichen Ousiai stehen in der hierarchischen Ordnung gemäß dem Kriterium der Vollkommenheit in der Mitte13, nämlich zwischen den vergänglichen, stofflich gefaßten, zusammengesetzten Ousiai und dem völlig unbewegten, immateriellen, absolut einfachen und daher vollkommensten Seienden. Besteht nun ein systematischer Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Grundbereichen des Seienden bzw. zwischen jenen drei Ousia-Arten? Offenbar ist dasjenige, wodurch etwas eine Veränderung erfährt, ein erstes Bewegendes (Met. Λ 3, 1070al) und somit eine Bewegungsursache (αϊτία κινοΰντα, 1070a21). Nun ist aber erste bewegende Ursache (τό πρώτον αϊτιον ώς κι νουν, Met. Λ 4, 1070b27) für jedes ein Anderes. Für den Menschen ist diese ein Mensch (1070b33f.), aber ebenso und zugleich der Fixsternhimmel mit seiner immergleichen Bewegung (Phys. II 2, 194bl3f.) und die Sonne mit ihrer in der Ekliptik vollzogenen Bewegung (De gen. et corr. II 10, 336a23ff.). Da im supralunaren Bereich jede Bewegung die Bewegung eines göttlichen Körpers (θείον σώμα) am Himmel ist, setzt eine jede solche Bewegung eine entsprechende göttliche Ousia voraus, die diese erst ermöglicht. Somit gibt es ebensoviele Bewegungen wie Himmelskörper (vgl. Met. A 8, 1074a31). Bei der Frage nach der Begründung jener ersten, immerwährenden Kreisbewegung der unvergänglichen Ousiai rekurriert Aristoteles auf Phys. VIII und damit auf Lehren der Kosmologie, welche die verschiedenen Bewegungsarten im Kosmos untersucht.

2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6-10 Wie aus Met. Λ 1 hervorgeht, gibt es noch eine dritte Ousia-Art: die unbewegte Ousia (ούσία ακίνητος), deren Untersuchung nicht in die Wissenschaft, die das bewegte, veränderliche Seiende zum Gegenstand hat - in die Physik Vgl. auch I. Düring, op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 354-360; H. Happ, op. cit. [Kap. III, Anm. 30], 474-503; und J. Dudley, Gott und θεωρία bei Aristoteles. Die metaphysische Grundlage der Nikomachischen Ethik, Frankfurt a.M./Bern 1982, 38, 48ff. Das Verhältnis von Äther und unbewegtem Beweger kann hier nicht näher erörtert werden. Im Rahmen einer ähnlichen Hierarchie identifiziert Thomas von Aquin in De ente et essentia (op. cit. [Kap. II, Anm. 52], c. IV) diese göttlichen Ousiai oder Gestirne mit den rein intellektuellen Engelwesen als getrennten Substanzen (substantiae separatae). Diese weisen trotz ihres ontologisch höheren Ranges auch eine Zusammensetzung auf, nämlich aus Wesenheit (essentia) und Sein (esse), wobei die essentia das potentielle Moment darstellt. Während nach Avicenna das Sein - da es nicht zur essentia der Dinge gehört zu existieren - gleichsam wie ein Akzidens „hinzutritt" (vgl. Avicenna Latinus, Liber de philosopha prima sive scientia divina, I 5, hrsg. von S. van Riet, 2 Bde., Louvain/Leiden 1977,1, 34, 55ff.), kommt es für Thomas zwar ebenfalls „von außen hinzu", dem Sein wird aber deswegen eine ontologisch konstitutive Bedeutung zugeschrieben, weil es von Gott als Wirkursache (causa efficiens) in einem schöpferischen Akt allem übrigen Seienden - auch den unstofilichen Engelwesen - verliehen wird. Gott selbst fungiert hingegen als reiner Akt (actus purus), reines Sein (esse per se) und absolut einfache, auf keine Weise zusammengesetzte erste Ursache. Auf der untersten Stufe dieser ontologischen Hierarchie stehen die aus Materie und Form zusammengesetzten Seelen der Menschen.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

fällt, sondern in die 'Erste Philosophie'. Dennoch greift Aristoteles in Met. Λ 6 auf Phys. VIII mit einem kosmologischen Beweis der Existenz jener unbewegten Ousia zurück, wonach alles bewegte Seiende letztlich auf ein erstes Unbewegtes (VIII 6) zurückgeführt werden muß (VIII 10), das die stetige Bewegung verursacht (VIII1-2, 8-9). Da nur Ousiai selbständig für sich existieren können (χωριστά), Bewegungen hingegen nur durch sie (Met. Λ 5, 1071a2ff.), setzen letztere immer jeweils eine entsprechende Ousia voraus, an der bzw. durch die als .Ursache' (αίτια) eine Bewegung erst ermöglicht wird. Da diese Bewegungsursachen bei je verschiedenen Seienden analog jeweils andere sind (Met. Λ 4, 1070b27f.; Λ 5, 1071 a5f.), muß die oben erwähnte ewige, stetige Kreisbewegung eine ebenso ewige Ousia als ihre ,Ursache' (αιτία) voraussetzen (Met. Λ 7). Diese muß ein der Wirklichkeit nach Erstes sein (τό πρώτον έντελεχεία, Met. Λ 5, 1071a36), da ein nur der Möglichkeit nach Seiendes auch nicht sein bzw. sich auch anders verhalten kann (Met. Λ 6, 107lb 19). Was aber ewigen Bestand hat und notwendig existiert, muß der Wirklichkeit nach sein (vgl. Met. Θ 8). Da die Zeit ohne Anfang und Ende als Maß der Bewegung immer war (Met. Λ 6, 1071b7; vgl. Phys. VIII 1-3), muß auch jene kontinuierliche Kreisbewegung des Himmels notwendig ein Bewegungsprinzip als αίτιον voraussetzen. Als ein derartiges Prinzip kann sich nur eine solche Ousia erweisen, welche reine Wirklichkeit, d.h. ohne jede Potentialität ist (Met. Λ 6, 1071b29); das wiederum besagt, daß sie keinerlei Hyle (ανευ ΰλης, 1071b21) aufweisen, nicht einmal über Ortsmaterie (ύλη τοπική) verfügen darf, sondern völlig immateriell sein muß. Damit der Regreß der Bewegungsursachen nicht ins Unendliche geht, sondern irgendwann zu einem endlichen Abschluß kommt bei einem Letztverursachenden, das nicht mehr anderweitig verursacht ist (vgl. Phys. VIII; Met. A 3, 1070a2ff.), muß diese Ousia etwas sein, das als Erstes von allem alles bewegt (τό πρώτον πάντων κι νουν πάντα, Λ 4, 1070b34f.), und zwar bewegt, ohne selbst bewegt zu werden (κινεί ού κινούμενον, Met. A 7, 1072a25). Dieses Erste ist ewig (άίδιον), vollendet (τέλειον) und rein der Wirklichkeit nach. Ein Sonderproblem von Met. A besteht darin, daß es unklar bleibt, ob es mehrere unbewegte Bewegungsursachen gibt oder nur einen unbewegten Beweger. Denn es werden auf die Frage nach der Pluralität bzw. Einheit des unbewegt Bewegenden unterschiedliche, z.T. widersprüchliche Antworten gegeben: Nach Met. A 7 und A 9-10 muß es ein erstes unbewegt Bewegendes geben, das aufgrund seiner Vollkommenheit „Gott" genannt wird (Met. A 7, 1072b25-30). Dies wird in Met. A 8 zwar bestätigt (1073a27), indem dieses exemplarische Seiende als erste Essenz (τί ήν είναι πρώτον) ausgezeichnet wird, da es ohne jeden Stoff und daher Vollendung (έντελέχεια) und Eines (εν, 1074a35ff.) ist, was auch für den ersten Himmel als das von ihm Bewegte gilt. Allerdings behauptet Aristoteles in Met. A 8 ebenso, daß es gemäß den astronomischen Theorien des Eudoxos (1073bl7-32) und des Kallippos (1073b32-1074al0) nicht nur

2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6-10

181

eine, sondern mehrere immerwährende Bewegungen gebe, und zwar bei jedem Planeten (1073a30ff.) in je vier Sphären (1073b22f.)14. Diese Bewegungen bedürfen jeweils einer unvergänglichen, unbewegten Ousia zu ihrer Initiation. In diesem Zusammenhang errechnet Aristoteles mit Eudoxos 55, mit Kallippos 47 Sphärenbeweger, die jeweils für eine bestimmte Sphäre als Bewegungsursache fungieren und deshalb selbst unbewegte Ousiai sein müssen (1073a38), die in einer bestimmten Ordnung zueinander stehen15, so daß einer von ihnen der erste ist, gefolgt von einem zweiten (1073blff.). Diese göttlichen Ousiai sind aufgrund ihrer Unbewegtheit den bewegten unvergänglichen Gestirnen im Vollkommenheitsgrad noch vorgeordnet, dem ersten unbewegten Beweger jedoch nachgeordnet, weil er als erster aller unbewegten Beweger das Erste von allem Seienden Uberhaupt darstellt und letztlich alles Übrige bewegt (πρώτον πάντων κι νουν πάντα, Met. Λ 4, 1070b34f.).16 Auf welche Weise jene Pluralität von unbewegten Bewegenden {Met. Λ 8) vereinbart werden kann mit der monistischen Konzeption Eines unbewegt Bewegenden17 - ein Problem, das bereits Plotin (Erm. V, 1, 9, 9-14) sah - möge hier auf sich beruhen18. 14

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Vgl. zum astronomischen Hintergrund A. Nolte, op. cit. [Anm. 12], 12-23; und L. Elders, op. cit. [Anm. 4], 219-226. Wie das Verhältnis dieser unbewegten Beweger aufzufassen ist, ist in der Forschung umstritten: Nach Ph. Merlan (Aristotle's Unmoved Movers, in: Traditio 4, 1946, 1-30, hier: lOff., ND in: Ders., Kleine philosophische Schriften, hrsg. von F. Merlan (Collectanea 20), Hildesheim/New York 1976, 195-224) stehen sie in einer ontologisch-kosmologischen Relation des Früher und Später zueinander, und zwar in unmittelbarer Nachfolge der Platonischen Idealzahlen (ebd. 24), während für J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 441) jeder Beweger eine eigene Spezies bildet, aber auf derselben ontologischen Ebene steht wie der erste unbewegte Beweger (vgl. ders., The Reality of the Aristotelian Separate Movers, in: Review of Metaphysics 3,1950, 319337, hier: 334). Gemäß H. A. Wolfson (The Plurality of Immovable Movers in Aristotle and Averroes, in: Harvard Studies in Classical Philology, 63,1958,233-253, hier: 243f.) bildet jeder von ihnen sogar eine eigene Gattung. - Dies ist jedoch bei Aristoteles nicht weiter ausgeführt und kann hier nicht vertieft werden. Vgl. Anm. 18. Wie diese Bewegung aufzufassen ist, wird im folgenden erörtert. Zur teleologischen Bedeutung des ersten unbewegten Bewegers vgl. Kap. V 3 über die Pros-Hen-Relation in Met. Λ. Vgl. das Zitat aus Homers Ilias (II 204) am Ende von Met. Λ: „Einer sei Herrscher" (Met. Λ 10, 1076a4f.). W. Jaeger (op. cit. [Einleitung, Anm. 14], 366ff.) und W. K. C. Guthrie (op. cit. [Anm. 12]) halten beides für unvereinbar, während D. Ross (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], I, CXXXIX ff.), A. Nolte (op. cit. [Anm. 12], 147f.), I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 191), Ph. Merlan (op. cit. [Anm. 15], 12) und H. J. Krämer (Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Piatonismus zwischen Piaton und Plotin, Amsterdam 1964, M967, 159ff.), der die 55 Beweger auch rechnerisch nachgewiesen hat, ihre Vereinbarkeit vertreten. - Nach Krämer (Zur geschichtlichen Stellung der Aristotelischen „Metaphysik", in: Kant-Studien 58, 1967, 313-354, hier: 319; vgl. ders., Grundfragen der aristotelischen Theologie, in: Philosophie und Theologie 44, 1969,363-382,481-505, hier: 366) sind die 55 unbewegten Beweger die Explikation der Gedankeninhalte der Noesis Noeseos. Damit schreibt er Aristoteles eine Nous-Konzeption zu, die sich in entwickelter Weise erst bei Plotin (Em. V, 3, 7, 18-19) so findet, nach welcher der Nous alle Eide als intellektuelle Ousiai in sich versammelt und in diesen sich selbst denkt und erkennt. Aber nach Plotin ist nicht - wie für Aristoteles - der göttliche Nous das Vollkommenste, da er ja eine Vielheit von Ideen denkt. Das höchste Prinzip ist vielmehr das einfache, ursprüngliche, Uberseiende Eine, das in vollkommener Transzendenz noch über der Ousia (έπέκεινα της ούσίας als Rekurs auf Plato, Politela VI, 509b), sogar noch über der gött-

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

Die hierarchisch gestaffelte Stufenleiter der Vollkommenheiten (Met. Λ 1, 1069a30-33; Λ 6, 1071b3f.) kulminiert also in einem unstofflichen, alles andere mittelbar oder unmittelbar bewegenden, aber selbst Unbewegten, welches als erste Bewegungsursache und letzte teleologische Ursache alles übrigen Seienden das vollkommenste Seiende in der gesamten Seinsordnung des Aristoteles bildet. Was sind nun die Kennzeichen dieser aufgrund ihrer Vollkommenheit primären eminenten Ousia? Sie ist der ewige göttliche Nous, der bewegt, ohne bewegt zu werden (κινούν ακίνητο ν, Met. Λ 7, 1072a25). Eine solche Bewegung findet sich nur beim Erstrebten (όρεκτόν) und noetisch Erkannten (νοητόν), welches das Erkennen bewegt (νους ύπό του νοητού κινείται, 1072a30). Von diesem intellektuell Gedachten ist die Ousia das Erste (ουσία πρώτη, 1072a31), unter den Ousiai wiederum die einfache (άπλή) Ousia, d.h. die Ousia der reinen Wirklichkeit nach (κατ' ένέργειαν, 1072a32). Deshalb kommt ihr bestes und ewiges Leben zu (1072b28), und zwar immer und aufgrund wirklicher Tätigkeit (ένέργεια), die zugleich erfüllte Freude (ήδονή, 1072b 17) ist. Denn es handelt sich bei jener um ein noetisches Erkennen (νόησις), das auf das Beste (άριστον) geht, da es auf das Höchste geht (μάλιστα). Jenes noetisch Erkannte oder Gedachte (νοητόν) ist der Nous selbst (1072bl9f.), in dessen Ergreifen er sich selbst erkennt und erfaßt (1072b22). Das noetisch Erkannte ist noch göttlicher (μάλλον θείον, 1072b23f.) als der Erkennende selbst. Dies zeigt, daß die göttliche Intuition nicht produktiv ist; denn das Gedachte ist ewig und der Grund für die Vollkommenheit des Denkens19. Was sind im einzelnen die inneren Bestimmungen dieses ersten Bewegenden? Die Reihe (Met. Λ 7, 1072a25ff.) beginnt mit der Ousia als Erstes, dem Einfachen (άπλή) und der wirklichen Tätigkeit (ένέργεια, 1072a31f.). Es folgen das noetisch Erkannte (νοητόν), das noetische Erkennen als Intuition (νόησις), das Schöne (καλόν), das Angenehmste und Beste (ήδιστον καί άριστον) und Zweck an sich selbst (τό οΰ ενεκα). In diesen Bestimmungen denkt der

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liehen Noesis Noeseos steht. Vgl. hierzu J. Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Piaton und Plotin (Beiträge zur Altertumskunde 9), Stuttgart 1992, 150-182. - Demgegenüber ist der Nous des Aristoteles auch als Vollkommenstes selbst Ousia. Daß Met. Λ 8 mit der astronomischen Lehre vom Pluralismus der unbewegten Beweger offenbar später eingefügt wurde, unterstreicht den Reflexionen-Charakter der Metaphysik und rechtfertigt somit nicht eine völlige Eliminierung, welche z.B. L. Eiders (op. cit. [Anm. 4], 56, 68) und H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], I, 2, 278, 390ff.; II, 360) vorschlagen, weil sie das Kapitel für unecht halten. Hegel (op. cit. [Einleitung, Anm. 12], 163ff.) deutet an dieser zentralen Stelle der philosophischen Theologie den Aristotelischen Nous als Präfiguration seiner eigenen Lehre von der absoluten, sich selbst denkenden Subjektivität spekulativ so um, daß sich gerade das umgekehrte Verhältnis ergibt: anstelle des Gedachten - wie bei Aristoteles - kommt nun der Denktätigkeit selbst Priorität zu. Vgl. hierzu K. DUsing, op. cit. [Anm. 4], 89f.; zur Noesis Noeseos K. Oehler, Der unbewegte Beweger als sich selbst denkendes Denken, in: Ders., Der unbewegte Beweger des Aristoteles (Philosophische Abhandlungen 52), Frankfurt a.M. 1984, 64-93, und Th. de Köninck, La „Pensée de la Pensée" chez Aristote, in: La question de Dieu selon Alistóte et Hegel, hrsg. von Th. de Köninck und G. Planty-Bonjour, Paris 1991, 69-151.

2. Der erste unbewegte Beweger in Met. Λ 6-10

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Nous, der für Aristoteles der „Ort der Ideen" (τόπος ειδών, De an. III 4, 429 a27f.) ist, sich selbst20. Damit gehen die Erörterungen der Ersten Philosophie zum ersten Bewegenden, der auch als Gott (θεόν, Met. A 7, 1072b29) ausgezeichnet wird, zu einer Lehre vom Göttlichen über, einer philosophischen Theologie21. Dieses der reinen Wirklichkeit nach Seiende, das sich auf keine Weise anders verhalten kann, und dem daher Notwendigkeit zukommt (1072b8, 1072 bl3), befindet sich somit in wirklicher Tätigkeit, sowohl in Beziehung auf anderes (Met. Λ 6, 1072al2f.) - nämlich als das die immerwährende Kreisbewegung Bewegende - als auch an sich selbst (καθ' αυτό), indem es als Gedachtes (νοητόν) in intuitiver noetischer Tätigkeit (νόησις) sich selbst als das Würdigste erfaßt (τιμιότατον νοεί, Met. A 9, 1074b26). Aufgrunddessen ist es das Göttlichste (θειότατον), das ohne jede Veränderung und Bewegung und somit ohne jede Möglichkeit ist. Da dieses erste unbewegt Bewegende über keinerlei Potentialität verfügt, ist es völlig immateriell und somit reine Energeia. Gleichwohl ist dieses vollkommenste Seiende kein Allgemeines, sondern wie alle ihm untergeordneten, weniger vollkommenen An-sich-Seienden - ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι). Unter diesen einzelnen Ousiai ist es aber dadurch ontologisch dadurch ausgezeichnet, daß es rein eidetisch bestimmt ist, weshalb auch keine Differenz zwischen diesem Einzelwesen und dessen Eidos bzw. Essenz vorliegt, wie es bei den stofflich gefaßten, zusammengesetzten Ousiai der Fall ist (vgl. Met. Ζ 6, Kap. III 3). Bei diesem exemplarischen Seienden fallen vielmehr Eidos als individualitätskonstituierende Essenz und Einzelwesen zusammen. Durch das Eidos, das im Rahmen einer Definition abtrennbar ist (τω λόγφ χωριστόν) ist, ist das bestimmte Einzelwesen ein Seiendes der Wirklichkeit nach (ένεργεία, Met. A 5, 1071a8)22. Als Essenz des Einzelnen, welche dessen wesentliches Wassein und wirkliches Sein ausmacht (vgl. Met. Ζ 7, 1032blf.), fungiert das Eidos auch als ontologische .Ursache' des Einzelnen (α'ίτιον του είναι, vgl. Kap. IV 4 zu Met. Ζ 17). Aufgrund der exemplarischen Vollkommenheit des göttlichen Nous wird diese Essenz auch als primäre Essenz bezeichnet, die über keinerlei Materialität verfügt (το τί ήν είναι ούκ εχει ΰλην τό πρώτον, Met. Λ 8, 1074a35f.). Für Aristoteles muß das Prinzip eines Einzelwesens wiederum ein Einzelnes (άρχή τό καθ' εκαστον των καθ' εκαστον, Met. Λ 5, 1071a20f.) und ein Eines (εν, Met. A 8, 1074a38) sein. Damit ist erwiesen, daß es eine ewige, unbewegte, absolut immaterielle, unveränderliche und unafïïzierbare (απαθές, Met. A 7, 1073all) Ousia gibt. Wie 20

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Deshalb kann man ihn nicht als „abstraktes Prinzip" (vgl. Düring, op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 209) oder als „Platonischen Mythos, als bloßes Ideal, als metaphorischen Ausdruck für die Ordnung im Universum" auffassen, wie J. H. Randall (Aristotle, New York 1960, 135f., 141) behauptet - denn er gilt immerhin als Ousia (Met. Λ 8,1073a36). Zu den Bestimmungen der .Ersten Philosophie' des Aristoteles als allgemeine Ontologie oder Theologie vgl. Kap. V 5 mit einer Kennzeichnung verschiedener Ontologie-Typen. Die Konzeption des Eidos als der Wirklichkeit nach Seiendes betont zu Recht E. Berti (op. cit. [Anm. 11], 301ff.).

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

jede andere der ihr untergeordneten, weniger vollkommenen an sich seienden Ousiai ist also auch diese Ousia ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) begrifflich abtrennbar (τφ λόγφ χωριστόν) und existiert selbständig für sich (απλώς χωριστόν). Sie bedarf demnach nicht eines anderen Trägers, sondern ist aufgrund des höchsten Grades an Vollkommenheit in ihrem besonderen Grundbereich des Seienden von den sinnlich-wahrnehmbaren Ousiai getrennt (κεχωρισμένη των αισθητών, 1073a4f.). Während alle anderen Ousiai in dem Sinne unteilbar (ατομον) und unzerlegbar (άδιαίρετον) sind, daß eine Teilung oder Trennung ihre Existenz vernichten würde, verfügt dieses vollkommenste Seiende gar nicht über irgendwelche immanente konstitutive Bestandteile. Insofern ist es nicht ,unteilbar' wie die anderen Ousiai, sondern von vornherein „ungeteilt" (άμερής) und infolgedessen auch unzerlegbar (άδιαίρετος, 1073a7). Wenn diese Ousia nämlich Teile hätte, könnte sie nicht mehr als Ewiges und Notwendiges schlechthin einfach (άπλώς, 1072bl3) und Eines (ëv, Met. Λ 8, 1074a38) sein. Zudem könnte sie auch nicht mehr πρώτη ούσία, weil ihm ein konstitutiver Bestandteil als ontologisch Früheres noch vorausginge, was mit der Ousia unvereinbar wäre, die bereits ein auf erste Weise Seiendes (πρώτως öv, Met. Ζ 1, 1028a30) und die Ursache im Sinne einer ontologisch konstitutiven Möglichkeitsbedingung für alles sekundär Seiende darstellt {Met. Ζ 17). Da der erste, selbst unbewegte Beweger ewig, völlig immateriell, absolut unveränderlich und reine Wirklichkeit ist, wird er als auf vollkommenste Weise, nämlich als ein der Wirklichkeit nach Erstes gekennzeichnet. Gleichwohl ist dieses absolut Erste, An-sich-Seiende des Aristoteles im Unterschied zu platonisch-akademischen Ontologie-Konzeptionen - wie etwa in Piatos Politeia die Idee des Guten bzw. im Philebos das Gute als oberstes Prinzip (vgl. Kap. I 5) - kein Allgemeines. Denn während für Plato das Vollkommenste keine Ousia mehr ist, sondern vielmehr noch jenseits der Ousia liegt (έπέκεινα της ουσίας, Politeia VI 509b) oder sich der Untersuchung ganz entzieht (vgl. Philebos), ist der erste unbewegte Beweger bzw. der göttliche Nous des Aristoteles, obwohl er die ihm untergeordneten Ousiai im Vollkommenheitsgrad überragt, in den Kosmos des Seienden, das sich in mehrere Grundbereiche untergliedert, dennoch systematisch integriert, indem auch er ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) ist. Seine besondere Auszeichnung besteht jedoch darin, daß er der reinen Wirklichkeit nach existiert. Inhaltlich besteht diese höchste Vollkommenheit in der Noesis Noeseos bzw. in den inneren Bestimmungen dessen, was sie denkt: Ousia, Einfaches, das Schöne, das Beste, das noetisch Erkannte usw. Da Aristoteles den Nous - wie oben erwähnt - als „Ort der Ideen" (τόπος ειδών, De an. III 4, 429a27f.) bezeichnet, handelt es sich bei jenen Bestimmungen der Noesis Noeseos offenbar um Ideen (εϊδη). Worin besteht nun die Göttlichkeit dieses ontologisch und teleologisch ausgezeichneten Seienden? Verleiht dieses Vollkommenste - der Aristotelische ,Gott' - als schöpferisch hervorbringende Wirkursache (causa efficiens) allem

3. Die Pros-Hen-Relation in Met. A 10

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anderen Seienden das Sein? Da Aristoteles von der Ewigkeit der Welt und der Arten ausgeht, konzipiert er - im Unterschied zu einigen mittelalterlichen Metaphysik-Kommentaren des 13. Jahrhunderts23 - den göttlichen Nous nicht als Wirkursache; vielmehr fungiert dieser erste unbewegte Beweger als erste, teleologisch bewirkende Ursache aller Bewegung24 (άρχή κινήσεως, vgl. Phys. II 3; Met. A 3, 983a4-b3) im Kosmos. Diese Bedeutung als letzte teleologische Ursache für alle übrige Seiende sei im folgenden näher erörtert.

3. Die Pros-Hen-Relation in Met. Λ 10 In Met. A 10 wird behauptet: Alles ist auf Eines hingeordnet (προς εν, 1075 al8). Der erste unbewegte Beweger fungiert als letztes Ziel alles übrigen Seienden, das auf ihn gerichtet ist, während er selbst als vollkommenstes Seiendes nicht auf ein Vollkommeneres hingeordnet ist. Worin ist nun diese Pros-HenRelation alles untergeordneten Seienden auf ihn begründet, worin zeigt sie sich? Im Unterschied zur Ausrichtung alles akzidentellen Seienden auf ein primär Seiendes, die Ousia, worin sich ein ontologisch einseitiges Abhängigkeitsverhältnis alles derivativen Seienden gegenüber dem auf erste Weise Seienden zeigt {Met. Γ 2, 1003bl6ff.; Ζ 1, 1028a30, vgl. Kap. III 1), sind alle in bestimmten Gradabstufungen jeweils voneinander differierenden unvollkommenen Seienden auf ein Vollkommenstes bezogen, den ersten unbewegten Beweger. Hier handelt es sich jedoch nicht um ein allgemein-ontologisches, sondern um ein spezifisch teleologisches Verhältais. Die Hinordnung alles anderen Seienden auf ihn als letztes Ziel beruht darauf, daß er als Unbewegtes wie ein Geliebtes (ώς έρώμενον, Met. Λ 7, 1072b3) bewegt. Nur auf diese Weise kann er selbst unbewegt bleiben und infolgedessen als Ursache die Reihe der Bewegungen fundieren. Denn indem er die stetige Kreisbewegung der göttlichen Entitäten (vgl. Kap. V 1 zu Met. A l ) auf diese ihm eigentümliche Weise letztlich .bewegt' (Met. A 7, 1072b9ff.), bewegt er zugleich das übrige (1072b4), und zwar als Erstrebtes und als letztes Ziel25. Wie läßt sich nun das Verhältnis der inhaltlich auf je verschiedene Weise bestimmten Ousiai untereinander und im Hinblick auf die göttliche Noesis Noeseos und deren Beziehung zu den anderen Ousiai charakterisieren? Alles übrige Seiende ist auf Eines als teleologische Ursache hingeordnet (προς εν, Met. A

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Vgl. in diesem Zusammenhang exemplarisch die Seinsordnung des Thomas von Aquin in De ente et essentia (op. cit. [Kap. II, Anm. 52]), c. IV, vgl. Anm. 13. - In der Aristoteles-Forschung wird jedoch bisweilen trotz oben genannter Gründe, die eindeutig dagegen sprechen, auch der erste unbewegte Beweger als Wirkursache aufgefaßt. Vgl. hierzu z.B. F. X. Meehan (Efficient Causality in Aristotle and St. Thomas, Washington 1940, 92) und W. J. Verdenius (Traditional and Personal Elements in Aristotle's Religion, in: Phronesis 5, 1960, 56-70, hier: 61). Vgl. L. Elders, op. cit. [Anm. 4], 14. Vgl. hierzu H. Seidl, op. cit. [Kap. IV, Anm. 24], 209ff.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

10, 1075al8), und zwar auf ein Vollkommenstes, das selbst Gutes, Schönes indem es erstrebt wird - , vollkommenes Ziel und Zweck an sich ist, das von allem Unvollkommenen auf seine je verschiedene Weise nachgeahmt wird26. Jenem Vollkommensten kommt somit eine alle Grundbereiche und ihre Ousiai betreffende ordnungsstiftende Funktion zu. Ein absolut vollendetes Seiendes konstituiert als das letzte, allem anderen Seienden gemeinsame Ziel erst eine Zusammenordnung aller Seienden, so wie das Gute in der Ordnung des Heeres und im Feldherrn selbst liegt, mehr aber noch in diesem (1075al4f.) - ein Hinweis auf Aristoteles' monotheistische Sichtweise. Innerhalb dieser Ordnung sind jedoch nicht alle untergeordneten Glieder gegenüber dem höchsten Ziel gleich, sondern alles ist in gewisser Weise (πώς) zusammengeordnet, nicht auf gleiche Weise (οΰχ ομοίως) - zusammengeordnet (1075al6). Die Hinordnung ist also nicht für alle dieselbe, sondern bei differierendem Vollkommenheitsgrad eine je verschiedene, d.h. eine analoge. Diese teleologische Pros-Hen-Relation ist - anders als jene ontologische Abhängigkeit alles akzidentell bestimmten Seienden von der Ousia als dessen zentraler Grundbedeutung - nicht so unbestimmt und locker, sondern inhaltlich bestimmter27. Die Gemeinsamkeit besteht hier in der Ausrichtung alles Seienden mit jeweils untergeordneten Zwecken auf ein Vollkommenstes als letztes bzw. höchstes Ziel. Wie in einer gut geführten Monarchie wird der Kosmos des gesamten Seienden - d.h. alle Ousiai in ihren jeweiligen Grundbereichen - zusammengehalten durch die gemeinsame Hinordnung auf ein Vollkommenstes, die göttliche Noesis Noeseos. Jener erste, alles andere bewegende und selbst unbewegte Beweger fundiert als teleologische Ursache alles Seienden somit eine teleologisch geprägte Seinsordnung. Der göttlichen Noesis Noeseos ist der Mensch als vernunftbegabtes Sinnenwesen (ζφον λόγον εχον) zumindest „ähnlich". Auf welche Weise läßt sich das Verhältnis zum Göttlichen, Vollkommensten bestimmen? Der Mensch ist insofern „gottähnlich", als er in der Lage ist, sich der höchsten Lebensform zu widmen, der theoretischen Lebensweise (NEI 3, 1095bl8f., 1096a4f.), d.h. dem Leben in der Betrachtung (θεωρία) des Ewigen (vgl. NE X 7-8). Bei dieser Tätigkeit erlangt der Mensch seine höchste ihm mögliche Form der Vollendung und Verwirklichung und damit seiner Glückseligkeit (ευδαιμονία), die eigentlich nur wenigen und nur für kurze Zeit (μικρόν χρόνον, Met. Λ 7, 1072bl5; vgl. NE X 4, 1175a3-10) vergönnt ist, dem Göttlichen hingegen dauerhaft, da dieses sich unaufhörlich in höchster, vollendeter, denkender Tätigkeit befindet (NE X 8, 1178b22f.). Demgegenüber ist die dem Menschen eigentümliche Erkenntnis26

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Zur Nachahmung des ewigen Seienden vgl. Phys. 19; in bezug auf den Kosmos vgl. De gen. et corr. II 10. Das Streben der vergänglichen Seienden nach Unsterblichkeit zeigt sich in der Hervorbringung eines anderen Wesensgleichen („ein Mensch zeugt einen Menschen", vgl. Met. Λ 3,1070a8f ), um - wenn nicht als Individuum, dann wenigstens der Spezies nach - Unsterblichkeit bzw. Ewigkeit erlangen zu können (vgl. De an. II 4,415a30). Vgl. H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 584-588. Zur Pros-Hen-Relation von Substanz und Akzidens vgl. Kap. III 1 zu Met. Ζ 1, sowie als analoge Einheit vgl. NE 14, 1096b26ff.

3. Die Pros-Hen-Relation in Met. Λ 10

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weise diskursiv und vornehmlich auf zusammengesetzte Dinge (Met. Λ 9, 1075 a8) gerichtet; sein besonderer Rang zeigt sich aber darin, wesentlich noetischintuitiv auch das Einfache, Unzusammengesetzte, Göttliche „berühren" zu können (θιγειν, Met. Θ 10, 1051b24), am Ewigen teilhaben (NE X 8, 1178b25ff.) und selbst eine Noesis Noeseos vollziehen zu können28. Wenn der Mensch sich auch nur für kurze Zeit in intellektuell-intuitive Erkenntnistätigkeit (νόησις) versetzen kann, besteht für ihn dennoch die höchste Form von Glückseligkeit in der Betrachtung (θεωρία) als dem Freudvollsten (ήδιστον) und Besten (άριστον). Diese Betrachtung (NE X 7, 1177al8) ist das Vornehmste, da sie die anhaltendste, lustvollste, seligste Tätigkeit und zudem autark ist (1177a23-28). Denn sie wird um ihrer selbst willen erstrebt. Damit geht der Mensch über seine spezifisch menschlichen Möglichkeiten hinaus (1177b26-31), sofern er nämlich etwas Göttliches in sich hat. Nur dadurch, daß der Mensch über einen Nous verfügt, der alles wirkt und später sachgerecht als νους ποιητικός bezeichnet wurde, ist er der göttlichen Noesis Noeseos ähnlich: Denn der νους ποιητικός ist ebenso wie der göttliche Nous der Wirklichkeit nach (ένεργεία öv, De an. III 5, 430al8), unstofflich und unaffizierbar (άπαθές, III 4, 429al5, 429b23). Er ist zudem mit dem Körper unvermischt (αμιγής, 429al8), abtrennbar (χωριστός, 429al 1,429b5; III 5, 430al7) und ebenso abgetrennt (χωρισθείς, 430a22). Damit ist impliziert, daß der menschliche νους ποιητικός vom vergänglichen und von Affektionen abhängigen und daher passiven Nous (νους παθητικός, 430a24f.) abtrennbar ist und mit dem Tod des Individuums, den jener überdauert, dann tatsächlich abgetrennt' ist. Dann ist er dasjenige, was er eigentlich ist (όπερ öv). Insofern ist der νους ποιητικός des Menschen in der Lage, sich abzusondern (vgl. De an. II 2, 413b26ff.) wie das Unvergängliche vom Vergänglichen. Ebenso ist dieser νους ποιητικός als Übermenschliches und Göttliches auch „von außen" (θύραθεν, vgl. De gen. anim. II 3, 736b27ff.) in die menschliche Seele gelangt29. Die übrigen Teile der menschlichen Seele sind hingegen nicht abtrennbar (ού χωριστή). Denn der Mensch ist aufgrund seiner Materialität und Potentialität vergänglich und nicht seinem Wesen nach reine Energeia wie der göttliche Nous. Deswegen bestehen offenbar auch erhebliche Unterschiede in der Erkenntnisart zwischen dem intuitiven, noetischen, immerwährenden Schauen des göttlichen Nous und dem vornehmlich diskursiven Erkennen des menschlichen

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Zur intuitiven Erkenntnisweise dieses BerUhrens, die auch M. Heidegger als entscheidend hervorgehoben hat, vgl. auch K. Oehler (op. cit. [Kap. IV, Anm. 24], 217ff.), der dieses noetische Denken dem dianoetischen Denken gegenüberstellt. Ob dieser unstoffliche Nous des Menschen deshalb mit dem göttlichen identifiziert werden kann - wie es mehrfach in der Spatantike vertreten und diskutiert wurde, z.B. von Simplicius oder Alexander von Aphrodisias - , kann hier nicht vertieft werden. Vgl. dazu auch folgende Anm.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grandbereiche des Seienden in Met. Λ

aktiv tätigen Nous, der nur der Möglichkeit nach alle Eide ist, in Wirklichkeit jedoch nichts von ihnen, bevor er in Wirklichkeit etwas denkt30. 4. Die teleologische Seinsordnung des Aristoteles zwischen bloßer Möglichkeit und reiner Wirklichkeit Die Seinsordnung des Aristoteles wird begrenzt durch die Extreme der beiden Modalbestimmungen der bloßen Möglichkeit und der reinen, vollendeten Wirklichkeit, da die Modalbegriffe bei Aristoteles für alle Seinsbereiche gelten und ihnen somit universalontologische Bedeutung zukommt (vgl. Met. Δ 7, Θ 1). Obwohl diese nichts über den Sachgehalt des jeweiligen Seienden, sondern nur Uber dessen Seinsweise aussagen, stehen durch diese disjunktiven Bestimmungen alle Seienden in einem engen systematischen Zusammenhang: (1) Den Zustand der bloßen ontologischen Möglichkeit repräsentiert die völlig unbestimmte und als solche unerkennbare ,erste Materie' (πρώτη ΰλη, Met. Ζ 7, 1032a20; Ζ 11, 1037a27; Θ 7, 1049a35ff.), die einen .Grenzbegriff bildet (vgl. Kap. III 2), da sie als bloße Möglichkeit nicht-seiend ist, sondern jenseits bzw. außerhalb der alles Seiende klassifizierenden Kategorien liegt. (2) Die bereits geformte, aber noch nicht endgültig bestimmte, aber noch bestimmbare, weiter zu spezifizierende letzte Materie (έσχάτη ύλη, materia segnata) ist hingegen auf gewisse Weise Ousia, nämlich der Möglichkeit nach Ousia (δυνάμει ουσία, Met. H 2, 1042b9f.; A 5, 1071a3-ll). (3) Demgegenüber hat die aus Materie und Form zusammengesetzte, sinnlichwahrnehmbare Ousia (ούσία αισθητή) den Verwirklichungsprozeß abgeschlossen, indem sie vom Zustand der Möglichkeit in den Status der Wirklichkeit übergegangen ist, und zwar durch ein bereits der Wirklichkeit nach Seiendes. (4) Als das Bestimmende, Verwirklichende und Vollendende fungiert hierbei das Eidos des jeweiligen Einzelnen, sofern es als Essenz dessen wesentliches Wassein und wirkliches Sein ausmacht und infolgedessen als primäre Ousia des jeweiligen Einzelwesens gilt (Met. Ζ 7, 1032blf.; vgl. Kap. III 3-4). (5) Die immerwährenden, göttlichen Ousiai - die Himmelskörper bzw. Gestirne - verfügen über einen höheren Vollkommenheitsgrad: Sie sind zwar unvergänglich, aber ebenso bewegt wie die zusammengesetzten vergänglichen Seienden. 30

Die Unterschiede zwischen menschlicher und göttlicher Erkenntnisart betont zu Recht H. Seidl (op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, 579). Vgl. in diesem Zusammenhang auch E. Oeser (Begriff und Systematik der Abstraktion. Die Aristotelesinterpretation bei Thomas von Aquin, Hegel und Schelling als Grundlegung der philosophischen Erkenntnislehre (Überlieferung und Aufgabe 8), Wien/München 1969, 128f.) und I. Düring (op. cit. [Einleitung, Anm. 32], 576-583). Hingegen sieht J. de Filippo (The .Thinking of Thinking' in Met. Λ 9, in: Journal of the History of Philosophy 33, 1995, 543-562) Uberhaupt keine Gemeinsamkeit zwischen göttlichem und menschlichem Denken aufgrund der Potentialität des menschliche Nous.

4. Die teleologische Seinsordnung des Aristoteles

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(6) Die Seinsordnung des Aristoteles kulminiert in deijenigen Ousia, die absolut unbewegt ist und die sich als erste Ursache der immerwährenden Kreisbewegung der unvergänglichen Ousiai erweist. Jener völlig unbewegten Ousia darf notwendigerweise aufgrund des bei Aristoteles stets zu vermeidenden unendlichen Regresses keinerlei Veränderlichkeit zukommen. Sie muß vielmehr schlechthin unveränderlich, unvergänglich, ewig und unbewegt sein, aber zugleich alle Bewegung und Veränderung im Kosmos erst ermöglichen, und zwar indem sie „wie ein Geliebtes" (ώς έρώμενον, Met. Λ 7, 1072b3) bewegt. Dieser erste unbewegte Beweger existiert nicht nur - wie jede andere Ousia - als bestimmtes Einzelwesen der Wirklichkeit nach {Met. Λ 5, 1071a8f.), sondern ist wesentlich durch reine Energeia ausgezeichnet. Diese ist eine der zuvor erörterten inneren Bestimmungen der Noesis Noeseos, deren nähere Analyse in die philosophische Theologie fällt. Da es sich bei jenen Bestimmungen des Vollkommensten um universalontologische Grundbestimmungen des Seienden als solchen handelt, zeigt sich, daß eine Ontologie-Konzeption, die für alles Seiende - und zwar in allen seinen Grundbereichen - gilt, auch den Seinsbereich des Göttlichen einschließt. Als Vollkommenstes ist die Noesis Noeseos für alles übrige Seiende das letzte Ziel. Dadurch ergibt sich eine teleologische Zusammenordnung alles Seienden: Alle Ousiai stehen nämlich in einer dreifach gestaffelten hierarchischen Stufung der Vollkommenheiten unter dem Maßstab der Wirklichkeit in einer bestimmten Ordnung zueinander, ohne daß sie dadurch in den ontologischen Grundbestimmungen des Seienden als solchen, die für alle gleichermaßen gelten, tangiert werden. Denn gemäß Met. Λ 1 und Met. Λ 6 sind sie - unabhängig vom Vollkommenheitsgrad in ihrem jeweiligen Seinsbereich - alle Ousiai, d.h. primär und an sich Seiende (vgl. Met. Ζ 1). Der Seins- und Ousia-Charakter bleibt also für alle Ousiai gleich31. Die Grundbestimmungen des Seienden und was ihm als solchem zukommt - die Kategorien, durch die alles Seiende eingeteilt und klassifiziert werden kann, die Modalbestimmungen Möglichkeit und Wirklichkeit als disjunktiv einander ausschließende Seinsweisen und die bereits bei Aristoteles vorgeprägten Transzendentalien, jene ersten, .gemeinsamsten' Begriffe (icommunissima), die dem Seienden unmittelbar folgen (concomitantes), sich in allen Kategorien finden und jenes bei sachlicher Identität begrifflich näher explizieren32 - werden gleichermaßen auch dem vollkommensten, göttlichen Seienden attribuiert. Dessen Seinsart ist somit von derjenigen des vergänglichen Seienden nicht völlig verschieden33. Es befindet sich lediglich in einem anderen

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Das allgemeine Sein als solches ist demnach für Aristoteles keine Vollkommenheit, wie etwa spater bei Anselm von Canterbury (Proslogion, c. 2), bei Thomas von Aquin oder dann bei Descartes (S. Meditation). Zur Kennzeichnung der Transzendentalien als communissima vgl. Kap. I5. Vgl. im Unterschied dazu die Seinsordnung des Thomas in De ente et essentia (op. cit. [Kap. II, Anm. 52], c. IV, vgl. Anm. 13), wonach allem geschöpflichen Seienden erst von Gott als reiner Wirklichkeit (actus purus) das Sein in einem schöpferischen Akt verliehen wird. Als Feiner Akt

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

Grundbereich des Seienden, in einer anderen „Seinsregion" (N. Hartmann) mit einer anderen Seinsweise. Die Seinsweisen erweisen sich demnach nicht als völlig divers, sondern es besteht offenbar trotz des je unterschiedlichen Vollkommenheitsgrades eine innere systematische Kontinuität und Gemeinsamkeit aller Grundbereiche des Seienden, welche durch jene universalontologischen Grundbestimmungen des Seienden als Seienden und was ihm als solchem zukommt (Met. Γ l) 34 gewährleistet wird. Damit wird eine Konzeption Erster Philosophie ermöglicht, die nicht nur für das vergängliche, von Substanz und Akzidens bestimmte Seiende gilt - denn dann wäre die Physik jene erste Wissenschaft - und auch nicht ausschließlich für das unvergängliche Seiende und ebensowenig lediglich für ein exemplarisches, paradigmatisches Seiendes, den ersten unbewegten Beweger. Denn in diesem Fall würde jene Wissenschaft als Universalwissenschaft nicht mehr alles Seiende umfassen können35. Im Unterschied zu spätantiken griechischen Aristoteles-Kommentatoren, welche Aristoteles' ,Erste Philosophie' ausschließlich als Wissenschaft vom Göttlichen verstanden36, wurde jene zur Zeit der Aristoteles-Rezeption im 13. Jahrhundert als Universalwissenschaft aufgefaßt, deren Grundbestimmungen allem Seienden zukommen37. Die Metaphysik-Kommentare des Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Duns Scotus sind durch den bedeutsamen Einfluß des arabischen Philosophen Avicenna und der Lehre von den ersten Verstandesbe-

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und erste Ursache können ihm universalontologische Grundbestimmungen, die allem Seienden als Seienden zukommen - etwa die Transzendentalien - nur per analogiam attribuiert werden. Zur Appropriationslehre, d.h. einer Zuschreibung von Bestimmungen an eine der drei göttlichen Personen der Trinität vgl. Kap. III, Anm. 136 und 137. Vgl. hierzu Kap. V S mit einer typologischen Kennzeichnung dieser Ontologie-Konzeption. Um dieses Problem zu lösen, hat die Aristoteles-Forschung häufig - wie bereits Alexander von Aphrodisias (op. cit. [Kap. II, Anm. 25], 245, 29 - 246, 13), W. Jaeger (op. cit. [Einleitung, Anm. 14]) und Heidegger - das Seiende als Seiendes (tò ôv f¡ öv) mit der göttlichen Ousia gleichgesetzt. Vgl. ebenso in diesem Sinne A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], IV, 35), Ph. Merlan (op. cit. [Kap. II, Anm. 4]; vgl. ders., From Platonism to Neoplatonism, Den Haag 1953,31968, 160ff.) oder J. Owens (op. cit. [Einleitung, Anm. 49], 239fF., 286f„ 299). Diese Deutung hat A. Mansion (Philosophie première, philosophie seconde et métaphysique chez Aristote, in: Revue philosophique de Louvain 56, 1958, 165-221; dt. in: Metaphysik und Theologie des Aristoteles, hrsg. von F.-P. Hager (Wege der Forschung 206), Darmstadt 1969, 2 1979,299-366) scharf kritisiert und aufgrund der inneren Widersprüche zwei voneinander verschiedene Wissenschaften vorgeschlagen: eine theologische Wissenschaft vom Unbewegten (Met. E 1, 1026a 10-18) als Erste Philosophie und eine Wissenschaft vom Seienden als Seienden als „Metaphysik". - Wenn sich auch in Met. Γ 1 der Begriff,Erste Philosophie' nicht findet, so ist dennoch problematisch, wie eine Wissenschaft der unbewegten Ousia zu konzipieren ist, wenn die Lehre vom Seienden als solchen, die für alles Seiende gelten soll, einer davon unterschiedenen Wissenschaft zukommt. Zu weiteren Kontroversen vgl. Vf., op. cit. [Kap. III, Anm. 1], 25,31. Vgl. hierzu die Deutungen des Simplicius (op. cit. [Kap. II, Anm. 5]) und Asclepios (op. cit. [Kap. II, Anm. 43], 1, 17- 20; 235, 13 - 236, 6) sowie später die Ansicht des Averroes. Vgl. auch K. Kremer, op. cit. [Kap. II, Anm. 5], 209-213. Vgl. A. Zimmermann, Ontologie oder Metaphysik? Die Diskussion Uber den Gegenstand der Metaphysik im 13. und 14. Jahrhundert. Texte und Untersuchungen (Studien und Texte zur Geschichte des Mittelalters 8), Leiden/Köln 1965 (Recherches de Théologie et Philosophie médiévales, Bibliotheca 1), Löwen J1998.

4. Die teleologische Seinsordnung des Aristoteles

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griffen und vom Seienden als dem Gemeinsamsten38 entscheidend geprägt: Während das Verhältnis zwischen dem zugrundeliegenden Gegenstand der Metaphysik (genus subiectum) und dem Göttlichen bei Albertus Magnus noch offenbleibt39, integriert Thomas von Aquin das Göttliche als Prinzip alles übrigen Seienden in seine Metaphysik-Konzeption40. Unter diesen mittelalterlichen Konzeptionen der Ontologie als allgemeiner Seinswissenschaft vom Seienden als solchen steht Thomas - im Unterschied zu Averroes und den theologischen Deutungen der spätantiken Kommentare - Aristoteles insofern näher, als er in einer Ontologie, als deren Gegenstand das Seiende als Seiendes fungiert und was ihm als solchem zukommt, eine Lehre vom 38 39

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Vgl. Avicenna(op. cit. [Anm. 13], I, 5,3 If.) und Zimmermann (op. cit. [Anm. 37], 144-152). Nach Albertus Magnus (Met. 1,1,2, op. cit. [Kap. V, Anm. 128], 3ff.) beruht die wissenschaftliche Einheit der Ersten Philosophie auf dem allen ihren Aussagen zugrundeliegenden und daher gemeinsamen Gegenstand, auf den sie bezogen sind. Dieser ist das Seiende im allgemeinen (ens commune), und sofern es seiend ist (inquantum est ens), jedoch nicht das Göttliche oder die „ersten Ursachen", da diese Wissenschaft sich mit den Ersten (prima) und Gemeinsamsten (transcendentia) befaßt. Denn als das in kognitiver und ontologischer Hinsicht Erste erweist sich das Seiende (ens). Erste Philosophie (metaphysica) ist somit allgemeine Ontologie. Vgl. zur Metaphysik Alberts Α. Zimmermann, op. cit. [Anm. 37], 187-198, G. Wieland, Untersuchungen zum Seinsbegriff im Metaphysikkommentar Alberts des Großen (Beitrage zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, N. F. 7), Münster 1972,21992, und J. A. Aertsen, Albert der Große und die Lehre von den Transzendentalien, in: Omnia Disce, Festschrift ftlr W. P. Ekkert, hrsg. von W. Senner, Köln 1996, 159-168, hier: 166ff. - Duns Scotus bezeichnet die Metaphysik ausdrücklich als „scientia transcendens" (Quaestiones subtilissimae super libros Metaphysicorum Aristotelis, prol. n. 5, in: Opera omnia VII, hrsg. von L. Vivès, Paris 1893), allerdings nicht im Sinne einer Wissenschaft vom Transzendenten, sondern von Bestimmungen des Seienden, die allen Seienden „gemeinsam" (communia) sind und somit die besonderen Seinsweisen der Kategorien „übersteigen". Vgl. hierzu E. Gilson, L'objet de la métaphysique selon Duns Scot, in: Mediaeval Studies 10, 1948, 21-92; A. Zimmermann, op. cit. [Anm. 37], 294329; und L. Honnefelder, Ens inquantum ens. Der Begriff des Seienden als solchen als Gegenstand der Metaphysik nach der Lehre des Johannes Duns Scotus (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, N. F. 16), Münster 1979, M989; vgl. ders., Scientia transcendens. Die formale Bestimmung der Seiendheit und Realität in der Metaphysik des Mittelalters und der Neuzeit (Paradeigmata 9), Hamburg 1990. Vgl. Thomas von Aquin, op. cit. [Einleitung, Anm. 26], prooem.: Der eigentümliche Gegenstand (genus subiectum) der Ersten Philosophie ist das Seiende im allgemeinen (ens in commune), und was ihm als solchem folgt. Da diese Wissenschaft auch dessen Prinzip untersucht und sich gemäß der Seinshierarchie (vgl. De ente et essentia, c. IV) Gott als universale Ursache alles Seienden erweist, handelt sie auch von Gott. Dieser gehört jedoch als eigentümlicher Gegenstand zu einer anderen Wissenschaft, nämlich zu der auf Offenbarung gegründeten, christlichen Theologie (theologia Sacrae Scripturae). Vgl. Super Boetium De trinitate V 4, in: Opera omnia L, ed. Leonina, Rom 1992. - Es gibt also eine zweifache Theologie (duplex theologia): eine Offenbarungs-Theologie und eine davon unterschiedene philosophische Theologie (sive metaphysica). Zu dieser ontologischen Konzeption der Ersten Philosophie vgl. J. A. Aertsen, Die Lehre von den Transzendentalien und die Metaphysik. Der Kommentar von Thomas von Aquin zum IV. Buch der Metaphysica, in: Freiburger Zeitschrift ftlr Philosophie und Theologie 35, 1988, 293-316, hier: 300ff.; ders., Was heißt Metaphysik bei Thomas von Aquin? In: .Scientia' und ,ars' im Hoch- und Spätmittelalter, hrsg. von I. Craemer-Ruegenberg und A. Speer, Berlin/New York 1994, 217-239. - Vgl. zum A/etopAys/i-Kommentar des Thomas von Aquin: A. Zimmermann, op. cit. [Anm. 37], 200-223; J. Doig, Aquinas on Metaphysics. A Historico-Doctrinal Study of the Commentary on the Metaphysics, Den Haag 1972, und L. Elders, The Metaphysics of Being of St. Thomas Aquinas in a Historical Perspective, Leiden/New York/Köln 1993.

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

Göttlichen fundiert, indem er Gott als Wirkursache alles geschöpflichen Seienden auffaßt, wenn auch diese .Schöpfungsmetaphysik' mit Aristoteles' These von der Ewigkeit der Welt unvereinbar ist. Anders als bei den vorgenannten ontologischen Metaphysik-Entwürfen einiger mittelalterlicher Denker erweisen sich für Meister Eckhart die Grundbestimmungen des Seienden, die transcendentia, eigentlich und primär als Gottesnamen in Anknüpfung an Pseudo-Dionysius Areopagita41 {De divinis nominibus), bei dem das Gute als primärer Gottesname sogar dem Seienden noch vorgeordnet ist. Nach Eckhart kommen die bei Aristoteles universalontologisch konzipierten Bestimmungen also nicht jedem Seienden zu, sondern eigentlich nur Gott. Sie gelten nämlich nicht nur als dessen Bezeichnungen oder Namen, sondern werden mit ihm unmittelbar identifiziert, so daß hier Transzendentes und Transzendentales gleichgesetzt werden, worin die eigentümliche Sondergestalt der Transzendentalienlehre Meister Eckharts besteht42. Gleichwohl können auf derivative und deliziente Weise die transcendentia auch dem geschöpflichen Seienden attribuiert werden, sofern dieses an jenem eminenten, allem Seienden erst das Sein verleihenden, höchsten Seienden teilhat. Dieser Ausblick auf verschiedene Interpretationen der ,Ersten Philosophie' des Stagiriten zur Zeit der Aristoteles-Rezeption im 13. Jahrhundert hat gezeigt, aufweiche Weise die Bestimmungen vom Seienden als solchen {Met. Γ 1, 1003 a21-32) und vom unbewegten, unstofflichen Seienden (Met. E 1, 1026a29-32) im Mittelalter aufgenommen und weiterentwickelt wurden. Im folgenden wird die genuin Aristotelische Ontologie in den Kontext verschiedener Ontologie-Typen, die in der Geschichte der Philosophie vertreten wurden, gestellt, in ihrem Charakter gekennzeichnet und von anderen möglichen Formen von Ontologie abgegrenzt, um damit zugleich einen Einblick in die immense Wirkungsgeschichte dieser 'ersten Substanz-Metaphysik' zu geben.

5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in verschiedene Ontologie-Typen Wenn man die .Erste Philosophie' des Aristoteles als Ontologie, d.h. als eine Lehre von den Grundbestimmungen des Seienden als solchen, typologisch klassifizieren will43, so ist sie inhaltlich in erster Linie eine Substanz-Ontologie, eine 41

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Vgl. Ps.-Dionysius Areopagita (op. cit. [Kap. IV, Anm. 135]), c. IV (über das Gute), c. XIII (über das Eine) und c. V (über das Sein); vgl. auch die Dionysius-Kommentare des Albertus Magnus und des Thomas von Aquin. Vgl. Meister Eckhart, Prologus in opus propositionum, n. 4. Zu dessen Transzendentalienlehre vgl. J. A. Aertsen, Ontology and Henology in Medieval Philosophy, in: On Proclus and his Influence in Medieval Philosophy, hrsg. von E. P. Bos und P. A. Meijer, Leiden/New York/Köln 1992, 120-140, hier: 135ff. Zur Klassifizierung verschiedener Ontologie-Typen vgl. K. Düsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 61 f., 75f.; sowie Vf., op. cit. [Kap. III, Anm. 1], 33ff.

5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in Ontologie-Typen

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Wissenschaft von der Ousia, eine Ousiologie' 44 , da sich als das grundlegend und an sich Seiende die Ousia erweist. Dieser Substanz-Ontologie steht eine Ereignis- oder Prozeß-Ontologie gegenüber, bei der nicht das Seiende selbst, sondern dessen Begreifen entscheidend ist. Im Hinblick auf die Erkennbarkeit des Seienden handelt es sich bei Aristoteles um eine Gegebenheits-Ontologie45, da das Daß des Seienden bereits stets vorgängig gegeben ist (vgl. Met. Ζ 17), d.h. als positiv beantwortet vorausgesetzt wird und nicht syllogistisch oder formallogisch beweisbar ist. Während die Kategorienschrift das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) als Unteilbares (ατομον) auffaßt und dessen Konstituentien nicht weiter analysiert, gehen die Überlegungen der Metaphysik tiefer, indem nun auch ontologisch konstitutive Möglichkeitsbedingungen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang erweist sich das Eidos als Unzusammengesetztes und schlechthin Einfaches, sofern es die Essenz des Einzelwesens ausmacht und dann dessen primäre Ousia darstellt {Met. Ζ 7). Diese ist nicht auf ein noch Früheres zurückzuführen, da sie als das auf jede Weise erste Seiende gilt (Met. Ζ 1). Wegen der Unmöglichkeit eines unendlichen Regresses muß es für Aristoteles erste Begriffe bzw. primär Seiende geben, die in ihrer Existenz einfach hinzunehmen und bei jeder weiteren Untersuchung notwendigerweise vorauszusetzen sind. Jener .realistischen' Gegebenheits-Ontologie steht nun eine idealistische Konstitutions-Ontologie gegenüber, in der dasjenige, was eigentlich ist, vom Denken erst konstituiert wird46. Aristoteles' Ontologie der Ousia kann man ferner als pluralistisch47 charakterisieren, und zwar im Unterschied zu einer monistischen Ontologie-Konzep44

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Mit dieser Bezeichnung stellten G. Reale (op. cit. [Kap. II, Anm. 20], III, 318; vgl. ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 36], XXII, XXVII, 79ff.) und W. Marx (op. cit. [Kap. II, Anm. 19], 12, 30, 36ff.) die Ousia in den Mittelpunkt der Aristotelischen Metaphysik. Vgl. in diesem Sinne auch J. Stenzel (op. cit. [Kap. III, Anm. 168], 129), M. Kessler (op. cit. [Kap. III, Anm. 164], 44,121) und M. Frede/G. Patzig (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], II, 230). M. Heidegger (Aristoteles, Metaphysik Θ 1-3. Von Wesen und Wirklichkeit der Kraft, (Freiburger Vorlesung Sommersemester 1931), in: Gesamtausgabe Bd. 33, hrsg. von H. Htlni, Frankfurt a.M. 1981,1-48) sieht in Aristoteles' Ontologie den letzten Ausläufer eines ursprünglichen Verständnisses eines Seienden, das von sich her aufgeht und nicht erst durch Denken konstituiert wird. Mit dieser Hervorhebung einer Gegebenheits-Ontologie bei Aristoteles integriert Heidegger dessen Lehre in seine Geschichte der zunehmenden Seinsverbergung, nach der die Tatsache, daß sich das Seiende von sich her zeige, im Zeitalter der modernen Technik, in dem Seiendes nur als Machbares gelte, in Vergessenheit geraten sei. - Der späte Heidegger sieht das sich von sich her Zeigende (φύσις) als Folge der Lichtung des Seins (Entbergung), das also nicht wieder hergestellt, nicht wieder konstituiert wird. So ist Hegels Ontologie-Konzeption im Unterschied zu Aristoteles keine Substanz- und Gegebenheits-Ontologie, sondern eine idealistische Ereignis- oder Prozeß-Ontologie und zudem eine Konstitutions-Ontologie, in der die Bestimmungen des Seienden erst von der sich selbst denkenden Subjektivität zustande gebracht werden. Vgl. hierzu Anm. 51, zu weiteren Unterschieden zwischen Hegels und Aristoteles' Theorie K. DUsing, op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 91 f. Diese Ontologieform findet sich später auch in Leibniz' Lehre von der Monade als einfacher und unteilbarer Substanz (vgl. Monadologie, § 19, in: Die philosophischen Schriften von G. W. Leibniz, Bd. 6, hrsg. von C. J. Gerhardt, Berlin 1875, ND Hildesheim 1960, 607-610), die als individuell bestimmte Einheit als das eigentlich Seiende durch ein spezifisches Vermögen die Vielheit ihrer modalen Zustände ermöglicht, ihrer Akzidentien. Sie besteht jeweils für sich

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V. Ausblick: Anwendung auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

tion, wie sie später z.B. Spinoza entwickelte mit seiner Lehre von der Einen Substanz, die allein autark ist48. Nach Aristoteles gibt es hingegen zahlreiche bestimmte Einzelwesen, die jeweils selbständig existieren, ohne eines anderen Trägers zu bedürfen und daher alle gleichermaßen Ousiai sind. Diese können aus Hyle und Eidos zusammengesetzte Ganzheiten sein (συνθέται οΰσίαι) nämlich die vergänglichen, sinnlich-wahrnehmbaren konkreten Individuen oder aber immerwährende Himmelskörper oder unbewegte Sphärenbeweger. Auch der erste, rein eidetisch bestimmte, völlig unbewegte Beweger, der aufgrund reiner Energeia ohne jede Potentialität ist und wegen seiner Noesis Noeseos an der Spitze der Hierarchie der Vollkommenheiten steht, ist ontologisch betrachtet ein bestimmtes Einzelwesen, wie alle anderen, ihm an Vollkommenheit nachgeordneten und ihn daher als Telos erstrebenden Ousiai. Was die methodische Entwicklung der Ontologie des Aristoteles angeht, so ist sie urteilslogisch ausgerichtet, und zwar am einfachen, kategorischen Urteil. Sie geht also von Urteilsfunktionen als Weisen, 'ist' zu sagen, aus und stellt daraufhin ontologische Grundbestimmungen des Seienden als solchen auf. Auf diese Weise läßt sich dieser Ontologietyp von einer dialektischen Ontologie abgrenzen, in der erst eine eigene Methode zur Aufstellung jener Grundbestimmungen konzipiert wird, z.B. von Plato oder Hegel. Für Aristoteles sind hingegen Aussagen nur dann sinnvoll, wenn sie sich notwendigerweise auf reales Seiendes (τα πράγματα) beziehen und mit diesem ontologisch übereinstimmen. Es handelt sich also hierum eine .realistische', urteilslogisch orientierte Ontologie.

selbst und erleidet keine Einwirkung von Seiten anderer (ebd., § 7). - Bei Aristoteles existiert das bestimmte Einzelwesen (τόδε τι) selbständig für sich (χωριστόν), ohne eines anderen Trägers zu bedürfen, da es selbst Zugrundeliegendes ist. Jenem spezifischen Vermögen bei Leibniz, das fllr die Vielheit der Akzidentien verantwortlich ist, dieser aktiv erzeugenden Kraft, entspricht bei Aristoteles das Eidos, sofern dieses als Essenz (τί ήν είναι) das wirkliche Sein und wesentliche Wassein des Einzelnen ausmacht, das sonst nur unbestimmte Materie wäre. - Bei Leibniz sind die Akzidentien in ihrem Zusammenhang auf die substantielle Einheit bezogen, wie auch für Aristoteles alles akzidentell Seiende in einer ontologischen Pros-Hen-Relation auf Ein Prinzip (πρός μίαν άρχήν, Met. Γ 2, 1003b5f.), auf die Ousia als Eines und primär Seiendes hingeordnet ist. - Leibniz' Lehre von der einfachen unteilbaren Substanz schließt endliche Monaden, die Körperlichem zugeordnet sind, ebenso ein wie die unendliche, vollkommene Substanz, Gott (Monadologie, §§ 39-58). Daß dieser aber mit dem Universum auch die Monaden als deren Grundelemente geschaffen hat, ist mit Aristoteles' These von der Ewigkeit der Welt nicht mehr zu vereinbaren. Weiterführend zu Leibniz' Substanzlehre vgl. J. Jalabert, La théorie Leibnizienne de la substance, Paris 1947, ND New York 1985; W. Stegmaier, Substanz. Grundbegriff der Metaphysik (Problemata 63), Stuttgart/Bad Cannstatt 1977, 181ff., zur vollkommenen Substanz: 198-214; R. S. Woolhouse, Descartes, Spinoza, Leibniz: The concept of substance in n^-century-metaphysics, London 1993; und K. Engelhard, Rationalistischer Monismus und Leibniz' Theorie der Materie, in: Aufklärungen. Festschrift für K. DUsing zum 60. Geburtstag, hrsg. von K. Engelhard (Philosophische Schriften 47), Berlin 2002,39-62, hier: 51-55. 41

Vgl. zur Substanz-Definition Spinozas: Ethica ordine geometrico demonstrata I, def. III, in: Opera II, hrsg. v. C. Gebhardt, Heidelberg 1925, ND 1973, 45f. Zur Anknüpfung dieser monistischen Ontologie an Aristoteles' Nous-Lehre vgl. K. DUsing, Von der Substanz zum Subjekt: Hegels spekulative Spinoza-Deutung, in: Spinoza und der deutsche Idealismus, hrsg. von M. Walther, Würzburg 1991, 163-180, hier: 166ff.; und R. S. Woolhouse, op. cit. [Anm. 47].

5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in Ontologie-Typen

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Aristoteles' Ontotogie der Ousia ist insbesondere universalistisch , da die universalontologischen Grundbestimmungen - d.h. Kategorien, Modalbestimmungen Möglichkeit und Wirklichkeit sowie die Transzendentalien (vgl. Kap. I 5), die sich bereits nach Aristoteles in allen Kategorien finden (vgl. NE 14) - für alles Seiende gelten, für Artefakte ebenso wie für das vollkommenste göttliche Seiende, den ersten unbewegten Beweger. Denn die Einteilung in die zehn Kategorien bzw. die fundamentale Grundunterscheidung von Substanz und Akzidens (vgl. Cat. 4, Met. Ζ 1) umfaßt alles Seiende, wobei die alte Frage „Was ist das Seiende?" (τί το öv) letztlich hinausläuft auf die Frage: „Was ist die Ousia?" (τίς ή ουσία, Met. Z I ) . Alles akzidentell bestimmte und daher nur auf sekundäre Weise Seiende ist auf Eine Ursache (προς μίαν άρχήν, Met. Γ 2, 1003 b5ff.), auf das auf erste Weise (πρώτως öv, vgl. Met. Ζ 1, 1028a30) und einfachhin Seiende (άπλως öv) bezogen: die Ousia. Diese Pros-Hen-Relation alles derivativen Seienden zur Ousia hat ontologischen Charakter und drückt ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis alles übrigen Seienden von der Ousia aus, ermöglicht aber zugleich überhaupt erst eine wissenschaftliche Einheit der Ersten Philosophie. Nur aufgrunddessen handelt die Wissenschaft von der Ousia zugleich von allem Seienden und kann daher als Universalwissenschaft gelten, die nicht ausschließlich einen bestimmten, im Gegenstandsbereich begrenzten Teil des Seienden untersucht - wie alle übrigen Wissenschaften (vgl. Met. Γ 1, 1003 a25) - , sondern alles Seiende einschließt, sofern es Seiendes ist. Die Gesamtheit des Seienden existiert somit entweder selbständig und liegt allem übrigen unselbständig Existierenden notwendig zugrunde - dann handelt es sich um Ousiai, um primär Seiende - oder es inhäriert als derivatives Seiendes jenem ontologisch Zugrundeliegenden50. 49

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Ein universalistischer Charakter kommt auch dem Kategoriensystem in Kants Kritik der reinen Vernunft als Gedankensystem zu, der jedoch den Namen Ontologie ablehnt und stattdessen aufgrund einer Erkenntnisrestriktion eine Transzendentalphilosophie propagiert, weil man das Seiende, so wie es ist, nicht erkennen könne. Daher kann man das Seiende als Seiendes (τό öv fj öv) nicht mit der Ousia schlechthin identifizieren, wie z.B. A. Schwegler (op. cit. [Einleitung, Anm. 28], III, 152; IV, 1), H. Bonitz (op. cit. [Kap. II, Anm. 20] 171), P. Natorp (Thema und Disposition der aristotelischen Metaphysik, in: Philosophische Monatshefte 24, 1888, 37-65, 540-574, hier: 37), Ch. Werner (Aristote et l'idealisme Platonicien, Paris 1910, 5), O. Hamelin (Le système d'Aristote, hrsg. von L. Robin, Paris 1920,21931,394), G. Reale (op. cit. [Einleitung, Anm. 36], 104,329), H. Schmitz (op. cit. [Einleitung, Anm. 6], 1,2, 81,90f., 489), und H. Seidl, op. cit. [Einleitung, Anm. 57], II, XVIII. Nach L. Routila (Die aristotelische Idee der Ersten Philosophie. Untersuchungen zur ontotheologischen Verfassung der Metaphysik des Aristoteles (Acta philosophica Fennica 23), Amsterdam 1969, 109), der die verschiedenen Bestimmungen der Metaphysik zur 'Ersten Philosophie' analysiert, handelt die Wissenschaft des Seienden als solchen vom Seienden im allgemeinen, nicht von der Ousia, was jedoch weder der Pros-Hen-Relation noch der Ousia als ontologischer Konstitutionsbedingung für alles akzidentell Seiende gerecht wird. Denn Aristoteles' Erste Philosophie ist in erster Linie Substanz-Ontologie. - Dasselbe gilt für W. Leszl (op. cit. [Einleitung, Anm. 25], 164f.), der zwar zu Recht eine Gleichsetzung des Seienden als Seienden mit der Ousia ablehnt (184-190), jedoch diese Ontologie als Lehre vom Seienden in abstracto auffaßt. - Zur Diskussion einer in der Forschung ebenfalls weitverbreiteten Gleichsetzung des Seienden als Seienden mit der göttlichen, transzendenten Ousia vgl. Anm. 35.

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V. Ausblick: A n w e n d u n g auf die Grundbereiche des Seienden in Met. Λ

Da nun die Untersuchungen der Ersten Philosophie, die nach den Ursachen der φύσει οντα fragt, über eine hierarchische Stufenleiter von Vollkommenheiten, über unvergängliche Ousiai (Met. Λ 1-5) letztlich zu einem unbewegt-bewegenden, vollkommensten und daher göttlichen Seienden führen, schließt Aristoteles' Erste Philosophie als eine für alles Seiende geltende, universalistische Ontologie auch eine paradigmatische Ontologie vom höchsten Seienden mit ein51, in der jene Seinsbestimmungen auf eminente Weise einem exemplarischen Seienden zukommen, an dem alles übrige Seiende gemessen wird. Aufgrund jener universalistischen Ausrichtung bleiben aber trotz der Auszeichnung eines solchen exemplarischen, vollkommensten Seienden alle ihm nachgeordneten, weniger vollkommenen Ousiai in ihrem Ousia-Charakter gleich. Denn ihr Unterschied besteht lediglich im jeweils erreichten Vollkommenheitsgrad. Wie gesehen umfaßt Aristoteles' Ontologie der Ousia alles Seiende und ihre Grundbestimmungen gelten somit gleichermaßen für alle Grundbereiche des Seienden, für alle Seinsregionen - also auch für die göttliche Seinsregion und die entsprechend konstituierten Ousiai (Met. Λ 1). Daher ist die .Erste Philosophie' zugleich eine Wissenschaft, die vom Unbewegten (Met. Λ 6-10), Unveränderlichen und Immateriellen handelt und folglich als „göttliche Wissenschaft" (θεολογική έπιστήμη, Met. E 1, 1026al9; Κ 7, 1064b3) bezeichnet wird. Als solche ist sie ebenso eine Wissenschaft von den ersten Ursachen (Met. A 2) bzw. von den Ursachen des Seienden als Seienden (Met. Γ 1, 1003a27-32; E l ) und letztlich eine Wissenschaft, die nach den Ursachen der Ousiai fragt (vgl. Met. Λ 1), da sich der erste unbewegte Beweger als Bewegungsursache von allem und zugleich als letzte teleologische Ursache für alle ihm an Vollkommenheit untergeordneten Ousiai erweist (Met. Λ 10). Aristoteles' Erste Philosophie ist also nicht ausschließlich „Theologie", d.h. eine Wissenschaft von einem völlig immateriellen, paradigmatischen Seienden, das aufgrund reiner Energeia und intuitiv-intellektueller Noesis Noeseos ontologisch ausgezeichnet ist52. Vielmehr wird in einer universalistischen Ontologie zugleich die paradigmatische Ontolo"

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Auch Hegels Konzeption ist einerseits eine paradigmatische Ontologie der in den Bestimmungen des Seienden sich selbst denkenden göttlichen Subjektivität, und zwar als dialektische Prozeß- bzw. Konstitutions-Ontologie (vgl. Anm. 46). Da aber nach Hegel letztlich alles, was ist, dialektisch-vernünftig ist, hat diese Ontologie-Form andererseits auch universalistischen Charakter und ist somit - wie bei Aristoteles - eine Onto-Theologie. Obwohl beide Theorien in den Grundtypen der Ontologie eher entgegengesetzt sind, knüpft Hegel an Aristoteles' Ontologie an, indem er dessen erste Ousia als konkrete Allgemeinheit auffaßt und den göttlichen Nous des Aristoteles in seine Lehre der absoluten Subjektivität affirmativ aufnimmt, ihn aber im Zeichen der eigenen Konzeption spekulativ umdeutet. Vgl. G. F. W. Hegel, op. cit. [Einleitung, Anm. 12], 151-168; sowie K. Düsing, op. cit. [Kap. II, Anm. 32], 124-132; vgl. ders., Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik. Systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zum Prinzip des Idealismus und zur Dialektik (Hegel-Studien Beih. 15), Bonn 1976, 2 1984, >1995, 305-313; ders., op. cit. [Einleitung, Anm. 4], 77ff.; ders., Tipi fondamentali dell' ontologia in Aristotele e Hegel, in: Hegel e l'antichità classica, hrsg. von S. Giammusso (Studi sul pensiero di Hegel 6), Neapel 2001, 53-75, hier: 66-75; ders., Noesis Noeseos e soggettività assoluta. La teologia aristotelica e la trasformazione di Hegel, in: ebd., 77-96, hier: 86-96. Zur WeiterfUhrung der Noesis Noeseos im Neuplatonismus vgl. Anm. 18.

5. Einordnung der Aristotelischen Ontologie in Ontologie-Typen

197

gie eines exemplarischen, vollkommensten Seienden systematisch fundiert, auf welches alles übrige Seiende als letztes Ziel hingeordnet ist. Diese erste Wissenschaft des Stagiriten ist somit auch teleologisch ausgerichtet. Denn der Kosmos des auf je verschiedene Weise Seienden ist nicht völlig divers, sondern alle Ousiai sind auf Eines hingeordnet (προς εν, Met. Λ 10): auf den ersten unbewegten Beweger, der alles andere Seiende unmittelbar oder mittelbar bewegt bzw. in Bewegung setzt, und zwar „wie ein Geliebtes" (ώς έρώμενον, Met. Λ 7, 1072b3). Er fungiert als erste Ursache aller Bewegung (αρχή κινήσεως) und zugleich als letztes Ziel (τέλος). Dieses Telos zeigt sich darin, daß alle Seienden zu diesem Einen hinstreben, indem jene versuchen, dessen Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit nachzuahmen, und zwar entweder durch Hervorbringung eines Wesensgleichen - um wenigstens der Art nach Ewigkeit zu erlangen (vgl. De an. II 4) - oder durch Teilhabe an seiner vollendeten Tätigkeit der reinen Betrachtung, die dem Menschen - eigentlich nur wenigen - nur selten und nur für kurze Zeit vergönnt ist (vgl. NE X 7-8). Durch den von Plato übernommenen ontologischen Zentralterminus der Ousia, den Aristoteles grundlegend modifiziert und auf eigentümliche Weise neu konzipiert hat, wird der Kosmos des Seienden in einem teleologischen Zusammenhang gehalten. An seiner Spitze steht ein paradigmatisches Seiendes, welches das Seiende „beherrscht", und zwar allein: „Einer sei Herrscher!" (Met. Λ 10, 1076a4f.). Die teleologisch ausgerichtete Pros-Hen-Beziehung aller Ousiai zu einem vollkommensten Seienden als letztes und höchstes Ziel setzt jedoch systematisch wiederum eine ontologische Pros-Hen-Relation alles akzidentell Seienden zum primär Seienden, zur Ousia, ebenso voraus wie die weiteren universalontologischen Grundbestimmungen des Seienden als solchen von Met. Z. Erst wenn diese expliziert sind, kann die universalistische Ontologie-Konzeption auf die verschiedenen Grundbereiche des Seienden bzw. auf die drei verschiedenen Ousia-Arten (Met. Λ 1) angewandt werden und damit auch auf den göttlichen Bereich. Die Erste Philosophie des Aristoteles ist demnach ebenso eine Lehre vom Unbewegten, Unveränderlichen und Immateriellen (Met. E 1), eine Lehre von den ersten Ursachen alles Seienden - wie in Met. A 2 filr die „gesuchte Wissenschaft" gefordert - und letztlich eine Lehre von den Ursachen der Ousiai, wie in Met. Λ als Anwendung jener universalontologischen Grundbestimmungen auf die verschiedenen Seinsregionen dargelegt wird.

VI. Resümee zur Ontologie der Ousia bei Aristoteles Da Aristoteles' Ousia-Lehre nicht in einer in sich abgeschlossenen Abhandlung vorliegt, müssen verschiedene Partien aus dem Corpus Aristotelicum miteinander in Beziehung gesetzt werden, in denen die Ousia als „das auf erste Weise Seiende" (Met. Ζ 1) thematisiert wird. So war die vorliegende Untersuchung von der Absicht geleitet, die entscheidenden Ousia-Bestimmungen aus der Kategorienschrift, Met. Δ 8 und vor allem Met. Z, ausblickhaft auch die Anwendung dieser Lehre auf die verschiedenen Seinsbereiche in Met. Λ zu analysieren und dabei die zunächst inkompatibel erscheinenden Aussagen des Aristoteles über die Ousia theoretisch konsistent zu machen. Im Zentrum stand das Dilemma von Met. Ζ 13, wie einerseits kein Allgemeines Ousia sein darf, andererseits aber das Eidos bzw. die spezifische Differenz, die als definitorischer Bestandteil offenbar ein Allgemeines ist (Met. Ζ 12), als primäre Ousia (Met. Ζ 7, Ζ 11) ausgezeichnet wird. Es hat sich bei der Erörterung der verschiedenen Bestimmungen gezeigt, daß Aristoteles zwar an der urteilslogisch ausgerichteten, frühen Ontologie-Konzeption der Kategorienschrift festgehalten hat, daß aber in den Untersuchungen der ,Ersten Philosophie' darüber, was als primäre Ousia zu gelten habe, offenbar auch ein Wandel stattgefunden hat. Die Ergebnisse seien nochmals kurz zusammengefaßt: Nach Cat. 5, wo erste und zweite Ousiai voneinander unterschieden werden, gilt als erste Ousia das unteilbare, numerisch eine bestimmte Einzelwesen (ατομον, άριθμφ εν, τόδε τι), dessen Eigentümlichkeit darin besteht, für akzidentelle Veränderungen - sogar für entgegengesetzte Bestimmungen - empfänglich zu sein und dabei als Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον) zu beharren. Diese deutlich antiplatonische ontologische Auszeichnung des Einzelnen vor dem Allgemeinen geht einher mit einer logisch-grammatischen Bestimmung der ersten Ousia als Subjekt der Aussage, das selbst weder von einem Zugrundeliegenden prädiziert wird noch einem Subjekt inhäriert, sondern vielmehr selbst als Subjekt jedes Aussagen überhaupt erst ermöglicht und als ein solches nie Prädikat sein kann. Als lediglich zweite Ousiai gelten die Gattungen (γένη) und Arten (είδη), welche jeweils ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) als erste Ousia voraussetzen, von dem sie prädiziert werden. Die zweiten Ousiai müssen somit in dieser urteilslogisch ausgerichteten Ontologie-Konzeption notwendigerweise auf ein bestimmtes Einzelnes bezogen werden. Eine zweite Ousia kann daher nicht mehr selbst Zugrundeliegendes - also eine erste Ousia - sein. Gleichwohl geben

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VI. Resümee zur Ontologie der Ousia bei Aristoteles

die zweiten Ousiai - besonders die Eide, weil sie umfangsärmer und somit bestimmender, spezifischer und ,näher' an der ersten Ousia sind - in einer Realdefinition (ορισμός) die Wasbestimmtheit der ersten Ousiai an, worin ihre epistemologische Bedeutung besteht. Die ontologische Bedeutung der zweiten Ousiai beruht darauf, daß sie das wesentliche Wassein eines wirklichen Einzelwesens ausmachen und es in konstitutiver Weise bestimmen. Mit dieser Ontologie des Einzelwesens transformiert Aristoteles implizit, aber eindeutig Piatos Ideenlehre, nach welcher die Idee - ein Allgemeines - als das An-sich-Seiende und demnach als Ousia gilt. Genügt aber die Differenzierung in erste und zweite Ousiai und diese Ousia-Lehre überhaupt für die Fragestellungen und Untersuchungen der .Ersten Philosophie' oder muß die Ousia-Konzeption in der Metaphysik aufgrund ihrer geänderten Thematik, Blickrichtung und der damit einhergehenden neuen Kriterien modifiziert und differenziert werden? In der späteren Lehre von Metaphysik Ζ hält Aristoteles einerseits weiterhin an der am kategorischen Urteil orientierten Ousia-Konzeption der Kategorienschrift fest, daß nämlich Ousia dasjenige ist, das nicht von einem Zugrundeliegenden prädiziert wird, sondern vielmehr alles andere von ihm (vgl. Met. Δ 8). Ebenfalls wird aus Cat. 5 die Bestimmung der Ousia als bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) aufgegriffen. Andererseits ist die Ousia-Lehre offenbar auch einigen Wandlungen unterworfen: (1) Es werden nicht mehr ausdrücklich erste und zweite Ousia unterschieden. (2) Das bestimmte Einzelne (τόδε τι) wird - wenn es stofflich bestimmt ist im Hinblick auf seine Konstituentien, Hyle und Eidos, weiteranalysiert. (3) Es werden explizit auch unstoffliche, d.h. rein eidetisch bestimmte Einzelwesen in die Erörterung miteinbezogen. Aus dieser tiefgehenden und weiterreichenden Ausrichtung der Metaphysik resultieren auch Veränderungen bzw. Neuerungen innerhalb der Ousia-Lehre: Die Ousia wird nun auch als immanente Seinsursache (αίτιον του είναι, Met. Δ 8, Ζ 17) aufgefaßt oder als konstitutiver Bestandteil eines Ganzen, ohne welchen dieses zu existieren aufhören würde. Zudem wird in Met. Δ 8 als neue OusiaBedeutung die Essenz (τί ήν είναι) des Einzelwesens genannt, die in Met. Ζ 46 und Ζ 10-12 ausführlich erörtert und mehrfach mit dem Eidos identifiziert wird {Met. Ζ 7, Ζ 11). Ferner müssen für die Ermittlung dessen, was nach Met. Ζ als Ousia gelten soll, drei Kriterien als konstitutive Bedingungen erfüllt sein: (a) Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον) zu sein (b) bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι) zu sein (c) selbständig für sich existieren zu können, ohne eines anderen Trägers zu bedürfen, und im Rahmen einer Definition begriffslogisch abtrennbar zu sein (χωριστόν).

VI. Resümee zur Ontologie der Ousia bei Aristoteles

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Welche Entität kann nun allen drei Ousia-Kriterien genügen? Die Materie gilt zwar als „erstes Zugrundeliegendes", ist aber als solche völlig unbestimmt (vgl. Kap. III 2 zu Met. Ζ 3). Das aus Hyle und Eidos Zusammengesetzte ist ontologisch später als seine beiden Konstituentien. Damit erweist sich das Eidos als primäre Ousia {Met. Ζ 7), allerdings zugleich als das „allerschwierigste" (Met. Ζ 3, 1029a33). Mit dieser ontologischen Vorrangstellung des Eidos zeigt sich am deutlichsten, daß die Ousia-Lehre aufgrund der veränderten Perspektive der .Ersten Philosophie', die nach den Ursachen und Prinzipien alles Seienden fragt (vgl. Met. A 1-2), gegenüber der Kategorienschrift, in der das Eidos lediglich als zweite Ousia gilt, Wandlungen erfahren hat. Da dieses nach Met. Ζ ΙΟΙ 2 als wesentlicher Kern einer Realdefinition offenbar ein Allgemeines sein muß, gerät die Ousia-Lehre in Met. Ζ 13 in einen Konflikt: Wie kann das Eidos einerseits die primäre Ousia des jeweiligen Einzelnen darstellen (vgl. Met. Ζ 7, Ζ 11) und andererseits in der Definition notwendigerweise ein Allgemeines sein (Met. Ζ 12), das nach Aristoteles - im Unterschied zu Plato - wiederum nicht Ousia sein darf (Met. Ζ 13)? Eine Lösung für dieses in der Forschung kontrovers diskutierte Problem bietet sich an, indem man das genuin Aristotelische Verfahren einer Hinsichtenunterscheidung anwendet, und zwar mit Hilfe des ontologischen Zentralterminus der Essenz (τί ήν είναι), mit der das Eidos explizit identifiziert wird (Met. Ζ 7): In ontologischer Bedeutung ist das Eidos als Essenz des jeweiligen Einzelwesens dessen primäre Ousia, d.h. dasjenige, wodurch das Einzelwesen erst ist, was es ist. Insofern ist das Eidos - nämlich als Essenz des Einzelwesens - individualitätskonstituierend und gewissermaßen dessen .Ursache', wenn man unter .Ursache' das ontologisch Konstituierende versteht, d.h. die das Einzelne eidetisch bestimmende Möglichkeitsbedingung, die aber nicht selbständig für sich und von dem jeweiligen Einzelwesen getrennt - was Aristoteles Piatos Ideenlehre vorwirft - existieren kann, sondern diesem wesenhaft immanent sein muß (als είδος τό ένόν, Met. Ζ 11, 1037a29). Dies gilt sowohl für stofflich gefaßte Einzelwesen als auch für unstoffliche, rein eidetisch bestimmte Einzelne. Ousia ist jeweils ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), das selbständig für sich existiert, also keines anderen Trägers bedarf (χωριστόν). Dabei macht das auf diese Weise individualgebundene und nicht als ein Allgemeines aufgefaßte Eidos als Essenz des jeweiligen Einzelwesens dessen wirkliches Sein und wesentliches Wassein aus; dadurch kommt dem τόδε τι erst seine spezifische Bestimmtheit zu. Insofern fungiert das Eidos als das Einheit- und Gestaltstiftende trotz der Entsubstantialisierungs-These des Allgemeinen (Met. Ζ 13) als Ousia; denn ohne dieses wäre das Einzelne nur unbestimmte, form- und einheitslose Materie. Hingegen ist das Eidos als solches, nämlich im Rahmen einer Wesensbestimmung, also im logisch-begrifflichen Kontext - und zwar gedacht in der letzten Differenz (Met. Ζ 12) - notwendigerweise ein Allgemeines, das nicht selbständig für sich existieren kann, sondern sich als Prädikat (κατηγορούμενον)

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VI. Resümee zur Ontologie der Ousia bei Aristoteles

jeweils stets auf ein Besonderes und Einzelnes als ein ihm Zugrundeliegendes beziehen muß, von dem es aussagbar ist. Gleichwohl ermöglicht das Eidos aufgrund seiner Unveränderlichkeit und Notwendigkeit erst eine wissenschaftliche Erkenntnis des jeweiligen Einzelnen. Als ein solches begrifflich-definitorisches Allgemeines, das gemäß den Analytica posteriora allein Gegenstand der Wissenschaft ist, kann das Eidos nicht Ousia sein. Denn es ist als solches nicht selbst ein Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον) und ebensowenig dem jeweiligen Einzelnen eigentümlich (ϊδιον), was jedoch in Met. Ζ 13 für Ousiai ausdrücklich gefordert wird. Da ein Allgemeines sich nämlich per defmitionem stets auf mehrere Dinge als das diesen Gemeinsame (κοινόν) bezieht, kann es nicht spezifisch einem bestimmten Einzelwesen allein und ausschließlich zukommen. Daher erweist sich das Allgemeine nicht als bestimmtes Einzelnes (τόδε τι), sondern nur als ein „Solches" (τοιόνδε, Met. Ζ 13, 1039a2). Außerdem kann es nicht selbständig für sich existieren (χωριστόν). Damit erfüllt das Allgemeine keines der drei Ousia-Kriterien und wird daher in Met. Ζ 13 entsubstantialisiert. Nach der Explikation des Ousia-Problems und der Darlegung einer Lösung durch Hinsichtenunterscheidung wurden jene universalontologischen Bestimmungen - das Zugrundeliegende, das bestimmte Einzelwesen, das selbständig für sich Existierende und begrifflich Abtrennbare, das Eidos, die Essenz des Einzelnen, primäre Ousia und immanente Seinsursache - auf die verschiedenen Grundbereiche des Seienden angewandt (vgl. Kap. V). Denn wenn den oben im einzelnen erörterten Bestimmungen universalontologische Bedeutung zukommen soll, dürfen sie nicht nur für einen begrenzten Bereich des Seienden gelten, sondern für alle Seinsbereiche. Während in der Kategorienschrift eher natürliche Lebewesen als Beispiele dienen, so wird in Met. Λ explizit betont, es gebe drei Ousia-Arten (vgl. Kap. V 1 zu Met. A l ) , die sich gemäß dem Kriterium der Bewegtheit und Unbeweglichkeit voneinander unterscheiden, sich aber zugleich in eine Hierarchie gestaffelter Vollkommenheitsgrade einordnen lassen: (1) die sinnlich-wahrnehmbare vergängliche Ousia (ουσία αισθητή φθαρτή) (2) die sinnlich-wahrnehmbare unvergängliche Ousia (ουσία αισθητή άίδιος) (3) die unbewegte, ewige Ousia (ούσία ακίνητος) Alle Ousiai sind jeweils ein bestimmtes Einzelwesen (τόδε τι), existieren selbständig für sich und erweisen sich als ontologische und epistemologische Konstitutionsbedingungen für alles sekundär Seiende. Gegenüber Met. Ζ kommen in Met. Λ die Modalbestimmungen Möglichkeit und Wirklichkeit als Ousia-Bestimmungen neu hinzu, die in Met. Η-Θ auf Hyle und Eidos bezogen werden und auf diese Weise die Ousia-Lehre von Met. Ζ ergänzend präzisieren: Der Wirklichkeit nach existiert das Einzelwesen, sofern sein Eidos als das Bestimmende die Materie - als ein Bestimmbares, noch nicht Vollendetes und daher nur der Möglichkeit nach Seiendes - zu einem Bestimmten, zu einem der Wirk-

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lichkeit nach Seienden determiniert hat. Das aufgrund seines Eidos in seinem wesentlichen Wassein und wirklichen Sein bestimmte Einzelwesen existiert somit der Wirklichkeit nach, und zwar in einer hierarchisch geordneten Staffelung; die Hyle hingegen, die ebenso in verschiedene Abstufungen differenziert werden kann, nur der Möglichkeit nach. Wenn jene ontologischen Grundbestimmungen von allem Seienden gelten, müssen sie - neben den unvergänglichen bewegten Ousiai, den Himmelskörpern - auch auf die absolut unbewegte Ousia, den ersten unbewegten Beweger, anwendbar sein, der den Seinsbereich des Göttlichen schlechthin und exemplarisch repräsentiert. Dieser fungiert nämlich die erste Bewegungsursache und zugleich als letzte teleologische Ursache für alles übrige Seiende. Denn jener göttliche Nous ist das Vollkommenste, da er reine Energeia und ohne jede Potentialität ist. Seine herausragende Vollkommenheit beruht inhaltlich auf der Noesis Noeseos und den inneren Bestimmungen dessen, was sie denkt: Ousia, Einfaches, das Schöne, das Beste, das noetisch Erkannte. Da Aristoteles den Nous als „Ort der Ideen" (τόπος ειδών, De an. III 4, 429a27f.) bezeichnet, liegt es nahe, diese inneren Bestimmungen der Noesis Noeseos als Ideen (είδη) aufzufassen (vgl. Kap. V 2). Der göttliche Nous ist ein rein eidetisch bestimmtes, selbständig für sich existierendes Einzelwesen (τόδε τι, χωριστόν), bei dem Essenz und Einzelnes im Unterschied zu den Synhola - koinzidieren (vgl. Met. Ζ 6). Aufgrund seiner ontologischen Auszeichnung als reine Energeia und der Noesis Noeseos ist alles Seiende auf ihn als schlechthin Eines hingeordnet (προς εν, vgl. Kap. V 3 zu Met. AIO) als letzte teleologische Ursache. Obwohl durch dieses gemeinsame letzte Telos der gesamte Kosmos des Seienden zusammengeordnet ist und die verschiedenen Ousia-Arten je nach ihrem Seinsbereich in einer dreifach gestaffelten Stufung des Vollkommenheitsgrades unter dem Maßstab der Wirklichkeit in einer bestimmten Ordnung zueinander stehen, sind sie in den für alles Seiende geltenden ontologischen Grundbestimmungen - den Kategorien, den Modalbestimmungen als Seinsweisen und den Begriffen, die in allen Kategorien aussagbar sind und im Mittelalter zu den die Kategorien an Allgemeinheit noch übersteigenden' Transzendentalien weiterentwickelt wurden - einander ebenbürtig. Denn da sie - unabhängig von ihrem Vollkommenheitsgrad in ihrem jeweiligen Grundbereich des Seienden - alle gleichermaßen Ousiai sind, bleibt ihr Seins- und Ousia-Charakter derselbe. Denn auch dem göttlichen Nous als Vollkommensten kommen jene Grundbestimmungen zu (vgl. Kap. V 4), weshalb dessen Seinsart auch nicht völlig verschieden ist von derjenigen der übrigen, weniger vollkommenen Seienden. Nach der Anwendung jener universalontologischen Grundbestimmungen des Seienden als solchen auf die verschiedenen Seinsbereiche hat sich für Aristoteles' vieldiskutierte Erste Philosophie eine Ontologie-Konzeption ergeben, die sich wie folgt kennzeichnen läßt: Sie gilt nicht nur für das substanziell-

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akzidentell bestimmte vergängliche Seiendes, auch nicht nur für das unvergängliche Seiende oder für nur ein eminentes Seiendes, sondern umfaßt vielmehr alle Grundbereiche des Seienden, da man nur unter dieser Voraussetzung von einer Universalwissenschaft des Seienden sprechen kann, die das Seiende als Seiendes untersucht, und was ihm als solchem zukommt. Versucht man, diese erste Wissenschaft des Aristoteles durch bestimmte Ontologie-Typen zu kennzeichnen, die in der Geschichte der Philosophie - z.T. einander ausschließend, z.T. miteinander kombinierbar - vertreten wurden, läßt sich folgendes festhalten: Aristoteles' Erste Philosophie, der eine zweifache Pros-Hen-Relation - eine ontologische Beziehung (Substanz-Akzidens-Verhältnis in Met. Γ 2) und eine teleologische Hinordnung aller Ousiai auf ein Vollkommenstes {Met. Λ 10) zugrunde liegt, erweist sich als universalistische, urteilslogisch ausgerichtete und pluralistische Substanz-Ontologie sowie als .realistische' GegebenheitsOntologie, da das Seiende bereits als vorgängig gegeben vorausgesetzt wird. Da diese Universalwissenschaft des Seienden als solchen alles Seiende umfaßt und somit für alle Seinsbereiche gelten muß, ist in dieser Wissenschaft systematisch zugleich eine paradigmatische, teleologisch ausgerichtete Ontologie-Konzeption eines eminenten, exemplarischen Seienden fundiert, nämlich des ersten unbewegten Bewegers, jenes göttlichen Nous, in dem die Seinsordnung des Aristoteles kulminiert, da er sich aufgrund reiner Energeia und seiner Noesis Noeseos als das Vollkommenste erweist.

VII. Literaturverzeichnis 1. Aristoteles-Textausgaben Analytica posteriora, übersetzt und erläutert von W. Detel, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 3/2, hrsg. von E. Grumach und H. Flashar, 2 Bde., Berlin 1993. Analytica posteriora-Zweite Analytiken, griechisch-deutsch, mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar hrsg. von H. Seidl, Würzburg 1984, 2 1987. Categoriae et Liber de interpretatione. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit L. Minio-Paluello, Oxford 1949,21956, ND 1992. De anima (Peri psyches), griechisch-deutsch, mit Einleitung, Übersetzung (nach W. Theiler) und Kommentar von H. Seidl, griech. Text in der Edition von W. Biehl und O. Apelt, Hamburg 1995. De caelo (Du ciel), texte établi et traduit par P. Moraux, Paris 1965. De generatione animalium (De la génération des animaux), griechisch-französisch, texte établi et traduit par P. Louis, Paris 1961. De generatione et corruptione (On Coming-to-be and Passing-away). A revised text with introduction and commentary by H. H. Joachim, Oxford 1922, ND Hildesheim/New York 1970. De interpretatione (Peri hermeneias), übersetzt und erläutert von H. Weidemann, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 1/2, hrsg. von E. Grumach und H. Flashar, Berlin 1994. De partibus animalium (Les parties des animaux), griechisch-französisch, texte établi et traduit par P. Louis, Paris 1956. Eudemische Ethik, übersetzt von F. Dirlmeier, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 7, hrsg. von E. Grumach, Darmstadt 1962, Berlin "1984. Kategorien, in: Die Werke von Aristoteles, eingeleitet und neu übertragen von O. Gigon, Bd. 1, Zürich 1961. Kategorien, übersetzt und erläutert von K. Oehler, in: Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 1/1, hrsg. von E. Grumach und H. Flashar, Darmstadt 1984,31997. Kategorien, griechisch-deutsch, übersetzt und hrsg. von I. W. Rath, Stuttgart 1998.

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2. Andere Quellentexte

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Politik, übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von E. Rolfes (1922), mit einer Einleitung von G. Bien, Hamburg 41981. Topik, neuntes Buch oder Über die sophistischen Widerlegungsschlüsse, griechisch-deutsch, hrsg., übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von H. G. Zekl, Hamburg 1997.

2. Andere Quellentexte Albertus Magnus: Metaphysica, in: Opera omnia XVI, hrsg. von B. Geyer, Münster 1960. Alexander von Aphrodisias: In Aristotelis Metaphysica Commentarla, hrsg. von M. Hayduck (Commentarla in Aristotelem Graeca (CAG) I), Berlin 1891, ND 1960. Alexander von Haies: Summa theologica I-IV, ed. Collegium S. Bonaventurae, Quaracchi 1924-1948. Anselm von Canterbury: Proslogion, in: Opera omnia I, hrsg. von F. S. Schmitt, Stuttgart 1968. Asclepios von Tralles: In Aristotelis Metaphysicorum Libros A-Z Commentarla, hrsg. von M. Hayduck (CAG VI 2), Berlin 1888. Averroes: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis, Venedig 1562. ND Frankfurt a.M. 1962. Averroes: Opera latine cum commento Averrois, Venedig 1483. Avicenna: Metaphysik, übersetzt und erläutert von M. Horten, Frankfurt a.M. 1960. Avicenna: Opera philosophica, Venedig 1508, ND Louvain 1961. Avicenna Latinus: Liber de philosophia prima sive scientia divina, hrsg. von S. van Riet, 2 Bde., Louvain/Leiden 1977-1980. Baumgarten, A. G.: Metaphysica, Halle 1779, ND Hildesheim 1963. Baumgarten, A. G.: Metaphysik, Halle 1766. Bonaventura: Breviloquium, in: Opera omnia V, ed. Collegium S. Bonaventurae, Quaracchi 1891. Descartes, R.: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Mit den sämtlichen Einwänden und Erwiderungen, übersetzt und hrsg. von A. Buchenau (1915), ND Hamburg 1994. Descartes, R.: Principia Philosophiae, in: Œuvres de Descartes, Bd. VIII/1, hrsg. von C. Adam und P. Tannery, Paris 1905, ND 1964. Hegel, G. W. F.: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II, in: Theorie-Werk-Ausgabe, Bd. 19, hrsg. von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt a.M. 1971. Heinrich von Gent: Quodlibet VII, in: Opera omnia XI, hrsg. von G. A. Wilson, Louvain 1991.

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Register 1. Stellenregister

Analytica priora 131,46a31-37 123 Analytica posteriora 2, 12, 37, 93 202 11 122 14, 73a24 116 14, 73a34ff. 68,94 14, 73b5-10 61 14, 73b25ff. 116,141 16,75a28f. 141 18 57 I 8, 75b24-26 52, 69, 92, 137 122, 83alff. 8, 83,152 122, 83a24ff. 8, 83, 152 122, 84allff. 94 131, 87b28fF. 144 131, 87b31ff. 152 II 1, 89b23ff. 171 II 2, 89b36-90a3 68 II 2, 90a9-12 68 II 2, 90al4f. 133, 170 II 3,91al 116 II 4,91al5 141 II 5, 91b35ff. 123 II 6, 92a6ff. 21, 162 II 6, 92a7 141 II 6,92a29 117 II 7, 92b38f. 172 II 8, 93b20 97 II 10, 93b29 116 II 10,93b29ff. 98, 129

II 10,94all-14 II 11,94a20-23 II 12,95bl3ff. II 13 II 13,96b25-35 II 13,97a23-39 Categoriae

Cat. 2 Cat. 2, lb2-8 Cat. 4 Cat. 4, lb27 Cat. 5

116 77 131 122 131 132 1-3, 5f., 9f., 15, 17-22, 24f., 3337, 41, 44, 4648, 53f., 57f., 60f., 63, 65, 88, 91, 99, 114f., 123, 135, 138, 140, 144f., 150, 153, 162, 173, 178, 193, 199201 19 44 9, 17, 59f., 195 73 1, 3, 9, 11, 15, 18, 21, 24, 31, 53-55, 57f., 6If., 64, 66f., 69, 71, 73-75, 77, 79, 81, 88, 90f., 94, 96f„ 99, llOf., 114, 118, 120, 138, 142, 146, 149f., 153,166f., 169, 199f.

226 Cat. 5,2al0ff. Cat. 5, 2a34-b5 Cat. 5, 2b5f.

Register

19, 35, 142 35,44 20, 40, 62, 140, 175 Cat. 5, 2b8f. 19 Cat. 5, 2b22-24 21 Cat. 5,2b38 20 Cat. 5, 3a7f. 9 Cat. 5, 3al5 22 Cat. 5, 3bl0 50, 54 Cat. 5, 3bl If. 22 Cat. 5, 3bl5 109 Cat. 5, 3bl5ff. 35, 142 Cat. 5, 3b22f. 23 Cat. 5, 3b32-4al075 Cat. 5, 3b34f. 21,24 Cat. 5,4alOff. 24,65,118,149, 178 Cat. 5,4a33f. 24 Cat. 6 60, 98 Cat. 8 60, 98 De anima 112, 168 I 45 13, 407b20-24 173 II 1,412a6 87 II1,412a8-12 12, 157, 174 II1,412all-22 48, 166, 172, 182 II1, 413a9 73 II 2,413b26ff. 187 114 197 II4,415a30 23, 186 II4,415b8-14 113, 166, 172 II4, 416b30 73 III 3-8 159 III 4,429al 1-18 187 III 4,429a27f. 27, 183f., 203 Ill 4,429b4f. 148 Ill 4,429b5-23 187 III 4-5 55 III 5,430a 17-25 187 III 6,430a26 148

De cáelo 43 12,268b27 178 12,269a5ff. 178 12-3 178 13,270M-25 37 I 8, 277b 10 178 II 12 178 III 1 III 1,298b29-32 45 146 III 4, 303a3-8 III 6 85 De generatione animalium 187 II 3, 736b27ff. De generatione et corruptione 11 85 84 13, 318al5f. 14, 320a2ff. 85 146 I 8, 325a34-b5 II1 85 II 1, 329a24ff. 47 113 85, 88 II 3,330b3-bl4 43f. II 5, 332a35 85 II 10 186 II 10, 336a23-31 76, 179 De interpretatione 13, 38, 160 1, 16a4-18 19 5, 17al3-15 118 7 14, 22, 160 7,17a38ff. 141, 159, 163, 7, 17a38-b4 7, 13, 160 De partibus animalium I 1, 640al2-bl2 43 12-4 22, 123 I 3, 642b22-25 123 I 3, 644a7-10 123 II7,653a9 40 De philosophia 178 Ethica Eudemia 32 18 29, 32 I 8, 1217b27-34 32, 106 VII 2, 1236al8ff. 104

1. Stellenregister VII Ethica 13, 13, 14 14,

2, 1236b21ff. Nikomachea 1095bl8f. 1096a4f.

104 32 186 186 29, 105, 195 1096al9ff. 32, 64, 67, 70, 106 14, 1096b26ff. 186 16, 1098al-4 117 X 4, 1175a3-10 186 X 7, 1177a 18-28 187 X 7, 1177b26-31 187 X 7, 1178a2ff. 117 X 7-8 186,197 X 8, 1178b22-27 186f. Metaphysica A 1-2 58, 201 A2 196f. A 2, 982b9 37 A3 48, 77, 140, 170 A 3, 983a4-b3 92, 185 A 3, 983a24-29 170 A 3, 983a33ff. 45, 170 A 3 , 983b6-18 81 A 3, 983bl0 44 A 3, 983b20ff. 44 A 3, 984a5-16 43 f. A 3-10 45,72 A9 29, 72, 90 A 9, 990b 15fr. 29 A 9, 992b 12 74, 139 A 9, 992b22ff. 29 α 1, 993b 12ff. 45 α 1, 993b23ff. 33, 106 Β 138 Β 3, 996b6f. 59 Β 3, 998b12-14 121, 131 Β 3, 999al0f. 124 Β 4, 999a24ff. 89, 136 Β 4, 999b 17ff. 141 Β 5, 1002a3 44 Β 6, 1003a5-17 5, 145

227

175,190 Γ1 Γ 1, 1003a21-32 37, 192, 195f. 20, 32, 41, 60, Γ2 63, 71, 101, 105, 143, 145, 175, 204 Γ 2, 1003a33ff. 59, 72, 104,176 103 Γ 2, 1003b 1-4 67, 7If., 149, Γ 2, 1003b5f. 194f. Γ 2, 1003bl6ff. 185 Γ 2, 1003b31-34 33, 35, 106 Γ 3, 1005bl7-19 119,165 119 Γ 3, 1006al 2 Γ 3-8 Γ 4, 1007al0-18 165 Γ 4, 1007a27-33 44, 97 Γ 5, 1009a36-39 174 Δ 4If., 50, 59 Δ2 77 Δ 2, 1013a24-b3 48 Δ 2, 1013a27ff. 52,92 Δ 6, 1015bl6£f. 105 Δ 6, 1016b2 131 Δ 6, 1016b33f. 19 Δ7 18, 33, 41, 5961, 63, 66f., 71f., 82, 188 Δ 7, 1017a7ff. 41,95, 101 Δ 7, I017a24ff. 59 Δ 7,1017a31ff. 41 41 Δ 7, 1017bl Δ8 2, 9, 12, 39, 41, 42, 44, 46f., 5262, 64, 67, 7277, 79, 90-94, 96f„ 108, 136, 142, 155, 169, 171, 173, 175177,199f. Δ 8, 1017bl0-14 43,46 Δ 8, 1017bl4ff. 133, 140

228

Register

Δ 8,1017bl5 169 Δ 8, 1017bl7-20 48f. Δ 8, 1017b21-26 51, 53, 55, 92, 94f., 102, 117, 155, 157 Δ 11 55, 58, 68 Δ 11, 1019a2ff. 69, 171 Δ 13 98 Δ 14 98 Δ 18, 1022a25-36 94, 98 Δ 28, 1024b3 127 Ε1 37, 58, 111, 196f. Ε 1, 1025b26ff. 96 Ε 1, 1026al0-18 37, 40,45, 190 Ε 1, 1026al9 196 Ε 1, 1026a29-32 192 Ε2 61, 177 Ε 2, 1026a31-b2 59, 101 Ε 2, 1026b3ff. 41 Ε 2, 1026b21 101 Ε 4, 1027bl7ff. 41 Ε 4, 1028al-3 41 Ζ 2-6, 9f„ 13-15, 21, 23, 34, 36f., 46, 50f., 54, 5659, 6If., 64, 69, 71, 74, 77, 79, 89f., 95, 99, 114f., 135f., 138f., 144f„ 149f., 152f., 155f, 158, 163, 165, 168f„ 172, 174f., 178, 197, 199f., 202 Ζ1 17, 20, 32, 5864, 66f„ 69, 7275, 77, 79, 8If., 84, 91, 94, 96f., 105, 109, 138, 142f, 145, 148f„

Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ

1, 1, 1, 1, 1, 1,

1028al0-13 1028al2-15 1028al7-21 1028a22-27 1028a28-30 1028a30

Ζ 1, 1028a30-32 Ζ 1, 1028a34f. Ζ 1,1028b2-8 Ζ2

Ζ 2, Ζ 2, Ζ 2, Ζ 2, Ζ 2,

1028b7-10 1028bl2-14 1028b 16-21 1028b21-27 1028b27-33

Ζ3

Ζ 3, 1028b33-36 Ζ 3, 1029al-4 Ζ 3, 1029a6 Ζ 3, 1029a9f. Ζ 3, 1029al 1-13 Ζ 3, 1029al3ff. Ζ 3, 1029al8-21 Ζ 3, 1029a21-24 Ζ 3, 1029a24-27 Ζ 3, 1029a29ff.

152, 171, 176, 186, 189, 193, 195, 199 41,59,61, 138 61,63,66-68 32, 62ί, 148 65-68, 70, 175 32, 63-67 67-69, 7If., 76, 98, 101, 104, 120, 130, 144, 175, 184f„ 195 70, 173 55, 68, 145f. 1,41,71 42f., 52, 71, 73, 111, 169, 174, 177 43-45, 90 43 48f. 49 45, 52, 54, 64, 73, 174 8, 50, 52f„ 58, 73-79, 8If., 8591, 93f., 99, 102, 116, 127, 131, 139, 142, 152, 169, 173, 177, 201 73, 77f., 92,139 75-77, 93 89 79, 86f., 142 80 94 8If., 86 8, 83f., 151 60, 84, 86f., 89 88

1. Stellenregister Ζ 3, 1029a33 Ζ 3, 1029a38 Ζ 3, 1029bl-12 Ζ4

Ζ 4,1029Ò13 Ζ 4, 1029b 16-20 Ζ 4, 1029b23-28 Ζ 4, 1030al-3 Ζ 4, 1030a6ff. Ζ 4, 1030a9f. Ζ 4 , 1030al 1-13 Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4, Ζ 4,

1030al7-32 1030al6-24 1030a24ff. 1030a29ff. 1030a29-32 1030a33ff. 1030a35-b3 1030b5-7 1030b7-9

Ζ 4, 1030bl lf. Ζ 4, 1030bl3 Ζ 4-6

Ζ 4-12 Ζ5 Ζ 5, 1030bl4-16 Ζ 5, 1030bl9ff. Ζ 5, 1030b25ff. Ζ 5, 1030b30ff. Ζ 5, 1031alff.

89,91,93,136, 201 135 64,76,93 61, 68f„ 92-95, lOlf., 105, 107, 120, 127, 131, 147, 157, 167, 176 102 95, 107 96 97 95, 97, 103, 124, 148 98,131 98f„ 111, 120, 136 69 100-103 101 102f. 63, 102f. 68, 103 68, 103f. 102-104 103, 105, 111, 131 105 113 60, 62, 74, 79, 92f., 114, 131, 133, 136, 139, 141, 150, 153, 157,171,200 135,137 95f., 107, 129 100,107 97, 108 95 96 100,105

Ζ 5, 103 la8-l 1 Ζ 5, 1031al 1-14 Ζ6

Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ

6, 103 lai 5-20 6, 1031a22-25 6, 103 lblff. 6, 1031b7 6, 103 lbl2-21 6, 1031b23-30 6,1032a3f. 6, 1032a7-10

ZI

Ζ 7, 1032al9f. Ζ 7, 1032a32-b2 Ζ 7, 1032blf.

Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ

7, 1032bl4 7, 1033a5 7-9 7-11 8 8, 1033b6ff. 8, 1033b21ff. 8, 1034a5-8

Ζ Ζ Ζ Ζ

8, 1034a9-25 10 10, 1034b20f. 10, 1035al7ff.

229 95f., 100, 107, 117, 148 102f., 124, 148 II, 13f., 52, 55, 69, 90, 93, 107, I I I , 119, 136, 139f., 143, 145, 156f., 168, 172, 183,203 108, 112f. 108 109 109,112 109f., 112 112f. 111 113 2f., 11, 13, 57, 78, 91, 98, 164, 193, 199f. 84, 89f., 167, 188 174 37, 52, 56, 62, 78f„ 94, 98f„ 114, 133, 136, 139, 141, 157, 163, 165, 167, 173, 183, 188 93, 116 78 62,91, 114 108, 111 155, 166, 168 115 144 7, l l l f . , 131, 137, 151 174 153, 157 115, 137, 147 146

230 Ζ Ζ Ζ Ζ

Register

10,1035a20ff. 115 10, 1035b3ff. 116 10, 1035b7f. 86, 89 10, 1035bl2-1648, 116, 168, 172 Ζ 10, 1035b20ff. 116 Ζ 10, 1035b27ff. 126,160 Ζ 10, 1035b33ff. 93 ZIO, 1036al-5 8,116,149,152 Ζ 10, 1036a8-12 12, 85, 126f., 159 Ζ10-11 121,126,132 Ζ 10-12 3, 8, 50, 52, 63, 69, 74, 88, 91f., 103, 111, 137, 139, 148, 152, 164,200f. Ζ 10-13 60,62 Ζ 11 2, 13, 78, 91, 98, 125-127, 161, 164, 173, 199201 Ζ 11 1036a26-28 116, 137 Z Ì I 1036b3ff. 116 Ζ 11 1037a4f. 48,116,126 Ζ 11 1037a7f. 113 Ζ 11 1037al0-17 40, 64, 116 Ζ 11 1037al8-20 117 Ζ 11 1037a21-24 115f. Ζ 11 1037a27 85, 126, 188 Ζ 11 1037a28f. 115, 167 Ζ 11 1037a29 9, 11,37, 56, 72, 79, 99, 115f, 136, 140, 201 Z Ì I , 1037blf. 167 Ζ 12 2, 22, 35, 58, 98, 111, 116f., 121, 126, 130-132, 143, 145-147, 153f, 159, 162, 167, 173, 199, 201

Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ

12, 1037b8-27 117 12,1037bl0 117 12, 1037bl4 118 12, 1037b22f. 119 12, 1037b25-27 120, 131 12, 1037b28ff. 117f„ 122, 124 12, 1038a2f. 122, 124f„ 129 12, 1038a5-9 122f, 132, 148, 161 Ζ 12, 1038al3-19 122-124, 128f., 153 Ζ 12, 1038a25-30 122, 128f., 153 Ζ 12, 1038a32 130, 137 Ζ 12-13 79 Ζ 13 2, 3, 5-14, 22, 34, 37, 43, 50f., 56f., 61 f., 64, 69, 74, 93f., 98, 108, 128, 133, 135139, 142, 145156, 158, 160165, 167-169, 173,20 lf. Ζ 13, 1038b 1-8 139 Ζ 13, 1038b3-7 136, 139, 142 Ζ 13,1038b8ff. 139 Ζ 13, 1038b8-12 2, 7, 11, 21, 56, 141, 143, 158f., 163 Ζ 13, 1038bl2-1874, 142f. Ζ 13, 1038b23-2644, 144, 169 Ζ 13, 1038b27-34 124, 145 Ζ 13, 1038b34ff. 146 Ζ 13, 1039al-3 29, 144f., 150, 202 Ζ 13, 1039a3-14 146-148 Ζ 13, 1039al4ff. 145,147 Ζ 13, 1039al4-23 50, 139,147 Ζ 13-16 90, 139, 165 Ζ14 168 Ζ 14-16 29, 111, 138, 173

1. Stellenregister

Ζ 15

2, 12, 117, 153, 168 Ζ 15, 1039b28-308, 57, 62, 149, 152, 157, 163, 168 Ζ 15, 1040a7-9 62, 168 Ζ 16 44, 169 Ζ 16, 1040b3ff. 47 Ζ 16, 1040b6ff. 168f. Ζ 16, 1040b20-23 169, 174 Ζ 16,1040b26f. 169 Ζ 16, 1040b30ff. 174 Ζ 16, 1041a3-5 50, 679 Ζ 17 37, 48, 57, 67, 71, 92, 94, 107, 112, 133, 140, 148-151, 166, 170f., 175, 183f., 193,200 Ζ 17, 1041a6-10 99, 170,173f. Ζ 17, 1041al5-23 171 Ζ 17, 1041a28 133, 171 Ζ 17, 1041Ò5-9 171 Ζ 17, 1041bl7 171 Ζ 17, 1041b21ff. 157 Ζ 17, 1041025-28 169, 171 Ζ 17, 1041b28-3147, 171 Ζ-Θ 42 Η-Θ 177,202 HI 54f„ 58, 64, 88, 91, 135, 152, 156, 163, 169, 174 Η 1, 1042a7-ll 43 Η 1, 1042a21 151 Η 1, 1042a24-26 77,90 Η 1, 1042a29ff. 54, 69, 155 Η 1, 1042a32-b7 177 Η 1-2 81 Η 2, 1042b9f. 78, 89, 143, 177f„ 188 Η 2, 1043a2-7 8,47, 151, 169

Η 2, 1043al9-22 Η 3, 1043b2-4 Η 3, 1043bl0-13 Η 3, 1043b 17 Η 3, 1043b21ff. Η 3, 1043b29-32 Η 3,1043b32ff. Η 4, 1044b3-20 Η 4, 1044b7f. Η6 Η 6, 1045a33-35 Η 6, 1045bl8f. Θ1 Θ 1, 1045b25-29 Θ6 Θ 6-9 Θ 7,1049al8-27 Θ 7, 1049a27-35 Θ 7, 1049a35ff. Θ8 Θ 8, 1049b24 Θ 8, 1050b2 Θ 8, 1050b 19-22 Θ 10 Θ 10, 1051b24ff. Θ 10, 1051b28ff. Θ 10, 1052a2 12, 1053bl6f. 12,1053b25ff. I 3, 1054b35ff. I 8, 1058a2-5 I 8, 1058al3-16 Κ 4, 1061bl9 Κ 7, 1064b3 A

Al

231 121, 126,166 114, 145 126, 169f. 115 47 103, 130 127 177 111, 147 125, 148, 159 126 161 188 60, 65, 68 177 178 85 142 188 190 142 166 70, 177 41, 139,148 148, 187 148,172 148 151 105 19 161 19 37 196 35, 45, 54, 57, 93, 111, 156, 158, 168, 170, 175-178, 180f., 197,199,202 24, 37, 44, 58, 64, 71-73, 76,

232

Register

Λ 1, 1069al8-20 Λ 1, 1069a23ff. Λ 1, 1069a30-33 Λ 1-5 Λ 2, 1069b2-7 Λ 2, 1069bl6f. Λ 2, 1069b24-26 A3 A3, 1069b35f. Λ 3, 1070al-4 A3, 1070a8-13 A3, 1070al3-26 A3, 1070a21 A4, 1070b27f. A4, 1070b33-35 A 5, 1071al-4 A 5, 1071a3-l 1 A 5, A 5, A 5, A6 A 6,

1071al5 1071a20-29 1071a34-36 1071b3-7

A 6, 1071Ò19-29 A 6, 1072al2f. A 6-10 A7 A 7, 1072a25ff. A 7, 1072a30-32 A 7, 1072b3f. A 7, 1072b8-ll A 7, 1072bl3-17 A 7, 1072b 19-24 A 7, 1072b25-30 A 7, 1073a4-ll A 7-10 A8 A 8, 1073a27

175, 179, 185, 189, 196f., 202 41, 175f. 175f. 46, 176, 182 176, 196 177 177 177 156 177 47, 179f. 155, 178, 186 45, 115, 157 179 179f. 179-181 175f., 180 78, 89, 178, 180, 183, 188f. 76 156, 158, 183 70, 175f., 180 180, 189 70, 174, 180, 182 180 183 37, 54, 174, 196 58,64, 180 182 182 185, 189, 197 177, 183, 185 182-184, 186 182 180, 182f. 183f. 37, 110 43, 52, 57, 64, 111, 181f. 180

A 8, 1073a30-38 A 8, 1073blff. A 8, 1073Ò17-32 A 8, 1073b32ff. A 8, 1074a31 A 8, 1074a35-38 A 8-10 A 9, 1074b26 A 9, 1075a8 A 9-10 A 10

178, 181 181 180f. 180 179 111, 180, 183f. 62, 76, 90 183 187 58, 64, 180 71, 185, 196f., 203f. A 10, 1075al4-li 185f. A 10, 1075b37 49 A 10, 1076a4f. 181, 197 M 1, 1076a20 49 M 2, 1077a39 49 M 2, 1077bl4-16 49, 177 M 3, 1078a25-31 49 29,72 M 4-5 M 6, 1080b22-28 49 M 9, 1085a33f. 49 M 9, 1086a2-5 49 45, 81, 90, 126 M-N Ν 1, 1087bl2ff. 49 Ν 1, 1088a22-25 63, 170 Ν 1, 1088b2f. 170 Ν2 71 Ν 2, 1089a8ff. 59f. Ν 3, 1090a25-35 49 Ν 3, 1090b28-31 49 Ν 4, 1091a34 49 Ν 4, 1091b20-25 49 Meteorologica 12, 339allff. 178 Peri ideôn 29f. Physica 174 I 45 64, 76 11, 184al6ff. 15, 188b25ff. 85 15, 189b If. 85 17 76, 178

233

1. Stellenregister

I 7, 190al4f. I 7, 190a36-bl 17, 190bll I 7, 190b25 17, 191a8-15 19 19, 191a36 I 9, 192a5f. 19, 192a31 II II 1 II 1, 192b28-33 II 2, 193b4 112, 194bl3f. 113 II 3, 194b23ff. 117 III 6,207a25f. IV 2,209b9 VII 3, 245b 10 VIII VIII1-3 VIII6 VIII 7, 260b 16 VIII 8-10 Politica 12, 1253alff. Sophistici Elenchi 13, 173b5-ll 22, 178b37ff. Topica I 1, 100b21f. 14, 101bl7-28 14, 101b32f. I 5, 101b37ff. 15, 101b38f. I 5, 102al8 18 I 8,103bl5f. 19

44 142 85 44, 85 85 186 37,40 82, 89 177 23,57 176 174 54 179 77f„ 89, 185 48, 170 48 85 85 78 178-180 180 180 71 180

140,

117 96 29, 144 9, 17, 22,35,51, 109 6,45 94, 141 92, 118 52, 100 129 141 62 98, 121 17, 59f., 63, 69

I 9,103b20-35 114, 111 a27-29 IV 1, 121 al 1 IV 6, 128a26ff. V 1, 128bl6ff. VI 3, 140a27-32 VI 3, 141a4-14 VI 4, 141b25 VI 5, 143al5-20 VI 6 VI 6, 143b4-21 VI 6, 143b7f. VI 6, 143b 19 VI 6, 144a28ff. VI 6, 144b 16ff.

61,63, 100 119 119 144 21, 141 52, 121, 129 129 121 121, 124 62 119 98, 121,128 121 119 130

2. Namen- und Sachregister Abgetrenntheit 54f., 57, 66, 136, 144, 174,187 Abstraktion 55, 57f., 80f., 150, 152f., 164, 167,183, 195 Abtrennbarkeit, begriffliche (τφ λόγω χωριστόν) 23, 45, 54-58, 60, 6971, 87-89, 91, 135, 140, 152, 155f„ 163,169, 173, 183f., 187, 200,202 Ackrill, J. L. 40,67 Aertsen, J. A. 33,106f., 191f. Akzidens (συμβεβηκός) 10, 13, 1722, 24, 32, 41, 44, 46, 48, 51, 5557, 59-63, 65-70, 72f„ 75, 77, 8184, 88, 95-97, 99-105, 108f., lllf., 114, 118-120, 128, 132f., 143-145, 147, 163f., 170f., 173, 175, 177179, 185f., 190, 193-195, 197, 199, 204 Albertus Magnus 106,170,190-192 Albritton, R. 10, 154, 158 Alexander von Aphrodisias 30, 43, 49, 54f„ 70, 89, 113, 124, 136, 157, 187, 190 Alexander von Haies 106 Allgemeines passim Analogie 32, 49, 67, 85, lOOf, 103f, 127, 130, 180, 186,190 Anaxagoras 72 Anaximenes 44 Andronikos von Rhodos 17,39f. Anselm von Canterbury 189 An-sich-Seiendes (τό ôv καθ' αυτό) 10, 14, 17, 19f., 25-29, 31, 34, 36, 39, 41, 49, 59-67, 70, 72, 76-78, 82-88, 90, 92, 94-99, 108-111, 116, 127, 140f., 144, 154, 163, 174f., 183f., 189, 193 Apelt, O. 18 Aristoteles passim Arnim, H. von 178

Arpe, C. 1, 31, 51, 93, 115, 118f., 124,141, 149 Artefakte 23, 77-80, 155f„ 174-176, 195 Asklepios 48f., 190 Atomistik 49, 72, 81, 146 Aubenque, P. 5,71,138 Augustinus 1 Averroes 36, 190f. Avicenna 36, 179, 190f. Bärthlein, K. 18,33,61,63,106 Baeumker, C. 30,43,177f. Baier, K. 127 Balme, D. M. 125 Barnes, J. 5, 67,70, 138 Baumgarten, A. G. 23,41 Beharrlichkeit 26, 44, 65, 70, 85, 147, 177f., 199 Berger, H.H. 1,140 Berti, E. 32, 170, 178, 183 Bewegung 26, 29, 31, 43, 64, 76, 85, 111, 170, 174f., 177f., 180f., 185f., 188f., 197,203 Blackwell, R. J. 83 Boehm, R. 77,81 Bolton, R. 74, 157 Bonaventura 106 Bonitz, H. 1, 18, 42f., 45, 47f., 51 f., 59, 66, 68, 70, 75, 77-80, 82, 84, 94, 119, 122, 124, 170f., 195 Bormann, K. 27, 121 Bostock, D. 5, 18, 40, 42f., 51, 53, 69, 76, 83, 86f„ 96, 125, 130, 138, 151 Brémond, L. 5 Brentano, F. 18,67f., 125 Brinkmann, K. 3, 12, 18, 40, 63, 83, 86, 157, 160 Bröcker, W. 41 Brunschwig, J. 83

236

Register

Buchanan, E. 51, 81, 86, 92,170 Burnyeat, M. 42, 45, 62, 70, 86, 96, 119f„ 152 Case, T. 4 Charles, D. 37 Charlton, W. 85,152, 160, 166 Cherniss, H. 3,31,45, 146, 157 Chorismos-These 29-32, 54, 64, 99, 109, 113, 140f., 146, 165, 174 χωριστόν -»Abtrennbarkeit, Abgetrenntheit, Selbständigkeit, Ansich-Seiendes Code, A. 8, 62, 152, 159f. Cornford, F. M. 121 Corte, M. de 12 Definition (ορισμός, Wesensbestimmung,) 2f„ 7, 12, 14f., 19-22, 35, 46, 50-52, 54-58, 60, 62-64, 66, 68f., 71, 75, 88, 91-105, 107, 1 ΙΟΙ 12, 114-133, 135-138, 141, 143148, 151-153, 155, 157-159, 162164, 167f., 172f., 183, 200f. Nominaldefmition 97-99 Realdefinition 97-102, 120, 122125, 127f., 131, 133, 136, 144, 147f, 161, 163,166f., 169,200f. Demokrit 146 Descartes, R. 189 Derbolav, J. 1,25,140 Detel, W. 7, 37, 85, 159 Differenz, spezifische (διαφορά ειδοποιός) 2, 15, 20, 22, 50, 55, 62, 98, 100-102, 111, 117, 119133, 137, 144f., 148, 153f., 162, 167, 172, 199,201 Dihairesis 98, 117f., 120-126, 128133, 137, 147, 167, 172 Doig, J. 191 Dirlmeier, F. 32 Driscoll, J. A. 1,151,160 Dudley, J. 179

Düring, I. 8, 18, 30, 36, 41, 67, 69, 78, 82f„ 86, 136, 152f., 179, 181, 183,188 Düsing, Κ. 2, 40, 45, 115, 121, 133, 165, 182, 192-194,196 Duminil, M. P. 42, 50 Dumoulin, Β. 4 DunsScotus 190f. Dupréel, E. 3 Easterling, H. J. 178 Eckhart von Hochheim (Meister Eckhart) 106, 192 Eidos passim als Gestalt (μορφή) 55, 77-79, 81, 85, 88f., 115, 153, 155-157, 167, 174,201 als Atomon Eidos 117, 121f., 128f., 131, 133, 148, 172 als Spezies 6, 8, 22, 57, 125, 150152, 156,158-160, 181, 186 als individuelle Form 5, 10-14, 55, 62, 90, 92, 104, 108, 111-113, 128, 133, 136f., 140, 149, 153-160, 162164, 166,172 als immanentes Eidos (είδος το ένόν) 9-11, 23, 29, 47, 56, 72, 88, 92, 99, 115f., 135f„ 140, 155-157, 165-167, 169f„ 172, 174, 201f. Eigentümlichkeit (ϊδιον) 11,21, 23f., 65, 94, 122, 137, 141, 143-145, 154, 158, 162, 171f„ 178, 199, 202 ,Idion'-Argument 11,21,94, 141, 143-145, 147, 154,158, 162, 164 Eines (Sv) 22-28, 32, 35, 44, 48f., 72, 93, 101, 103-106, 108, 110f„ 113, 115-120, 122, 124, 130-132, 137, 140f„ 146-149, 153, 159, 162, 166f„ 171, 183-186, 191, 195, 197, 201,203 Einfachheit 9, 54f„ 73, 88, 91, 101103, 107, 110, 130f., 137, 139,

2. Namen- und Sachregister

144, 147-149, 153, 172, 179, 181f., 184, 187, 193-195,203 Einzelnes/Einzelwesen -» τόδε τι Eleatismus 26, 72 Elders, L. 175,181f., 185, 191 Element 43f„ 47, 50, 52, 72, 85, 88, 169, 178 Empedokles 44,72 ένέργεια Wirklichkeit Engelhard, K. 194 Entstehen 23,65, 88,91, 177f. Erkennen/Erkenntnis 2, 8f., 15, 2529, 31, 34, 39, 57, 62, 64, 68f., 71, 73, 75f., 85, 90, 93, 100, 109, 112, 117, 127, 137, 139, 145, 147f„ 150, 152, 157, 162, 164f., 168, 171-174, 176, 181f„ 186-188, 193, 195,202 Ermano, A. 6,149 Erste Philosophie (πρώτη φιλοσοφία) 4, 40, 58ί, 71, 174, 176, 180, 190192, 195-197, 203f. Essenz -> τί ήν είναι Eudemos 30 Eudoxos von Knidos 180f. Ewigkeit 23, 36, 43, 54f„ 62, 176, 180, 182-187, 189, 192, 194, 197, 202 Ferrarin, A. 12,159,166 Filippo, J. de 188 Flashar, H. 32, 39, 104 Fonfara, D. 59, 190, 192 Frede, M. 3, 5, 11,42, 45, 51, 53, 55, 62, 66, 76, 81 f., 84, 86, 93-95, 101, 103, 108, 111-114, 118-121, 124, 130, 133, 136, 139f., 145, 148, 154-156, 158f., 164, 166, 168, 171, 193 Fritz, K. von 17,29 Furth, M. 150,152,157,166 Gaiser, K. 28

237

Gattung (τό γένος) 1,6,9, 11,18-21, 32, 34-36, 50f„ 57, 61f., 74, 98f., 117-133, 136f„ 139Í, 143-145, 148, 150f., 153 f., 156, 161f., 172f., 181, 199 Geist -> νους Georgiadis, C. 77 Gill, M. L. 6, 11,81, 151f„ 154,157 Gilson, E. 191 Gohlke, P. 125 Gott 5, 32, 51, 55, 62-64, 106, 111, 113, 138, 179f., 183f., 186, 189, 191f., 194 Gradualität (mehr oder minder, μάλλον και ήττον) 21, 24, 63f., 69, 75, 103, 130, 181, 184-186, 188190,196,202f. Graeser, Α. 18,40,45 Graham, D. 5, 138 Granger, H. 87 Grene, M. 125 Guthrie, W. K. C. 178,181 Gut/das Gute 28, 32f., 64, 66, 104107, 109-111, 113, 184, 186, 192 Idee des Guten (ιδέα του άγαθοΰ) 27f„ 32-34,64, 184 Haegler, R.-P. 30 Hafemann, B. 7, 151, 166 Halfwassen, J. 1,182 Halper, E. 14,160 Hamelin, O. 195 Happ, H. 69, 78, 80, 82f, 85, 87, 89, 126f., 177, 179 Harter, E. D. 11,154,160 Hartman, E. 11, 112f., 140, 154f., 157f., 160 Hartmann, N. 7, 123, 125f., 190 Hegel, G. W. F. 1, 3f., 36, 45, 53, 94, 172, 182, 193f., 196 Heidegger, M. 6, 71, 108, 149, 187, 190, 193 Heinaman, R. 11,154

238

Register

Heinrich von Gent 107 Herakliteer 26 Hinsichtenunterscheidung 2, 47, 61, 93, 96, 100-102, 112, 135, 139, 164f., 167f., 201 f. Hirzel, R. 1 Höffe, O. 12,160 Homer 98,181 Honnefelder, L. 191 Hübner, J. 55,67, 70, 79, 81, 86, 104, 119, 125, 127, 130 Hühn, H. 51 Hughes, G. 152 Husik, I. 3 Hyle -» Materie Idee/Ideenlehre 1, 9f., 14, 20, 24-34, 36, 48f„ 54, 56, 61, 64, 72, 74, 85, 90, 99, 101, 109f., 115, 118-123, 127f, 130, 132, 139-141, 144, 146f, 153f., 161f., 164f., 168f., 172, 174-177, 181, 183f., 200f„ 203 Identität 11, 13, 26f., 30, 32f., 43, 51 f., 55, 68, 93, 103-114, 136f„ 141, 145, 156, 158,163f., 168, 189 Immaterialität 12, 14, 35, 37, 51f., 52, 54f„ 58, 62, 64, 71, 90, 111, 113f., 137, 156f., 170f., 174, 176, 179f„ 182-184, 187, 192, 196f., 200f. Inciarte, F. 7, 104 Individuation 7-9, 11-14, 23, 30, 36, 54f., 57, 62, 69, 111, 125, 133, 141f., 145, 149-153, 155, 160-163, 165-168, 172, 183, 187, 193,201 Inhärenz 9, 17, 19-23, 46, 48, 56, 60, 63, 65, 67f., 70, 73, 75, 81, 99, 104, 112, 118, 132, 143-145, 175, 195, 199 Irwin, T. 11, 80, 86, 104, 112f., 136, 140, 151, 154f„ 158, 168 Jaeger, W. 4,40, 176, 181,190

Jalabert, J. 194 Jaulin, A. 42,50 Kallippos I80f. Kant, I. 41, 72, 195 Kapp, E. 20 Kategorienlehre 10, 17-21, 23f., 3235,41,44,46, 59-63, 65-67, 69-72, 81-84, 86f., 89, 95f., 99-103, 105f„ 127,170,174f„ 188f., 195,203 oberste Kategorie 17-20, 24, 32, 41, 60-64, 66, 70, 82, 96, 170 Kausalität -> Ursache Kessler, M. 119f., 124, 127, 130f., 193 King, H. R. 85 Kirwan, Chr. A. 42, 51 f., 54, 57 Königshausen, J.-H. 39 Koller, H. 121 Köninck, Th. de 182 Krämer, H. J. 10, 21, 27f„ 49, 104, 154, 163,166,181 Kremer, K. 39, 190 Kung, J. 87 Lacey, A. R. 5 Lear, J. 12,156,159,166 Leibniz, G.W. 172, 193f. Lesher, J. H. 5,151 Leszl, W. 6, 150, 195 Lewis, F. 7, 111, 151, 166 Liske, M.-Th. 51, 53, 70, 87, 104, 108, 111, 113, 126, 130, 166 Lloyd, A. C. 11, 125, 154f., 158f., 166 Logos 8, 68, 95, 97f., 105, 115-118, 120, 124, 129-132, 144f„ 147, 149, 152, 155 Lorenzo Valla 107 Loux, M. J. 7,81, 151, 157 Lugarini, L. 5, 138 Mansion, A. 190 Mansion, S. 3f., 17 Marius Victorinus 1

2. Namen- und Sachregister

Marten, R. 1,121,140 Marx, W. 41,75, 104, 166, 193 Materie (ΐ>λη) 35, 43f., 47f„ 50, 52f., 55, 58, 60, 62, 64, 69, 71-73, 7683, 85-90, 93, 99, l l l f . , 114-116, 123, 125-127, 130, 132f., 135-137, 142, 144, 147, 151f., 155f., 158, 160f., 166, 168, 171, 177-179, 183, 187, 194, 200-203 erster Materie (πρώτη ϋλη) 43f., 78, 81-86, 88f„ 102, 108, 127, 136, 143,167, 169, 173,188,194 letzte Materie (materia signata) 78, 80, 82, 86, 89, 126, 188 denkbare Materie (ϋλη νοητή) 126,132 Ortsmaterie (ΰλη τοπική) 111, 147, 177f., 180 Meehan, F. X. 185 Meinhardt, H. 85 Merlan, Ph. 4,21,39, 181, 190 Mesch, W. 96, 154, 159 Meyer, H. 18 Modrak, D. K. W. 7-9, 98, 113, 127, 150, 152, 160, 166 Möglichkeit (δύναμις) 41, 47, 49, 52, 55, 57, 59, 62, 64, 69, 78, 84, 86, 88f., 93, 114, 116, 125, 136, 147, 161, 166f„ 169, 174, 177-180, 183, 187-189, 194f., 202f. Monismus 181, 193f. Moraux, P. 178 Moreau, J. 151 Morrison, D. 76, 83 Moser, S. 119,125 Natorp, P. 195 Natur (φύσις) 13, 39, 43, 55, 64, 67, 69, 156,160, 177 Naturphilosophie - » Physik Neuplatonismus 105, 172, 196 Nicolaus Damascenus 39

239

Noesis Noeseos 35, 58, 111, 181f., 184-187, 189, 194, 196,203f. Nolte, Α. 178,181 Nortmann, U. 14 Notwendigkeit 2, 8f., 12f., 15, 34, 52, 57, 62, 69, 90, 92, 116, 145, 162, 164,183f., 202 νους 27, 35, 48, 55, 181-185, 187, 194, 196,203f. Oehler, K. 17f., 148,182, 187 Oeing-Hanhoff, L. 33,39 Oeser, E. 188 O'Flynn Brennan, S. 125 Oggioni, E. 4 Ousia passim erste Ousia 1-3, 6, 9, 14, 19-24, 34-37, 43, 50, 53f„ 57, 61, 64, 74, 79, 88-91, 99, 135, 138, 140, 165, 196, 199 zweite Ousia 1, 9, 21-24, 34-37, 47, 57f„ 66, 74, 77, 91f., 115, 135, 138, 140, 145, 199-201 -> An-sich-Seiendes, Kategorienlehre Owen, G. E. L. 6, 62, 67, 83, 86, 150 Owens, J. 12, 61, 68, 74, 82f., 89, 136, 142, 157, 159, 163, 166, 175, 181,190 Parmenides 26,44 Patzig, G. 3, 5, 11, 42, 45, 51, 53, 55, 62, 66, 68, 76, 81 f., 84, 86, 93-95, 101, 103 f., 108, 111-114, 118-121, 124, 130, 133, 136, 139f„ 145, 148, 154-156, 158f., 164, 166, 168, 171, 193 Pester, H.-E. 31 Philippus Cancellarius 33 Physik 36, 39f., 44, 49, 77, 81, 126, 170,174, 176, 178f„ 190 Plato If., 4, 9-11, 14, 17, 20-34, 36, 40, 43, 45, 48f., 54, 56, 61, 64, 67, 69, 71-74, 78f., 85, 90, 99, 101, 109f, 113, 115, 117-124, 128-133,

240

Register

138, 140-142, 144-148, 153-156, 165-170, 172, 174-176, 181, 184, 194, 197,200f. Plotin 27, 105, 181 Polansky, R. 42, 55, 70, 157 Polyxenos 30 Porphyrius 36 Potentialität Möglichkeit Prantl, C. 3 Preiswerk, A. 8, 62, 130f., 141, 152, 157-159 Pronay, A. 44, 53, 55f„ 78, 80, 83, 85-87, 155,157 Pros-Hen-Relation (προς εν) 20, 32, 67, 72, 102, 104-106, 149, 176, 181,185f., 194f„ 197,204 Ps.-Dionysius Areopagita 106, 192 Pythagoreer 45,49, 72 Qualitatives (ποιόν) 22f., 32, 35, 43, 51, 60, 62-65, 68f., 80f., 84f., 88, 95-103, 105, 108, 112f., 118, 144, 175 Randall, J. H. 183 Rapp, Chr. 12f„ 56, 60f„ 67, 71f., 104, 142, 160-164 Reale, G. 9f„ 37, 41-43, 45-48, 51f„ 54, 61 f., 70f., 92, 141, 151, 153, 157, 170f, 193, 195 Regreß 96, 100, 144, 146, 171, 189, 193 Reiner, H. 27,39 Relatives 7, 60, 63, 67f., 70, 81, 86, 100, 102, 128, 141, 151, 161, 169f., 175, 181 Rijk, L. M. de 4, 67 Rist, J. M. 4 Robinson, Η. M. 87 Rodier, G. 166 Rorty, R. 83, 125 Ross, D. 4, 25, 42, 45, 51, 53f., 62, 67-69,71,74, 80, 88,94, 102, 113, 119, 139, 181

Routila, L. 18,195 Satz vom Widerspruch 2,119,165 Scaltsas, Th. 8 Schmitz, H. 3, 9f., 18, 36, 40-43, 45, 48, 51, 53f., 60f., 66-68, 71, 79f„ 82f., 86, 96, 104, 126, 128, 130, 132, 153f., 158, 162, 170, 182, 195 Schneider, W. 5f., 120,127,138 Schofield, M. 81, 83, 85, 87, 152 Schuhmann, K. 3 Schwegler, A. 7, 18, 42, 53, 55, 73f., 119, 124, 130, 139, 151, 171, 190, 195 Seele 31, 48, 52, 94, 112f., 116f., 145, 159, 164, 166, 168, 172, 174, 179,187 Seidl, H. 13, 18, 33, 41-43, 45, 47, 51-54, 59-61, 66-68, 70, 75, 77-80, 82, 84, 86, 89, 94, 124, 127, 136, 148, 160,176,185f., 188, 195 Seiendes passim Seiendes als Seiendes (tò öv ή ôv) 26, 37, 175, 190f„ 195,204 -»An-sich-Seiendes Selbständigkeit, ontologische (χωριστόν) 6, 9, 12, 17f., 22f„ 31, 34, 46, 53-58, 60-62, 64f., 69-71, 75, 79, 85, 87-89, 91, 103f., 111, 114f., 123-126, 132f., 135f„ 140, 143, 145f„ 149-153, 155, 157, 161-163, 166f., 169Í, 173-177, 180, 184, 194f., 200-203 Sellare, W. 10f., 113, 154f., 160 Simplicius 39, 187, 190 Smith, J.A. 53 Sonderegger, E. 6, 87, 89, 118, 124, 131, 136 Sophisten 26,30, 113, 121 Speer, A. 106 Spellman, L. 13, 55, 108, 112, 114, 133, 163f.

2. Namen- und Sachregister Speusipp 10, 49, 73, 81, 104, 154, 176 Spinoza, B. de 194 Stallmach, J. 178 Stegmaier, W. 194 Steinfath, H. 5f., 9,54,62,69,85, 87, 96, 108, 113, 127, 130, 138, 150, 153, 159 Stenzel, J. 120f., 126, 131, 193 Stoff -» Materie Strycker, É. de 30-32,54, 146 Subjekt -» Zugrundeliegendes Subsistenz 17, 53, 65, 70, 75, 118, 144 Substrat Zugrundeliegendes Sykes, R. D. 5 Taran, L. 49 Teil/Ganzes 12, 22, 43, 47f., 50, 55, 94, 103, 115-117, 119f„ 122, 124, 130-132, 137, 139, 143-147, 155, 157, 169,171, 175, 184, 187, 195 Teilhabe (μέθεξις) 28-32, 34, 36, 99, 110, 119f., 132, 140, 143f., 187, 197 Teleologie Ursache, Ziel, Zweck Thaies 44 Theologie (θεολογική έπιστήμη) 37, 40, 44, 57, 59, 174, 176, 182f„ 189-191, 196 Thomas von Aquin 6f., 33, 42-44, 47, 50-54, 61, 70, 78, 82f., 89f., 92, 104, 106f, 124, 127, 129, 131, 141, 159, 171, 179, 185, 189-192 τί fjv είναι (Essenz) 2, 13f., 37, 42, 48, 51f„ 55-57, 60-63, 68f„ 74, 90, 92-100, 102-117, 123, 128-131, 133, 136f., 139, 141-147, 149f., 152-154, 157f„ 160, 162-174, 180, 183, 188, 193f., 200-203 τόδε τι (bestimmtes Einzelnes) 1, 2224, 31 f., 35, 44, 46, 54, 56-58, 6062, 64-67, 71, 75, 87-91, 96, 99,

241

102, 108, 111, 114, 118, 120, 135f„ 143, 145f., 148f., 156, 161f., 167-169, 173f., 189,194, 199-202 Transzendentalien (transcendentia) 33,106f„ 174, 189f., 192, 195,203 Transzendenz 4, 28, 34, 45, 54, 181, 191f., 195 Trendelenburg, F. A. 4, 18 Tricot, J. 18,42f., 45, 54, 70, 85 Tugendhat, E. 12,79,157 Unbewegter Beweger 24, 35, 37, 45, 58, 64, 71, 76, 111, 147, 174, 176f, 179-185, 189f., 192, 194197,202-204 Unterschied Differenz, spezifische Unveränderlichkeit 2, 9, 12f., 15, 26, 28, 34, 37, 49, 52, 57, 62, 69, 90, 92, 147, 162, 164, 178, 185f, 189, 197,202 Unvergänglichkeit 37, 43, 46, 53, 55, 58, 64, 85, 90, 111, 174, 176-179, 181, 187-190, 196f., 202-204 Ursache (αιτία, αρχή) 27-29, 3 If., 37, 39, 44, 48, 76f., 91f., 125, 133, 139f., 149, 169-171, 175f., 180, 189, 191, 196f., 201 ontologische Möglichkeitsbedingung (αίτιον του είναι) 12, 42, 47f., 52, 57f„ 67, 69, 7If., 92-94, 99, 107, 113, 133, 139, 149-151, 157, 159, 166, 168-175, 183f., 195, 200, 202 als Wirkursache (causa efficiens) 47, 179, 184f., 190, 192 als Ursache der Bewegung 76, 179-182, 185, 196f., 203 als teleologische Ursache 182, 185f„ 196,203 Verbeke, G. 32 Verdenius, W. J. 185 Vlastos, G. 29

242

Register

Volkmann-Schluck, K.-H. 101, 105, 108, 114 Wassein -> τί ήν είναι Wedin, M. V. 69f„ 72, 80f„ 130, 142, 151 Weidemann, H. 51,97 Werner, Ch. 195 Whiting, J. 11,154,158,168 Wieland, G. 191 Wilpert, P. 29 Wirklichkeit (ένέργενα) 18, 24, 58f., 115, 147, 157, 166, 169, 175, 177f„ 180, 183f., 187-189, 194196, 202-204 Wissen/Wissenschaft 2, 4, 8f., 12f., 15, 26f„ 34, 37, 39f„ 52, 54f„ 5759, 62, 69, 71f., 93, 100, 109, 112, 117, 127, 137, 145, 147, 152, 157, 162, 164, 168, 174f„ 179, 190f„ 193, 195-197, 202,204 Witt, Ch. E. 6, 11, 71, 83, 92, l l l f . , 151, 154f., 166 Wolf, U. 1,39,41,52 Wolfson, H. A. 181 Woods, M. J. 7, 151, 166 Woolhouse, R. S. 194 Wurm, K. 144 Xenokrates 10,49, 73, 104, 154,176 Zekl, H. G. 53 Zeller, E. 3f„ 54 Ziel (τέλος) 185f„ 189, 194, 197, 203 Ursache Zimmermann, A. 190f. Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον) logisch-grammatisch 1, 8f., 22, 31, 34f., 44, 46-48, 53f„ 56f„ 64f., 67, 69, 74-77, 80-84, 86-88, 98, 110, 125, 127, 130, 132f, 141-143, 151, 160-162, 193, 196,199f. physikalisch 1, 44, 46f., 52f., 57, 76, 83, 85, 169, 178

ontologisch 6, 9-11, 17, 24, 42, 47f., 52f„ 57f., 65-67, 70, 73-84, 87-93, 95, 97-101, 110, 118, 131, 133, 135, 139, 142f„ 145f., 150, 154, 156f„ 161, 166f„ 169-171, 173 f., 177, 194f., 199-202 Zusammengesetztes (σύνολον) 8, 35, 44, 46, 52, 54-56, 58, 62, 64, 69, 71f., 77-79, 81 f., 88-91, 93, 95f., 99f„ 102f„ 107f., 111-116, 121, 125f, 136f., 143-147, 149-152, 155f., 159, 164, 166, 169, 171-173, 179,183, 187f., 194, 201 Zweck (τό οΰ ένεκα) 182, 186 Zwergel, Η. Α. 130