Frühjüdische Briefe Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums 3-525-53917-7

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Frühjüdische Briefe Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums
 3-525-53917-7

Table of contents :
Vorbemerkungen 7
1. Proble m und Aufgabe der Arbeit 7
2. Literaturun
d Forschungslage 9
Α Sammlun g de r einschlδgige n Briefliteratu r 1 3
Β Analyse n 1 8
1. Di e Einleitungsbriefe zum 2. Makkabδerbuch
(II Makk 1,12,18
) 1 8
1.1. Brie f I (II Makk 1,19
) 1 8
1.2. Brie f I I (I I 1,102,18
) 2 9
1.3. Zusammenfassun g 4 4
2. Di e Briefe der JeremiaBaruchTradition
4 6
2.1. De r Brief des Propheten Jeremia an die nach
Babylon Weggef٧hrten (Jer 29) 4 6
— Zusammenfassung 5 5
2.2. Di e Epistula Jeremiae 5 7
2.3. Di e Epistula Baruch syrBar
7886
(87) 5 9
2.3.1. Einleitungsfragen 5 9
2.3.2. Die Rahmenerzδhlung syrBar
77,(117)
1826;
8 7 6 1
2.3.3. Der Brie f (syrBa r 7886
) 6 4
2.3.3.1. Zu m Text 6 4
2.3.3.2. Aufba u und Einheitlichkeit des Briefes 6 4
2.3.3.3. Einzelexeges e 6 6
a) Prδskript und Einf٧hrung (Kap. 78) 6 6
b) Die Unheile der Br٧der (Kap. 79f) 6 9
c) Trost (Kap . 8183
) 6 9
d) Anerkennung des Gerichts (Kap . 84f ) 7 0
e) Briefschluss (Kap. 86 ) 7 3
2.3.4. Zusammenfassung 7 4
2.4. Brief e in den Paralipomena Jeremiae 7 7
2.4.1. Der Brief Baruch s an Jeremia (parJe r 6,1925
) 7 8
2.4.2. Der Brief Jeremia s an Baruch (parJe r 7,2434)
8 1
3. Rabbinisch e Briefe 8 2
— Zusammenfassung 8 9
4. Brief e der ElephantineKolonie
9 1
4.1. A P 21 ei
n Paschabrief 9 1
4.2. A P 30 ein
e Bittschrift an den Statthalter von Judδa 9 5
4.3. Zusammenfassun g 9 8
5. Brief e der Bar KochbaZeit
aus der W٧ste Juda 10 0
C Ergebniss e un d Schlussfolgerunge n 10 2
1. Ergebniss e der Analysen 10 2
1.1. Funktio n 10 2
1.2. Autoritδtsanspruc h 10 5
1.3. For m 10 6
1.4. Zu r Frage einer Brieftradition 10 7
2. Schlussfolgerunge n 11 0
Abk٧rzungsund
Literaturverzeichni s
Stellenregister
Sachregister

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ΝΤΟΑ  16  Taatz  ·  Frόhjόdische  Briefe 

NOVUM  TESTAMENTUM  ET ORBIS  ANTIQUUS  (ΝΤΟΑ)  Im  Auftrag  des  Biblischen  Instituts  der  Universitδt  Freiburg  Schweiz  herausgegeben  von  Max  Kόchler  in  Zusammenarbeit  mit  Gerd  Theissen 

Zur

Autorin:

Irene Taatz,  geb.  1959,  studierte  Theologie  in  Halle­Wittenberg  und  promovierte  dort  1989 mit  vorliegender  Arbeit  bei  Prof. T. Holtz.  Seither  ist  sie Pastorin  in  der  Evangelischen  Kirche  der  Kirchenprovinz  Sachsen. 

NOVUM  TESTAMENTUM  ET  ORBIS  ANTIQUUS 

Irene  Taatz 

Frühjüdische Briefe Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums

UNIVERSITÄTSVERLAG  FREIBURG  SCHWEIZ  VANDENHOECK  &  RUPRECHT  GÖTTINGEN  1991 

16 

CIP-Titelaufnahme  der  Deutschen  Bibliothek 

Taatz, Irene: Frόhjόdische  Briefe:  die  paulinischen  Briefe  im  Rahmen  der  offiziellen  religiösen  Briefe  des  Frόhjudentums/Irene  Taatz.  -  Freiburg,  Schweiz:  Univ.-Verl. ;  Göttingen:  Vandenhoeck  und  Ruprecht,  1991  (Novum t e s t a m e n t u m et orbis antiquus; 16) Zugl.: Halle, Univ., Diss., 1 9 8 9 ISBN 3 - 5 2 5 - 5 3 9 1 7 - 7 (Vandenhoeck u. Ruprecht) ISBN 3 - 7 2 7 8 - 0 7 0 0 - 8 (Univ.-Verl.)

NE:  GT 

Veröffentlicht  mit  Unterstόtzung  des  Hochschulrates  der  Universität  Freiburg  Schweiz  Die  Druckvorlagen  der  Textseiten  wurden  vom  Autor  ab  Datenträger  als  reprofertige  Vorlage  zur  Verfόgung  gestellt  ©  1991  by  Universitätsverlag  Freiburg  Schweiz  Paulusdruckerei  Freiburg  Schweiz  ISBN  3-7278-0700-8  (Universitätsverlag)  ISBN  3-525-53917-7  (Vandenhoeck  und  Ruprecht) 

INHALTSVERZEICHNIS 

Vorbemerkungen 



1. 

Problem und Aufgabe der Arbeit 



2. 

Literatur­und Forschungslage 



Α 

Sammlung  der  einschlδgigen  Briefliteratur 

13 

Β 

Analysen 

18 

1.  1.1.  1.2.  1.3.  2.  2.1.  2.2.  2.3. 

2.4. 

Die Einleitungsbriefe zum 2. Makkabδerbuch  (II Makk  1,1­2,18)  Brief I (II Makk  1,1­9)  Brief II  (II  1,10­2,18)  Zusammenfassung  Die Briefe der Jeremia­Baruch­Tradition  Der Brief des Propheten Jeremia an die nach  Babylon Weggef٧hrten (Jer 29)  — Zusammenfassung  Die Epistula Jeremiae  Die Epistula Baruch ­ syrBar 78­86 (87)  2.3.1. Einleitungsfragen  2.3.2. Die Rahmenerzδhlung  ­  syrBar  77,(1­17)18­26;  87  2.3.3. Der  Brief  (syrBar  78­86)  2.3.3.1.  Zum Text  2.3.3.2.  Aufbau und Einheitlichkeit des Briefes  2.3.3.3.  Einzelexegese  a) Prδskript und Einf٧hrung (Kap.  78)  b) Die Unheile der Br٧der (Kap. 79f)  c) Trost  (Kap.  81­83)  d) Anerkennung  des Gerichts  (Kap.  84f)  e) Briefschluss  (Kap.  86)  2.3.4. Zusammenfassung  Briefe in den Paralipomena Jeremiae  2.4.1. Der Brief  Baruchs  an Jeremia  (parJer  6,19­25)  2.4.2. Der Brief  Jeremias  an Baruch  (parJer 7,24­34) 

18  18  29  44  46  46  55  57  59  59  61  64  64  64  66  66  69  69  70  73  74  77  78  81 





3. 

Rabbinische Briefe  —  Zusammenfassung 

82  89 

4.  4.1.  4.2.  4.3. 

Briefe der Elephantine­Kolonie  AP 21 ­  ein Paschabrief  AP 30 ­  eine Bittschrift an den Statthalter von Judδa  Zusammenfassung 

91  91  95  98 

5. 

Briefe der Bar Kochba­Zeit aus der W٧ste Juda 

100 

Ergebnisse  und  Schlussfolgerungen 

102 

1.  1.1.  1.2.  1.3.  1.4. 

Ergebnisse der Analysen  Funktion  Autoritδtsanspruch  Form  Zur Frage einer Brieftradition 

102  102  105  106  107 

2. 

Schlussfolgerungen 

110 

Abk٧rzungs­ und  Literaturverzeichnis 

115 

Stellenregister 

126 

Sachregister 

128 

7

VORBEMERKUNGEN 1. Problem und Aufgabe der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gehört in den Rahmen eines Forschungsprojektes zur Erarbeitung des Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, hierbei speziell des Corpus Judaeo-Hellenisticum. Im Corpus Hellenisticum soll alles hellenistische Material, das zum besseren Verständnis von Urchristentum und NT in seiner paganen und judaeo-hellenistischen Umwelt helfen kann, gesammelt werden.1 Einen Beitrag zu dieser Sammlung können auch solche Arbeiten liefern, die ausserneutestamentliche Schriften, Schriftengruppen oder Schriftsteller analysieren, mit dem NT vergleichen und die sich daraus ergebenden sachlichen Parallelen bzw. Antiparallelen darstellen. In dieser Arbeit nun sollen frühjüdische Briefe gesammelt und analysiert werden, um im Vergleich mit den paulinischen Briefen Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie die Gattung desfrühchristlichenBriefes entstanden ist. Briefe begegnen uns im NT als selbständige literarische Einheiten. Die paulinischen Briefe bilden dabei die ältesten uns erreichbaren schriftlichen Quellen des Urchristentums. Das Corpus Paulinum umfasst 13 Briefe, die nach der Angabe ihrer Präskripte dem Paulus als Verfasser zugeordnet sind. Von diesen Briefen stammen die Pastoralbriefe (und der Hebräerbrief2) mit Sicherheit nicht von Paulus. Als echte Paulusbriefe gelten der Brief an die Römer, beide Briefe an die Korinther, die Briefe an die Galater und Philipper, der 1. Brief an die Thessalonicher und der Brief an Philemon. Umstritten bleibt die Echtheit des 2. Thessalonicher-, des Kolosser- und des Epheserbriefes.3 Die Tatsache, dass Briefe pseudonym unter die Autorität des Paulus gestellt wurden, wie auch die formalen Ähnlichkeiten dieser Briefe mit den echten paulinischen Briefen belegen die Bedeutung des Apostels für die Entstehung der frühchristlichen Briefliteratur. Dieser Eindruck kann mit einem Blick auf die katholischen Briefe noch gefestigt werden. Als von Paulus unabhängige Briefe gelten der 2. und 3. Johannesbrief.4 Der 1. Johannesbrief trägt die Bezeichnung Brief eigentlich zu Unrecht, da ihm formale Merkmale eines Briefs völlig fehlen. Hingegen weisen der Judasbrief, der 2. Petrusbrief und in besonderem Masse der 1. Petrusbrief, der ohnehin in der Nachfolge paulinischer Theologie steht,5 formale Parallelen zu den Paulusbriefen auf. Darüberhinaus belegt II Ptr 3,16 die Existenz einer Sammlung von Paulusbriefen. Schwer zu beurteilen ist das Verhältnis des Jakobusbriefes zu den Paulusbriefen, da hier die Frage nach Verfasser und Abfassungszeit noch immer offen ist. Demgegenüber hat jedoch auch der Verfasser der Johan1

Zu Aufgabe und Inhalt des Corpus Hellenisticum vgl. Gerhard Delling, Zum Corpus Hellenisticum Novi Testamenti: ZNW 54 (1963) 1-15. 2 Beim Hebr fehlt das Präskript; dass der Brief von Paulus verfasst sein soll, ergibt sich aus den Schlussgriissen. 3 Vgl. Kümmel 215. 4 Vgl. a.a.O. 394f. 5 Vgl. a.a.O. 373.

8

nesoffenbarung mit der Briefeinleitung in l,4ff. und dem Schluss 22,21 offensichtlich die paulinische Briefkonvention übernommen; die Annahme ist begründet, dass es sich hier nicht um einen fiktiven Brief handelt, sondern dass die Apokalypse tatsächlich als Rundbrief in die Provinz Asien verschickt worden ist.6 Der Blick auf die Briefe des NT und auf die Johannesoffenbarung zeigt, dass Paulus, indem er den Brief als "Mittel zur Glaubensverbreitung, Bekehrung und der Abwehr von Irrlehren und Missständen"7 wählte, "für die Folge die Form der Niederschrift erbaulicher oder theologischer Gedankengänge in der ältesten Kirche"8 schuf und zugleich prägte. Paulus schrieb Briefe, um auch in Zeiten der Abwesenheit auf seine Gemeinden Einfluss nehmen zu können. Er antwortete auf Anfragen und Berichte vom Leben der Gemeinden, er stärkte seine Gemeinden in der von ihm erteilten Lehre, er ermahnte sie und richtete sie auf. Gleichzeitig wehrte Paulus Irrtümern und traf Entscheidungen hinsichtlich der Gemeindeordnung. Er nutzte so die Form des Briefs zur Seelsorge und zur Leitung seiner Gemeinden. Schliesslich bediente sich Paulus des Briefs auch zur Fortführung seiner missionarischen Wirksamkeit und zur Vorbereitung weiterer Missionsvorhaben, wie es besonders der Römerbrief belegt. Die jungen heidenchristlichen Gemeinden hatten keine so feste gemeinsame Basis wie die jüdischen Diasporagemeinden. Ihnen fehlte die Rückbindung an eine zentrale Instanz, wie sie die Juden mit Jerusalem, dem Tempel und dem Synedrion als oberster Kultbehörde besassen. Indem jedoch Paulus kraft seines Auftrags diese Gemeinden durch seine Briefe auch in Zeiten der Abwesenheit an sich als oberste Leitungsinstanz verwies, gab er die Gewähr für die Einheit innerhalb der jungen, lokal und national aufgespaltenen Kirche.9 Entsprechend der sachlichen Bedürfnisse von Seelsorge, Gemeindeleitung, Mission und Sicherung der Einheit gestaltete Paulus das Briefformular. Er verwandte die orientalische Form des Präskripts, in der nach der Angabe von Absender (Superskriptio) und Adresse (Adskriptio) die Grussformel (Salutatio) in einem selbständigen Satz folgt, veränderte diese Form jedoch durch eine weitgehende inhaltliche Auffüllung. Im Ergebnis erinnern die Titulaturen der Absender in fast allen Superskriptionen an amtliche Behördenschreiben, während

Vgl. Karrer 3 0 1 - 3 0 5 . 169. 8 Kümmel 214. 9 Durch die Entscheidungen des Apostelkonzils als Heidenapostel legitimiert, versuchte Paulus mittels einer Kollektensammlung für Jerusalem auch die ökumenische Einheit mit der judenchristlichen Gemeinde zu wahren. Bereits der Galaterbrief zeigt jedoch, dass diese Verbindung schwer belastet war. Wie realistisch Paulus selbst das Verhältnis zwischen den heidenchristlichen Gemeinden und der Urgemeinde in Jerusalem einschätzte, belegt Rom 15,30f. Paulus bat hier die römischen Christen, sich mit ihrer Fürbitte dafür einzusetzen, dass die von Paulus gesammelte Kollekte in Jerusalem auch angenommen werden möge. Demnach befürchtete Paulus den Bruch zwischen der Urgemeinde und seinen Gemeinden, nachdem sich die Situation in Jerusalem seit dem Apostelkonzil offensichtlich zugunsten der judaistischen "Falschbrüder" (Gal 2,4) verändert hatte. Vgl. Wilckens ΙΠ, 129f. 6

7Rigaux

9 die Salutationen wie auch die Schlussgrüsse im Eschatokoll eher privaten Charakters sind. Auch das auf das Präskript folgende Proömium wurde von Paulus verändert. In Abwandlung der pagan-hellenistischen Konvention, an dieser Stelle einen Gesundheitswunsch zu formulieren, gestaltete er diesen Abschnitt zu einer Danksagung zum Stand der Adressatengemeinde um. Schliesslich ist auch die Länge der paulinischen Briefe auffallend und nur mit dem antiken Kunstbrief vergleichbar. Im Gegensatz zu solchen Episteln handelt es sich bei den Paulusbriefen jedoch um eine echte Korrespondenz. Ihre Länge entstand entsprechend ihrer Funktion, indem Paulus in seinen Briefen auch allgemein Gültiges aussagte. Mit derartigen thematischen Abschnitten zeigen die Paulusbriefe, hier besonders der Römerbrief, eine Ähnlichkeit zur thematischen Abhandlung in Form von Episteln.10 Diese Feststellungen zu Form und Funktion der Paulusbriefe machen die Annahme wahrscheinlich, dass Paulus nicht nur das Formular hellenistischorientalischer Briefe, sondern ebenso eine jüdische Tradition gemeindeleitender Briefe bei der Gestaltung seiner Schreiben vor Augen hatte. Ziel dieser Arbeit ist es, nach einer solchen jüdischen Brieftradition zu fragen und ihr Verhältnis zur paulinischen Briefliteratur zu prüfen. Dafür sind zunächst die einschlägigen frühjüdischen offiziellen Briefe religiösen Inhalts 11 zu sammeln. In einem weiteren Schritt sollen diese Briefe hinsichtlich ihrer Funktion und Form untersucht werden, wobei am Ende längerer Abschnitte jeweils eine Zusammenfassung die wesentlichen Ergebnisse hervorheben wird. Ein dritter Teil wird sich dann der Frage stellen, ob mit den Ergebnissen der Einzeluntersuchungen eine jüdische Tradition gemeindeleitender Briefe nachweisbar ist und inwieweit sich Parallelen in Form und Funktion zu den paulinischen Briefen ergeben, die ein Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen könnten.

2. Literatur- und Forschungslage

Der jüdische bzw. frühjüdische Brief ist bisher weder in der atl. noch ntl. Wissenschaft grundlegend thematisiert worden. In einem Aufsatz äusserte sich G. Beer 1913 zur israelitisch-jüdischen Briefliteratur entsprechend der Quellenlage seiner Zeit. 12 W.G. Doty befasste sich in einem kürzeren Abschnitt innerhalb seiner Dissertation über den Brief im späten Hellenismus und frühen Christentum auch mit atl. und jüdischen Briefen. 13 Darüberhinaus erschienen drei Aufsätze zur Form jüdischer Briefe: zur hebräischen Epistolographie von D. Pardee, zur aramäischen Epistolographie von J.A. Fitzmyer und speziell zur aramäischen Epistolographie in persischer Zeit von P. S. Alexander.14 10 Vgl. zur Form der paulinischen Briefe die kurze Darstellung bei Vielhauer 64-66; ausführlicher Roller 34-91. 11 Zu dieser Eingrenzung des Briefmaterials s.u. 13f. 12 Beispielsweise waren die Bar Kochba-Briefe in der Wüste Juda noch nicht entdeckt. 13 Doty, Epistle, 47-50. 14 Alexander untersucht nur diesen speziellen Zeitraum, weil ihm die von Fitzmyer dargestellte Zeitspanne von ca. 6 Jahrhunderten für eine Formanalyse als zu gross erscheint.

10

Der frühchristliche — besonders der paulinische — Brief ist dagegen seit geraumer Zeit ein Arbeitsgebiet der ntl. Forschung. Im Licht der Papyrusfunde am Ende des letzten Jahrhunderts stellte A. Deissmann den "nichtliterarischen" Charakter der Paulusbriefe heraus, um damit der einseitigen Betrachtung der Briefe als paulinischer Lehrdogmatik zu wehren.15 Mit einer Arbeit über den Stil der paulinischen Predigt und die kynischstoische Diatribe (1910) zeigte R. Bultmann, wie sich der Apostel der griechischen Rhetorik bediente. E. Lohmeyer umriss in seiner Untersuchung der brieflichen Grussüberschriften (1927) den theologischen und liturgischen Gehalt der paulinischen Salutatio. O. Roller stellte in einer grossen Monographie (1933) die Besonderheit des paulinischen Briefformulars im Vergleich zum antiken Brief heraus, wobei er einen Zusammenhang zum früh-jüdischen Brief zumindest im Fall von II Makk 1,10-2,18 als möglich ansah.16 Ein solcher Zusammenhang ist in zwei weiteren Aufsätzen genauer untersucht worden. E. Peterson vertrat die These, dass der christliche Brief "ein Erbe des jüdischen Briefes"17 sei, und analysierte diesbezüglich den 1. Clemensbrief. Im Gefolge Petersons versuchte C. Andresen, insbesondere mittels des apokryphen Baruchbriefes (syrBar 78ff.) die These vom form-geschichtlichen Vorbild des frühjüdischen Diasporaschreibens für die '"katholischen Briefe' der frühchristlichen Literatur"18 zu bekräftigen. In der weiteren Forschung wurden vermehrt einzelne Formelemente des paulinischen Briefs herausgegriffen und untersucht, so die parakalö-Sätze von C. J. Bjerkelund (1967) und in Weiterfuhrung der Arbeit von P. Schubert die Danksagungsabschnitte von P. T. O'Brien (1977). Im amerikanischen Raum erschien eine Vielzahl von Studien zu Einzelfragen des griechischen bzw. christlichen Briefes, wobei das Interesse in den letzten Jahren besonders dem Corpus mit seinen Eingangs- und Übergangsformeln galt.19 Eine umfassende Arbeit über den späthellenistischen und frühchristlichen Brief erstellte W.G. Doty mit seiner bereits oben erwähnten20 Dissertation. Auf 15 Deissmann befasste sich mit dieser Frage in den drei, im Literaturverzeichnis aufgeführten Monographien (Bibelstudien; Neue Bibelstudien; Licht von Osten). 16 Roller 509, Anm. 361. 17 Peterson 129. 18 Andresen 241. 19 G. Bahr, The Subscriptions in the Pauline Letter; R.W. Funk, The Letter: Form and Style; Ders., The Apostolic Parousia; Τ. Y. Mullins, Disclosure: A Literary Form in the NT; Ders., Greeting as a New Testament From; Ders., Petition as a Literary Form; J.T. Sanders, The Transition from Opening Epistolary Thanksgivings to Body in the Letters of the Pauline Corpus; D.M. Stanlay, "Become Imitators of Me": The Pauline Corpus; D.M. Stanlay, "Become Imitators of Me": The Pauline Conception of Apostolic Tradition; M.L. Stirewalt, Pauls Evaluation of Letter-Writing; J.L. White, The Body of the Greek Letter; Ders., New Testament Epistolary Literature in the Framework of Ancient Epistolography; Ders., The Structural Analysis of Philemon. 20 S. o. S. 9.

11 der Grundlage einer eigenen Darstellung atl. und jüdischer Briefe lehnte Doty die Annahme einer engeren Beziehung dieser Briefe zur christlichen Briefliteratur ab. 21 In einer späteren Monographie über frühchristliche Briefe führte er dieses Urteil weiter aus: Paulus habe die jüdische Korrespondenz innerhalb Israels zwar gekannt und den Schalom-Gruss übernommen, "but other than that our sources are too meager to indicate precise parallels... Jewish epistolary materials primarly reflect offical letter traditions rather than personal letter traditions; the possible continuity between Jewish letters and primitive Christian letter is difficult to establish, and seems less important (because of its restricted compass and lack of formal continuity) than the contacts with Hellenistic correspondence."22 Einen ganz anderen Weg schlug Κ. Berger ein, indem er versuchte, den frühchristlichen Brief auf die prophetische Offenbarungsrede zurückzuführen: "Zur Deutung frühchristlicher Briefe darf man sich weder besonders auf private hellenistische Papyrusbriefe stützen noch einseitig auf den 'Freundschaftsbrief; vermeidet man eine einseitige Herleitung, so wird man auch beachten müssen, welche Rolle literarisch fixierte Rede theologisch verbindlicher Autoritätsfiguren im Judentum (Prophetenbrief, Testament, Apokalypse) für die Konzeption gerade von Apostelbriefen hat."23 Eine Parallele zwischen Prophetenbuch und Brief besteht nach Ansicht Bergers darin, "dass der in der dritten Person genannte Verfasser nicht nur Adressaten hat, sondern zugleich auch selbst 'von Gott her' grüsst und gesandt ist, also selbst in bestimmter Hinsicht Adressat und nur Mittler".24 Dieser Ansatz bei der jüdischen Offenbarungsliteratur ist für die Frage nach frühjüdischer Briefliteratur im Zusammenhang der Paulusbriefe von Belang. Schwächen zeigen sich allerdings darin, dass Berger in seinen Untersuchungen die Briefform stark vernachlässigt und die Verbindung von Offenbarungsliteratur und Briefformulierung vornehmlich in der Adressierung schriftlich abgefasster Offenbarung sieht. Schliesslich werden die Paulusbriefe bei Berger kaum berücksichtigt. Sein wohl bewusst gewählter Vergleichsansatz bei den nichtpaulinischen Briefen 25 ist angesichts der allgemein anerkannten Tatsache, dass Paulus den christlichen Brief entscheidend geprägt hat, fraglich. Diese Beurteilung kann nicht überzeugen. Ihre Schwächen liegen darin, dass Berger erstens die Verbindung von Offenbarungsliteratur und Briefformulierung vornehmlich in der Adressierung schriftlich abgefasster Offenbarung sieht, dass er zweitens die Frage der Briefform stark vernachlässigt und drittens die Paulusbriefe in seinen Untersuchungen kaum berücksichtigt. Der formallogische Ansatz ist hier angesichts der allgemein anerkannten Tatsache, dass Paulus den christlichen Brief entscheidend geprägt hat, fraglich. Die Sichtung der einschlägigen Literatur belegt, wie weit sich die Bandbreite der Meinungen auffächert: von der Sicht, dass jüdische Briefe eine wesentliche 21 22 23 24 25

Doty, Epistle, 47-50. Ders., Letters, 23. Berger Apostelbrief, 231. Ders., Formgeschichte, 261. Ders., Gattungen, 1333f.

12 Voraussetzung des frühchristlichen Briefs seien, über die Annahme, dass lediglich die frühjüdische Frömmigkeit einen Hintergrund bilde, bis hin zur einseitigen Betrachtung allein des hellenistisch-griechischen Briefstils als Voraussetzung der christlichen Briefliteratur. Damit zeigt sich die Notwendigkeit, eine frühjüdische Brieftradition, soweit sie sich nachweisen lässt, darzustellen. Eine solche Arbeit ist unerlässlich für die sachgerechte Beurteilung der Frage nach den Voraussetzungen des frühchristlichen Briefes und damit speziell des paulinischen Briefstils.

13  Α.  SAMMLUNG  DER  EINSCHLΔGIGEN  BRIEFLITERATUR 

Wie das Thema der Arbeit bereits  anzeigt, soll sich diese Untersuchung nicht all­ gemein  mit  atl. und j٧dischen  Briefen befassen, sondern  mit  speziellen  Briefen  eines bestimmten  Zeitraums.  Die erste, zeitliche  Eingrenzung  auf das Fr٧hjudentum erfolgte nicht nur  aus  arbeitsorganisatorischen  Gr٧nden, sondern ergab sich auch aus zwei  inhaltlichen  Schwerpunkten.  Erstens lδsst das  δltere atl. Material die Herkunft der schriftlichen Mitteilung  als Brief von der m٧ndlichen Nachrichten٧bermittlung durch Boten noch deutlich  erkennen  und  weist  in  diesem  Fr٧hstadium  keine  im  Zusammenhang  mit  der  Ausprδgung  der  ntl.  Briefe  besonders  interessierenden  Formelemente  auf. 26  Formale Verbindungen zwischen den δlteren atl. Briefen und dem in dieser Arbeit  zu untersuchenden  fr٧hj٧dischen Briefmaterial lassen sich jeweils an gegebener  Stelle kurz darstellen.  Zweitens konnte sich eine j٧dische Korrespondenz  zwischen dem  Mutterland  und  j٧dischen  Gemeinden  ausserhalb  Palδstinas  erst  mit  dem  Beginn  der  Exilssituation  und  der  sich  seither  stetig  vergrφssernden  j٧dischen  Diaspora  herausbilden.  Mit  dem Ende  der  staatlichen  Eigenstδndigkeit  Judas begann  die  Geschichte  des  Judentums.  "Israel  hatte  sich  im  Exil  als  Volk  um  die  Thora  konstituiert. Das Gesetz gab diesem Volk, das Land und  Staat und Kult verloren  hatte,  seinen  inneren  Zusammenhalt  und  bestimmte  sein  Leben." 27  Mit  dieser  Entwicklung  wurden  die  geistigen  und  geistlichen  Voraussetzungen  f٧r  das  Leben in der Diaspora und f٧r den Neuanfang im Land der Vδter nach dem Ende  des Exils  geschaffen. Die  aus  dieser  Situation heraus  entstandenen  brieflichen  Kontakte zwischen j٧dischen  Gemeinden  sind im Hinblick  auf die  paulinischen  Briefe als Mittel  der Gemeindeleitung und  zur Sicherung der Einheit  besonders  interessant. Als Terminus post quem empfiehlt sich daher f٧r diese Untersuchung  der Beginn des babylonischen Exils am Anfang des 6. Jh. Das Ende der Zeit des  Fr٧hjudentums lδsst sich in etwa mit der Niederschlagung des zweiten j٧dischen  Aufstandes  im  Jahr  135  n.Chr.  und  der  damit  verbundenen  Verlagerung  des  Zentrums des rabbinischen Judentums nach Galilδa angeben  28  Die zweite, inhaltliche Eingrenzung des Quellenmaterials auf Briefe religiφsen  Inhalts ergab  sich im  Hinblick  darauf, dass f٧r Form  und Funktion  der  paulini­ schen Briefe vorrangig diejenigen Briefe von Interesse  sind, die sich mit religiφ­ sen  Angelegenheiten,  d.h.  mit  Seelsorge  oder  Fragen  des  Kultes  und  der  Administration,  befassten.  Auf  diese  Weise  konnten  Briefe  von  Juden  an  Nichtjuden  bzw.  umgekehrt  ausgeschieden  werden,  da  hier  innerj٧dische  26

Briefe in den frühen Büchern des AT (in Auswahl): Num 20,14-17; II Sam ll,14ff; I Reg 21,8-10; Π Reg 5,5ff; 10,1-3; 20,12; vgl. auch Π Chr 21,12-15. Die Herkunft des Briefs von der Botensendung zeigt sich beispielsweise in Π Reg 19,9-14; vgl. auch Doty, Epistle, 47. 27 Leipoldt/Grundmann 145. Zur Bedeutung des Exils vgl. auch Lohse 7. 28 Mit der 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. endet die Zeit der apokryphen und pseudepigraphen Literatur. Zu den Schwierigkeiten bei der Einbeziehung der rabbinischen Literatur vgl. Müller 69-95 (bes. 94f).

14  Angelegenheiten unter dem besonderen Aspekt der Gemeindeleitung nicht behan­ delt  wurden.29  Die dritte, formale  Eingrenzung auf offizielle Briefe erfolgte mit R٧cksicht auf  den  Charakter  der  paulinischen  Briefe  als  gemeindeleitende  Schreiben.  Daher  sollen in dieser Untersuchung nicht Privatbriefe religiφsen Inhalts30, sondern nur  derartige Schreiben bearbeitet werden, die von gemeindeleitenden  Behφrden  bzw.  Beamten oder aber durch gφttliche Beauftragung autorisiert sind.  Bei der Sichtung des in dreifacher Weise eingegrenzten  Quellenmaterials  war  es zunδchst unwichtig, ob es sich um echte Korrespondenz oder um Kunstbriefe,  sogenannte  Episteln,  handelt;  die  von  Deissmann  auf  uns  gekommene  Unter­ scheidung  zwischen  echtem  Gelegenheitsbrief  und literarischer Epistel birgt  zu  starke formale Einschrδnkungen  in  sich. F٧r die Weiterf٧hrung der  Diskussion  ist eine offenere Definition des Briefs notwendig:  "A letter is literary, public or private, originally or only formally in letter form.  Letter form is distinguished  by  1) being sent or  intended  for sending, 2) from a  writer  or  from  writers,  3)  to  an  addressee  or  to  addressees,  4)  with  greetings,  conclusion, or other formally stylized components, and 5) usually  with reference  to or clear intent to be a letter."31  Entsprechend  dieser Definition sind Rechtsurkunden  in Briefform, beispiels­ weise  Scheideurkunden,  nicht  als Brief  aufzufassen. Hingegen  umschliesst  die  Definition  authentische  Briefe  in  gleicher  Weise  wie  Fδlschungen  bzw.  Verfδlschungen.32 Die Frage nach der Authentizitδt der Urkunden war daher bei  der Sammlung fr٧hj٧dischen Briefmaterials nicht von  Belang. Die  einschlδgige  Briefliteratur  konnte  in  der  Hauptsache  aus  der  Sekundδrliteratur  erschlossen  werden. Neben der bereits erwδhnten Sammlung bei Doty33 fand sich sowohl bei  Fitzmyer  als  auch  bei  Pardee  eine  Aufstellung  aramδischer  bzw.  hebrδischer  Briefe atl. und fr٧hj٧discher Zeit 34. Dar٧berhinaus f٧hrte Berger in seinem  oben  erwδhnten Aufsatz35 eine grosse Zahl von Quellenangaben  an. Zusδtzlich wurden  29

Ausgeschieden wurde beispielsweise der Briefwechsel zwischen Ptolemäus und dem Hohepriester Eleazar (Josephus, Ant ΧΠ,45-51). Hier wurde zwar mit der Übersetzung der Tora ein religiöses Thema angesprochen, aber es handelte sich dabei nicht um eine innerjüdische Angelegenheit. 30 Ein Privatbrief, der auch ein religiöses Thema behandelt, ist z.B. das Ostrakon über den Sabbat: A. Dupont-Sommer, L'ostracon arameen du Sabbat: Sem 2 (1949) 31. 31 Doty, Epistle, 23; vgl. auch Ders., Classification, 183-199. 32 Bei Fälschungen handelt es sich um Urkunden, die ohne eine ihnen selbst zugrundeliegende Vorlage aufgesetzt worden sind, bei Verfälschungen um Bearbeitungen und Erweiterungen einer authentischen Urkunde. Eine klare Unterscheidung zwischen Fälschung und Verfälschung ist schwer zu treffen, bei Verfälschung kann "eine zweifelsfreie Unterscheidung zwischen authentischen und nichtauthentischen Elementen kaum gelingen". Vgl. Gauger 6-8 (Zitat S. 8). 33 Vgl. Anm. 21. 34 Fitzmyer 221-225; Pardee 344-346. 35 S. o. Anm. 23. Den Zugang zu den Quellenangaben erleichtert die folgende Auflistung der Briefe nach Seite und Anmerkungsziffer.

15 auch die jüdischen Schriftsteller, hier besonders Josephus, gesichtet. In den Antiquitates fand sich zw ar eine Fülle von Briefen, doch waren diese entsprechend dem Auswahlprinzip für unsere Thematik nicht von Belang. 3 6 Berger, 191, Anm. 9 Aran. 10

193, Anm. 16

— — — — —

Anm. 17



195, Anm. 23 Anm. 25

— — — — — —

Anm. 26 Anm. 27

196, Anm. 28 Anm. 30

198, 200, 213, 214,

Anm. 33 Anm. 45 Anm.108 Anm.112

222, Anm.154

223, Anm.159

— — — — — — — — — —

— — — — — — — — — — — — —

syrBar78ff; Cowley Nr. 3842; Elephantinebrief RHR 130 (1945) 17-28. Fluchbrief des Josua: BZAW 107 (1969) 201; Brief des Mara bar Serapion: Spicilegium Syriacum ed. by W. Cureton, 70; Brief des Herodes: Santos, Εν. ap., 488 (so allerdings nicht auffindbar); Test Sal Ε 7,1 (König der Assyrer an Salomo); Dan 3,31; 6,26; Π Makk l,lff; Π Esr 5,7; 4,17; Driver Nr. Ι-ΙΠ.νΧΠΙ (AiSames-Korrespondenz); E. G. Kraeling Nr. 13 (Privatbrief); Sanh 1 lb (Briefe des Rabbi Gamaliel); Jeremia-Apokryphon ed. by Mingana, 369 (Zedekia an Nebukadnezar); Ostrakon Padua-Pap. I: RSO 35 (1960) 11-24 (Privatbrief); Est 9,30; Donner, KAI, Nr. 50; 196; vgl. 193; 195; 197; Brief des Pisuntios: ROC 19 (1914) 88; Elephantine-Ostrakon: Sem 2 (1949) 29-39; Donner, KAI, Nr. 233; Hermopolis-Briefe I-VIII ed. by Bresciani/Kamil; Tg. Schern zu Est 1,3 (Brief des Salomo); Thr 4,1 u. 4,37c LXX (nicht verifizierbar); DJD Π Nr. 42-44; 46; 48; IEJ 11 (1961) Nr. 1 (S. 41); 4 (S. 42); 10 (S. 45); 12 (S. 47); IEJ 15 (1965) 111; Midrasch Tannaim hg. v. Hoffman S. 176; griechische Bar Kochba-Briefe: Aegyptus 42 (1962) 240-256; parJer6,17(BaruchanJeremia); Brief des Mani: Acta Archelai p. 5; Jer29; EpJer; Tg. zu Jer 10,11; parJer 7(Jeremia anBaruch); I Esr 2,3; Π Chr 36,23; Test Sal C 13,12; nChr2,10ff; Praep. Ev. 9,34,1; Test Sal 22,1; Kebra Nagast K. 72 (Brief an Salomo); Brief des Nephotes an Psammetichos: PGrM 1,77,155f; I Makk 10,19; 10,26; 14,21.

Der Grossteil der Briefe ist entweder christlicher Herkunft oder aber entspricht nicht dem beschriebenen Aus wahlprinzip (fiühjüdisch-religiös-offiziell). 36

Im Interesse eines einfachen Zugangs seien diese Briefe hier genannt:

16 Letztendlich ergaben sich nach Sichtung und Ausgrenzung des Quellenmaterials fünf Gruppierungen. Eine erste Gruppe umfasst die Einleitungsbriefe zum 2. Makkabäerbuch (II Makk 1,1-2,18). Bei der Untersuchung dieser Briefe müssen die übrigen Briefe der ersten beiden Makkabäerbücher ebenso wie die späten atl. Briefe 3 7 Beachtung finden; eine gesonderte Bearbeitung dieses Vergleichsmaterials ist aber nicht erforderlich.38

Ant  VHI,53f  XI, 12­18 

—  Hiram  an Salomo  (wegen des  Tempelbaus);  —  Kyros an Sisines und Sarabasanas  (Bericht von der  Repatriierung  des Juden und von der Genehmigung  des  Tempelbaus);  XI,22­25  —  Von den  Syrern,  Phoenikem u.s.w.  an Kambyses  (Anklage  der Juden);  XI,26­29  —  Kambyses an die Anklδger (Verbot des Tempelbaus);  XI,104­105  —  Darius an die Eparchen (Abschrift des  Kyrusedikts);  XI,118­119  —  Darius an die Eparchen (Befehl an die Samaritaner,  den  Tempelbau der Juden zu unterst٧tzen);  XI,123­130  —  Xerxes  an Esra (Erlaubnis zur weiteren  R٧cksiedlung);  ΧΠ,45­50  —  Ptolemδus an den Hohenpriester  Eleazar (Bitte um  Übersetzung der Tora);  ΧΠ,51­56  —  Eleazar an Ptolemδus (Zusage der Unterst٧tzung  bei der  Übersetzung);  ΧΠ,138­144  —  Antiochus  an Ptolemδus  (Dank f٧r j٧dische  Unterst٧tzung  und Anordnung zum weiteren Aufbau des Landes);  ΧΠ,226­227  —  Arius an den Hohenpriester Onias (Angebot eines Bundes  zwischen Spartiaten und Juden);  ΧΠ,258  —  Samaritaner an Antiochus  (Ablehnung der  Juden);  ΧΠ.262  —  Antiochus  an Nikanor (Befreiung der Samaritaner von  der  Verfolgung).  ΧΠΙ,45  —  Alexander  an Jonathan  (B٧ndnis und Ernennung  zum  Hohepriester);  ΧΙΠ,48­57  —  Demetrius an Jonathan  (Steuererlass,  Religionsfreiheit);  ΧΙΠ,65­68  —  Onias  an Ptolemδus und Kleopatra  (Bitte um  Genehmigung  zum Bau eines  Tempels);  ΧΙΠ,69­71  —  Ptolemδus und Kleopatra  an Onias (Genehmigung  des  Tempelbaus);  ΧΙΠ,126­128  —  Demetrius  an Jonathan  (Zugestδndnis  von drei Prδfekturen an  Judδa);  XX,11­14  —  Claudius  an das j٧dische  Volk (freie  Religionsaus٧bung).  37   I  Makk  5,10­13;  8,22­28;  10,18­20;  10,25b­45;  11,30­37;  12,6­18;  12,20­23;  13,36­40;  14,20­23;  15,2­9;  15,16­21;  Π  Makk  9,19­27;  11,16­21;  11,22­26;  11,27­33;  11,34­38;  (vgl.  auch  ZusEst  3,13a­g;  8,12a­x;)  Esr  4,llb­16;  4,17b­22;  5,7b­17;  7,12­26;  Dan  3,31­4,15;  6,26­28.  38   Die meisten  dieser Briefe sind  im persischen  Kanzleistil  von  Nichtjuden geschrieben  bzw.  enthalten  Bevollmδchtigungen  und  Edikte.  Der  Hilferuf der  Galilδer  I Makk  5,10­13  ist  bereits  aus formalen Gr٧nden kein Brief, sondern eine militδrische Nachricht. Der Brief der Juden an die  "Br٧der von Sparta" I Makk  12,6­18 entspricht dem Stil der anderen Briefe der  Makkabδerb٧cher. 

17  Die zweite Gruppe enthδlt ausgehend vom Prophetenbrief  Jer 29 verschiedene  dem Jeremia bzw. Baruch zugeschriebene  Briefe der  apokryphen und  pseudepi­ graphen Literatur: EpJer; syrBar 78ff.; parJer  6;7.  In einer  dritten  Gruppe  sind  Briefe der  rabbinischen  Literatur  zusammenge­ fasst:  drei  Briefe  von  Gamaliel  I.  (Sanh  IIb),  zwei  Briefe  von  Simeon  ben  Gamaliel  und  Jochanan  ben  Zakkai  (Midrasch  Tannaim  ed.  Hoffmann,  175f.)  sowie  einige  k٧rzere  Belege  f٧r  Briefkontakte  (pNed  X,41d;  pMQ  111,81 a;  pChag  II,77d).  Die  vierte  Gruppe bilden  einige Briefe von  den  auf Elephantine  gefundenen  Papyrusbriefen: ein  "Paschabrief'  (Cowley  Nr. 21)  sowie drei Bittschriften  der  j٧dischen  Gemeindehδupter  (Cowley  Nr.  27.30.31).  Die  f٧nfte Gruppe  schliesslich  enthδlt  die  in  der  W٧ste  Juda  gefundenen  Briefe der Bar Kochba­Zeit  (DJD II, Nr. 42­48; IEJ  11 (1961)  36­52). 

18  Β.  ANALYSEN 

1 . 

DIE  EINLEITUNGSBRIEFE  ZUM  2.  MAKKABΔERBUCH  (II  Makk  1,1­2,18) 

Das 2. Makkabδerbuch besteht in seinem Hauptteil (3,1­15,36) aus einer Zusam­ menfassung  (Epitome)  des  fiinfbδndigen Geschichtswerkes  eines  Jason  von  Kyrene.  Diese  Epitome  ist  umrahmt  von  einer  Vorrede  (2,19­32)  und  einem  Schlusswort  (15,37­39) des Epitomators.  Ganz am Anfang des Buches aber, der Vorrede noch vorangestellt, finden sich  Briefe, die aufgrund ihrer Stellung auch als Einleitungsbriefe bezeichnet  werden.  Anzahl und Umfang der in diesem Abschnitt  1,1­2,18 enthaltenen  Briefe waren  lange Zeit umstritten: die Meinungen variierten von einem bis zu drei Briefen. 39  Seit  einer  Untersuchimg  von  E.  Bickermann 40  besteht  jedoch  weithin  ein  Grundkonsens, dass es sich um zwei Briefe handelt: der erste Brief endet mit der  Datumsangaben  in  1,941, der zweite beginnt in  1,10.42  Beide Briefe sollen im folgenden betrachtet werden.  1.1.  Brief  I  (II  Makk  1,1­9)  Brief I ist von den Juden in Jerusalem und Judδa an ihre δgyptischen  Glaubens­ br٧der geschrieben  worden.  Nach  dem  Prδskript  und  einer  erweiterten  Salutatio  (VV.  1­5)  wird  den  Empfδngern die stδndige F٧rbitte der Absender zugesagt (V. 6). Darauf folgt ein  Bericht von vergangenen  Drangsalen, der mit der Beschreibung des  Chanukkah­ Brauches  endet  (V.  7f).  Der  Brief  gipfelt  in  der  Aufforderung  zur  Feier  des  Chanukkah­Festes  und  schliesst  mit  der  Angabe des  Datums  "im  Jahr  188"  (=  124 v.Chr.)  (V.  9).  Das Prδskript  (V.  1) lautet:  "Ihren  Br٧dern, den Juden  in Δgypten,  entbieten  die j٧dischen  Br٧der in Jerusalem  und  im Lande Judδa ihren Gruss  [und]  guten  Frieden"43. Hier zeigt sich eine Vermischung von griechischer und  orientalischer  Briefkonvention: die Voranstellung des Adressaten und der Friedensgruss  weisen  auf eine semitische Herkunft hin, wδhrend  die griechische Grussformel  χαίρων  an  einem  ungewφhnlichen  Ort  zwischen  Adressaten  und  Absendern  mit  dem  39

  Eine Ausf٧hrliche Auflistung der einzelnen Thesen ist zu finden bei Bunge 34,  Anm. 7.  Bickermann,  Festbrief.  41   Bereits Grimm 35f machte darauf aufmerksam, dass in hellenistischer Zeit die Angabe  des  Datums gewφhnlich am Briefende erfolgte.  Die  angegebene  Verseinteilung  bezieht  sich  auf  LXX  ed.  Rahlfs;  bei  Swete  wird  die  Datumsangabe bereits zu V.  10 gezogen.  42   Seit Bickermanns  Artikel  (Festbrief)  votieren  f٧r zwei  Briefe  Bunge,  Doran,  Goldstein,  Torrey und Wacholder. Allerdings bezieht Torrey  122 die Datumsangabe in  1,9 auf den zweiten  Brief.  43   Die ٢bersetzung  hier und im folgenden von Habicht. 

19  Objekt  "guten Frieden" konstruiert  wird. Da  semitisch denkende  Briefschreiber,  wenn  sie  in  griechischer  Sprache  schrieben,  normalerweise  auch  das  korrekte  griechische Formular  benutzten,44  d٧rfte es sich hier um  die Übersetzung  eines  aramδischen  Originals handeln. Der Versuch des Übersetzers, den vollen  Gehalt  der j٧dischen  Segensformeln  auch  in der  griechischen  Fassung  wiederzugeben,  f٧hrte  zu  dem  vorliegenden  merkw٧rdigen  Prδskript.  E.  Bickermann  glaubt,  hierzu eine Parallele in den lateinischen Raum ziehen zu kφnnen, wenn er auf die  von  der  Kanzlei  des  rφmischen  Senats  verfassten  Verdolmetschungen  der  Senatus­Consulta  ins Griechische  verweist,  die  "δhnliche Verirrungen  bei  Wie­ dergabe speziell lateinischer Wendungen"  aufwiesen.45  Ein  sehr  unsicheres  Unterfangen  ist  es  nun  allerdings,  den  urspr٧nglichen  Text  des  Briefes  wiederherstellen  zu  wollen.  Der  Vergleich  zwischen  dem  Versuch  einer  R٧ck٧bersetzung  durch  Torrey 46  und  den  Ausf٧hrungen  Goldsteins zur Entstehung des Prδskripts47 zeigt die Vielfalt der mφglichen,  letzt­ endlich  jedoch  nicht  beweisbaren  Varianten;  bereits  die  Frage  nach  der  Originalsprache wird von beiden unterschiedlich  beantwortet.48  Die  Absender  des  Briefs bezeichnen  sich  als  "j٧dische  Br٧der  in  Jerusalem  und im Lande Judδa". Dieser allgemein  gehaltenen  Superskriptio  korrespondiert  die vorhergehende Adskriptio  "ihren Br٧dern, den Juden  in Δgypten".  Der Brief  richtet sich demnach nicht an spezielle Gemeinden  oder Autoritδten, sondern  an  die gesamte Judenschaft in der δgyptischen Diaspora. Auch die Superskriptio  er­ weckt  diesen  Eindruck,  dass  die  gesamte  Judenschaft  Judδas  und  seiner  Hauptstadt Jerusalem das Schreiben verfasst hδtte:  Die  Muttergemeinde  in  Judδa/Jerusalem  schreibt  der  Diasporagemeinde  in  Δgypten einen Brief.  Da jedoch mit Sicherheit einzelne Personen den Wortlaut des Briefes bestimmt  haben, ist der Frage nachzugehen, inwieweit sich der Verfasserkreis genauer be­ schreiben  lδsst.  Hierf٧r  ist  die  Beobachtung  wesentlich,  dass  im  Brief  die  Gerusie  und  der  Hohepriester, die Regierungsinstanzen  des damaligen judδischen  Staatsgebildes,  nicht  als  Absender  genannt  werden.  Beide  Instanzen  waren  zur  Abfassungszeit  des  Briefs unter Johannes  Hyrkanus  I. (135/4­104 v.Chr.)  auf den M٧nzen  auf­ 44   Vgl.  z.B. den Brief an die Spartiaten I Makk  12,6ff: Ιώναθαν  άρξΐ€ρ«ΰ?  ...  Σπαρτιάτοα?  7OLJ  ά$€λφοϊ$  χαίρ€ΐν. Zu weiteren  Hinweisen  auf ein  aramäisches  Briefformular s.u.  Anm.  78 und 88.  Vgl.  auch Bickermann,  Festbrief, 245f; Goldstein  25.  45   Bickermann,  Festbrief,  245f.  46   Torrey  141ff  erarbeitete  eine  aramäische  R٧ck٧bersetzung  beider  Einleitungsbriefe.  Die  Salutatio in  1,1 ٧berträgt er zur٧ck in Slm {b; demnach hätte ein ٢bersetzer die  Schalomformel  verdoppelt:  einmal  entsprechend  der Briefkonvention §lm = Χαιρίΐν, und einmal  inhaltlich  als  Friedens gruss.  47   Goldstein  139­141  hält  es  f٧r  wahrscheinlich,  dass  in  den  ersten  beiden  Versen  Vertauschungen  stattgefunden haben.  Urspr٧nglich  kφnne  die  Lesart  q sein: die  letzten  beiden  Worte  von  V.  1 «ίρήνην  άγαθήν  gehφren  in  Anspielung  auf  Jer  33  (LXX  40),9  zu  V.  2  €Ϊρήνην  άγαθήν  κ cd  αγαθά  ττοιήσαι.  In V.  1 hingegen habe nur der einfache  Friedensgruss  gestanden, der dann mit dem griechischen terminus technicus χαίρΐΐν  wiedergegeben wurde.  48   Torrey  131  entscheidet  sich  f٧r  aramäisch;  dagegen  hält  Goldstein  139  aramäisch  f٧r  unwahrscheinlich. 

20  geprδgt49, beide finden sich auch im Brief der Juden an die Spartiaten  (I Makk  12,6): "Jonathan, der Hohepriester, und die Gerusie des Volkes und die Priester  und das ٧brige Volk der Juden gr٧ssen die spartiatischen Br٧der".  Schliesslich  wird  auch  im  Brief  II  (II  Makk  l,10ff) eine  δhnliche  Angabe  gemacht:  "Die  (Br٧der) in Jerusalem und die in Judδa und der Rat und Judas" w٧nschen  N.N.  Gesundheit.  Alle  diese  Beispiele  veranlassen  zu  der  Vermutung,  dass  im  Brief  I  eine  Angabe wie "Johannes, der Hohepriester, und die Gerusie" bewusst  vermieden  worden  ist.  Interesse  an  einer  solchen  Unterlassung  bzw.  Umgehung  der  Regierungsinstanzen  kφnnten in damaliger Zeit die Pharisδer gehabt haben, die  nach  anfδnglicher Unterst٧tzung  mehr  und  mehr  der Gegnerschaft Hyrkans  I.  ausgesetzt  waren.50  Es wδre mφglich, dass die Absenderangabe oi kv  τη  χώρςί auf pharisδische  Kreise der Landbevφlkerung hinweist.51 F٧r einen pharisδischen Verfasserkreis  spricht  weiterhin, dass in der auf das Prδskript folgenden erweiterten  Salutatio  der  Bund,  das  Gesetz  und  die  Gesetzeseinhaltung  besonders  betont  werden.  Andererseits lδsst sich heute nicht mehr genau sagen, wann der Bruch Hyrkans I.  mit  den  Pharisδern  stattgefunden  hat  und  ob  er  im  Jahr  124  v.Chr.,  dem  Abfassungsjahr des Briefes, bereits vollzogen war. So muss die Annahme eines  pharisδischen Verfasserkreises im Bereich der Hypothese bleiben.  Wenn  man  die  Verfasser  des  Briefs  somit  auch  nicht  sicher  einer  Gruppe  zuordnen kann, so lassen sich doch einige charakteristische Anschauungen fest­ halten:  —  die Absender nehmen eine reservierte Haltung zum hasmonδischen  Hohenpriester ein;  —  sie betonen Bund, Gesetz und Gehorsam;  —  sie zeigen Interesse am Tempel, indem sie sich um die Durchsetzung des  Tempelweihfestes bem٧hen.  Mit dieser Charakteristik  zeigt sich eine Affinitδt zu dem Eindruck, den das ge­ samte 2. Makkabδerbuch hinterlδsst:  —  es weist eine im Vergleich zum 1. Makkabδerbuch k٧hle Haltung zu den  Hasmonδem  auf;52  —  die Geschichte des Volkes wird unter den Themen "Schuld und S٧hne,  Strafe und Gnade" betrachtet;53  —  das Buch ist getragen von einem "Enthusiasmus f٧r den Tempel"54.  Diese Affinitδt gibt Grund zu der Annahme, dass die Absender des Briefes dem  Verfasser des Buches nahestanden bzw. der Verfasser des Buches vielleicht im  Kreis der Absender von Brief  I zu suchen ist. Die Konsequenz  daraus ist, dass  49

  So  Sch٧rer,  History  I,  211.  Zur Datierung  a.a.O.,  200.    Zum Bruch Hyrkans mit den Pharisäern vgl.  Sch٧rer,  History  I, 211­214;  Π,  401.  51   Vgl.  Bunge  65  zu derselben Formel  im 2. Brief.  52   Vgl.  Doran  114; Goldstein  17­19;  Habicht  188.  53   Habicht  186.  Vgl.  auch Goldstein  13.  54   Habicht  186.  Vgl.  auch  Doran  110­114;  Goldstein  13f.  Bickermann  sieht  das  2.  Makkabäerbuch als Agitationsschrift f٧r den Tempel  (Bickermann, Makkabäerb٧cher: PRE XIV,  1928,  779­797).  50

21  zwischen  dem  Werk  des Epitomators  und  der  Abfassung unseres  Briefes nicht  allzuviel Zeit verstrichen sein d٧rfte.  Wie oben bereits festgestellt, ist der urspr٧ngliche Wortlaut der Salutatio in V.  1 kaum noch rekonstruierbar.55  Aus der Verdoppelung der Grussformel (χαίρ€ΐν  und €ίρήνην  άγαθήν) kann man jedoch  folgern, dass im  Original nach  Angabe  der Empfδnger und  Absender  ein Friedensgruss  gestanden hat, an den sich dann  in den VV. 2­5 weitere Gebetsw٧nsche  anschlossen.  Ahnliche Grussformeln finden sich in aramδischen  Briefen, die neben der ein­ fachen  Kurzform  des  Friedensgrusses  auch  Langformen  aufweisen. 56  Hδufig  wurde  hier  ein  einfacher  Grusssatz  verwendet:  "May  all  the  gods  be  much  (concerned) for the well­being of my lord at all times".57 Eine Erweiterung dieser  Form bietet  ein Brief  der j٧dischen  Gemeindehδupter von Elephantine  (Cowley  Nr.  30) 58 :  "May  the  God  of  Heaven  be much  concerned  for the  well­being  of  our  lord  (Bagohi)  at all times, and may he show you favor before Darius the king and the  princes  of  the palace  a thousand  times more than now,  and may  he  grant  you  a  long life, and may you be happy  and prosperous at all times."59  Im  Vergleich  mit  diesem  Schreiben  aus  dem  5. Jh.v.Chr.  ergeben  sich  trotz  einer  gewissen  Δhnlichkeit  auch  auffallende Unterschiede.  Erstens  wurde  im  Elephantinebrief  die zum Prδskript  gehφrende  Salutatio erweitert60,  wδhrend  in  unserem  Brief  auf ein vollstδndiges  aus Absender­ und Empfδngerangabe sowie  Friedensgruss bestehendes Prδskript weitere Gebetsw٧nsche folgen. Zweitens ist  die  derart  ergδnzte  Salutatio  in  Brief  I  wesentlich  lδnger  als  die  des  Elephan­ tinebriefes: bereits das Verhδltnis der finiten Verbformen ist 8:4.  Drittens schliesslich zeigen  sich entscheidende inhaltliche Unterschiede:  wδh­ rend  die  Salutatio  der  Elephantinebittschrift  nur  W٧nsche  hinsichtlich  des  Wohlergehens  des  Empfδngers  enthδlt,  spricht  die  Grussformel  in  Brief  I  mit  dem  Vδterbund  (V.  2), der Gottesverehrung  (V.  3), der Gesetzeseinhaltung  (V.  4)  und  der  Gebetserhφrung  und  Versφhnung  (V.  5)  zentrale  Themen  des  j٧di­ schen Glaubens an; als Ziel  dieser W٧nsche wird nicht  allein das  Wohlergehen,  sondern  gleichzeitig  das  "Wohltun"  der  Empfδnger,  nδmlich  Gottesverehrung  und  Einhaltung  der  Gesetze,  genannt.  Der  Einwand,  dass  der  Elephantinebrief  eine  derart  religiφs  geprδgte  Salutatio  nicht  aufweisen kφnne,  weil  er  an  einen  55

  Siehe  o.  S.  19,  bes.  Anm.  46  und  47.  Die  grundsätzliche  Schwierigkeit  bei  der  Wiedergabe  der Schalomformeln  betont  Fitzmyer  215:  "... one may  wonder  whether  the  word  means  simply  'greetings' or whether it is at times pregnant with  further nuances...  It is not easy  for the twentieth­century  reader of  these texts to discern accurately  the nuance intended  in what  seem to be stereotyped formulae."  56   Vgl.  Fitzmyer  214­216.  57   A.a.O.,  214:  pi>  ton  mitf  (ι·?««')  'mo  tfr٧  58   Ausf٧hrlich zu diesem  Brief  s. u.  S. 95ff.  59   Fitzmyer 214f:  jornφl  pn  Eton mi  ·?ηβ)' R'qz)  rf»  jr­io D^tφ 

η1» m  |B3 n i'D τη'  wra  'si Kha enmm Dip ­ρο'«'  .ps  'm t­iiφi mm "p jnr pn« pm 

60

  Fitzmyer 211  betrachtet  die  Salutationen  gesondert  vom  Präskript  (Präskript bei  ihm nur  Absender­ und Empfängerangabe); dies hat allein methodische Gr٧nde. 

22  Heiden  gerichtet  sei,  ist hinfδllig,  da  auch  das  innerj٧dische  Schreiben  an  die  Gemeindehδupter von Yeb (Cowley Nr. 38) reine Segensformeln enthδlt.61  Als Ergebnis  des Vergleichs  lδsst  sich  somit  festhalten, dass die Beif٧gung  von Gebetsw٧nschen  an die im Prδskript vorhandene  Salutatio  in II Makk  1,2­5  sowohl  in  formaler  als  auch  inhaltlicher  Hinsicht  in  der  aramδischen  Episto­ lographie ohne Parallele ist. Die Parataxis von W٧nschen kφnnte mφglicherweise  aus der in j٧dischen  Elephantinebriefen bezeugten  Konvention,  die  Salutatio  in  einer Aneinanderreihung von  Segensw٧nschen  zu formulieren, hervorgegangen  sein.  Nach  diesem  grundlegenden  Vergleich  sollen  die  VV.  2­5 im  folgenden  in­ haltlich nδher untersucht  werden.  V. 2 greift den zentralen Gedanken des Bundes auf: mφge Gott seines Bundes  mit den Patriarchen  gedenken.  Gottes Bundesverpflichtung ist die wichtigste Grundlage f٧r das Wohlergehen  des  Volkes.  Daher  appellieren  die  Briefschreiber,  wenn  sie  ihren  δgyptischen  Br٧dern Gottes F٧rsorge w٧nschen, zuerst an Gottes  Bundestreue.  Bundestreue  bedeutet  aber  auch,  dass das  Volk  Gottes  Gesetze  erf٧llt, denn  Gottes Bundestreue f٧hrt den Treulosen zum Gericht, den Treuen aber zum  Heil.  Demgemδss erscheinen nach dem Appell an Gottes Treue in V. 3f Gottes Gesetze  und Gebote: Gott mφge allen ein Herz geben, ihn zu verehren und  seinen Willen  von  ganzem  Herzen  und  mit  williger  Seele  zu erf٧llen; er mφge  die Herzen  zu  seinem Gesetz und zu seinen Geboten φffnen und Frieden schaffen.  Ziel dieser W٧nsche ist es also, dass die δgyptischen  Juden Gott verehren und  seine  Gebote  halten.  Der  dabei  geδusserte  Gedanke,  dass  die  rechte  Gottes­ verehrung  durch  Gottes  eigenes  Gnaden wirken  erreicht  werden  soll, ist  im  AT  selten, findet sich  aber in  Dtn  30,6:  "und  Jahwe, dein Gott, wird  dein  Herz  und  das deiner  Nachkommen  beschneiden,  damit  du  Jahwe, deinen  Gott,  liebst  von  ganzem Herzen und ganzer Seele, auf dass du am Leben bleibst".  Im Unterschied  zu diesem Beleg wird aber im Brief  an die δgyptischen  Juden  als Ziel von Gottes Gnadenwirken nicht αγαπάν  θ€0ν, sondern σ€β€σθαι  αυτόν  genannt.  Das Verb σ€β€σθαι  hat  einen  deutlichen  Anklang  an kultische  Hand­ lungen62; daher kann man davon ausgehen, dass in V. 3 nicht allgemein von  der  Gottesfurcht, sondern  speziell von der Gottesverehrung im kultischen  Sinne  die  Rede ist.  Auch die Formulierung καρδίςι  μεγάλη  κ cd.  ψυχη  βουλο μένη ist nicht direkt  aus Dtn 30,6 ٧bernommen  worden, denn dort heisst es im Einklang mit mehreren  anderen  Belegen  im  Dtn 63 : «ξ  ολης  της  καρδίας  σου  κοα  €ξ  ολης  της  ψύξης  σου. Vielmehr d٧rfte sich die Wendung in V. 3b an I Chr 28,9  anlehnen,  61

  .R'oe)  nb*  Dop  mn  pmS(i  p a  taa  m d  bratf'  iratf  n 1 *  ')mo  abti  Cowley  ٧bersetzt:  the  welfare  of  my  Lords  may  the  god  of  heaven  seek  abundantly  at  all  times, and may you be favoured before the god of heaven.  62   Vgl.  Foerster, σέβομαι: ThWNT VII,  1964,169­172.  63   Die  Formel  findet  sich  in  Dtn  4,29;  6,5;  10,12;  11,13;  13,4;  26,16;  30,2.6.10;  Π  Chr  15,12.  Eine leicht abgewandelte  Form bieten I Reg  8,48; II Reg  23,25; II Chr 34,31;  35,19 (€V 

δλχ)...). 

23  wo  Salomo  im Zusammenhang  mit  seiner  Beauftragung zum  Tempelbau  zum  rechten Gottesdienst ermδhnt wird: δούλ€υ€  αύτφ iv  καρδίςι itXaq.  και  φυχη  θζλοΰση.64  Auch mit  dieser  Parallele verbindet  sich  also der Hinweis  auf den  kultischen Bereich.  Auf die Bitte um rechte Gottesverehrung  schliesst  sich in V. 4 die Bitte um  Einhaltung der Gesetze  an.65 Beide Bitten sind wie auch die anderen W٧nsche  des Eingangsteils im Optativ formuliert worden. Dennoch verbirgt sich dahinter  eine  leise  Ermahnung.  Schliesslich  bitten  die  Briefschreiber  nur  um  die  Er­ leuchtung  der Empfδnger, nicht  aber ihrer  selbst.  Offensichtlich waren  sie der  Meinung, dass ihre δgyptischen  Br٧der noch nicht  in der rechten Gottesfurcht  lebten.  Sollten  sich  aber  ihre Herzen  φffnen, so w٧rde  Gott  auch  ihre  Gebete  erhφren, sich mit ihnen versφhnen und sie aus ihrer augenscheinlich  misslichen  Situation erlφsen  (so V. 5). Versφhnung aber ist nur dann notwendig, wenn da­ vor Verfehlungen gelegen haben. In diesem Sinne zeigt sich in den VV. 2­5 deut­ lich eine Klimax: wenn Gott die Herzen der δgyptischen Br٧der φffnet, werden  diese  Gott recht  verehren  und  seine  Gesetze  halten;  daraufhin wird  Gott  wie­ derum ihre Gebete erhφren und ihre Notlage wenden.  Der mahnende Unterton im Gebet der Briefschreiber ist schwerlich zu ٧ber­ hφren.66  Diese  Beobachtung  gibt  Anlass  zur Frage  nach  dem  geschichtlichen  Hintergrund.  In  Δgypten  existierte  ein  schismatisches  Heiligtum,  der  Tempel  von  Leontopolis. Dieser Tempel war von Onias IV. vermutlich nach der Einsetzung  von Menelaos als Hoherpriester zwischen  168 und  163 v.Chr. unter dem juden­ freundlichen Pharao Ptolemδus VI. Philometor gegr٧ndet worden.67  Der  Tempel  von  Leontopolis  hatte  seine  Berechtigung  in  der  Zeit  der  Entweihung  des  Jerusalemer  Tempels,  danach jedoch  war  seine Existenz  ein  Verstoss gegen das Gesetz der Kultzentralisation  (Dtn  12). Dieses Gesetz aller­ dings  konnte  erst  nach  und  nach  durchgesetzt  werden,68  so  dass  sich in  den  Quellen keine Polemik gegen Leontopolis findet. Vermutlich war man damals da­ rum bem٧ht gewesen, einen offenen Bruch zu vermeiden.  Die  Verfasser  des  Briefs  I  mφgen  mit  der  Ermahnung  zur  rechten  Gottesverehrung den Tempel von Leontopolis im Blick gehabt haben, zumal der  Anlass  ihres  Schreibens  die  Einf٧hrung  bzw.  Durchsetzung  eines  neuen  64

  Einen  engen  Zusammenhang  zwischen  Π Makk  1,3b und I  Chr 28,9  sehen  Bickermann,  Festbrief, 249; Bunge  596; Goldstein  142.  Am  Ende des  Verses  wird in Parataxis  angehängt: κ oil  «ίρήνην  ποιήσοα.  Diese Bitte um  Frieden nimmt in gewisser Weise  V. 5 vorweg.  Goldstein  141 betrachtet daher das Ende von V.  4  als  sekundären  Nachtrag,  wobei  er sich  die  Entstehung  durch Verdoppelung  von  V.  1 beim  Abschreiben erklärt.  66   Doran 3f lehnt den paränetischen Charakter ab und betont den Wunschcharakter des Gebets  (Optativ).  Die Gegenposition dazu hält Bickermann,  Festbrief, 248f, indem er Π Makk  1,2­5  als  Parallele zu einem Gebet f٧r ungläubige bzw. häretische Br٧der ansieht.  67   Sowohl  die Person des Gr٧nders  als auch die Zeit der Gr٧ndung  sind nicht restlos  geklärt.  Die  Schwierigkeit  liegt  in  erster  Linie  in  den  widerspr٧chlichen  Angaben  bei  Josephus:  ausf٧hrlich dazu Bunge  530­572.  68   Vgl.  auch Hengel,  Judentum,  499­501. 

24  Tempelfestes war. Dass der Brief sich aber direkt gegen den Tempel der  Oniaden  wende,  um  die  Anhδnger  dieses  Heiligtums  zur  Anerkennung  des  Jerusalemer  Tempels zu bewegen, 69  muss angesichts der Sachlage,  dass sich die  Bedeutung  des  Oniadentempels  aufgrund  der  Quellenlage  nicht  klar  beurteilen  lδsst,70  im  Bereich der Vermutung bleiben.  Der  Abschnitt  II Makk  1,2­5 paraphrasiert  nicht  allein  I Chr  28,7­10,71  son­ dern  ist  in  einem  weitaus  grφsseren  Zusammenhang  zu  sehen:  das  Thema  der  VV.  2­5 —  S٧nde­Umkehr­Erlφsung  —  findet  sich  mit  deutlichen  Parallelen  auch  in  Dtn  4,29­31  und  I  Reg  8,48­50  7 2  Dementsprechend  d٧rfte  auch  der  geschichtliche  Hintergrund  dieser  VV.  ein  grundsδtzlicher  Versuch  der  R٧ckbindung  an Jerusalem  sein.  In der  δgyptischen  Diaspora,  die  sich  seit  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen  stetig entwickelt  hatte, 73  entfaltete sich ein  reges  geistiges Leben. Die hφheren  Schichten des δgyptischen  Judentums  ٧bernahmen  wie  selbstverstδndlich  die  hellenistische  Bildung;  des  Aramδischen  war  man  dagegen kaum  noch kundig. 74 Auch  im  synagogalen  Gottesdienst  r٧ckte  neben  Gebet  und  Hymnus  "der  vom  Stil  der  Diatribe  geprδgte  rhetorisch  ausgefeilte  Lehrvortrag"  mehr und mehr  in den Mittelpunkt  und  gab dem gebildeten  Juden  das  Bewusstsein,  "die  wahre  Philosophie  zu  vertreten"  7 5  Diese  Entwicklung  d٧rfte Anlass  genug  f٧r  die  Juden  Jerusalems  und  Judδas  gewesen  sein,  ihre  δgyptischen Br٧der auf Bundesverpflichtung und Gesetz zu verweisen.  Schliesslich d٧rfte die Anspielung auf die schlechte Lage der Empfδnger in V.  5  (cv  καιρφ ττονηρφ) Bezug auf den damaligen B٧rgerkrieg in Δgypten nehmen.  Die Oniaden hatten mit ihrem politischen  Eingreifen nach dem Tod  Philometors  (145  v.Chr.)  zugunsten  von  Kleopatra  II.  die  gesamte  Judenschaft  in  den  B٧rgerkrieg  mit hineingezogen.76  In der Zeit um das Jahr  124 v.Chr. schien  die  Situation  der  Juden  besonders  ung٧nstig  zu  sein,  da  Ptolemδus  VIII.  und  Kleopatra sich zugunsten des ersteren versφhnt  hatten.77 

69

  So  Bunge  602.    Die Bedeutung  des Tempels  ist sehr umstritten. Bickermann,  Festbrief, 291  bezeichnet  ihn  als  '"krankhafte Idee' eines  rachedilrstigen,  aus  Jerusalem  verjagten  Priesters";  ähnlich  äussert  sich Tcherikover 45f.  Bunge  583­594  dagegen kommt  zu dem Ergebnis,  dass  der Tempel  "als  geistiges  Zentrum  eine  bedeutende  Rolle"  (S.  594)  gespielt  habe.  Doran  11  wiederum  betont  gegen  Bunge,  dass  die  einer  solchen  Bedeutung  angemessene  polemische  Debatte  in  keiner  Weise  existiere.  71   Gegen  Bunge  596.  72   Vgl.  Goldstein.  73   So  Sch٧rer,  History  ΙΠ,  46.  Tcherikover  2  hält  j٧dische  Einwanderungen  grφsseren  Ausmasses  unter  Ptolemäus  I.  f٧r mφglich;  dass  Juden B٧rgerrechte  besessen  haben,  sei  sehr  umstritten  (S.  39).  74   So  Hengel,  Juden,  140; vgl.  auch ders.,  Judentum,  187; Tcherikover  30.  Hengel,  Juden,  141.  76   Vgl.  Bunge  578f;  Sch٧rer,  History  ΠΙ, 46; Tcherikover  21.  77   Vgl.  Bickermann,  Festbrief,  353;  ähnlich  Goldstein  142.  Anders  urteil  Tcherikover  23f  (bes.  Anm.  58),  der  die  Zeit  unter  Euergetes  als  nicht  sonderlich  hart,  den  Kφnig  selbst  als  weniger judenhassend  sieht; καιρός  πονηροί  sei  allgemeiner  zu verstehen,  beeinflusst  durch  biblische Texte  wie  Ps  9,10;  27,5;  102,3.  70

25  Mit V.  5 endet der aus Präskript und mehreren Gebetsw٧nschen  bestehende  Eingangsteil  des  Briefs.78  V.  6 erφffnet mit der typischen ٢bergangsformel  κά  νυν  ώδ€  έσμεν  προσ€υξόμ€νοι  rrepl  ύμων. F٧rbitte war nicht nur die Aufgabe  der  Kφnige,  Hohenpriester  und  Propheten,79  sondern  auch  der  Gemeinden  untereinander.  Auch  im  Brief  der  Juden  an  die  Spartiaten  wird  die  ständige  F٧rbitte betont: ώς  δ€ον  έστίν  και  πρέπον  μνημονίΰβν  άδ€λφων  (I Makk  12,11).  Im  Zusammenhang  mit  den  vorhergehenden  VV.  unterstreicht  diese  Versicherung  der  steten  F٧rbitte  den  seelsorgerlich­paränetischen  Aspekt  des  Briefs.  Im  Anschluss  an V.  6 erwähnt  der folgende  V.  7f  ein  Schreiben  desselben  Verfasserkreises (ή μ€Ϊ£  οι  Ιουδαϊ) an dieselben Empfänger (ΰμίν) aus dem Jahr  143/42 v.Chr.80 Die Datumsangabe "unter Kφnig Demetrios, im Jahr 169" ist ein  Hinweis auf die Echtheit des gesamten Briefs I, denn die Juden datierten nur vom  Herbst  143  bis  zum  Fr٧hling  142  v.Chr.  nach  Demetrios;81  es  ist  unwahr­ scheinlich,  dass  ein  Fälscher  ausgerechnet  in  der Weise  datierte,  die  bei  den  Juden nur ein halbes Jahr lang Geltung hatte.  Aus  dem Brief  vom  Jahr  143/42 v.Chr.  wird in den VV.  7b und  8  zitiert.82  Das Zitat beginnt, so der allgemeine Konsens, mit den Worten ev  τη  θλίφ€ΐ. Es  bezieht sich auf die Ereignisse der Tempelreinigung im Jahr 164 v.Chr.,83 näm­ lich  auf  den  Hφhepunkt  der  Ereignisse  seit  Jasons  Abfall.84  In der Zeit  der  78

  Vgl. Fitzmyer  216:  typische  Einleitung  des Hauptteils von  aramδischen  Briefen durch  lAi,  vk c n,  k c t,  wk c t,  k c nt.  Torrey  123  verkennt  diese  Formel,  wenn  er  meint:  "...  the  date  is  withheld  until  vs.  7,  where  the  real  business  of  the  document  begins".  "The  real  business"  beginnt  bereits mit der  F٧rbitte  in V.  6.  79   Das  2. Makkabδerbuch  kennt  auch  den  Gedanken,  dass  die  F٧rbitte  eines  Propheten  und  Heiligen (Jeremia) f٧r das Volk und die heilige Stadt  "wirksam und hilfreich" sei (Habicht  187).  Goldstein  143  sieht  den  Hintergrund  hier  im Gebet  Salomos  f٧r Tempel  und  Land  (I Reg  8,46­ 50).  80   Seit  Bickermanns  Untersuchung  (Festbrief)  besteht  hier٧ber  ein  allgemeiner  Konsens.  Lediglich Torrey  122 hδlt  den  ganzen Brief  1,1­9  f٧r im  Jahr  169  sei geschrieben.  Die  Angabe  des  Datums mitten  im Brief  ist  aber  absolut  ungewφhnlich.  81   Vgl.  Bickermann,  Festbrief,  239­241;  Goldstein  146f. Die  Datierung  ist  zugleich  Beweis  daf٧r, dass die Juden wie die Babylonier nach der Fr٧hlings δra 311 zδhlten, denn nach der  Herbst­ bzw. Fr٧hlingsδra 312 wδre der Herbst des Jahres  143 v.Chr. bereits  in das Jahr  170 sei gefallen  —  vgl. Hanhart,  Zeitrechnung,  80­84.  82   Vgl.  Bickermann,  Festbrief,  239;  Bunge  597f;  Habicht  201;  Goldstein  144f.  Gegen  ein  Zitat  wendet  sich Hanhart, Zeitrechnung,  86 Anm. 46. Ohne die Annahme eines Zitats  bezφgen  sich die Verse 7 und  8a auf das Jahr  143 v.Chr. In diesem  Fall wδre der  Anschluss zu V. 8b, der  allgemein  auf  das Tempelweihfest  im  Anschluss  an die  Reinigung  im  Jahr  164 v.Chr.  gedeutet  wird, schwer zu  erklδren.  83   Gegen  Habicht  201,  der  den  ganzen  V.  7  auf  das  Jahr  143 bezieht.  Fraglich  daran  ist,  ob  die  Zeit  nach  der  Ermordung  Jonathans  zwanzig  Jahre  spδter  als  "Hφhepunkt  der  Drangsal"  bezeichnet  worden wδre, zumal  V.  8 mit der parataktischen  Einleitung κ ώ  auf die Vorgδnge  des  Jahres  164 v.Chr. Bezug  nimmt.  84   Goldstein  148­150  bringt  eine  eigenwillige  Deutung  des  Abfalls Jasons.  Die Verfasser  der  Briefe von  143  und  124  v.Chr.  hδtten  die  Ansicht  vertreten,  dass  die  S٧nde  Jasons  im  Abfall  vom  Kφnigtum  Antiochus'  IV.  bestanden  habe.  Nach  seiner  Verdrδngung  aus  dem  Hohenpriesteramt  durch  Menelaos  sei Jason  nach Transjordanien  zum  Hyrkantempel  geflohen. 

26 Religionsverfolgung hatten die Verfasser des Briefs von 143/42 v.Chr. zu Gott gebetet und waren erhört worden, brachten daraufhin blutiges und unblutiges Opfer 85 dar, zündeten die Lampen an und legten die Schaubrote aus. Diese Darstellung des Chanukkahbrauches soll, auch wenn sie vermutlich ein späteres Entwicklungsstadium des Fests reflektiert, den Akt der Tempelreinigung und das erste Tempelweihfest86 umschreiben. Die Verfasser von Brief I geben mit dem Zitat des zurückliegenden Briefes ihren Adressaten die Kultätiologie für das Chanukkahfest an. Zugleich aber können sie damit auch eine inhaltliche Brücke zu der in V. 5 angesprochenen schlechten Lage der Empfänger schlagen: auch die unmittelbaren Vorfahren der Verfasser hatten sich während der Religionsverfolgung in einer notvollen Situation befunden, hatten zu Gott gebetet, waren erhört worden und feierten daraufhin ein grosses Tempelfest. In V. 9 nun fordern die Verfasser ihre Adressaten dazu auf, ebenfalls das neue Tempelfest zu feiern: και v w Ινα  Ein  Hinweis  auf  die Echtheit  des Briefs oder  aber  auf  die  genaue  Kenntnis  eines  spδteren  Schreibers.  117   Vgl.  a.a.O.,  163­174.  118   Vgl. Wacholder  93f; Walter,  Thoraausleger,  17.  119   Vgl.  Walter,  a.a.O.,  35­40;  Hengel,  Judentum,  296f.  111

31  Aristobulos  wird  im  Brief  weiterhin  als  Nachkomme  des  hohepriesterlichen  Geschlechts  angesprochen;  dies  ist  der  einzige  Beleg  f٧r eine  solche  Abstam­ mung. 120  "Wenn  sich nun  die Jerusalemer  ausdr٧cklich  an ihn wenden,  dann  bedeutet  dies unter den gegebenen Umstδnden eine ausdr٧ckliche Verneigung vor der le­ gitimen  Familie  der  Oniaden, die  seit dem  Tod  des Jason  durch  den  Usurpator  Menelaos ihrer Rechte beraubt war. Da die Makkabδer im Jahre  164 v.Chr. noch  kaum  Anspr٧che  auf  das  Hohepriesteramt  erhoben  haben  werden,  ist  die  Vermutung nicht  abwegig, man habe  sich  in Jerusalem  Hoffnung gemacht,  die  Oniaden  kφnnten  nach  Jerusalem  zur٧ckkehren,  um  ihr  angestammtes  Amt  wieder  anzutreten."121  Diese  Vermutung  wird  angesichts  der  Tatsache,  dass  Judas  im  Verlauf  der  Tempelreinigung  auch  die  Priesterschaft,  wohl  bis  auf  Menelaos,  auswech­ selte, 122 noch  wahrscheinlicher.  Der Brief ist weiterhin an die Juden in Δgypten gerichtet, d.h., es wird neben  einem prominenten Juden die gesamte j٧dische Diaspora  angesprochen.  Die Salutatio des Briefs entspricht einer korrekten griechischen Form: χαίρειν  κάΐ  ύγιαίναν.  Belege  f٧r die Formel  finden sich vorrangig  in  Papyrusbriefen  des  ersten  vor­  und  nachchristlichen  Jh. 123  Allein  aus  diesem  statistischen  Befund den  Brief  als Fδlschung  auszuweisen,124  ist  allerdings nicht  umsichtig,  denn  die  Belege sind  alle aus dem  griechisch­δgyptischen  Bereich  entnommen,  wδhrend  unser  Brief  dem  seleukidischen  Einflussbereich  entstammt.  Interes­ santerweise findet sich nun auch im Schreiben des graecophilen Antiochus IV. (II  Makk 9,19­27) dieselbe Salutatio, dort sogar noch durch einen weiteren Infinitiv  €iJ  π ρ ά τ τ α ν  ergδnzt. 125  Die  Formel  χ α ί ρ α ν  και  ύγια(ν€ΐν,  die  in  Grie­ chenland  immerhin  f٧r das 4. Jh. v.Chr. belegt  ist,126 kφnnte demnach im  seleu­ kidischen  Bereich  zu  der  Zeit,  in  der  der  zweite  Einleitungsbrief  geschrieben  wurde, durchaus benutzt worden  sein. 127  Dar٧berhinaus  ist  bei  der  Beurteilung  der  Salutatio  zu  beachten,  dass  es  sich  wahrscheinlich  um  eine  Übersetzung  aus  dem  Aramδischen  handelt.  Der  Übersetzer  kφnnte  δhnlich  wie im  Fall  des  ersten  Einleitungsbriefs128  versucht  haben,  den  Gehalt  der  u.U.  erweiterten  Schalomformel  auch  im  griechischen 

120

  Vgl.  Walter,  a.a.O.,  17;  auch Goldstein  168.    Bunge  68f. Doran  12 Anm. 41  sieht in dieser Anrede pure  Schmeichelei.  122   So  I Makk  4,42;  vgl.  Jeremias  111,47.  123   Vgl.  Bunge  44f;  Goldstein  164f.  124   So  tut es  Bickermann,  Festbrief,  234.  125   Urspr٧nglich  handelt  es  sich  wohl  nicht  um  einen  Brief  an die  Juden,  sondern  um  ein  Zirkularschreiben.  Vgl.  Bunge 422  Anm.  128b; Momigliano  84.  12i > Der genaue  Beleg  bei Goldstein  164.  127 Vgl.  auch  Bunge  44f.  128   S.  o.  S.  18f.  121

32  Text wiederzugeben: die Verbindung von Friedens­ und  Gesundheitswunsch  ist  in einem  Elephantineostrakon  belegt: 129  nnbtφ ]'m Db٧  Festzuhalten  bleibt, dass die Salutatio  in II Makk  1,10 nicht  in der einfachen  griechischen  Form  χ α ί ρ α ν  gehalten  ist,  sondern  durch  den  epistolographisch  korrekten Zusatz κοϋ  ύγραιναν  erweitert  wurde.  Aufgrund  des Prδskripts  besteht  kein  Anlass,  die  Echtheit  des  Briefs  anzu­ zweifeln.  An  das  Prδskript  schliesst  sich  ein  Abschnitt  der  Danksagung  an  Gott  an.  Die  Briefschreiber danken Gott, dass er sie aus grosser Gefahr errettet und die gegen  die  heilige  Stadt  Kδmpfenden  vertrieben  habe  (1,1 lf).  Mit  V.  12  ist  diese  Danksagung  aber noch  nicht  abgeschlossen,  denn  auch  der Tod  des  verhassten  Kφnigs Antiochus IV., von dem in den VV.  13­16 berichtet  wird, ist Grund  zum  Dank:  κατά  π ά ν τ α  €ΰλογητό