Flugbilder aus Syrien, von der Antike bis zur Moderne 3805332491, 9783805332491

Sich wie ein Vogel in die Lüfte zu erheben und die Welt von oben zu sehen ist ein uralter Menschheitstraum. Aus der Luft

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Flugbilder aus Syrien, von der Antike bis zur Moderne
 3805332491, 9783805332491

Table of contents :
Titelblatt
Inhalt
Einleitung
Der mediterrane Westen
Die Küstenebene
Ugarit
Ras ibn Hani
Lattakia
Tartus
Ruad
Amrit
Die Küstengebirge
Qal’at Sahyun
Qal’at Marqab
Assassinenburgen Masjaf und Qadmus
Hosri as-Suleiman
Safita
Kraq des Chevaliers
Die syrische Grabenzone
Apameia und Qal’at al-Mudiq
Das nordsyrische Kalksteinmassiv
Belos – Die Bergketten Nordsyriens
Das nördliche Kalksteinmassiv und das Afrin Tal
Ain Dara
Tell Djinderis
Simeonskloster (Qal’at Sim’an)
Al-Bara
Sendjilla
Schinschara
Das nordsyrische Tafelland
Die Ackerebenen von Aleppo
Aleppo (Halab)
Tell Mardich (Ebla)
Chirbet al-Anderin
Qasr ibn Wardan
Hama (Hamath)
Kadesch (Tell Nebi Mend)
Die Bergländer und Bewässerungsoasen Mittelsyriens
Maalula
Sednaja
Damaskus
Geschichte der Stadt
Historische Denkmäler
Südysrien – Hauran und Basaltlandschaft
Hauran
Schachba
Qanawat
Bosra
Die syrische Wüstensteppe
Harbaqa
Qasr al-Hair al-Gharbi
Palmyra
Qal’at ibn Maan
Resafa
Qasr al-Hair asch-Scharqi
Das syrische Euphrattal
Tell Achmar
Qal’at Najim
Qal’at Jabar
Heraqla
Raqqa
Tall Bi’a (Tuttul)
Halabija (Zenobia)
Zalabija
Der Euphhrat bei Deir ez-Zor
Qal’at ar-Rabba
Dura-Europos
Mari (Tell Hariri)
Das Chabur-Tal und Nordostsyrien
Tall Brak
Tall Khnedij
Tall Scheich Hamad
Anhang
Bibliographie
Anmerkungen

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SONDERBÄNDE DER ANTIKEN WELT

Zaberns Bildbände zur Archäologie

VERLAG PHILIPP VON ZABERN · MAINZ AM RHEIN

GEORG GERSTER / RALF-B. WARTKE

Flugbilder aus Syrien VON DER ANTIKE BIS ZUR MODERNE

VERLAG PHILIPP VON ZABERN · MAINZ AM RHEIN

IV, 198 Seiten mit 183 Farb- und 33 Strichabbildungen Umschlag vorne: Palmyra (Tadmor). Blick auf den Bel-Tempel und über einen Teil des antiken Stadtgeländes in Richtun g Westen (vgl. S. 123, Abb. 139). Umschlag hinten: Qal'at Jabar. Blick auf die Burg von Südosten (vg l. S. 151 , Abb. l68 ). Vorsatz vorne und hinten: Übersichtskarte von Syrien. Frontispiz: Ain Dara. Blick nach Norden auf den Tell und den Fluß Afrin (vg l. S. 41 , Abb. 54).

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2003 by Verl ag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein ISBN 3-8053-3249-1 Gestaltung: Ilka Schmidt, Verlag Philipp von Zabern, Mainz Redaktion: Katharina Angermeyer, Gerhild Klose, Annette Nünnerich-Asmus, Verl ag Philipp von Zabern, Mainz Lithos : Scan Comp GmbH, Wiesbaden Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verl ages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed in Germany by Aumüller Druck KG, Regensburg Printed on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral)· tcf

Inhalt Einleitung Der mediterrane Westen Die Küstenebene Ugarit Ras ibn Hani Lattakia Tartus Ruad Arnrit

Die Küstengebirge Qal'at Sahyun Qal'at Marqab Assassinenburgen Masjaf und Qadrnus Hosn as-Suleiman Safita Kraq des Chevaliers

Die syrische Grabenzone Apameia und Qal'at al-Mudiq

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Damaskus Geschichte der Stadt Historische Denkmäler

Südsyrien - Hauran und Basaltlandschaft Hau ran Schachba Qanawat Bosra

Die syrische Wüstensteppe Harbaqa Qasr al-Hair al-Gharbi Palrnyra Qal'at ibn Maan Resafa Qasr al-Hair asch-Scharqi

Belos - Die Bergketten Nordsyriens Das nördliche Kalksteinmassiv und das Afrin Tal Ain Dara Tell Djinderis Sirneonskloster (Qal'at Sim'an) Al-Bara Serdjilla Schinschara

Das nordsyrische Tafelland Die Ackerebenen von Aleppo Aleppo (Halab) Ebla (Tell Mardich) Chirbet al-Anderin Qasr ibn Wardan Harna (Harnath) Kadesch (Tell Nebi Mend)

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Tell Achrnar Qal'at Najim Qal'at Jabar Heraqla Raqqa Tall Bi'a (Tuttul) Halabija (Zenobia) Zalabija Der Euphrat bei Deir ez-Zor Qal'at ar-Rahba Dura-Europos Mari

Das Chabur-Tal und Nordostsyrien Tall Brak Tall Khnedij Tall Scheich Hamad

Anhang Die Bergländer und Bewässerungsoasen Mittelsyriens Maalula Sednaja

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Das syrische Euphrattal Das nordsyrische Kalksteinmassiv

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Bibliographie Anmerkungen Bildnachweis Adresse der Autoren

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Einleitung

« ... Das Land wurde zu einem angelegten Beet und das Meer ist wie das Wasser eines Kanals geworden . .. »

Versuch einer Kulturgeschichte Syriens aus der Luft

Der erste «Flugbericht» der Menschheit findet sich in keilschriftlichen Quellen. Es ist der Flug des Etana, des legendären Königs der 1. Dynastie von Kisch, eines der ältesten Stadtstaaten in Südmesopotamien. Nach der altbabylonischen Königsliste war Etana der «12. König nach der Flut, der Schafhirte, der einzige, der zum Himmel aufstieg». In dem durch zahlreiche Textfragmente seit dem frühen 2. Jt. v. Chr. in mehreren Versionen und leider bisher nur unvollständig überlieferten Mythos wird berichtet, wie Etana von einem Adler zum Dank für eine diesem erwiesene Hilfeleistung zum Himmel getragen wurde, um das Kraut des Gebärens zu suchen. In welche Regionen Mesopotamiens, in den Norden des Zweistromlandes und damit möglicherweise bis Syrien ihn diese Luftreise geführt haben könnte, muß offen bleiben. Besondere Beachtung verdient das Sujet sowohl hinsichtlich seiner literarisch-epischen Form als auch in der bildlichen Ausgestaltung des Mythos auf mehreren akkadischen Rollsiegeln. Es hat den Anschein, daß bereits vor einer kanonischen bildlichen Fassung und der verschrifteten Version das Thema des Himmelsfluges des Etana mit der Idee der Betrachtung der Normalwelt von oben sowie ihrer dabei zu beobachtenden Veränderungen auf ältere mündliche Überlieferungstraditionen zurückzuführen ist. Vielleicht aus der Beobachtung des freien Fluges der Vögel und deren Sicht der erdgebundenen Realität abgeleitet wird im Flug des Etana der alte Menschheitstraum vom Fliegen greifbar, wie er auch in zahlreichen anderen Mythen und Märchen begegnet. 1 Die griechische Sage von Daidalos und seinem Sohn Ikaros zählt ebenso dazu wie die Episode im Alexanderroman, in der sich

Alexander der Große von Greifen in die Lüfte empor tragen ließ bis ihm «der Erdkreis wie eine Tenne erschien, wo das Getreide aufbewahrt wird, das Meer aber ihm wie um das Festland gewunden schien wie eine Schlange».2 Ohne daß reale Flugerfahrungen vorliegen konnten, deutet sich in einem solchen Sprachbild bereits eine ganz andersartige Sicht des scheinbar so vertrauten Lebensraumes an, dem wir uns auch heute nicht verschließen können, etwa bei der Betrachtung von Landschaft aus unterschiedlichen Höhen. Wir sehen Vertrautes neu und anders, und aus der Vogelperspektive erschließen sich andere Zusammenhänge und Details, die einem aus dem Fußgängerhorizont verborgen bleiben. So erlebt auch Etana Einzigartiges bei seinen Luftreisen, und seine Methode der Weltbetrachtung ist die gleiche, die sich beispielsweise die moderne Flug-(und Satelliten-)bildbetrachtung zu Nutze macht. Doch zurück zu Etana und seinem Flugbericht. Die Himmelsflüge Etanas auf dem Rücken eines Adlers haben als Ziel den Palast der Göttin lschtar im Himmel des Gottes Anu: «... eine Doppelstunde trug er ihn empor. Der Adler sprach zu ihm, zu Etana: ·

Eine zweite Doppelstunde trug er ihn empor. Der Adler sprach zu ihm, zu Etana: . . . Eine dritte Doppelstunde trug er ihn empor. Der Adler sprach zu ihm, zu Etana:

3 Das Besondere an der Sicht der Dinge «von oben» und die sich mit zunehmender Höhe ständig verändernde vertraute Umwelt wird im Etana-Mythos mit Worten geschildert. Im Vergleich zur

Abb. 7 Rollsiegel (mit modern er Abrollung), «Etanas Himmelsflug auf dem Rücken des Adlers». Ankauf, Serpentin, H. 4, 05 cm, Dm. 2, 69 cm; akkadisch (24 ./23. Jh . v. Chr.); Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum; lnv.- Nr. VA 3456.

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EINLEITUNG

literarischen Version mit ihrer erzählerischen Breite mußte sich die bildhafte Fassung des Themas auf das Momenthafte des Vorgangs beschränken. Wie eingangs bereits kurz erwähnt, zeigen eingravierte Darstellungen auf Siegelzylindern aus akkadischer Zeit (ca. 23502150 v. Chr.) eine Darstellung, die nur als Illustration zu dem genannten Etana-Mythos gedeutet werden kann (Abb. 1). Das Siegelbild zeigt eine Szene, in der sich das ganze Geschehen auf den Moment konzentriert, in dem sich Etana gerade in die Lüfte erhebt. Die ländliche Umgebung wird während des Startes besonders figurenreich ausgemalt: Man sieht als zentrales Thema Etana auf dem Rücken des Adlers sitzend, dem die Hofhunde nach oben hinterherbellen. Ikonographisch wird das Bild darüber hinaus durch ländlich-bäuerliche Motive ergänzt. Wiedergegeben ist eine Viehherde mit Hirt, Staffage sind Personen, die verschiedene Tätigkeiten ausüben. Obwohl zur Zeit der bildlichen Überlieferung des Themas Himmelsflug (2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr.) bzw. zur Zeit der jüngeren literarischen Versionen aus bekannten Gründen unmöglich reale Erfahrungen mit dem Fliegen und mit den sich durch zunehmende Höhe scheinbar vollziehenden Veränderungen der natürlichen Umwelt existiert haben konnten, kann uns die antike Flugbeschreibung durchaus realistisch erscheinen. Sich wie ein Vogel in die Lüfte zu erheben und die Welt von oben zu sehen, schien geeignet, sich neue Möglichkeiten der Beobachtung zu erschließen, die aber auch offenbar mit erheblichen Ängsten verbunden waren. Der Versuch, ein Land und dessen Kulturgeschichte aus der Luft vorzustellen, mag ungewöhnlich erscheinen. In Zeiten der Flugbildarchäologie und der modernen Möglichkeiten der Satellitenaufklärung versteht sich das Thema «Syrien aus der Luft» als ein Experiment, mit den modernen Möglichkeiten der Fernerkundung «von oben» eine historische Landeskunde zu unternehmen. Wenn wir die Reihe von Flugaufnahmen Syriens als einen Bildbericht aus der Luft verstehen, so sei an dieser Stelle erinnert, daß der Bildautor während seiner Orts- und Landschaftsbeobachtungen von oben eigentlich nichts anderes erlebt hat, als das, was vor mehr als 4000 Jahren der mythische Luftreisende Etana erfahren und beschrieben hat. Diese Erfahrungen sind uns heute gleichfalls vertraut. Es ist noch immer ein Faszinosum, Häuser, Wälder und Felder, Straßen, Flüsse, Seen und andere bewegliche und unbewegliche Dinge von einem ausreichend hohen Beobachtungsort zu betrachten bzw. die Landschaft vom Korb eines Freiluftballons oder aus einem Flugzeugfenster zu erleben. In der extremen Vergrößerung de Abstandes zur Erde - um im Bild zu bleiben, etwa der Bereich der von Etana erreichten höchste Ebene - haben auch Flugbildaufnahmen aus großer Höhe und Satellitenaufnahmen4 ihren ganz besonderen Reiz. Da viele Details nicht mehr erkennbar sind, völlig neuartige Oberflächengliederungen der Landschaft und neue größere Zusammenhänge sichtbar werden, können Luftaufnahmen (und Satellitenbilder) als Ergänzung von Landkarten, Plänen oder Grundrissen mit all ihren spezifischen Informationen genutzt werden.5 Es sind offensichtlich vor allem die einschneidend vom gewohnten ebenerdigen Blickwinkel abweichende gänzlich andersartige Perspektive mit ihren ungewöhnlichen Verkürzungen und die mitunter verschobenen Proportionen, die es möglich machen, neue Zusammenhänge zu erkennen. Es kann sich dabei um das natürliche Zusammenspiel etwa von Architektur und Landschaft ebenso handeln wie um die Dimensionen menschlicher Eingriffe in die Natur. Die neuartige Sicht der Dinge gilt ebenso für das Detail. Aus der Sicht eines Fußgängers können Geländeerhebungen in der Wüste oder Wüstensteppe, Bauruinen in der 4

flachen Ebene durchaus markant und dominant wirken. Aus der Luft zeichnen sie sich möglicherweise nur schwach oder durch abweichende Farbgebung aus. Andererseits erscheint ein antiker Siedlungshügel (arab. Tell, PI. Telul) von der Seite gesehen vor allem durch seine Konturform charakterisiert. Dies sagt nichts aus über die wahre Größe der betreffenden Siedlungsruine bzw. über die Ausdehnung des Siedlungsgebietes. Die wirkliche Form (rund, oval, unregelmäßig begrenzt, lang- oder quergestreckt, glatte oder durch Erosion zerfurchte Hänge) und die morphologische Gliederung erschließen sich dagegen zumeist weit besser aus der Luft. Beispielsweise kann sich eine ihrer Form nach zunächst als typischer Siedlungshügel angesprochene Erhebung im Gelände von anderem Betrachtungsort auch als Verfallsschutt von langen Befestigungsmauern erweisen, können flache unauffällige Mulden und Rillen aus der Luft bei günstigen Aufnahmebedingungen durchaus als Reste nicht mehr genutzter oder sogar antiker Bewässerungskanäle gedeutet werden. Bei allem Reiz der Beobachtungen aus der Vogelperspektive bleibt der Informationsgehalt aber unvollkommen. Man muß sich bei dem Blick von einem hochgelegenen, «luftgestützten» Beobachterstandpunkt auf eine Landschaft, ein Bauwerk oder eine Siedlungsstätte des Verzichts auf den aus Erdperspektive gewollten Blickwinkel des Betrachters bewußt sein. Man muß wissen, daß man damit die Wirkung der Proportion, den Effekt von Konturen, das Raffinement des Licht- und Schatten-Spiels, das schöne Detail aufgegeben oder zumindest weit eingeschränkt hat. Auch Schrägaufnahmen aus der Luft können zu unwillkommenen Verzerrungen führen. In Konsequenz der Erkenntnis dieses Mangels erscheint eine Art Gegenblick notwendig, der zur Ergänzung des Luftgeschauten dienen sollte. Als wichtigste Mittel zur Realisierung einer derartigen sachlich begründet notwendigen Ergänzung bieten sich zum einen das Studium weiterführender Literatur an, zum anderen können Reisen an die betreffenden Orte zur Abrundung eines Gesamtbildes beitragen. 6 Der große optische Reiz, der in Flugbildern liegt, wird gesteigert durch die Farbphotographie. Bereits die eindrucksvolle Geometrie der Landschaft, die Spuren menschlichen Einwirkens auf die Umwelt (landwirtschaftliche Nutzflächen, Kanäle, Stauanlagen), der Linearismus von Straßen, Wegen und Flüssen, vermögen uns zu begeistern. Wenn dann das Farbenspiel des Pflanzenwuchses im Wechsel des Vegetationszyklus hinzutritt, bekommt Landschaft eine Komplexität, die man sonst kaum erleben kann. Sinngemäß gilt dies ebenso für Wüsten- und Steppenregionen, die ihre eigene Art der Gliederung preisgeben. Auch in den Flugbildern von Bauwerken, Gebäuden und Städten kann sich eine neue und ganz andersartige Strukturhaftigkeit offenbaren, läßt sich oft weit besser erkennen, wie sie in die Landschaft eingebunden sind. In diesem Sinne vermögen Flugbilder, wie bereits gesagt, den Informationsgehalt von Modellen und Plänen mit deren begrenzter Aussagefähigkeit zu erweitern. Mit Syrien lassen sich unterschiedliche Topoi wie «Orient», «Heiliges Land», «Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident», «Schmelztiegel der Kulturen», «Hort des frühen Christentums» oder «Wiege der menschlichen Zivilisation» verbinden. Alles ist dabei richtig, aber damit ist nicht alles gesagt. In Syrien haben sich aus allen historischen Perioden seiner wechselvollen Geschichte bedeutende Kulturdenkmäler erhalten. Mit seinen architektonischen Schätzen, sei nen landschaftlichen Schönheiten und seiner kulturellen Vielfalt zählt das Land zu den Regionen, denen zunehmend mehr Interesse entgegengebracht wird. Dies belegen nicht nur die steigenden Touristenzahlen. Syrien ist zweifellos auch zu einem Zentrum der archäologischen und kunsthistorischen Forschung geworden. Vorliegender Bildband versucht, Syrien und wesentliche Be-

EINLEITUNG

reiche seiner Kulturgeschichte vor allem aus einer von den Großlandschaften bestimmten Sicht vorzustellen. Es wären auch andere Gliederungsprinzipien und andere Auswahlkriterien für die Photos möglich gewesen. Bei der Zielsetzung, Syrien möglichst in seiner ganzen Vielfalt der Landschaften und möglichst umfassend mit seinen kulturhistorischen Schätzen und archäologischen Fundplätzen zu zeigen, war eine Vollständigkeit nicht zu erreichen. Der vorrangig archäologisch Interessierte mag sich andere Schwerpunkte wünschen als der Bauforscher, der Agrarwissenschaftler vermißt vielleicht einen gänzlich andersartigen Aspekt. Hinzu kam, daß auch bestimmte Flugbeschränkungen und die verfügbare Zeit einige Wünsche unerfüllt ließen. Mit der kurzen Aufzählung wichtiger historischer Etappen ist die ganze Dimension der historischen Entwicklungen in diesem geographischen Großraum Syrien angedeutet: Syrische Frühgeschichte, Syrien im Kontext der altorientalischen Großreiche, Syrien unter «westlicher»/europäischer Vorherrschaft (Seleukiden, Rom, Byzanz), Syrien und der Islam/die Arabisierung des Landes, die Zeit der Kreuzfahrer, das syrische Mittelalter, das moderne Syrien. Immer wieder hat es entscheidende Anstöße von außen gegeben, in einer Art Rückkopplung haben gleichermaßen eigene Impulse im Rahmen des Kulturaustausches auch wieder nach außen, bis in unseren eigenen Kulturraum hinein, gewirkt. Die lange und wechselvolle Geschichte Syriens hat mannigfaltige Spuren hinterlassen, die es zu erkunden gilt. Noch sind nicht alle Spuren gedeutet und längst nicht alle historischen Hinterlassenschaften untersucht, insbesondere wenn man an die unzähligen historischen Siedlungshügel denkt, die noch nicht erforscht werden konnten und die manche Überraschung bereit halten dürften. Der moderne Staat Syrien ist ein Erbe der Vergangenheit, letztlich eine politische Konstruktion unseres Jahrhunderts. Das Territorium dessen, was einst Syrien genannt wurde, entsprach nicht dem der heutigen Republik Syrien, die im Jahre 1946 gegründet wurde. Das historische «Großsyrien» umfaßte das Gebiet zwischen den Gebirgsketten des Amanus und des Taurus im Norden bis zur Südspitze der Halbinsel Sinai und von der Mittelmeerküste bis zur Syrisch-Arabischen Wüste. In einer strengen geographischen Sicht endet das historische Syrien etwa am Flußlauf des Euphrat, es entspricht damit der römischen Provinz Syria . Das Gebiet östlich des Euphrat dagegen, das heute zu Syrien gehört, ist historisch und geographisch Obermesopotamien zuzurechnen. Einige der kulturgeschichtlich bedeutsamen syrischen Großlandschaften reichen bis auf die Staatsterritorien benachbarter Staaten - Türkei, Libanon, Jordanien und Palästina/Israel. Allerdings differenzierte bereits Herodot Palästina und Phönikien als Teile von Syrien, zugleich grenzte er Syrien von Arabien ab. Um schwerwiegende Mißverständnisse zu vermeiden, ist bei der Verwendung des Begriffes «Syrien» zu beachten, ob dabei der politische Terminus gemeint ist oder ob man ihn im kulturgeschichtlich-geographischen Sinne verwendet, wie er sich historisch herleiten läßt. Die Flugbilder für den vorliegenden Bildband beziehen sich streng auf den modernen arabischen Staat Syrien. Die Flugbilder und die Kapitelfolge orientieren sich nicht an chronologischen Abläufen der geschichtlichen Entwicklung des Staates. Auch eine Gliederung nach staatlich festgelegten Verwaltungseinheiten bietet sich nicht an, da die in der Vergangenheit häufig geänderten Grenzen keine begründeten Bezüge zur Oberflächenstruktur haben.

Syrien stellt keine geographische Einheit dar, vielmehr herrscht ein interessanter Pluralismus in den Landschaftsformen vor, der in der Charakterisierung Syriens als ein «lockeres Konglomerat von Landschaften sehr verschiedener Naturausstattung, die längst nicht alle im gleichen Maß den Bedürfnissen einer menschlichen Bevölkerung entgegenkommen» treffend beschrieben ist.' Text- und Bildautor haben dem Bildband ein Gliederungsprinzip zugrunde gelegt, das abgeleitet ist von den Forschungsergebnissen, die Eugen Wirth in seiner exzellenten Landeskunde Syriens niedergelegt hat. 8 In den Abschnitten zu allgemein landeskundlichen Sachverhalten war es zudem mitunter sinnvoll und hilfreich, sich auf die Terminologie Eugen Wirths zu stützen. Die Abgrenzungskriterien zwischen den Kulturlandschaften liegen in den klimatischen Unterschieden, gleichermaßen sind sie geologisch begründet sowie durch charakteristische Landschaftsprägungen und Oberflächenformen gekennzeichnet. Davon ableitbar sind unterschiedliche Phänomene wie das Spannungsfeld zwischen Seßhaftigkeit und nomadisierender Lebensweise, Unterschiede in den Siedlungsräumen und Siedlungsmöglichkeiten (Bevölkerungsdichte), geopolitische Besonderheiten, Urbanisierung, Siedlungsformen und Bautechnik. Im wesentlichen läßt sich nach der Terminologie Eugen Wirths Syrien in die Großlandschaften gliedern, die auch das Gerüst für die Abfolge der in vorliegender Publikation vorgestellten Flugbilder bilden: - Der mediterrane syrische Westen - Die Ackerfluren des nordsyrischen Tafellandes - Die Bergländer und Bewässerungsoasen Mittelsyriens - Die Basaltlandschaften Südsyriens - Die syrischen Wüstensteppen - Das syrische Euphrat-Tal - Das Chabur-Tal und Nordostsyrien. Wenn, wie eingangs geschehen, der Bildautor dieses Buches und seine Luftbeobachtungen nicht zufällig mit dem mythischen Luftreisenden und dessen Betrachtungen der Erdoberfläche in einen formalen Zusammenhang gebracht wurden, so ist dem modernen Etana des ausgehenden 20. Jhs. dank zeitgemäßeren Fluggerätes und besserer Beobachtungstechnik sowie breiterer Verbreitung seiner Beobachtungsergebnisse eine gesteigerte Wirksamkeit seiner «Flugberichte» sicher. In einer Würdigung seiner Leistungen auf dem Gebiet der Luftphotographie wurde die Arbeit Georg Gersters (Jahrgang 1928) unlängst als philosophisches Instrument bezeichnet, denn t;·

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