Briefe der Leidenschaft

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Briefe der Leidenschaft

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Ein Band der

Tusculum-Bücher

OVID B r i e f e der L e i d e n s c h a f t Η Ε R О I D Ε S

Im Ortext mit deutscher Übertragung herausgegeben von Wolfgang Gerlach

Ernst Heimeran Verlag München

1952

T i t e l v i g n e t t e : Paris vor Helena (Pompeianisch)

2. Auflage 1 9 5 2 . - 104 Gedruckt bei H . Laupp j r , Tübingen - Gebunden bei Heinr. Koch, Tübingen

P. Ο ν i di и s N a s о

Η Ε R Ο I D Ε S

Penelope Ulixi Hanc tua Penelope lento tibi mittit, Ulixe: Nil mihi rescribas, at tamen ipse veni! Troia iacet certe Danais invisa puellis: Vix Priamus tanti totaque Troia fuit. О utinam tum, cum Lacedaemona classe petebat, Obrutus insanis esset adulter aquis! Non ego deserto iacuissem frigida lecto, N o n quererer tardos ire relicta dies, Nec mihi quaerenti spatiosam fallere noctem Lassasset viduas pendula tela manus. Quando ego non timui graviora pericula veris? Res est solliciti plena timoris amor. In te fingebam violentos Troas ituros, Nomine in Hectoreo pallida semper eram. Sive quis Antilochum narrabat ab Hectore victum, Antilochus nostri causa timoris erat; Sive Menoetiadem falsis cecidisse sub armis, Flebam successu posse carere dolos. Sanguine Tlepolemus Lyciam tepefecerat hastam: Tlepolemi leto cura novata meast.

Penelope

an

Odysseus

Dies schickt deine Venelope dir, saumsei'ger Odysseus: Schreibe mir nichts "^urück, sondern komme du selbst! Sicher liegt Troja besiegt, verhaßt den griechischen Mädchen Kaum war Priamos dies, Ilion kaum so viel wert! Hätte der Wellen Gewalt doch einst den Verfährer verschüttet, Als mit der Flotte er sich Spartas Mauern genaht 1 L,iebeleer dehnt' ich mich nicht auf meinem verlassenen Imager, Klagte verlassen dann nicht, daß mir die Tage so lang, Daß ich vergeblich versuche, die langen Nächte füllen Und der ermüdeten Hand dann das Gewebe entfällt. Immer sah ich Gefahren für dich, die größer als wirklich: Zittern um das, was sie liebt, ist ja der L.iebe Natur. Wähnend, immer nur dir gelt' alles Stürmen der Troer, Wurde ich bleich, sobald Hektors Name nur fiel. Hört' ich, Antilochos sei von Hektors Kraft überwunden, War Antilochos mir Anlaß ^и Kummer und Angst. Sprach man, Vatroklos sei in fremder Rüstung gefallen, Weint' ich, aus Furcht, deiner bist sei der Erfolg doch versagt; Mit Tlepolemos Blut war die Ъап^е Sarpedons gerötet: Durch Tlepolemos Tod ward meine Sorge erneut. —

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PENELOPE

U L I XI

Denique, quisquis erat castris iugulatus Achivis, Frigidius glacie pectus amantis erat. Sed bene consuluit casto deus aequus amori: Versast in cineres sospite Troia viro. Argolici rediere duces: altaria fumant; Ponitur ad patrios barbara praeda deos; Grata ferunt nymphae pro salvis dona maritis: Illi victa suis Troica fata canunt. Mirantur iustique senes trepidaeque puellae: Narrantis coniunx pendet ab ore viri. iamque aliquis posita monstrat fera proelia mensa Pingit et exiguo Pergama tota mero: 'Нас ibat Simois, hac est Sigeia tellus, Hie steterat Priami regia celsa senis; Illic Aeacides, illic tendebat Ulixes, Hie lacer admissos terruit Hector equos.' Omnia namque tuo senior, te quaerere misso, Rettulerat nato Nestor, at ille mihi. Rettulit et ferro Rhesumque Dolonaque caesos, Utque sit hie somno proditus, ille dolo. Ausus es, о nimium nimiumque oblite tuorum, Thracia nocturno tangere castra dolo Totque simul mactare viros, adiutus ab uno! At bene cautus eras et memor ante mei? Usque metu micuere sinus, dum victor amicum Dictus es Ismariis isse per agmen equis. Sed mihi quid prodest vestris disiecta lacertis Ilios et, murus quod fuit, esse solum,

PENELOPE AN

ODYSSEUS

Kur^j ward einer im laager der griechischen Helden getötet, Kam es wie eisige Furcht über mein liebendes Her%. Doch ein gütiger Gott gab der keuschen Liebe Belohnung: Troja verbrannte Schutt, mir blieb der Gatte bewahrt. Griechenlands Fürsten kehrten zurück, es brannten die Opfer, Beute aus fremdem Land ward unsern Göttern gebracht. Freudig spenden die Fraun %um Dankfür die Heimkehr der Gatten. Die nun berichten, wie sich Ilions Schicksal erfüllt, Staunen ergreift die freudigen Greise, die Mädchen erbittern, Staunend lauscht auch die Frau, was ihr der Gatte erzählt. Finer zeichnet jet^t hin auf den Tisch die wilden Gefechte, Malt gam^ Ilion auf mit einem Rest seines Weins: „Hier strömt Simoeis dahin, hier liegt die Sigelsche Landschaft, Hier stand Priamos' Burg, ragend цит Himmel empor, Dort war das Lager Achills, und dort hat Odysseus gelagert, Hektors blutiger Leib hier Achills Rosse erschreckt." Nestor hatte bereits all dies deinem Sohne berichtet, Als er suchen dich ging, und ich vernahm es von ihm. Er erzählte mir auch, daß Rhesos und DoIon getötet, Rhesos bezwungen vom Schlaf, Dolon durch Tücke gefällt. All^uviel hast du gewagt und die Deinen gänzlich vergessen, Als du bei Nacht voll List thrakische Zelte betratst Und soviel Männer erschlugst, mit demBeis fand nur eines Gefährten! Aber du nahmst dich in acht, dachtest %uvor doch an mich? Unaufhörlich klopfte das Her\ mir vor Furcht, bis ich hörte, Daß du mit Rhesos Gespann glücklich %um Heere auch kamst. Doch was nüt-^t es mir denn, daß Ilion siegreich bezwungen, Daß, was Mauer einst war, ebener Boden jet^t ist, —

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PENELOPE

U L I XI

Si maneo, qualis Troia durante manebam, Virque mihi dempto fine carendus abest? Diruta sunt aliis, uni mihi Pergama restant, Incola captivo quae bove victor arat. Iam seges est, ubi Troia fuit, resecandaque falce Luxuriat Phrygio sanguine pinguis humus; Semisepulta virum curvis feriuntur aratris Ossa, ruinosas occulit herba domos Victor abes, nec scire mihi, quae causa morandi, Aut in quo lateas ferreus orbe, licet! Quisquis ad haec vertit peregrinam litora puppim, Ille mihi de te multa rogatus abit: Quamque tibi reddat, si te modo viderit usquam, Traditur huic digitis charta notata meis. Nos Pylon, antiqui Neleia Nestoris arva, Misimus: incertast fama remissa Pylo. Misimus et Sparten: Sparte quoque nescia veri. Quas habitas terras aut ubi lentus abes? Utilius starent etiamnunc moenia Phoebi Irascor votis heu! levis ipsa meis! Scirem, ubi pugnares, et tantum bella timerem, E t mea cum multis iuncta querela foret. Quid timeam, ignoro; timeo tamen omnia demens, Et patet in curas area lata meas. Quaecumque aequor habet, quaecumque pericula tellus, Tam longae causas suspicor esse morae.

PENELOPE

AN

ODYSSEUS

Wenn ich dieselbe noch bin, die ich war, als Troja euch trotzte, Und ich auf ewige Zeit mich nach dem Gatten vermehr'? Nur für andre ist Troja verstört, mir bleibt es bestehen, das mit erbeutetem Stier jet^t schon der Sieger bepflügt: Schon steht Saat, wo Troja einst war, und wartet der Sense, Fruchtbar durch phrjgisches Blut blühet das gan^e Gebiet; Flüchtig begraben, berührtjet^t der Pflug die Gebeine der Helden, Häuserruinen bedeckt schon das verhüllende Gras Du nur, Sieger, bist fern, Geheimnis bleibt es, warum denn Du gan^ allein noch verweilst, wo du dich herzlos verbirgst. Wer aus der Fremde kommt und ^и unsren Gestaden sich wendet, Segelt erst ab, wenn er mir vieles von dir hat erzählt, Jeder erhält einen Brief, von meiner Hand hier geschrieben, Dir geben bestimmt, falls er den Weg mit dir kreuzt. Hin nach Pylos hab' ich geschickt, in die Heimat des Nestor: Unbestimmt aber nur war, was ich an Kunde vernahm. Sparta hab' ich befragt: auch Sparta ließ mich im Dunkeln. Sag, welches Land du bewohnst, wo du jet-^t saumselig weilst! Besser, es stünden auch jets^t noch die Mauern des Phoibos jet^t %ürn' ich, Wankelmütig gemacht, selbst meinem heißen Gebet! - : Wüßt' ich dann doch, wo du kämpfst und brauchte den Krieg nur fürchten, Meine Klage um dich wär' mit den vielen vereint. Ungewiß ist ja die Furcht, doch fürchte ich Törichte alles, Weil meinen Sorgen allein nirgends ein Ziel ja gesetzt. Was das Meer an Gefahr, was die Erde überall bietet All dem geb' ich die Schuld, daß du so lange verweilst. —

II



ΡΕ NB L O P E U L I X I

Haec ego dum stulte metuo, quae vestra libidost, Esse peregrino captus amore potes. Forsitan et narres, quam sit tibi rustica coniunx, Quae tantum lanas non sinat esse rüdes. Fallar, et hoc crimen tenues vanescat in auras, Neve, revertendi liber, abesse velis! Me pater Icarius viduo discedere lecto Cogit et immensas increpat usque moras. Increpet usque licet! tua sum, tua dicar oportet, Penelope coniunx semper Ulixis его. Ille tarnen pietate mea precibusque pudicis Frangitur et vires temperat ipse suas. Dulichii Samiique et, quos tulit alta Zacynthos, Turba ruunt in me luxuriosa proci Inque tua regnant nullis prohibentibus aula: Viscera nostra, tuae dilacerantur opes. Quid tibi Pisandrum Polybumque Medontaque dirum Eurymachique avidas Antinoique manus Atque alios referam, quos omnis turpiter absens Ipse tuo partis sanguine rebus alis? Irus egens pecorisque Melanthius actor edendi Ultimus accedunt in tua damna pudor. Tres sumus inbelles numero, sine viribus uxor, Laertesque senex Telemachusque puer. Ille per insidias paenest mihi nuper ademptus, Dum parat invitis omnibus ire Pylon. Di, precor, hoc iubeant, ut euntibus ordine fatis Ille meos oculos conprimat, ille tuos.

PENELOPE

AN

ODYSSEUS

Häng' ich töricht dem nach, befürcht' ich, du könntest in fremder Liebe gefangen schon sein, wie euer Wille oft ist. Ach, du erzählst ihr vielleicht, wie bäuerisch deine Gemahlin, Die als einzige Kunst Wolle \u spinnen versteht. Doch mag 'Täuschung das sein und meine Beschuldigung nichtig: Aber dann kehre zurück, wenn dir die Rückkehr noch frei! Mein verwilwetes Bett verlassen ^wingt mich der Vater Ikaros, bitter ergrimmt, weil du noch immer nicht kamst. Mag er, solange er will! Dein bin ich, darf dir nur gehören, Stets bleibt Penelope ja ihres Odysseus Gemahl. Ihn selbst rührt meine Liebe; die keuschen Bitten der Tochter Stimmen ihn mild, er verbirgt seiner Empörung Gewalt. Doch die üppige Schar der Freier aus Samos, Zakynthos, Aus Dulichion auch dringen jet^t stürmisch in mich, Herrschen in deinem Talast, da keiner ihr Treiben verhindert: Was uns beiden gehört, wird jetvtf von ihnen verpraßt. Soll ich Eurymachos' dir und Antinoos' schreckliche Habsucht Nennen, Pisander da^u, Medon und Polybos auch, Viele andre da^u, die schimpflich von deinem Besitze, Blutig erworben, hier ^ehrn, weil du der Heimat noch fern? Iros, der Bettler sogar, und Melanthios, der sie noch antreibt, Abzuschlachten das Vieh, krönen die schändliche Schmach. Wir drei allein sind schwach: ein Weib ohne Kräfte ja bin ich, Telemach ist noch ци jung, unser Laertes ein Greis. Unlängst hätten sie bald durch Tücke den Sohn mir getötet, Als er nach Pylos %og, ihrem Verbote %um Trot Mögen die Götter es fügen, daß er am Ziel unsres Leben1: Ihrem Walten gemäß leise die Augen uns schließt. ΐί



PENELOPE

U Ω! XI

Hoc faciunt custosque boum longaevaque nutrix, Tertius inmundae cura fidelis harae! Sed neque Laertes, ut qui sit inutilis armis, Hostibus in mediis regna tenere potest, Telemacho veniet, vivat modo, fortior aetas: Nunc erat auxiliis ilia tuenda patris. Nec mihi sunt vires inimicos pellere tectis: Tu citius venias, portus et ara tuis! Est tibi sitque, precor, natus, qui mollibus annis In patriae artes erudiendus erat. Respice Laerten: ut iam sua lumina condas, Extremum fati sustinet ille diem. Certe ego, quae fueram te discedente puella, Protinus ut venias, facta videbor anus. Phyllis

Demophoonti

Hospita, Demophoon, tua te Rhodopeia Phyllis Ultra promissum tempus abesse queror. Cornua cum lunae pleno semel orbe coissent, Litoribus nostris ancora pacta tuast: Luna quater latuit, toto quater orbe recrevit, Nec vehit Actaeas Sithonis unda rates. Tempora si numeres, quae nos numeramus amantes, N o n venit ante suam nostra querela diem; Spes quoque lenta fuit. tarde, quae credita laedunt, Credimus in vita nunc et amante nocent.

PENELOPE

AN

ODYSSEUS

Dies erflehen der Hirt und die alte Amme; FLumaios Hält als Dritter ци uns, treu seiner Pflichten bewußt. Siehe, Laertes kann, durch sein Alter am Kampfe gehindert, Kings von Feinden umstellt nicht mehr erhalten dein Reich; Lassen sie Telemach mir, wird t(u stärkerer Kraft er heranblühn Jet^t jedoch braucht er den Schutden nur der Vater verbürgt. Ich auch bin ja ^и schwach, den Palast von den Feinden säubern: Komme sobald du kannst, Hafen und Zuflucht für uns! Deiner wartet ein Sohn, %um garten Jüngling erwachsen: Mögest dem Vater dann gleich du ihn vyim Helden er^iebn; An Laertes auch denk', daß du ihm die Augen noch zudrückst, Der dem erfüllten Geschick tapfer ins Auge schon sieht; Denke an mich: als du gingst, hast ein blühendes Weib du verlassen Kommst du, steh' ich vor dir jet^t als gealterte Frau.

Phyllis

an

Demophoon

Demophoon, die dich aufnahm, die rhodopelsche Phyllis, Klagt, daß du länger ihr fehlst, als ihr dein Schwur es versprach. Wenn sich die Horner des Mondes einmal \um Kreise vereinten, Wolltest an meinem Land wieder vor Anker du gehn. Viermal verbarg sich der Mond und rundete viermal sich wieder, Doch kein attisches Schiff treibt mir Thrakiens Meer. Zählst du die Tage - und wir, die wir lieben, Rahlen gewiß sie -, Weißt du, daß nicht vor der Zeit hier meine Klage jet^t kommt. Spät auch begann meine Furcht; spät glaubte ich, was mir je t^t Leid bringt, Da ich es glaube - und doch kann ich nicht lassen von dir. —

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PHYLLIS

DEMOPHOONTI

Saepe fui mendax pro te mihi, saepe putavi Alba procellosos vela referre Notos. Thesea devovi, quia te dimittere nollet: Nec tenuit cursus forsitan ille tuos. Interdum timui, ne, d a m vada tendis ad Hebri, Mersa foret cana naufraga puppis aqua. Saepe deos supplex, ut tu, scelerate, valeres, Cum prece turicremis sum venerata focis, Saepe, videns ventos caelo pelagoque faventes, Ipsa mihi dixi 'si valet ille, venit'; Denique fidus amor, quidquid properantibus obstat, Finxit, et ad causas ingeniosa fui. At tu lentus abes, nec te iurata reducunt Numina, nec nostro motus amore redis. Demophoon, ventis et verba et vela dedisti: Vela queror reditu, verba carere fide. Die mihi, quid feci, nisi non sapienter amavi? Crimine te potui demeruisse meo. Unum in me scelus est, quod te, scelerate, recepi, Sed scelus hoc meriti pondus et instar habet. Iura, fides ubi nunc commissaque dextera dextrae, Quique erat in falso plurimus ore deus? Promissus socios ubi nunc Hymenaeus in annos, Qui mihi coniugii sponsor et obses erat?

P H Y L L I S AN

DEMOPIiOON

Oft hab' aus hiebe dir ich selbst mich belogen und wähnte, Weiße Segel sehn, eilig getrieben vom Sturm; Theseus hab' ich verwünscht, weil er deine Rückkehr verhindert Ach, dabei hielt er vielleicht nie deine Flotte ^urück! Manchmal ergriff mich die Furcht, daß, als du dem Hebros dich nahtest, Jäh zertrümmert dein Schiff schäumender Wellen Gewalt; Flehend bat ich die Götter, du möchtest, Unseliger, leben, Weihrauch flammt' vom Altar, kniend lag ich davor; Oft, wenn ich günstigen Wind überm Meer und am Himmel verspürte, Hab' ich mir gesagt: „Lebt er, dann kommt er bestimmt." Treue Liebe ersann ^ulet^t alles, was hindern dich könnte, Immer fand sich ein Grund, dich \u entschuld'gen bestimmt. Doch du hältst dich mir fern, meine Liebe gilt nichts dir! Die Götter, Die du dereinst beschwurst, führen dich nimmer zurück. Demophoon, in den Wind hast du Worte und Segel gegeben: Beiden klage ich nach, beide löst du mir nicht ein. Sag mir: was hab' ich getan, als daß ich mich gan^ dir gegeben? Dich ци gewinnen war mir dadurch nur möglich gemacht. Das allein ist mein Vergehn, daß ich einst dich, Unseliger, aufnahm — Doch das sei ein Verdienst, sei nicht Verbrechen genannt! Schwur und Treue - wo sind sie ? Was gelten getauschte Versprechen, Was die Gottheit, bei der immer meineidig du schwurst? Wo ist denn Jet% Hymenaios, gelobt auf gemeinsame Jahre, Zeuge und Unterpfand mir, als du die Ehe versprachst? —

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1 4 I Y L L T S D ΚΜ Ο ΡIIΟ ΟΝ Τ I

Per mare, quod totum ventis agitatur et undis, Per quod saepe ieras, per quod iturus eras, Perque tuum mihi iurasti, nisi fictus et illest, Concita qui ventis aequora mulcet, avum, Per Venerem nimiumque mihi facientia tela, Altera tela arcus, altera tela faces, Iunonemque, toris quae praesidet alma maritis, Et per taediferae mystica sacra deae: Si de tot laesis sua numina quisque deorum Vindicet, in poenas non satis unus eris. At laceras etiam puppes furiosa refeci, Ut, qua desererer, firma carina foret, Remigiumque dedi, quod me fugiturus abires. Heu! patior telis vulnera facta meis! Credidimus blandis, quorum tibi copia, verbis, Credidimus generi nominibusque tuis: Credidimus lacrimis. an et hae simulare docentur? Hae quoque habent artes, quaeque iubentur, eunt? Dis quoque credidimus. quo iam tot pignora nobis? Parte satis potui qualibet inde capi. Nec moveor, quod te iuvi portuque locoque? Debuit haec meriti summa fuisse mei! Turpiter hospitium lecto cumulasse iugali Paenitet et lateri conseruisse latus. Quae fuit ante illam, mallem suprema fuisset Nox mihi, dum potui Phyllis honesta mori! Speravi melius, quia me meruisse putavi. Quaecumque ex merito spes venit, aequa venit.

P H Y L L I S AN

DEMOPHOON

Bei dem Meere, gepeitscht von Winden und stürmischen Wellen, Das du oftmals durchfuhrst, oft durchfahren noch wünschst, Bei Neptun, deinem Ahn - soweit du auch ihn nicht erlogen Der die Meere beherrscht, hast du geschworen mir einst, Bei der Venus und ihren für mich so gefährlichen Pfeilen Pfeile vom Bogen gesandt, Pfeile %ur Fackel bestimmt -, Bei dem mystischen Kult der fackeltragenden Göttin, Selbst bei der Juno, die doch gnädig die Ehe beschirmt: Fordert von so viel Göttern beleidigten Stolpes ein jeder Rache dereinst - du allein kannst nicht die Buße erfüll'nl Ach, ich Käsende ließ deine Schiffe, vom Sturme ^erschlagen, Auf baun, daß du mich dann treulos auf ihnen verließt, Gab dir ein Ruder, mit dem du von mir fliehen verstandest Eigner Geschosse Schmer% bin ich leiden verdammt! Glauben gab ich den schmeichelnden Worten, woran du so reich bist, Glauben dem edlen Geschlecht, ließ mich vom Namen betör'n, Glaubte den Tränen: denn sind auch diese ^и Heuchlern geworden? Sind gekünstelt auch sie, gehen wohin man befiehlt? Glauben schenkt' ich den Göttern. Bedurft' ich so zahlreicher Zeugen? Mich ци betören dadurch - ach, es wurde so leicht! Nein, ich bereue es nicht, daß im Hafen ich dich, im Palaste Aufnahm - doch drüber hinaus brauchtest Beweise du nicht! Jet^t bereue ich tief, daß dem Gaste ich Eiebe gegeben, Seite an Seite mit ihm hier im Palaste geruht. Wäre die Nacht vorher doch meine letzte gewesen! Hatt' ich den Tod doch vor mir keusch, wie ich, Phyllis, noch war! Doch ich erhoffte ja Bessres, im Wahn, es verdient mir haben, Hoffnung ist ja gerecht, gründet sie sich auf Verdienst. —

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PHYLLIS

DEMOPHOONTI

Fallere credentem non est operosa puellam Gloria: simplicitas digna favore fuit. Sum decepta tuis et amans et femina verbis. Di faciant, laudis summa sit ista tuae. Inter et Aegidas, media statuaris in urbe, Magnificus titulis stet pater ante suis: Cum fuerit Sciron lectus torvusque Procrustes Et Sinis et tauri mixtaque forma viri Et domitae bello Thebae fusique bimembres Et pulsata nigri regia caeca dei, Hoc tua post illos titulo signetur imago: 'Hie est, cuius amans hospita capta dolost.' De tanta rerum turba factisque parentis Sedit in ingenio Cressa relicta tuo. Quod solum excusat, solum hoc imitaris in illo: Heredem patriae, perfide, fraudis agis. Ilia - nec invideo - fruitur meliore marito Inque capistratis tigribus alta sedet. At mea despecti fugiunt conubia Thraces, Quod ferar externum praeposuisse meis. Atque aliquis 'iam nunc doctas eat' inquit 'Athenas Armiferam Thracen qui regat, alter erit'. Exitus acta probat? careat successibus, opto, Quisquis ab eventu facta notanda putat. At si nostra tuo spumescant aequora remo, lam mihi, iam dicar consuluisse meis.

PHYLLIS AN

DEMOPHOON

Das ist nichtiger Ruhm, ein gläubiges Mädchen ци täuschen; Hat sie es ehrlich gemeint, ivar deine Gunst sie auch wert. Mich, das liebende Weib, hat die Macht deiner Worte betrogen Mögen die Götter dir dies nehmen als höchstes Verdienst! Unter des Aigeus Enkeln, inmitten der Stadt, steh' dein Denkmal, Prangend mit seinem Verdienst seh' man den Vater zuvor: Las der Fremde vom Skiron dann, vom wilden Prokrustes, Hörte vom Menschen und Stier - Sinis - in einer Gestalt, Vom bezwungenen Theben und von den besiegten Kentauren, Von der bestürmten Burg Plutos, des Gottes der Nacht Dann erscheine dein Bild, mit folgender Inschrift gezeichnet: „Dieser mißbrauchte voll hist hiebe, die Phyllis ihm gab." Wieviel Großes der Vater vollbracht - du hast es vergessen; Einzig die Kreterin ist, die er verließ, dir bekannt. Nur was 'Entschuldigung bringt, bewunderst allein du an jenem, Treulos zei&t Falschheit du jetzt, die du vom Vater geerbt! Jene - ich gönne es ihr! - hat jetzt einen besseren Gatten, Fährt, vom Tigergespann stolz jetzt gezogen, einher; Mich aber meiden die einst von mir verachteten Thraker, Weil mir der Fremdling ja mehr galt als die Männer von hier. Spottend sagen sie nun: „Sie gehe doch jetzt nach Athen hin! Thrakien findet gewiß auch einen anderen Herrn!" Gilt denn der Ausgang allein ? Nie sei vom Glück der begünstigt, Der vom Ausgang allein Taten beurteilen will! Würde mein Meer aufschäumen, vom Takt deiner Kader geschlagen Ja, dann hieß es, gar klug hätt' ich beraten uns zwei: 21

PHYLLIS

DEMOPHOONTI

Sed neque consului, nec te mea regia tanget Fessaque Bistonia membra lavabis aqua. Ilia meis oculis species abeuntis inhaeret, Cum premeret portus classis itura meos. Ausus es amplecti colloque infusus amantis Oscula per longas iungere pressa moras Cumque tuis lacrimis lacrimas confundere nostras, Quodque foret velis aura secunda, queri Et mihi discedens suprema dicere voce: 'Phylli, fac expectes Demophoonta tuum!' Expectem, qui me numquam visurus abisti? Expectem pelago vela negata meo? Et tarnen expecto. redeas modo serus amanti, Ut tua sit solo tempore lapsa fides! Quid precor infelix? te iam tenet altera coniunx Forsitan et, nobis qui male favit, amor: Utque tibi excidimus nullam, puto, Phyllida nosti. Ei mihi, si, quae sim Phyllis et unde, rogas! Quae tibi, Demophoon, longis erroribus acto Threicios portus hospitiumque dedi; Cuius opes auxere meae, cui dives egenti Munera multa dedi, multa datura fui; Quae tibi subieci latissima regna Lycurgi, Nomine femineo vix satis apta regi, Qua patet umbrosum Rhodope glacialis ad Haemum, Et sacer admissas exigit Hebrus aquas;

PHYLLIS

AN

DEMOPHOON

Aber mein Plan schlug fehl; du wirst um mein Bleich dich nicht kümmern, Nicht den ermüdeten Leib kühlen im Thrakischen Meer. Immer hob ich dein Bild, wie du Abschied nahmst, deutlich vor Augen, Als im Hafen dein Schiff segelbereit schon geruht; Damals hast du gewagt, die Geliebte fest umarmen, Küßtest mich heiß und lang, Lippe auf 'Lippe gepreßt, Wagtest, Tränen des Schmerzes mit meinen Tränen %и mischen, Über des Windes Gunst wagtest klagen du gar, Sagtest mir schließlich dann als letzte Worte beim Scheiden: „Deinen Demophoon, Phyllis, erwarte du hier!" Soll ich warten auf den, der ging, um mich nie mehr sehen? Segel erwarten, die hart du meinem Meere versagst ? Und ich erwarte dich doch! So kehre •zurück ^ur Geliebten, Spät, aber doch! Gib der Zeit einzig an allem die Schuld! Doch was bitte ich denn ? Dich fesselt vielleicht schon die andre, Deine Liebe \u ihr raubte, was einst mir bestimmt! Gamζ aus dem Sinn bin ich dir; daß Phyllis lebt, hast du vergessen! Wehe mir, wenn du jet^t fragst, wer diese Phyllis denn sei! Ich bin's, Demophoon, die einst dir nach langem Umherirrn Thrakiens Hafen gewährt, gastliche Wohnung da^ti, Die ihre Schätze dir gab, die reich den Bedürftigen machte Durch ihres Reichtums Pracht, alles geben bereit; Die für dich unterwarf das riesige Reich des Lykurgos, Nur mit Mühe gebeugt unter die weibliche Macht, Soweit ringsum sich erstreckt die eisige Khodope, Hebros Heilige Wasser ergießt, schattig der Haimos sich dehnt; 23



Ρ Η Y L Li 18

DEMOPHOONTI

Cui rnea virginitas avibus libata sinistris Castaque fallaci zona recincta manu! Pronuba Tisiphone thalamis ululavit in illis, Et cecinit maestum devia carmen avis. Adfuit Allecto brevibus torquata colubris, Suntque sepulcrali lumina mota face. Maesta tarnen scopulos fruticosaque litora calco Quaeque patent oculis litora lata meis. Sive die laxatur humus, seu frigida lucent Sidera, prospicio, quis freta ventus agat. Et quaecumque procul venientia lintea vidi, Protinus ilia meos auguror esse deos. In freta procurro, vix me retinentibus undis, Mobile qua primas porrigit aequor aquas, Quo magis accedunt, minus et minus utilis adsto Linquor et ancillis excipienda cado. Est sinus, adductos modice falcatus in arcus; Ultima praerupta cornua mole rigent. Hinc mihi suppositas inmittere corpus in undas Mens fuit et, quoniam fallere pergis, erit. Ad tua me fluctus proiectam litora portent, Occurramque oculis intumulata tuis: Duritia ferrum ut superes adamantaque teque, c Non tibi sic' dices 'Phylli sequendus eram.' Saepe venenorum sitis est mihi, saepe cruenta Traiectam gladio morte perire iuvat. Colla quoque, infidis quia se nectenda lacertis Praebuerunt, laqueis inplicuisse iuvat.

PHYLLIS AN

DEMOPHOOS

Die ihre Jungfernschaft dir geopfert im Zeichen des Unglücks, Als den Gürtel, noch keusch, löste die trüg'rische Hand: Tisiphone war klagend der Zeuge bei dieser Vermählung, Leise ein Vogellied schallte als Trauergesang; Auch Allekto, schlangenumspielt, stand an unserer Seite, Kerken brannten, am Grab düsteren Fackeln entflammt. Dennoch lauf' ich voll Schmer^ über Klippen und buschige Ufer Jet^t und überall hin, wo sich das Meer mir noch \eigt. Ob der Tag die Erde erwärmt, ob kalt die Gestirne Scheinen - dem Meer und dem Wind gilt stets der suchende Blick. Seh' ich ein Segel dann weh'n, das gan\ in der Ferne sich nähert, Glaub' ich, es hätte mein Gott endlich mich gnädig erhört, Eile ins Meer dann hinein, von den Wogen nur leise gehindert, Weil das Meer sie hierher gleichsam im Spiel ja nur schickt. Nähern die Segel sich dann, halt ich inne, es schwindet die Kraft mir, Taumelnd sink' ich zurück in meiner Sklavinnen Arm. Mäßiggewölbt, wie ein Bogen, dehnt hier das Gestade ^um Golfsich, Seine Enden begrenzt starrender Felsen Gestein; Oft schon wollt' ich von hier in die wogenden Wellen mich stürben: Wenn du noch länger mich täuschst, soll es vollendet auch sein. Hin ци deinem Gestade dann tragen die Wogen den Leichnam, Daß du dann plötzlich vor dir unbestattet mich siehst. Wärst du auch härter als Eisen und Stahl, so wirst dennoch du sagen: „Phyllis, so durftest du nicht folgen ins Vaterland mir!" Oft auch dürst' ich nach Gift, oft treibt mich die Sehnsucht sterben Über das Schwert gestürmt, blutigen Todes gewiß, Oder den garten Hals mit der blutigen Schlinge %и schnüren, Weil er von treulosem Arm oft sich umfassen einst ließ. —

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B R I S E I S ACH ILL I

Stat nece matura tenerum pensare pudorem; In necis electu parva futura morast. Inscribere meo causa invidiosa sepulcro; Aut hoc aut simili carmine notus eris: 'Phyllida Demophoon leto dedit hospes amantem: Tile necis causam praebuit, ipsa manum.' Briseis Achilli Quam legis, a rapta Briseide littera venit, Vix bene barbarica Graeca notata manu. Quascumque adspicies, lacrimae fecere lituras. Sed tarnen et lacrimae pondera vocis habent. Si mihi pauca queri de te dominoque viroque Fas est, de domino pauca viroque querar. Non, ego poscenti quod sum cito tradita regi, Culpa tuast. quamvis haec quoque culpa tuast. Nam simul Eurybates me Talthybiusque vocarunt, Eurybati data sum Talthybioque comes. Alter in alterius iactantes lumina vultum Quaerebant taciti, noster ubi esset amor. Differri potui: poenae mora grata fuisset. Ei mihi! discedens oscula nulla dedi! At lacrimas sine fine dedi rupique capillos: Infelix iterum sum mihi visa capi. Saepe ego decepto volui custode reverti: Sed, me qui timidam redderet, hostis erat.

B R I S E I S AN

ACHILL

Fest steht, daß ich im Tod, dem frühen, die Schande jet^t sühne, Bin ich doch nicht mehr gewillt, lange V(u wählen den Weg. Dich aber, schmählich ja schuld am Tod, wird immer man nennen; Auf meinem heichenstein stehen die Worte vielleicht: „Demophoon gab Phyllis den Tod, die liebend ihn aufnahm, Ihn trifft die Schuld nur am Tod, den sie sich selber dann gab." Briseis

an

Achill

Hier dieser Brief, den du liest, kam von der geraubten Briseis: Gut wird das Griechisch kaum sein, das eine Fremde dir schrieb. Flecke, die hier du erblickst, sie stammen von bitteren Tränen, Aber die Tränen hier haben der Worte Gewicht! Darf ich über den Herrn und über den Mann mich beklagen, So will ich Klage jet-^t führn über den Herrn und den Mann! Daß man dem König so schnell auf sein Verlangen mich hingab Deine Schuld ist es nicht. Dennoch bist schuldig auch du! Denn sobald Eurybates mich und Talthybios riefen, Gab Eurybates man mich und dem Talthybios mit. Beide sahen einander sich an und fragten sich schweigend, Wo da in aller Welt unsere Tiebe denn sei. Aufschub war erwirken, willkommner Verzug meiner Qualen Ohne den letzten Kuß mußt' ich, ach! scheiden von dir. Tränen hab' ich geweint ohne Maß, ?nir die Tocken zerrissen, Fühlte %um ^weitenmal mich als Gefangne geraubt. Oft schon versucht' ich fliehn, nachdem meine Wächter ich täuschte: Doch die Furchtsame fiel sicher dem Feind in die Hand; —

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BRISEIS

ACHILLI

Si progressa forem, caperer ne nocte timebam, Quamlibet ad Priami munus itura nurum.

20

Sed data sim, quia danda fui. tot noctibus absum, N e c repetor. cessas, iraque lenta tuast. Ipse Menoetiades tum, cum tradebar, in aurem cQuid

fles? hie parvo tempore' dixit c eris\

Nec repetisse, parum! pugnas, ne reddar, Achille.

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I nunc et cupidi nomen amantis habe! Venerunt ad te Telamone et Amyntore nati, Ille gradu propior sanguinis, ille comes, Laertaque satus, per quos comitata redirem: Auxerunt blandas grandia dona preces,

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Viginti fulvos operoso ex aere lebetas E t tripodas septem pondere et arte pares: Addita sunt illis auri bis quinque talenta, Bis sex adsueti vincere semper equi, Q u o d q u e supervacuumst, forma praestante puellae

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Lesbides, eversa corpora capta domo, Cumque tot his - sed non opus est tibi coniuge - coniunx E x Agamemnoniis una puella tribus. Si tibi ab Atride pretio redimenda fuissem, Quae dare debueras accipere illa negas? Qua merui culpa fieri tibi vilis, Achille? Q u o levis a nobis tam cito fugit amor? A n miseros tristis fortuna tenaciter urget, N e c venit inceptis mollior hora meis? —

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B R I S E I S AN

ACIIILI.

Wäre bei Nacht ich entfiohn, sie hätten mich sicher ergriffen, Mich, wie ich fürchtete, dann Priamos' Frauen geschenkt. Aber man gab mich wohl hin, weil man mußte. Unzählige Nächte Bin ich schon fort, und du läßt hier mich, verharrst noch im Zorn. Als man hinweg mich geführt, sprach Patroklos leise ins Ohr mir: „Warum weinst du? Gar bald wirst du ja wieder hier sein!" Daß man mich aufgab - was tut's? Du selbst, Achill, sträubst dich dagegen! Geh nun und sage, daß heiß Sehnsucht nach mir dich erfüllt! Telamons Sohn kam ци dir, es kam der Sohn des Amyntor, Phoenix gleichsam als Freund, Ajax dir nahe verwandt, Auch des Laertes Sohn, bereit, zurück mich führen: Große Geschenke da^u stützten der Bitten Gewicht, Zwanzig funkelnde Kessel aus Επζ, vollendete Arbeit, Dreifüße sieben an Zahl, gleich an Gewicht wie an Kirnst; Zehn Talente an Gold noch fügten hin^u sie den Gaben, Sechsmal ein Doppelgespann Pferde, des Sieges gewohnt, Selbst - was unnüt^ dir war - noch lesbische Mädchen, an Schönheit Herrlich, als Beute geführt aus der vernichteten Stadt: Von Agamemnons Töchtern, den dreien, ward eine gesandt noch, Dir %ur Gattin erkorn, der du die Gattin nicht brauchst. Wolltest du mich mit Geschenken von Atreus Sohne erkaufen, Wär' dies der Preis wohl für mich - warum verweigerst du es? Ach, womit hab 'ich verdient, so gering dir werden, Achilles? Wodurch wandte so schnell sich deine Liebe von mir? Drückt denn die Armen so hart das Unglück immer ци Boden? Frohere Stunden - bestimmt sollen nur mir sie nie sein?

B R I S E I S Л С II I L L I

Diruta Marte tuo Lyrnesia moenia vidi, Et fueram patriae pars ego magna meae. Vidi consortes pariter generisque necisque Tres cecidisse: tribus, quae mihi, mater erat. Vidi, quantus erat, fusum tellure cruenta Pectora iactantem sanguinulenta virum. Tot tarnen amissis te conpensavimus unum: Tu dominus, tu vir, tu mihi frater eras. Tu mihi, iuratus per numina matris aquosae, Utile dicebas ipse fuisse capi: Scilicet ut, quamvis veniam dotata, repellas Et mecum fugias, quae tibi dantur, opes. Quin etiam famast, cum crastina fulserit Eos, Те dare nubiferis lintea velle Notis. Quod scelus ut pavidas miserae mihi contigit aures Sanguinis atque animi pectus inane fuit. Ibis et - о miseram - cui me, violente, relinquis ? Quis mihi desertae mite levamen erit? Devorer ante, precor, subito telluris hiatu, Aut rutilo missi fulminis igne cremer, Quam sine me Phthiis canescant aequora remis, Et videam puppes ire relicta tuas! Si tibi iam reditusque placent patriique Penates, Non ego sum classi sarcina magna tuae. Victorem captiva sequar, non nupta maritum: Est mihi, quae lanas molliat, apta manus. Inter Achaeiadas longe pulcherrima matres In thalamos coniunx ibit eatque tuos,

BRISEIS

AN

ACHILL

Nur durch deine Gewalt sah hyrnessos' Mauern ich fallen; Was es an Kostbarem gab, war nicht zuletzt wohl auch ich! Drei von einem Geschlechte, in einem Tode verbunden, Sah ich dort fallen: die drei hatten die Mutter wie ich; Meinen Gemahl, so groß wie er war, sah auf blutiger Erde Dort ich liegen, die Brust wälzend im eigenen Blut. Doch so viel ich verlor - ersetzt hast du Einer sie alle: Du warst Herr mir und Mann, warst mir der Bruder zugleich. Bei der Göttin des Meeres, bei deiner Mutter, geschworen Hast du, daß nützlich für mich doch die Gefangenschaft sei Etwa wie jet^t, wo du mich, mit Geschenken so reichlich versehen, Aus schlägstKjet^t mich verschmähst und die Geschenke da^ul Ja, es geht das Gerücht, daß du, wenn der Morgen heraufzieht, Strahlend, die Segel dann spannst, stürmischen Winden ^umTrot^! Als die schändliche Tat ich vernahm, erstarrte das Her% mir, Und es hemmte das Blut mir in der Brust seinen Eauf. Du willst gehen, und ich - wem gehöre ich Ärmste denn dann an? Wer wird Trost mir denn sein, bleib ich verlassen zurück? Ach, ich wünschte, %uvor verschlänge die Erde mich in sich, Oder getroffen vom Blit% würd' ich Asche verbrannt, Ehe das Meer ohne mich aufschäumt von phthiischen Rudern, Ehe - verlassen - ich dich fahren von hier sollte sehn! Hast du Verlangen nach Haus, Verlangen nach heimischen Göttern Klein ist die Bürde ja nur, die deiner Flotte ich bin: Als Gefangne dem Sieger ja nur, nicht als Gattin dem Gatten Will ich dir folgen: ich bin, Wolle spinnen, geschickt. Die unter allen Fraun der Achäer bei weitem die schönste Sein wird, wählst du цит Weib, mag sie auch ruhig es sein, —

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BRISEIS

ACHILLI

Digna nurus socero, Iovis Aeginaeque nepote, Cuique senex Nereus prosocer esse velit. Nos humiles famulaeque tuae data pensa trahemux, Et minuent plenos stamina nostra colos. Exagitet ne me tantum tua, deprecor, uxor, Quae mihi nescio quo non erit aequa modo, Neve meos coram scindi patiare capillos E t leviter dicas r haec quoque nostra fuit'. Vel patiare licet, dum ne contempta relinquar: Hic mihi vae! miserae concutit ossa metus. Quid tarnen expectas? Agamemnona paenitet irae, Et iacet ante tuos Graecia maesta pedes. Vince animos iramque tuam, qui cetera vincis! Quid lacerat Danaas inpiger Hector opes? Arma cape, Aeacide, sed me tarnen ante recepta, Et preme turbatos Marte favente viros! Propter me motast, propter me desinat ira: Simque ego tristitiae causa modusque tuae! Nec tibi turpe puta precibus succumbere nostris: Coniugis Oenides versus in arma precest. Res audita mihi, notast tibi: fratribus orba Devovit nati spemque caputque parens. Bellum erat: ille ferox positis secessit ab armis Et patriae rigida mente negavit opem. Sola virum coniunx flexit. felicior illa! At mea pro nullo pondere verba cadunt! Nec tarnen indignor nec me pro coniuge gessi Saepius in domini serva vocata torum.

BBISEIS

AN

ACHILL

Würdig als Schwiegertochter des Vaters, von Juppiter stammend Und der Aigina, der selbst Nereus gern Großvater ist! Ich aber will als niedrige Magd meine Arbeit verrichten Tag um Tag, für dich spinnen am Rocken mein Garn. Eines allein nur bitt' ich: daß nie deine Gattin mich schlage Wird sie wahrscheinlich doch nie günstig der Dienerin sein Daß, wenn %ugegen du bist, sie nie mir die Haare ζerraufe Und du gelassen ihr sagst: „Die auch gehörte einst mir!" Doch erlaube selbst das, nur laß nicht verachtet zurück micb! Das ist die Furcht, die michjet^t bis \ur Vernichtungfast quält. Sag, worauf wartest du denn ? Agamemnon bereut seinen Zorn schon, Dir ιχμ Füßen schon liegt Griechenland, trauergequält. Ach, besiege dein Her%, deinen Zorn! Du besiegst doch sonst alles! Warum zerfleischt ohne Rast Hektor der Danaer Macht? Greife циг Wehr, Aiakide, %uvor aber hole zurück mich; Mars wird günstig dir sein, treibe die Feinde zurück! Meinetwegen entbrannte der Zorn, durch mich soll er enden: Hab' ich dir Trauer gebracht, will ich jet^t "Linderung sein! Halt' es nicht schimpflichfür dich, wenn meinen bitten du nachgibst: Ist Meleager doch einst auch gleichen Bitten gefolgt! Ich vernahm die Geschichte, du kennst sie: Beraubt ihrer Brüder, Fluchte die Mutter dereinst Hoffnung und Leben des Sohns; Krieg war damals, doch jener verließ im Trotze die Waffen, Lehnte mit starrem Sinn Hilfe fürs Vaterland ab; Einzig die Gattin bewegte den Mann - wieviel glücklicher war sie! Meine Worte jedoch haben für dich kein Gewicht! Trotzdem %ürne ich nicht; ich fühlte ja nie mich als Gattin Rief man als Sklavin ja oft mich \u dem Lager des Herrn! —

33 —

BRISEIS

ACHILLI

Me quaedam, memini, dominam captiva vocabat: 'Servitio' dixi 'nominis addis onus.' Per tarnen ossa viri subito male tecta sepulcro, Semper iudiciis ossa verenda meis, Perque trium fortes animas, mea numina, fratrum,

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Qui bene pro patria cum patriaque iacent, Perque tuum nostrumque caput, quae iunximus una, Perque tuos enses, cognita tela meis, Nulla Mycenaeum sociasse cubilia mecum Iuro: fallentem deseruisse velis

no

Si tibi nunc dicam "fortissime, tu quoque iura Nulla tibi sine me gaudia facta', neges. A t Danai maerere putant: tibi plectra moventur, Т е tenet in tepido mollis amica sinu. Si quisquam quaerit, quare pugnare recuses:

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Pugna nocet, citharae noxque Venusque iuvant. Tutius est iacuisse toro, tenuisse puellam, Threiciam digitis increpuisse lyram, Q u a m manibus clipeos et acutae cuspidis hastam E t galeam pressa sustinuisse coma!

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Sed tibi pro tutis insignia facta placebant, Partaque bellando gloria dulcis erat. A n tantum, dum me caperes, fera bella probabas, Cumque mea patria laus tua victa iacet? D i melius! validoque, precor, vibrata lacerto Transeat Hectoreum Pelias hasta latus! —

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125

BRISEIS

AN

ACHILL

Eine Gefangne hat mich, noch weiß ich es, „Herrin!" gerufen: „Schwerer noch machst du die hast", sagt' ich ihr, „nennst du mich so!" Aber ich schwöre dir jet^t bei der flüchtig bestatteten Leiche Meines Gemahls, die mir stets auferlegt ehrende Scheu, Schwöre bei meinen Göttern, den Heldenseelen der Brüder, Die für das Vaterland fielen und mit ihm zugleich, Schwöre bei deinem, bei meinem Leben, einem verbunden, Schwöre bei deinem Schwert, deiner Geschosse Gewalt, Daß der Mykener noch nie sein Lager mit meinem geteilt hat. Sprech' ich die Wahrheit hier nicht, mögest verlassen du mich! Wenn ich dirjet^tsagte: „Nun schwöre, du Tapfrer, auch du mir, Liebeleer jet^t ohne mich immer ци sein!" - könntest du''s? Trauern wähnen die Danaer dich, indes du die Zither Spielst, die Geliebte im Arm kosend umschlungen dich hält. Fragt dich nun einer, warum du am Kampfe nicht weiter jet^t teilnimmst: Schaden nur bringt ja der Kampf, Zither und Liebesnacht Lust! Sicherer ist's, auf dem Lager liegen, ein Mädchen im Arme, Thrakisches Saitenspiel klingen ци lassen da^u, Als halten den Schild, die spitze Lan^e tragen Und von dem schweren Helm drücken lassen das Haupt! Doch statt der sicheren Ruhe gefielen dir herrliche Taten, Süß war dir immer der Ruhm, den du im Krieg dir erwarbst. Oder gefiel dir der Krieg, der wilde, nur bis du mich raubtest, Sank dein Ruhm dann zugleich mit meinem Vaterland hin ? Das sei ferne von dir! Nein,jet^t soll die peitsche Lan^e Hektors Seite durchbohrn, kräftigen Armen entsandt! —

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BRISEIS

ACHILLI

Mittite me, Danai! dominum legata rogabo Multaque mandatis oscula mixta feram. Plus ego quam Phoenix, plus quam facundus Ulixes, Plus ego quam Teucri, credite, frater agam.

130

Est aliquid, Collum solitis tetigisse lacertis, Praesentesque oculos admonuisse sinu! Sis licet inmitis matrisque ferocior undis: Ut taceam, lacrimis conminuere meis. Nunc quoque - sic omnes Peleus pater inpleat annos, 135 Sic eat auspieiis Pyrrhus ad arma tuis! Respice sollicitam Briseida, fortis Achille, Nec miseram lenta ferreus ure mora. Aut, si versus amor tuus est in taedia nostri, Quam sine te cogis vivere, coge mori!

140

Utque facis, coges. abiit corpusque colorque: Sustinet hoc animae spes tarnen una tui. Qua si destituor, repetam fratresque virumque: Nec tibi magnificum femina iussa mori. Cur autem iubeas?

145 stricto pete corpora ferro:

Est mihi qui fosso pectore sanguis eat. Me petat ille tuus, qui, si dea passa fuisset, Ensis in Atridae pectus iturus erat! A ! potius serves nostram, tua munera, vitaml Quod dederas hosti victor, arnica rogo. -

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150

B R I S E I S AN

ACHILL

Schickt, ihr Danaer, mich als Gesandte. Bitt' ich den Geliebten, Geb' meiner Küsse Zahl dann meinem Auftrag ich Mehr noch als Phönix und mehr als selbst der beredte Odysseus Werd' ich erreichen und mehr, als es auch Ajax vermag! Alles verspreche ich mir, kann ich ihn wie früher umarmen, Hat meiner brüste Rei% wieder sein Auge vor sich. Wärst du auch hart, unerbittlicher noch als die Wogen der Mutter Durch meine Tränen gerührt würdest du, selbst wenn ich schwieg! Aber auch so - und dann lebe noch lang dir Velens, dein Vater, Ziehe glücklich wie du Pjrrhos, dein Sohn, in den Krieg! Tapfrer Achill, in Gnaden nimm auf die betrübte Briseis, Quäle in eisernem Trot% länger die Arme nicht mehr! Hat deine Liebe ^и mir sich aber in Ekel verwandelt, Zwinge mich lieber ^um Tod, als daß ich meiden dich muß! Bleibst du so, zwingst du mich bald: schon schwindenja Schönheit und Farbe, Einzig die Hoffnung auf dich hält mich am Leben bis jet^t. Werd' ich auch der noch beraubt, dann folg' ich dem Gatten, den Brüdern: Ehre bringt es dir nicht, triebst du ein Weib in den Tod! Warum willst du es tunl Durchbohre doch selbst mit dem Schwert mich; Blut ja hab' ich genug, das aus der Brust dann entströmt; Zücke auf mich doch das Schwert, mit dem du die Brust des Atriden Zu durchbohren bereit, hemmte die Göttin dich nicht! Ach, erhalt es doch lieber, mein Leben, das du mir geschenkt hast; Was du der Feindin einst gabst, bittet die Freundin dich jet^t! —

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PHAEDRA

HIPPOLYTO

Perdere quos melius possis, Neptunia praebent Pergama: materiam caedis ab hoste pete. Me modo, sive paras inpellere remige classem, Sive manes, domini iure venire iube!

Phaedra

Hippolyto

Qua, nisi tu dederis, cariturast ipsa salute, Mittit Amazonio Cressa puella viro. Perlege, quodcumquest! quid epistula lecta nocebit? Т е quoque in hac aliquid quod iuvet esse potest. His arcana notis terr. pelagoque feruntur;

5

Inspicit acceptas hostis ab hoste notas. Ter tecum conata loqui, ter inutilis haesit Lingua, ter in primo destitit ore sonus. Qua licet et sequitur pudor, est miscendus amori. Dicere quae puduit, scribere iussit amor.

ю

Quidquid A m o r iussit, non est contemnere tutum: Regnat et in dominos ius habet ille deos. Ille mihi primo dubitanti scribere dixit: 'Scribe! dabit victas ferreus ille manus.' Adsit et, ut nostras avido fovet igne medullas, Figat sic animos in mea vota tuos. N o n ego nequitia socialia foedera rumpam: Fama - velim quaeras - crimine nostra vacat. Venit amor gravius, quo serius. urimur intus: Urimur, et caecum pectora vulnus habent. -

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15

P H A E D R A AN H I P P O L Y T

Feinde, die besser du fällst, gewährt das neptunische Troja dir: darum hole von dort dir deine Opfer herbei, Mich aber laß, ganz gleich, ob du abzusegeln dich anschickst Oder :\u bleiben gedenkst, kommen zu dir, meinem Herrn. Phädra

an

Hippolyt

Glück, das selbst sie entbehrt, bist du es z" spenden nicht willig, Wünscht die kretische Frau dir, amazonischer Held! Lies, ganzgleich, was es ist! Ein gelesener Brief kann nicht schaden! Steht doch in ihm vielleicht, was auch dir Freude beschert! Heimlichkeiten verschickt man so über Länder und Meere, Ja, es liest selbst der Feind, was ihm vom Feinde gesandt. Dreimal wollte ich selbst mit dir reden, doch dreimal versagte Nutzlos die Zunge mir, dreimal erstarb mir das Wort. Wo es erlaubt ist und wo man's vermag, muß die Liebe voll Scham sein! Was ich dir sagen nicht kann, schreib' ich auf Amors Befehl. Das, was Amor befiehlt, ζи verachten, bringt uns Gefahren: Herrscht doch nur er, und er hat selbst auf die Götter ein Recht. Er sprach, als ich zuerst noch zögerte, an dich zu schreiben: „Schreibe nur! Bald dann besiegt reicht dir der Spröde die Hand!" Stehe er jetzt mir bei und füge dein Herz meinen Wünschen So, wie er tief bis ins Mark heißes Begehren mir senkt! Kein leichtsinniges Spiel soll die Bande der Ehe zerreißen: Unbefleckt - forsche nur nach /- war bisher immer mein Ruf. Aber je später sie kommt, um so heftiger quält uns die Liebe, Glühende Leidenschaft trag ich geheim in der Brust. —

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PHAEDRA HIPPOLYT О Scilicet ut teneros laedunt iuga prima iuvencos Frenaque vix patitur de grege captus equus, Sic male vixque subit primos rude pectus amores Sarcinaque haec animo non sedet apta meo. Ars fit, ubi a teneris crimen condiscitur annis:

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Quae venit exacto tempore, peius amat. Tu nova servatae carpes libamina famae, E t pariter nostrum fiet uterque nocens. Est aliquid, plenis pomaria carpere ramis E t tenui primam delegere ungue rosam.



Si tamen ille prior, quo me sine crimine gessi, Candor ab insolita labe notandus erat, At bene successit, digno quod adurimur igni: Peius adulterio turpis adulter obest. Si mihi concedat Iuno fratremque virumque,

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Hippolytum videor praepositura Iovi. Iam quoque - vix crede's - ignotas mutor in artes: Est mihi per saevas impetus ire feras. Iam mihi prima deast arcu praesignis adunco Delia: iudicium subsequor ipsa tuum;



In nemus ire übet pressisque in retia cervis Hortari celeris per iuga summa canes Aut tremulum excusso iaculum vibrare lacerto Aut in graminea ponere corpus humo. Saepe iuvat versare leves in pulvere currus Torquentem frenis ora fugacis equi. Nunc feror, ut Bacchi furiis Eleleides actae, Quaeque sub Idaeo tympana colle movent, —

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45

P H A E D R A AN

HIPPOLYT

So, wie das erste Joch für die jungen Stiere noch Qual ist, Wie sich das wilde Pferd gegen den Zügel noch bäumt, Sträubt sich mein Her\, das noch nie die hiebe erfahren, dagegen, Ist ^u schwach noch da^u, um ^u ertragen die Last. Fängt in der Jugend man an, entwickelt die Liebe %ur Kunst sich; Kommt die Liebe erst spät, bringt sie Gefahren mit sich. Dir will die erste Frucht bewahrter Feinheit ich opfern; Beide rauben wir uns unsere Unschuld zugleich. Oh, es ist schön, vom Zweig, dem vollen, die Früchte brechen, Schön, erster Rose Pracht %art sich ци pflücken vom Strauch. Bin meine Ehre, bisher von mir ohne Makel erhalten, Uber das Maß hinaus jet^t ich ци schänden verdammt, Hab' ich das Glück, daß ich doch einem würdigen Manne verfalle: Ehebruch schändet noch mehr, wenn einem Schlechten er gilt. Wäre selbst Juno bereit, mir den Mann und den Bruder ци lassen, Zog' ich Hippolytos doch noch ihrem Juppiter vor. Jet^t schon wend' ich mich auch - kaum wirst du es glauben! - neuen Künsten, möchte циг Jagd gehen auf wildes Getier; Schon ist Diana auch mir mit dem krummen Bogen die erste Unter den Göttern: selbst hier stimmen im Urteil wir gleich; Hin in die Wälder :χμ gehen, die schnellen Hunde hetzen Uber der Berge Joch, Hirsche ци fangen im Net%, Oder den witternden Speer kräftig schleudern vom Arm, Hin mich ци strecken ins Gras - all das macht Freude mir jet\c. Oft auch lenke ich gern auf staubiger Rennbahn den Wagen, Beuge das flüchtige Pferd unter der Zügel Gewalt. Jet^t ^ieh' ich rasend umher wie die Priesterinnen des Bacchos, Denen der Kjbele gleich, schwärmend am Idagebirg, —

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PHAEDRA

HIPPOLYTO

Aut quas semideae dryades Faunique bicornes Numine contactas attonuere suo. Namque mihi referunt, cum se furor ille remisit, Omnia: me tacitam conscius urit amor. Forsitan hunc generis fato reddamus amorem, Et Venus ex tota gente tributa petat. Iuppiter Europen - primast ea gentis origo Dilexit tauro dissimulante deum. Pasiphae mater, decepto subdita tauro, Enixast utero crimen onusque suo. Perfidus Aegides, ducentia fila secutus, Curva meae fugit tecta sororis ope. En ego nunc, ne forte parum Minoia credar, In socias leges ultima gentis eo! Hoc quoque fatalest: placuit domus una duabus; Me tua forma capit, capta parente soror. Thesides Theseusque duas rapuere sorores: Ponite de nostra bina tropaea domo! Tempore quo nobis initast Cerealis Eleusin, Gnosia me vellem detinuisset humus! Tunc mihi praecipue, nec non tamen ante, placebas: Acer in extremis ossibus haesit amor. Candida vestis erat, praecincti flore capilli, Flava verecundus tinxerat ora rubor; Quemque vocant aliae vultum rigidumque trucemque, Pro rigido Phaedra iudice fortis erat. Sint procul a nobis iuvenes ut femina compti: Fine coli modico forma virilis amat.

P H A E D R A AN

HIPPOLYT

Bin voll ekstatischer Glut wie die brauen, die von der Dryaden Gottheit wurden erschreckt oder der Faune Gehörn. Alles erfahr' ich ja dann, wenn der rasende Sturm sich gelegt hat: Dann, meiner Triebe bewußt, trag ich verschwiegen die Glut. Diese Liebe vielleicht ist das Schicksal unseres Hauses, Venus fordert Tribut von unserm ganzen Geschlecht. Liebte doch Juppiter schon die Europa, die Ahnfrau des Hauses, In die Gestalt eines Stiers hüllend die göttliche Macht; Pasiphae, meine Mutter, gab sich dem betrogenen Stier hin, Schändete ihren Leib, als sie das Scheusal gebar; Aigeus' Sohn, der die Treue dann brach,floh mit Hilfe der Schwester Einst aus dem Labyrinth, da ihn ihr Garn ja geführt. Siehe nun mich: daß auch ich Minos Stamme gehöre, Füg' ich als letzte mich jet^t in der Familie Geset%. Das ist Verhängnis uns auch, daß ein Haus *%wei Frauen betörte: Theseus die Schwester, und du mich, da so herrlich du bist. Theseus und Theseus Sohn, sie haben \wei Schwestern be^aubert: Richtet Trophäen doch auf über den doppelten Sieg! Hätte ich damals doch, als der Ceres Fest in Eleusis Feierlich wurde geweiht, fern in der Heimat geweilt! Damals - doch auch schon %uvor - hast du mir besonders gefallen: Glühende Leidenschaft hält mich von da an gepackt. Weiß war damals dein Kleid und mitBlumen dieLocken durchflochten, Leichte Röte der Scham hatte dein Antlit% gefärbt, Und wenn die anderen es als ernsthaft und trotzig nur ansehn, War für Phädra der Ernst doch nur der Tapferkeit Blick. Männer wie Frauen geschmückt - ich werde sie immer verachten, Männliche Schönheit bedarf nur eines mäßigen Schmucks! —

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PHAEDRA HIPPOLYTO Те tuus iste rigor positique sine arte capilli Et levis egregio pulvis in ore decet. Sive ferocis equi luctantia colla recurvas, Exiguo flexos miror in orbe pedes;

so

Seu lentum valido torques hastile lacerto, Ora ferox in se versa lacertus habet; Sive tenes lato venabula cornea ferro Denique nostra iuvat lumina, quidquid agis. Tu modo duritiam silvis depone iugosis:

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Non sum materia digna perire tua. Quid iuvat incinctae studia exercere Dianae E t Veneri numeros eripuisse suos? Quod caret alterna requie, durabile non est. Haec reparat vires fessaque membra novat.

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Arcus - et arma tuae tibi sunt imitanda Dianae Si numquam cesses tendere, mollis erit. Clarus erat silvis Cephalus, multaeque per herbas Conciderant illo percutiente ferae: Nec tamen Aurorae male se praebebat amandum;

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Ibat ad hunc sapiens a sene diva viro. Saepe sub ilicibus Venerem Cinyraque creatum Sustinuit positos quaelibet herba duos. Arsit et Oenides in Maenalia Atalanta: Ilia ferae spolium pignus amoris habet. Nos quoque iam primum turba numeremur in ista: Si Venerem tollas, rustica silva tuast. Ipsa comes veniam, nec me latebrosa movebunt Saxa neque obliquo dente timendus aper. —

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P H A E D R A AN

HIPPOLYT

Dir steht herrlich dein Ernst, die kunstlos gebundenen Haare Und eine dünne Schicht Staub auf deinem schönen Gesicht. Wenn du den bäumenden Hals des trotzigen Rosses ^urückbiegst, Daß auf der Stelle es dreht, seh' ich bewundernd dir ци; Wenn du mit kräftigem Arm die biegsame Lan\e schleuderst, Zieht dein kräftiger Arm stets meine Blicke auf sich; Trägst du den ahornen Speer \ur Jagd, mit Eisen beschlagen Kur^j gan% gleich, was du tust, alles erfreut meinen Blick. Nur von dem harten Her% mach dich frei: das laß in den Wäldern; Ich hob' den Tod nicht verdient durch deine spröde Natur! Warum macht Freude es dir, der geschürften Diana dienen, . Während der Venus Pflicht nie \u erfüllen du wünschst? Was nicht ^uweilen auch Ruhe genießt, kann ewig nicht dauern; Ruhe gibt Kraft uns ^urück, stärkt den ermüdeten Leib. Hörst du nicht auf, den Bogen ци spannen, wird schlaff er am Ende, Ahme Diana auch hier nach, was die Waffen betrifft! Kephalos war in den Wäldern berühmt; unzählige Tiere Lagen getroffen im Gras, die er Boden gestreckt Trotzdem verstand er es gut, Auroras Geliebter bleiben, Klug von dem greisen Gemahl schlich sich die Göttin %и ihm; Oft lag unter den Eichen, gepaart ^и zärtlichem Spiele, Weich gebettet im Gras Venus und Kinyras Sohn; In Atalante verliebt war Oineus Sohn Meleager, Ihr galt als Liebespfand, was er an Beute erlegt. Laß uns beide nun auch der Schar dieser Liebenden treten: Keinen Reif hat der Wald, wenn er der Venus entbehrt! Ich will deine Begleiterin sein; ich spotte der Hauer, Die mir der Eber weist, fürchte die Höhlen auch nicht. —

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PHAEDRA ΗIPPOLYT О

Aequora bina suis obpugnant fluctibus Isthmon, Et tenuis tellus audit utrumque т а г е . Hie tecum Troezena colam, Pittheia regna: lam nunc est patria gratior illa mea. Tempore abest - aberitque diu - Neptunius heros Illum Pirithoi detinet ora sui. Praeposuit Theseus - nisi si manifesta negamus Pirithoum Phaedrae Pirithoumque tibi. Sola nec haec ad nos iniuria venit ab illo; In magnis laesi rebus uterque sumus: Ossa mei fratris clava perfracta trinodi Sparsit humi. soror est praeda relicta feris. Prima securigeras inter virtute puellas Те peperit, nati digna favore parens. Si quaeras, ubi sit, Theseus latus ense peregit Nec tanto mater pignore tuta fuit! At ne nupta quidem taedaque accepta iugali. Cur, nisi ne caperes regna paterna nothus? Addidit et fratres ex me tibi, quos tarnen omnis Non ego tollendi causa, sed ille fuit. 0 utinam nocitura tibi, pulcherrime rerum, In medio nisu viscera rupta forent! 1 nunc, sic meriti lectum reverere parentis: Quem fugit et factis abdicat ille suis! Nec, quia privigno videar coitura noverca, Terruerint animos nomina vana tuos!

P H A E D R A AN Η Y P P O L Y T

Wo mit den Wogen zugleich %wei Meere den Istbmos umtosen Dort, wo das schmale hand doppelte Brandung vernimmt Da will ich wohnen mit dir in Trotzen, im Reiche des Pittheus: Ist es mir jet^t doch schon mehr, als mir das Vaterland gilt. Fort ist der Held aus Neptuns Geschlecht, lang wird er noch bleiben Da des Peirithoos Land ihn ja gefesselt noch hält. Seinen Peirithoos %ieht - wo\u diese Tatsache leugnen ? Theseus der Phädra vor, hat ihn auch lieber als dich. Doch dies Unrecht allein ist es nicht, mit dem er uns kränkte; Viel gewaltiger ist, was er uns beiden getan: Meines Bruders Gebein - zerschmettert mit knotiger Keule Lag es umher; dem Wild gab meine Schwester er preis. Die dich gebar, war die Beste der beiletragenden Frauen, Wert, daß jet^t noch der Sohn ihrer mit Liebe gedenkt. Fragst du jet^t, wo sie wohl ist: mit dem Schwerte von Theseus getötet, Selbst nicht ein Pfand wie du hat deine Mutter geschützt! Ihr war die Ehe versagt und die Hoch^eitsfackel verweigert Doch nur, damit einst du, Bastard, циг Herrschaft nicht kommst! Brüder erhieltst du durch mich; daß aufgesogen sie wurden, Alle - es kommt nicht auf mich, ihm allein gebe die Schuld! Daß sie doch sämtlich, die einst dir, Schönster von allen, nun schaden, Bei der Geburt sogleich hätten gefunden den Tod! Geh nun und ehre das Bett eines Vaters, der so dich geliebt hat, Der dich jet^t meidet, den Sohn durch sein Gebaren verneint! Wenn ich als Stiefmutter jet^t für dich, meinen Stief söhn, entbrannt bin Dann sind das Worte ja nur, inhaltslos - fürchte sie nicht! — 47 —

PHAEDRA

Η IPPOLYTO

Ista vetus pietas, aevo moritura futuro, Rustica Saturno regna tenente fuit; Iuppiter esse pium statuit, quodcumque iuvaret, E t fas omne facit fratre marita soror. Ilia coit firma generis iunctura catena,

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Inposuit nodos cui Venus ipsa suos. Nec labor est celare, licet peccemus, amorem: Cognato poterit nomine culpa tegi. Viderit amplexos aliquis: laudabimur ambo, Dicar privigno fida noverca meo.

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N o n tibi per tenebras duri reseranda mariti Ianua, non custos decipiendus erit. Ut tenuit domus una duos, domus una tenebit. Oscula aperta dabas, oscula aperta dabis. Tutus eris mecum laudemque merebere culpa,

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T u licet in lecto conspiciare meo. Tolle moras tantum properataque foedera iunge, Qui mihi nunc saevit, sic tibi parcat A m o r ! N o n ego dedignor supplex humilisque precari. Heu! ubi nunc fastus altaque verba? iacent!

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E t pugnare diu nec me submittere culpae Certa f u i : certi siquid haberet amor. Victa precor genibusque tuis regalia tendo Bracchia: quid deceat, non videt ullus amans. Depuduit, profugusque pudor sua signa relinquit. D a veniam fassae duraque corda doma! -

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PHAEDRA

AN

HIPPOLYT

Längst überholt ist die Scheu, mit der Zeit wird gan^ sie verschwinden, Galt sie doch nur, als Saturns ländliches Reich noch bestand; ]uppiter hielt ja alles für Recht, was Freude ihm brachte, Alles macht Juno ^-um Recht, selbst mit dem Bruder vermählt. Diese Verbindungen erst von Geschlecht mit Geschlecht sind von Dauer, Denen von Venus selbst werden die Bande geknüpft. Fehlen wir, ist es nicht schwer, ци verheimlichen unser Verhältnis: Mit der Verwandtschaft Schein decken wir alles geschickt; Sieht die Umarmungen man, erhalten wir beide ein Lob noch, Heißen nur wird es, daß gut ich dem Stief söhne bin! Aufbrechen brauchst du nicht erst bei Nacht die Tür des gestrengen Gatten; kein Wächter ist da, den hintergehen du mußt; Wie wir zusammen gewohnt, so werden wir weiterhin ivohnen, Öffentlich küßtest du mich, kannst es auch weiterhin tun! Sicher bist du mit mir, dein Verbrechen wird Lob dir noch bringen, Selbst wenn im Bette man dich ruhen auch sähe mit mir! Gib die Bedenken nur auf und eile, den Bund χμ vollziehen, So, wie mich Amor jetvtf quält, möge er günstig dir sein! Ach, ich schäme mich nicht, dir bittend %u Füßen liegen, Prahlende Worte und Stol% - beides ist lange dahin! Lange dagegen kämpfen und nicht mich in Schande ^и stürben, War mein Entschluß: doch es gibt Festigkeit nicht, wenn man liebt. Bittend heb' ich empor ци deinen Knien die Hände: Wer der Liebe verfiel - fragt der nach Ehre wohl noch? Schamlos bin ich, esflohschon längst mir die Scham aus dem Herten, Nimm mein Geständnis an, habe Erbarmen mit mir! —

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PHAEDRA

HIPPOI.YTO

Quod mihi sit genitor, qui possidet aequora, Minos, Quod veniant proavi fulmina torta manu, Quod sit avus radiis frontem vallatus acutis, Purpureo tepidum qui movet axe diem Nobilitas sub amore iacet. miserere priorum, Et mihi si non vis parcere, parce meis! Est mihi dotalis tellus Iovis insula, Crete: Serviat Hippolyte regia tota meo! Flecte feros animos! potuit corrumpere taurum Mater: eris tauro saevior ipse truci? Per Venerem parcas, oro, quae plurima mecumst: Sic numquam, quae te spernere possit, ames; Sic tibi secretis agilis dea saltibus adsit, Silvaque perdendas praebeat alta feras; Sic faveant Satyri montanaque numina Panes, Et cadat adversa cuspide fossus aper; Sic tibi dent nymphae, quamvis odisse puellas Diceris, arentem quae levet unda sitim! Addimus his precibus lacrimas quoque. verba precantis Perlegis: et lacrimas finge videre meas!

P H A E D R A AN

HIPPOLYT

Nichts will es sagen, daß Minos, der Herrscher des Meeres, mein Vater, Daß aus des Ahnes Hand Blitze herniedergehn, Daß des Großvaters Stirn die leuchtenden Strahlen umspielen, Läßt er im Purpurgespann milde die Tage erglühn Triebe ist stärker als Adel! Doch dieser Ahnen erbarm' dich! Wenn du mich schonen nicht willst, schone dann doch mein Geschlecht! Kreta bringe ich dir als Mitgift, Juppiters Insel; Meinem Hippolytos nur diene dann gan% dieses Reich! Beuge dein hartes Her.ζ/ Sieh, milde stimmen vermochte Einst meine Mutter den Stier: willst du noch trotziger sein? Hilf mir, so bitte ich dich bei der Venus, der gan£ ich gehöre: Dann sei jede dir hold, der deine hiebe du schenkst; Dann steh im dichten Gebirg dir die schnelle Göttin циг Seite, Gebe der hohe Wald reichliche Beute dir stets; Gnädig seien dir dann die Satyrn, die Pane der Berge, Tödlich getropfen vom Speer sinke der Eber ^urück; Mögen die Nymphen dir dann (heißt es auch, daß die Mädchen du hassest!) Wasser spenden \um Trank, quält dich ein brennender Durst. Tränen auch füg' ich hin^u hier meinen Bitten, und liest du, Was dir die Bittende schreibt, denk' dir die Tränen da^u!

Oenone Paridi Nympha suo Paridi, quamvis suus esse recuset, Mittit ab Idaeis verba legenda iugis. Perlegis? an coniunx prohibet nova? perlege! non Ista Mycenaea littera facta manu. Pegasis Oenone, Phrygiis celeberrima silvis, Laesa queror de te, si sinis, ipsa meo. Quis deus opposuit nostris sua numina votis? Ne tua permaneam, quod mihi crimen obest? Leniter, ex merito quidquid patiare, ferendumst: Quae venit indigno poena, dolenda venit. Nondum tantus eras, cum te contenta marito Edita de magno flumine nympha fui. Qui nunc Priamides - absit reverentia vero! - , Servus eras: servo nubere nympha tuli. Saepe greges inter requievimus arbore tecti, Mixtaque cum foliis praebuit herba torum. Saepe super stramen faenoque iacentibus alto Defensast humili cana pruina casa. Quis tibi monstrabat saltus venatibus aptos Et tegeret catulos qua fera rupe suos? Retia saepe comes maculis distincta tetendi, Saepe citos egi per iuga longa canes. Incisae servant a te mea nomina fagi, E t legor Oenone falce notata tua;

Oinone

an

Paris

Dies schickt dem Paris, obgleich er der ihre nicht sein will, die Jungfrau Aus dem Idagebirg, daß ihre Worte er liest. Liest du sie? Oder verbietet's die neue Gemahlin? Ach, lies sie! Nicht von mykenischer Hand wurde geschrieben der Brief! Ich, die Nymphe Oinone, berühmt in den phrygischen Wäldern, Klage beleidigt dich an, da du doch mir wohl gehörst. Was für ein Gott ist denn nur meinen Wünschen entgegen gewesen? Was hab' begangen ich denn, daß ich die Deine nicht bleib'? Leicht wird's, etwas ^u büßen, was wahrer Verfehlung entsprungen: Bitter die Strafe dann schmerzt, wenn sie uns unschuldig t r i f f t ! Als du noch nicht so groß wie jet^t warst, da war ich zufrieden Dennoch als Gatten mit dir, stammt ich vom Flußgott auch ab. Jet^t bist du Priamos' Sohn, einst warst du - frei will ich es sagen! Nichts als ein Hirte, und doch nahm ihn die Nymphe zum Mann! Oft im Schatten des Baumes ruhten wir ^wischen der Herde, Gras und Blätter ergab weich da ein Lager für uns. Oft, wenn im tiefen Heu und auf Stroh wir lagen, beschützte Niedrig die Hütte uns da gegen den glänzenden Reif. Wer hat damals ^ur Jagd dir geeignete Wälder verraten, Höhlen, in denen das Wild sicher die Jungen verbarg? Oft als Gefährtin hab' ich die geknoteten Net^e gespannt dir, Oft übers weite Gebirg mit dir die Hunde gehetzt. Eingeschnitten noch steht von dir in den Buchen mein Name, Eingezeichnet von dir liest man „Oinone" noch da; —

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OENONBPARIDI

Et quantum trunci, tantum mea nomina crescunt: Crescite et in titulos surgite recta meos! Populus est, memini, fluviali consita rivo, Est in qua nostri littera scripta memor. Popule, vive, precor, quae consita margine ripae Hoc in rugoso cortice carmen habes: 'Cum Paris Oenone poterit spirare relicta, Ad fontem Xanthi versa recurret aqua.' Xanthe, retro propera, versaeque recurrite lymphae Sustinet Oenonen deseruisse Paris. Illa dies fatum miserae mihi dixit, ab illa Pessima mutati coepit amoris hiemps, Qua Venus et Iuno sumptisque decentior armis Venit in arbitrium nuda Minerva tuum. Attoniti micuere sinus, gelidusque cucurrit, Ut mihi narrasti, dura per ossa tremor. Consului - neque enim modice terrebar - anusque Longaevosque senes: constitit esse nefas. Caesa abies, sectaeque trabes, et classe parata Caerula ceratas accipit unda rates. Flesti discedens. hoc saltim parce negare: Praeterito magis est iste pudendus amor. E t flesti et nostros vidisti flentis ocellos; Miscuimus lacrimas maestus uterque suas. N o n sie adpositis vincitur vitibus ulmus, Ut tua sunt collo bracchia nexa meo.

OINONE AN

PARIS

So wie die Stämme wachsen, wächst auch mein Name mit ihnen: Wachst nur gerad in die Höh', daß sich mein Name erhebt! Auch einer Cappel gedenk' ich, am Ufer des Flusses dort grünend: Meinen Namen bewahrt in ihrer Kinde auch sie; Wachse, du Pappel, nur fort, gepflanzt dicht am Rande des Ufers; Liest, in die Kinde geritzt, folgende Zeilen man doch: „Kann Paris einst die Oinone verlassen ohne sterben, Nimmt ^ur Quelle zurück dann auch der Xanthos den Lauf." Eile nun, Xanthos, zurück, nehmt aufwärts den Lauf doch, ihr Wellen! Hat die Oinone jet^t doch Paris %и lassen vermocht! Jener Tag hat entschieden das Los für mich Arme, mit jenem Tage wurde Eis dann deiner Leidenschaft Glut, Als mit der Venus auch Juno und - schöner noch als in der Küstung Nackt auch Minerva dir kamen =^um Urteilsspruch. Wie vom Όonner gerührt schlug da mir das Her%, durch die Glieder Lief mir die kalte Furcht, Grausamer, als ich's erfuhr. Ich befragte mich dann bei den alten Frauen und Männern, Da mich die Furcht befiel: Frevel nur konnte es sein. Fichten wurden gefällt und Balken behauen, die Wogen Nahmen die Flotte dann auf in ihre blaugrüne Flut. Weinend nahmst Abschied du dann das wenigstens sollst du nicht leugnen, Da die vergangene Glut mehr als die neue dich ehrt! Damals hast du geweint und auch meine Tränen gesehen, Unserer Tränen Strom hatte die Trauer vereint. Inniger winden sich nicht die К eben des Weins um die Ulme, Als dein Arm meinen Hals damals umschlungen hielt. —

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ΟΕΝΟΝΕ

PARIDI

A! quotiens, cum te vento quererere teneri, Riserunt comites! ille secundus erat. Oscula dimissae quotiens repetita dedisti! Quam vix sustinuit dicere lingua 'vale'! Aura levis rigido pendentia lintea malo Suscitat, et remis eruta canet aqua, Prosequor infelix oculis abeuntia vela, Qua licet, et lacrimis umet harena meis. Utque celer venias, virides Nereidas oro: Scilicet ut venias in mea damna celer. Votis ergo meis alii rediture redisti: Ei mihi! pro dira paelice blanda fui! Adspicit inmensum moles nativa profundum; Möns fuit, aequoreis ilia resistit aquis: Hinc ego vela tuae cognovi prima carinae, Et mihi per fluctus impetus ire fuit. Dum moror, in summa fulsit mihi purpura prora. Pertimui: cultus non erat ille tuus. Fit propior terrasque cita ratis attigit aura: Femineas vidi corde tremente genas. Non satis id fuerat - quid enim furiosa morabar? Haerebat gremio turpis arnica tuo! Tunc vera rupique sinus et pectora planxi Et secui madidas ungue rigente genas Inplevique sacram querulis ululatibus Iden: Illuc has lacrimas in mea saxa tuli.

О I N ON Ε A N

PARIS

Ach, wie oft, wenn du klagtest, daß widriger Wind dich noch festhielt, Haben die Freunde gelacht - war er doch günstig für dich! Ach, wie oft hast du darauf bei der Trennung die Küsse erneuert, Warst dann das Tebewohl! kaum mir sagen imstand. beichte Winde dann blähten am Mäste die hängenden Segel, Silbern vom Kuderschlag schäumten die Wellen dann auf, Und ich Arme sah hin auf die langsam verschwindenden Segel, Bis mein Blick sie verlor, netzte mit Tränen den Sand. Nereus Töchter dann bat ich, daß schnell du zurückkommen möchtest, Eilig kehrtest zurück - aber meinem Verderb! Ja, du kehrtest zurück, allein einer andern zuliebe, Für das verhafte W